Perry Rhodan 2850: Die Jenzeitigen Lande - Wim Vandemaan - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2850: Die Jenzeitigen Lande E-Book und Hörbuch

Wim Vandemaan

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Beschreibung

Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen. Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang – den Weltenbrand – der gesamten Galaxis. Um die Herrschaft der Atopen zu brechen, hat sich der Arkonide Atlan ins vermutete Herz dieser Macht begeben. Nach einer unglaublichen Reise durch Gefilde, die sich niemand vorzustellen gewagt hätte, erreicht er sein Ziel: die Ländereien von Thez. Sie sind besser bekannt als DIE JENZEITIGEN LANDE ...

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Zeit:3 Std. 21 min

Sprecher:Tom Jacobs
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Nr. 2850

Die Jenzeitigen Lande

Atlan und Tifflor am Ziel ihrer längsten Reise – im Herzen der Atopie

Wim Vandemaan / Christian Montillon

Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen.

Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang – den Weltenbrand – der gesamten Galaxis.

Um die Herrschaft der Atopen zu brechen, hat sich der Arkonide Atlan ins vermutete Herz dieser Macht begeben. Nach einer unglaublichen Reise durch Gefilde, die sich niemand vorzustellen gewagt hätte, erreicht er sein Ziel: die Ländereien von Thez. Sie sind besser bekannt als DIE JENZEITIGEN LANDE ...

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan – Der unsterbliche Arkonide erreicht das Ende der Zeit.

Julian Tifflor – Ein Bote des Atopen erreicht ein Ziel, das er nur erahnte.

Than – Ein Fauth kennt seinen besten Freund.

Valkuzz und Spaykel

Than

Viele gingen. Than blieb.

Für seine Passagiere, die in einer raumzeitlich angelegten Welt lebten, verstrich im Übergang keine Zeit.

Zeiträume, die unterhalb der Lichtbrücken-Zeit lagen, waren für sie nicht erlebbar.

Terraner benannten diesen Zeitraum nach einem der Ihren als Planck-Zeit – das war die Zeit, die das Licht brauchte, um den kleinstmöglichen Abstand zurückzulegen, die Planck-Länge.

Die Terraner schätzten diesen Zeitraum auf 10 hoch minus 44 Sekunden.

Gut geschätzt.

Unterhalb dieser Schwelle verlor die Zeit alles Kontinuierliche. Sie hörte auf, im Fluss zu sein. Sie setzte in diskreten Sprüngen vor; wie sie sprang, trug sie das Universum in die Zukunft.

Es war eine leichte, willige Last.

Während die Atopische Fähre in die Jenzeitigen Lande vorstieß, wurde sie zu einer Singularität, vom Nichts ununterscheidbar, eine schwerelose Gleichung, die nur sich selbst glich, aufgehoben in einer Formel, die sie selbst war.

Wenn Than beim Übergang alle seine Aufmerksamkeit auf den Ursprung richtete, schaute er den Abglanz der Planck-Ära. Nicht selten, dass ihn die Ehrfurcht ergriff. Wie ein Spiegel lag dort die Welt in Wehen, erfasste ihr Ende und Aufhören und im Aufhören den Blick zurück auf ihren Anbeginn.

Ein etwas beschwipsender Anblick.

Hier war es, da die Erste Superintelligenz wie ein Blitz einschlug, ein Vorschein. Aber diese Erste Meta-Intelligenz fand, anders, als sie es wohl geplant hatte, keinen Halt.

Denn schon war diese Ära vorüber. Die Eigenzeit der neuen Welt erfüllte alles; und sie, die Erste, die Letzte, die Überlebende – sie rief nach Rettung.

Äonen später (und längst zu spät) würde ihr Ruf die Retrosonden der Ländereien von Thez erreichen.

Die Suche begann, notgedrungen.

Than hatte damals der Suche zugestimmt, dem größten Projekt der Vögte, das zu ihrem Triumph führen sollte und zu ihrem Untergang.

Die Vögte waren nicht mehr.

Die Fauthen waren.

Alles war gut.

Die Fähre hatte die Lichtbrücken-Zeit passiert. Die Passagiere sprachen; sie wollten wissen, wie lange die Reise dauern würde. Than hob sein Gesicht aus der Tränke seiner Selbstversenkung und erklärte: »Die Reise geht nicht in die Zeit.«

»Was bedeutet das?«, fragte der Terraner, der Vogel Ziellos hieß.

»Das bedeutet, dass sich die Fähre nun auf der Insel der Hiesigkeit befindet.«

Wo aber sich diese Insel befinde?

»Am Ziel«, sagte Than.

Than sah, wie Julian Tifflor und Atlan da Gonozal einander anschauten und wie sie begriffen: Sie hatten die Jenzeitigen Lande erreicht. Sie waren besorgt.

Than dagegen war ohne Sorge:

Der Ursprüngliche würde seine Sprünge machen.

Der Frühe würde reifen.

Der Suchende würde ihn finden.

1.

Quarantäne

Die technoiden Geflechte zogen sich zurück und legten die hölzerne Tür frei. Noch blieb der Ausgang der Fähre geschlossen. Im Innenraum des Fahrzeugs duftete es nach Holz, gemischt mit dem undefinierbaren Aroma von Metall.

Julian Tifflor strich mit der Hand über das warme Holz; er spürte die leichten Unregelmäßigkeiten, die Wölbungen und Vertiefungen, ganz so, als wäre diese Wand von einer menschlichen Hand abgehobelt worden.

Dabei war die Atopische Fähre alles andere als ein Produkt aus Menschenhand.

Kein menschliches Fahrzeug hätte in die Jenzeitigen Lande vorstoßen können.

Sie aber hatten die Jenzeitigen Lande erreicht. Lua Virtanen und Vogel Ziellos, die beiden Jugendlichen von der ATLANC, wirkten angespannt, aber nicht ängstlich. Lua, die Tochter der Markleute, wickelte sich die rote Strähne um den Finger, die aus ihrem blonden Haar hervorleuchtete. Der Schnabel von Ziellos klapperte gedankenverloren.

Wir sind schon eine seltsame Reisegruppe, dachte Julian Tifflor. Vier Raumzeittouristen, zwei davon noch nicht erwachsen, die anderen beide mehr als zehntausend Jahre alt. Er schaute in Richtung Atlan. Der Arkonide hatte die Augen geschlossen, ganz so, als lauschte er in die weiten Fernen.

Möglich, dass Atlan mit seinem Extrasinn konferierte, seinem zweiten Ich, das ihm Rede und Antwort stand, Hinweise gab, Schlüsse zog. Atlan bezeichnete diesen inneren Gesprächspartner auch als seinen Logiksektor. Freilich ließ er hin und wieder durchblicken, dass dieser nicht nur logisch argumentierte, sondern zu grimmigen Wortwechseln neigte.

Was mochte dieser Extrasinn ihm nun mitteilen – an diesem Ort außerhalb von Raum und Zeit, von dem aus das Atopische Tribunal operierte und in die Zeitgeschichte des Universums eingriff?

Vielleicht mahnte er Atlan: Du bist im Zentrum einer unbegreiflichen Macht – hier gelten deine arkonidischen Maßstäbe nicht mehr.

Es hatte Zeiten gegeben, da Tifflor sich einen solchen Extrasinn gewünscht hätte. Aber den Terranern fehlte das spezielle Hirnareal der Arkoniden, das zudem nur mit einer aufwendigen Prozedur aktiviert werden konnte.

Übrigens waren solche Zeiten lange vorbei.

Menschen sahen es Tifflor nicht unbedingt an, aber sein Menschsein war nicht mehr unbestreitbar. Mit seiner gletscherblauen Haut hätte man ihn wohl noch für einen umweltangepassten Terraner halten können, für einen hochgewachsenen Mischling aus Terraner und Ferrone, vielleicht.

Doch dieses eisige Blau verdankte sich nicht der liebevollen Mischung von Erbinformationen, sondern einem Kristallstaub, der sich im Laufe seiner Jahrmillionenwanderung auf der Haut abgelagert hatte und mit ihr eine unauflösliche Verbindung eingegangen war.

Irgendwann im Lauf dieser Wanderung hatte Tifflor gemerkt, dass er sich, je näher er seinem Ziel kam, Schritt für Schritt weiter von seiner Herkunft entfernte, langsam, unaufhaltsam.

Im Umgang mit Menschen bemühte er sich, menschlich zu erscheinen.

Menschen waren ihm immer noch lieb.

Er lächelte Lua Virtanen aufmunternd zu, und die junge Geniferin nickte mit zusammengekniffenen Lippen zurück. Sie war eine Terranerin, aber weder auf Terra geboren noch auf einem anderen Planeten. Sie war ein Kind des Schiffes ATLANC, mit dem früher stets ein atopischer Richter gereist war.

Kreuz und quer durch den Raum und durch die Synchronie, diese exotische, zweite Zeitdimension, die das Atopische Tribunal als seine eigenartige Infrastruktur benutzte.

Lua war Bordkind dieses gigantischen Gefährts, das Jahrhunderte in der Synchronie unterwegs gewesen war, Produkt einer sehr außerirdischen Evolution der Menschheit.

Genau wie Vogel Ziellos.

Tifflor betrachtete den Jungen mit dem vogelartigen Gesicht. Die flaumige Gesichtsbefiederung schillerte in allen Farben. Tifflor zwinkerte ihm zu; Vogel zwinkerte zurück – irgendwie erleichtert.

Tifflor mochte ihn. Tifflor mochte Lua. Es war leicht, diese beiden Jugendlichen zu mögen.

Vogel stieß Lua mit dem Ellenbogen sanft in die Seite. Lua holte Luft, um etwas zu sagen.

In diesem Moment öffnete sich die Tür der Atopischen Fähre.

»Und jetzt?«, fragte Vogel Ziellos. Er warf Than einen scheuen Blick zu. Der monumentale Schädel des Fährmanns rührte sich nicht; sein Gesicht blieb in die Glasschale getaucht. Das flüssige Gold in der Schale machte es schwer zu erkennen, ob die Augen des Fauthen geöffnet waren oder nicht.

Auch der Rumpf, der abseits vom Kopf auf drei wuchtigen Beinen stand und ohne sichtbare Verbindung zu diesem existierte, verriet keine Regung. Than wirkte versteinert. Lediglich die drei flossenartigen Organe auf dem Rumpfrücken dehnten sich schwach aus, kontrahierten wieder. Atmete Than so? Musste er überhaupt atmen?

»Wir steigen aus«, hörte Tifflor Atlan sagen.

Der Arkonide stand von der hölzernen Bank auf und war mit wenigen Schritten bei der Öffnung. Mit der rechten Hand fasste er an die Fuge; die vier Finger trommelten einen unruhigen Rhythmus an die Wand.

Er ist besorgt, dachte Tifflor.

Selbstverständlich war Atlan besorgt.

War er selbst etwa unbesorgt?

Tifflor horchte in sich hinein. Da war nichts als das Gefühl, daheim zu sein. Ein grundloses Gefühl, das ihn hätte erstaunen sollen.

Mittlerweile drängten sich Lua Virtanen und Vogel Ziellos hinter Atlans Rücken.

Tifflor stand auf und schaute den Pensor an: »Was ist mit dir? Begleitest du uns?«

Über den wuchtigen Anzug, der vage einem antiken Tiefsee-Skaphander glich, liefen hellblau leuchtende Hieroglyphen, Botschaften möglichenfalls, die Tifflor jedoch nicht zu entziffern vermochte. Er versuchte, der großen humanoiden Gestalt durch die verschattete Helmblase in die Augen zu schauen. Aber das puppenhafte Gesicht hatte sich weit zurückgezogen.

Da hob Than sein Antlitz aus der Schale. »Nein«, sagte der Fauth. »Der Pilot bleibt in der Fähre.«

»Braucht die Fähre denn einen Piloten?«, fragte Tifflor.

»Ich bin der Fährmann«, sagte Than. »Der Pilot wird für ein Atopenschiff benötigt.«

Julian Tifflor wollte fragen, von welchem Raumschiff Than redete, da hörte er Atlan rufen: »Kommst du?«

Tifflor nickte dem Fauthen zu, der sein Gesicht wieder in die Schale senkte.

Tifflor hob kurz die Hand, um sich vom Pensor zu verabschieden. Dann folgte er Atlan und den beiden Jugendlichen, stieg aus der Fähre und setzte seinen Fuß auf das Jenzeitige Land.

*

Die Atopische Fähre befand sich in einer Halle, die Julian Tifflor an einen uralten U-Bahnhof erinnerte, eine vergrößerte Ausgabe der U-Bahnstation Grand Central – 42nd Street in New York.

An einen verlassenen Bahnhof allerdings. Der Bahnsteig war ausladend breit, sicher über hundert Meter, und seine Länge unabsehbar. In der Ferne mochten Treppen hinaufführen, vielleicht Aufzüge oder ein verkleideter Antigravschacht. Das war auf diese Distanz nicht zu erkennen.

Natürlich fehlten auch die Zeitungskioske mit den ausgelegten Comics, dachte Tifflor amüsiert. Und wenn man eine Treppe hinaufstieg, käme man kaum im Grand Central Terminal heraus.

Nicht nur links und rechts dieser möglichen Aufgänge waren dunkle Öffnungen zu sehen, die Tifflor auf den ersten Blick wie Tunneleingänge erschienen. Auch in den gegenüberliegenden Wänden führten solche unbeleuchteten Ein- oder Ausgänge ins Irgendwo.

Die Mauern waren gekachelt; die Kacheln von unterschiedlicher Größe, Farbe und Form fügten sich zu einem harmonischen Ganzen.

Die Decke hing hoch und leicht gewölbt; aus spinnennetzartigen Strukturen fiel ein mildes, kerzengleiches Licht, das die ferneren Bereiche der Halle im Halbdunkel ließ.

Am Boden lagen verstreut Pfützen, in denen etwas wie ein schwacher Widerschein glomm.

In unregelmäßigen Abständen ragten Gebilde in die Höhe, die Tifflor auf den ersten Blick für Litfaßsäulen hielt. Sie waren schlank, reichten vom Boden bis zur Decke und rotierten langsam.

»Als würden Boden und Decke zusammengeschraubt«, sagte Lua Virtanen, der bei diesem Anblick eine andere Assoziation gekommen war.

»Es sind Aquarien«, sagte Vogel Ziellos mit zusammengekniffenen Augen. »Schauen wir sie uns an.«

Atlan warf Tifflor einen Blick zu.

Tifflor zuckte mit der Achsel. »Aye. Schauen wir sie uns an«, wiederholte er.

Zu viert gingen sie auf eines der transparenten Gebilde zu. Vogel behielt recht. Jedenfalls kam sein Eindruck der Realität wohl am nächsten. Die Säule war so umfangreich, dass Lua und Vogel sie nicht gemeinsam mit den Armen hätten umfassen können. Hinter der durchsichtigen Wandung tummelte es sich: faustgroße Kreaturen, die sich wie Fische wanden und schwammen, ohne Fische zu sein. Ihre Gesichter glichen denen von Kapuzineräffchen, waren aber auf sinnverstörende Weise eingestülpt. Zwischen den Kreaturen leuchteten hin und wieder aus dem Nichts geometrische Figuren auf, trieben aufeinander zu, durchdrangen und verschränkten sich.

»Hm«, machte Atlan.

»Was sagt dein Extrasinn?«, fragte Tifflor.

»Er sagt: Das sind keine Lebewesen, sondern Berechnungen. Konkave Algorithmen.«

»Was sonst«, sagte Tifflor.

»Algorithmen sind doch Wegweiser für Problemlösungen, oder?«, warf Lua Virtanen ein.

Tifflor nickte.

»Vielleicht sind wir ja das Problem«, vermutete Lua.

Einige der eingestülpten Gesichter hatten sich inzwischen mit ihrem ringförmigen Mund an der transparenten Wandung festgesaugt und spähten nach außen, als nähmen sie die vier Betrachter wahr.

Und schauten gleichzeitig durch sie hindurch.

Julian Tifflor meinte, diese Blicke physisch zu spüren. Er rieb sich in Zwerchfellhöhe über den Bauch.

»Das Licht ist falsch«, murmelte Vogel Ziellos.

Tifflor sah ihn fragend an.

»Es scheint aus den Lampennetzen über uns zu kommen, aber in Wirklichkeit steigt es aus den Leuchtlachen auf und sammelt sich dort.«

»Du kannst die Polarisationsrichtung von Licht sehen?«, fragte Tifflor.

»Ein bisschen«, sagte Ziellos bescheiden. Sein Schnabel klapperte leise beim Sprechen.

»Wir bekommen Besuch«, sagte Atlan.

Aus einem entfernten Abschnitt der Halle rollte es auf sie zu: schlanke, etwa drei Meter hohe Konstruktionen in Form einer Sanduhr, die auf einer Vielzahl silbriger Kugelelemente rollten.

Wie in den Lavalampen, die zu Tifflors Kindheit in den 1970er Jahren in New York und anderswo schick gewesen waren, trieben aufsteigende und niedersinkende zähe Klumpen darin.

Die Objekte – es waren vier – hielten in einem Abstand, den Tifflor als respektvoll empfand. In drei der Gefäße strahlten die Klumpen in sattem Gold; im vierten, das einige Meter mehr Abstand hielt, war der Batzen von leuchtendem, aquamarinem Blau.

Es tönte aus ihnen wie von entlegenen Glocken, leise und sehr melodisch.

»Sie sprechen mit uns«, sagte Atlan.

»Hallo!«, riefen Lua Virtanen und Vogel Ziellos gleichzeitig.

Übergangslos blitzte es aus dem vordersten Gefäß. Die Blitze schlugen in ihre Stirn ein. Die beiden Jugendlichen schnappten nach Luft; Tifflor und Atlan blieben ruhig.

»Mein Name ist Q-Gold«, verstand Tifflor mit einem Mal den Glockenklang. »Unseren Meister den Einen bezeichnen wir als Q-Blau. Wir sprechen wie die meisten kommunikationsbefähigten Bürger der Veste Tau Taukom. Ihr versteht es, weil wir euch die Fähigkeit via Sextaform-Impuls eingestrahlt haben. Klingt einfach, ist es aber nicht.«

»Ihr hättet uns wenigstens um Erlaubnis fragen können«, grummelte Atlan. »Bevor ihr uns diesen Impuls injiziert.«

»Wir haben euch gefragt«, erwiderte eines der Q-Gold-Wesen. »Ihr habt nicht widersprochen.«

»Hättet ihr verstanden, falls wir widersprochen hätten?«, erkundigte sich Lua Virtanen.

»Wir verstehen die meisten Idiome«, sagte Q-Gold. »Sonst könnten wir die Sextaform-Schulung nicht modifizieren.«

Atlan winkte ab. »Was wollt ihr von uns?«

»Wir sind das für diesen Hafen zuständige Quarantänekommando. Nähere Auskünfte gibt Meister Q-Blau.«

Atlan neigte fast unmerklich den Kopf zur Seite. Wahrscheinlich, dachte Tifflor, legt ihm sein Logiksektor gerade eine Liste der drängendsten Fragen vor.

Tatsächlich fragte Atlan: »Wo genau sind wir?«

Das Gefäß mit Meister Q-Blau rollte ein wenig weiter zurück. »In der Veste Tau. Die Veste trug einst einen anderen Namen, der aber seit Äonen verschollen ist.«

»Die Veste ist also alt?«

»Sie ist alt«, bestätigte Q-Blau. »Viele Milliarden Jahre eurer Zeitrechnung.«

Atlans schluckte kurz. Lua und Vogel lachten ungläubig auf wie über einen gelungenen Scherz.

Q-Blau fuhr fort: »Sie ist eine der Inseln der Hiesigkeit, die in den Jenzeitigen Landen existieren.«

»Seid ihr die einzigen Bewohner?«

»Nicht ganz«, sagte Q-Blau, und ein klirrender Glockenton mischte sich unter seine Worte. »Es leben etwa zehn Billionen Bürger in der Veste.«

»Zehn Billionen?«, wiederholte Atlan.

»Zehntausend Milliarden. Die exakte Anzahl ist unbekannt. Sie wechselt sekündlich.«

Atlan räusperte sich. »Und wie viele dieser Inseln der Hiesigkeit existieren in den Jenzeitigen Landen?«

»Die genaue Zahl ist uns ebenfalls nicht bekannt.«

»Weil auch sie sekündlich verändert wird?«

»Ja«, sagte der Meister.

»Während draußen ...«, Atlan machte eine ungefähre, alles umfassende Geste. »... nichts mehr existiert?«

»Während von Draußen im Wortsinn zu reden wenig Sinn ergibt«, sagte Q-Blau. »Dort unten und damals ist nur der Schatten, das Echo des Breis: alle Protonen zerfallen, alle Schwarzen Löcher verstrahlt, das Vakuum versiegelt von seiner endgültigen Nichtigkeit.« Q-Blau führte die Lage draußen noch ein wenig aus, aber nicht mehr in für Atlan oder Julian Tifflor oder die Jugendlichen fassbaren Begriffen.

Irgendwann winkte Atlan ab. »Das Universum existiert also nicht mehr.«

»Das Universum ist in den Abendabgrund der Zeit gestürzt; es existiert nicht mehr; Zeit und Raum liegen nicht mehr vor.«

Lua Virtanen hob die Hand: »Und wie sind dann die Inseln der Hiesigkeit möglich?«

»Weil Thez ihrer gedenkt«, sagte Q-Blau.

Eines der Q-Gold-Wesen sagte: »Und weil die Veste Tau durch die auto-kausale Transzendenz-Zone vom Brei abgeschirmt wird. Klingt einfach, ist es aber nicht.«

Zum ersten Mal mischte sich Tifflor ein: »Welche Gestalt hat diese Veste Tau?«

Das Gefäß mit Q-Blau rollte nach vorne. »So sieht sie aus«, sagte der Meister. Einer der Klumpen blähte sich auf und nahm stabilere Form an – die Form eines Tropfens, weitgehend sphärisch mit einem flacheren und einem spitzeren Ende.

Ein Tropfen, der, wie sie erfuhren, etwas mehr als 19.700 Kilometer durchmaß. Tifflor verglich dieses Maß automatisch mit dem der Erde, deren größter Durchmesser bei 12.756 Kilometern lag.

Jupiter brachte es auf einen Äquatorialdurchmesser von über 140.000 Kilometer. Die Veste Tau war demnach kein Monstrum; ihre Bürger lebten im Inneren dieses Gebildes und da von vielfachen Gliederungen und Schichtungen auszugehen war, dürfte Tifflors Annahme zufolge der Wohn- und Lebensraum für jeden einzelnen dieser Bürger eher großzügig bemessen sein. Und das selbst dann, wenn über zwei Drittel des Volumens von Maschinen und Bauwerken beansprucht wurden.

Julian Tifflor überlegte, wie viele verschiedene Kulturen in der Veste leben mochten. Wenn er von durchschnittlich zehn Millionen Individuen pro Kultur ausging, könnten sie mit bis zu 100.000 solcher Zivilisationen rechnen.

Vogel Ziellos reckte den Hals, als hielte er Ausschau. »Und es gibt noch andere Inseln der Hiesigkeit? Könnten wir sie besuchen?«

Q-Blau erklärte: »Jede Insel der Hiesigkeit hat eine Eigenzeit. Manche dieser Eigenzeiten sind koordiniert und stehen im Chronoverbund der Jenzeitigen Lande; manche nicht.«

»Der Tank Tabbas ist stillgelegt«, warf eines der Q-Gold-Wesen ein. »Und die Echsenlandzisterne Wasser 10 & Raketen verläuft chrono-diametral. Klingt einfach, ist aber kompliziert.«

»Aber wir könnten hinüber?«, fragte Ziellos unternehmungslustig.

Das tropfenförmige Modell der Veste im Behältnis von Q-Blau begann zu irrlichtern. Q-Blau sagte: »Die Veste Tau hat keine wirkliche Oberfläche. Ihre äußersten Schichten bestehen aus der auto-kausalen Transzendenz-Zone, dort wabert die Raumzeit, die von unseren Raumzeit-Spendern erzeugt wird. Die Zone geht in das über, was vom Brei geblieben ist.«

»Wir lassen das lieber erst einmal«, sagte Vogel Ziellos vorsichtig und nickte Lua zu. Lua grinste ihn schief an.

»Ihr könnt hierbleiben«, bestätigte Q-Blau. Der Klumpen, der bislang die Veste Tau dargestellt hatte, teilte sich zu vier überschlanken Armen, die auf die beiden Jugendlichen wiesen, auf Atlan und Julian Tifflor. »Ihr alle könnt bleiben, solange ihr wollt. Oder ihr könnt die Veste Tau wieder verlassen.«

»Und zurückkehren in unsere Zeit?«

Julian Tifflor bemerkte, dass Q-Blau mit einer Antwort zögerte. Dann sagte der Meister: »Ihr stammt aus einem Sternengebilde, tief in der Frühzeit des Universums. Keine leichte Passage dorthin, wie man hört.«

»Es klingt einfach, ist aber kompliziert«, spöttelte Atlan.

»In der Tat«, sagte Q-Blau. »Ihr seid zum Bewusstsein gekommen in GA-yomaad. Selten operiert das Atopische Tribunal in derartiger Zeittiefe.«

»Dieses Atopische Tribunal – was ist es wirklich?«, fragte Atlan.

Trotz der Fremdartigkeit der Quarantänekommandos hörte Tifflor das Erstaunen in der Stimme von Q-Blau. »Es ist das Recht. Es ist eine Formel, die Thez aus dem GESETZ abgeleitet hat. Es ist eines der Sinnesorgane von Thez.«

»Sinn wofür?«, setzte Atlan nach.

»Sein Gleichgewichtssinn für das Universum.«

Tifflor sah, wie Atlan die Brauen kaum merklich zusammenzog. »Thez koordiniert die Einsätze des Atopischen Tribunals?«

»Das wissen wir nicht mit Sicherheit«, bekannte Meister Q-Blau. »Vieles spricht dafür, vieles dagegen. Im engeren Sinn koordiniert werden die Missionen selbstverständlich dort, wo die Atopen bestellt werden, am Atopischen Hof. Der Anteil von Thez ist schwer zu bemessen.«

Atlan warf Tifflor einen Blick zu. »Wo finden wir diesen Atopischen Hof?«

Niemand vom Quarantänekommando wusste es zu sagen. Tifflor glaubte ihnen. Er hatte nicht das Gefühl, dass diese Geschöpfe – oder Konstrukte? – ihnen die Auskunft verweigerten.

Auch Atlans Extrasinn hatte offenbar seine Schlüsse gezogen; Atlan sagte: »Der Atopische Hof ist mobil?«

»Ja«, sagte Q-Blau. »Seine Züge sind schwer zu verstehen. Möglicherweise existiert er eben jetzt in der Veste Tau, möglicherweise aber auch auf einer anderen Insel der Hiesigkeit.«

»Ich verstehe.« Atlan winkte Tifflor zu sich heran und neigte seinen Mund zu dessen Ohr hinab. »Such den Atopischen Hof«, sagte Atlan. »Dieser Matan hat dich beauftragt, Erkundigungen einzuziehen über den nächsten Atopen für die Milchstraße. Du bist sein Bote. Du kannst dich auf ihn berufen. Ich nicht.«