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Was erwarten Wirtschaft und Gesellschaft von den Ingenieuren und wie ist dem gegenüber die Erwartungshaltung der Ingenieure? In dieser Anthologie seiner Editorials und Leitartikel beleuchtet Wilfried Grunau die Perspektiven und Entwicklungschancen für den Berufsstand der Ingenieure, insbesondere aus Sicht der Geodäsie. Er bezieht dezidiert Position zu wichtigen berufspolitischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Ereignissen, kommentiert diese und zeigt Visionen für den Berufsstand der Ingenieure und Geodäten auf. Das Buch soll und kann natürlich nicht DIE Antwort auf die Quo-vadis-Frage geben, wohl aber eine Orientierung. Und das jeweils mit der in einem Editorial gebotenen (relativen) Kürze, frei nach dem Motto "Quidquid praecipies, esto brevis" - Was auch immer du lehren wirst, fasse dich kurz! (Horaz, Ars poetica 335.)
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Seitenzahl: 112
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Editorial , das, 1) Vorwort oder 2) der Leitartikel an bevorzugter Stelle einer Zeitung oder Zeitschrift zu wichtigen aktuellen Themen.
Grußworte, Editorials und Leitartikel zu schreiben, gehört zu den Aufgaben, denen man sich als Präsident eines Berufsverbandes immer wieder stellen muss. Was im ersten Moment für einige Menschen vielleicht eher unangenehm klingt, hat sich zu einem ganz hervorragenden Instrument des „Politik machen“ entpuppt: Wo, wenn nicht an dieser Stelle kann man seine berufspolitischen Prämissen und Strategien besser aufzeigen? Ich habe sehr schnell gelernt, dass ich diese exponierte Stelle sehr gut nutzen kann, um zu wichtigen berufspolitischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Ereignissen dezidiert Position zu beziehen, Stellung zu nehmen oder auch Visionen aufzuzeigen. Abseits von tagesaktueller Aufgeregtheit kann man sich in Editorials bzw. Leitartikeln zudem auf eine sehr grundsätzliche Art mit gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen oder auch kulturellen Entwicklungen auseinandersetzen.
Die Möglichkeit, auf den ersten Seiten von vielgelesenen und vielbeachteten Zeitschriften für unseren Berufsstand wegweisende Themenkomplexe zu aufzugreifen sowie Leitlinien und wichtige Wegmarken aufzuzeigen habe ich daher im Laufe der Jahre immer mehr schätzen und nutzen gelernt.
Und was im einzelnen Artikel mangels Platz nicht immer vollständig aufgearbeitet werden kann, ist in der Gesamtschau aller Editorials und Leitartikel hingegen sehr deutlich zu erkennen: Die Implementierung neuester Technologien in unser tägliches berufliches Wirken ist für den Fortbestand unseres Berufsstandes absolut notwendig, kann und darf aber nicht solitär betrachtet werden, sondern muss immer auch im Kontext der gesellschaftlichen Verantwortung gesehen werden.
In der vorliegenden Anthologie meiner Editorials und Leitartikel werden Perspektiven und Entwicklungschancen beleuchtet und dies natürlich nicht retrospektiv, sondern immer auch prospektiv. Jeweils kurze Intros zu den Beiträgen erlauben die jeweilige Einordnung in den zeitlichen Zusammenhang.
Das Buch soll und kann natürlich nicht DIE Antwort auf die Frage „Quo vadis Ingenieurverband?“ geben, wohl aber eine Orientierung. Und das mit der in einem Editorial gebotenen (relativen) Kürze, frei nach dem Motto „Quidquid praecipies, esto brevis“ – Was auch immer du lehren wirst, fasse dich kurz! (Horaz, Ars poetica 335.)
Wilfried Grunau
1993: Es ist das Jahr, in dem die Europäische Union durch das Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht wirtschaftliche Realität wird. Ein Ereignis, das auch auf den Berufsstand der Ingenieure Auswirkungen haben wird. Der VDV setzt in diesem Jahr den sehr intensiv vorbereiteten Generationswechsel im geschäftsführenden Vorstand um: Wilfried Grunau wird Bundesvorsitzender, Burkhard Kreuter Geschäftsführer des VDV. [1]
Mit der Bundesmitgliederversammlung in Wetzlar hat sich ein Generationswechsel in der Verbandsführung vollzogen. Dipl.-Ing. Wolfgang Beicken und Dipl.-Ing. Hans Soest, beide seit der Gründung des VDV vor mehr als 40 Jahren immer in der Führungsspitze zu finden, haben ihre Ämter weitergegeben.
Es handelt sich hierbei ohne Frage um ein bedeutsames Ereignis in der Geschichte unseres Berufsverbandes, denn diese beiden Kollegen haben den VDV von Anfang an entscheidend geprägt und gelenkt.
Die Bundesmitgliederversammlung hat in Würdigung ihrer besonderen Verdienste um den Verband und das Vermessungswesen Dipl.-Ing. Wolfgang Beicken zum Ehrenvorsitzenden des VDV und Dipl.-Ing. Hans Soest zum Ehrenmitglied des VDV gewählt.
Die grundsätzlichen Aufgaben des VDV, wie Gestaltung des Berufsbildes, Vertretung der berufspolitischen Belange und Förderung der fachlichen Weiterbildung werden ständig durch aktuelle Herausforderungen ergänzt.
Der gesellschaftspolitische Umbruch der letzten Jahre, die Neuerungen der Europäischen Gemeinschaft und eine sich ständig wandelnde Technik stellen immer wieder neue Anforderungen.
Die aus diesen Gründen von den Amtsvorgängern gezeigte Flexibilität und Mobilität, verbunden mit innovativem Denken, wird auch weiterhin Kontinuität haben.
Die Mitgliedschaften in den europäischen Gremien wie auch die Reaktion auf innerdeutsche Belange, als Stichworte mögen hier die Berufsordnung ÖbVI, die Privatisierung im Vermessungswesen oder auch die Geoinformatik dienen, sind das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen den bisherigen und neuen Amtsinhabern im Vorstand.
Die Zielsetzung des Verbandes weist sicherlich auch über die speziellen Berufsfragen hinaus. Es stellen sich hier die großen übergeordneten Aufgaben, von denen die Sinngebung der Technik und die Stellung des Ingenieurs in der modernen Gesellschaft an erster Stelle zu nennen sind. Die neue Verbandsführung wird sich bemühen, diesem hohen Anspruch weiterhin gerecht zu bleiben.
Dezember 1993: Der nachfolgende Beitrag ist die Schriftform eines Kurzreferates kurz nach meinem Amtsantritt als Bundesvorsitzender vor dem Gesamtvorstand des VDV-Bildungswerkes. Interessant ist dieser Vortrag insbesondere vor dem Hintergrund auf die 20 Jahre später unter meiner Mitwirkung von VDV, DVW und BDVI gegründete Interessengemeinschaft Geodäsie (IGG) und die Koordinierung der Fortbildungsaktivitäten der drei Verbände in der Geodäsie-Akademie. [2]
Die grundsätzlichen Aufgaben des VDV, wie Gestaltung des Berufsbilds, Vertretung der Berufspolitischen Belange und Förderung der fachlichen Weiterbildung werden ständig durch aktuelle Herausforderungen ergänzt. Der gesellschaftspolitische Umbruch der letzten Jahre, die Neuerungen der Europäischen Gemeinschaft und eine sich ständig wandelnde Technik stellen immer wieder neue Anforderungen. Es sind wir Ingenieure, welche für die gesellschaftliche Nutzung des Fortschritts in allen technischwissenschaftlichen Bereichen den politisch Verantwortlichen den Maßstab planerischer Entscheidungen liefern.
Der Ingenieurberuf beansprucht den Menschen überdurchschnittlich im psychischen Bereich durch die erhöhte Verantwortung für Schutz und Sicherheit von Leben, Umwelt und Sachgütern, im intellektuellen Bereich durch Umfang und Geschwindigkeit des Lernens. Es muss heute davon ausgegangen werden, dass die bestehende Qualifikation, insbesondere in technischen Bereichen, eine sog. Halbwertzeit von ca. fünf Jahren hat und derjenige, der sich in dieser Gesellschaft bzw. im Berufsleben nicht weiterqualifiziert, einer zunehmenden Dequalifizierung unterliegt und eines Tages den Anforderungen nicht mehr genügt.
Das Ziel des modernen Ingenieurstudiums muss vorrangig die Berufsfähigkeit sein, nicht aber die Vermittlung des für ein Ingenieurleben ausreichenden technischen Wissens. Die Hochschulen können bei fünfjähriger Halbwertzeit des technischen Wissens lediglich auf die Vermittlung des notwendigen Grundwissens abheben, das dem sogenannten Halbwertzerfall nicht unterliegt. Dieses Grundwissen vermittelt dem Ingenieur alle Möglichkeiten, technologisch en und ingenieurwissenschaftlichen Entwicklungen zu folgen und diese voranzubringen. Ein solches Grundwissen ermöglicht dem Ingenieur auch die zunehmend erforderliche Fortbildung und Spezialisierung. Diese Fortbildung oder Spezialisierung allerdings braucht nicht von den Hochschulen allein geleistet zu werden, sondern kann auch Akademien und Instituten sowie berufsständischen Organisationen übertragen werden.
Der VDV hat aus diesem Grund bereits vor geraumer Zeit das Bildungswerk gegründet. In diesem Bildungswerk, das seit drei Jahren als eigener Verein eingetragen ist, sind verschiedene Fachgruppen konzentriert unter einer Leitung zusammengefasst. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Einzelaktionen auf Dauer keinen Erfolg liefern können. Der VDV wird daher auch verstärkt auf das Potential im Bildungswerk zurückgreifen. Für das Bildungswerk bedeutet es, dass diesen Anforderungen nur durch ein optimales Management begegnet werden kann. Das ehrenamtliche Wirken und Engagement der Fachgruppenleiter darf dabei jedoch nicht aufgegeben werden. Wir müssen von der Vorstellung eines kleinen Vereins Abstand nehmen und uns mit einer gewissen Professionalität unserer Weiterbildungsarbeit widmen. Bei dem VDV wie auch dem Bildungswerk handelt es sich um große Organisationen, die nur mit unternehmerischer Konsequenz geführt werden sollten. Eine bewusste Gestaltung der Lernsituation sowie Lernprozesse, die auf eine strategische Unternehmensentwicklung ausgerichtet sind, müssen selbstverständlich werden. Gefordert ist kaufmännisches und unternehmerisches Denken.
Den Fachgruppenleitern und Bildungsreferenten kommt dabei die Aufgabe zu, die Vermengung von Bewährtem und völlig Neuem bewusst herbeizuführen. Sie setzen damit Prozesse in Gang, sie strukturieren damit die Vielfalt neuer Erkenntnisse und sichern somit auch die Ergebnisse. Dieses alles aufgrund ihrer Fachkompetenz und ihrem Wissen über organisatorische und technische Entwicklungen.
Im Folgenden ist aufgeführt, wie nun diese Aufgaben und Forderungen aussehen können: Zunächst einmal sollte der Informationsfluss zwischen den einzelnen Fachgruppen und den VDV-Landesverbänden intensiviert werden. Ansprechpartner sind hier in erster Linie die Vorsitzenden der Landesverbände. Gleiches gilt selbstverständlich auch umgekehrt. Informationen sind nur etwas wert, wenn sie verwendet werden, d. h. gezielt weitergegeben und nicht für sich behalten werden. Indem wir zwischen den Institutionen VDV und Bildungswerk den Informationsfluss intensivieren, wird die Wirkung nach außen sich direkt durch ein verstärktes und verbessertes Angebot an Bildungsveranstaltungen zeigen.
Die Fachveranstaltungen sollten nach Möglichkeit räumlich über alle Bundesländer verteilt werden, wobei einige Maßnahmen sicherlich ausgeklammert werden können, z. B. Veranstaltungen, die mit einem Ortsnamen verknüpft sind und eine gewisse Kontinuität symbolisieren. Die Dezentralisierung kann aber nur bei einer wirklich engen Zusammenarbeit mit den jeweiligen Landesverbänden funktionieren.
Alle Bildungsveranstaltungen im VDV sollten über das Bildungswerk organisiert werden. Das Bildungswerk sollte früher oder später in der Lage sein, zu jedem beliebigen Thema zu jedem beliebigen Ort auf Zuruf eine Fachveranstaltung organisieren zu können. Dieses stellt eine enorme Anforderung dar, die wahrscheinlich in dieser Form nur schwer zu realisieren ist, dies ist aber auch eine Chance, das Ansehen des Bildungswerkes zu festigen, und somit zu einer absolut kompetenten und anerkannten Institution im Vermessungswesen zu machen. Das kann aber nur funktionieren, wenn Informationen fließen, Ideen und Anforderungen weitergegeben werden, Kontakte zu Referenten und Fachfirmen geknüpft und gepflegt werden.
Indem wir den Anspruch stellen, weiterbilden zu wollen, d. h. also Erfahrungen weiterzugeben, müssen wir selbst uns auch weiterbilden. Wir müssen Trends erkennen und auswerten. Neue Arbeitsfelder zeichnen sich allerorten ab, ich nenne hier nur die Stichworte Geoinformatik oder Umweltschutz. Diese neuen Arbeitsfelder dürfen wir nicht abgeben! Das engagierte Einbringen unseres Ingenieurwissens ist gefragt. Wir Ingenieure, insbesondere wir Vermessungsingenieure, müssen Selbstbewusstsein zeigen. Die politische Einflusschance der technischen Intelligenz über die Mobilisierung der heute für die Technikdiskussion sehr sensitiven Öffentlichkeit ist beachtlich. Wir Ingenieure sind zu einem wesentliche gesellschaftspolitischen Faktor und Kulturträger mit unverzichtbarem Mandat geworden.
Lassen Sie uns dieses Mandat gemeinsam nutzen!
1994: Die Deutsche Bahn AG wird gegründet, Sony bringt seine Playstation auf den Markt und der Begriff „Cyberspace“ beherrscht die Medien. In der realen Vermessungswelt nimmt in dieser Zeit das Thema „Geoinformatik“ spürbar mehr Raum ein. [3]
Die Ereignisse des vergangenen Jahres haben deutlich gemacht, dass die Anforderungen an das Vermessungswesen nach wie vor sehr hoch sind. Das technische Wissen befindet sich in einer Phase exponentieller Entwicklung. Diese Zunahme an Komplexität und Innovation gilt sicherlich auch für unseren Berufszweig.
Die Kongresse des letzten Jahres, geotechnica und Geodätentag, haben anschaulich dargelegt, dass das Anforderungsprofil über die fachliche Kompetenz und Spezialisierung hinausgeht. Das Verständnis für die Umfelder und Randgebiete darf nicht vernachlässigt werden. Die interdisziplinäre Teamfähigkeit ist nach wie vor eine der wichtigsten Eigenschaften unseres Berufes. Dazu trägt insbesondere auch die Zeitschrift des VDV, DER VERMESSUNGSINGENIEUR, bei.
Bei all der Technikdiskussion sollten wir aber nicht unsere ethische Grundhaltung vernachlässigen. Wir Ingenieure haben eine besondere Verantwortung gegenüber dem Wirkungsgeflecht Mensch - Natur - Technik. Die Diskussion um die EXPO 2000 hat dieses wiederholt demonstriert.
Auch im kommenden Jahr erwarten uns neue Aufgaben. Lassen Sie uns diese Herausforderung annehmen - gemeinsam im Interesse unseres schönen Berufes.
Januar 1995: Die rasante technische Entwicklung und die damit einher gehende Erweiterung des Berufsbildes der Vermessungsingenieure fordert in immer größerem Maße auch den VDV. Gefragt sind beispielsweise Strategien für die berufliche Weiterentwicklung [4]
Würde man heute ein Bild von der Stellung des Ingenieurs in der Gesellschaft zeichnen, dieses Bild würde eine seltsame Mischung aus Respekt und Distanz, ja teilweise Desinteresse zeigen. Man erkennt zwar die Leistung und das Können des Ingenieurs an, ist aber skeptisch, was seine gesellschaftliche Verantwortung, seine Kenntnis der Gesamtzusammenhänge und Sensibilität für Zukunftsfragen angeht.
Die Welt von heute wird geprägt von technischem Geist, von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und von der Fähigkeit der Ingenieure, diese Erkenntnisse technisch umzusetzen. Der Ingenieur als Schöpfer der Technik muss sich seiner Treuhänderschaft für Mensch und Natur bewusst werden und kann seine Verantwortung für die Technik nicht der Gesellschaft überlassen. Bedeutung und Würde der Ingenieure werden am verantwortungsbewussten Umgang der Ingenieure mit der Technik gemessen.
Ein besonderes Forum für den Wissenschaftstransfer innerhalb der Geowissenschaften bietet sich in diesem Jahr mit der geotechnica. Die Vermessungsingenieure sind aufgrund ihrer interdisziplinären Verflechtungen mit diesem Kongress verbunden und stellen ihr Wissen und ihre Lösungsmöglichkeiten, aber auch ihre Verantwortung zur Erhaltung unserer Umwelt vor.
Nur eine ständige Weiterbildung gewährleistet die Anpassung an den technischen Wandel und Fortschritt. DER VERMESSUNGSINGENIEUR ist sich der verantwortungsvollen Aufgabe als Weiterbildungs- und Informationsorgan bewusst. Auch im kommenden Jahr werden wir uns bemühen, diesem Anspruch zu genügen und aktuelle Probleme in den Vordergrund stellen.
Januar 1996: Über 3,6 Millionen Menschen sind ohne Arbeit. IG Metall-Chef Klaus Zwickel schlägt das erste Bündnis für Arbeit vor. Ziel: Die Entwicklung gemeinsamer Strategien gegen die Arbeitslosigkeit. Vor diesem Hintergrund entstand mein nachstehendes Editorial mit einem sehr vorausschauenden Blick auf das Thema „Digitalisierung“ [5].
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