Phytotherapie in Theorie und Praxis - Cornelia Stern - E-Book

Phytotherapie in Theorie und Praxis E-Book

Cornelia Stern

0,0

  • Herausgeber: AT Verlag
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Was macht eine Pflanze zur Heilpflanze? Und wie lässt sich ihr heilendes Potenzial erschliessen? Dieses umfangreiche Lehr- und Nachschlagewerk stellt die Grundlagen der Phytotherapie übersichtlich und wissenschaftlich fundiert dar. Die Autorinnen zeigen, wie Pflanzenwirkstoffe gewonnen und angewendet werden. Praxiserprobte Rezepte und Arzneimittelempfehlungen ergänzen die Kapitel zu den einzelnen Indikationen. Mindmaps vermitteln einen raschen Überblick und führen bei jeder Erkrankung schnell und sicher zur geeigneten Heilpflanze. Eindrucksvolle Bilder helfen beim Wiedererkennen der Pflanzen in der Natur. Das »Praxishandbuch Phytotherapie« bietet Laien einen gut verständlichen Einstieg in die Pflanzenheilkunde. Für Fachleute ist es ein unentbehrliches Werk zur Vertiefung und Erweiterung des phytotherapeutischen Wissens.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 1022

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cornelia Stern

Helga Ell-Beiser

PHYTOTHERAPIE in Theorie und Praxis

Wirkstoffe verstehen – Heilpflanzen sinnvoll nutzen

Mit 120 Pflanzenmonografien

Zur Beachtung

Die in diesem Buch aufgeführten Behandlungsmethoden können und sollen weder einen Arztbesuch noch die individuelle Beratung durch Heilpraktiker ersetzen. Die Einnahme der beschriebenen Heilmittel und Rezepturen sowie das Befolgen der Therapieempfehlungen geschieht auf eigene Verantwortung; bei Unklarheiten ist das Vorgehen unbedingt mit einer medizinischen Fachperson zu besprechen.

Sämtliche Informationen in diesem Buch sind nach bestem Wissen und Gewissen wiedergegeben; dennoch übernehmen weder die Autorinnen noch der Verlag die Haftung für Schäden jedweder Art, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch der hier vorgestellten Anwendungen ergeben könnten.

© 2022

AT Verlag AG, Aarau und München

Lektorat: Stefanie Teichert, Itzehoe

Organ- und Pflanzenillustrationen: Sara Eberhard, Zürich

Grafische Gestaltung: AT Verlag

Satz: Giorgio Chiappa, Zürich

Bildbearbeitung: Christian Spirig, bilderbub.ch

ISBN E-Book 978-3-03902-145-1

www.at-verlag.ch

Der AT Verlag wird vom Bundesamt für Kultur für die Jahre 2021–2024 unterstützt.

Inhaltsübersicht

Heilpflanzen sind unsere Leidenschaft

1. Teil: Einführung

1. Geschichte der Pflanzenheilkunde

2. Traditionelle Heilpflanzenkunde – Erfahrungsmedizin

3. Phytotherapie – rationale Heilpflanzenkunde

4. Heilpflanzenmonografien

5. Inhaltsstoffe von Heilpflanzen

6. Arzneilich verwendete Pflanzenteile

7. Pflanzliche Zubereitungen

8. Pflanzliche Präparate

9. Herstellung von Teemischungen – Rezeptieren

2. Teil: Indikationen nach Organsystemen

1. Darm

2. Magen

3. Leber, Gallenblase und Gallenwege

4. Atemwege

5. Harnwege und Prostata

6. Bewegungsapparat

7. Haut

8. Herz, Kreislaufund Blutgefäße

9. Nervensystem und Psyche

10. Entgiftung und Ausleitung

3. Teil: Heilpflanzenmonografien von A bis Z

Anhang

Umrechnungstabelle der Drogenmenge von Teelöffel in Gramm

Bezugsquellen

Literatur

Bildnachweis

Unser Dank

Die Autorinnen

Stichwortverzeichnis

Rezeptverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Heilpflanzen sind unsere Leidenschaft

1. Teil: Einführung

1. Geschichte der Pflanzenheilkunde

2. Traditionelle Heilpflanzenkunde – Erfahrungsmedizin

3. Phytotherapie – rationale Heilpflanzenkunde

3.1 Wichtige Wegbereiter der Phytotherapie

3.2 Definition der Phytotherapie

4. Heilpflanzenmonografien

4.1 Monografien der Kommission E

4.2 Monografien der European Scientific Cooperative in Phytotherapy (ESCOP)

4.3 Monografien des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC)

4.4 Monografien der World Health Organization (WHO)

5. Inhaltsstoffe von Heilpflanzen

5.1 Einleitung

5.2 Ätherische Öle

5.3 Alkaloide

5.4 Allantoin

5.5 Anthocyane

5.6 Anthranoide

5.7 Arbutin

5.8 Aucubin

5.9 Bitterstoffe

5.10 Carotinoide

5.11 Cumarine

5.12 Dicumarol

5.13 Furanocumarine

5.14 Fette Öle

5.15 Flavonoide

5.16 Gamma-Linolensäure

5.17 Gerbstoffe

5.18 Iridoide

5.19 Kieselsäuren

5.20 Phytosterole

5.21 Salicylate

5.22 Saponine

5.23 Schleimstoffe

5.24 Senfölglykoside (Glucosinolate)

6. Arzneilich verwendete Pflanzenteile

6.1 Wurzel – radix

6.2 Wurzelstock/Rhizom – rhizoma

6.3 Zwiebel – bulbus

6.4 Stängel – stipites

6.5 Rinde – cortex

6.6 Blatt – folium

6.7 Blüte – flos

6.8 Kraut – herba

6.9 Frucht – fructus

6.10 Samen – semen

7. Pflanzliche Zubereitungen

7.1 Frischpflanzenpresssaft

7.2 Destillate

7.3 Extrakte – Pflanzenauszüge

7.4 Trockenextrakte

7.5 Ölauszüge

8. Pflanzliche Präparate

8.1 Nahrungsergänzungsmittel

8.2 Registrierte, traditionelle Fertigarzneimittel

8.3 Zugelassene Fertigarzneimittel

9. Herstellung von Teemischungen – Rezeptieren

9.1 Komponenten von Teemischungen

9.2 Angaben auf Teerezepten

2. Teil: Indikationen nach Organsystemen

1. Darm

1.1 Anatomie und Physiologie

1.2 Darmerkrankungen

2. Magen

2.1 Anatomie und Physiologie

2.2 Magenbeschwerden und -erkrankungen

3. Leber, Gallenblase und Gallenwege

3.1 Anatomie und Physiologie

3.2 Beschwerden und Erkrankungen der Leber und der Gallenwege

4. Atemwege

4.1 Anatomie und Physiologie

4.2 Atemwegserkrankungen

5. Harnwege und Prostata

5.1 Anatomie und Physiologie des Harnapparats

5.2 Erkrankungen der Harnwege und der Prostata

6. Bewegungsapparat

6.1 Anatomie und Physiologie der Gelenke

6.2 Rheumatische Erkrankungen

7. Haut

7.1 Anatomie und Physiologie

7.2 Wunden und Hauterkrankungen

8. Herz, Kreislauf und Blutgefäße

8.1 Anatomie und Physiologie

8.2 Beschwerden und Erkrankungen des Herzens

8.3 Kreislauferkrankungen

8.4 Gefäßerkrankungen – arterielle und venöse Durchblutungsstörungen

9. Nervensystem und Psyche

9.1 Anatomie und Physiologie des Nervensystems

9.2 Erkrankungen des Nervensystems und der Psyche

10. Entgiftung und Ausleitung

10.1 Grundsätzliches zum Entgiften und zum Ausleiten

10.2 Indikationen

10.3 Heilpflanzen zum Entgiften und zum Ausleiten

10.4 Darreichungsformen

3. Teil: Heilpflanzenmonografien von A bis Z

Zum Aufbau der Monografien

Aloe

Andorn

Anis

Arnika

Artischocke

Baldrian

Bärentraube

Beifuß

Beinwell

Benediktenkraut

Berberitze

Birke

Bittersüßer Nachtschatten

Blutwurz

Borretsch

Brennnessel

Echte Brombeere

Brunnenkresse

Buchweizen

Cranberry

Efeu

Eibisch

Eiche

Erzengelwurz

Enzian

Erdrauch

Eukalyptus

Faulbaum

Fenchel

Fieberklee

Flohsamen-Wegerich

Frauenmantel

Gänseblümchen

Gänsefingerkraut

Ginkgo

Ginseng

Goldrute

Gundermann

Hauhechel

Heckenrose

Heidelbeere

Herzgespann

Heublumen

Hirtentäschel

Holunder

Hopfen

Huflattich

Ingwer

Isländisches Moos

Johanniskraut

Kalmus

Kamille

Kampferbaum

Kapland-Pelargonie

Kapuzinerkresse

Knoblauch

Königskerze

Kümmel

Kürbis

Kurkuma

Lavendel

Lein

Liebstöckel

Linde

Löwenzahn

Mädesüß

Mahonie

Malve

Mariendistel

Mäusedorn

Meerrettich

Melisse

Mistel

Mutterkraut

Nachtkerze

Nelkenwurz

Odermennig

Olivenbaum

Pappel

Passionsblume

Pestwurz

Pfefferminze

Pomeranze

Preiselbeere

Rhabarber

Ringelblume

Rosenwurz

Rosmarin

Rosskastanie

Sägepalme

Salbei

Sanddorn

Schachtelhalm

Schafgarbe

Schlüsselblume

Schöllkraut

Senna

Sonnenhut

Spitzwegerich

Steinklee

Stiefmütterchen

Storchschnabel

Süßholz

Taigawurzel

Tausendgüldenkraut

Teestrauch

Teufelskralle

Thymian

Wacholder

Walnussbaum

Wegwarte

Weide

Weidenröschen

Weihrauch

Rote Weinrebe

Weißdorn

Wermut

Zaubernuss

Zistrose

Zwiebel

Anhang

Umrechnungstabelle der Drogenmenge von Teelöffel in Gramm

Bezugsquellen

Literatur

Bildnachweis

Unser Dank

Die Autorinnen

Stichwortverzeichnis

Rezeptverzeichnis

Heilpflanzen sind unsere Leidenschaft

»Wo kann man das nachlesen?« – »Wo steht, mit welchem Alkoholgehalt ich die pflanzlichen Inhaltsstoffe am besten ausziehe?« – »Wo finde ich eine kurze Zusammenfassung der Anatomie und Physiologie des Menschen, um besser zu verstehen, wie die Heilpflanzen wirken?«

Diese und viele andere Fragen wurden uns in unserer langjährigen Lehr- und Dozententätigkeit zur Phytotherapie immer wieder gestellt. Wir kannten jedoch kein Buch, das all dies beantwortet. Das hat uns ermutigt, unser »Wunschbuch« selbst zu schreiben – trotz der schon vorhandenen umfangreichen Literatur zu den Heilpflanzen und zur Phytotherapie.

Unser Ziel war es, ein Lehr- und Nachschlagewerk zu schaffen, das auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft Interesse an Heilpflanzen weckt, umfassend in die Pflanzenheilkunde einführt und für Laien wie für medizinische Fachpersonen gleichermaßen als Praxishandbuch geeignet ist.

Neben anatomischen und physiologischen Grundlagen finden sich Mindmaps zu den Indikationen und Heilpflanzen sowie eine Fülle bewährter Rezepte zur Herstellung wirksamer Teemischungen, Tinkturen und Salben. Darüber hinaus sind in 120 Monografien die wichtigsten Heilpflanzen und deren Anwendungsmöglichkeiten dargestellt. Beschrieben sind hier unter anderem die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe und wie diese am besten extrahiert werden.

Denn mit Sorge beobachten wir schon länger, wie viele bewährte pflanzliche Fertigarzneimittel vom Markt verschwinden und nicht mehr zur Verfügung stehen. Daher ist es uns ein Herzensanliegen, aufzuzeigen, wie man den vielfältigen Schatz unserer heimischen Heilpflanzen sinnvoll und wirksam nutzen kann.

Mit den vielen großformatigen Pflanzenfotos möchten wir das Erkennen der Pflanzen in der Natur erleichtern. Wichtig ist es uns jedoch ebenso, die Schönheit der Heilpflanzen zu zeigen. Denn das Buch soll sowohl zum Lernen und Nachschlagen nützlich sein wie auch das Auge erfreuen. Wir sind überzeugt, dass Heilpflanzen nicht nur als Wirkstoffgemische verstanden, sondern achtsam als Lebewesen bestaunt werden möchten.

Und wenn Sie, liebe Leserin und lieber Leser, all dies auch so sehen, sind wir glücklich und unsere Arbeit hat sich gelohnt!

Cornelia Stern

Helga Ell-Beiser

1. TEIL:

EINFÜHRUNG

1. Geschichte der Pflanzenheilkunde

Eine Entwicklung der Menschheit ohne Heilpflanzen – wäre das vorstellbar? Wohl kaum! Synthetische Arzneimittel gibt es erst seit rund 200 Jahren, die ersten Hominiden haben ihre Spuren bereits vor zwei Millionen Jahren hinterlassen, und über diesen langen Zeitraum standen ausschließlich die Heilpflanzen als verlässliche und wirksame Helfer bei Krankheiten und Verletzungen zur Verfügung. Sie haben so entscheidend zum Überleben der Gattung Mensch beigetragen.

Woher wussten die ersten Menschen, welche Heilpflanzen zu nutzen sind, um ihren Leiden Linderung zu verschaffen oder Heilungsprozesse anzuregen? Wahrscheinlich waren in der Frühzeit neben der eigenen Intuition auch erkrankte oder verletzte Tiere ihre Lehrmeister – an ihnen lässt sich auch heute noch beobachten, welches Kraut wann hilft. Beispielsweise bei Kühen auf der Weide: Wenn der Sommer nass und kalt ist, fressen sie Mädesüß, das sie ansonsten nicht anrühren würden. Mädesüß ist eine Heilpflanze, die bei Erkältung eingesetzt wird. Oder an Vögeln, die bei Milbenbefall ihrer Nachkommen die Nester mit Lavendel bestücken.

Archäologische Funde lassen auf eine bereits sehr lange bestehende Nutzung von Pflanzen durch den Menschen schließen. So hat man in der Shanidar-Höhle auf heutigem irakischem Gebiet ein 60 000 Jahre altes Grab gefunden, ausgelegt mit Pflanzen im Blühstadium, die mittels Pollenanalyse bestimmt werden konnten. Man nimmt an, dass die insgesamt 28 verschiedenen Heilpflanzen als Grabbeigabe den Toten auf der Reise in die Anderswelt nähren, ihn vor Unheil und bösen Geistern beschützen und seine Krankheiten heilen sollten.

Aus altägyptischer Zeit stammt eine rund 3500 Jahre alte, 18 Meter lange Papyrusrolle, der Papyrus Ebers, in dem Beschreibungen von Heilpflanzenanwendungen zu finden sind. Auch die Gletschermumie »Ötzi« trug Heilpflanzen bei sich, und entsprechend lassen sich noch unzählige Belege für die uralte Verbindung zwischen Mensch und Heilpflanze finden.

Zudem wurde zwischen medizinischem Einsatz der Pflanzen und ihrer Verwendung als Nahrungsmittel zumeist nicht unterschieden, wie das bekannte Zitat »Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel, und eure Heilmittel eure Nahrungsmittel sein« zeigt, das fälschlicherweise dem griechischen Arzt Hippokrates (ca. 400 v. Chr.) zugeschrieben wird.

Sicher belegt ist, dass die meisten Heilkundigen mit Pflanzen geforscht haben. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang Dioskurides. Als griechischer Arzt diente er unter dem römischen Kaiser Nero und beschrieb im 1. Jahrhundert n. Chr. in seiner »De Materia medica« 813 Heilpflanzen und 4740 Anwendungen. Viele Überlieferungen aus der Antike, von den Griechen, den Römern und auch den Kelten, bezeugen den lange zurückreichenden Einsatz von Heilpflanzen.

Ein hervorragender Gelehrter war auch der persische Arzt Avicenna (980–1037). Auf seine Schriften beriefen sich viele mittelalterliche Heilkundige. Sein medizinisches Handbuch »Canon medicinae« war 700 Jahre lang Grundlage für die medizinische Ausbildung in vielen Universitäten.

Auf altes Wissen zurückgreifend, erließ Kaiser Karl der Große 800 n. Chr. die Landgüterverordnung »Capitulare de villis«, vorrangig um seine Krongüter zu ordnen. Aber im 70. Kapitel werden hier 73 Nutz- und Heilpflanzen sowie 16 verschiedene Obstbäume genannt, die auf allen kaiserlichen Gütern angepflanzt werden sollten. Zur gleichen Zeit entstanden in zahlreichen Klöstern Gärten mit einer großen Vielfalt von Nutz- und Heilpflanzen. Weithin bekannt waren und sind der Klostergarten der Benediktinerabtei Lorsch und der Garten des Klosters auf der Insel Reichenau, dessen Abt Walahfrid Strabo das »Liber de cultura hortorum« über die Pflege der Gärten schrieb.

Nach wie vor schätzen viele Menschen die sogenannte »Hildegard-Medizin«. Sie geht zurück auf die Benediktineräbtissin Hildegard von Bingen (1098–1179), die das Wissen der Antike über Krankheiten und Pflanzen mit den Erkenntnissen der damaligen Volksheilkunde verbunden hat. Sie schrieb zwei bedeutende Werke zur Naturheilkunde, das »Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum« (Buch von den Geheimnissen der verschiedenen Naturen der Geschöpfe), das später unter dem Titel »Physica« gedruckt wurde, sowie das »Causae et curae« (Ursachen und Behandlungen) mit Beschreibungen von Krankheiten und ihrer Therapie. Der Überlieferung zufolge konnte sie ihr Wissen durch göttliche Eingebungen in tranceartigen Zuständen erweitern.

Im 16. Jahrhundert, dem Zeitalter der Renaissance, sind auch einige bedeutende Pflanzenforscher aufgetreten. Dazu gehören folgende:

Hieronymus Bock

(1498–1554), der auch als Arzt berühmt wurde, beschrieb auf vielen Reisen mitteleuropäische Heilpflanzen. Daraus entstand sein Hauptwerk »New Kreütter Buch«.

Pietro Andrea Mattioli

(1501–1577), Arzt und Botaniker in Italien, war ein ausgezeichneter Kenner und Übersetzer antiker Schriften, insbesondere von Dioskurides.

Leonhardt Fuchs

(1501–1566) lehrte als Mediziner und Pflanzenkundiger an der Universität Tübingen bis zu seinem Tod. Sein bekanntestes Werk ist das »New Kreuterbuch«. Dessen hervorstechende Qualität brachte ihm die Bezeichnung »Vater der Botanik« ein.

Jacobus Theodorus Tabernaemontanus

(1522–1590) hieß eigentlich Jakob Dietrich und war Arzt und Apotheker. Als Autor schrieb er mehrere Werke, unter anderem »Ein neuwes Artzney Buch« und »Neuw Kreuterbuch«, die auch für Laien verständlich waren.

Adamus Lonicerus

(1528–1586) hieß eigentlich Adam Lonitzer und war als naturforschender Arzt tätig. In seinem Hauptwerk »Kreuterbuch« hat er die Erkenntnisse und Abbildungen der naturheilkundlichen Schriften seiner Zeit verarbeitet und damit ein volkstümliches Heilpflanzenbuch geschaffen, das fast 250 Jahre lang immer wieder nachgedruckt wurde.

Unter den Medizinern und Naturforschern ragt Philippus Theophrastus Aureolus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus (1493–1541), hervor. Er war wohl einer der berühmtesten Ärzte dieser Zeit und gleichzeitig ein Revolutionär. Geltende Dogmen wie die Viersäftelehre von Hippokrates und Galen oder das Purgieren (der Einsatz von Abführmitteln) und den Aderlass lehnte er ab, seine Vorlesungen und Schriften waren entgegen dem allgemeinen akademischen Brauch nicht in lateinischer, sondern in deutscher Sprache verfasst. So kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit medizinischen Gelehrten an den Universitäten und mit diversen Gerichtsbarkeiten. Oft verjagt, führte er ein unstetes, durch viele Reisen gekennzeichnetes Leben. Ihm haben wir unser Wissen über die Medizin des einfachen Volkes, das meist weder schreiben noch lesen konnte, zu verdanken. Er war sich nicht zu schade dazu, die als Hebammen wirkenden weisen Frauen, die Bauern und die Alchemisten sowie die Fahrenden zu befragen und deren Wissen zusammen mit seinen Erkenntnissen aufzuschreiben. Daraus entstand die sogenannte »Paracelsus-Medizin«, eine medizinische Alchemie, die er Spagyrik nannte. Paracelsus »Sämtliche Werke« liegen auch in neuzeitlichem Deutsch vor, am bekanntesten ist die Übersetzung des Arztes Bernhard Aschner.

Mit der Entwicklung der Naturwissenschaften im 18. und 19. Jahrhundert insgesamt und den daraus hervorgehenden, zunehmend exakteren Forschungsinstrumenten und -geräten hat auch die Pflanzenkunde große Fortschritte gemacht. Einer ihrer wichtigsten Protagonisten war Carl von Linné (1707–1778), ein schwedischer Arzt und Forscher. Er brachte mit seiner neuen botanischen Systematik und Nomenklatur eine allgemeingültige und eindeutige Ordnung in die bisherige Uneinheitlichkeit der Pflanzenbenennungen. Damit schuf er eine wesentliche Grundlage für die wissenschaftliche Erforschung der Pflanzenwelt.

Tiefere Erkenntnisse über die rein naturwissenschaftliche Betrachtung hinaus verdanken wir Persönlichkeiten wie Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Dichter und Universalgelehrter, der auch viele seiner tiefgründigen Beobachtungen zur Natur niederschrieb. Hierzu gehören beispielsweise »Die Metamorphose der Pflanzen« oder seine »Farbenlehre«.

An Goethe knüpfte Rudolf Steiner (1861–1925) mit seiner Lehre und seinem Wirken an. Als Philosoph, Erkenntnistheoretiker, Forscher und Begründer der Anthroposophie verband er in seinen vielen Schriften und Vorträgen die naturwissenschaftliche mit der geistigen Welt, was einen neuen, spirituell geprägten und umfassenden Blick auf viele Bereiche ermöglichte, beispielsweise die Medizin, die Landwirtschaft oder die Pädagogik.

Zu den ungezählten pflanzenheilkundigen Praktikern mit Ausstrahlung über ihren unmittelbaren Wirkungskreis hinaus zählt außerdem Sebastian Kneipp (1821–1897), bayerischer Pfarrer und Naturheilkundler, der vor allem mit seinen Wasserkuren (Kneipp-Medizin) berühmt wurde. Aber auch die Phytotherapie, hauptsächlich in Form von Teezubereitungen, hat die verordneten Hydrotherapien begleitet.

Johann Künzle (1857–1945) gehört neben Kneipp zu den berühmtesten Kräuterpfarrern. Er lebte und wirkte in der Schweiz, handelte mit Kräutern und verfasste das »Große Kräuterheilbuch«, ein nach wie vor geschätzter Ratgeber für die Selbstmedikation.

Unser kurzer Blick in die Geschichte verweist auf die Grundlagen der Traditionellen Heilpflanzenkunde. Sie beruht auf dem Erfahrungswissen über die Heilpflanzen und ihre Wirkungen, also den überlieferten Beobachtungen, Forschungen und Erfahrungen ungezählter Generationen Heilpflanzenkundiger. Sie ist ein Kulturerbe und stellt ihre gesundheitsfördernde Wirkkraft tagtäglich unter Beweis.

2. Traditionelle Heilpflanzenkunde – Erfahrungsmedizin

Erfahrungen mit Heilpflanzen wie Kreuzkümmel und Weihrauch reichen zurück bis in die altägyptische Zeit, zu anderen Heilpflanzen wie dem Mutterkraut ist der Erfahrungshorizont deutlich kürzer. Wir müssen uns bewusst sein, dass die naturwissenschaftlichen Grundlagen, auf die wir uns in der Phytotherapie stützen, erst seit ungefähr 200 Jahren existieren. Erst im 19. Jahrhundert wurde es möglich, pflanzliche Inhaltsstoffe zu bestimmen und zu isolieren. Vorher waren es das überlieferte Wissen, die Naturverbundenheit, Beobachtungen der Tierwelt und nicht zuletzt auch die Signaturenlehre, die den Menschen geholfen haben, eine wirksame Heilpflanze richtig anzuwenden.

Sicherlich hat das Wissen um die Inhaltsstoffe uns vieles, was Heilpflanzen können, erklärt – dennoch ist es nur ein Teil des Ganzen. Denn Heilpflanzen sind Lebewesen, und ihre Wirkung entfaltet eine Pflanze mithilfe ihrer Inhaltsstoffe, aber eben auch mit ihrem Wesen. Heilsam können stoffliche, aber auch energetische Kräfte oder eine Kombination aus beidem sein. So wusste bereits Aristoteles (384–322 v. Chr.): »Das Ganze ist mehr als die Summe aller Teile.«

Ähnliche Gedanken findet man bei Johann Wolfgang von Goethe beispielsweise im »Faust«, wo er sich mit diesen Versen kritisch über die Vorgehensweise der sich entwickelnden Naturwissenschaft äußert:

»Wer will was Lebendiges erkennen

und beschreiben,

sucht erst den Geist herauszutreiben,

dann hat er die Teile in seiner Hand,

fehlt leider! nur das geistige Band.«

Pflanzen sind als Lebewesen ein Ganzes – und auch wenn das wissenschaftliche Denken und Handeln in der heutigen Zeit unabdingbar und sinnvoll sind, dürfen wir nie vergessen, dass unsere Heilpflanzen Wesen sind, denen wir mit Demut und Achtsamkeit begegnen sollten!

3. Phytotherapie – rationale Heilpflanzenkunde

3.1 Wichtige Wegbereiter der Phytotherapie

Phytotherapie ist eine medizinische Therapie, die Heilpflanzen und deren Extrakte anwendet und auf wissenschaftlichen, rationalen Grundlagen basiert. Der Begriff »Phytotherapie« wurde von Henri Leclerc (1870–1955) eingeführt und sollte die naturwissenschaftlich begründete Therapie von der Traditionellen Heilpflanzenkunde abgrenzen. »Phyto-« leitet sich vom griechischen Wort »phytos« für »Pflanze« ab.

Für die Phytotherapie in Deutschland war Dr. Rudolf Fritz Weiß (1895–1991) ein besonders wichtiger Wegbereiter. Er ist Begründer der Idee der wissenschaftlichen Pflanzenheilkunde als unverzichtbarer Teil der Schulmedizin. Ab 1931 war er als Dozent für Phytotherapie tätig, seine gesammelten Vorlesungen wurden 1944 als Buch mit dem Titel »Pflanzenheilkunde in der ärztlichen Praxis« veröffentlicht. Zum Ende des Krieges geriet er in russische Kriegsgefangenschaft und wurde erst 1952 entlassen. In den Gefangenenlagern gab es keine oder kaum Medikamente, und nur seinen Kenntnissen über die dort wachsenden und gesammelten Heilpflanzen verdanken unzählige Mitgefangene ihre Gesundheit und ihr Leben.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hat er sich für die Phytotherapie als integraler Bestandteil des Medizinstudiums stark gemacht und schuf an der Universität Tübingen den ersten Lehrstuhl für Phytotherapie, den er dann auch selbst innehatte. Zudem war er Gründungsmitglied der Gesellschaft für Phytotherapie, Gründungsherausgeber der »Zeitschrift für Phytotherapie« und geschätztes Mitglied der (Zulassungs-)Kommission E beim damaligen Bundesgesundheitsamt.

Sein »Lehrbuch der Phytotherapie«, das auf seinen im Jahr 1944 veröffentlichten Vorlesungen basiert, erschien 1960.

3.2 Definition der Phytotherapie

Phytotherapie ist die Lehre von den Pflanzen, die für medizinische Zwecke, das heißt zur Heilung von Krankheiten oder zur Linderung von Beschwerden, eingesetzt werden.

Erst 1991 schuf das Kuratorium der Gesellschaft für Phytotherapie e. V. die offiziell gültige Definition der Phytotherapie, die bis heute maßgebend und von elementarer Bedeutung ist:

»Phytotherapie ist die Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten bis hin zu Befindensstörungen durch Arzneipflanzen, Pflanzenteile und deren Zubereitungen. Die Phytotherapie ist nicht Alternative, sondern Teil der heutigen naturwissenschaftlich orientierten Medizin. Sie schließt therapeutische Lücken und bietet ergänzende oder adjuvante Möglichkeiten bei der Behandlung und Vorbeugung akuter und chronischer Krankheiten.«

Unterschieden werden die erfahrungsbasierte Medizin (»experience-based medicine«), die Erfahrungsheilkunde, die als »Mutter« der heutigen Naturheilkunde gilt, und die evidenzbasierte Medizin (»evidence-based medicine«), die nachweisgestützte Medizin, deren Wirksamkeit in Forschung und Studien nachgewiesen wurde.

Die Phytotherapie arbeitet mit Frischpflanzen und Drogen als Ausgangmaterialien zur Herstellung pflanzlicher Arzneimittel. Dabei sind mit »Drogen« in diesem Zusammenhang keine bewusstseins- und wahrnehmungsverändernden, psychotropen Substanzen gemeint, wie sie von der WHO definiert werden, sondern Pflanzen, Pilze, Tiere oder Mikroorganismen oder Teile davon, die zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden. Sie werden gewöhnlich durch Trocknung haltbar gemacht.

Heilpflanzen in Form von Teedrogen und als Phytopräparate sind als wichtiger Bestandteil der heutigen Medizin anerkannt.

4. Heilpflanzenmonografien

Grundlage der Phytotherapie als integrativer Bestandteil der medizinischen Therapie sind Untersuchungen und/oder Studien und daraus folgend Richtlinien, in denen die Wirksamkeit, die Sicherheit und die Qualität pflanzlicher Arzneimittel definiert ist.

Diese Richtlinien sind in sogenannten Heilpflanzenmonografien erfasst, die von verschiedenen Gremien erstellt worden sind. Die Monografien sind Informationsquellen zu Heilpflanzen und spielen oder spielten für die rechtliche Zulassung pflanzlicher Arzneimittel eine wichtige Rolle.

4.1 Monografien der Kommission E

Als 1978 in Deutschland das neue Arzneimittelgesetz eingeführt wurde, nahm auch die Kommission E ihre Arbeit auf. Sie bestand aus Sachverständigen im Bereich der wissenschaftlichen und/oder praktischen Phytotherapie. Ihre Aufgabe war es, den riesigen Berg des wissenschaftlichen und des erfahrungsheilkundlichen Wissens zu Heilpflanzen zusammenzutragen, zu begutachten und zu bewerten. Das beinhaltete, die in den verschiedenen Literaturquellen zitierten Wirkungen, Nebenwirkungen, Kontraindikationen, Wechselwirkungen und Dosierungen von Heilpflanzen zu einer rechtsverbindlichen Grundlage aufzubereiten.

Aus diesem Datenmaterial erstellte die Kommission E insgesamt 378 Heilpflanzenmonografien mit einer Abschätzung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses und teilte sie in folgende drei Kategorien ein:

Positiv-Monografien

Bei Heilpflanzen, die eine Positiv-Monografie erhalten haben, konnte die Wirkung bestätigt werden, und das Risiko gemessen am Nutzen wurde als vertretbar eingestuft. Dies war bei 230 Drogen der Fall. Als Beispiel sei hier das Johanniskraut genannt.

Null-Monografien

Bei Heilpflanzen, die eine Null-Monografie erhalten haben, konnte die Wirkung nicht belegt werden, aber es sind auch keine Risiken vorhanden. Ein Beispiel dafür ist das Augentrostkraut.

Negativ-Monografien

Bei Heilpflanzen mit einer Negativ-Monografie konnte keine Wirkung belegt werden, außerdem sind gemäß Einschätzung der Kommission E nicht vernachlässigbare Risiken beziehungsweise Nebenwirkungen vorhanden. Darunter fiel beispielsweise das Beifußkraut.

Hatte eine Heilpflanze eine Positiv-Monografie erhalten, konnten sich Hersteller bei der Zulassung oder Nachzulassung eines Präparats darauf stützen. Für alle anderen Pflanzen mussten sie ein komplettes Zulassungsverfahren inklusive teurer klinischer Studien durchlaufen, um Präparate aus diesen auf den Markt bringen zu können.

1994 wurde die Arbeit der Kommission E an den Heilpflanzenmonografien eingestellt. Diese Monografien spiegeln also den Stand von 1994 wider. Seitdem wurden sie weder aktualisiert noch wurden neue Monografien erstellt. Die Monografien der Kommission E sind für die Zulassung pflanzlicher Heilmittel nicht mehr rechtsverbindlich.

Die Kommission E existiert jedoch weiterhin als beratendes Gremium für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Deutschland. Die Monografien der Kommission E sind öffentlich zugänglich unter: https://buecher.heilpflanzen-welt.de/BGA-Kommission-E-Monographien/ (23.04.2022).

4.2 Monografien der European Scientific Cooperative in Phytotherapy (ESCOP)

Die ESCOP wurde 1989 gegründet und ist die europäische Dachgesellschaft nationaler Fachgesellschaften für Phytotherapie. Sie hat die Aufgabe, Forschung und Studien mit Heilpflanzen zu fördern und Heilpflanzenmonografien zu erstellen. Diese Monografien werden in englischer Sprache veröffentlicht und basieren auf pharmakologischen, toxikologischen und klinischen Studien. Sie fassen Indikationsgebiete, Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Wechselwirkungen jeder monografierten Heilpflanze zusammen – enthalten jedoch zusätzlich noch Angaben zu den Inhaltsstoffen, den verschiedenen Auszugsarten, zur Kinderdosierung und -anwendung sowie eine strukturierte Literaturübersicht.

Bis 2020 wurden 107 Monografien erstellt, und einige davon sind schon aktualisiert. Sie haben jedoch wie die Monografien der Kommission E keine Rechtsverbindlichkeit für die Zulassung pflanzlicher Präparate.

Die ESCOP-Monografien sind nicht frei zugänglich. Man kann diese entweder in Buchform oder als E-Book kaufen. Weitere Informationen dazu finden sich unter: https://escop.com (23.04.2022).

4.3 Monografien des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC)

Das HMPC ist ein Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel. Dieser ist der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) in Amsterdam unterstellt und wurde 2004 gegründet. Das HMPC besteht aus je einem fachlichen Vertreter und fünf Spezialisten jedes Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU).

Die wichtigste Aufgabe des HMPC liegt in der Erstellung von Monografien zu pflanzlichen Drogen und ihren Zubereitungen gemäß den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Daten, die als sogenannte »Assessment Reports« vorliegen und öffentlich zugänglich sind.

Die HMPC-Monografien sind in englischer Sprache abgefasst und beinhalten folgende Angaben:

Heilpflanze, inklusive des verwendeten Pflanzenteils

Zubereitungsformen (qualitative und quantitative Zusammensetzung)

therapeutische Indikationen

Dosierung und Anwendung zu jeder aufgeführten Zubereitungsform

Dauer der Anwendung

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Interaktionen (Wechselwirkungen)

Einfluss auf Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und Stillzeit

Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit und das Bedienen von Maschinen

unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Effekte bei Überdosierung

pharmakologische Eigenschaften

präklinische Daten zur Sicherheit

Innerhalb jeder Monografie erfolgt eine Zuordnung der Zubereitungsarten zu den beiden folgenden Kategorien:

Well-established use

Eine pflanzliche Zubereitungsart der jeweils monografierten Heilpflanze erreicht diesen Status nur dann, wenn sie seit mindestens zehn Jahren als Arzneimittel in einem EU-Land auf dem Markt ist, eine gute Dokumentation mit anerkannten Daten aufweist und mindestens eine klinische Studie mit belegter Wirksamkeit vorliegt.

Traditional use

In diese Kategorie werden pflanzliche Zubereitungsarten der jeweils monografierten Heilpflanze dann eingeteilt, wenn sie mindestens 30 Jahre und davon mindestens 15 Jahre in einem EU-Land auf dem Markt sind, was als Nachweis für die Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit genügt. Angaben zu pharmakologischen Eigenschaften sind nicht notwendig.

Es kann auch vorkommen, dass eine spezielle Zubereitungsart einer Heilpflanze als »well-established use« eingestuft wird, andere Zubereitungsarten aber als »traditional use« gelten.

HMPC-Monografien dienen den Zulassungsbehörden jedes EU-Landes als offiziell anerkannte rechtliche Grundlage, auf die sich ein Hersteller beziehen kann. Arzneimittel der Kategorie »well-established use« durchlaufen das reguläre Zulassungsverfahren, ohne dass jedoch der Nachweis eigener präklinischer und klinischer Studien, die sehr lange dauern und aufwendig und teuer sind, erbracht werden muss. Arzneimittel der Kategorie »traditional use« durchlaufen ein vereinfachtes Verfahren; sie erhalten keine Zulassung, sondern eine Registrierung.

Bislang sind vom HMPC über 160 Heilpflanzenmonografien erstellt worden, die alle fünf Jahre überarbeitet werden. Neben den Monografien (»final community herbal monograph«) werden zu jeder Heilpflanze ein ausführliches Bewertungsgutachten (»final assessment report«) und eine Liste zugehöriger Literatur (»final list of references«) veröffentlicht. Monografien, Bewertungsgutachten und Literaturlisten sind kostenfrei im Internet zugänglich unter: https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/herbal-products/european-union-monographs-list-entries/ (23.04.2022).

Als Beispiel folgt an dieser Stelle der Link zum Johanniskraut: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/herbal/hyperici-herba/ (23.04.2022) oder über Internetsuchmaschinen eine Suche nach den Begriffen »EMA« und »botanischer Name«, hier zum Beispiel nach »Hypericum perforatum«.

4.4 Monografien der World Health Organization (WHO)

Die WHO erstellt seit 1999 Heilpflanzenmonografien, um weltweit eine sichere und wirksame Anwendung von Heilpflanzen und ihrer Zubereitungsformen zu ermöglichen. Diese Monografien enthalten folgende Angaben:

Name der Heilpflanze in den verschiedenen Ländern

botanische Pflanzenbeschreibung

Qualitätssicherung

arzneiliche Verwendung (Indikationen, Kontraindikationen, Nebenwirkungen)

Die angegebenen Indikationsgebiete beruhen auf klinischen Studien, Beschreibungen in Arzneibüchern und aus der Volksheilkunde.

Bislang wurden über 130 WHO-Monografien erstellt, mit denen die jeweiligen Länder bei der Zulassung unterstützt werden sollen. Sie sind interessant, da sie auch für uns eher unbekannte Heilpflanzen aller Kontinente beschreiben. Sie haben jedoch keine Rechtsverbindlichkeit.

Die WHO-Monografien sind öffentlich in gedruckter Form sowie im Internet zugänglich: https://apps.who.int/iris/handle/10665/42052/ (23.04.2022).

5. Inhaltsstoffe von Heilpflanzen

5.1 Einleitung

Heilpflanzen enthalten – unabhängig davon, ob frisch oder getrocknet – immer mehrere Inhaltsstoffe. Sie stellen Vielstoffgemische dar und können so entsprechend viele Aspekte der Abwehr und erfolgreichen Verbreitung abdecken. Dies bietet entscheidende evolutionäre Vorteile, die erklären, warum es keine »Einstoffpflanzen« gibt.

In der Phytotherapie unterscheidet man primäre und sekundäre Inhaltsstoffe. Primäre Inhaltsstoffe sind Substanzen, die jede Pflanze für ihren Stoffwechsel und damit für ihre Existenz benötigt. Dazu gehören verschiedene Kohlenhydrate, Proteine (Eiweiße) sowie Fette. Sekundäre Inhaltsstoffe sind Substanzen, die der Pflanze die Abwehr von Pilzen, Bakterien, Viren und Fraßfeinden ermöglichen, vor ultraviolettem (UV-)Licht schützen und Insekten für die Bestäubung anlocken. Für das Überleben der Pflanze sind die sekundären Inhaltsstoffe essenziell. Dazu gehören Gerbstoffe, Bitterstoffe, ätherische Öle, Cumarine, Flavonoide, Saponine, Kieselsäure, Alkaloide, Senföle und viele mehr.

Hinweis: Die medizinisch wirksamen Pflanzenbestandteile gehören fast immer zu den sekundären Inhaltsstoffen! Ausnahmen sind die Schleimstoffe und die fetten Öle, die den primären Inhaltsstoffen zugeteilt werden.

Beispielsweise wird eine Heilpflanze als Flavonoidpflanze bezeichnet, wenn sie besonders viele Flavonoide enthält und viele ihrer medizinischen Wirkungen auf diesen beruhen. Dasselbe gilt für eine Gerbstoffpflanze, die viele wirksamkeitsbestimmende Gerbstoffe enthält. Oft sind jedoch auch zwei oder mehrere Inhaltsstoffgruppen für die verschiedenen Wirkungen verantwortlich. Neben den Hauptinhaltsstoffen gibt es immer auch Begleitstoffe, die beispielsweise die Bioverfügbarkeit, also die Aufnahme ins Blut verbessern. Auch sie tragen ihren Teil zur Wirkung bei.

Um wirksame Heilmittel herstellen zu können, ist das Wissen über die Inhaltsstoffe und ihre Eigenschaften unabdingbar. Je nachdem, welche Wirkungen gewünscht sind, müssen die dafür verantwortlichen Inhaltsstoffe im Heilmittel vorkommen. Deren Löslichkeit bestimmt maßgeblich, ob eine wässrige Zubereitung wie ein Tee, ein wässrigalkoholischer Auszug wie eine Tinktur oder ein Ölauszug sinnvoll ist. Schon allein aus diesem Grund lohnt es sich, die wichtigsten pflanzlichen Inhaltsstoffe genauer zu betrachten.

In den Pflanzen sind viele Inhaltsstoffe an Zucker gebunden, sie werden dann als Glykoside bezeichnet. Angebundene Zuckermoleküle führen zu einer besseren Wasserlöslichkeit der Inhaltsstoffe. Ein prominentes Beispiel dafür sind die Senfölglykoside. Wird der Zucker vom Senföl abgetrennt, nennt man diese Form »Aglykon«, freie Senföle ohne den Zucker sind »Aglyka«. Aglyka wie die freien Senföle sind weniger gut löslich in Wasser.

5.2 Ätherische Öle

An dieser Stelle werden nur die ätherischen Öle in Heilpflanzen besprochen, nicht die in der Aromatherapie verwendeten reinen ätherischen Öle.

Definition

Ätherische Öle sind flüchtige (leicht verdunstende), flüssige, duftende Stoffgemische von öliger Konsistenz.

Aus Pflanzen extrahiert werden sie zumeist mittels Wasserdampfdestillation, aber auch durch Einsatz von Lösungsmitteln wie Ethanol und Hexan oder mittels Kaltpressung, zum Beispiel bei Zitronenschalen. Früher war auch die Enfleurage – das Einlegen von zarten Pflanzenteilen wie Jasminoder Orangenblüten in Fett und nachfolgendes Lösen des ätherischen Öls aus dem Fett mithilfe von Ethanol – eine Möglichkeit, diesen kostbaren Blüten den Duft zu entziehen.

Chemie

Ein ätherisches Öl ist keine Einzelsubstanz, sondern immer ein Vielstoffgemisch. Bislang wurden mehr als 3000 Einzelkomponenten ätherischer Öle isoliert. Manchmal kann ein Bestandteil mengenmäßig überwiegen, sodass er den Geruch und die Hauptwirkung mehr oder weniger bestimmt. Die vielen anderen Bestandteile sind deswegen nicht unbedeutend, sie unterstützen in vielen Fällen die Hauptsubstanz und runden den Duft ab.

Die einzelnen Substanzen in einem ätherischen Öl bauen im Wesentlichen auf drei Grundstrukturen auf:

Monoterpene

Sesquiterpene

Phenylpropane

An diese Grundstrukturen sind diverse funktionelle Gruppen angehängt wie

Alkohole,

Aldehyde,

Carbonsäuren,

Ester,

Ether,

Phenole.

Vorkommen

Zumindest geringste Mengen an ätherischem Öl kommen praktisch in allen Pflanzen vor. Je nach Pflanze und Jahreszeit variiert die Ölmenge in den verschiedenen Pflanzenteilen. Zumeist beinhalten Blüten oder auch Blätter mehr ätherisches Öl als die Wurzeln. Gespeichert werden die ätherischen Öle in den Öldrüsen (Elaiophoren) der Pflanzen.

Ätherisch-Öl-Pflanzen werden sie allerdings erst dann genannt, wenn sie viel ätherisches Öl enthalten beziehungsweise einen gut wahrnehmbaren Duft verströmen.

Aufgabe der ätherischen Öle in der Natur

Ätherische Öle haben verschiedene Aufgaben. Ihr Duft lockt Insekten zur Bestäubung an und sichert damit die Vermehrung und Verbreitung der Pflanze. In höheren Konzentrationen dienen sie den Pflanzen zur Abwehr von Fraßfeinden. Säugetiere, Käfer, Raupen und viele Insekten meiden Pflanzen mit höherem Gehalt an ätherischem Öl.

Viele Pflanzen sind sogar in der Lage, ihren Gehalt an ätherischem Öl kurzfristig zu steigern, wenn ihnen Gefahr droht. Ein interessantes Beispiel ist der Eukalyptus, eine bei Koalabären bevorzugte Nahrungspflanze. Eukalyptusbestände können sich gegenseitig warnen, wenn sie von einer Koalabärenpopulation bedroht werden. Innerhalb kurzer Zeit steigern sie die Ätherisch-Öl-Produktion in ihren Blättern, den Koalas schmecken die Blätter nicht mehr und sie ziehen weiter – der Eukalyptusbestand bleibt erhalten.

In warmen und trockenen Regionen sind Pflanzen starker Sonneneinstrahlung und hohen Temperaturen ausgesetzt. Zum Schutz vor Hitze und zu großem Wasserverlust verdunstet das ätherische Öl in ihren Öldrüsen. Die dabei entstehende Verdunstungskälte senkt die Temperatur und hilft der Pflanze, auch extreme Hitze zu überleben.

Zudem schützen ätherische Öle die Pflanzen vor Bakterien, Viren und Pilzen.

Löslichkeit der ätherischen Öle

Ätherische Öle sind lipophile (fettliebende) Verbindungen. Ihre Löslichkeit gliedert sich in folgende Abstufungen:

sehr gering in Wasser

gering in Ethanol ab 30 Volumenprozent (percent volume per volume, % v/v), mit höherer Ethanolkonzentration zunehmend

sehr gut in reinem Ethanol (96 % v/v)

gut in fettem Öl

Zubereitung

Ätherisch-Öl-Drogen können aufgrund ihres Löslichkeitsverhaltens wie folgt zubereitet werden:

Wässriger Auszug (Tee)

Die Löslichkeit in Wasser ist zumeist sehr gering. Dennoch reicht diese Menge bei vielen Drogen aus, um dem Tee einen charakteristischen Geschmack und eine ausreichende Wirkung zu verleihen. Zudem vermögen einige Begleitstoffe die Löslichkeit in Wasser zu steigern.

Da ätherische Öle flüchtige Komponenten sind, ist es sinnvoll, die Drogen nur mit heißem und nicht mit kochendem Wasser aufzugießen, den Tee bedeckt ziehen zu lassen und die an der Deckelunterseite kondensierten, ölhaltigen Wassertropfen wieder in den Tee zurückzuschütteln.

Ethanolisch-wässriger Auszug (Tinktur)

Eine bessere Löslichkeit als in einer Teezubereitung haben die ätherischen Öle in Ethanol. In Tinkturen ab einer Ethanolkonzentration von 30 % v/v sind sie vorhanden. Sie reichern sich zunehmend an, je höher die Ethanolkonzentration gewählt wird. In reinem Ethanol ist die Löslichkeit am höchsten.

Auszug mit fettem Öl

Da ätherische Öle in fettem Öl gut löslich sind, können Ätherisch-Öl-Pflanzen entweder mittels eines Kalt- oder eines Heißauszugs verarbeitet werden.

Wirkungen

Aufgrund ihrer ausgeprägten Lipophilie (Fettlöslichkeit) werden die ätherischen Öle aus Heilpflanzen bei der innerlichen Anwendung im Magen-Darm-Trakt sehr gut resorbiert. Aber auch bei äußerlicher Anwendung ist eine systemische Wirkung möglich, da ätherische Öle die Haut problemlos durchdringen und nach kurzer Zeit im Blut nachgewiesen werden können.

Isolierte, reine ätherische Öle sollten nicht eingenommen werden, da sie als Hochkonzentrate die Schleimhäute schädigen und toxische Wirkungen aufweisen. Zur Applikation auf der Haut sollten die reinen ätherischen Öle in fettem Öl wie Oliven-, Mandel- oder Sesamöl verdünnt werden. Üblich sind Konzentrationen zwischen 1 und 2 %. Das entspricht ca. 20–40 Tropfen des ätherischen Öls auf 100 ml fettes Öl. Ausnahmen sind ätherisches Pfefferminz- und Lavendelöl, die kleinflächig bei Bedarf auch pur aufgetragen werden können. Die Resorption über die Haut ist, was die Wirkung anbelangt, mit der oralen Aufnahme vergleichbar.

Ätherische Öle sind aus vielen Komponenten aufgebaut und haben daher unterschiedliche Wirkungen. Hier ein Ausschnitt der Wirkmöglichkeiten verschiedener Ätherisch-Öl-Pflanzen:

keimhemmend bis -tötend (antibakteriell, antiviral, antimykotisch)

fördern die Durchblutung von Haut und Schleimhaut

steigern die Sekretion der Verdauungssäfte (Speichel, Magensaft, Gallenflüssigkeit, Bauchspeicheldrüsenflüssigkeit)

regen den Appetit an

fördern die Verdauung

fördern die Bildung der Gallenflüssigkeit und deren Fluss

verflüssigen den Schleim in den Atemwegen (sekretolytisch)

unterstützen die Flimmerhärchen der Atemwege, die Schleim nach außen befördern (sekretomotorisch)

entzündungshemmend

schmerzlindernd

krampflösend

harntreibend

beruhigend

stimmungsaufhellend

Einsatzgebiete (Indikationen)

So vielfältig die Wirkungen der verschiedenen Heilpflanzen mit ätherischen Ölen sein können, so breit sind entsprechend die Indikationen aufgestellt. Die wichtigsten sind folgende:

Appetitlosigkeit

Verdauungsbeschwerden (Völlegefühl, Blähungen, Übelkeit, Bauchschmerzen)

schleimiger Husten, Bronchitis

Halsschmerzen

Entzündungen des Zahnfleischs

Schnupfen (Rhinitis)

Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis)

Magenschleimhautentzündung (Gastritis)

Raumluftdesinfektion

Wundheilung

rheumatische Erkrankungen, Muskelschmerzen

Blasenentzündung

Müdigkeit, Schlafstörungen

Nervosität

psychische Verstimmungszustände

Hinweis: Keine Ätherisch-Öl-Pflanze deckt alle hier aufgeführten Indikationsgebiete ab. Verantwortlich dafür sind spezifische Inhaltsstoffe, die im ätherischen Öl mancher Pflanzen vorkommen können, aber nicht in allen Pflanzen und nicht in der gleichen Konzentration. Einzig die keimhemmende Wirkung ist praktisch allen ätherischen Ölen eigen.

Phytotherapie und Aromatherapie sind klar voneinander abzugrenzen. Die Phytotherapie arbeitet mit Heilpflanzen, die ätherische Öle enthalten. Die Aromatherapie hingegen basiert auf dem Einsatz von reinen ätherischen Ölen, die aus den Heilpflanzen extrahiert und dann als Konzentrate angewendet werden.

Nebenwirkungen

Magenbeschwerden: Ätherisch-Öl-Pflanzen können innerlich bei zu langer Anwendung, zu hoher Dosis oder bei sensiblen Menschen zur Reizung der Magenschleimhaut führen, was sich in Form von Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen zeigen kann.

Gefahr einer Fehlgeburt (Abort): Aufgrund der durchblutungsanregenden Wirkung kann das ätherische Öl einiger Heilpflanzen, zum Beispiel von Rosmarin und Beifuß, die Durchblutung der Gebärmutter anregen, sodass die Gefahr eines Aborts besteht.

Kopfschmerzen, Schwindel, Erregung: Da die ätherischen Öle die Blut-Hirn-Schranke überwinden, können bei Überdosierung Schädigungen des Zentralnervensystems entstehen.

Allergien beim Auftragen auf die Haut

Bei Teezubereitung sind diese Nebenwirkungen aufgrund der geringeren Löslichkeit der ätherischen Öle in Wasser kaum zu erwarten, bei höherprozentigen Tinkturen sind sie hingegen durchaus möglich.

Eine zu hohe Dosierung kann zudem einen sogenannten »Umkehreffekt« auslösen. Zu hoch dosierter Eukalyptus kann beispielsweise bei Bronchitis anstatt zur Schleimlösung zum Sekretstau führen.

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Kontraindikationen sind bei jeder Ätherisch-Öl-Pflanze einzeln zu betrachten. In höheren Konzentrationen sind sie oft kontraindiziert:

in der Schwangerschaft

in der Stillzeit (gehen in die Muttermilch über)

bei Asthma (gewisse ätherische Öle können Atemwegskrämpfe auslösen)

bei Eukalyptus, Kampfer und Menthol (Pfefferminze) Gefahr eines Kehlkopfkrampfes (Glottiskrampfes) bei Kindern unter 6 Jahren

äußerlich bei geschädigter oder chronisch kranker Haut

Wechselwirkungen (Interaktionen)

keine bekannt

Ätherisch-Öl-haltige Pflanzen nach Familien

Ätherisch-Öl-haltige Pflanzen kommen vermehrt in folgenden Familien vor:

Lippenblütler, z. B. Lavendel, Rosmarin, Pfefferminze, Thymian

Korbblütler, z. B. Wermut, Schafgarbe, Kamille

Doldenblütler, z. B. Erzengelwurz, Anis, Fenchel

Nadelbäume, z. B. Kiefer, Zypresse, Tanne, Fichte, Wacholder

5.3 Alkaloide

Definition

Alkaloide sind stickstoffhaltige Verbindungen mit chemisch sehr unterschiedlichem Aufbau. Sie sind zumeist basisch, schmecken bitter und verfügen über starke Wirkungen. Viele Alkaloidpflanzen sind wenig bis stark giftig.

Beispiel für den Aufbau eines Alkaloids:

Koffein

Chemie

Alkaloide werden zumeist aus verschiedenen Aminosäuren synthetisiert und weisen daher keine strukturelle Gemeinsamkeit auf.

Unterteilt werden anhand der chemischen Struktur folgende Gruppen:

Benzylisochinolinalkaloide (Schlafmohn, Schöllkraut, Berberitze)

Capsaicinoide (Cayennepfeffer)

Chinolizidinalkaloide (Besenginster, Goldregen)

Diterpenalkaloide (Blauer Eisenhut)

Ephedrin (Meerträubel)

iridoide Isochinolinalkaloide (Ipecacuanha)

Phenylethylisochinolinalkaloide (Herbstzeitlose)

Piperidinalkaloide (Gefleckter Schierling, Schwarzer Pfeffer, Kava-Kava)

Purinalkaloide (Kaffeestrauch, Colanuss, Kakaobaum, Teestrauch)

Pyrrolizidinalkaloide (Wasserhanf, Pestwurz, Huflattich, Beinwell, Borretsch)

Steroidalkaloide (Nachtschattengewächse wie Tomate, Weißer Germer, Kartoffel, Aubergine)

Tropanalkaloide (alle Nachtschattengewächse)

Aufgabe der Alkaloide in der Natur

Alkaloide schützen die Pflanzen vor Fraßfeinden. Hier funktioniert die Abschreckung einerseits über den bitteren Geschmack, manchmal auch über die Giftigkeit.

Löslichkeit der Alkaloide

Alkaloide weisen in saurem Milieu in der Regel eine gute Wasserlöslichkeit auf. Als freie Alkaloidbasen sind die Moleküle hingegen sehr lipophil und daher in Wasser unlöslich und in Ethanol wenig löslich.

Zubereitung, Wirkungen, Einsatzgebiete (Indikationen)

Die Anwendung von Alkaloidpflanzen im Sinne von Alkaloidvielstoffgemischen spielt in der Phytotherapie eine untergeordnete Rolle. Meist werden pflanzliche Alkaloide wie Koffein, Morphin, Atropin als isolierte Einzelsubstanzen eingesetzt. Daher entfallen an dieser Stelle die Unterkapitel zur medizinischen Anwendung.

Einzig die Pyrrolizidinalkaloide haben in der rationalen Phytotherapie Bedeutung erlangt, allerdings nicht als Wirk-, sondern als unerwünschte Begleitstoffe mit leberschädigendem Potenzial. Von den zahlreichen verschiedenen Pyrrolizidinalkaloiden sind jedoch nicht alle gleich toxisch; hierzu müssen besondere chemische Strukturen (Alkaloide vom Necintyp) vorhanden sein. Diese Pyrrolizidinalkaloide werden im Körper verstoffwechselt und erst dann erhalten sie die lebertoxische Wirkung, indem sie an die Desoxyribonukleinsäure (DNA) der Leber und an einige Zellproteine andocken können.

Daher haben das BfArM sowie das HMPC Grenzwerte für Heilpflanzen, die Pyrrolizidinalkaloide (PA) enthalten, festgelegt. Seit 2014 galt die maximale tägliche Anwendung von 0,007 μg PA/kg Körpergewicht beziehungsweise maximal 0,35 μg täglich sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Unterschieden wurde ebenfalls nicht zwischen der oralen Aufnahme und dem äußerlichen Einsatz auf intakter Haut, obwohl die Aufnahme über die Haut in viel geringerem Ausmaß erfolgt als bei der innerlichen Anwendung. Im Juli 2021 veröffentlichte das HMPC eine überarbeitete Stellungnahme zu den PA. Darin ist die maximale tägliche Dosis bei oraler Einnahme von PA-haltigen pflanzlichen Ausgangsstoffen und Zubereitungen bei Erwachsenen auf 1,0 μg begrenzt. Bei sensiblen Personen und bei Kindern (bezogen auf ein Körpergewicht von 20 kg) beträgt die Dosis dementsprechend weniger, nämlich 0,5 μg täglich. Für die Anwendung auf intakter Haut gelten dieselben Grenzwerte.

Alkaloidhaltige Pflanzen nach Familien

Alkaloidhaltige Pflanzen finden sich in folgenden Familien:

Nachtschattengewächse (Solanaceae) wie Aubergine, Belladonna, Bittersüßer Nachtschatten, Bilsenkraut, Cayennepfeffer, Kartoffel, Stechapfel, Tabakpflanze

Mohngewächse wie Erdrauch, Schlafmohn, Schöllkraut

Hülsenfrüchtler (Fabaceae) wie Besenginster

Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) wie Akelei, Blauer Eisenhut, Nieswurz, Rittersporne, Scharbockskraut

Raublattgewächse (Boraginaceae) wie Beinwell, Borretsch

Außerdem gehören

Berberitze,

Herbstzeitlose,

Huflattich,

Teestrauch

zu den alkaloidhaltigen Pflanzen.

5.4 Allantoin

Definition und Chemie

Allantoin gehört nicht zu den sekundären Inhaltsstoffen. Es entsteht beim Abbau von Purinbasen (Bestandteile der Gene) im pflanzlichen Stoffwechsel.

Allantoin

Löslichkeit von Allantoin

schwer löslich in Wasser

fast unlöslich in Ethanol

gut löslich in fettem Öl

Zubereitung

Da sich Allantoin nur schlecht im wässrigen Auszug und im ethanolisch-wässrigen Auszug löst, sind Tee und Tinktur keine sinnvollen Zubereitungen. Hingegen löst sich Allantoin gut in fettem Öl.

Wirkungen

zellregenerierend

wundheilend

entzündungshemmend

feuchtigkeitsspendend

kallusbildend

Einsatzgebiete (Indikationen)

Neubildung von Haut

Wundheilung

stumpfe Verletzungen wie Prellungen, Quetschungen, Zerrungen

Verletzungen von Knochen- und Knorpelgewebe

Nebenwirkungen, Gegenanzeigen (Kontraindikationen), Wechselwirkungen (Interaktionen)

keine bekannt

Allantoinhaltige Pflanzen

Beinwell

Ringelblume (im Kelch)

5.5 Anthocyane

Definition

Anthocyane gehören in die große Gruppe der Flavonoide und sind Pflanzenfarbstoffe. Sie sind oft verantwortlich für die rote, violette, blaue bis blauschwarze Farbe der Blüten, was sich in ihrem Namen widerspiegelt. Die beiden griechischen Wörter »anthos« und »kýanos« bedeuten »Blüte« und »blau«.

Chemie

Anthocyane sind glykosidisch gebundene, relativ instabile Farbstoffmoleküle. Diese Moleküle ohne den gebundenen Zuckerrest, die sogenannten Aglyka, nennt man in der Pflanzenchemie Anthocyanidine.

Anthocyanidine sind noch deutlich instabiler als die Anthocyane, was beim Trocknen von farbigen Blüten gut beobachtet werden kann. Auch im heißen Tee, zum Beispiel bei den Mauretanischen Malvenblüten (Malva sylvestris ssp. mauritiana), verschwinden die schönen Farbstoffe sehr schnell.

Zu den bekanntesten Vertretern der Anthocyanidine gehören Cyanidin und Delphinidin.

Bis heute sind über 500 verschiedene Anthocyane entdeckt worden.

Cyanidin-3-glucosid

Neben den farbigen Anthocyanen gibt es noch sogenannte Proanthocyanidine. Das sind farblose Moleküle, aus denen beim Erhitzen mit verdünnter Salz-, Schwefel- oder Salpetersäure farbige Anthocyanidine entstehen. Auch sie gehören in die Gruppe der Flavonoide (Flavanole). Die größte Gruppe der Proanthocyanidine sind die Procyanidine, deren Grundgerüst aus Catechin oder Epicatechin besteht.

Verbinden sich mehrere solcher Proanthocyanidine miteinander, spricht man von oligomeren Proanthocyanidinen, die dann wiederum den Gerbstoffen zugerechnet werden, den sogenannten »kondensierten Catechingerbstoffen«.

Aufgabe der Anthocyane in der Natur

Anthocyane haben ausgeprägte antioxidative Eigenschaften, das heißt, sie agieren als Radikalfänger. In den jungen Pflanzen wirken sie als Schutz vor oxidativem Stress bei UV-Strahlung und Temperaturschwankungen. Als Farbstoffe, vor allem in den Blüten, dienen sie dazu, Insekten anzulocken.

Löslichkeit der Anthocyane

Anthocyane sind als Glykoside

sehr gut wasserlöslich,

gut löslich in niedrigprozentigem Ethanol (30–40 % v/v),

kaum löslich in reinem Ethanol,

unlöslich in fettem Öl.

Anthocyanidine sind als Aglyka

praktisch unlöslich in Wasser,

gut löslich in höherprozentigem Ethanol (ca. 70 % v/v),

unlöslich in fettem Öl.

Zubereitung

Anthocyandrogen können aufgrund ihres Löslichkeitsverhaltens folgendermaßen zubereitet werden:

Wässriger Auszug (Tee)

Die Löslichkeit in Wasser ist sehr gut. Allerdings zersetzen sich die Farbstoffe relativ schnell in heißem Wasser, sodass die Farbe verschwindet.

Ethanolisch-wässriger Auszug (Tinktur)

Tinkturen mit niedrigprozentigem Ethanol (30–40 % v/v) können zwar hergestellt werden, sind jedoch nicht gebräuchlich.

Wirkungen

Anthocyane wirken antioxidativ, das heißt, sie binden freie Radikale und machen sie unschädlich. Neben den Anthocyanen wirken auch die Flavonoide und Carotinoide als potente Antioxidanzien. Denn zu viele freie Radikale, beispielsweise durch Rauchen, führen zu Zellschädigungen und Zellmutationen und werden als Mitverursacher vieler Krankheiten angesehen.

Zudem wirken Anthocyane

zellschützend,

der Zellalterung vorbeugend,

leicht gefäßschützend (gefäßprotektiv).

Einsatzgebiete (Indikationen)

Medizinisch spielen die Anthocyane nur eine untergeordnete Rolle.

Volksheilkundlich werden sie eingesetzt

zur Verbesserung der Sehfähigkeit in der Nacht (Nachtblindheit),

bei (Mikro-)Blutäderchen im Auge,

bei Beschwerden wie schmerzenden und schweren Beinen im Zusammenhang mit Krampfadern,

bei peripherer Gefäßinsuffizienz.

Nebenwirkungen, Gegenanzeigen (Kontraindikationen), Wechselwirkungen (Interaktionen)

keine bekannt

Anthocyanhaltige Pflanzen

Heidelbeeren

Preiselbeeren

Cranberrys

Brombeeren

Holunderbeeren

Schwarze Johannisbeeren

Malven (Blüte)

5.6 Anthranoide

Definition

Anthranoidpflanzen sind stark wirksame Abführmittel (Laxanzien).

Chemie

Anthranoide liegen zumeist in glykosidischer Form vor, das heißt, sie haben ein Anthracengrundgerüst, an das ein Zucker angebunden ist. Als Zuckerteil fungiert meist Glucose, Rhamnose oder Xylose. Anthrachinone gehören zu einer Untergruppe der Anthranoide.

Aloin

Aufgabe der Anthranoide in der Natur

Die Aufgabe der Anthranoide in Pflanzen ist bislang nicht geklärt. Vermutlich dienen sie wie viele andere Pflanzeninhaltsstoffe auch zur Abwehr von Fraßfeinden.

Löslichkeit der Anthranoide

Da Anthranoide zumeist als Glykoside vorliegen, sind sie

sehr gut löslich in Wasser,

löslich in niedrigprozentigem Ethanol (30–40 % v/v),

praktisch unlöslich in reinem Ethanol,

unlöslich in fettem Öl.

Zubereitung

Anthranoiddrogen können aufgrund ihres Löslichkeitsverhaltens folgendermaßen zubereitet werden:

Wässriger Auszug (Tee)

Die Löslichkeit in Wasser ist sehr gut, daher können Anthranoiddrogen als Tee zubereitet werden. Allerdings sollten aufgrund fehlender Standardisierung bevorzugt Fertigpräparate eingesetzt werden.

Ethanolisch-wässriger Auszug (Tinktur)

Tinkturen mit niedrigprozentigem Ethanol (30–40 % v/v) können hergestellt werden, sind jedoch nicht gebräuchlich. Verwendet werden Fertigpräparate.

Wirkungen

stark abführend

Hinweis: Anthranoide sind Prodrugs, die im Darm mithilfe von Darmbakterien in die wirksame Form umgewandelt werden. Dort setzen diese die Botenstoffe Histamin und Serotonin an der Darmwand frei. Dadurch werden vermehrt Mineralsalze (Elektrolyte) und Wasser vom Darmgewebe in den Darm ausgeschieden und zugleich deren Resorption gehemmt. Das Resultat ist eine Aufweichung und eine Volumenzunahme des Stuhls. Der erhöhte Fülldruck auf den Darm regt als Folge die Darmbewegungen an, sodass es im Normalfall nach 8–10 h zum erwünschten Stuhlgang kommt.

Einsatzgebiete (Indikationen)

Angezeigt sind Anthranoiddrogen bei akuter, kurzzeitiger Verstopfung, beispielsweise im Urlaub. Die Anwendung ist auf maximal 30 mg Anthranoide täglich für 7–10 Tage zu beschränken. Ein länger dauernder Einsatz von Anthranoiddrogen führt zu einer Verschiebung des Mineralienhaushalts (v. a. Kaliumverlust), was die Darmträgheit wiederum verstärkt und in einen Teufelskreis mündet.

Nebenwirkungen

bei zu langer Anwendung Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts, v. a. Kaliumverluste; in der Folge:

Störung der Herzfunktion

Muskelschwäche

vermehrte Verstopfung

selten Darmkrämpfe

Reizung der Darmschleimhaut

verstärkte Menstruationsblutung

Abortgefahr

harmlose rote Verfärbung des Urins

bei zu langer Anwendung Ausscheidung von Albumin (Albuminurie) und roten Blutkörperchen (Hämaturie) über den Urin

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Darmverschluss (Ileus)

akut entzündliche Darmerkrankungen (u. a. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Blinddarmentzündung)

Kinder unter 12 Jahren

Schwangerschaft (Abortgefahr aufgrund von Bauchkrämpfen)

Stillzeit

Wechselwirkungen (Interaktionen)

Verstärkung herzwirksamer Steroidglykoside (Herzglykoside)

Beeinflussung von Medikamenten bei Herzrhythmusstörungen

verstärkte Kaliumverluste durch

kaliumausschwemmende Diuretika,

Süßholzwurzel,

Nebennierenrindensteroide (Mineralocorticoide, Glucocorticoide)

Anthranoidhaltige Pflanzen

Aloe

Faulbaum

Kreuzdorn

Medizinal-Rhabarber

Sennes

Die Wirkstärke beginnt beim milderen Medizinal-Rhabarber und steigert sich dann über Faulbaum und Sennes bis zur Aloe. Kreuzdornbeeren werden heute nicht mehr verwendet, da sie oft zu starken Bauchkrämpfen führen.

5.7 Arbutin

Definition

Arbutin gehört zu den sekundären Inhaltsstoffen. Im menschlichen Stoffwechsel wird der Zuckerteil (Glucose) von Arbutin abgespalten, erst dann entsteht die aktive, wirksame Substanz Hydrochinon.

Chemie

Chemisch gesehen ist Arbutin ein Hydrochinonglykosid und gehört zur großen Gruppe der Phenolglykoside.

Löslichkeit von Arbutin

Arbutin ist

gut löslich in Wasser,

löslich in Ethanol,

unlöslich in fettem Öl.

Zubereitung

Arbutinhaltige Drogen können aufgrund ihres Löslichkeitsverhaltens folgendermaßen zubereitet werden:

Wässriger Auszug (Tee)

Die Löslichkeit in Wasser ist sehr gut, daher können arbutinhaltige Drogen als Tee zubereitet werden.

Ethanolisch-wässriger Auszug (Tinktur)

Tinkturen mit Ethanol (30–60 % v/v) sind gut geeignet, um arbutinhaltige Heilpflanzen auszuziehen.

Hinweis: Arbutinhaltige Zubereitungen und Fertigpräparate sollten wegen potenzieller Leberschädigung maximal 1 Woche lang und nur 5-mal pro Jahr eingenommen werden.

Wirkung

antibakteriell

Verstoffwechslung von Arbutin

Arbutin wird im Dünndarm kaum resorbiert. Da Arbutin aber mithilfe der Darmbakterienflora in den Zuckerteil (Glucose) und Hydrochinon aufgetrennt wird, kann Hydrochinon resorbiert und über den Blutkreislauf zur Leber gelangen.

Spaltung von Arbutin in Hydrochinon und Glucose

In der Leber wird Hydrochinon zu einem wasserlöslichen Molekül umgewandelt, wobei entweder Glucuron- oder Schwefelsäure an das Hydrochinon gebunden wird. Diese Verbindung gelangt dann über den Blutkreislauf zur Niere und wird dort über den Harn ausgeschieden.

Falls sich entzündungsverursachende Bakterien in den ableitenden Harnwegen befinden, spalten sie diese Verbindung enzymatisch, sodass wiederum freies und damit antibakteriell wirksames Hydrochinon entsteht. Also nur, wenn beispielsweise bei einer Blasenentzündung Bakterien vorhanden sind, wird Hydrochinon in den ableitenden Harnwegen freigesetzt und entfaltet seine antibakterielle Wirkung!

In der Vergangenheit nahm man an, dass eine bakterielle Spaltung in Hydrochinon in den ableitenden Harnwegen nur bei basischem Urin möglich sei, weshalb oft eine gleichzeitige Einnahme von Natriumhydrogencarbonat zur Alkalisierung des Urins empfohlen wurde. Dies konnte jedoch in der Praxis nicht bestätigt werden.

Einsatzgebiete (Indikationen)

Aufgrund seiner spezifischen antibakteriellen Wirkung wird Arbutin beziehungsweise Hydrochinon bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege (Blasenentzündung) eingesetzt.

Nebenwirkung

Arbutin kann bei zu hoher Dosierung und bei zu langer oder zu häufiger Anwendung potenziell eine leberschädigende Wirkung haben.

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Schwangerschaft

Stillzeit

Kinder unter 12 Jahren

Nierenerkrankungen

Wechselwirkungen (Interaktionen)

keine bekannt

Arbutinhaltige Pflanzen

Bärentraube

Preiselbeere

Birnbaum (Blatt)

5.8 Aucubin

siehe Iridoide (S. 30, 42ff.)

5.9 Bitterstoffe

Definition

Bitterstoffe gehören zu einer sehr heterogenen Stoffgruppe, deren Gemeinsamkeit der bittere Geschmack ist. Die Stärke der Bitterkeit wird als Bitterwert angegeben. Dieser zeigt an, bis zu welcher Verdünnung eine bittere Pflanze auf der Zunge noch als bitter erkannt wird. Ein Bitterwert von 1000 zeigt beispielsweise an, dass 1 g Droge in 1000 ml, also in 1 l Wasser noch als bitter wahrgenommen wird.

Chemie

Bitterstoffe werden – von wenigen Ausnahmen abgesehen – aufgrund ihrer Struktur chemisch in vier Gruppen eingeteilt:

Sesquiterpenlactone

, auch Korbblütlerbitterstoffe genannt

Helanin in Arnika

Diterpenbitterstoffe,

auch Lippenblütlerbitterstoffe genannt

Marrubiin im Andorn

Iridoide

Aucubin im Spitzwegerich

Hopfenbitterstoffe

(Humulone und Lupulone)

Humulon im Hopfen

Aufgabe der Bitterstoffe in der Natur

Bitterstoffe dienen den Pflanzen als Fraßschutz.

Löslichkeit der Bitterstoffe

Die meisten Bitterstoffe zeichnen sich durch eine recht gute Löslichkeit entweder in Wasser oder in wässrig-ethanolischen Mischungen aus.

Die Sesquiterpenlactone sind

gering löslich in Wasser,

gut löslich in Ethanol 30–70 % v/v,

kaum löslich in fettem Öl.

Die Diterpenbitterstoffe sind

gut löslich in Wasser,

gut löslich in Ethanol 30–50 % v/v,

unlöslich in fettem Öl.

Iridoide kommen meist glykosidisch gebunden vor und sind daher

sehr gut löslich in Wasser,

gut löslich in Ethanol 30–40 % v/v,

unlöslich in fettem Öl.

Die Hopfenbitterstoffe, die jedoch eine gewisse Instabilität aufweisen, sind

gering löslich in Wasser,

gut löslich in Ethanol 50–60 % v/v,

unlöslich in fettem Öl.

Zubereitung

Die meisten Bitterstoffdrogen können aufgrund ihres Löslichkeitsverhaltens folgendermaßen zubereitet werden:

Wässriger Auszug (Tee)

Die Löslichkeit in Wasser ist je nach chemischer Struktur gering bis gut. Bei den Iridoiden und den Diterpenbitterstoffen ist die Zubereitung als Tee sinnvoll, aber auch bei den Hopfenbitterstoffen und den Sesquiterpenlactonen ist der bittere Geschmack in Wasser immer noch deutlich spürbar, und damit sind auch die Bitterstoffwirkungen auf die Verdauungsorgane vorhanden.

Ethanolisch-wässriger Auszug (Tinktur)

Die Herstellung von Tinkturen aus Bitterstoffdrogen ist möglich. Sesquiterpenlactone und Hopfenbitterstoffe sind besser löslich in höheren Ethanolkonzentrationen (40–70 % v/v), Iridoide und Diterpenbitterstoffe in niedrigeren Ethanolkonzentrationen (30–50 % v/v).

Sinnvollerweise sollten Zubereitungen aus Bitterstoffdrogen nicht gesüßt werden, da sich dadurch die Wirksamkeit vermindert.

Wirkungen

Die verschiedenen Wirkungen werden einerseits reflektorisch über die Bindung der Bitterstoffe an Bitterstoffrezeptoren der Geschmacksknospen im Mund und über die lokale Reizung der Drüsen im Magen erzeugt.

Bitterstoffe wirken sehr vielfältig, sie

fördern die Sekretion von Speichel,

fördern die Produktion von Salzsäure im Magen,

fördern die Peristaltik im Magen-Darm-Trakt,

regen die Bildung der Gallenflüssigkeit in der Leber an,

fördern die Sekretion der Gallenflüssigkeit aus der Gallenblase,

fördern die Produktion von Bauchspeicheldrüsensaft,

sind appetitanregend,

sind verdauungsfördernd,

wirken entblähend,

wirken tonisierend,

wirken erwärmend,

wirken teils immunstimulierend,

können die Aufnahme von Eisen verbessern.

Einsatzgebiete (Indikationen)

Appetitlosigkeit (Einnahme ca. 30 min vor dem Essen)

Verdauungsbeschwerden (Einnahme nach dem Essen)

Magensaftmangel

Völlegefühl, Blähungen

Müdigkeit, Schwäche

erhöhte Infektanfälligkeit

in der Rekonvaleszenz

begleitend bei Anämie

Nebenwirkungen

Allergien bei den Sesquiterpenlactondrogen (Korbblütlerallergie)

bei Langzeitanwendung: Sodbrennen und Magenbeschwerden (bei mittelstarken und starken Bitterstoffdrogen)

Bei zu hoher Dosierung können Verdauungssäfte gehemmt werden (gegenteiliger Effekt).

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Magenübersäuerung, Sodbrennen und Magenentzündung (Gastritis)

Magen- und Darmgeschwüre

Verschluss der Gallenwege

Entzündung der Gallengänge

schwere Lebererkrankungen

operationspflichtige Gallensteine

Diese Gegenanzeigen gelten vor allem für mittelstark bittere und stark bittere Drogen.

Hinweis: Bei Anwendung von Sesquiterpenlactondrogen ist zusätzlich die Korbblütlerallergie zu beachten.

Wechselwirkungen (Interaktionen)

keine bekannt

Bitterstoffhaltige Pflanzen

Sesquiterpenlactonhaltige Pflanzen:

fast alle Korbblütler (Artischocke, Beifuß, Benediktenkraut, Eberraute, Löwenzahn, Wegwarte, Wermut)

Pomeranze

Diterpenbitterstoffe enthaltende Pflanzen:

Herzgespann

Andorn

Rosmarin

Salbei

iridoidhaltige Pflanzen:

Enziangewächse (Gelber Enzian, Tausendgüldenkraut)

Herzgespann

Afrikanische Teufelskralle

Fieberklee

Olivenblätter

Neben einer Einteilung aufgrund der chemischen Struktur gibt es bei den Bitterstoffdrogen auch die Einteilung aufgrund ihrer inhaltsstofflichen Zusammensetzung:

Amara tonica oder Amara pura

Das ist die Gruppe der reinen Bitterstoffdrogen. Dazu gehören beispielsweise Afrikanische Teufelskralle, Artischocke, Benediktenkraut, Fieberklee, Gelber Enzian, Löwenzahn, Tausendgüldenkraut und Wegwarte.

Amara aromatica

In dieser Gruppe findet man eine Kombination der Bitterstoffe mit ätherischem Öl. Auch diese Pflanzen regen die Verdauungssäfte an; die meisten der zusätzlich enthaltenen ätherischen Öle wirken krampflösend und blähungstreibend. Typische Vertreter sind Andorn, Beifuß, Hopfen, Kalmus, Pomeranze, Schafgarbe und Wermut.

Amara acria

In diesen Heilpflanzen sind bitter schmeckende Scharfstoffe enthalten. Vertreter dieser Gruppe sind Ingwer, Javanische Gelbwurz und Kurkuma.

Amara mucilaginosa

Als einzige Bitterstoffdroge gehört das Isländische Moos in die bitter-schleimige Gruppe. Es enthält Schleimstoffe und bitter schmeckende Flechtensäuren.

5.10 Carotinoide

Definition

Carotinoide sind gelbe bis rötliche Farbstoffe, die aus acht Isoprenbausteinen aufgebaut sind. Zu den bekanntesten Carotinoiden gehören ß-Carotin, Lutein und Lycopin.

Chemie

Die Carotinoide werden in zwei Gruppen eingeteilt:

Carotine, die nur aus Kohlenstoff- (C) und Wasserstoffatomen (H) bestehen

Xanthophylle, die neben Kohlenstoff und Wasserstoff noch Sauerstoffatome aufweisen

Carotinoide enthalten viele konjugierte Doppelbindungen. Das sind Doppelbindungen, die sich mit Einfachbindungen abwechseln. Sie sind für die intensive gelb-orange bis rötliche Färbung verantwortlich.

Lutein

Aufgabe der Carotinoide in der Natur

Hauptsächlich schützen Carotinoide die für die Photosynthese zuständigen grünen Chlorophyllmoleküle in den Pflanzen vor Zerstörung durch UV-Strahlen.

Löslichkeit der Carotinoide

Carotinoide sind sehr empfindliche, wenig stabile Inhaltsstoffe. Unter Einwirkung von Sauerstoff werden sie schnell umgebaut, was zu beobachten ist, wenn carotinoidhaltige Drogen beim Lagern ihre Farbe verlieren.

Carotinoide sind vor allem fettlösliche Verbindungen und daher

praktisch unlöslich in Wasser,

wenig löslich (Carotinoide) bis löslich (Lycopin) in reinem Ethanol (96 % v/v),

gut löslich in fettem Öl.

Zubereitung, Wirkungen, Einsatzgebiete (Indikationen)

Die Anwendung von Carotinoiden spielt in der Phytotherapie eine untergeordnete Rolle. Bisher wurden mehr als 750 verschiedene Carotinoide bestimmt. Sie haben eine antioxidative Wirkung, indem sie im Körper zellschädigende freie Radikale abfangen. Einige Carotinoide sind auch als Provitamine bekannt, die in den Dünndarmzellen in Vitamin A umgewandelt werden.

Am sinnvollsten ist es, die Carotinoide in Form von frischem und möglichst wenig verarbeitetem Gemüse (Karotten, Tomaten etc.) aufzunehmen. Damit sie im Darm überhaupt resorbiert werden können, ist bei der Aufnahme die Kombination mit einem fetten Öl oder mit Fett sinnvoll.

Als medizinische Einsatzgebiete werden eine mögliche Prophylaxe von Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen diskutiert.

Lutein wird nach der Resorption zur Netzhaut des Auges (Retina) transportiert und reichert sich im sogenannten »Gelben Fleck«, der Makula, an. Bei Patienten mit altersbedingter Makuladegeneration scheint dieses Carotinoid die Sehfähigkeit verbessern zu können.

Vertreter von carotinoidhaltigen Pflanzen

Hagebutten der Hundsrose

Kapuzinerkresse

Ringelblume

Sanddorn

5.11 Cumarine

Definition

Cumarine gehören zu den sekundären Pflanzeninhaltsstoffen und haben einen intensiven, an Vanille erinnernden Duft.

1822 wurde das erste Cumarin aus den Tonkabohnen, den Samen von Dipteryx odorata isoliert. Vom alten Gattungsnamen Coumarouna wurde die Bezeichnung der kompletten Inhaltsstoffgruppe abgeleitet.

Chemie

Cumarine werden in zwei unterschiedlichen Formen in Pflanzen gespeichert:

als Hydroxycumaringlykoside

als fettlösliche Cumarine

Cumarin

Hydroxycumaringlykoside sind Vorstufen der Cumarine. Beim Trocknen oder Welken cumarinhaltiger Pflanzen wird die Zuckerkette abgespalten, erst dann entwickelt sich der cumarintypische Duft. Ein schönes Beispiel dafür ist eine frisch gemähte Wiese, deren geschnittenes Gras in der Sonne welkt und erst dann den herrlichen Duft erzeugt.

Die zweite Gruppe, die fettlöslichen (lipophilen) Cumarine können sich bei Wärmezufuhr teils direkt vom festen Zustand in Gas verwandeln oder gelangen während der Wasserdampfdestillation in das ätherische Öl. Beispiele dafür sind die Zitrusfrüchte, deren Cumarine nach der Destillation direkt im ätherischen Öl nachweisbar sind.

Löslichkeit der Cumarine

Cumarine sind (nach Abspaltung der Zuckerkette) lipophil und daher

etwas löslich in Wasser,

gut löslich in höherprozentigem Ethanol (≥ 70 % v/v),

gut löslich in fettem Öl.

Zubereitung

Die Cumarindrogen können aufgrund ihres Löslichkeitsverhaltens folgendermaßen zubereitet werden:

Wässriger Auszug (Tee)

Die Löslichkeit in Wasser ist gering. Daher ist die Zubereitung eines Tees, wenn es um die Cumarine geht, weniger sinnvoll. Drogen mit hoher Cumarinkonzentration wie Waldmeister erzeugen dennoch ein gut wahrnehmbares Cumarinaroma in Bowle. Enthält die Bowle beim Ausziehen zusätzlich Alkohol, verstärkt sich der Geschmack.

Ethanolisch-wässriger Auszug (Tinktur)

Die Herstellung von Tinkturen aus Cumarindrogen ist sehr gut möglich. Cumarine lösen sich in höherprozentigem Ethanol, entsprechend wird daher zur Extraktion Ethanol mit einer Konzentration von 70 % v/v oder höher verwendet.

Auszug mit fettem Öl

Da die Cumarine lipophil sind, können sie problemlos mit einem fetten Öl ausgezogen werden. Cumarine dringen – wie die ätherischen Öle auch – durch die Haut, sodass ein Auszug mit fettem Öl als Massageöl oder nach Weiterverarbeitung zu einer Salbe oder Creme äußerlich angewendet werden kann.

Wirkungen

gefäßentkrampfend

ödemhemmend

lymphflussfördernd

durchblutungsfördernd

schmerzlindernd (analgetisch)

Einsatzgebiete (Indikationen)

Indikationen bei innerlicher Anwendung:

venöse Erkrankungen:

zur Ödemprophylaxe bei chronisch venöser Insuffizienz

bei oberflächlichen Venenentzündungen (Thrombophlebitis)

bei Hämorrhoiden

Lymphstau

Indikationen bei äußerlicher Anwendung:

stumpfe Verletzungen wie Prellung, Zerrung, Verstauchung, blaue Flecken (Hämatome)

Lymphstau

Muskelverspannungen an Rücken und Schulter

degenerative, nicht entzündliche Arthrose

Nebenwirkung

selten Kopfschmerzen

Hinweis: Im Rahmen einer Studie an Nagetieren wurde nach Cumaringabe eine Lebertoxizität beobachtet. Im Stoffwechsel von Nagetieren werden Cumarine zu leberschädigenden Verbindungen abgebaut, das passiert jedoch nicht beim Menschen. Hier sind Cumarine in physiologischen Konzentrationen nicht lebertoxisch!

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

keine bekannt

Wechselwirkungen (Interaktionen)

Zu erhöhter Blutungsneigung kann es kommen in Kombination mit

Thrombozytenaggregationshemmern (Acetylsalicylsäure, z. B. Aspirin) oder

Antikoagulanzien vom Cumarintyp (z. B. Marcumar).

Vertreter von cumarinhaltigen Pflanzen

Steinklee

Waldmeister

Heublumen

Kapland-Pelargonie

Tonkabohne

Mariengras (»sweet grass«, Räucherdroge)

5.12 Dicumarol

Dicumarol

Dicumarol ist eine Verbindung, die sich aus der Melilotsäure (Dihydrocumarinsäure) des Gelben und Weißen Steinklees in Verbindung mit Schimmelpilzen bildet. Dies kann beispielsweise in verdorbener Heusilage oder in feucht gewordenem Heu vorkommen. Dicumarol ist also kein natürlicher Bestandteil im Steinklee oder in anderen Cumarinpflanzen. Es wird auch nicht aus Cumarinen gebildet, wie man lange fälschlicherweise angenommen hat.

Bei Einnahme von Dicumarol wird die Blutgerinnung gehemmt, weil die Leberzellen keine Gerinnungsfaktoren mehr bilden. Entsprechend einer wesentlich verlängerten Blutgerinnungszeit kommt es zur hämorrhagischen Diathese, der bedrohlichen Blutungsneigung. Dieses Phänomen wurde an Rindern beobachtet, die verschimmeltes Heu mit hohem Steinkleeanteil gefressen hatten. Die dadurch ausgelöste Blutungsneigung führte in den meisten Fällen zum Tod durch inneres Verbluten.

Auf Basis dieser Beobachtungen entstand die Idee, Dicumarol medizinisch zur Blutverdünnung und damit zur Vermeidung von Blutgerinnseln (Thrombosen) einzusetzen. Als Ausgangsstoff diente diese Verbindung zur Entwicklung synthetischer Blutverdünnungsarzneimittel wie Marcumar.

5.13 Furanocumarine

Furanocumarine (auch Furocumarine genannt) werden oft den lipophilen Cumarinen zugeordnet, haben jedoch zusätzlich photosensibilisierende Eigenschaften. Sie können die Lichtreizschwelle der Haut herabsetzen und in Verbindung mit starkem Sonnenlicht (UV-Strahlung) phototoxische Reaktionen wie Entzündungen bis hin zu Hautläsionen auslösen. Diese Form der Hautreizung wird auch als Wiesendermatitis oder Photodermatitis bezeichnet.

Hinweis: Da Furanocumarine in der Haut gespeichert werden können, ist nicht nur die äußerliche Anwendung oder Berührung von furanocumarinhaltigen Pflanzen in Verbindung mit starkem UV-Licht schädlich, sondern konzentrationsabhängig auch die innerliche Einnahme.

Unter der Berloque-Dermatitis versteht man ebenfalls eine phototoxische Reaktion, die durch Furanocumarine in kosmetischen Produkten, meist ätherisches Bergamotte-Öl, ausgelöst wird.

Zu den bekanntesten Furanocumarinen gehören Psoralen, Bergapten und Xanthotoxin.

Psoralen

Pflanzen mit Furanocumarinen sollte man an sonnigen Tagen nur mit Handschuhen anfassen beziehungsweise ernten oder auf bedecktes Wetter warten. Bei innerlicher Einnahme oder äußerlichem Auftragen furanocumarinhaltiger Präparate sollte man auf Sonnenbäder verzichten.

Furanocumarine sind enthalten in

allen Bärenklauarten,

Weinraute,

allen Engelwurzarten,

Liebstöckel,

Pomeranze,

ätherischem Bergamotte-Öl.

5.14 Fette Öle

Definition

Fette und fette Öle sind wichtige Energielieferanten und gehören zusammen mit Proteinen (Eiweißen) und Kohlenhydraten zu den drei Grundbausteinen unserer Ernährung. Fette sind bei Zimmertemperatur halbfest bis fest, ein fettes Öl ist bei Zimmertemperatur flüssig, jedoch nicht flüchtig wie ein ätherisches Öl.

Fette dienen den Organen als mechanischer Schutz und helfen isolierend bei der Wärmeerhaltung des Körpers. Zudem dienen Fette als Ausgangsstoffe für Zellbestandteile, viele Hormone sowie Mediatoren und helfen bei der Resorption von fettlöslichen Bestandteilen unserer Nahrungsmittel wie den fettlöslichen Vitaminen A, E, D und K.

Chemie

Fette Öle und Fette sind Esterverbindungen aus Glycerol (= Glycerin) und drei Fettsäuren, die über die drei Hydroxylgruppen des Glycerols gebunden werden. Daher werden sie auch Triglyceride genannt.

Fette Öle und Fette unterscheiden sich aufgrund der verschiedenen Fettsäuren. Diese werden unterteilt in sogenannte »gesättigte« und »ungesättigte Fettsäuren«. Gesättigte Fettsäuren enthalten keine Doppelbindungen, ungesättigte hingegen können eine bis vier Doppelbindungen aufweisen. Zu den bekannteren gesättigten Fettsäuren gehören die Palmitinsäure und die Stearinsäure. Im Pflanzenreich haben wir es jedoch viel häufiger mit ungesättigten Fettsäuren zu tun wie Öl-, Linol-, Linolen- und Palmitoleinsäure.

Ungesättigte Fettsäuren haben einen niedrigeren Schmelzpunkt als die entsprechenden gesättigten Fettsäuren. Daher sind Fette mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren bei Zimmertemperatur flüssig.

Auch bei der Haltbarkeit spielen die Doppelbindungen eine Rolle: Fette mit gesättigten Fettsäuren sind deutlich länger haltbar, das heißt, sie oxidieren weniger rasch und werden nicht so schnell ranzig wie Fette mit ungesättigten Fettsäuren. Zudem sollten Fette mit ungesättigten Fettsäuren zumeist nicht erwärmt werden.

Fettsäuren, die der Körper nicht selber herstellen kann und die wir deshalb mit der Nahrung zuführen müssen, werden essenzielle Fettsäuren genannt. Hierzu gehören die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren wie Linolsäure sowie α- und γ-Linolensäure.

Aufgabe der fetten Öle in der Natur

Nicht nur bei uns Menschen, sondern auch im Pflanzenreich sind Fette und fette Öle wichtige Energielieferanten und Reservestoffe. Gespeichert werden sie im Fruchtfleisch wie bei der Olive oder den Sanddornfrüchten, überwiegend jedoch in Samen wie bei den Leinsamen, den Hagebuttenkernen sowie den Nachtkerzen- und den Borretschsamen.

Herstellung

Fette Öle können auf verschiedene Art und Weise gewonnen werden:

Pressung

Extraktion

Fette im Fruchtfleisch werden immer ausgepresst. Hier unterscheidet man kaltgepresste, also native Öle und Öle, bei denen Wärme eingesetzt wurde. Für Fette in Samen können beide Verfahren angewandt werden. Bei der Extraktion werden die Fette mit einem geeigneten Lösungsmittel wie Hexan herausgelöst und danach das Lösungsmittel verdampft, sodass das Fett zurückbleibt.

Weitere Unterschiede bestehen zwischen raffinierten und nicht raffinierten Ölen. Nicht raffinierte Öle werden zumeist kalt gepresst und können Begleitstoffe enthalten. Solche Begleitstoffe werden auch unverseifbarer Anteil genannt, der bis zu 0,2–1,4 % ausmachen kann. Bei Sheabutter erreicht er sogar bis zu 10 %. Gewisse Begleitstoffe können erwünscht sein wie Vitamine, natürliche Antioxidanzien (Vitamin E, Carotinoide, Squalen) und Phytosterole oder weniger erwünscht wie Lecithin, Schleime, freie Fettsäuren, Geruchs- und Geschmacksstoffe, aber auch Pestizide und andere Umweltgifte. Raffinierte Öle werden hingegen beim Pressen erhitzt, und Begleitstoffe werden entfernt.

Wirkungen

Generell wirken Öle

mild abführend,

hautpflegend.

Öle mit γ-Linolensäure (= Omega-6-Fettsäure in Borretsch, Nachtkerze) wirken

entzündungshemmend,

antiekzematös.

Öle mit α-Linolensäure (= Omega-3-Fettsäure in Leinsamen) wirken

Blutlipide und Cholesterin senkend,

antiarteriosklerotisch,

entzündungshemmend.

Öle mit Palmitoleinsäure (Sanddorn) wirken

stark wundheilend.

Einsatzgebiete (Indikationen)

Generell:

leichte Verstopfung

trockene Haut, trockenes Haar

Öle mit γ-Linolensäure (= Omega-6-Fettsäure in Borretsch, Nachtkerze):

atopische Dermatitis (Neurodermitis)

Ekzeme

Öle mit α-Linolensäure (= Omega-3-Fettsäure in Leinsamen):

Prophylaxe von Arteriosklerose

Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Senkung zu hoher Cholesterin- und Blutfettwerte

chronische entzündliche Erkrankungen

Öle mit Palmitoleinsäure (Sanddorn):

Wundheilung von Haut und Schleimhaut

Nebenwirkung

selten Verdauungsprobleme wie Durchfall

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

keine bekannt

Wechselwirkungen (Interaktionen)

keine bekannt

Vertreter ölreicher Pflanzen

Borretsch

Hagebutten (Hundsrose)

Leinsamen

Mandelbaum

Nachtkerze

Olivenbaum

Sanddorn

Walnussbaum

5.15 Flavonoide

Definition

Flavonoide wurden entdeckt, als man untersuchte, warum mit Pflanzen gefärbte Stoffe gelb werden. Die für die Gelbfärbung verantwortlichen Pigmentinhaltsstoffe nannte man Flavonoide, abstammend vom lateinischen Wort »flavus« für »gelb«. Erst später entdeckte man viele weitere Flavonoide, die außer gelb auch blau-violette oder weiße Farbtöne aufweisen können.

Chemie

Heute kennt man über 6500 verschiedene Flavonoide, die allesamt über das gleiche phenolische Grundgerüst, das sogenannte Flavangerüst, verfügen.

Flavan – Grundstruktur der Flavonoide

Basierend auf verschiedenen Substitutionsmustern werden sie in folgende Gruppen eingeteilt:

Flavanone in den Citrusfrüchten, z. B. Hesperidin

Flavone, z. B. Vitexin, Luteolin, Apigenin, Myricetin

Flavonole, z. B. Rutin, Quercetin, Quercitrin, Hyperosid, Kämpferol

Flavanonole

Anthocyanidine (= Anthocyane ohne Zuckerkette) und Anthocyane (s.

S. 25ff

.)

Chalkone

Vorkommen

Da die Flavonoide Endprodukte der Photosynthese sind, kommen sie in allen höheren Pflanzen vor, hauptsächlich in den oberirdischen Pflanzenteilen wie Blüte, Stängel, Blatt, Frucht und Rinde.