Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Im 25. Jahrhundert: Die Menschheit strebt eine friedvolle Zusammenarbeit der galaktischen Zivilisationen an, womit sie dem positiven Leitbild des Raumfahrers Perry Rhodan folgt. Doch dann wirft man ihm und seinen Gefährten terroristische Anschläge vor – sie müssen von der Erde fliehen. Hinter dieser Intrige vermutet Rhodan die Hamamesch, die seit einiger Zeit in der Milchstraße aktiv sind. In M 33, der fernen Herkunftsgalaxis der schneckenartigen Händler, erfährt er das dunkle Geheimnis ihrer Verkaufserfolge. Mit der MAGELLAN eilt Rhodan zurück ins Solsystem. Welche Folgen hatte die Droge, die von den Hamamesch verbreitet wurde, für die Menschen in der Heimat? Die schreckliche Antwort offenbart sich Perry Rhodan auf dem Schwarzmarkt Terra ...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 205
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Band 358
Schwarzmarkt Terra
Jacqueline Mayerhofer
Cover
Vorspann
1. Die lange Reise
2. Schlechte Nachrichten
3. Ein kleiner Zwischenstopp
4. Ein Besuch auf Cybora
5. Die drei Entzugsphasen
6. Folgen der Sucht
7. Taktische Gesprächsführung
8. Das Notsignal
9. Auf dem Geisterschiff
10. Wertvolle Kontakte
11. Observation
12. Die Stunde der Wahrheit
13. Ein Abstecher zum Mond
14. Eine Überraschung kommt selten allein
Impressum
Im Jahr 2462: Nach einer langen Zeit des Exils sind die Menschen zur Erde zurückgekehrt und bauen ihr Sternenreich wieder auf. Perry Rhodan und sein Umfeld stellen die Weichen für eine friedvolle Zusammenarbeit mit den Völkern der Milchstraße.
Doch dann wirft man ihm und seinen Gefährten terroristische Anschläge vor. Sie müssen mit dem Fernraumschiff MAGELLAN fliehen. Rhodan glaubt, dass die Hamamesch für diese Intrige verantwortlich sind. Sie sind seit einiger Zeit als erfolgreiche Händler aktiv und gewinnen großen Einfluss. In M 33, ihrer fernen Heimatgalaxis, erfährt er, welches dunkle Geheimnis hinter dem Verkaufserfolg dieser Händler steckt.
Er eilt zurück ins Solsystem. Welche Folgen hatte die von den Hamamesch verbreitete Suchtdroge für die Menschen in der Heimat? Eine Antwort offenbart sich Rhodan auf dem SCHWARZMARKT TERRA ...
1.
Die lange Reise
Fünf Monate.
Perry Rhodan hatte schon wesentlich längere Expeditionen in ferne Gebiete des Universums hinter sich. Dennoch war er froh, als die MAGELLAN endlich die sogenannte Lokale Blase und damit das von Menschen besiedelte Sterngebiet in der Milchstraße erreichte.
Allerdings wurde seine Vorfreude darauf, ins Solsystem und zur Erde heimzukehren, diesmal von dem Umstand getrübt, dass er und seine Gefährten von den Behörden der Terranischen Union vermutlich noch immer als Verräter und Verbrecher gesucht wurden. Man lastete ihnen an, die treibende Kraft hinter den terroristischen Aktivitäten gegen die Kosmischen Kontore der Hamamesch zu sein.
Rhodan dachte an die Odyssee zurück, die hinter ihnen lag. Nachdem sie zwei Monate nach ihrer Flucht von Terra mithilfe des Sonnentransmitters Sher 25 nur die Hälfte der Strecke nach M 33 geschafft hatten, hatten sie die Restdistanz mit dem LTG-Fernantrieb der MAGELLAN überwinden müssen, was einen Monat gedauert hatte. Um anschließend die fast drei Millionen Lichtjahre zurückzufliegen, die zwischen dem Charifsystem in M 33 und dem Solsystem lagen, hatten sie eine Reisedauer von weiteren zwei Monaten einplanen müssen.
Wie hatte sich in der Milchstraße die Situation mit den Hamamesch in all dieser Zeit wohl entwickelt? Inzwischen mussten doch hoffentlich mehr Menschen begriffen haben, dass mit den trotz ihrer Hochwertigkeit so unglaublich preisgünstigen Waren der Schneckenwesen etwas nicht stimmte. Es gab immer einen Haken. Wenn etwas zu gut klang, um wahr zu sein, war es das meistens auch nicht. Schon gar nicht, nachdem bekannt geworden war, dass der hyperphysikalische Imprint, der den Produkten der Hamamesch innewohnte – und vor allem das Neurohormon Oxypamin, das in vielen ihrer Waren enthalten war oder ihnen anhaftete –, eine Suchtabhängigkeit auslöste.
Ob Reginald Bull bei Aurelian Voss, dem Ersten Terraner der Terranischen Union, der TU, ein Wort für Rhodans Gruppe einlegen könnte? Obwohl Bull seines Amts als Protektor enthoben worden war, waren die beiden Freunde. Bull könnte Voss erklären, dass die Hamamesch und ihre Herrscher, die Nakken, in der Milchstraße um Asyl bitten wollten und die Kosmischen Kontore geschickt hatten, um hierfür vorab gute Stimmung zu schaffen. Weil die Schadwirkung der Granulation des Hyperraums in ihrer Heimat M 33 früher oder später den Tod ihres gesamten Volkes bedeuten würde.
Aber würde Voss auch auf Bull hören? Rhodan atmete langsam aus, während sich seine Gedanken im Kreis drehten. Die Kosmischen Kontore, die Hamamesch, die Oxypaminsüchtigen – all das hatte bereits vor Monaten gedroht außer Kontrolle zu geraten. Um sich dieser Entwicklung entgegenzustemmen, galt es als Erstes, ihre Namen wieder reinzuwaschen und dafür zu sorgen, dass der Handel mit den Oxypaminwaren endete.
»Wie schnell Freude doch zu Sorge werden kann«, sinnierte Thora Rhodan da Zoltral, die neben Rhodan in der Zentrale der MAGELLAN stand. Auch die Kommandantin des Fernraumschiffs betrachtete die Hologramme und Statusberichte, die vor ihr schwebten.
Mit einem Schmunzeln wandte sich Rhodan an seine Frau. »Hast du mich beobachtet?«
»Muss ich nicht«, antwortete die Arkonidin. »Ich kenne dich auch so gut genug, um zu wissen, was in deinem Kopf vorgeht.«
»Meistens jedenfalls.«
Sie lächelte. »Stimmt. Dann zumindest, wenn du dich nicht wie ein klassischer Terraner verhältst.«
»Wie benimmt sich denn ein klassischer Terraner?«, ging Rhodan auf ihre Neckerei ein.
»Möchtest du darauf wirklich eine Antwort haben, Perry?«
»Besser nicht.« Er lachte. »Von psychologischen Analysen hatten wir in jüngster Zeit genug.«
»Und von Geistern auch«, meldete sich Gucky hinter ihnen zu Wort. Er hob sich telekinetisch in die Höhe, um sich ebenfalls einen Eindruck vom derzeitigen Zustand des Fernraumschiffs zu verschaffen.
»Sprichst du von den unheimlichen leeren Weiten an Bord der aus einem jahrhundertelangen Schlummer erweckten MAGELLAN? Oder von den Keloskern, die uns mit ihrem elfdimensionalen Denken ebenso auf die Probe gestellt haben?«, fragte Thora.
»Beidem.« Der Ilt präsentierte seinen Nagezahn, während er den Kopf drehte und die Holoanzeigen musterte. »Es wäre schön, wenn wir mal irgendwo mit offenen Armen empfangen würden. Vor allem auf Terra.«
Rhodan rieb sich nachdenklich den Nasenflügel. »Davon gehe ich leider nicht aus.«
»Ich auch nicht, Großer.« Gucky seufzte. »Was soll's? Wird schon. Wir haben bisher noch jede Krise überstanden, oder?«
Der Terraner nickte und ließ seinen Blick zu Aveline Celestaris wandern, die mit vor der Brust verschränkten Armen an der Rückwand des Leitstands lehnte und in ihrer eigenen Gedankenwelt versunken zu sein schien. Sie trug das Herz am rechten Fleck, wahrte jedoch weiterhin Distanz zu den anderen. Sie hatte Eidolon – ihr schattenhaftes, negatives Spiegelbild – allmählich besser unter Kontrolle. Trotzdem fürchtete sie wohl weiterhin, die anderen in Gefahr zu bringen, sollte sie eine ungewollte Manifestation dieser aggressiven Wolkenkreatur nicht unterdrücken können. Es würde noch eine Weile dauern, bis die Umbrakinetin neben Gucky auch dem Rest ihrer Gefährten gegenüber auftaute.
In ihrer Nähe schwebte die Ruheschale mit dem Nakk Shymlith. Er hatte seine beiden Hauptfühler, seine Grieden, offenbar fasziniert auf Celestaris gerichtet. Auch die Dutzende kleinen Ärmchen an seiner Körpervorderseite waren aktiv. Seine Außenwelt nahm das Schneckenwesen vor allem mit den psi-empfindlichen Grieden wahr. War der junge Nakk aufgeregt, die Milchstraße kennenzulernen, nachdem er das Kollektiv seines Volkes als Enshar, als Abweichler, verlassen hatte?
Zumindest gestaltete sich die Kommunikation mit ihm bereits wesentlich einfacher als noch zu Beginn. Mittlerweile hatten die Techniker der MAGELLAN einen speziell auf Shymlith zugeschnittenen Translator konstruiert, der seine als Gesprächsworte formulierten Gedanken ins Englische übersetzte.
»Perry!«, riss ihn Thora aus seinen Grübeleien.
Rhodan drehte sich um und blickte auf die Außenbeobachtungshologramme. Wie befürchtet, erwartete sie kein freundlicher Empfang. Vor ihnen im All rasten neun Raumboote auf einen Frachter der Hamamesch zu, der an der charakteristischen Haselnussform leicht zu erkennen war. Die wendigen kleinen Raumfahrzeuge stellten sich dem Frachter in den Weg und zwangen ihn, vom Kurs abzuweichen. Dann umkreisten sie ihn und schnitten ihm sämtliche Fluchtmöglichkeiten ab.
Als das Hamameschschiff trotzdem nach einer potenziellen Lücke suchte und schwerfällig abdrehen wollte, eröffneten die Raumboote mit Thermogeschützstrahlen das Feuer und beschossen den Energieschutzschirm des Frachters, bis sich großflächige, schwarze Flecken darauf bildeten. Lange würde es nicht mehr dauern, bis die Angreifer das Abwehrfeld durchbrachen und das Gefährt beschädigten.
»Ich habe ja mit vielem gerechnet, aber gleich mit einer Weltraumschlacht begrüßt zu werden?«, äußerte Gucky ungläubig. »So, wie die auf den Frachter losgehen, frage ich mich, ob es sich um eine Vigilantengruppe handelt, die sich an den Hamamesch für irgendwas rächen will?«
»Das sieht für mich nicht nach einer Racheaktion aus«, entgegnete Rhodan. »Eher denke ich, dass sie die Hamamesch überfallen wollen, um sie auszuplündern.« Er machte einige Schritte nach vorn, als der Schutzschirm des Frachters unter der Last des Beschusses kollabierte.
Wie Motten, die vom Licht angezogen wurden, stürzten sich die Raumboote sofort auf ihr Opfer. Sie feuerten auf die empfindlichsten Stellen des Haselnussraumers und lösten eine Explosion im Heck aus.
»Gibt es Hinweise darauf, von welchem Volk diese Piratenschiffe bemannt sind?«, fragte Rhodan die Ortungs- und Funkchefin der MAGELLAN.
»Nicht direkt, Sir«, antwortete Zyrana da Othar. »Ich gehe jedoch davon aus, dass es sich um Beiboote des Mutterschiffs handelt, das ich gerade unweit entfernt entdeckt habe. Es hat seinen Schutzschirm aktiviert und zeigt keinerlei Ambitionen, sich versteckt zu halten. Im Gegenteil – für unsere Ortungssensoren strahlt es wie ein Leuchtfeuer.« Die beleibte Arkonidin strich sich das schulterlange Haar hinters Ohr.
Mit flinken Fingerbewegungen projizierte sie ein Hologramm vor Rhodan und den anderen, das ihnen ein Walzenraumschiff mit einem Durchmesser von 300 und einer Länge von 1500 Metern präsentierte, wie die eingeblendeten Daten verrieten. Dieser Schiffstyp war den Terranern wohlvertraut.
»Schon wieder ein paar missmutige Mehandor, die nicht mit der Konkurrenz klarkommen?« Reginald Bull trat an Rhodans Seite. »Was wollen die von den Hamamesch? Etwa einen Kontorfrachter nach dem anderen ausschalten, um ihre verloren gegangene Handelsmonopolstellung mit Gewalt wiederherzustellen?«
»Wenn du mich fragst, sind sie schlicht hinter der wertvollen Fracht an Bord her – und es wäre nicht allzu überraschend, wenn es sich dabei um Ilixier handelt«, mutmaßte Rhodan. »Sonst hätten sie den Haselnussraumer längst so lange beschossen, bis er komplett explodiert wäre.«
»Ich pflichte Mister Rhodans Theorie bei«, meldete sich DIDEROT zu Wort, die Hauptpositronik der MAGELLAN. »Meinen Analysen zufolge richtet sich der Beschuss der Angreifer derzeit ausschließlich auf den Antrieb des Haselnussraumers.« Die Künstliche Intelligenz blendete weitere Daten in das Ortungshologramm ein. »Auch die Formation, mit der die Piraten ihr Opfer umkreisen, lässt den Schluss zu, dass sie den Frachter kapern wollen.«
»Natürlich wollen sie das«, sagte Bull übellaunig.
Anscheinend ärgerte er sich über die Positronik, weil sie seinen sarkastischen Einwurf von zuvor ernst genommen hatte.
»Das Mutterschiff ist kein typischer Handelsraumer, wie man ihn sonst von den Mehandor kennt«, äußerte Thora nachdenklich.
Das stimmte. Deren herkömmliche Walzenschiffe waren zumeist erheblich kleiner, mit einer Länge von nur 400 Metern und einem Durchmesser von 80 Metern.
»Ist eine Kommunikationsverbindung zum Hauptschiff möglich?«, fragte Rhodan, als er sah, dass bereits zwei Kaperboote an den Hamameschfrachter ankoppelten.
»Wollen Sie etwa mit den Mehandor verhandeln?«, staunte Karm da Gonozal. »Bei allem Respekt, Mister Rhodan – als wir das letzte Mal mit diesen Leuten zu tun hatten, wollten sie sich als Meuterer die MAGELLAN aneignen.«
Rhodan warf dem Ersten Offizier einen strengen Blick zu. »Ich möchte die Enterung beenden, bevor es Tote oder Verletzte gibt. Sofern das nicht ohnehin schon der Fall ist. – Miss da Othar, senden Sie eine Botschaft an die Hamamesch, dass wir ihnen unsere Unterstützung anbieten.«
»Und an das Mutterschiff der Mehandor schicken Sie eine Warnung, dass wir uns zum Eingreifen gezwungen sehen, wenn sie den Angriff nicht sofort abbrechen«, ergänzte Thora.
»Wird gemacht, Ma'am.« Die Finger der Funk- und Ortungschefin tanzten bereits über die Bedienholos ihres Positronikpults.
Rhodan wandte sich der Waffenchefin Arenys da Vhaelor-Korand zu. »Bordgeschütze bereit machen! Ich gehe nicht davon aus, dass sich die Mehandor von unserer Warnung beeindrucken lassen.«
Die Arkonidin bestätigte und aktivierte die Offensivsysteme der MAGELLAN.
Thora betrachtete ihren Mann neugierig. »Du willst dich sofort einmischen? Die Hamamesch hatten noch nicht mal die Gelegenheit, uns zu antworten.«
»Ist dir aufgefallen, wie rücksichtslos die Piraten vorgehen?« Er wies in Richtung der Taktikhologramme, wo DIDEROT gerade die Information eingeblendet hatte, dass die Triebwerkssektion des Frachters komplett zerstört worden war. »Sie benehmen sich, als hinge ihr Leben davon ab, an die Fracht der Hamamesch zu gelangen. Da stimmt etwas nicht.«
»Ganz so dramatisch finde ich es zwar nicht, aber die Zeit drängt wirklich«, gab Thora zu. »Gibt es schon eine Rückmeldung, Miss da Othar?«
Die Funkspezialistin schüttelte den Kopf. »Negativ. Das große Mehandorschiff ignoriert sämtliche Kontaktversuche. Und die Hamamesch übermitteln nur ein Notsignal als Antwort.«
Rhodans beschloss, nicht länger zu warten und dabei zusehen, wie die Angreifer drohten den Haselnussraumer samt Besatzung jeden Moment auszuschlachten. Demonstrativ suchte er Thoras Aufmerksamkeit, die ihm seine Sorge von den Augen abzulesen schien.
»Bringen Sie die MAGELLAN in Position, Mister da Quertamagin«, ordnete die Arkonidin an.
Der Pilot des 2400-Meter-Kugelschiffs signalisierte mit einem minimalen Nicken, verstanden zu haben. Die MAGELLAN nahm Kurs auf die Angreifer.
»Bereit, Miss da Vhaelor-Korand?«, fragte Thora.
»Bestätige.«
»Geben Sie zuerst ein paar Warnschüsse ab, um den Mehandor zu demonstrieren, dass wir zwar an einer friedlichen Lösung interessiert sind, es aber trotzdem ernst meinen.«
Die Waffenchefin wartete, bis Tekkon da Quertamagin die MAGELLAN auf Schussdistanz gebracht hatte. Momente später feuerte das gigantische Raumschiff einen Warnschuss in Richtung der kleinen Piratenboote. Zuerst stoben einige der neun Angreifer in unterschiedlichen Richtungen auseinander, versammelten sich dann jedoch sofort neu vor ihren zwei Kameraden, die dabei waren, den Frachter zu entern. Sie verstellten so der MAGELLAN die Schussbahn.
Rhodan war fassungslos. Wollten sie sich tatsächlich gerade mit einem Riesenraumschiff anlegen, an dessen Schutzschirm ihre Salven wie Regentropfen an einer Glasfläche abperlen würden? Waren sie derart verzweifelt, an die Fracht der Hamamesch zu kommen?
»Die meinen das doch nicht etwa ernst, oder?« Gucky ließ sich auf den Boden sinken und kratzte sich an der pelzigen Brust, die unter seinem leichten Einsatzanzug steckte.
»Das werden wir noch früh genug erfahren«, antwortete Rhodan.
»Zeigen Sie ihnen, dass wir ernst machen, Miss da Vhaelor-Korand«, befahl Thora. »Wenn es sich nicht vermeiden lässt, statuieren Sie ein Exempel.«
»Jawohl, Ma'am.« Die Waffenchefin betätigte einige Steuerelemente ihres Feuerleitpults.
Zuerst feuerte die MAGELLAN ein weiteres Mal einen Warnschuss. Aber als die Raumfahrzeuge, die dem Kugelschiff den Weg versperrten, wütend mit Thermostrahlsalven antworteten, sorgte da Vhaelor-Korand dafür, dass die nächsten Schüsse das Raumboot trafen, dessen Besatzung sich soeben daranmachte, in den Frachter einzudringen. Das Mehandorboot daneben wollte dem Attackierten mit hochgefahrenem Energieschirm zu Hilfe eilen, kam jedoch zu spät. Erst als der schlauchartige Entertunnel zwischen den Piraten und dem Haselnussschiff von einer bunten Explosion getrennt und das Kaperfahrzeug in seine Einzelteile zerlegt wurde, zog das zweite Mehandorboot ab und reihte sich wieder bei seinen Kameraden ein, die versucht hatten, eine Blockade zu bilden.
Die setzten ihr Gegenfeuer fort, erzielten aber keinerlei Wirkung gegen das Abwehrfeld der MAGELLAN. Rhodan missbilligte die Situation. Er hasste es, wenn es zu Toten kam, aber es hatte schnell gehen müssen. Hätten sie die Mehandorbeiboote mit einem Traktorstrahl fangen wollen, hätte dieses Zugfeld den Frachter mit eingeschlossen. Die Piraten hätten das Hamameschschiff trotzdem entern und die Schneckenwesen an Bord bedrohen oder als Geisel nehmen können.
Rhodan war irritiert. Was erhofften sich die Piraten von dieser Attacke? Oder schindeten sie bloß Zeit? Wenn ja, wofür? Das große Kommandoschiff der Mehandor hätte doch längst eingegriffen, wenn ihm etwas daran gelegen wäre.
»Fahren Sie fort, vermeiden Sie aber weitere Verluste«, wies Thora die Waffenchefin an. »Wir geben ihnen noch eine Chance.«
Arenys da Vhaelor-Korand nahm die restlichen Beiboote erneut unter Beschuss, allerdings mit erheblich reduzierter Feuerkraft, um keinen ernsthaften Schaden anzurichten. Dieses Mal – vielleicht erhielten sie von ihrem Mutterschiff gerade einen entsprechenden Befehl – änderten die verbliebenen acht Raumboote ihre Position, nahmen erneut eine geschlossene Formation ein und entfernten sich von dem Haselnussraumer.
Rhodan stellte erleichtert fest, dass sich das große Walzenraumschiff noch immer nicht einmischte. Offenbar erachteten die Mehandor die Hamameschfracht wohl doch nicht als wertvoll genug, um dafür weitere Verluste zu riskieren. Vielmehr nahm das Mutterschiff seine Beiboote an Bord und setzte sich mit hoher Beschleunigung auf einem Fluchtkurs ab.
»Ich erhalte eine Textbotschaft von dem Walzenraumschiff, Ma'am«, meldete Zyrana da Othar.
»Was haben sie uns zu sagen?«, fragte Thora.
»Die MAVRASHAN teilt uns mit, dass dies nur einer der wenigen Siege gegen ihre Sippe war und sie uns weiterhin einen Schritt vorausbleiben wird. Mehr steht nicht darin.«
Das Hauptschiff war mit Sicherheit nach der Mehandorsippe benannt worden, die es bewohnte, überlegte Rhodan. Wenn er sich nicht irrte und den Namen richtig übersetzte, musste er so viel wie Stolz der Mavras bedeuten. Von einer Mavrassippe hatte er jedoch noch nie gehört.
»Konzentrieren wir uns auf die Hamamesch«, entschied er. »Benötigen sie medizinische Unterstützung?«
Dieses Mal übernahm Karm da Gonozal die Aufgabe, sich mit dem Haselnussraumer in Verbindung zu setzen. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis der Kontakt zustande kam und ein großes Kommunikationshologramm in der Zentrale der MAGELLAN aufleuchtete. Es zeigte einen Gastropoden, der ähnlich wie die pechschwarzen Nakken zwei Grieden, aber nur zwei und umso kräftigere Arme mit feingliedrigen Tentakelfingern hatte. Das Schneckenwesen bewegte die mit Nervenperlen besetzten Fingerspitzen hin und her. Die vier Sekundärfühler auf der wulstförmigen Ausstülpung in der Mitte des Kopfs waren ebenso in Aktion.
Rhodan vermutete, dass der Hamamesch aufgeregt war. Ein Blick auf die Mimikmaske, die das nacktschneckenähnliche Wesen unter der Mundöffnung trug, bestätigte diese Annahme. Obwohl es sich nur um eine primitive Gesichtsnachbildung aus elastischem Material handelte, verformte sie sich im Einklang mit der Körperchemie der Hamamesch zu verschiedenen Ausdrücken und übersetzte ihre emotionalen Zustände in eine für Menschen deutbare Gestik.
Die Maske zeigte im Augenblick einen Wechsel unterschiedlichster Gefühle. Es handelte sich um das »Hä?«-Gesicht, wie Gucky es so schön bezeichnet hatte.
»Im Namen unserer Gemeinschaft bedanke ich mich bei Ihnen für Ihre Hilfe«, sagte der Hamamesch im Holo, was der Translator der Zentralepositronik problemlos übersetzte. »Wir gehören zu einer der Faktoreien auf Terra und waren gerade auf dem Weg dorthin, um unsere Fracht abzuliefern. Mein Name ist Trihau – und Ihre Zufriedenheit ist unser Lebensinhalt.«
»Thora Rhodan da Zoltral, Kommandantin der MAGELLAN.« Die Arkonidin drückte kaum merklich den Rücken durch. »Ist öffentlich bekannt, was Sie transportieren?«, fragte sie, da Trihau offensichtlich darauf wartete, dass sie das Gespräch fortführte.
»Eigentlich nicht«, antwortete Trihau. »Ich versichere Ihnen jedoch mit voller Aufrichtigkeit, dass unsere Handelsniederlassung alle behördlichen Vorgaben erfüllt, sämtliche Genehmigungen erteilt wurden und ...«
»Das stelle ich nicht infrage«, unterbrach ihn die Arkonidin bestimmt, aber nicht unhöflich. »Wir versuchen nur zu ergründen, wieso Sie von den Mehandor angegriffen wurden.«
Die Mimikmaske des Hamamesch zeigte zuerst Unsicherheit, dann ein unglückliches Lächeln. »Solche Angriffe sind nichts Ungewöhnliches mehr.«
Nicht nur Rhodan wurde aufmerksam, wie er bemerkte. Gucky platschte seinen breiten Biberschwanz auf den Boden, Reginald Bull runzelte die Stirn, Thora reckte das Kinn empor, und auch der Rest von Rhodans Gefährten konzentrierte sich ganz auf Trihau. Besonders Shymlith hielt die Grieden neugierig in Richtung des Hamamesch gerichtet und bewegte die Ärmchen auf der Körpervorderseite.
Rhodan trat neben Thora in den Erfassungsbereich des Komholos. »Können Sie uns das bitte ausführlicher erklären?«, ergriff er das Wort.
Trihau stellte die Grieden gerade auf, und die Mimikmaske zeigte Überraschung, dann ließ er die Fühlerenden wieder hängen. Neutralität. »Sie wissen doch sicher über die ständigen Attacken und Überfälle auf uns und unsere Kontore Bescheid, oder? Über die Unruhen innerhalb der Lokalen Blase?«
»Wir konzentrieren uns auf ein Problem nach dem anderen. Ihres stellt derzeit unsere Priorität dar.« Rhodan hoffte, dass der Hamamesch nicht misstrauisch wurde oder durchschaute, dass er in Wahrheit keinerlei Ahnung hatte, was im Sterngebiet der Terranischen Union aktuell vorging.
»Deshalb wollen Sie wissen, was wir transportieren?«, bezog sich Trihau wieder auf Thoras Frage. »Als Zeichen unseres Vertrauens, und weil wir uns für Ihre Hilfe erkenntlich zeigen wollen, sprechen wir offen mit Ihnen: Wir haben etliche Container mit Ilixier im Frachtraum.«
Ich wusste es doch!, ging es Rhodan durch den Kopf. Immer wieder dieses oxypaminhaltige Getränk.
Wie beiläufig kontrollierte er Shymliths Reaktion, doch der Nakk war im Gegensatz zu Trihau trotz der Verwandtschaft beider Völker und mangels Mimikmaske noch immer schwer zu lesen. Zumindest schien er weiterhin aufmerksam zu sein. Er hatte den Oberkörper gerade aufgestellt. Seine kleinen Armpaare wanden sich in der Luft wie bei einem Tausendfüßer, der sich über den Boden bewegte.
»Ich verstehe. Mit dem Diebstahl des Ilixiers könnte man äußerst lukrative Handelsgeschäfte abschließen«, sagte Thora Rhodan da Zoltral. »Bezog sich Ihr Verweis – hinsichtlich der Angriffe und Überfälle auf Ihr Volk – auf die Mehandor und Ihre Waren im Speziellen, oder ...?« Sie ließ den Satz unvollendet, um dem Hamamesch die Chance zu bieten, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.
Trihau tat ihr den Gefallen. »Nein, ich meinte damit die allgemeine Situation – überall. Mittlerweile sind neben der Lokalen Blase auch die anderen umliegenden galaktischen Zivilisationen davon betroffen. Es ist wirklich schlimm.«
»Betroffen wovon?«, beteiligte sich Perry Rhodan wieder an der Konversation.
Die Mimikmaske des Hamamesch präsentierte einen an den Mundwinkeln nach unten gezogenen Mund. »Von Aufständen«, antwortete er wenig aufklärend. »Es droht bald alles außer Kontrolle zu geraten. Angriffe wie der vorhin – das war nur ein kleiner Teil der oberen Schleimspur.«
2.
Schlechte Nachrichten
Nachdem sie erfahren hatten, dass im Solsystem chaotische Zustände herrschten, beschlossen sie, erst mal Informationen zu sammeln. Sie wollten nicht unvorbereitet nach Terra weiterfliegen. Schon gar nicht, solang ihr Ruf nicht wieder rehabilitiert war. Denn zurzeit galten sie als Terroristen und Hamameschfeinde.
Wie es aussah, hatten die Hamamesch mehr Unheil in der Milchstraße angerichtet, als Perry Rhodan und seine Gefährten befürchtet hatten. Sie machten sich Sorgen. Würde es ihnen trotzdem irgendwie gelingen, die Verantwortlichen der Terranischen Union davon zu überzeugen, den Hamamesch und Nakken Zuflucht in der Milchstraße zu gewähren? Die Absichten der Schneckenwesen waren ja durchaus ehrenwert. Ihre Mittel, um sich bei den Menschen und anderen galaktischen Zivilisationen beliebt zu machen, hatten sich jedoch als katastrophaler Fehler erwiesen. Würden Rhodan und seine Freunde dennoch eine friedliche Lösung finden?
Nachdenklich sah Rhodan zu Thora hinüber, die sich in dem geräumigen Quartier, das sie auf der MAGELLAN gemeinsam bewohnten, über einige Hologramme beugte, die von einem in ihrem Arbeitstisch integrierten Projektor erzeugt wurden. Sie forschte im Mesh, dem interstellaren Daten- und Kommunikationsnetz der TU, nach seriösen Auskünften über die aktuelle Lage und vor allem über die Aktivitäten der Hamamesch und ihrer Kosmischen Kontore.
Er lächelte. Vermutlich würde sie mir sagen, dass ich mir die Situation zu sehr zu Herzen nehme und mir gehörig den Kopf waschen, sinnierte er. Und das möglicherweise zu Recht.
Thora Rhodan da Zoltral hob den Kopf. Ein Lächeln umspielte nun auch ihre Lippen. »Du solltest dich lieber auf unsere Recherche konzentrieren, nicht auf mich.«
Obwohl sie einen tadelnden Tonfall angeschlagen hatte, wusste er, dass sie ihn nur neckte. Ihr Blick zeigte ihm tiefe Zuneigung und Liebe.
Rhodan lachte und rieb sich über das Kinn. Es waren feine Stoppeln unter seinen Fingerspitzen zu spüren, die man bald sehen würde, wenn er sie nicht demnächst rasierte. »Ich bin doch längst dabei.« Demonstrativ hob er den Arm mit seinem Multifunktionsarmband, über dem ebenfalls mehrere kleine Holos schwebten.
»Und?«, fragte Thora. »Fündig geworden?«
»Fündiger, als mir lieb ist. Das ganze Mesh ist voll von Geschichten über die Nebeneffekte der Hamamesch-Waren.«
»Ich weiß.« Thora lehnte sich in ihrem Sessel zurück, überkreuzte die Beine und ließ die Schultern kreisen. »Atlan und Reginald meinten, sie lassen ihre Kontakte spielen. Über sie erhalten wir möglicherweise Einblicke, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.«
»Haben sie dir schon etwas übermittelt?«
»Reg hat mir den Bericht eines Ermittlers der Solaren Abwehr weitergeleitet, der SolAb. Er heißt Galen Drex.«
Eigentlich hatten sie vereinbart, sich nach ihren Recherchen wieder zu treffen, um erst dann das Wichtigste miteinander auszutauschen und einander gemeinsam auf den neuesten Stand zu bringen. Aus diesem Grund verharrten sie mit der MAGELLAN noch immer an einer Position, die etliche Lichtjahre von der Erde und allen anderen terranischen Welten entfernt lag.
Rhodan grübelte weiter. Die Sterne waren seine Heimat, und sein Herz schlug für Terra. Der Zustand, der dort allerdings gerade herrschte, drohte seine so lang herbeigesehnte Kooperation der galaktischen Zivilisationen zu gefährden. Denn die TU-Führung musste sich zurzeit mit anderen Dingen beschäftigen. Der Unionsrat kämpfte mit den Folgen einer grassierenden Drogensucht unter den Menschen. Und die Kosmischen Kontore verkauften ihre gefährlichen Imprintwaren trotzdem weiter ...
Die Zukunft sah wieder mal alles andere als vielversprechend aus. Jedenfalls dann, wenn sich nicht bald etwas daran änderte. Die Aufstände in der Terranischen Union nahmen überhand, und die gesellschaftlichen sowie politischen Probleme mehrten sich.
»Perry?«, fragte Thora mit eindringlichem Blick.
Über seine tristen Überlegungen hinweg hatte er ihre Frage wohl verpasst. Da sie ihm das anzusehen schien, wiederholte sie: »Ich hatte gesagt, dass Einblicke in den aktuellen Informationsstand der Solaren Abwehr vielversprechender sind, als wenn wir weiterhin nur die öffentlichen Nachrichtenkanäle und andere Medien durchforsten – selbst mit DIDEROTS Hilfe. Wir sollten uns den Bericht dieses Galen Drex mal anschauen, was meinst du?«
»Dass uns der terranische Geheimdienst tiefere Einblicke in das gewährt, was unter der oberen Schleimspur verborgen liegt – wie Trihau es so treffend formuliert hat –, steht außer Frage.« Rhodan schmunzelte, wurde dann jedoch wieder ernst. »Ja, hören wir uns den Bericht an!«
Weder Rhodan noch Thora mussten einen aktiven Befehl dazu geben, da die Schiffspositronik ihre Recherchen ohnehin aufmerksam begleitete. Automatisch griff DIDEROT auf Thoras Daten zu und las vor:
»31. Juli 2462: