Pilgern auf dem Olavsweg - Michael Schildmann - E-Book

Pilgern auf dem Olavsweg E-Book

Michael Schildmann

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Beschreibung

NIDAROS - das Jerusalem des Nordens - war über Jahrhunderte ein sehr wichtiges Pilgerziel - bis zur Reformation. Seit einigen Jahren machen sich wieder Pilger auf den Olavsweg zum Nidarosdom im heutigen Trondheim in Norwegen. Michael Schildman pilgerte bereits auf dem Jakobsweg vom Somport-Pass nach Santiago de Compostela. In seinem zweiten Pilgerbuch beschreibt er seine Erlebnisse auf dem Olavsweg: von Oslo über Hamar, Lillehamer und das Dovrefjell zum Dom von Nidaros. So entstand ein nachdenkliches Tagebuch und ein besonderer Führer eines in sehr weiten Teilen noch recht einsamen Pilgerweges. Ganze fünf Pilger traf er unterwegs. Mit einem Vorwort des Hamburger Pilgerpastor von St. Jakobi Bernd Lohse.

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Für meine Frau und meine Tochter

Streckenplan / Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Warum?

Historisches zu König Olav

Tag 1 11.06. Freitag

Oslo/Granstangen - Skedsmo - Frogner(Kirche) - Arteid - Gård 35km

Tag 2 12.06. Samstag

Arteid Gård - Klofta - Ullern 10km

Tag 3 13.06. Sonntag

Ullern - Hovin/Kirche – Gardermoen - Elstad-Melby 16km

Tag 4 14.06. Montag

Melby - Dal - EidsvollenVerk - Mark-Gard/Eidsvollen 18km

Tag 5 15.06. Dienstag

Mark-Gard/Eidsvollen - Samleilokka - Lysjøen 22km

Tag 6 16.06. Mittwoch

Lysjøen - Granerud - Romsætra - Sorlia - Hestness Gård 18km

Tag 7 17.06. Donnerstag

Hestness Gård - Skaberud - Tangen - Ekeberg Gård 12km

Tag 8 18.06. Freitag

Ekeberg Gård - Stange Kirche - Sandvika - Hamar 22km

Tag 9 19.06. Samstag

Hamar - Skarderud - Furnes Kirche 8km

Tag 10 20.06. Sonntag

Furnes Kirche - Brumunddal - Veldre - Ringsaker 23km

Tag 11 21.06. Montag

Ringsaker - Moelv - Klovstad - Brøttum 21km

Tag 12 22.06. Dienstag

Brøttum - Bergseng - Granum - Lillehammer 20km

Tag 13 23.06. Mittwoch

Lillehammer 5km

Tag 14 24.06. Donnerstag

Lillehammer - Isakstua - Stutterud - Midli Aset 22km

Tag 15 25.06. Freitag

Midli Aset - Bergaust - Simengard - Börkerud Gard 15km

Tag 16 26.06. Samstag

Börkerud Gard - Glomstad - Prestangen - Berget 18km

Tag 17 27.06. Sonntag

Berget - Nordrum - Fåvang - Ringebu 14km

Tag 18 28.06. Montag

Ringebu - Valebrua - Frya - Hundorp 16km

Tag 19 29.06. Dienstag

Hundorp - Hove Kirkje - Skard - Kleiva - Soedorp 18km

Tag 20 30.06. Mittwoch

Soedorp - Vinstra - Sortiere - Rossellini - Kvam 15km

Tag 21 01.07. Donnerstag

Kvam - Lofta - Dalum - Varnhaugen-Gard/Rafting Center 11km

Tag 22 02. 07. Freitag

Varnhaugen-Gard/Rafting Center - Sel Kirke - Jørundgard 21km

Tag 23 03. 07. Samstag

Jørundgard/Nord Sel - Dovre/Budsjord 28km

Tag 24 04. 07. Sonntag

Budsjord - Dovrefjell - Furuhaugli 22km

Tag 25 05. 07. Montag

Furuhaugli - Avsjoen - Hjerkinn Hotel 15km

Tag 26 06. 07. Dienstag

Hjerkinn Hotel - Kongsvold Fjellstue - Ryphusan 35km

Tag 27 07.07. Mittwoch

Ryphusan - Oppdal Kirke - Björkelia Gård 33km

Tag 28 08.07. Donnerstag

Björkelia Gård - Dannalia - Vesl-Sætra - Hæverstolen 20km

Tag 29 09.07. Freitag

Hæverstolen - Gardstun Damtjønna Hütte 12km

Tag 30 10.07. Samstag

Damtjønna Hütte – Gunnes - Rennebu-Kirke - Tverdal 18km

Tag 31 11.07. Dienstag

Tverdal - Rikstad - Meldal - Olskastet 21km

Tag 32 12.07. Montag

Olskastet - Loekken - Svorkmo - Skytterhuset 15km

Tag 33 13.07. Dienstag

Svorkmo-Skytterhuset - Korslia - Mellingsaetra - Skaun 20km

Tag 34 14.07. Mittwoch

Skaun - Hogstra - Buvika - Sundet Gard 20km

Tag 35 15.07. Donnerstag

Sundet Gard – Trondheim - letzter Pilgertag 20km

Tag 36 16.07. Freitag

Trondheim

Tag 37 17.07. Samstag

Trondheim Ringve Museum 12km

Tag 38 18.07. Sonntag

Trondheim

Tag 39 19.07. Montag

Trondheim

Tag 40 20.07. Dienstag

Trondheim - Oslo

Tag 41 21.07. Mittwoch

Oslo, Mariakirche - Granstangen 10km

Tag 42 22.07. Donnerstag

Oslo

Tag 43 23.07. Freitag

Oslo - Bremen - Oldenburg

Vater

Pilgerwege - Lebenswege

Vorbereitung und Anreise

Literaturangaben

Danksagung

Landkarte

Vorwort

Das erste Bild, das ich von Michael Schildmann gesehen habe, war ein Panorama-Foto des Dovrefjells: Weite, ein schmaler Weg und Himmel. Es ist alles da, was eines Menschen Seele braucht. Die Weite, um frei zu werden und Überblick zu bekommen für sein Leben; einen Weg, und sei er noch so schmal, der zeigt, dass es weiter geht und ein Ziel gibt, irgendwo, auch wenn ich es noch nicht kenne oder erahne; und den Himmel als das starke Symbol dafür, dass es jenseits des Ichs eine unbegrenzte Wirklichkeit gibt, die unsere Wirklichkeiten segnen und inspirieren kann.

Pilgern ist Inspiration und dieses Buch möge vielen Menschen zu einer Quelle der Inspiration werden. Lust aufs Gehen und Neugier auf den Olavsweg, das wünsche ich den LeserInnen und Stöberern dieses Buches.

Pilgern ist Lebensweg – unterwegs wird mir manches bewusst und vieles klar. Am meisten aber, wie viel Himmel da mitten drin in meinem bisherigen Weg war: Gott, der durch jedes noch so kleine Astloch meines Bretterzauns lugte und nach mir sah. Meistens brauche ich erst den Abstand zum Alltag, um die weite Wirklichkeit zu begreifen. Als Hilfsmittel zum Begreifen taugen gute Bücher. Ich danke Michael Schildmann für seinen Beitrag zur Lebensdeutung mithilfe dieses schönen Buches.

Möge dieses Buch Ihnen ein solches werden und mögen sie Lust gewinnen auf eine bewusste Wanderung auf dem Pilgerweg Leben. Gott passe gut auf Sie auf.

Bernd Lohse

Nordelbischer Pilgerpastor an der Hauptkirche St.- Jacobi in Hamburg

In Oslo am alten Hafen findet sich dieser Stein - mein Ausgangspunkt

Warum?

Warum pilgerst Du den Olavsweg?

Diese Frage wird mir immer wieder gestellt.

2007 machte ich mich das erste Mal auf den Weg. Ich machte mich auf den Jakobsweg vom Somport-Pass bis nach Santiago de Compostela und weiter bis ans Meer bei Muxia. Es war eine lange Zeit des Nachdenkens. Aber es war auch eine Zeit, in der ich die Faszination des einsamen Laufens kennen lernte. Dazu kamen die Pilgerherbergen, einfach eingerichtet und überall zu finden. Ich fühlte mich versorgt und aufgehoben.

Das wollte ich gerne wiederholen, allerdings auf einem anderen Weg. 2010, als ich Zeit dafür hatte, war ein Heiliges Jahr und damit, das war mir klar, würden sehr viele Pilger auf dem Jakobsweg unterwegs sein. Darum entschied ich mich, den Hinweis einer Mitpilgerin vom Camino aufzunehmen und auf dem Olavsweg zu pilgern. Dieser Weg ist noch immer recht unbekannt. Erst durch eine zweiteilige Fernsehsendung Anfang 2011 ist dieser Weg mehr ins öffentlich Bewusstsein gedrungen. Aber er ist immer noch sehr wenig begangen.

2010 haben sich etwa 450 – 500 Pilger im Pilgerzentrum in Trondheim wegen einer Urkunde angemeldet. Nur ein kleiner Bruchteil davon ist vermutlich in Oslo gestartet und ist somit die ganze Strecke von 650km gepilgert. Und in Wirklichkeit kann man noch weiter südlich beginnen z.B. in Tønsberg an der Küste oder von Schweden heraufkommend.

Noch sind also nur wenige Menschen auf diesem Weg unterwegs.

Für mich war der Olavsweg durch die großartige Naturlandschaften Norwegens ein großer Gewinn. Ich wünsche mir, dass sich noch viele andere Pilger auf diesen Weg machen, er ist anstrengender und einsamer als der Jakobsweg. Das macht ihn anders, das macht ihn aber auch sehr spannend.

2010 wurde der Olavsweg vom Europarat als „Europäischer Pilgerweg“ anerkannt. Damit hat er den gleichen Status wie der Jakobsweg. Das entspricht auch seiner historischen Bedeutung, denn einst war er die viertwichtigste Pilgerweg – zum Jerusalem des Nordens, nach Nidaros.

Ein weiteres Motiv ist mir erst unterwegs immer deutlicher geworden. Ein Sohn pilgert auf den Spuren des Vaters. Mein Vater war ab 1941 während der deutschen Besetzung in Norwegen und ist auf genau der gleichen Strecke von Oslo nach Trondheim unterwegs gewesen. Fotos in alten Alben zeigen es. Gut, dass diese Zeit der Besatzung überwunden ist. Danke für die freundliche Aufnahme in Norwegen.

Diese überarbeitete Neuaflage enthält jetzt alle unterwegs verwendeten Landkarten, die ich mir 2010 von der norwegischen Webseite heruntergeladen hatte. Dadurch wird das ganze Buch noch authentischer. Vielen Dank an das Nationale Pilgerzentrum in Trondheim. Dank auch an meinen Lektor Nicolaus Bornhorn.

Einige Informationen zum Wikinger-König Olav

Olav II Haraldsson wurde im Jahr 995 geboren, sein Vater starb früh. Als junger Mann zog er mit den Wikingerraubzügen bis nach Spanien und diente englischen und normannischen Herrschern. Getauft wurde er in Rouen. 1015 kehrte er nach Norwegen zurück und kämpfte für die Christianisierung und die Einigung Norwegens zu einem einzigen Königreich, musste nach anfänglichen Erfolgen aber fliehen. Er fiel am 29.7.1030 in der Schlacht von Stiklestad, als er von Kiew nach Norwegen zurückkehren wollte.

Bald wurde von wundersamen Geschehnissen berichtet, das Volk verehrte ihn, die Kirche sprach ihn am 03. August 1031 als Märtyrer heilig. Es heißt, dass bereits am 3. August 1031 über seinem Grab eine hölzerne Kapelle errichtet worden sei. Ca. 1070 legte der norwegische König Olav Kyrre den Grundstein für den heutigen Dom. Er ließ die Kapelle durch eine steinerne Kirche ersetzen (1090). Immer mehr Menschen pilgerten nach Nidaros. Nach Beginn der protestantischen Reformation in Norwegen 1537 war dann das Pilgern unter Androhung von Strafe verboten. Katholische Rituale sollten so vermutlich ausgerottet werden.

Die Menschen wanderten damals auf schmalen Pfaden durch das unwegsame Gelände. Meistens waren die Wege der Pilger identisch mit den anderen Wegen aus der Zeit. In den Tälern mit den ältesten Ansiedlungen verlief solch ein Weg, der sogenannte „Tjodveien“, hoch am Berghang. Benutzt wurden sie von Reitern und Wanderern. Oft wählte man den direkten und damit kürzesten Weg, auf natürliche Gegebenheiten wurde wenig Rücksicht genommen. Die Pilger wanderten oft in Gruppen. Die schnellsten der Wanderer legten bis zu dreißig Kilometer am Tag zurück. Die gesamte Strecke war in Abschnitte von jeweils acht bis zehn Kilometer unterteilt. An ihren Enden standen Wirtshäuser, Herbergen oder die einfachste Form, das „Glückshaus“ oder „sælehus“, eine nicht bewirtschaftete Herberge auf Selbstbedienungsbasis.

Tag 1 11.06. Freitag

Oslo-Skedsmo-Frogner(Kirche)-Arteid Gård

Der Tag geht schon gut los. Bald nachdem ich Valeries Wohnung verlasse, komme ich zu den ersten gelben Pfeilen. Jetzt bin also auf meinem Weg; dem Olavsweg, der mich nach etwa sechshundertfünfzig Kilometern in Nidaros vor den berühmten Dom führen soll. Ich halte weiter nach den Pfeilen Ausschau, folge ihnen und gelange zu einer Schule, umrunde sie – und sehe an eine Schrift auf dem Boden. Ich bin irritiert. Obwohl in Norwegisch, verstehe ich sie als „Start-Ziel“. Ich bin den gelben Markierungen einer Schullaufstrecke gefolgt. - Also gehe ich wieder zurück und richtig, nach etwa sechshundert Metern komme ich an eine Wegkreuzung. Hier tauchen plötzlich diese gelben, aber mit einem anderen Pinsel gemalten Pfeile auf. So leicht gehe ich also in die Irre, so leicht lasse ich mich vom „richtigen“ Weg ablenken. Das habe ich so nicht von mir gedacht.

Im weiteren Verlauf finde ich dann jeweils rechtzeitig eine gelbe Markierung und verlasse so zügig die Stadt am östlichen Rand und gelange bei Stovner in ein Waldgebiet, das sich den Berg hinauf zieht.

Schon kurz nach dem Start hatte es leicht zu regnen begonnen, ich wollte aber nicht so schnell nachgeben und meinen Regenponcho überziehen. Als es im Wald dann in einen Dauerregen übergeht, muss ich einlenken. Ich gehe jetzt also als roter „Zwerg“ durch den Wald, immer bergauf, wahrlich über Stock und Stein. Es ist nass und rutschig. Zum Glück laufe ich mit meinen Wanderstöcken, so kann ich gut mein Gewicht und meinen Körper abfangen, meist schon bevor ich richtig ins Rutschen komme.

Niemand begegnet mir hier oben, selbst so nahe der Stadt bin ich schon allein. Es ist mir nicht unangenehm, nein, ich freue mich über die Ruhe, die Stille des Waldes, von Ferne höre ich zwar noch die Geräusche der Stadt, aber nur mehr sehr gedämpft. Eine erste Vorstellung von dem, was auf mich zukommt, schießt mir durch den Kopf.

Inzwischen laufe ich seit fast zwei Stunden durch den Wald. Erst ziemlich steil bergauf, dann kommt natürlich der Abstieg, ebenso steil bergab und wieder rutschig. Schließlich komme ich zurück auf normale Waldwege. Unter meinem Poncho „koche“ ich. Zwar gehe ich ein sehr ruhiges Tempo, aber trotzdem entsteht viel Wärme im Körper. Sie wird wegen des Regenponchos, obwohl er atmungsaktiv sein soll, nicht schnell genug abgeführt.

Weiterlaufen. Bei Lahaugmoen verlasse ich schließlich den Wald und folge einer kleinen Straße. Bei Hellerud folge ich den Markierungen entlang der Hauptstraße, biege also nicht sofort nach Norden ab in Richtung Ramstad, sondern überquere die E6 und biege erst dann ab. Bei Jogstad habe ich dann wohl eine Abzweigung übersehen. Dieser Fehler wird mir leider erst klar, als ich den Ortsanfang von Korsfjellet erreiche und mich damit an einer anderen Stelle der Karte wiederfinde als erwartet. Na toll, das geht ja gut los. Leise Zweifel an meinen Fähigkeiten nagen im Hinterkopf.

Inzwischen habe ich Hunger, aber es gibt keine Rastmöglichkeit, geschweige denn ein Café, wie ich es von Spanien gewohnt war. Schließlich lasse ich mich in einer Bushaltestelle nieder und esse eine Scheibe Brot. Danach schließe ich für einen Moment die Augen. Der Weg hierauf war eine einzige lange Steigung, ich bin müde. Was habe ich vor, was mute ich mir zu, warum das? Späte Pfadfinderträume? Vielleicht finde ich ja auch darauf Antworten.

Als ich nach einer dreiviertel Stunde weitergehe, stehe ich wenige Minuten später am Beginn einer Siedlung und vor einer Bäckerei mit Kaffeeausschank. „Schade,“ geht es mir durch den Kopf, „dass ich das nicht vorher bemerkt habe.“ Nach kurzer Überlegung gehe ich trotzdem hinein und mache erneut eine Pause, jetzt mit heißem Kaffee und Brötchen.

Noch immer ist kein Pfeil oder Pfahl zu sehen. Dank meiner Karte kann ich mich im Moment zwar auch ohne Markierungspfähle des Olavsweges zurechtfinden, aber da ich ohne die Karten offensichtlich nicht auskommen werde, will ich die 12 fehlenden Karten bis Hamar in einem Internetcafé ausdrucken lassen. (Ich hatte meine Planung erst in Oslo, nach Gesprächen mit Eivind Luthen, vom Westweg auf den ursprünglicheren Pilgerweg, den Ostweg umgestellt. Luthen hatte mir erzählt, dieses sei vielleicht nicht der schönere, aber der authentischere Weg. Die zugehörigen Karten konnte ich wegen eines Druckerproblems aber nicht mehr ausdrucken lassen.) Inzwischen wird mir allerdings klar, dass es hier auf dem Land schwierig werden wird, solch ein Internetcafé zum Ausdrucken der fehlenden Karten zu finden. In einem großen Malerfachgeschäft bei einem Einkaufszentrum erkundige ich mich nach solch einer Möglichkeit. Statt eine Zielbeschreibung zu geben, fragt mich der junge Mann an der Kasse: „Von welcher Internetseite möchten Sie die Karten denn herunterladen?“ Kurzentschlossen gibt er meine Angaben im Kassenterminal ein und ruft diese Seite auf. Und er druckt mir nacheinander alle zwölf Karten aus und will noch nicht einmal Geld annehmen. Ich bin überrascht und dankbar. (Dass die Auflösung nicht so gut ist wie bei meinem ersten Druck, merke ich erst später. Aber so verfüge ich wenigsten wieder über Kartenmaterial)

So abgesichert mache ich mich wieder auf den Weg. Noch immer regnet es. Nachdem ich erneut die Autobahn unterquert habe, finde ich endlich die Markierungen wieder. Mir wäre es am liebsten, ich fände sie rechtzeitig und müsste die Karte nur zur Absicherung und allgemeinen Orientierung benutzen. Für genaueres Orientieren ist der Maßstab nämlich zu groß. Aber die Realität unterwegs ist eine andere. Ich finde nicht immer die Markierung: entweder weil ich sie übersehe oder weil sie verschwunden ist, vielleicht auch nie existiert hat. So werde ich die Karten wohl auf dem ganzen Weg für die genaue Orientierung nutzen müssen.

Der markierte Weg biegt links als Feldweg von der Straße ab, es wird ruhiger. Erst nach einigen Kilometern komme ich bei Ullreng wieder an eine befahrenere Straße und muss nach Norden abbiegen.

Nach einigen Kilometern zeigt die Markierung, ohne auf einen wirklich erkennbaren Weg zu deuten, nach links - direkt auf einen Acker. Ich vermute, ich soll am Rande des Ackers laufen - durch das hohe, nasse Gras. Nicht sehr verlockend. Dann erkenne ich zum Glück den Grund für diesen besonderen Weg - in der Ferne kann ich Frogner Kirke sehen.

1918 brannte die alte romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert ab. 1936 wurden die Mauern, 1948 Dach und Boden und 1977 die Inneneinrichtung wiederhergestellt. Auf einigen Grabsteinen ist das Symbol der Jakobspilger, die Muschel, zu finden.

Die gegenwärtige Frogner nye kirke („neue“ Kirche) wurde 1925 fertiggestellt. Die alte Kirche steht auf einer Anhöhe schräg gegenüber der Frogner nye kirke, beide stehen etwas außerhalb des Dorfes.

Durch das kleine Dorf Frogner führt der Weg dann wieder zurück zur recht stark befahrenen Landstraße. In Wahrheit ist dieses Stück Straße eine einzige, lange Baustelle: es wird ein Rad- und Fußweg gebaut. Von der Absperrung lasse ich mich nicht abhalten und benutze ihn schon jetzt. So muss ich nicht mehr ständig auf Autos achten.

Kurz hinter Lindeberg geht es endlich ab von der Straße ins Grüne. Über einen kleinen Feldweg erreiche ich ein Waldgebiet. Dieser Weg soll der St. Olavspfad sein, den die frühen Pilger benutzten, um von Frogner zur Kirche von Ullensaker zu gelangen. Es ist wieder eine ähnliche Strecke wie am Morgen. Steinig, rutschig, ansteigend. Und es regnet wieder - alles in allem nicht gemütlich. Ich merke allmählich auch, dass ich schon über 30 km gelaufen bin. Und das am ersten Tag. Arteid Gård, wo es eine Herberge geben soll, liegt leider erst hinter diesem Waldgebiet. Kurz frage ich mich, ob sich nicht irgendwo am Weg ein Schuppen oder eine offene Hütte anböte. Im Moment würde ich selbst solch eine provisorische Unterkunft für die Nacht akzeptieren, aber es ergibt sich keine Gelegenheit. Also weitergehen.

Schließlich endet aber auch dieser Passage - an einem Waldrand. Und vor mir liegt eine große Wiese. Auf der anderen Seite sehe ich einen geschotterter Weg. Also folge ich dem Trampelpfad durch die Wiese und gehe den Berg hinauf zu einem links sichtbaren Bauernhof. Beim Näherkommen wird der Bauernhof zm Gutshof, so groß ist die ganze Anlage.

Es ist schon dämmrig, als ich am Wohnhaus klingle. Ich muss wohl verwegen aussehen. Nass, dreckig, verschwitzt, mit Regenponcho - eben ein roter Zwerg. Innerlich bin ich unsicher, halte eine Ablehnung meines Aussehens wegen für möglich. Die Reaktion des Mannes, der die Tür öffnete, tut mir dann richtig gut. Er freut sich und ruft: „Oh, ein Pilger. Herzlich Willkommen.“ Freundlich beschreibt er mir, in welchem der Gebäude ich die Herberge und die Toiletten finde und bietet mir an, nach dem Auspacken könne ich gern zu seinem Wohnhaus kommen und duschen. Diese Gelegenheit lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Ausgestattet mit einem kühlen Bier meines Gastgebers, komme ich nach dem Duschen zurück in meine Herberge.

Auf dem Gasherd bereite ich dann das Abendessen zu; es ist das erste von vielen Tütengerichten, das ich im Laufe des Weges noch verzehren werde. An frisches Gemüse ist schon aus Gewichtsgründen nicht zu denken. Ich habe wegen des Zeltes und der Kocheinrichtung ohnehin schon fast zwanzig Kilo auf dem Rücken. Mehr will ich nicht, auch wenn mir die Belastung zur Zeit keine Beschwerden bereitet. Mit Hilfe eines Heizlüfters gelingt es mir, in diesem alten und sehr rustikal eingerichteten Speicher eine angenehme Temperatur zu erzeugen. Er hilft im Übrigen auch, die Schuhe und die schnell durchgewaschenen Shirts und die Hose zu trocknen.

Längere Zeit noch sitze ich in einem alten Sessel, studiere die Karte für morgen, mache die ersten Eintragungen in mein Tagebuch und lausche dem Regen auf dem Wellblechdach. Mein Gedanken gehen zurück nach Spanien, auf meinen ersten Pilgerweg. Damals lernte ich im letzten Abschnitt Valerie, eine Australierin, kennen. Wir teilten mit anderen in einer Herberge in Saria das Abendessen und später einige Wegstrecken. Sie ist in Oslo verheiratet. Durch sie weiß ich von diesem einsamen Pilgerweg. Deutschsprachige Bücher gibt es noch nicht, einen veralteten englischen Führer habe ich im Rucksack. Und einen Satz Landkarten auf A4 – von der norwegischen Internetseite des Weges. Mehr Infos konnte ich nicht auftreiben.

Tag 2 12.06. Samstag

Arteid Gård - Klofta - Ullern

Die ganze Nacht prasselt es weiter auf das Blechdach. Und auch am Morgen regnet es noch immer. Es bleibt mir also nichts anderes, als wieder den Poncho überzuziehen. Erfreulicherweise sind die Stiefel getrocknet, und meine Stimmung ist gut. Klofta, der nächste größere Ort, ist nicht sehr weit. Weil die Herberge angeblich nicht sehr aufgeräumt war, brauche ich nichts zu bezahlen. So verabschiede ich mich nur noch von meinem freundlichen Gastgeber und gehe wieder los.

In Klofta finde ich nach kurzem Fragen das Einkaufszentrum jenseits der Bahnlinie nach Norden. Aber gibt es kein Internetcafé für einen besseren Ausdruck meiner Landkarten. In einem Elektronikladen erläutere ich mein Problem und ohne zu zögern druckt mir auch dieser junge Mann sofort (diesmal in Farbe und bester Qualität) die mir fehlenden Karten aus – wieder kostenlos. Anschließend ergänze ich meinen Nahrungsvorrat im Supermarkt und nutze dann das Café neben der Bücherei für ein kräftiges zweites Frühstück.

Heute muss ein besonderer Tag sein. Auf dem Platz gegenüber dem Café sind Zelte aufgebaut, und nach kurzer Zeit kommt ein Spielmannszug mit lauter Musik anmarschiert und schwenkt auf den Platz ein. Auf einmal sind dort auch ganz viele Leute. Trotz des Regens. Einen Anlass kann ich nicht erkennen.

Entlang der Hauptstraße führt mich die Karte aus der Stadt hinaus zu einem neu angelegten Verkehrskreisel. Nach etwas Suchen und Umherirren sehe ich von ferne mein nächstes Ziel: Ullensaker Kirke. Ich bin also auf dem richtigen Weg. Dort entdecke ich auch endlich wieder Markierungspfähle.

Der markierte Weg biegt bereits vor der Autobahn rechts ab und führt so nördlich am Dorf vorbei. Während in Spanien der Camino, der Jakobsweg, eigentlich immer ins Dorf hinein – zur Kirche - führt und dann wieder hinaus und weiter zum nächsten Dorf, führt der Olavsweg sehr oft am Dorf vorbei. Vielleicht, weil die Kirchen in vielen Fällen nicht im Dorfzentrum liegen; die norwegischen Dörfer und Ortschaften sind oft viel lockerer strukturiert als bei uns. Vielleicht liegt es aber auch daran: die „Väter“ des Olavsweges haben einfach vergessen, dass auch Pilger einmal einkaufen müssen.

Angekommen an der Ullensaker Kirche sehe ich gerade noch eine Hochzeitsgesellschaft, die in ihre Autos steigt und fort fährt. Die Kirchentür steht noch offen. Ich höre das Orgelspiel - der Organist übt vermutlich für den morgigen Gottesdienst, wie mein Vater es früher zu tun pflegte. Also gehe ich hinein und schaue mir die Kirche an. Drinnen treffe ich auf die Pastorin. Sie erzählt mir, man warte noch auf eine Taufe. Sie ist stolz auf ihre Kirche, gibt mir eine Broschüre zur Geschichte des Gebäudes und den Stempel in den Pilgerpass. Dann gehe ich wieder zurück zur Straße.

Ullensaker Kirke ist die vierte Kirche, die seit Ende des 11.Jahrhunderts an dieser Stelle steht. Die erste Kirche war aus Stein und wurde nach ihrer Zerstörung durch eine hölzerne Stabkirche ersetzt. 1768 wurde die Stabkirche durch eine hölzerne „normale“ Kirche ersetzt. Leider brannte diese nach fast 200 Jahren nieder. Die heutige Kirche wurde 1958 eingeweiht. Die prachtvolle Bemalung stammt von Alf Rolfsen. Weiter findet man eine Kanzel von 1649, einen steinernen Taufstein aus dem 12. Jahrhundert und ein Altargemälde von 1633, geschnitzt von Johan Reinholt.

Es ist inzwischen Nachmittag geworden. Heute morgen habe ich mir vorgenommen, nicht wieder so lange zu laufen wie gestern. Deshalb habe ich die Pilgerherberge in Ullern Vestre als Ziel vor Augen. Trotz mehrfacher Versuche, mich telefonisch anzukündigen, bekomme ich niemand an den Apparat.

Unterwegs vergewissere ich mich bei einem Bauern, er steht in seiner Hofeinfahrt, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Als er hört, wo ich übernachten möchte, „warnt“ er mich. Der Mensch dort sei ziemlich schwierig oder merkwürdig, ganz kann ich ihn nicht verstehen. Jedenfalls scheint er ihn nicht sehr zu mögen. Ich lasse mich davon aber nicht beirren und finde den Hof. Aber dann kommt es, wie ich es fast erwartet habe. Als ich den Hof erreiche, ist niemand da. Alles ist verschlossen. Nach einiger Zeit des Wartens baue ich schließlich mein Zelt auf und verkrieche mich im Schlafsack. Ich muss wohl eingeschlafen sein. Ein heftiges „Klack, Klack“ an der Haustür weckt mich. Ich stecke den Kopf aus dem Zelt und sehe zwei weitere Pilger an der Haustür. Aber während ich noch versuche, Kontakt zu den beiden aufzunehmen, öffnet sich hinter ihnen die Tür und der Hausherr erscheint. Ich staune nicht schlecht. Schließlich hatte ich vorhin kein Glück, als ich an die Tür klopfte und dann daran rüttelte.

Aber nun haben die beiden ihn offensichtlich wach geklopft. Oder er hat vorhin so intensiv meditiert, dass er nichts gehört hat. Kris stellt sich nämlich als Buddhist vor, als wir dann im Wohnzimmer bei einer Tasse Tee zusammensitzen. Und die beiden anderen Pilger erweisen sich als niederländisches Ehepaar, das wie ich mit Zelt und großem Rucksack auf dem Weg nach Nidaros ist.

Nidaros ist der historische Name für Trondheim.

links: Kirche von Ullensaker

Später schließt uns Kris die Dusche im Keller auf, sie ist in eher kläglichem Zustand. Aber sie hat warmes Wasser. Und die Flip-Flops schützen die Füße.

Ein Problem entsteht bei der Vorbereitung des Abendessens. Wir sollen bitte nicht im Haus kochen. Einen Imbiss gibt es aber weit und breit auch nicht. Schließlich stellt Kris einen provisorischen Tisch auf, bestehend aus einem alten Türblatt, gleich links neben der Eingangstür. Darauf baut Henk, der Holländer, seinen Kochherd auf. Es bedarf dann noch mancher Anstrengung und Fummelei, bis er seinen Herd funktionsfähig hat. Mein eigenes Essen ist da schon fast fertig – auf meinem kleinen Gasbrenner, den ich auf einer Gartenbank aufgebaut habe. Da ich geflogen bin, hatte Valerie mir die notwendigen Kartuschen in Oslo besorgt. Ins Flugzeug durfte ich sie nicht mit hineinnehmen.

Später sitzen wir gemeinsam im Wohnzimmer, das zwar auch als Schlafraum für Pilger genutzt werden kann – wir drei Besucher wollen aber alle lieber in unseren Zelten schlafen. Jeder erzählt etwas über sich selbst. Kris hat vor einigen Jahren den Hof der Familie übernommen, ist aber vorher viel herum gekommen und hat in Frankreich und Spanien u.a. als Wanderarbeiter im Wein- und Obstanbau gearbeitet. Jetzt ist er Landwirt und Journalist. Henk und seine Frau sind vor zwei Jahren von den Niederlanden nach Santiago gewandert – auf dem Jakobsweg. Für sie war das allerdings nur eine sportliche Herausforderung und kein Pilgern. Genau wie sie auch jetzt den Weg nach Nidaros nur als Wanderweg betrachten. Ihr Interesse ist nicht spiritueller oder religiöser Natur.

Und warum gehe ich? Meine häufigsten Erklärungen für den Jakobsweg 2007 waren „veränderte Lebensumstände“ und „eine unbestimmte Suche.“ Wonach ich wirklich suchte, war mir nicht bewußt. Manches wurde mir unterwegs klarer. Suchte ich nach meinem Weg in der mir noch verbleibenden Zeit auf Erden? Nach dem Sinn meines Lebens? Was ich fand, war ein neuer Blick auf mein Leben, auf meine Spiritualität, auf den Gott meiner Kindheit. Aber noch heute bin ich bin ein Suchender, fühle mich wie der „ungläubige Thomas“ aus dem neuen Testament.

Tag 3 13.06. Sonntag

Ullern-Hovin/Kirche-Gardermoen-Elstad-Melby

Am nächsten Morgen brechen wir gemeinsam auf. Der Hausherr Kris übernimmt die Führung – mit Machete, um mal wieder den Weg durch den Wald unterhalb des Ackers frei zu machen, wie er sagt. Das erste Wegstück führt schräg über eben diesen Getreideacker. Natürlich gehen wir im Gänsemarsch, um so wenige Pflanzen wie möglich zu zertreten. Dann gelangen wir in den Wald – ein Pfad ist hier nur mit Mühe zu erkennen. (Es ist wohl seit geraumer Zeit niemand mehr hier durchgelaufen; es gibt nämlich eine Alternativroute oben entlang der Straße. Sie ist leichter zu finden und leichter zu laufen.) Die Machete leistet somit gute Dienste.

Bald macht uns Kris auf Spuren von Elchen aufmerksam. Es sind die ersten, die mir begegnen. Zu Gesicht bekommen wir die Elche leider nicht. Am anderen Waldrand angekommen führt der Weg rechts am Ackerrand weiter. Uns so weit wie möglich rechts haltend, um die kommende Ernte zu schonen, folgen wir ihm. Schließlich gelangen wir wieder in ein Waldstück. Von irgendwoher höre ich einen Fluss rauschen. Dann merke ich wo „irgendwo“ ist, nämlich zwanzig Meter und einen steilen Hang tiefer. Zum Glück erwartet uns unten eine Brücke, sonst wäre wohl ein Umweg nötig geworden. Der Fluss Tveia führt heute ziemlich viel Wasser – vom Regen der vergangenen Tage.

Schließlich kommen wir, den Wald haben wir irgendwann verlassen und erneut eine längere Strecke an Ackerrändern zurückgelegt, an den ersten Bauernhof des heutigen Sonntags. Die beiden Niederländer wollen im Schatten der Scheune eine Kaffeepause machen. Es ist insgesamt aber erst eine gute Stunde vergangen, mir ist daher noch nicht nach Pause. Also gehe ich weiter. Ich bin auch ganz froh, wieder allein zu sein. Vielleicht werden wir uns ja wiedersehen. Und wenn nicht, ist es auch ok.

Kurz nach elf Uhr nähere ich mich einer Kirche. Ein Blick in die Karte zeigt, es ist die Kirche von Hovin. Von weitem schon ist auch hier schon die Orgel zu hören. Der Klang zieht mich an und ich beschließe, hinein zugehen und am Gottesdienst teilzunehmen. In der letzten Reihe finde ich einen Platz, Rucksack und Regenzeug habe ich schon im Turm abgelegt. Einige der Besucher staunen über den Fremden.

Die heutige Kirche von Hovin stammt aus dem Jahr 1675. Das Dorf lag damals an einer wichtigen Straßenkreuzung, bis es nach Osten Richtung Jessheim verlegt wurde.

Viele Frauen in der Kirche tragen ihre schöne norwegische Tracht, auch etliche Kinder sind schon so gekleidet. Dazu kommt, dass heute Taufen stattfinden sollen, im Gottesdienst, vor der ganzen Gemeinde. Vielleicht sind deshalb so viele Kinder mitgekommen. Es sind wohl zehn oder elf Taufen. Jede Familiengruppe kommt einzeln zum Altar. Dementsprechend lange dauert der Gottesdienst. Anschließend spreche ich den Pastor an und bekomme einen Stempel in meinen Pilgerpass. Dann mache mich wieder auf den Weg und komme wenig später am Grabhügel Raknehaugen vorbei.

Raknehaugen ist mit 77m Durchmesser und einer Höhe von 15 Metern der größte Grabhügel in Nordeuropa. Die Bronzezeit ist die Periode in der Geschichte der Menschheit, in der Metallgegenstände vorherrschend aus Bronze hergestellt wurden. Diese Epoche umfasst in Mitteleuropa etwa den Zeitraum von 2200 bis 800 v. Chr. Für die mitteleuropäische Bronzezeit sind Handelskontakte nach Nordeuropa (Bernstein) und in den Ägäisraum nachgewiesen. Als Zeugnis für die regen Handelskontakte gelten unter anderem die Felszeichnungen von Carschenna, eines Wegheiligtums an einem Saumpfad über die Alpen. Die Bronzezeit wird anhand der unterschiedlichen Bestattungsformen vorwiegend als Hügelgräberbronzezeit und Urnenfelderzeit bezeichnet. ( Wikipedia)

Irgendwo in der Nähe von Raknehaugen verliere ich die Markierungen - oder gibt es keine? Also orientiere ich mich erneut nach Karte. Es geht aber alles gut und ich komme, wie geplant, nahe des Flughafens Gardermoen aus dem Wald – und platze mitten in eine Verkaufsmesse für LKWs. Bei einem Anbieter von Spezialfahrzeugen bekomme ich einen Kaffee zu meinem Brot und mache eine kleine Pause in seinem Zelt. Aber bald wird mir das ganze Motorengeräusch (es werden ständig LKW Probe gefahren) zu viel und ich breche wieder auf.

Es dauert jedoch noch fast eine Stunde, bis ich in einen ruhigeren Seitenweg einbiegen kann und den beschilderten Weg wiederfinde. Aber jetzt höre ich die Flugzeuge, die in regelmäßigen Abständen starten oder landen. Gardermoen ist der wichtigste norwegische Flughafen. Im Häuschen einer Bushaltestelle lasse ich mich nieder, eine Pause ist fällig und Sitzgelegenheiten sind noch immer selten. Ich genieße den Ausblick in die abwechslungsreiche Mittelgebirgslandschaft: rundum grüne Wiesen und Wälder, die sich über sanfte Hügel hinziehen.

Beim Weitergehen taucht rechts von mir ein See auf (Hersjoen). Ich muss wohl schon eine ganze Weile parallel zum Ufer gelaufen sein, aber bisher war er verdeckt durch Wald und Sträucher. Gegen fünf Uhr habe ich eigentlich genug für heute. Laut Karte ist die nächste Unterkunft ein Hotel (da will ich nicht hin, weil es recht teuer ist). Eine andere Möglichkeit ist der Campingplatz auf der östlichen Seeseite. In dem ich die westlich des Sees liegende Straße wählte, habe ich mich aber schon in der Pause an der Bushaltestelle dagegen entschieden.. So gehe ich einfach weiter, ich habe ja mein Zelt. Dann sehe ich linker Hand einen großen, schönen Bauernhof. Rundum ist das Gras gemäht und der Rasen bildet an einer Stelle eine ebene Fläche. Das ist „mein“ Platz, denke ich. Ich gehe also den langen Weg hinauf zum Hauptgebäude und klingele. Der Empfang ist herzlich. Die Frau des Hauses stammt aus England und spricht daher perfekt Englisch, ihr Mann ist der Bürgermeister des Ortes.

Ja, ich darf mein Zelt auf dem Rasen aufbauen. Und anschließend darf ich duschen. Schließlich kann ich auf dem Herd in der Küche mein Essen zubereiten, derweil meine Wäsche in der Maschine steckt. ( Später bekomme ich sie sogar getrocknet zum Zelt zurückgebracht. Bei einem Pott Kaffee in der Küche stellt sich sogar noch heraus, dass sie mit dem Pastor aus Hovin befreundet ist, dem Ort, in dem ich heute morgen die Taufen miterlebt habe.

Als mein Essen fertig ist, gehe ich mit dem Topf zurück zum Zelt. Anschließend mache ich ein Nickerchen. Um halb zehn ist es immer noch sehr hell; ich schreibe Tagebuch, gehe dann spazieren, mache ein paar Fotos vom Hof und vom Zelt und schließlich auch von einigen Löwenzahnpflanzen im Gegenlicht der Abendsonne.

Noch immer starten und landen Flugzeuge; viele Frachtmaschinen müssen es sein, reime ich mir diesen starken Flugverkehr zusammen. Schließlich klettere ich in den Schlafsack und versuche zu schlafen. Noch immer ist es sehr hell draußen.

Tag 4 14.06. Montag

Melby-Dal-Eidsvollen Verk-Mark-Gard/Eidsvollen