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Wie erreichen Unternehmen Höchstleistungen auf allen Führungsebenen? In diesem Band bieten Ihnen Personalexperten aktuelle Studien und erklären Best Practices, die die zukünftigen Entwicklungen der Personalarbeit bestimmen. Holen Sie sich erstklassigen konzeptionellen Input und Praxiswissen. Inhalte: - Talentmanagement: So finden, binden und entwickeln Sie Mitarbeiter - Bildungscontrolling und Performance Management: Mitarbeiterpotentiale strategisch steuern - Warum Internationalisierung der HR mehr bedeutet als die bloße Auslandsentsendung von Mitarbeitern - Special: Personalarbeit im demografischen Wandel
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Seitenzahl: 707
Veröffentlichungsjahr: 2015
Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Print ISBN: 978-3-648-06748-2 Bestell-Nr. 14010-0001 EPUB ISBN: 978-3-648-06749-9 Bestell-Nr. 14010-0100 EPDF ISBN: 978-3-648-06750-5 Bestell-Nr. 14010-0150
Karlheinz Schwuchow | Joachim Gutmann (Hrsg.)
Personalentwicklung – Themen, Trends, Best Practices 2016
1. Auflage 2015© 2015 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, [email protected]
Produktmanagement: Jürgen Fischer
Satz: kühn & weyh Software GmbH, Satz und Medien, FreiburgUmschlag: RED GmbH, KraillingDruck: Schätzl Druck, Donauwörth
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Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Viele Betriebe stellen sich die bange Frage: Folgt aus der demografischen Entwicklung Fachkräftemangel? Klar ist: Ein wachsender Teil der Menschen in Deutschland kann sich aufgrund von Frieden, Wohlstand und medizinischem Fortschritt heutzutage eines längeren Lebens bei guter Gesundheit erfreuen. Zugleich werden seit Jahrzehnten immer weniger Kinder geboren. Aus dieser gleichzeitigen Alterung und Schrumpfung der Gesellschaft erwachsen vielfältige sozioökonomische, arbeitsweltliche und betriebliche Herausforderungen.[2]
Während das Durchschnittsalter der Beschäftigten steigt, nimmt die Zahl der potenziellen Nachwuchskräfte ab. Sicherlich werden diese gegenläufigen Trends in Zukunft verstärkt dazu führen, dass branchen- und regionsspezifische „Mismatches” zwischen dem Angebot an und der Nachfrage nach qualifizierter Arbeit auftreten. Dass sie aber zu einem allgemeinen Fachkräftemangel führen, ist keineswegs ausgemachte Sache. Die demografische Entwicklung ist ein langjähriger Prozess, der Zeit gibt, sich anzupassen und gestaltend einzugreifen. Noch besteht in Deutschland ein Mangel an Arbeitsplätzen, nicht an Arbeitskräften.
Die Betriebe sind einem möglichen Fachkräftemangel in der Zukunft keineswegs hilflos ausgeliefert. Es gibt für sie eine Vielfalt von Handlungsoptionen zur Fachkräftesicherung, die sich mit einem Begriff zusammenfassen lassen: „Gute Arbeit”. Gute Arbeit heißt für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften ein Arbeitseinkommen, mit dem man in Würde leben kann, ein sicherer und gesundheitsförderlicher Arbeitsplatz mit Entwicklungsperspektiven. Gute Arbeit bedeutet, dass Leistung anerkannt, dass den Beschäftigten Wertschätzung entgegengebracht wird und dass die Arbeit selbst- und mitbestimmt ist. Genau das ist es, was sich die Menschen wünschen: ein unbefristetes und sicheres Arbeitsverhältnis mit einem verlässlichen Einkommen, die Behandlung als Mensch und Bürger am Arbeitsplatz sowie Spaß an der Arbeit. Der Betrieb, der Gute Arbeit bietet, wird in Zukunft im Rennen um qualifizierte Beschäftigte die Nase vorne haben.[3]
Ein besonderes Augenmerk möchte ich dabei auf die Arbeitsbedingungen legen. Die technologischen Innovationen führen heute vielfach dazu, dass die Beschäftigten immer flexibler arbeiten sollen, räumlich und zeitlich, immer mehr und immer schneller unter Leistungs- und Erfolgsdruck. Alle Befunde deuten darauf hin, dass die psychischen Belastungen der Beschäftigten in den letzten Jahren rapide zugenommen haben. Das sollten die Arbeitgeber nicht verharmlosen. Nicht individuelle „Resilienz” gegenüber schlechten Arbeitsbedingungen und wachsendem Leistungsdruck ist hier die Lösung, sondern Arbeitsschutz, gesundheitliche Prävention und eine alterns- und altersgerechte Arbeitsgestaltung zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit weisen hier den richtigen Weg.
Eigentlich sollte es heute selbstverständlich sein, dass die Betriebe durch Flexibilität im Sinne der Beschäftigten ihren Beitrag zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie leisten. Für viele junge Menschen ist dies heute ein zentraler Aspekt, wenn sie die Attraktivität eines Arbeitgebers bewerten. Der wachsende Stellenwert, den sie bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes vorhandenen Freiräumen für die Verwirklichung ihrer individuellen Lebenspläne beimessen, hat nur vermeintlich etwas mit zu hohen Ansprüchen der „Generation Y” zu tun: Wenn beide Partner berufstätig sind und vielfach auch aus finanziellen Gründen sein müssen, ändern sich die Notwendigkeiten das private Leben zu organisieren. Die Menschen brauchen deshalb Arbeitszeitmodelle, die sich unterschiedlichen Lebenssituationen und -phasen anpassen. Nach wie vor gilt insbesondere für Frauen, dass sie auf Teilzeitarbeit und Minijobs ausweichen, weil die Verantwortung für Kinder oder Pflegebedürftige ihnen keine andere Wahl lässt. Die demografische Entwicklung wird hier ein Umdenken bei den Arbeitgebern erzwingen. Wenn sie im Sinne der Flexiblitätsansprüche der Beschäftigten genutzt werden, kann hier die Einführung digitaler Technologien erhebliche Entlastung schaffen.[4]
Umdenken müssen die Arbeitgeber aber auch bei den Ansprüchen und Angeboten, die sie an ihre Beschäftigten richten. Nicht für jeden Arbeitsplatz braucht man Abitur. Noch immer gibt es Gruppen von Menschen, die in der Arbeitswelt benachteiligt sind: Bildungsferne, Frauen, Migrantinnen und Migranten sowie Ältere. Gerade für Jüngere mit einer schwierigen Bildungsbiografie gilt: Jeder kann etwas lernen, wenn er eine Chance erhält. Hier haben sich die Sozialpartner zusammen mit dem Staat bereits auf den Weg gemacht. Und jeder bringt auch etwas mit, wenn man nur genau hinsieht: Jüngere mit Migrationshintergrund bewegen sich intuitiv in interkulturellen Kontexten. Ältere verfügen über ein reiches Erfahrungswissen. Und die Alleinerziehenden – vor allem Frauen – erweisen sich mit ihrem Organisationsgeschick und ihrem eisernen Willen oftmals als „HeldInnen des Alltags”. Augenmaß bei der Besetzung von Stellen wird auf Seiten der Arbeitgeber eine noch weit wichtigere Tugend werden. Lebensbegleitende betriebliche Bildungs- und Weiterbildungsangebote werden in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen.[5]
Die Gestaltung guter Arbeitsbedingungen und damit die Fachkräftesicherung sind nur auf der Grundlage einer funktionierenden Sozialpartnerschaft machbar. Es muss deshalb Schluss sein mit der täglichen Flucht der Arbeitgeber aus der Tarifbindung. Es muss Schluss sein mit der Behinderung von Betriebsratsgründungen und der gezielten Einschüchterung von Betriebsratsmitgliedern. Stattdessen müssen wir die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten weiter ausbauen. Tarifautonomie und Tarifverträge müssen wieder stärkere Geltung erlangen. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, lassen sich mit und für die Beschäftigten die Bedingungen für Gute Arbeit verwirklichen. Damit steht und fällt die Fähigkeit der Unternehmen, motivierte und qualifizierte Beschäftigte an sich zu binden. Gerade diese Fähigkeit ist es aber, die angesichts unserer alternden Gesellschaft immer mehr zum Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg wird. Auch auf die Personalarbeit kommen damit wichtige Aufgaben zu. Dafür wünsche ich Ihnen viel Erfolg und gutes Gelingen.
Lencke Steiner, Unternehmerin, Bundesvorsitzende Die Jungen Unternehmer (bis September 2015)[6]
Unternehmerin zu sein und das Lebenswerk meines Vaters fortzusetzen, war schon immer mein Traum. Vor fünf Jahren bin ich in die Geschäftsführung unseres Familienunternehmens W-Pack eingestiegen. Personalführung ist dabei für mich eine der verantwortungsvollsten, aber auch der schönsten Aufgaben.
Als Familienunternehmerin bin ich nah an unseren 50 Mitarbeitern dran, einige kennen mich sogar schon von klein auf. Ihnen auch in der Rolle als Geschäftsführerin respektvoll zu begegnen und ihre Wertschätzung zu gewinnen, war mir von Beginn an sehr wichtig.
Als Nachfolgerin in einem Familienbetrieb liegt da die Latte für mich besonders hoch. Ich muss umso mehr täglich beweisen, dass ich mir meine Führungsposition selbst erarbeitet habe. Aber auch generell bedeutet Führung heute mehr denn je Überzeugungsarbeit: Die Mitarbeiter sind selbstbewusst, hinterfragen mehr, wollen Mitverantwortung. Braucht man in Zeiten, in denen eine Firma nur überlebt, wenn jeder Einzelne mitdenkt und die gemeinsame Unternehmung vorantreibt, also wirklich noch einen, der vorgesetzt ist?
Die Personalführung von gestern mit Anweisungen und klaren Hierarchien ist nicht mehr zeitgemäß – die Führung von morgen aber noch sehr vage. Viele neue Ideen entstehen hier gerade. Mein Grundsatz lautet: Sei kommunikativ und konsequent! Ich hole mir verschiedene Ideen und Meinungen ein, gebe auch viel Verantwortung ab, die Mitarbeiter haben Freiheiten. Aber es gibt auch schwierige und unschöne Entscheidungen – dabei hilft eine konsequente Hand, die durchgreift.[7]
Ein besonderer Wert in Familienunternehmen ist die starke Mitarbeiterbindung. Ich weiß immer auch um die Familien unserer Mitarbeiter und was alles an ihrem Arbeitsplatz hängt: Kinder, der Hausbau, dass der Partner ein krankes Elternteil pflegen muss. Umgekehrt kann ich mich, besonders auch in konjunkturell schwierigen Zeiten, darauf verlassen, dass das Team fest zusammensteht und auch mal ein Tal der Tränen gemeinsam für unser Unternehmen durchschreitet.
Wir Betriebe sind schon mittendrin im Wettbewerb um unsere ebenso wertvollste wie knappe Ressource: qualifizierte Fach- und Führungskräfte. Etwa ab 2025 gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Weniger junge Fachkräfte rücken nach. Die Politiker, aber auch wir Unternehmer, müssen uns deshalb noch stärker anstrengen, um erfahrene Mitarbeiter auch über das Renteneintrittsalter hinaus in den Betrieben zu halten. Besonders problematisch ist, dass die „Rente mit 63” uns die älteren Fachkräfte und ihr unbezahlbares Wissen aber bereits vorzeitig aus den Betrieben zieht.
Auch bei den jungen Menschen müssen wir für Chancengleichheit sorgen. Vielen Azubis fehlt heute schon das Basiswissen: Rechnen, richtiges Deutsch schreiben, Dreisatz, Prozentrechnung. Einige von ihnen hätten noch vor einigen Jahren auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen gehabt.
Deshalb mache ich mich auch als Bundesvorsitzende des Wirtschaftsverbands DIE JUNGEN UNTERNEHMER für eine generationengerechte Politik stark und setze mich auch für ein flächendeckendes Schulfach Wirtschaft ein, das jungen Menschen schon früh Lust auf Unternehmertum macht und ihnen den Mut zum eigenen Risiko gibt.[8]
Für uns Unternehmer liegt der Schlüssel, um neue Führungskräfte anzuziehen und alte Bindungen zu stärken, in unserer Arbeitgeber-Attraktivität: Wie können wir die junge, gut ausgebildete Generation Y für uns gewinnen? Welche flexiblen Freiräume brauchen Eltern, um Beruf und Familie in Einklang bringen? Wie können wir unsere älteren Mitarbeiter mit in die digitale Zukunft nehmen und welche Anreize und gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen bieten wir ihnen für einen späteren Renteneintritt?
Wir Familienunternehmer tragen den Generationengedanken in unserer DNA. Ein beidseitiger Wissenstransfer zwischen Jung und Alt, gut ausgebildet und langjährig in der Praxis erfahren, liegt uns in der Natur. Wir wissen aber auch um den Mehrwert von sozialer und kultureller Vielfalt in unseren Betrieben.
Diversity Management gewinnt in einer immer individuelleren und multikulturelleren Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Wir Unternehmer sind gefordert, individuelle Verschiedenheit anzuerkennen, produktiv für das Unternehmen zu nutzen und Chancengleichheit zu erhöhen. Bei W-Pack beschäftigen wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Nationen und sozialer Herkunft. Manche kenne ich sehr nahe und habe sie in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung ein Stück weit begleiten können. Das war auch für mich eine spannende Erfahrung.[9]
Nicht zuletzt müssen wir Arbeit auch weiterdenken. Wir gehen in eine digitale Zukunft. Automatisierung und Crowdworking verändern unsere Arbeits- und Lebenswelt. Noch stockt abseits der Metropolen vielerorts der Netzausbau, aber die Grundlagen für die Arbeit von morgen werden heute schon geschaffen und müssen aktiv von uns allen mitgestaltet werden.
Für all diese Strategien und Fragen liefert Personalentwicklung 2016 einen wichtigen Beitrag.
Prof. Dr. Karlheinz Schwuchow, Center for International Management Studies, Hochschule Bremen
Joachim Gutmann, GLC Glücksburg Consulting AG, Hamburg
„In zunehmendem Maße wird das Mitarbeiterpotenzial zum kritischen Erfolgsfaktor für die Zukunftssicherung der Unternehmen. Die Anforderungen steigen aufgrund dynamischer Markt und Umweltbedingungen. Gleichzeitig nimmt die Zahl verfügbarer Arbeitskräfte durch die demografische Entwicklung ab”.“
Betrachtet man die einleitenden Sätze des Herausgebervorwortes der Ende 1990 erschienenen ersten Ausgabe dieses Buches, so stellt sich zwangsläufig die Frage, was sich in den vergangenen 25 Jahren eigentlich verändert hat. Von der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien einmal abgesehen, haben zwar viele neue Begriffe Einzug in die HR-Diskussion gehalten – Lernende Organisation, Talent Management, HR Business Partner, um nur einige zu nennen. Die Kernthemen sind aber – wirft man einen Blick in das Jahrbuch Weiterbildung 1991 – nahezu unverändert geblieben: Strategieorientierung, Globalisierung, Zielgruppenkonzepte, Innovative Lernformate, Bildungscontrolling.[10]
Das Ziel der 25. Ausgabe ist – wie in allen Vorjahren – der Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Praxis: die Vermittlung von Denkanstößen und konkreten Handlungshilfen für die Personalarbeit. PERSONALENTWICKLUNG 2016 präsentiert in insgesamt 50 Beiträgen wissenschaftliche Perspektiven, definiert Benchmarks für die betriebliche Praxis und illustriert sie durch konkrete Best Practices aus Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen – jeweils ergänzt um Hinweise auf relevante Buchneuerscheinungen sowie weiterführende Internetlinks. Eine Online-Plattform ermöglicht darüber hinaus den Zugriff auf mehr als 100 aktuelle Managementstudien zu den Themenschwerpunkten des Buches sowie auf ein Verzeichnis relevanter Anbieter von Bildungs- und Beratungsdienstleistungen.
Die strategische Dimension der Personalarbeit wird im ersten Kapitel „HR 2020 – Vom Partner zur Protagonisten” erörtert. Einleitend beleuchtet Professor Christian Scholz (Universität des Saarlandes), der auch zu den Autoren der ersten Ausgabe 1991 zählt, die Entwicklung der Personalaufgaben und die Rolle der Personalabteilung in den vergangenen 25 Jahren. Am Beispiel der Unternehmen Deutsche Bank, Areva, Haufe.Umantis sowie Gira Giersiepen werden anschließend Wege strategischer Personalarbeit in den Bereichen Talent & Development und Kompetenzmanagement präsentiert, ferner wird die Rolle von HR in Veränderungsprozessen reflektiert.[11]
Den Kern des Kapitels „HR-Internationalisierung – Jenseits der Auslandsentsendung” bilden die mit der Globalisierung verbundenen strategischen und interkulturellen HR-Implikationen. Beträge von Audi, Evonik und Weidmüller verdeutlichen die Anforderungen an die internationale Personalarbeit sowie Wege zur erfolgreichen Bewältigung des Spannungsfeldes zwischen globaler Standardisierung und lokaler Anpassung.
Das dritte Buchkapitel „Wege wirksamer Personalentwicklung: Lernkultur statt Seminarfrust” zeigt auf, wie Unternehmen ihre Personalentwicklungsaktivitäten zukunftsweisend gestalten können. Zunächst erörtert Professor Hugo M. Kehr (TU München) inhaltliche und konzeptionelle Trends in der Führungskräfteentwicklung. Die Neuausrichtung der Mitarbeiterentwicklung, innovative Lernformate sowie die Möglichkeiten und Grenzen moderner Lernarchitekturen sind anschließend Gegenstand der Fallbeispiele von Metro, E.ON, Endress+Hauser und Mast-Jägermeister. Wege zur Förderung des informellen Lernens und der unternehmensweiten Wissensvernetzung werden in Beiträgen von Munich RE/BSH Hausgeräte, Fuchs Petrolub sowie der Credit Suisse präsentiert.
Die HR-Rolle im Kontext von Industrie 4.0 bildet den Kern von Kapitel 4 „Lernziel Führung und Innovation – Hochleistung aus allen Ebenen”. Professor Manfred Becker, ebenfalls ein Autor der Erstausgabe 1991, geht auf die Personal- und Organisationsentwicklung in der Arbeitswelt 4.0 ein. Praxiserprobte Konzepte zur Neuausrichtung der Personalarbeit und zur Schaffung einer Innovationskultur liefern die Unternehmen Continental, 3M und Wittenstein. ThyssenKrupp und Volkswagen vermitteln neue Perspektiven von Wissensmanagement und Entrepreneurship im Unternehmen.[12]
Der Sonderteil des Buches ist dem Thema „Erfolgsfaktor Demografiemanagement: Theorie und Praxis der Personalarbeit in Zeiten des demografischen Wandels” gewidmet und gemeinsam mit dem Demographie Netzwerk ddn entstanden. Einleitend präsentieren die ddn-Vorstandsmitglieder Professor Victoria Büsch, Christian Werner und Jörg Michel die demografischen Herausforderungen und die relevanten Handlungsfelder. Diese werden im Folgenden in Beiträgen aus Wissenschaft und Praxis eingehend erörtert. So geht Professor Axel Börsch-Supan (TU München) auf die ökonomischen Implikationen ein, Wege der strategischen Personalplanung weisen Dr. Jürgen Tenckhoff und Christian Werner. Die Arbeitgeberattraktivität ist Gegenstand der Ausführungen von Professor Michael Ruf (Hochschule Heilbronn); ein Praxisbeispiel hierzu liefert die ING-DiBa. Wie die Führungskultur dem demografischen Wandel Rechnung tragen kann, wird in Beiträgen der Bertelsmann Stiftung und der ING-Diba deutlich. Professor Stamov Roßnagel (Jacobs University Bremen) erörtert Konzepte zu einer demografiegerechten Mitarbeiterqualifizierung. Das entsprechende Praxisbeispiel hierzu liefert die SICK AG. Tarifvertragliche Regelungen zur alternsgerechten Arbeit in Finnland und Deutschland sind Gegenstand weiterer Beiträge. Die Arbeit in altersgemischten Teams sowie das Betriebliche Gesundheitsmanagement beleuchten Professor Jürgen Wegge (TU Dresden) und Professor Karl Kuhn in ihren Ausführungen. Eine Praxisperspektive zum Age Diversity Management vermittelt ein Beitrag der Otto Group, gefolgt von den Ergebnissen einer Studie der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft zur Einstellung der Generation Y im Hinblick auf die Pflege von Angehörigen.[13]
Im Kapitel „Talentmanagement: Mitarbeiter finden, binden, bilden” diskutiert Professor Stephan Fischer (Hochschule Pforzheim) zunächst die Erwartungen der Generation Y an die Arbeitswelt. Die Anforderungen an Talentmanagement und Employer Branding sowie Wege zur Entwicklung einer Talentkultur werden am Beispiel der Unternehmen BASF, Deutsche Bahn und Sixt verdeutlicht. Die Situation ungelernter Beschäftigter erörtert eine Fallstudie der Berliner Stadtreinigung. Randstadt sowie der Niedersächsische Landesrechnungshof liefern praxisbewährte Konzepte zur Einarbeitung und Integration neuer Mitarbeiter.
Das Schlusskapitel ist dem Thema „Bildungscontrolling und Performance Management: Mitarbeiterpotenziale strategisch steuern” gewidmet. Grundlegende Fragen des Bildungscontrollings behandelt zunächst Professor Peter Dehnbostel (Deutsche Universität für Weiterbildung, Berlin). Die Erfassung und Auswertung des Weiterbildungsbedarfs, die Akkreditierung der internen Weiterbildung und die Schaffung einheitlicher Qualitätsstandards durch Mitarbeiterzertifizierung werden am Beispiel der Bremer Landesbank, der Gothaer Versicherungsgruppe sowie der Deutschen Post DHL verdeutlicht. Wie Bildungscontrolling auch in mittleren Unternehmen umgesetzt werden kann, zeigen die abschließenden Ausführungen des RKW Kompetenzzentrums.[14]
Wie im vergangenen Vierteljahrhundert hoffen wir, auch mit PERSONALENTWICKLUNG 2016 unseren Lesern wiederum eine Fülle hilfreicher Denkanstöße sowie konkreter Anregungen für ihre Arbeit bieten zu können und so einen Beitrag zum überbetrieblichen Erfahrungsaustausch sowie einen Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Unternehmenspraxis zu leisten.
Wir freuen uns – ebenso wie alle Autoren – über jedes Feedback und Anregungen für die nächste, dann bereits 26. Ausgabe. Unser Dank gilt dem Demographie Netzwerk ddn e. V. und allen Beteiligten, die durch ihre Mitwirkung dieses Buchprojekt wiederum ermöglicht und so einen wichtigen Beitrag zur Wissensvernetzung geleistet haben.
Karlheinz Schwuchow Joachim Gutmann
Prof. Dr. Christian Scholz, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Organisation, Personal- und Informationsmanagement, Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Der Blick zurück hat trotz der viel beschworenen Dynamik unserer heutigen Lebens- und Arbeitswelt eine wichtige Funktion. Er hilft uns, das heutige Human Resources Management besser zu verstehen und gibt uns Hinweise darauf, wohin sich HR in Zukunft entwickeln wird und – noch wichtiger – entwickeln sollte. Der folgende Beitrag konzentriert sich auf drei Bereiche: Personalplanung, Personalstrategie sowie die Personalabteilung1[15].
Zu Beginn der 1980er-Jahre gab es in den USA (Tichy et al., 1982) und in Deutschland (Scholz, 1982) erste Vorschläge zur Entwicklung einer Personalstrategie. Dahinter stand die Überlegung, analog zu den Postulaten aus der Wettbewerbsstrategie von Michael Porter (1982), die Bewegungen der Branche zu analysieren und dann aus dieser Analyse heraus Wettbewerbsvorteile zu entwickeln. Diese Wettbewerbsvorteile sollte es nicht nur für das ganze Unternehmen („Unternehmensstrategie”), sondern als Funktionalstrategie („Personalstrategie”) für den Faktor Mitarbeiter und/oder für die Institution Personalabteilung geben.
Jeder, der an derartigen Strategiesitzungen teilgenommen hat, weiß, dass diese alles andere als einfach verliefen: Denn es reichte nicht nur, etwas von Kernkompetenzen und „Best in Class” zu schwadronieren: Gefragt waren Fakten, Fakten, Fakten. Trotzdem: Seit Anfang der 1990er-Jahre haben sich viele Unternehmen substanziell mit Formulierung und Implementierung von Personalstrategien befasst, auch wenn diese Übungen im Einzelfall durchaus schwierig waren. Zudem waren diese Aktivitäten auch von anderen Abteilungen selten geliebt – um es ganz harmlos auszudrücken.[16]
Wie kritisch man bei solchen Vorgängen beäugt wurde, konnte der Verfasser dieses Beitrags miterleben, als er im Team des Personalvorstandes eines bekannten DAX 30-Unternehmens an der Personalstrategie mitwirken durfte. Aus dem Bereich des Vorstandsvorsitzenden kam etwas später dann auch die Ansage, dass die Personalstrategie zu wichtig sei, als dass man sie dem Personalressort überlassen könnte. Und schließlich folgte als finales Fanal seine Aussage, dass man so etwas wie eine Personalstrategie überhaupt nicht bräuchte, denn schließlich habe man eine Geschäftsstrategie und daraus ergebe sich klar, welche Mitarbeiter beschafft, freigesetzt und vor allem möglichst gering bezahlt werden müssten. Generell ging die Begeisterung zurück, sich die Mühen einer Personalstrategie zu machen, vor allem weil Aufgaben wie Talentmanagement oder Employer Branding mehr Spaß machen und (scheinbar) rascheren Ertrag liefern.
Es kam aber noch etwas anders dazu, das dazu beitrug, dass die Personalstrategie auf das personalwirtschaftliche Abstellgleis geschoben wurde: Die Suche nach dauerhaften Wettbewerbsvorteilen als Teil der Personalstrategie kam unter Beschuss, und zwar nicht nur bezogen auf die Personalstrategie, sondern generell im strategischen Management. So wird inzwischen mit guten Argumenten oftmals bezweifelt, dass derartige Strategien überhaupt noch möglich sind (vgl. z. B. McGrath, 2013). Deshalb sollte es auch bezogen auf HR allenfalls darum gehen, möglichst große Flexibilitätspotenziale aufzubauen. Das Ergebnis: Arbeitszeitflexibilisierung, Zeitarbeit, Werkverträge und der Einstieg in eine Welt von Cloud-Workern, die eine geringe Bindung an das Unternehmen aufweisen. Alles das erlaubt eine maximale Flexibilität, in der sich in einer extrem „atmenden” Form der einsetzbare Personalbestand fast schlagartig auf den aktuellen Personalbedarf anpassen lässt.[17]
Abgesehen von der Entscheidung zu einer derartigen Flexibilisierung als Quasi-Strategieersatz wird daher eine Personalstrategie offenbar nicht mehr gebraucht und auch jenseits von Leerformeln wie „Mensch im Mittelpunkt” in der Praxis überwiegend nicht mehr praktiziert.
Wenn man Manager fragt, was sie am wenigsten mögen, fällt rasch das Wort „planen”. Das ist heute nicht anders als vor 25 Jahren. Der einzige Unterschied von damals im Vergleich zu heute: Vor 25 Jahren investierte man trotz der Widerstände viele Ressourcen (einige würden sagen: zu viele Ressourcen) in den Versuch, zumindest einigermaßen eine Passung auf der Zeitachse zwischen Personalbedarf und Personalbestand herzustellen. Dementsprechend gab es komplexe Modelle für die Bestandsprojektion, aber auch zum Personaleinsatz als Zusammenführung aus Anforderungsprofilen von konkreten Stellen und Fähigkeitsprofilen von konkreten Mitarbeitern.
Obwohl diese Planungen durchaus zunehmend professioneller ausfielen, sank die Zufriedenheit, weil eine immer höhere Dynamik in der Umwelt festgestellt und zunehmend eine Komplexitätssteigerung der Modelle notwendig wurde.[18]
Was aber sollte man tun? Die einfache Antwort: Planungen zurückfahren. Bevor man irgendeinen Plan macht, der sowieso nicht lange hält, lieber einfach loslaufen und „proaktiv” das Moment des Handelns nutzen. Das ist bei der Personalplanung nicht anders als bei jeder anderen Planung. Die rasch akzeptierte Devise: Sofort entscheiden, handeln und dann rasch die Entscheidung revidieren, damit wieder gehandelt werden kann. Aus diesem Grund werden beispielsweise Nachfolgeplanungen und längerfristige Karriereplanungen reduziert.
Wie aber laufen dann derartige „Planungen” beziehungsweise Dispositionen ab? Wenn beispielsweise die Anfrage kommt, dass ein neuer Personalleiter für Japan gebraucht wird, werden in die HR-Datenbank die Suchworte „Japan” und „Japanisch” eingegeben, wie bei einer Google-Suche noch auf einem weiteren Feld Begrenzungen vorgenommen, bis ganz rasch der Kandidat gefunden ist, der – natürlich ohne substanzielle Vorbereitung – praktisch sofort die Reise antreten kann.
Dieses „Suchen statt Planen” zeigt sich im Übrigen auch bei HR-Software: Die „alten” Programme der 1980er-Jahre (wie Executive Track) weisen in ihren algorithmischen Verfahren einen wesentlich höheren Komplexitätsgrad auf als das, was die Software-Häuser heute anbieten und was im Wesentlichen immer auf eine simplifizierte Datenbankabfrage im Stil von „Management by Google” hinausläuft. Symptomatisch für all das ist auch die Entwicklung im Bereich Big Data: Jenseits aller Bedenken um informatorische Selbstbestimmung und losgelöst von irgendeiner theoretischen oder modellgestützten Basis sollen die „Predictive Analytics” Zusammenhänge aufspüren und Entscheidungen vorbereiten.[19]
Der einzige Planungsbereich, der gegenüber den 1980er-Jahren wirkliche Fortschritte erlebte, sind die diversen Formen der Personaleinsatzsteuerung als Teil des Arbeitszeitmanagements im Sinne einer dispositiven Zuordnung von Mitarbeitern und Aufgaben unter Zeitrestriktionen. Auch im Talentmanagement tut sich einiges, was aber nichts mehr mit „Planung” zu tun hat. So gibt es zwar umfangreiche Programme, die aber zum einen algorithmisch eher rudimentär sind, zum anderen aber ins Leere laufen, da weder Anforderungs- noch Fähigkeitsdaten in ausreichender Form gepflegt sind. Gleiches gilt auch für nahezu alle Planungsansätze, die als „Human Capital Management” bezeichnet werden, sich aber letztlich als immer stärker anwachsende Ansammlung von Key- Performance-Indikatoren herausstellen.
Ein Rückzugspunkt im Rahmen der Personalarbeit ist die gesamte Standardisierung von HR-Prozessen. Um es extrem auszudrücken: Man weiß zwar weder, wie viele Personen welcher Qualität man zu welcher Zeit an welchem Ort braucht, hat aber den operativen Beschaffungsprozess eindeutig fixiert. Eng verbunden mit dieser konsequenten Abkehr von Planungsansätzen ist auch die Interpretation von „HR-Transformation” als „HR-IT-Integration”: Dies führt zu anachronistischen Situationen, in denen man eine steinzeitliche HR-Integration in Richtung eines „ein-einziges-HR-Datenpaket” zu realisieren versucht, und Daten von Unternehmen zusammenführt, die schon wieder auf dem Wege ihrer Trennung sind.[20]
Wenn über Personalarbeit gesprochen wird, kommt nur noch ganz selten die Rede auf die Personalabteilung. Denn mehr als alle anderen Abteilungen – abgesehen von der inzwischen weitgehend verschwundenen Organisationsabteilung – erlebt die Personalabteilung seit Längerem permanente und weitreichende Schrumpfprozesse: War sie Mitte der 1980er-Jahre noch eine zentrale Abteilung mit weitreichender Governance-Funktion und ausgeprägtem Hang zur Bürokratie, so folgten immer weitere Auslagerungen („Business Process Outsourcing”). Manches, wie zum Beispiel die Lohn- und Gehaltsabrechnung, ist definitiv kaum etwas, was Unternehmen selber machen müssen. Die Auslagerung von Personal-Akquisition, Employer Branding oder Führungskräftebetreuung („Callcenter in Prag”) sind dagegen diskutierbar.
Wenn jegliche strategische Personalarbeit wegfällt und die Mitarbeiter, die Führungskräfte sowie die Externen alle operativen Aufgaben wahrnehmen, was bleibt dann übrig? Wahrscheinlich werden am Ende allenfalls die Aufgaben in einer HR-Abteilung zusammengefasst, die – so die Aussage auf dem SAP-HR-Kongress 2015 zur modernen Personalarbeit – im Einzelfall keiner übernehmen möchte und die noch nicht ausgelagert wurden.[21]
Gleichzeitig lief eine von der Beraterszene getriebene Bewegung in Richtung „Business Partner”, womit auch die Hoffnung verknüpft wurde, die Personalabteilung bzw. der Chief Human Resource Officer würde verstärkt am Strategietisch des Unternehmens sitzen. Spätestens seit Anfang der 2000er-Jahre war aber klar, dass daraus nichts werden würde: Der Business Partner erwies sich im Regelfall als ein teures Etikett für den alten Personalreferenten. Und der Einfluss der Personalvorstände auf die Geschäftsvorgänge nahm radikal ab, seit den 2010er-Jahren auch die Zahl der Personalvorstände. Die Frage, ob HR tatsächlich am Strategietisch sitzen sollte, beantworten dabei sowohl Personaler als auch Nicht-Personaler inzwischen mit einem klaren Ja. Dementsprechend werden häufig zentrale Aufgaben (Personalcontrolling, Betreuung oberer Führungskreise und vieles andere mehr) aus der Personalabteilung in andere Fachabteilungen (wie Finanzen) verlagert. Im Ergebnis wurde die Personalabteilung quasi entkernt und auf Rest-Dienstleistungsfunktionen reduziert. Nur hat die Personalabteilung als devote Dienerin ein vorgegebenes Verfallsdatum – auch wenn sie es nicht wahrnehmen will.
Auch schon Mitte der 1990er-Jahre gab es Personalberater. Diese deckten die gesamte Palette von klassischer Unternehmensberatung über Personalsuche bis hin zum trendigen „Coaching” und zur tiefenpsychologischen Einzelberatung ab. Zentral am damaligen Modell war die Intelligenzverstärkung: HR-Berater unterstützten die Personalabteilungen durch spezifische Intelligenz und halfen ihr bei der Professionalisierung.[22]
Doch das Bild änderte sich rasch, als zunehmend mehr Personalmanager freigestellt und auf den externen Arbeitsmarkt geworfen worden. Das hat gravierende Konsequenzen: Zum einen gibt es immer weniger Personen im Unternehmen, die überhaupt verstehen, was HR-Berater an Leistungen liefern. Zum anderen wird die Zahl der HR-Berater so groß, dass man in Sitzungen bei Unternehmen rasch mehr Berater am Tisch hat als Unternehmensvertreter. Gleichzeitig steigt die Zahl der Interimsmanager, also auch wieder HR-Berater, die zeitlich befristet die Rolle von Managern annehmen. Auf diese Weise werden HR-Berater zusätzlich zum Einkäufer von Personaldienstleistungen.
Zwar freuen sich immer noch Einkaufsabteilungen darüber, Preis-Wettbewerbe für HR-Berater abzuhalten. Sie merken dabei jedoch nur selten, wie sie eigentlich die Fernsehserie „House of Lies” nachspielen und die HR-spezifische Intelligenz im Unternehmen reduzieren. HR-Berater avancieren zudem zur zentralen Referenzquelle für die Qualität der HR-Berater: Denn immer mehr Personalfachzeitschriften setzen als Autoren und Experten zunehmend auf HR-Berater, die inzwischen hier die absolute Deutungshoheit errungen und das Recht auf thematische Akzente gewonnen haben.
Auch wenn das Vertreter aus der alten Personalerwelt fremdartig finden, kommt man nicht mehr um diese Realität einer Personalarbeit in Deutschland, die – anders als noch vor 25 Jahren und anders als zum Beispiel in den USA oder in Großbritannien – nicht durch HR-Verbände, nicht durch HR-Praktiker und kaum durch die HR-Wissenschaftler getrieben wird.[23]
Führt man die Beobachtungen zusammen und schreibt sie als Blick nach vorne in die Zukunft fort, kommt man zu einem konsistenten und in sich stimmigen Szenario: Danach fokussiert sich die Personalarbeit im Unternehmen immer auf operative Tätigkeiten (Recruiting, Führung), die primär in der Fachabteilung oder bei externen HR-Beratern stattfinden. Alles dies wird (auch weiterhin) zum Teil durch eine Rest-Personalabteilung unterstützt, die aber – nachdem die Shared Service Center weitgehend ausgelagert sein werden – vor allem in der Rolle des allseits beliebten Personalreferenten tätig wird. Bei dieser Arbeitsverteilung geraten die ungeliebte Personalplanung und die noch unbeliebtere strategische Personalarbeit in den Hintergrund, unter anderem auch deshalb, weil sie selten zum Kompetenzprofil von HR-Beratern gehören und sich zudem als Produkt auch im auf das Mengengeschäft ausgelegten Beratungsalltag nicht rechnen. Zudem hat dieses Szenario den Vorteil, dass es – anders als noch die Konzeptionen zu Beginn der 1990er-Jahre – eine extrem schlanke und kostensparende Personalarbeit impliziert.
Es muss nicht unbedingt das, was die Mehrzahl von Unternehmen aktuell praktiziert und die Mehrzahl der Protagonisten propagiert, zwangsläufig die im Einzelfall beste Empfehlung für die Zukunft von Unternehmen darstellen. Deswegen sollen kurz einige alternative Verläufe der Zukunft skizziert werden – wohlwissend, dass der Mainstream, wie zuvor beschrieben, und damit als zweiter Blick in die Zukunft, anders verläuft.
Sicherlich scheint es angesichts unserer zunehmenden Umweltdynamik immer schwieriger, dauerhaft strategische Wettbewerbsvorteile aufzubauen und zu verteidigen. Deshalb ist es verlockend und bequem, in den bereits oben zitierten Leitspruch „die Wettbewerbsstrategie ist tot” einzustimmen. Nun ist Michael Porter als zentraler Protagonist dieser Denkhaltung der letzte, der eine Verteidigung braucht. Trotzdem: Wer einmal das Glück hatte, seine damalige Vorlesung an der Harvard Business School zu besuchen, der weiß, dass es bei seinem Konzept nicht darum geht, einen einzelnen Wettbewerbsvorteil zu finden und ihn dann dauerhaft zu stabilisieren. Es geht vielmehr darum, die laufenden Wettbewerbsverschiebungen in einer Branche zu analysieren („Industry and Competitive Analysis”) und dann daraus seine – gegebenenfalls auch kurzfristig zu adjustierenden – Schlüsse zu ziehen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn Unternehmen sich dieser regelmäßigen Analyse unterziehen würden, auch wenn sie Michael Porter aus seinem sehr speziellen Unternehmensbegriff heraus allenfalls implizit für personalwirtschaftliche Fragestellungen formulierte.[25]
Das Ziel dieser strategischen Analyse ist nicht unbedingt die nur von ganz wenigen Unternehmen realisierte „Unique Selling Proposition” als absolutes Alleinstellungsmerkmal. Es reicht bereits aus, eine auf die Unternehmensstrategie abgestimmte „Employer Selling Proposition” zu formulieren – allerdings jenseits abgedroschener Worthülsen wie „Mensch im Mittelpunkt” und den obligaten „innovativen” Bluff-Konzepten zum Recruiting oder zum Employer Branding: Es geht um klare, authentische und kommunizierbare Unterschiede zu anderen Unternehmen.
Ein Beispiel: Zurzeit ist es Mode, die Führungskräfte- und Spezialistenbetreuung in Callcenter auszulagern. Das ist für diese Beschäftigtengruppen immer noch besser als die reinen computergesteuerten Frage-und-Antwortsysteme, die viele „normale” Mitarbeiter bekommen. Begründet wird dabei der Einsatz von Callcentern, die gerne auch in Billiglohnländer verlegt werden, mit Kostenvorteilen: Denn stünde beispielsweise Software-Spezialisten in Frankfurt bei Nachfragen zur Personalentwicklung, Personalführung oder Gehaltsabrechnung eine reale Person in Frankfurt zur Verfügung, so käme jede einzelne Anfrage das Unternehmen wahrscheinlich teurer zu stehen als das Callcenter.
Trotzdem könnte man – und genau darin würde die strategische Abgrenzung liegen – anders vorgehen und gerade in der optimalen (weil persönlichen) Betreuung ein Abgrenzungsmerkmal zur Konkurrenz sehen. Dies wäre dann Teil der Personalstrategie, die sich im Übrigen spätestens dann rechnet, wenn man sich vorstellt, was es das Unternehmen kostet, einen Top-Mitarbeiter zu ersetzen, der aus Verärgerung über Warteschleifen und unpersönliche Betreuung ohne Vorwarnung gekündigt hat. Gerade vor dem Hintergrund von Verknappungen auf spezifischen Arbeitsmärkten könnte sich eine derartige Betreuungsstrategie zudem billiger erweisen als die umfassenden Image-Werbungen, bei denen die harte Realität die schön klingenden Versprechen rasch einholt.[26]
Teil einer echten Personalstrategie als Wettbewerbsstrategie sind auch die Zukunftsthemen. So müssten sich Unternehmen bereits jetzt überlegen, wie sie mit den „etwas anderen” Generationen Y und Z (Scholz, 2014) „etwas anders” umgehen als der Mainstream, der immer noch von „eine Generation wie jede andere” ausgeht und keine Unterschiede für die Personalarbeit sieht.
Bevor man sich zu schnell auf einen umfassenden und vordergründig bequemen Planungsverzicht verständigt und dabei lediglich auf „Flexibilität” abstellt, könnte man zur Reduktion von Risiken und Kosten zusätzlich auf innovativ-erweiterte Planungsmodelle setzen. Denn die hierfür nötige Datenmenge steht vielen Unternehmen ohnehin zur Verfügung.
Wie könnten derartige innovative Ansätze aussehen? Gegenwärtig arbeiten Unternehmen weitgehend mit deterministischen Modellen: Aktuelle Berechnungen kalkulieren beispielsweise mit einem („deterministischen”) Personalbedarf von 100 Mitarbeitern und errechnen dementsprechend einen („deterministischen”) Personalbestand von ebenfalls 100 Mitarbeitern. Ändert sich einer dieser beiden Werte, greift die Flexibilisierung. Tatsächlich stehen aber hinter diesen beiden Zahlen erwartete Wahrscheinlichkeiten, also eine probabilistische Realität. Würde man mit solchen („probabilistischen”) Modellen rechnen, könnte man auch sofort sehen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass ein erhöhter Bedarf mit einem zu geringen Bestand zusammentrifft und ob dieser mit dem Flexibilitätspuffer auffangbar wäre. Aus dieser Planungsgrundlage heraus lassen sich dann Entscheidungen treffen, ob das Risiko eingegangen werden soll oder bewusst gegengesteuert wird. Ähnliche Wahrscheinlichkeitsmodelle lassen sich auch bei allen anderen Personalplanungsfeldern einsetzen und dazu nutzen, Risiken abzuschätzen, zu kommunizieren und gegebenenfalls zu reduzieren.[27]
Zudem ist es unbewiesener Mythos, dass sich Potenziale in Mitarbeitern quasi automatisch entfalten, wenn man sie von den scheinbaren Fesseln der Planung befreit. Völlige Demokratie, völlige Selbstorganisation und völlige Freiheit alleine reichen nicht: Motivation und Innovation kommen auch und gerade aus einer planvoll gestalteten Arbeitswelt. Dies bedeutet aber ebenso, dass das Behavioural Management verstärkt fokussiert wird (vgl. z. B. Schuler/Jackson, 2014), indem nicht nur die Technik, sondern auch die Faktizität der Unternehmenskultur intensiv betrachtet wird.[28]
Es ist definitiv möglich, sich auf die Position zurückziehen, wonach Auflösung beziehungsweise Marginalisierung der Personalabteilung alternativlos ist. Auch die offenkundige Ausklammerung der „Rolle der Personalabteilung” durch die drei HR-Verbände in Deutschland unterstützt diese These, wonach die traditionelle Personalabteilung eigentlich tot ist. Und damit haben sie auch recht: Die „alte” Personalabteilung ist tot.
Dennoch spricht vieles dafür, zumindest hoch-innovative Unternehmen in hoch-dynamischen Branchen zu ermutigen, diesem Strom nicht zu folgen und über ganz neue Formen der Personalabteilung nachzudenken:
Karrieren können nicht nur im Silo einer Fachabteilung unter den milden Augen der jeweiligen Führungskraft ablaufen. Sie brauchen eine Abstimmung quer durch das Unternehmen und eine zukunftsorientierte Nachhaltigkeit, was beides nicht im Silo der Fachabteilung zu realisieren ist.
Auch „gestandene Praktiker” sind nur begrenzt in der Lage, Personalentscheidungen von Einstellung über Förderung bis zur Freisetzung nur nach ihrem praxiserprobten Bauchgefühl zu treffen; hier braucht es die Professionalität und die Entscheidungskompetenz einer professionell aufgestellten „neuen” Personalabteilung.
In der Arbeitswelt 4.0 wird es immer mehr Freiberufler, Leiharbeiter, Interim-Manager, Werkvertragsbeschäftigte und Cloud-Worker geben, die ohne eine Bindung an das Unternehmen agieren. Bisher werden sie primär vom Einkauf analog zur Beschaffung von Druckerpapier gemanagt. Das aber führt bekanntlich immer mehr zu Problemen und schreit nach einer Zuordnung zu einer Personalabteilung. Wir brauchen hier eine neue Personalabteilung als leitbildgesteuerte Institution, die sich jenseits von juristischen Verträgen um die psychologischen Verträge dieser „externen” Mitarbeiter als Bindungsinstrument für diese Dienstleister kümmert.[29]
Die vielen externen und internen HR-Dienstleister müssten einer einheitlich-strengen Qualitätskontrolle unterzogen werden.
Bereits das alles spricht für eine organisatorische Einheit, die Funktionen der Personalabteilung wahrnimmt. Hinzu kommt aber noch das gesamte Feld der Personalstrategie. Genau so wenig wie die IT-Strategie des Unternehmens von der Kantinenleitung erstellt werden darf, darf die Personalstrategie außerhalb der Personalabteilung entstehen. Es braucht vielmehr einen spezialisierten Ort.
Gesucht wird also eine integrative Klammer, die mit klaren Konturen entsprechende Kompetenzen zusammenfügt. Dies läuft aber vor dem Hintergrund einer Arbeitswelt 4.0 nicht auf eine Renaissance der alten Personalabteilung „in den Grenzen von 1980” hinaus. Vielmehr gibt es immer mehr intelligente Modelle der Kompetenznetzwerke, die nicht Professionalität über verteilte Intelligenz garantieren, sondern auch ein einheitliches Bild für den Kunden schaffen.
Diese Modelle entsprechen dem, was vor 25 Jahren bereits unter der Bezeichnung „Virtuelle Personalabteilung” (Scholz, 1994) in die Diskussion eingebracht wurde, was gerade jetzt aber angesichts der weitgehenden Auflösung und Entkernung von realen Personalabteilungen relevanter denn je erscheint – und auch schon graduell umgesetzt wird (vgl. Scholz, 2012). Denn die virtuelle Personalabteilung liefert zwar gewisse Funktionalitäten der „alten” Personalabteilung, beispielsweise Integration und Unterstützung. Sie entspricht aber dem Typus der „virtuellen Organisation” (vgl. z. B. Putnik/Cruz-Cunha, 2014), arbeitet also als Netzwerk aus Kernkompetenzträgern.[30]
Wie inzwischen auch im Modell der Industrie 4.0 wird hier konsequent die Digitalisierung als Treiber für Innovation und Integration genutzt, weil sie zum einen Anschlussfähigkeit und Wettbewerb zwischen den Kernkompetenzträgern ermöglicht, zum anderen aber auch die Zusammenführung der Einzelprozesse realisiert. IT ist dabei ebenso wie die ganze Palette von Social Media ausschließlich Mittel zum Zweck, nicht aber das eigentliche Ziel. Deshalb gehören zur virtuellen Personalabteilung auch reale Personen, die vor Ort unterstützen, die aber auch die dringend nötige strategische Governance-Funktion wahrnehmen.
Bei aller Notwendigkeit von Kostendenken und bei aller scheinbaren Unausweichlichkeit eines Denkens in Kategorien in Richtung einer Shareholder-Value-Optimierung: Innovation und Motivation entstehen nicht durch Digitalisierung und Streamlining. Beides entsteht durch Menschen, die in einer vernünftigen und zukunftgerichteten Form zusammen arbeiten wollen. Aber genauso wenig, wie sich eine komplexe IT-Landschaft in einem Unternehmen nicht von selbst optimal zu einer „IT 4.0” zusammenfügt, fügt sich Personalarbeit automatisch zu einer „Personalarbeit 4.0” zusammen.[31]
Aus diesem Grund ist mein Beitrag zu diesem Buch – deutlich mehr noch als mein Beitrag vor 25 Jahren – ein lautes und konsequentes Plädoyer für eine professionelle und strategische Personalarbeit, zu der zwingend aber auch die Formierung einer Personalabteilung 4.0 gehört.
McGrath, Rita G. (2013): Transient Advantage, in: Harvard Business Review 91 (6/2013), 62-70
Pauleweit, Sven (2015): Management ist tot, in: Human Resources Manager 3, 42-46
Porter, Michael (1982): Competitive Strategy – Techniques for Analyzing Industries and Competitors, New York
Putnik, Goran D./Cruz-Cunha, Maria M. (2014): A Taxonomy for Virtual Enterprises, in: Journal of Universal Computer Science 20, 859-884
Scholz, Christian (2014): Generation Z – Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt, Weinheim
Scholz, Christian (2012): Virtuelle Personalabteilung als organisatorische Antwort, in: Personalwirtschaft 39 (11/2012), 30-33
Scholz, Christian (1995): Ein Denkmodell für das Jahr 2000? Die Virtuelle Personalabteilung, in: Personalführung 28, 398-403
Scholz, Christian (1982): Zur Konzeption einer strategischen Personalplanung, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 34, 979-994
Schuler, Randall/Jackson, Susan E. (2014): Human resource management and organizational effectiveness: yesterday and today, in: Journal of Organizational Effectiveness: People and Performance 1, 35-55[32]
Tichy, Noel M./Fombrun, Charles J./Devanna, Mary A. (1982): Strategic Human Resource Management, in: Sloan Management Review 23 (2/1982), 47-60
Benedikt Füssel, Head of Talent & Development PBC and Germany, Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main
Der Personalentwickler von heute ist viel stärker ein Entwicklungspraktiker, Berater, Moderator und Trainer, als ein rein konzeptionell tätiger Spezialist in der fernen Zentrale. Das erfordert andere Kompetenzen als früher, aber auch eine viel größere Nähe zu den Kollegen in den Geschäftseinheiten und im Management. Talent & Development hat eine neue Rolle und Aufgaben im Unternehmen übernommen.
Wenn man es etwas provokant ausdrücken möchte, dann ist über viele Jahre hinweg der Bereich „Talent & Development” – hier stellvertretend genutzt für Aus- und Weiterbildung, HR Development, Personal- und Organisationsentwicklung, Learning & Development, People Development etc. – im Wesentlichen ein interner Anbieter von Seminaren und Lernprogrammen gewesen. Gegebenenfalls kam das eine oder andere Förder- oder Talentprogramm dazu, aber zentral blieb der gern auch „Acedemy” oder „University” genannte Bereich der Lerncurricula. Interessant und bemerkenswert ist außerdem, dass eine Veränderung des Abteilungsnamens vielfach keine oder nur wenig Aufgabenveränderung mit sich gebracht hat, auch wenn damit eigentlich klar Akzente gesetzt werden sollten (z. B. die Ergänzung von „Talent” zur Bezeichnung „Development”).[33]
Dieses Modell des Bereichs „Talent & Development” hat in einem stabilen Umfeld mit sich langsam verändernden Geschäftsmodellen und Umwelten nach wie vor Relevanz. Jedoch gibt es dieses Umfeld nicht mehr. Die heutige Zeit ist durch zum Teil starke Veränderungen geprägt:
Wir erleben das Altern der Gesellschaft in Mitteleuropa und Japan – aber sehr junge Gesellschaften in Asien und Afrika, die alle für sich ihre eigenen Probleme und Herausforderungen mit sich bringen. Demografischer Wandel ist ein globales Phänomen, das sich jedoch unterschiedlich äußert.
Gleichzeitig wirbelt die Digitalisierung ganze Industrien durcheinander, bringt neue Marktführer hervor und lässt alte verschwinden.
Auch der Wertewandel führt zu Veränderungen im beruflichen und familiären Umfeld, drängt bisherige Familien- wie auch Karrieremodelle zurück und verändert nachhaltig das Denken und Handeln der Menschen.
Alle diese Veränderungen sind nicht lokal einzugrenzen, sie finden überall statt. Die Welt ist kleiner geworden, die Globalisierung verbreitet Trends und Informationen in kürzester Zeit über die ganze Welt. Das führt nicht zwangsläufig zu einem tieferen gegenseitigem Verständnis, aber gleich was geschieht, es passiert schnell und wird noch schneller in der ganzen Welt bekannt gemacht – nicht mehr nur über herkömmliche Medien, sondern per Chat, YouTube, Twitter und eine Vielzahl weiterer neuer Medien. Das alles verändert die Menschen und zwingt sie, sich und ihr Verhalten einer neuen, sich schnell verändernden Umwelt anzupassen, oder doch zumindest mit ihr zurecht zu kommen.[34]
In Unternehmen gilt das selbstverständlich auch für Kunden, aber genauso für die Mitarbeiter. Je mehr ein Geschäftsmodell auf Menschen beruht, desto stärker sind die Auswirkungen zu spüren. Das Bankgeschäft ist in seinem Kern ein „People Business”: Es lebt von der Interaktion zwischen Kunden und Beratern in nahezu allen Geschäftsbereichen – das gilt für den Schalterverkehr ebenso wie für die Beratung und Begleitung von Unternehmensverkäufen und Fusionen. Dreh- und Angelpunkt ist immer der Mensch. Es lohnt sich also, einige der angesprochenen Veränderungen genauer anzuschauen und ihre Relevanz für das Bankgeschäft zu betrachten.
Wer heute bei einem großen Event, einem Konzert oder bei der Heimkehr einer siegreichen Nationalmannschaft dabei ist, sieht um sich herum jede Menge Smartphones oder Tablet-Computer, die genutzt werden, um alles aufzuzeichnen. Wo früher der eine oder andere seinen Fotoapparat dabei hatte und alle anderen einfach zugeschaut hätten, nimmt heute jeder mit seinem Smartphone vieles für sich, für die Nachwelt oder auch für die sozialen Medien auf.
Mehr als 77 Prozent der über 14-jährigen Deutschen sind regelmäßig im Internet; der Anteil der Menschen über 50, die regelmäßig im Internet unterwegs sind, steigt kräftig. Die Zeiten, in denen die Menschen online sind, nehmen laufend zu. Deshalb wissen sie auch immer, was wo passiert; Geschehnisse rund um die Welt werden in Echtzeit transparent. Jeder kann alles im Internet suchen und zu allem Informationen, Einschätzungen oder auch Meinungen bekommen.[35]
Das verändert die Konsumenten. Ihre Loyalität zu bestimmten Marken und Produkten sinkt, ihre Wechselbereitschaft steigt und sie bestimmen selbst, über welche Kanäle sie auf Produzenten und Unternehmen zugehen möchten. Für die Anbieter ist es deshalb entscheidend, auf dem jeweiligen Kanal präsent zu sein. Denn Konsumenten wollen sich auf allen Kanälen zu jeder Zeit informieren können, ihre Wahl treffen und einkaufen. Ausdrücklich gehört hierzu auch die Möglichkeit des persönlichen Gesprächs und der Beratung im Fachhandel. Die Konsumenten von heute wechseln ständig zwischen online und offline und es ist nicht vorhersagbar, wo sie am Ende ihren Kauf tätigen werden.
Insbesondere in den mitteleuropäischen Ländern altert die Belegschaft der Unternehmen. Der Wettbewerb um die besten Talente, um Wissens- und Erfahrungsträger hat sich verschärft. Zielgruppe sind nicht nur Nachwuchskräfte, sondern auch Experten mit besonderen Kenntnissen, Erfahrungen und Kontakten. Erschwerend kommt hinzu, dass Anforderungen an Unternehmen sich verändern und mehr als Vergütung und Karriereentwicklung umfassen. Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Flexibilität bei Arbeitszeit und -ort, Sinnhaftigkeit der Tätigkeit, Respekt und Anerkennung sowie ein motivierendes Umfeld sind heutzutage die Anforderungen an Unternehmen und Vorgesetzte. Befragt man unsere Azubis, dann wollen sie dazu noch sympathische Kollegen, Spaß bei der Arbeit und ausreichende Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen. Für eine Führungskraft von heute ist diese Anspruchshaltung eine große Herausforderung, ist sie doch mitentscheidend, um all das zu bieten und sicherzustellen.[36]
Insbesondere die Finanzindustrie sieht sich zunehmend Marktveränderungen ausgesetzt. Da gibt es einerseits aufkommende Wettbewerber wie Apple und Google, die aufgrund ihrer Stärke und neuer Geschäftsmodelle schon andere Branchen stark verändert haben. Andererseits gibt es aber auch viele neue regulatorische Anforderungen, die die Geschäftsmodelle der Banken auf den Prüfstand stellen und zum Teil starke Veränderungen erzwingen. Hinzu kommt ein Zinsumfeld, das die Renditen der Kunden wie auch der Banken drastisch schmälert. In diesem Umfeld der Veränderungen und Unsicherheit müssen die Mitarbeiter sehr hohen Leistungsanforderungen gerecht werden – trotz steigender Wechselbereitschaft der Kunden, nachhaltiger Niedrigzinsen, hohem Kostendruck und neuer Wettbewerber, die auch als Arbeitgeber interessant sein könnten.
Alle angesprochenen Veränderungen betreffen die Menschen – außerhalb wie innerhalb des Unternehmens. Neben der Analyse und genauen Planung der Kundenseite muss deshalb auch die Mitarbeiterseite in alle Zukunftsplanungen einbezogen werden. Jedes Unternehmen muss aufbauend auf seiner geschäftlichen Strategie genau überlegen, wie die Strategie für die Mitarbeiter aussieht und mit den Mitarbeitern umgesetzt werden kann. Kurz gesagt: Jedes Unternehmen braucht eine vorausschauende „Personal-Agenda”.[37]
Betrachtet man einerseits die externen Einflussfaktoren, wie das sich ändernde Marktumfeld und große globale Trends, und legt andererseits die geschäftlichen Prioritäten und besondere unternehmensinterne Herausforderungen daneben, ergibt sich eine lange Liste von mitarbeiterbezogenen Themen, für die neue Konzepte entwickelt werden müssen bzw. die an neue Anforderungen angepasst werden müssen:
Stärkung der Arbeitgebermarke und Intensivierung der Rekrutierung,
wettbewerbsgerechte Bezahlung und Benefits,
Analyse und Anpassung des Mitarbeiterportfolios, dabei vorausschauende Personalbedarfsplanung („Talent Management” und „Strategic Workforce Planning”),
Förderung und Nutzung der vielfältigen Talente im Unternehmen („Diversity”),
Veränderung von Organisationsteilen und Geschäftsmodellen,
Weiterentwicklung der Mitarbeiter durch gezielte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen,
Systeme zur Steuerung der Leistung der Mitarbeiter („Performance Management”).
Aus der großen Menge der möglichen Maßnahmen ergeben sich zwei Folgerungen: Zum einen kann nicht alles gleichzeitig bearbeitet, muss also klar priorisiert werden. Zum anderen ist es wichtig, diese Handlungsfelder im Zusammenhang zu sehen und nach Möglichkeit integrierte Prozesse einzuführen.[38]
Zur Priorisierung kann jede Form von geeigneten Hilfsmitteln genutzt werden, zum Beispiel eine Matrix, die gegenwärtige Stärken künftigen Bedürfnissen gegenüberstellt. Daraus ergeben sich in der einfachsten Form vier Quadranten:
Alle Handlungsfelder, die weder zukünftige Bedürfnisse beinhalten, noch zu unseren Stärken gehören, sollten ignoriert werden.
Handlungsfelder, in denen wir gegenwärtig stark sind, die zukünftig aber nicht so wichtig sind, sollten wir daraufhin überprüfen, ob wir uns hier weiterhin stark engagieren müssen.
Unser Engagement in den Handlungsfeldern, die zukünftige Bedürfnisse beinhalten und in denen wir schon richtig gut sind, muss beibehalten und falls möglich ausgebaut werden.
In den Handlungsfeldern, die zukünftige Bedürfnisse enthalten, in denen wir aber nicht so gut aufgestellt sind, müssen wir investieren und unser Engagement verstärken.
Für die Festlegung strategischer Kernhandlungsfelder sind die Quadranten 3 und 4 ausschlaggebend. Sieht man sich die globalen Trends, das sich ändernde Marktumfeld, aber auch unternehmensinterne Anforderungen und geschäftliche Prioritäten an, so wird klar, dass für sehr viele Unternehmen die meisten Handlungsfelder in den beiden kritischen Quadranten Aufgaben im Bereich „Talent & Development” sind. Anknüpfend an die einführenden Bemerkungen über diese Bereiche der Personalarbeit ändern sich somit die Anforderungen deutlich: Aus einem „Seminaranbieter” wird ein zentraler strategischer Partner des Managements. Ein paar Beispiele sollen dies im Folgenden aufzeigen.[39]
Der berühmte Eishockeyspieler Wayne Gretzky soll einmal gesagt haben, dass ein guter Hockey-Spieler da ist, wo der Puck ist, ein großartiger Spieler aber da, wo der Puck sein wird. Übersetzt auf das Mitarbeiterportfolio eines beliebigen Unternehmens heißt das, dass der Mitarbeiterstamm schon heute so entwickelt werden muss, dass er morgigen Anforderungen genügt. Ein großartiges Unternehmen ist also mit den Kenntnissen und Fähigkeiten seiner Teams schon heute so aufgestellt, dass künftige Herausforderungen bewältigt werden können. Dazu dienen alle Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung, aber auch die Prozesse und Elemente des Talentmanagements.
Dies beginnt bei einer Analyse des Ist-Bestandes und geht bis zur aktiven Gestaltung des Mitarbeiterportfolios. Talentmanagement ist also weit mehr als die Beschäftigung mit leistungs- und potenzialstarken Mitarbeitern: Es bedeutet die Analyse des gesamten Mitarbeiterbestandes mit Blick auf zwei Ebenen:
Der individuelle Mitarbeiter: Neben der Analyse der Leistung und der Fähigkeiten des Mitarbeiters gehört die regelmäßige Diskussion zukünftiger Positionen und dazu notwendiger Schritte auf die Tagesordnung eines Managementteams. Während die Leistungsbetrachtung eher rückwärtsgerichtet ist, sind Entwicklungsthemen klar zukunftsgerichtet. Dazu gehören als Option auch das Halten der Mitarbeiter und die Qualifizierung für gegenwärtige und zukünftige Positionen.[40]
Das Gesamtportfolio: Jedes Managementteam muss wissen, wie viele leistungsstarke Mitarbeiter es hat, die innerhalb zu definierender Zeitabstände den nächsten Entwicklungsschritt gehen können. Neben Nachfolgeplanungen sind hier auch Risikovermeidungsgesichtspunkte wichtig: Mögliche ungeplante Personalabgänge führen somit nicht zu ernsthaften Risiken. Es sollte ebenfalls transparent sein, wie viele Mitarbeiter genau richtig eingesetzt sind und somit ein stabiles Rückgrat der Unternehmung bilden. Auch die Zahl der weniger leitungsstarken Mitarbeiter – gemessen an den Anforderungen ihrer gegenwärtigen Aufgaben – wird so deutlich. Die Struktur in der Mitarbeiterschaft wird bei dieser Analyse transparent und initiiert ein ganzes Bündel von Folgemaßnahmen: Beginnend bei zielgerichteter Rekrutierung über passgenaue Aus- und Weiterbildung bis hin zu Projekteinsätzen und Tätigkeitswechseln.