Pferde Heilen Menschen - Ariana Strozzi Mazzucchi - E-Book

Pferde Heilen Menschen E-Book

Ariana Strozzi Mazzucchi

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Beschreibung

Ariana Strozzi Mazzucchis Werk ist eine wichtige und wertvolle Grundlage für die Arbeit mit Menschen. Equine Guided Education kommt auf vielfältige Weise in der Heilkunde zur Anwendung und wird derzeit im Coaching, bei Psychotherapien, Rehabilitation bei Erkrankungen, in Behandlung Posttraumatischer Belastungsstörungen, in der Hospizarbeit und in zahlreichen anderen therapeutischen Verfahren einbezogen.

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Seitenzahl: 307

Veröffentlichungsjahr: 2022

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DIESES BUCH IST FÜR MEINE FAMILIE UND ALLEN MENSCHEN AUF DER WELT, VON DENEN ICH WEISS, DASSEINDRUCKSVOLLE ENTWICKLUNGSMÖGLICHKEITEN IN IHNEN STECKEN.

INHALT

Vorwort Rilana Vorderwülbecke

Einführung

EQUINE GUIDED EDUCATION

Vor Equine Guided Education

Zur Definition von Equine Guided Education

Der Ruf des Pferdes

Aus dem Horsemanship heraustreten

Paradigmenwechsel

DIE FÜNF ELEMENTE VON EGE

Das Pferd als Guide

Die Rolle der EGE Vermittler*innen

Der Prozess der Veränderung

Ein somatischer und nicht linearer Ansatz des Lernens

Angst thematisieren

EGE ist somatisch und intuitiv

Die magische und mysteriöse Weisheit der natürlichen Welt

Informationsverarbeitung, Verhaltensgenerierung und das menschliche Gehirn – Janet Crawford

VORBEREITUNG AUF DEN EGE PROZESS

Aktive und Passive Übungen

Auswahl der Übungen

Die Lehrpunkte kennen

Die Wahl der Pferde für EGE

Vom Umgang mit Pferden in EGE Sessions – Kansas Carradine

Die Kraft, Lernende*r zu sein – Hallie Bigliardi

Fazit

Literaturverzeichnis

Über die Autorin

Über die Herausgeberin

Nachwort

VORWORT

Alles war weiß. Das grelle Licht und die Angst machten sie blind. Sie konnte ihren Körper nicht mehr spüren. Die Kraft des Lichtes lähmte ihren ganzen Körper. Sie wusste nicht mehr, wo sie sich befand. Angst war überall spürbar.

Es passierte so schnell. Wie ein Strahl, der alles zum Stillstand brachte. Ein Stillstand, den sie nicht kannte. Ihr ganzes Leben war geprägt von Kontrolle und effizienter Schnelligkeit. Die Welt schien in einem Standbild eingefroren zu sein. Das Gehirn und der Körper konnten keine Verbindung herstellen.

Doch dann berührte sie etwas. Sie war nicht alleine. Unter ihrem Körper wartete etwas auf sie. Ihr wurde bewusst, dass sie auf ihrem Pferd saß. Ihrem Baldur, dem Gott der Sonne und des reinem Lichts, der für Gutes und Gerechtigkeit eintritt. Er war ganz dicht bei Ihr mit seiner Wärme und er wartete ruhig auf sie. Baldur wartete auf Ihre Führung, wo es hingehen sollte. Ein Impuls von ihr, der ihm den Weg zeigen sollte.

Doch Baldur hatte ihr einen so großen Schreck eingejagt. Eine so große Angst mitten im friedlichen Wald. Woher kam diese Angst, die ihre Welt anhielt und sie in eine Panikattacke katapultiert hatte? Panikattacke? Was ist das? Was bringt einen Menschen dazu sich so verloren im eigenen Körper zu fühlen, dass man nicht mehr orientierbar ist?

Dieses Geschichte war der Beginn in eine Reise zu mir. Es ist ein Aufbruch in ein neues Abenteuer meines Lebens, dass im Oktober 2018 begann. Mir war bewusst, dass mein Erlebnis aus dem Wald etwas verändern sollte in meinem Leben. Es war eine Entscheidung, die ich treffen musste für einen Weg mit den Pferden und dem Vertrauen, dass sie mir etwas zeigen würden. Sie gaben mir die Aufgabe meinem Weg näher zu kommen. Pferde waren nie meine Leidenschaft gewesen. Mein jüngster Sohn war mein erster Lehrmeister auf diesem Weg. Seine Liebe für Pferde brachte mich jede Woche zu ihnen. Ich nahm unsere Pferde wahr und schätzte ihre Kraft und die Leichtigkeit, die ich von ihnen spürte, doch ich konnte es oft nicht in mein Leben integrieren oder in meinem Körper spüren. Mein Leben als Frau, Ehefrau , Mutter, Tochter, Schwester und auch Freundin hatte mich in ein Rollenbild gepresst, dass ich versuchte zu entsprechen. Doch wer war ich? Was waren meine Bedürfnisse? Wie konnte ich meinen Körper wieder spüren ohne mich gefangen zu spüren in mir selbst. Der Stress und die Anspannung aller Menschen schien sich in mir zu vereinen.

Im März 2019 stieg ich in ein Flugzeug und flog nach San Francisco. Es war das erste Mal seit Jahren, dass ich eine Fernreise alleine antrat. Ich kam sehr spät im Regen am Flughafen an. Ich spürte, dass etwas passieren würde, was mein Leben verändern würde. Schon zwei Mal in meinem Leben hatte ich das gleiche Gefühl, als ich in die USA flog. Das erste Mal war es 1987, wo ich mit meiner Freundin nach New York reiste zu einem Freund der Familie und das zweite Mal, wo ich mein Studium in Boston begann im Jahr 1993. Diesmal war wieder so ein Moment in meinem Leben gewesen, wo ich losgelöst von meiner Familie einen neuen Weg alleine gehen sollte.

Nach dem ich eine Nacht in einem Hotel übernachtet hatte in San Francisco, fuhr ich am nächsten Morgen nach Bodega, in Richtung Norden, wo sich die Casari Ranch von Ariana Strozzi Mazzucchi befand. Ich hatte mich für einen fünftägigen Kurs angemeldet, um zu lernen, was für eine Kraft die Natur und die Pferde haben. Sie begleitet Menschen mit ihren Pferden bei der Reise zu ihren wirklichen Wünschen und Zielen im Leben. Nicht zu vermeintlichen Bestrebungen, sondern zu ihren authentischen Selbst. Ariana hat die Gabe und die Ruhe den Raum zu schaffen, um sich seinem eigenen körperlichen Sein bewusst sein zu werden. Sie unterrichtet seit über 30 Jahren und hat in der Zeit eine Coachingmethode entwickelt, die sie Equine Guided Somatics nennt. Ariana’s Methode unterrichtet sie in der von ihr gegründeten SKYHORSE. Ich wollte unbedingt erfahren und erlernen, wie Horses Healing Humans mein Leben verändern könnte.

Diese eine Woche im März 2019 hat mein Leben umgekrempelt. Ich habe mich so frei fühlen dürfen mit den Pferden, wie schon so lange nicht mehr in meinem Leben. Sie haben mir gezeigt, was ICH möchte und nicht das System, in dem ich lebe. Nicht nur meine eigene Lebensgeschichte wurde mir bewusst, sondern auch die Erlebnisse mit den anderen Teilnehmern und ihren Begegnungen mit den Tieren hatte eine magische Wirkung auf mich. Den stärksten Eindruck machte ein Erlebnis auf mich mit einer Teilnehmerin, mit der ich das Zimmer teilte. Sie hatte eine Nacht einen sehr schlimmen Albtraum, der sie sehr beschäftigte. Sie erzählte ihre Erlebnisse mir und anschließend der ganzen Gruppe. Sie war mitgenommen und konnte sich von dem Erlebten kaum lösen. Ein Raum, den Ariana geschaffen hat für ihr Coaching ist der Roundpen. Es ist ein runder Kreis, indem die Teilnehmer einzeln eingeladen werden mit einem Pferd zusammen zu treffen. Ariana ist außerhalb des Kreises und nur das ausgewählte Pferd und die Person sind zusammen im demselben Raum. Meine Bettnachbarin ging mit ihrem Albtraum in den Roundpen an diesem Tag. Was dann geschah änderte mein Leben. Ich konnte beobachten wie sich das Pferd und die Frau gegenüberstanden. Bewegt von ihren nächtlichen Erlebnissen fing sie wieder davon zu erzählen. Irgendwann fing sie an ihren Bauch zu reiben und auf die Knie zu gehen. Das Pferd ging synchron mit der Frau zu Boden. Die Erzählungen gingen immer weiter und irgendwann lagen sich Pferd und Frau gegenüber. Es sah so aus, als ob sie eingeschlafen waren. Die Frau wirkte sehr entspannt und ruhig. Da passierte das faszinierendste, was ich je erlebt habe, das Pferd fing an mit den Augen zu drehen im Schlaf. Es schien, als ob es alle Kraft des Traumes verarbeitete und der Teilnehmerin verhalf Ihre Erfahrungen zu verarbeiten. Gefühlt nach einer Ewigkeit, standen beide wieder auf. Sie schüttelten sich und es wirkte, als ob alle die Erlebnisse der letzten Nacht von der Frau gewichen waren. Dieses Erfahrung war so beeindruckend für mich.

Ich musste zurück zur Casari Ranch und mehr lernen und erfahren, wie die Pferde Menschen heilen. Im Oktober desselben Jahres kehrte ich zurück nach Bodega, um meine Ausbildung zum Equine Guided Coach zu vervollständigen. Die Erfahrungen, die ich in diesem Jahr machen durfte führten zu vielen weiteren Erkenntnissen, die sich in den verschiedensten Aus- und Weiterbildungen in den folgenden zwei Jahren vertiefte. Ich habe mich in Integrativer Psychotherapie, Kollektiven Trauma, EMDR Coaching, IFS Coaching und Expressive Art Therapie weitegerbildet.

Im Sommer 2021 konnte ich alle meinen Erfahrungen zusammenbringen und ich unterrichtete in Deutschland den ersten Ausbildungskurs von Ariana Strozzi Mazzucchi. Das war für mich eine große Ehre.

Dieses Buch ist ein Dank an Ariana Strozzi Mazzucchi für Ihre außerordentliche Arbeit! Arianas Vertrauen an mich, dass ich Ihre Arbeit im deutschsprachigen Raum weitergeben kann, ist ein großes Geschenk.

RILANA VORDERWÜLBECKE

EINFÜHRUNG

Willkommen auf dem neuen und aufregenden Feld der Einbindung von Pferden in die Entwicklung des Menschen, in sein Wachsen und Lernen. Ich nenne es neu, denn es bleibt noch viel darüber zu lernen, welche immensen Möglichkeiten Pferde dem menschlichen Bewusstsein und der menschlichen Heilung zu bieten haben. Dieses Feld, das sich vehement entwickelt, bezeichne ich als Equine Guided Education – EGE. Falls du für die Beziehung zwischen Pferd und Mensch eine andere Bezeichnung verwendest, setze sie dort ein, wo ich von EGE spreche. Die Prinzipien in diesem Buch gelten grundsätzlich für alle Formen dieser Art von Arbeit.

In den ersten Kapiteln erläutere ich, warum ich mich für den Begriff Equine Guided Education entschieden habe und berichte von den Anfängen. Seit Ende der 1980er Jahre habe ich auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet, es erschlossen und beobachtet, wie sich dort eine neue Auseinandersetzung über menschliches Wachsen und Lernen Bahn brach. Ich bin Pferdefrau, Zoologin und Unternehmerin. Die Pferde lehrten mich, meine Leidenschaften miteinander in Einklang zu bringen. Sie halfen mir, die zu werden, die ich bin. Seit Mitte der 1990er Jahre unterrichte ich andere Fachleute in EGE und arbeite mit den unterschiedlichsten Menschen, darunter Führungskräfte, Coachs, Therapeuten, Heiler, Schamanen, Pferdesportler und Jugendliche.

Dieses Buch wendet sich nicht nur an meine Student*innen, sondern versteht sich als Grundlage für alle, die sich für Berufe im Bereich „Das Pferd als Heiler / Lehrer“ interessieren oder bereits dort tätig sind. Die Prinzipien nützen auch allen, die in Heilkunde und Naturerziehung arbeiten. Viele meiner Student*innen nutzen EGE Prinzipien, auch wenn sie keine Pferde einbeziehen. Wie du in diesem Buch erfahren wirst, sind Pferde ein wesentlicher Teil des Prozesses. Die Natur und ihre zahlreichen Boten spielen jedoch generell eine entscheidende Rolle für Gesundheit und Heilung.

Mich selbst hat EGE zutiefst bewegt, sehr inspiriert und außerordentlich verändert. Ich habe an zahlreichen Programmen für Selbstentfaltung, Leadership und Entrepreneurship teilgenommen. EGE übertrifft sie alle. Bei EGE kommt es zu einem unmittelbaren Feedback. Die Bereitschaft einer Person, dieses Feedback anzunehmen, ist erstaunlich, und die daraus resultierende Verflechtung von Einsicht und Lernen substantieller als alles, was ich je erlebt habe. Zu meinen essenziellen Offenbarungen kam es immer in Gegenwart von Pferden.

Sei es, dass wir etwas über uns selbst lernen, Veränderungen in unserem Leben durchlaufen, uns wieder mit unserer Leidenschaft verbinden, an Selbstvertrauen und Beherztheit gewinnen – Pferde sagen uns die Wahrheit über das, was in unserer inneren Landschaft vor sich geht. Sie halten uns dazu an, authentisch zu sein und den Mut zu haben, wahrhaft zu leben. Pferde sind magisch und geheimnisvoll, intuitiv und sinnlich, ernst und verspielt, strikt und geduldig. Ich glaube, dass es sich, seit wir unsere Ausbildung in geschlossene Räume verlagert haben, bei EGE um genau die Komponente handelt, die in unseren veralteten Erziehungs- und Lernmodellen gefehlt hat, von der Vorschule bis hin zum Training für Führungskräfte.

EGE kommt auf vielfältige Weise in der Heilkunde zur Anwendung und wird derzeit ins Coaching, in Psychotherapien, in die Krebsheilung, die Rehabilitation bei Suchterkrankungen, die Behandlung Posttraumatischer Belastungsstörungen, die Hospizarbeit und zahlreiche andere therapeutische Verfahren einbezogen.

Mit diesem Buch will ich einen Überblick über die Bestandteile geben, die EGE ausmachen. Natürlich kann man durch die Lektüre eines Buches nichts über die praktische Umsetzung lernen. Ich hoffe aber, dass es ein Grundwissen vermittelt und dir als Ressource auf deinem Weg zur EGE Expertin bzw. zum EGE Experten von Nutzen ist. Die Prinzipien zählen zu denen, die wir vertieft im SkyHorseEGE™ Zertifizierungsprogramm unterrichten.

Den Anfang machen einige Kapitel zur Geschichte von EGE – zur Entwicklung vom Horsemanship zur Equine Guided Education. Ich denke über die Motive nach, aus denen viele Fachleute bei ihrem ersten Kontakt mit mir sagen: „Ich fühle mich zu Pferden hingezogen.“

Die nächsten Kapitel beleuchten die universellen Prinzipien des EGE Prozesses, beinhalten Reflexionen zum Pferd als Guide, zur Rolle der Vermittler*innen, zu den verschiedenen Phasen des Veränderungsprozesses, zu den Prinzipien der Selbstentfaltung, zu Vermittlungsfähigkeiten und -konzepten, zu Ängsten und Bedenken als Hemmfaktoren der Veränderung, zu nichtlinearem somatischem Lernen und zur Natur selbst.

Dieses Buch ergänzt meine Publikationen Horse Sense for the Leader Within und Planning Your Business in the Horse as Healer / Teacher Professions, ebenso wie meine DVD Intuitive Horsemanship, um spezifischere Themen, die weit in den eigentlichen EGE Prozess hineinreichen. Horse Sense for the Leader Within setzt sich mit allgemeingültigen Prinzipien von EGE und den biologischen und instinkthaften Ähnlichkeiten zwischen Pferden und Menschen auseinander. Planning Your Business in the Horse as Healer / Teacher Professions bietet Hilfestellung bei der Entwicklung eines eigenen EGE Angebots, Überlegungen zu Pferden, Standorten und finanziellen Aspekten. Die DVD zeigt einige Modelle der energetischen Arbeit mit Pferden aus der Perspektive des Horsemanship.

In diesem Buch spreche ich von Klient*innen und Teilnehmer*innen. Arbeitet ein EGE Profi mit einer Einzelperson, scheint mir die Bezeichnung Klient*in angebracht. Handelt es sich um das Lernen in der Gruppe, halte ich den Terminus Teilnehmer*in eher für treffend. Übernimm diese Bezeichnungen so, wie es deiner Aktivität entspricht.

Das Kapitel „Informationsverarbeitung, Verhaltensgenerierung und das menschliche Gehirn“ wurde von Janet Crawford verfasst. Janet, Wissenschaftlerin und Expertin für die Fortbildung von Führungskräften, hat 2010 an einem EGE Leadership Programm teilgenommen. Sie ist eine Pionierin in der Anwendung von Erkenntnissen der Neurobiologie auf Menschenführung und Unternehmenskultur. Daher bat ich sie, Lernenden unter neurobiologischen Aspekten zu beschreiben, wie der EGE Prozess funktioniert. Während viele Fachleute das Bedürfnis haben, diese Art der Arbeit wissenschaftlich zu verankern, habe ich selbst schon früh festgestellt, dass es mir nicht so ging. Ich konnte die Wirkungsweise von EGE Tausende von Malen beobachten und brauchte keinen Beweis für ihre Fundiertheit. Die beiden letzten Kapitel des Buches stammen von Kansas Carradine und Hallie Bigliardi, meinen erfahrensten SkyHorseEGE™ Ausbilderinnen. Sie steuern aus ihrer Praxis Inhalte bei, die sie an angehende EGE Vermittler*innen weitergeben wollen.

Ich genieße es sehr, heute an einem Punkt zu stehen, von dem aus ich beobachten kann, wie die Saat aufgeht, die ich gesät habe, wie aus einem soliden Wurzelsystem immer neue Blüten und andere Farben entstehen. Ich freue mich, diese umfassende Arbeit mit Menschen teilen zu können, um unsere Beziehungen mit uns selbst, mit unseren Gemeinschaften und mit unserer Großen Mutter zu heilen.

EQUINE GUIDED EDUCATION

EQUINE GUIDED EDUCATION

Pferde gelten als archetypisches Symbol der menschlichen Psyche. Sie repräsentieren Würde, Ehre, Schönheit, Kraft, Stärke und Ausdauer. Seit Tausenden von Jahren ging es beim Training des Pferdes um den Aufbau einer aus Gleichgewicht und Einheit bestehenden Partnerschaft. Cowboys, amerikanische Ureinwohner, keltische Krieger und spanische Eroberer verließen sich auf ihre Pferde. Zu allen Zeiten liebten die Menschen die Pferde und betrachteten sie als Familienmitglieder.

Noch vor kaum hundert Jahren waren Pferde unsere Transportmittel, unterstützten uns in der Landwirtschaft, verrichteten körperliche Schwerstarbeit und waren unsere Partner im Krieg. Gestern bestand unser Stolz darin, Pferde für Show und Sport zu trainieren. Heute sind Pferde unsere Lehrer und Heiler. Sie helfen uns, uns wieder mit dem zu verbinden, was in unserem Leben von Bedeutung ist. Sie stehen uns bei der Neuausrichtung von Körper, Seele und Geist zur Seite, damit wir in Harmonie und Ganzheit den Weg in die Zukunft gehen können.

Die einzigartige Fähigkeit der Pferde, uns zuzuhören und in besonders vertraulichen Momenten sogar zu uns zu sprechen, hat sich seit Beginn unserer Beziehung mit ihnen erwiesen. In der Natur gibt es diese Form von Magie. Bäume, Pflanzen, Tiere, Felsen, selbst Witterungen beeinflussen unsere Empfindungen und Vorstellungen.

Unabhängig davon, wo und wann alles einmal begann, lässt sich sagen, dass der neue Ansatz der Pferde als Heiler / Lehrer als ein professionelles Verfahren in den späten 1980er Jahren aufkam und seitdem eine tragfähige Form für menschliche Entwicklung und Ausbildung geworden ist.

Equine Guided Education fördert menschliche Entfaltung, menschliches Wachsen und Lernen durch den Blick des Pferdes. Formulierungen wie „Magie des Pferdes“, „Pferdeverstand“ und „Blick des Pferdes“ versinnbildlichen die natürlichen Möglichkeiten eines Miteinanders von Mensch und Pferd. Der Ausdruck magisch – in der Lage sein, das Bewusstsein nach Belieben zu verändern – verweist auf einen wesentlichen Aspekt von EGE und wird in diesem Buch noch ausführlich zur Sprache kommen.

Viele Menschen spüren etwas wie „Magie“, wenn sie mit Pferden zusammen sind. Dies kann ein Gefühl der Leichtigkeit des Seins oder der geistigen Freiheit sein: ein Ort ohne Anfang und Ende. Magie ist eine Erfahrung von Möglichkeit und Gleichzeitigkeit, wo geschehen kann, was will. Alles ist vorstellbar.

„Pferdeverstand“ lässt sich gleichsetzen mit gesundem Menschenverstand, einer einstmals natürlichen Eigenschaft, die seit der Erfindung der Elektrizität, der Maschinen und automatischen Transportmittel mit alarmierender Geschwindigkeit verloren geht. Menschen, die in städtischen Räumen leben, werden von elektrischen und mechanischen Impulsen in ihren Wohnungen und Büros, auf den Straßen und in ihrer täglichen Umgebung bombardiert. In solch einer extrem überreizten Umwelt permanent sämtliche Sinne zum Einsatz bringen zu müssen, trägt auch zu einem dramatischen Anstieg von Defizitsyndromen, Autismus und ähnlichen Erscheinungen bei.

Die Gegenwart von Pferden fördert unser sinnliches Bewusstsein, verschafft uns Zugang zu mehr als unserem Geruchssinn und unserem Sehen. Wir erweitern unsere gesamte Aufmerksamkeit, unser Gefühl dafür, am Leben zu sein, unseren Körper zu spüren – unsere animalische Erfahrung. Mit ihrer Gegenwart erinnern uns Pferde daran, dass wir intuitive und natürliche Fähigkeiten besitzen, unsere Umwelt zu spüren und auf sie zu reagieren. Das Wissen, dass wir über eine innere Weisheit verfügen, die kein rationales Verstehen benötigt, führt zu Erleichterung. Im Laufe der Zeit und mit wachsender Erfahrung gelingt es uns, ein Gefühl für Ursachen und Wirkungen in unseren Beziehungen mit anderen Menschen und unserer Umgebung zu entwickeln. Sind wir in der Gesellschaft von Pferden, befinden wir uns normalerweise in einem natürlicheren Lebensraum mit weniger elektrischen, elektronischen und mechanischen Einflüssen, reich an Gerüchen und kinästhetischen Reizen, die unseren menschlichen Verstand erweitern.

Der „Blick des Pferdes“ steht für das Portal zu unserer inneren Landschaft, einer Spiegelung unserer selbst. Hier liegt ein entscheidender Aspekt von EGE. Die Menschen fühlen sich vom Pferd gesehen. Sie spüren, dass das Pferd in sie hineinschaut. Sie wissen, dass das Pferd ihnen zuhört. Der Blick in das Auge des Pferdes ist, als würde einem etwas in die Seele schauen. Woraus ein Gefühl resultiert, als habe man einen Freund gefunden, eine Liebe. Indem sie sich vom Pferd wahrhaftig gesehen fühlen, fühlen sich die EGE Teilnehmer*innen von ihm auch akzeptiert, etwas, das sie seitens anderer Menschen häufig vermissen. Dies kann die Bereitschaft steigern, den eigenen tieferen Empfindungen und Wünschen gegenüber wirklich authentisch und aufrichtig zu sein.

Equine Guided Education, ein magischer und tiefgründiger, mysteriöser und transformativer Prozess, ist nicht so einfach zu beschreiben. Es lässt sich leicht sagen: „Du musst es sehen, um es zu glauben.“ Wir bemühen uns immer noch um eine klare Darstellung all der diesem Prozess immanenten Möglichkeiten. Von denen es weit mehr gibt, als man denkt. Dieses Buch unternimmt den Versuch, sie zu verdeutlichen.

Grundsätzlich integriert EGE die Beziehung mit Pferden, die kinästhetische Erfahrung und die kognitive Reflexion in verschiedene Prozesse der Selbstentfaltung. Das primäre Ziel besteht in der Entwicklung von Selbstverantwortung, einem gesunden Selbstverständnis und angemessenen sozialen Kompetenzen und Beziehungsfähigkeiten. EGE ist Bestandteil einer Vielzahl von Lernmethoden, kommt zum Einsatz in Psychotherapie, Coaching, ganzheitlicher Heilkunde, Schamanismus, Reitkunst, Menschenführung und Teambildung, wird u.a. in Projekte für gefährdete Jugendliche und in Rehabilitationsprogramme integriert.

Das Pferd als Spiegel der Seele ist die eine unschlagbare Komponente. Hinzu kommt das dem Menschen innewohnende Gefühl, mit dem Pferd verbunden zu sein, woran sich seine Bereitschaft knüpft, das, was das Pferd ihm widerspiegelt, auch anzunehmen. Selbst Menschen, die vor Pferden Angst haben, werden bei EGE den entscheidenden Schritt auf sie zu tun, um von ihnen zu lernen.

Sind Pferde bei Beratungs- oder Therapiesessions anwesend, lassen sich die Kernthemen bzw. -probleme einer ratsuchenden Person nach Kurzem erkennen, im Gegensatz zur durchschnittlichen Zeitspanne von etwa sechs Monaten, die unsere herkömmlichen Gesprächsmodelle erfordern, um an die tieferen Probleme zu gelangen.

Pferde helfen den Menschen, zu ihrer wahren Natur als friedliche, soziale Wesen zurückzufinden. Das höchste Ziel von EGE ist, in Frieden und Harmonie zu leben – mit unseren Mitmenschen, mit Tieren und Pflanzen, Erde und Himmel. Das allerhöchste Ziel besteht darin, unsere Beziehung zu unserer Großen Mutter neu auszurichten und uns für einen nachhaltigen, zukunftsfähigen Lebensstil einzusetzen, der alle Geschöpfe dieser Erde respektiert.

VOR EQUINE GUIDED EDUCATION

Equine Guided Education gibt es wahrscheinlich schon, seit Pferde sich in frühen indigenen Kulturen mit Menschen angefreundet haben. Man braucht sich nur vorzustellen, wie Wildpferde in der Nähe von Siedlungen grasten, zur Feuerstelle kamen oder um Leckerbissen baten. Es muss ganz natürlich gewesen sein, als der erste Mensch – bestimmt ein Kind – beschloss, sich auf ein ruhendes Pferd zu setzen. Manches Mal, wenn ein Pferd sich neben mir ausstreckt, hat mich schon die unbändige Lust überfallen, aufzusitzen, als ein einziges Wesen auf unsere vier Beine zu kommen und zusammen loszureiten.

Jeder erfahrene Pferdemensch hat eine Geschichte parat, in der ein Pferd zu ihm oder ihr sprach. Das geschah meist in einer Zeit, in der sich Sorgen, Ängste oder Träume Bahn brachen und das Pferd magisch darauf antwortete, als wüsste es genau, worum es sich handelte. Bis vor Kurzem behielt man diese Geschichten aber am besten noch für sich und erzählte sie nur, wenn man das Gegenüber für verrückt genug hielt, an diese magischen Fügungen zu glauben. Die besten Pferdeleute können alle eine Geschichte von einem Pferd erzählen, das ihr Leben verändert hat, ein Pferd, das sie dazu zwang, alles zu vergessen, was sie zu wissen glaubten, das ihnen beibrachte, mit geschärften Sinnen wahrzunehmen und zuzuhören. In dieser nicht greifbaren Welt beginnt EGE. Ein Pferd verändert eine Person zum Besseren. Es öffnet ihren Geist, hilft ihr zu erkennen, dass alles, was sie ist und sein will, wirklich möglich ist. Sie muss nichts anderes tun, als sich selbst zu erlauben, für neue Perspektiven offen zu sein.

Das Pferd fordert uns zu innerer Vervollständigung auf. Es bittet uns, unseren Stern leuchten zu lassen und das einzigartige Selbst zu sein, zu dem wir geboren wurden. Es verlangt von uns, mutig zu sein, unerschrocken, und das Risiko einzugehen, das, was wir wissen, für das aufzugeben, was wir uns vorstellen können. Es mahnt uns, wenn wir vergessen, stößt uns an, wenn wir uns fürchten, beharrt, wenn wir aufgeben wollen. Und wir Menschen werden uns der Lage gewachsen zeigen, wenn ein Pferd uns dazu auffordert.

Vorläufer von EGE fanden Wege, von der magischen Fähigkeit von Pferden zu erzählen, mit Menschen auf eine Art zu kommunizieren, wie es anderen Menschen nicht gelingt. Black Beauty, das Pferd, das in Buch und Film selbst zu Wort kommt – wie alle anderen Pferde auch –, geht über seine eigene Geschichte als Pferd hinaus und wird zu einer Repräsentation der universellen Dichotomie zwischen Beziehungen, die auf Liebe gründen, und solchen, die auf Zwang und Einschüchterung beruhen. Jeder Mensch kann sich in Black Beautys Geschichte wiederfinden.

Der Protagonist der Schwarzweiß-Fernsehkomödie Mister Ed aus den 1960er Jahren war ein sprechendes Pferd. Mister Ed wurde von einem Wallach dargestellt, einer Kreuzung zwischen Saddlebred und Arabischem Palomino. Das Büro von Wilbur, seinem Besitzer, einem Architekten, lag neben Mister Eds Stall. Der hörte von dort Wilburs Nöte und Sorgen mit an und kam ihm mit seinem Rat zu Hilfe. Es war völlig normal, dass Mister Ed mit Wilbur sprach und dass der auf ihn hörte. Für mich jedenfalls. Ich träumte davon, als Erwachsene auch solch ein Büro zu haben wie Wilbur. Erstaunlicherweise erreichte die Fernsehserie die Massen, nicht nur die Pferdebegeisterten. Aus welchem Grund? Warum konnte dieses verrückte Konzept über den Bildschirm flimmern? Ich glaube, es liegt daran, dass Menschen Gespräche mit Tieren und mit der Natur führen. Und ich glaube auch, dass sie dieses Phänomen in ihren kognitiven Landschaften oft nicht einmal bemerken. Es geschieht einfach. Gefühlsmäßig macht es Sinn.

Der Vorgänger von Mister Ed war Francis, ein sprechendes Maultier, das in sieben Filmkomödien aus den 1950er Jahre zu sehen war. Francis sprach für gewöhnlich nur mit seinem Besitzer Peter Stirling, einem jungen Soldaten, was für eine ziemlich dynamische Handlung sorgte, im militärischen wie im zivilen Leben. Man könnte also fast sagen, dass ich über das Fernsehen mit den Prinzipien von EGE groß wurde, obwohl EGE selbst noch nicht bekannt war.

Meine liebsten Kinderbücher wie etwa Blitz, der schwarze Hengst, Meine Freundin Flicka und Misty von Chincoteague erzählten Geschichten, wie ein Mensch, der wie ein Pferd wahrnahm und zuhörte, schließlich ein Pferd rettete, das jeder andere bereits aufgegeben hatte, und wie die beiden einander heilten. Jede Geschichte basiert auf den universellen Themen von Liebe, Vergebung und Akzeptanz, etwas, wonach sich jeder Mensch sehnt. Diese Geschichten, mit denen viele von uns aufwuchsen, waren wie Wegweiser, die darauf hindeuteten, dass es in Gegenwart von Pferden zu bedeutenden Veränderungen kommen kann.

Tom Dorrance publizierte 1987 das hinreißende Buch True Unity, in dem er offen über Seele, Körper, Geist des Pferdes spricht. Er bestärkte auch die grundlegende EGE Auffassung, nach der das Pferd den Menschen spiegelt, vor allem seine inneren und geistigen Belange.

Dorrance wuchs mit Pferden auf und galt als zurückhaltender Mann. Er inspirierte jedoch nicht allein die Revolution im natürlichen Horsemanship, er öffnete auch der Einsicht die Tore, dass es sich bei der Arbeit mit Pferden letztlich um die Arbeit am Selbst handelt. In der folgenden Passage deutet sich seine weitverzweigte Philosophie an:

Es gibt so viele Unterschiede zwischen den einzelnen Menschen, dass die Herangehensweise immer ein wenig variieren muss, um zu der jeweiligen Person zu passen. Jemand mag die gleichen Ergebnisse erzielen wie ein anderer, aber wenn es jeder auf die gleiche Weise versuchte, würde es nur bei wenigen zum gleichen Resultat führen. Es handelt sich um einen individuellen Prozess. Das sage ich den Leuten wieder und wieder, wenn sie sich bemühen, etwas für sich zu klären. Ich sage: „Ich kann nur versuchen zu helfen.“ Es muss direkt aus dem Inneren eines Menschen kommen. Ich kenne keinen anderen Weg. Die Leute sagen oft: „Das ist unergründlich, ich weiß, was du meinst, aber ich verstehe es nicht…“

Am wichtigsten für das Pferd und mich ist die Kommunikation zwischen uns. Hierauf musste ich sehr viel Nachdenken verwenden. Ich habe Pferde beobachtet, wenn sie frei für sich oder frei in einer Gruppe waren; ob sie nun zahm oder wild aufgewachsen sind, ihre Natürlichkeit kommt zum Vorschein. Und die genaue Beobachtung ihrer Aktionen und Reaktionen hat mir geholfen zu verstehen, wie ich sein muss, damit die Pferde auf das antworten, was ich von ihnen verlange. Ich glaube, das ist wahre Natur. Es handelt sich um etwas, das ich in mir selbst entwickeln musste, für mich selbst, allein. Die „wahre Einheit und willige Kommunikation“ zwischen dem Pferd und mir ist nichts, was an jemand anderen weitergegeben werden kann. Sie muss gelernt werden, sie muss aus dem Inneren einer Person und aus dem Inneren eines Pferdes kommen. Seele, Körper, Geist.

Im Alter zog sich Dorrance aus dem Rampenlicht zurück. Er mochte die Kommerzialisierung des Horsemanship nicht, die Anfang der 1990er Jahre mit Unterstützung einiger seiner besten Schüler in die Pferdewelt Einzug hielt.

Ray Hunt konzentrierte sich wesentlich auf die Konzepte des Natural Horsemanship. Er begegnete Tom Dorrance 1961 und studierte dessen Philosophie so lange, bis sie zu seiner eigenen wurde. Sie fand ihren Niederschlag in seinem Buch Think Harmony with Horses: An In-depth Study of Horse / Man Relationship.

Ray Hunt quantifizierte oder formalisierte seinen Ansatz nicht, er spürte einfach, dass es um Gefühl ging. Jeder Schritt hing vom Pferd ab, von der Person und von der Situation. Ende der 1990er Jahre, nachdem ich bereits jahrelang EGE praktiziert hatte, nahm ich an einem seiner Horsemanship Kurse teil. Mich faszinierte der metaphorische Reichtum seiner Erklärungen. Er wollte den Menschen Bescheidenheit lehren, damit das Pferd auf mehr Respekt hoffen kann. Seine Worte schrieben sich in mich ein: „Durch den gesamten Körper hindurch, durch die Beine bis in die Füße.“ Das wiederholte er drei Tage lang. Ich wusste, was er meinte, fragte mich aber, ob auch andere wirklich begreifen würden, worauf er hinaus wollte.

Ray und Tom waren ihrer Zeit voraus. Visionäre und Wortführer, die Pferdemenschen den Weg wiesen, das Pferd als Spiegel unserer tieferen Absichten und unseres spirituellen Selbst zu akzeptieren. Ihre Botschaft ging weit über das Horsemanship hinaus, und es lohnt sich auch heute, ihr Vorgehen zu studieren.

Der folgende Auszug stammt aus einem Artikel, der in der buddhistischen Zeitschrift Shambhala Sun erschien. Die Autorin begleitete Ray Hunt, den sie als Cowboy-Legende bezeichnet, bei einem seiner Kurse und erforschte die buddhistischen Wurzeln seiner Arbeit mit Pferden:

Hunt wäre mit dieser Charakterisierung vielleicht nicht einverstanden gewesen, aber es gibt einige auffällige Parallelen zwischen der Art, wie er sich dem Pferdetraining nähert, und der, wie ein Buddhist auf das Leben zugeht: Geben, Disziplin, Großzügigkeit, Geduld, Mitgefühl, Stille, Geschicklichkeit, Weisheit, Harmonie.

Im Zentrum von Rays Unterricht stehen Lektionen über das Geben, über Disziplin und Achtsamkeit, über Mitempfinden, Ruhe, Konzentration und Einsicht, die buddhistischen Pāramitā, die transzendenten Tugenden, formuliert mit westlichen Worten. Wie hat ein ungehobelter Cowboy diese Dinge gelernt? Ray antwortet: „Das war nicht leicht. Ich habe nicht einfach an der Oberfläche gekratzt, und da war es dann. Ich habe gegraben und gegraben und mir die Haare gerauft. Aber ich bin es dem Pferd schuldig, so hart zu arbeiten, denn früher habe ich die Dinge auf die grobe Tour gemacht. Nicht aus Gemeinheit. Aus Ignoranz. Ich wusste nicht, dass es auch anders geht.“

Sally Swift schuf eine weitere Öffnung in Richtung Selbsterfahrung durch die Arbeit mit Pferden. 1985 schrieb sie das wegweisende Buch Centered Riding. Der Schwerpunkt liegt auf Übungen zu Körperbalance und Gleichgewicht sowie dem praktischen Training für ein inneres Bewusstsein von Pferd und Reiter. Dies schafft ein Verständnis dafür, wie sich Körpergefühl und Bewusstheit einer Person direkt auf das Pferd und die wechselseitige Beziehung zwischen Pferd und Mensch auswirken. Interessant ist, dass Sally Swift ihr Wissen und ihren Sinn für das Reiten aus der Körpermitte durch eine Aikido-Ausbildung bei George Leonard bezog.

Aikido hat auch mich beeinflusst. Ich habe viele Jahre lang bei George und meinem damaligen Ehemann Richard Strozzi Heckler gelernt. Meine Pferde trieben sich immer vor dem Aikido Dojo herum, den wir in einer alten Holzscheune am Rand ihres Geländes eingerichtet hatten. Durch die gläserne Schiebetür, die sich zur Koppel hin öffnete, schauten sie oft zu uns herein und beobachteten unser Treiben.

Noch bevor ich von Sallys Arbeit hörte, war mir bereits klar, dass ich die Prinzipien des Aikido, beispielsweise das Zentrieren des Chi und das Durchlässigsein, schon mein ganzes Leben lang mit Pferden umgesetzt hatte. Aikido gab mir eine Basis, um meine Ideen mit Menschen und Pferden weiter zu erforschen. 1989 begann ich, Pferde in den Coaching- und Selbstentfaltungsprozess einzubeziehen, Programme, die ich Leadership, Somatics and Horses™ und Somatic Horsemanship™ nannte – später wurden daraus Leadership & Horses™ und Intuitive Horsemanship™.

Ich brachte Aikido-Schüler*innen und Leadership-Studenten*innen zu den Pferden hinaus, um energetisches Bewusstsein zu trainieren, die Prinzipien der Zentrierung und der Verbindung mit der Energie einer anderen Person. Ich hatte nicht erwartet, dass jeder, egal mit welchem beruflichen oder intellektuellen Hintergrund, überrascht sagte: „Meine Güte, genau das passiert mir bei der Arbeit.“ Oder: „Genau das geschieht in meiner Partnerschaft.“ In dem Moment begriff ich, dass es EGE viel weiter ging, als ich anfangs gedacht hatte.

Linda Tellington-Jones, eine weitere talentierte Pferdefrau, machte in den 1970er Jahren die Erkenntnis publik, dass die Arbeit mit Pferden weit mehr ist als Reiten. Ihre TT.E.A.M.-Methode wurzelt in ihrer Philosophie, dass alle Lebewesen, Menschen wie Tiere, ein Spiegelbild des Göttlichen Ganzen sind. Ihr Tellington TTouch Training fördert Heilen und Kommunikation zur Unterstützung artübergreifender Verbindungen, es setzt auf Respekt gegenüber Körper, Emotion und Geist der Tiere und der mit ihnen in Beziehung stehenden Menschen. Lindas Techniken konzentrieren sich auf Berührung, Bewegung und Körpersprache, um auf Verhalten, Erfolg und Gesundheit einzuwirken. Ihre Arbeit trug entscheidend zu der Einsicht bei, dass wir unser Bewusstsein durch die Art erweitern können, wie wir uns mit Tieren verbinden.

Bis ich mit EGE begann, hatte ich noch nichts von Linda, Tom oder Sally gehört, weiß aber sicher, dass sie unser kollektives Unbewusstes beeinflusst haben. Ihre Schriften und Videos halten unentwegt für EGE bedeutsame Unterweisungen und Einsichten bereit. EGE zielt darauf, die Magie und die heilende Kraft der Pferde in unser tägliches Leben einzubringen – man muss aber kein Pferdemensch sein, man muss sich nicht einmal für Pferde interessieren, um zu starken Erkenntnissen zu kommen und von den Pferden zu lernen.

Ein oder zwei Jahre, nachdem ich begonnen hatte, mit EGE Prinzipien zu experimentieren, arbeitete Barbara Rector in Sierra Tucson, einem Therapie- und Rehabilitationszentrum zur Behandlung von Depressionen, beobachtete die Wirkung der Arbeit mit Pferden im therapeutischen Prozess und startete ihre „Adventures in Awareness“. Noch vor der Ausbreitung des Internets war das kollektive Unbewusste damit beschäftigt, den Pferden eine neue Rolle in die Realität zu träumen, jenseits der des Lasttiers.

1996 publizierte Monty Roberts sein Buch The Man Who Listens to Horses und hob das Konzept des Pferdeflüsterers ins Bewusstsein. Sein Buch konzentrierte sich noch auf die Kunst des Horsemanship selbst. Seine Auffassungen gewannen jedoch allmählich das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit. Der Film Der Pferdeflüsterer öffnete dann die Schleusen. Plötzlich war es für mich viel leichter, der Allgemeinheit meine Arbeit zu beschreiben und ihr verständlich zu machen, dass ich nicht verrückt war.

1997 schrieb ich an der ersten Auflage von Horse Sense for the Leader Within, bezweifelte aber zu jenem Zeitpunkt noch, dass die darin liegende Chance in ihrer Tragweite erkannt werden würde. In jedem Fall wollte ich mich mit meinem Buch ebenso an Pferdesportler wie an Führungskräfte wenden. Adele und Marlena McCormick machten sich nicht so viele Sorgen und präsentierten 1997 ihr Buch Horse Sense and the Human Heart. Ich war erleichtert. Anscheinend war ich doch nicht ganz so schräg.

Linda Kohanov, eine großartige Autorin, veröffentlichte 2001 mit The TAO of Equus ihren ersten großen Beitrag zu diesem Gebiet. 2003 folgte Riding Between the Worlds.

Die Vereinigungen EAGALA Equine Assisted Growth & Learning Association und EFMHA Equine Facilitated Mental Health Association wurden einer breiteren Öffentlichkeit bereits um 1999 bekannt. Beider Schwerpunkt liegt darauf, Pferde in Therapie- und Behandlungsmodelle einzubeziehen. Zum ersten Mal stellte ich mir ausdrücklich die Frage: „Welche Rolle übernimmt das Pferd im menschlichen Lern- und Entwicklungsprozess?“ In meinen Augen unterstützt oder vermittelt das Pferd den Prozess nicht einfach, sondern es ist der Prozess. Nach und nach brachte ich Freund*innen und Kolleg*innen zusammen, um uns gemeinsam darüber auseinanderzusetzen, worum es in diesem Bereich wirklich geht. Menschen schrieben mir, riefen mich an und schlugen mir vor, einen Verband zu gründen, der auch Fachleute aus anderen Gebieten einbeziehen würde, beispielsweise aus der Psychiatrie. Da ich mir im Coaching und Training von Führungskräften einen Namen gemacht hatte, betrachteten sie mich eindeutig als die Initiatorin. Auch wenn ich zunächst noch ein wenig zögerlich war, hatte damit doch der Versuch begonnen, dieses Arbeitsfeld zu definieren und genauer zu beschreiben.

ZUR DEFINITION VON EQUINE GUIDED EDUCATION

Wo anfangen? Um 2008 kursierten mehr als vierzig Abkürzungen zur Charakterisierung der verschiedensten Methoden, Pferde in den Prozess menschlicher Entfaltung einzubeziehen. Viele von ihnen sind Ableger der drei ursprünglichen und bekanntesten Akronyme, die in den 1990er Jahren entstanden waren: EGE Equine Guided Education, EAP Equine Assisted Psycotherapy und EFP Equine Facilitated Psychotherapy. Im Kapitel „Wie man nennt, was man tut“ meines Buches Planning Your Business in the Horse as Healer / Teacher Professions verfolge ich sie genauer zu ihren Ursprungsorten und Ausgangspunkten zurück.

Faktisch nutzen alle diese Akronyme eines der folgenden vier Adjektive, um die Rolle des Pferdes in dem Prozess zu beschreiben: unterstützt, geführt, erfahrungsbezogen, vermittelt. In den Akronymen stecken auch die Ausdrücke „Horse“ oder „Equine“. Betrachtet man die verschiedenen Definitionen dessen, was das Pferd tut, erweist sich die Bezeichnung „Guide“ meiner Meinung nach als die beste, da das Pferd weit mehr leistet, als den Lernprozess zu unterstützen oder zu vermitteln. Wenn uns das Pferd bittet, hier oder dort aufmerksam zu sein, kann ich mir keine Situation vorstellen, in der wir uns als Prozessvermittler*innen nicht seiner Führung anvertrauen würden.

Sich von Pferden in eine psycho-spirituelle Landschaft führen zu lassen, geht weit über ein Reiterlebnis oder eine Erfahrung im Horsemanship hinaus. Sind wir dazu bereit, führt uns das Pferd sogar in eine mythische Landschaft jenseits von Worten, in ein uns innewohnendes uraltes Reich des Bewusstseins.

Beharrlich gedrängt von der nächsten Generation von Ausbildern, Richtlinien für unser Arbeitsfeld zu definieren, holte ich verschiedene unabhängige Gruppen von Experten zusammen. Wir suchten nach den besten Begriffen, um den respektvollen Einsatz des Pferdes als Heiler / Lehrer auf dem Gebiet des menschlichen Wachsens und Lernens zu beschreiben. Dabei untersuchten wir folgende Ausdrücke:

Guide: Jemand, der uns in ein unbekanntes oder unerforschtes Gebiet führt.

Ausbilden: Mental oder moralisch entwickeln oder fördern; Synonyme unter anderen: trainieren, vorbereiten, schulen, kultivieren, zivilisieren.

Hervorbringen: Aus einem Menschen oder Ding etwas Potenzielles oder Verborgenes zum Vorschein bringen.

Erfahrungsbezogen: Abgeleitet aus Praxis oder Lebenserfahrung.

Erfahrung: Das wirkliche Durchleben eines Ereignisses; Art oder Ausmaß der Beschäftigung mit einer bestimmten Untersuchung oder Arbeit; Wissen, Fähigkeit oder technisches Können als Ergebnis einer bestimmten Untersuchung oder Arbeit; Summe der bewussten Ereignisse, die als beobachtete Fakten und Geschehnisse ein individuelles Leben ausmachen – im Gegensatz zu dem, was durch Denken geleistet wird.

Experimentelles Lernen: