Unterwegs auf dem Østerdalsleden - Michael Schildmann - E-Book

Unterwegs auf dem Østerdalsleden E-Book

Michael Schildmann

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Beschreibung

NIDAROS - das Jerusalem des Nordens - war über Jahrhunderte ein sehr wichtiges Pilgerziel - bis zur Reformation. Seit einigen Jahren machen sich wieder Pilger auf den Olavsweg zum Nidarosdom im heutigen Trondheim in Norwegen. In diesem dritten Pilgerbuch über einen Olavsweg beschreibt er seine Erlebnisse auf dem Frykenleden in Schweden und dem Østerdalsleden: von Karlstad über Sunne, Torsby, Höljes und die einsame Hochebenen, die Fjells, bis zum Dom von Nidaros. So entstand ehrliches Tagebuch und erneut ein erster Führer zu einem in Deutschland noch unbekannten Pilgerweg. Keinen einzigen Pilger traf er unterwegs.

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Für meine Frau und meine Tochter

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Forord

Tag 01: Donnerstag, 20.6. / Oldenburg-Berlin-Rostock-Kopenhagen

Tag 02 Freitag 21.6. 3:15 Kopenhagen-Göteborg-Karlstad

Tag 3: 22.6. - Karlstad – Nedre Frykken/ B&B Sköne Rum Fryksta 23km, Wetter: gemischt

Tag 4: 23.6. Nedre Frykken – 18km nach Navi „Zeltplatz“ Hagudden Mittsommernacht

Tag 5: 24.6. „Zeltplatz“ Hagudden – Humletorp 12km

Tag 6: 25.6. Humletorp – Prästbol 18km

Tag 7: 26.6. Prästbol - Lappnäs 27 + 2km tter: sonnig, bedeckt, Regen,

Tag 8: 27.6. Lappnäs – Lysvik 16 km sonnig, manchmal leichte Bewölkung

Tag 9: 28.6. Lysvik-Torsby 21 km (plus Auto ca. 5km)

Tag 10: 29.6. Torsby - Camping 45 21,5 km

Tag 11: 30.6. Overbyn/Camping 45 – Värnäss 35 km

Tag 12: Samstag 1.7. Varnäss, Wetter schön, leichter Wind, 4km

Tag 13: Sonntag 2.7. Renates Geburtstag, 28 km Varnäss - Brönäs / Maya, Wetter schön, leichter Wind

Tag 14: Sonntag 3.7. 10km , Auto + 7km Fußweg Brönäs -Ransbysätern, Wetter schön, leichter Wind

Tag 15: Dienstag 4.7. 23 km Ransbysätern-Långberget, Wetter schön, leichter Wind,

Tag 16: Mittwoch 5.7. 14Km Långberget - Södra-Aselbergsätern, Wetter schön, leichter Wind,

Tag 16: Donnerstag 6.7. 18km Södra-Aselbergssätern - Hölljes, sonnig, kühl, leichter Wind,

Tag 18: Freitag 7.7. Busfahrt 29km, Laufstrecke: 21 Km Hölljes-Mandfloen/Elfried, sonnig, kalt,

Tag 19: Samsatg 8.7. 23km Mandfloen - Trysil, erst sonnig, dann leicht bewölkt, kalt, dann regnerisch

Tag 20: Sonntag 9.7. / 9 km Trysil, erst sonnig, dann leicht bewölkt, kalt, dann regnerisch

Tag 21: Montag, 10.7. / 26 km Hyttegrend Trysil – Camping Fredbo, leicht bewölkt, nicht mehr so kalt, später regnerisch

Tag 22: Dienstag, 11.7. / 26 km Camping Fredbo - Eltdalen, regnerisch

Tag 23: Mittwoch, 12.7. / 21 km Eltdalen - Munkbetsætra, kalt. regnerisch, stürmisch

Tag 24: Donnerstag, 13.7. / 9km Munkbetsætra - Osdalssjøen,

Tag 25: Freitag, 14.7. / 22 km Søre Osdalssjøen – Nodre Rensjøen, klar, kühl, windig

Tag 26: Samstag, 15.7. / 17 km laut Navi Nodre Rensjøen-Åkrestømmen, blauer Himmel, wenig Wind

Tag 27: Sonntag, 16.7. / 32 km Åkrestømmen - Bergset, Mix, Gewitter, Wind, Sonne

Tag 28: Montag, 17.7. / 27 km Bergset-Smedberget, Mix, Gewitter, Wind

Tag 29: Dienstag, 18.7. / 26 km laut Navi Bergset/Smedberget – Hütte am Skårsjøen, Sonne, Wolkig, Wind

Tag 30: Mittwoch, 19.7. / 27 km Hütte am Skårsjøen - Småvangan Skihütte, Sonne, Wolkig, Wind

Tag 31: Donnerstag, 20.7. / 17 km Småvangan Skihütte - Tynset Sonne, Wolkig, Wind

Tag 32: Freitag, 21.7. / 26 km Tynset-Vingelen Sonne, Wolkig, Wind

Tag 33: Samstag, 22.7. / 21 km laut Navi Vingelen - Dalsbygda Regen

Tag 34: Sonntag, 23.7. / 22 km Dalsbygda-Spelmovollen anfangs diesig, dann sonnig, nachmittags Regenschauer und Sonne

Tag 35: Montag, 24.7. / 27 km nach Navi Såttåhaugen/Spellmovollen-Storbekkøya/Budalen anfangs diesig, dann Regenschauer, ab Mittag sonnig

Tag 36: Dienstag, 25.7. / 16 km nach Navi Storbekkøya/Budalen - Varda/Budalen anfangs diesig, dann aufgeklart, teils sonnig, später Regenschauer, abends trocken

Tag 37: Dienstag, 26.7. / 13 km Pilgerbua Varda/Budalen – Kari‘s Sommeresidenz/Bjørga/Singsås hell, leicht bewölkt, teils sonnig, trocken

Tag 38: Donnerstag, 27.7. / 21 km nach Navi Kari‘s Sommeresidenz/Bjørga/Singsås

Tag 39: Freitag, 28.7. / 10 km Pilgrimsbua Okstjønna - SkihütteSamatun hell, leicht bewölkt, teils sonnig, trocken

Tag 40: Samstag, 29.7. / 18 km Skihütte Samatun-Heimvollen hell, leicht bewölkt, teils sonnig, trocken

Tag 41: Sonntag, 30.7. / 13 km nach Navi Heimvollen-Fogdegården Borten sonnig, trocken, zeitweilig wolkig

Tag 42: Montag, 31.7. / 18 km nach Navi Fogdegarden-Rødde, sonnig, trocken, zeitweilig wolkig mit Regen und Gewitter

Tag 43: Dienstag, 1.8. / 8 km Rødde Folkehøgskole -Tiller/Birgittakloster sonnig, trocken,

Tag 44: Mittwoch, 2.8. / 15 km Tiller/Birgittakloster - Trondheim/Nidarosdom sonnig, trocken,

Tag 45: Donnerstag, 3.8. / Trondheim/Nidarosdom / sonnig, trocken,

Tag 46: Freitag, 4.8. / Trondheim/Nidarosdom leicht bewölkt, manchmal sonnig, trocken,

Tag 47: Samstag 5. August, Trondheim – Oslo Bahnfahrt, sonnig, Regen, abwechselnd

Tag 48: Sonntag, 6.8. / Oslo leicht bewölkt, manchmal sonnig, trocken,

Tag 49: Montag, 7.8. / Oslo leicht bewölkt, manchmal sonnig, trocken,

Tag 50: Dienstag, 8.8. / Oslo-Kopenhagen-Berlin-Oldenburg

Vorwort

Die Pilgerreise, sowohl in gestriger als auch in heutiger Zeit, besteht aus einer Wanderung über historische Pfade zu heiligen Wallfahrtsorten. Anders als früher leben wir heute in einer kulturell und religiös vielfältigen Gesellschaft, die auch das moderne Pilgerphänomen prägt. Der heutige Pilger definiert in einem größeren Ausmaß Ursache und Motivation für seine Pilgerreise. Die Pilger sind tolerant und auf der Suche, und der Pilgerweg ist für viele eine Reise, um Sinn im eigenen Leben zu finden.

Erlebnisse von Natur, Begegnungen und Gemeinschaft, Kultur und Geschichte sind wichtig. Zentral für viele ist der Wunsch nach Ruhe, Freiheit, Einfachheit, Sorglosigkeit, Stille, Spiritualität und gemeinsamem Teilen. Der Pilger von heute entscheidet frei über seine Pilgerreise, und niemand kann für sich in Anspruch nehmen, das Pilgerphänomen, aus religiösen oder anderen Gründen, zu beeinflussen und zu definieren.

Im Sommer 2012 traf ich in Stiklestad auf einen müden und vom Regen durchnässten Pilger, Michael Schildmann. Er war buchstäblich in die Fußstapfen von Olav Haraldson getreten und wanderte über Schweden zu dem Ort, wo Olav im Jahr 1030 in der Schlacht von Stiklestad getötet wurde.

So wie ich ihn später auch kennenlernte, ist Michael enthusiastisch, neugierig und gut gelaunt. Er freute sich darauf, auf diesem Weg zum Nidarosdom nach Trondheim zu gelangen.

Manche Leute gehen gerne auf vorgegebenen Pfaden. Andere ziehen es vor, ihren eigenen Weg zu gehen. Michael gehört zur letzten Kategorie; er ist ein Pionier, der die Stille in den Wäldern und Bergen sucht, und die alten Wege zum mittelalterlichen Pilgerziel Nidaros wiederentdeckt.

Diesmal ist Michael auf fast vergessenen und überwucherten Wegen von Karlstad nach Østerdalen und weiter nach Trondheim gewandert. Die Pilgerpfade müssen ständig neu markiert und in Stand gehalten werden, damit alle die Wege finden können; und Michael ist in dieser Beziehung ein Vorreiter.

Michaels Hingabe und Enthusiasmus begeistern und motivieren viele. Er inspiriert andere Menschen dazu, ihren Rucksack zu packen und sich auf eine Pilgerreise zu begeben, die Menschen in ihren Bann schlägt. Danke und gute Wanderung!

Trondheim, 4. Oktober 2018

Hans Morten Løvrød /Nationales Pilgerzentrum Trondheim

Forord

Å vandre på historiske leder til gamle helligmål er selve pilegrimsvandringens særkjenne, både historisk og aktuelt. Til forskjell fra tidligere tider lever vi i dag i et kulturelt og religiøst mangfoldig samfunn, dagens pilegrim definerer i større grad selv både årsak og motiv for sin vandring. Vår tids pilegrimsfenomen er preget av mangfold, pilegrimen er åpen og søkende og pilegrimsleden er for mange et sted å søke mening i eget liv. Opplevelser av natur, møter og fellesskap, kultur og historie, er viktige. Sentralt for mange er ønsket om langsomhet, frihet, enkelhet, bekymringsløshet, stillhet, åndelighet og det å dele. – Dagens pilegrim har selv eierskap til sin vandring, ingen kan gjøre krav på å «eie» dagens pilegrimsfenomen.

Sommeren 2012 møtte jeg en sliten og gjennomvåt pilegrim på Stiklestad. Michael Schildmann hadde bokstavelig talt gått i forsporene til Olav Haraldson tvers gjennom Sverige og inn til stedet hvor Olav ble drept i Slaget på Stiklestad i 1030.

Michael var entusiastisk, nysgjerrig og i godt humør, og han gledet seg til å fortsette vandringen inn til Nidarosdomen i Trondheim. Slik har jeg også lært han å kjenne i ettertid.

Noen mennesker liker å gå i gode spor, og andre liker å gå opp disse sporene. Michael tilhører siste kategori, han er en pioner som søker stillheten i skog og fjell, og som gjenoppdager de gamle ferdselsvegene mot Middelalderens pilergimsmål.

Denne gangen har Michael gått opp spor på gjengrodde veger fra Karlstad mot Østerdalen og videre til pilergrimsmålet i Trondheim. Fortsatt må disse vegene merkes og tilrettelegges for at andre lett kan finne fram, men Michael har vist vei.

Michaels engasjement og entusiasme gleder og motiverer mange, han er en døråpner som bidrar til at stadig nye mennesker pakker sekken og legger ut på en reise som berører. Takk, og god vandring!

Trondheim, 4. oktober 2018

Hans Morten Løvrød /Nasjonalt pilegrimssenter

Tag 01 Donnerstag, 20.6. / Oldenburg-Berlin-Rostock-Kopenhagen

Um viertel nach sechs setzt sich der grüne (Flix) Bus in Bewegung. Ich sitze in der zweiten Reihe rechts, habe mir ein Kopfkissen mit hineingenommen und bin bald eingeschlafen. Bremen und Achim sind noch zwei weitere Haltepunkte, dann sind wir auf dem Weg über Hamburg nach Berlin. Irgendwann bei Hamburg werde ich wieder wach, suche in meiner Tasche und finde ein Brötchen. In meiner Reihe, aber auf der anderen Seite des Ganges, sitzt ein Mann in meinem Alter. Wie er erzählt, fährt er zum Enkel“dienst“ nach Berlin. Seine eigenen sind bereits dreizehn und sechzehn, die seiner zweiten Frau sind drei und und noch nicht ein Jahr. Da kann ich etwas mitreden, ist doch unser Enkelkind fast zwei Jahre alt. Er selbst ist kein Wanderer oder „Pilgertyp“, wie er sagt, sondern erkundet die Welt per Fahrrad, mit seiner Frau und Freunden, früher durch die ganze Welt, jetzt entlang der deutschen Flüsse. Beim Warten in Berlin auf den Bus nach Oslo lerne ich einen weiteren Mann kennen. Er ist etwa zehn Jahre jünger als ich. Zur Zeit ist er arbeitslos. Als junger Mann ist er oft mit dem Interrailticket unterwegs gewesen, er zehrt noch heute davon, denn heute sitzt er nur noch auf einer Bank im Busbahnhof und träumt sich weg, fährt in Gedanken mit dem Bus davon. Die Ziele stehen ja außen dran.

Ich höre Mendelssohns Schottische Sinfonie auf dem Weg nach Rostock. 1829 war Felix Mendelssohn-Bartholdy in England und gegen Ende des Jahres in Schottland unterwegs. Ähnlichkeiten zwischen den Landschaften Norwegens und Schottlands scheinen mir nicht so sehr weit hergeholt… Die Gedanken fangen an zu laufen: Übernehme ich mich mit dem großen Rucksack? MUSS es so viel Essen sein, könnte man nicht erstmal schauen, vor Ort? Und der Weg ist immer noch unklar. Track benutzen oder jeweils neu abklären vor Ort? Wo gibt es Herbergen in Schweden? - Hin und her gehen meine Gedanken. Im Moment packt mich also wieder die „Angst“ etwas stärker (das geschieht nicht zum ersten Mal), aber jetzt lässt sich nichts mehr ändern.

„Dearest“, der alte Song von Buddy Holly – Flashback in unsere Anfangszeit, fast fünfzig Jahre ist das jetzt her. Viel Gefühl, Wehmut, Sehnsucht steigen in mir auf. Und trotzdem muß ich immer wieder raus? Muss ich mal wieder weit weg, um die Sehnsucht zu spüren? Neben mir sitzt jetzt ein älteres Paar. Er hat die Hände gefaltet, sie hat ihre Hand dazwischen geschoben. So machen wir es auch manchmal. Geht anderen das auch so, dass sie anfangen mit der Zeit zu geizen, wenn sie älter werden? Merken sie, dass da noch Träume nach Erfüllung drängen? Manches geht nicht zu zweit, manches geht nur zu zweit. Muß Trennung eingeübt werden, eine Zeit auch gelebt werden, um sich zu sagen: „Ja, ich kann es.“ „Ja, aber ich möchte es nicht.“ Wer auch immer länger bleibt, muss auch weiterleben können, kann man das üben?

Kurz nach sechs, auf der Fähre Richtung Gedser. Es bläst ein strammer Wind, die Fähre ist nur zu einem Drittel belegt. Im Restaurant esse ich schließlich Fischfilet, frittiert, dazu Pommes mit Majo. Selten habe ich so „ungesund“ gegessen in den letzten Jahren, aber meine Brötchen sind alle und die Auswahl hier im Restaurant ist eng begrenzt. „Die Wechselstube schließt in fünf Minuten.“ Diese Durchsage scheucht mich hoch. Sicherheitshalber wechsle ich zweihundert Euro in eintausendachthundertfünfzig schwedische Kronen. Etwas Bargeld bei sich zu haben, ist selbst in Schweden bestimmt nützlich. Draußen kreuzt eine Finnlandfähre unseren Kurs, kommt sie aus Kiel?

Göteborg centralstation - erbaut 1858

Karlstad - SFT-Wandrahem in den ehemalige Kasernen

Kurz vor acht. Ich sitze jetzt oben im Bus, in der zweiten Reihe, habe einen wunderbaren Blick auf die Landschaft, die rechts und links vorbeifliegt. Meist sind es weitläufige Getreidefelder. Vor mir sitzt ein Afrikaner mit seiner Freundin. Rechts redet eine Frau ununterbrochen, seit mehr als einer Stunde hängt sie am Telefon.

Halb zehn. Seit einiger Zeit stehen wir am Hauptbahnhof von Kopenhagen und warten, die Fahrer müssen Pause machen. Es erinnert mich an eine Nacht vor fünf Jahren, als ich nach Sundsvall unterwegs war, meinem zweiten Pilgerweg nach Trondheim und wir auf den Bus aus Paris warten mussten.

Von hier fahre ich noch bis Göteborg mit. Dort werde ich um etwa drei Uhr nachts eintreffen. Das ist mir allerdings erst unterwegs klargeworden. So frage ich mich im Moment: „Was mache ich um drei Uhr früh auf dem Bahnhof von Göteborg? Wo kann ich mich aufhalten, ohne dumm aufzufallen? Und wie überbrücke ich die Zeit bis zur Weiterfahrt nach Karlstad am Nachmittag?“

Tag-02 Freitag 21.6. 3:15 Kopenhagen-Göteborg-Karlstad

Zum Glück stieg hier in Göteborg ein junger Schwede mit mir aus. Er war mir behilflich bei der Suche nach einem Ort, wo ich mich aufhalten kann. Und so sitze ich jetzt mit einem Latte Macchiato bei McDonalds, nicht weit entfernt vom Bahnhof. Natürlich haben die meisten Lokale geschlossen, nicht so McDonalds. Sie haben rund um die Uhr geöffnet.

Außerdem haben sie freien Zugang zum WLAN. In einer Ecke sitzt ein alter Mann, er ist eingeschlafen, trotz der Rap-Musik. Ständig kommen Gruppen von jungen Leute, kaufen Burger, Cola, setzen sich und hinterlassen beim Aufbruch große Mengen an Müll. Jeder schaut ständig auf sein Smartphone. Die Jacke konnte ich inzwischen wieder ausziehen, die Heizung läuft. Irgendwann ist Schichtwechsel, es wird gereinigt, und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen die Plätze hinter den Tresen.

Heute ist die kürzeste Nacht, es ist Sommersonnenwende. Das merkt man selbst hier in der Stadt. Es wird nicht dunkel, und um 4:10 ist schon wieder Sonnenaufgang.

Im Bus hatte ich noch überlegt, ob ich mir ein Zimmer suchen sollte. Es erwies sich trotz Wi-Fi im Bus als schwierig, und in Göteborg angekommen habe ich dann verzichtet und den Aufenthalt als Teil des Abenteuers eingeordnet. Trotzdem lade ich mir jetzt einige Übernachtungs-Apps herunter, wie Hostworld oder eine Campingplatz-App für Skandinavien. Und dann ist da eventuell noch Airbnb, über die ich auch ein Zimmer finden könnte. Die meisten der jungen Menschen, die um diese Zeit noch auf Tour sind, sind chic gekleidet, viele scheinen afrikanische Wurzeln zu haben. Oder sind es Migranten? Ein junger Mann setzt sich an meinen Tisch. Er erzählt, dass er auf dem Bahnhof geblieben war, weil er den letzten Zug verpasst hatte. Dann sei er aber rausgeflogen, sein Aufenthalt dort über Nacht sei unerlaubt. Von ihm erfahre ich, dass ich meine Buchung für die Strecke von Göteborg nach Karlstad hätte einfacher und schneller haben können. (Ich hatte per Swebus gebucht, bekam aber eine Bahn/Busfahrt aufs Ticket.) „Hättest Du die Webseite der Schwedischen Bahn genommen,“ meint er, „hätte man Dir einfach ein Bahnticket verkauft. Vermutlich würde der Zug dann auch eher fahren als heute Nachmittag.“ Das wurmt mich natürlich ein wenig. Dann kommen weitere junge Leute, Freunde von ihm. Sie fragen mich über den Pilgerweg aus, haben noch nie vom Olavsweg gehört, finden Pilgern eine interessante Möglichkeit. Irgendwann brechen sie auf, nach Hause, ins Bett.

Und ich gehe um fünf Uhr zum Bahnhof, er ist wieder offen und hier wird es mir zu öde.

Im Bahnhof finde ich eine Bank, stelle den Rucksack neben mich und betrachte die Leute um mich herum, auch den Bahnhofsinnenraum. Dann versuche ich, am Automaten in der Nähe ein Ticket nach Karlstad zu buchen. Es gibt etliche Abfahrten, auch schon relativ bald, allerdings stelle ich beim Versuch zu bezahlen fest, dass ich den Pin meiner Mastercard nicht habe. Das, was ich dafür gehalten habe, ist nicht die richtige Zahl. Und unsere deutsche Bankkarte wird vom Fahrkartenautomat nicht akzeptiert. Jetzt werde ich langsam unruhig. Wenn ich hier schon nicht mit der Kreditkarte bezahlen kann, wie will ich dann unterwegs einkaufen – denn dafür hatte ich die Karte gedacht. In Schweden und Norwegen wird an jedem kleinen Kiosk die Kreditkarte akzeptiert und viel genutzt. So ein Mist, wieso habe ich das nicht ausprobiert? „Gut,“ denke ich, „dann gehe ich direkt in den Fahrkartenschalter und kaufe dort ein Ticket.“ Leider ist es noch lange hin, bis der geöffnet wird.

Der Mitarbeiter dort kann mir dann zwar auch nicht helfen, bringt mich aber auf die Idee, meinen Rucksack im Schließfach einzuschließen. Schon merkwürdig, dass ich nicht von allein drauf gekommen bin. Er passt hinein, und nun bin ich frei und kann mal den Bahnhof verlassen. Als ich an einem Bancomat vorbei komme, frage ich mich, ob dieser Geldautomat wohl die normale Karte nimmt – und Bargeld ausspuckt. Es klappt. Ich bin erleichtert. Meine Geldsorgen lassen sich also in den Griff kriegen. Nun kann ich in aller Ruhe in die Stadt gehen. Im Navi habe ich Karten, kann mich also nicht verlaufen.

Bald stehe ich vor und dann in der deutschen Kirche.

Die Christinenkirche in Göteborg

Sie ist das Gotteshaus der deutschsprachigen Kirchengemeinde. Im Jahre 1623, zwei Jahre nach Gründung Göteborgs, wurde dort eine deutsche Gemeinde gebildet. Sie bestand aus eingewanderten Protestanten aus den Niederlanden, Deutschland und Schottland, die beim Aufbau der Stadt mithalfen. Die Gemeinde hat 2014 etwa 900 Mitglieder und ist Teil der Schwedischen Kirche. Gottesdienste finden sonntäglich um 11:00 in deutscher Sprache in der Christinenkirche statt und werden von durchschnittlich 80 Personen besucht.

Zur Baugeschichte:

Die Grundsteinlegung einer steinernen Kirche erfolgte im Jahre 1634, sie wurde 1648 eingeweiht. Königin Christina hatte den Bau der Kirche finanziell gefördert und verlieh der deutschen Gemeinde am 28. April 1649 grundlegende Privilegien. Daher wurde die Kirche nach Königin Christina benannt. Am 10. Mai 1669 brannte die gesamte Nordstadt mit der Deutschen Kirche ab. Die Kirche konnte 1672 wieder eröffnet werden.

Die Christinenkirche erfuhr eine Renovierung in den Jahren 2000 bis 2001. Das Kupferdach des Turmes und eines Großteils des Kirchenschiffes wurden erneuert, die Mauern des Kirchenschiffes außen neu verputzt und innen neu gestrichen. Seit 1961 befindet sich ein Glockenspiel mit 42 Glocken im Turm der Kirche. Es lässt dreimal täglich Choralmelodien erklingen.

Wenig später erreiche ich den Dom, dort zünde ich drei Kerzen an. An der Tür hängt ein Hinweis auf eine Andacht um 12:00 Uhr. Bis es soweit ist, bummle ich weiter, komme in die Markthalle und esse eine schwedische Gemüsesuppe an einem der regionalen Stände. Nach der Zwölf-Uhr-Andacht im Dom bitte ich den Priester um einen Reisesegen. Er verweist mich an den Priester in Karlstad, bevor ich aufbreche morgen. Aber, so meint er, er würde auch gerne pilgern und fährt fort: „In diesen Tagen erreicht meine Frau Santiago.“

Kurz vor vier bin ich zurück im Bahnhof, hole ich meinen Rucksack wieder heraus und mache mich auf die Suche nach dem Bahnsteig. Irgendwie passen aber die verschiedenen Informationen nicht zusammen. Ich frage. Am Schalter der Schwedischen Staatsbahn verweist man mich knurrig an den Swebus-Schalter. Dort zeige ich meine Buchung vor, aber die Dame hinterm Tresen stellt nur fest, dass es diese Verbindung nicht (mehr) gibt. „Aber,“ so tröstet sie mich schnell, „ich drucke Ihnen eine andere Verbindung aus. Sie bringt Sie ohne Umsteigen nach Karlstad. Beeilen Sie sich bitte, ihr Zug fährt gleich los.“ Ich wundere mich über dieses Kuddelmuddel, aber was soll‘s. Ich habe eine Fahrkarte und ich werde rechtzeitig in Karlstad sein. Der Empfang in der Jugendherberge wird zwar nicht mehr besetzt sein, hat man mir gemailt, aber ich würde den Türcode bekommen, wenn ich vor Ort sei und dann eine bestimmte Telefonnummer anriefe. Jetzt muss ich nur noch meinen Zug finden.

Schließlich ruckelt der ältliche Zug gemütlich durch die sonnige Waldlandschaft und umrundet dabei den Vänern See an seinem Südufer. In Karlstad angekommen, lasse ich mich nicht ablenken oder zu einer Stadterkundung hinreißen, sondern gehe vorbei am Stadthotel, überquere den Klarälven, halte mich an der Värmland-Oper links und gehe zur SFT-Herberge bei den alten Kasernen.

Karlstadist eine schwedische Stadt in der historischen Provinz Värmland am Vänernsee und die Residenzstadt der heutigen Provinz Värmlands län. Die 61.492 Einwohner zählende Stadt (2015) ist der Hauptort der Gemeinde Karlstad und Sitz des Bistums Karlstad der Schwedischen Kirche sowie seit 1999 Universitätsstadt. Karlstad ist Schwedens siebzehntgrößte Stadt.

Värmland ist als Dichterlandschaft bekannt, und Karlstad beheimatete mehrere Kunstschaffende. Einer der meist geschätzten ist Gustav Fröding. Karlstads Symbol ist eine glückliche Sonne, bekannt durch die Sola i Karlstad. Der Legende nach war es eine stets fröhliche Kellnerin in ihrem städtischen Außenwirtshaus, welche der Stadt diesen sonnigen Ruf verlieh. Seit 1984 steht ihr zu Ehren vor dem Stadthotel eine Statue.

Vor der Herberge bekomme ich per Telefon den Türcode und beziehe mein Zimmer im zweiten Stock. Zwei Betten, aber ich bin allein. Endlich kann ich duschen und frische Wäsche anziehen. Nur wenige Menschen sind im Gebäude zu hören. Trotz diverser Umbauten merkt man noch, dass es ehemals eine Kaserne war.

Halb zehn: mein einfaches Essen ist in der Mitgliederküche schnell zubereitet. Mexikanischer Eintopf und die schnellen Drei-Minuten-Nudel. Anschließend mache ich einen Spaziergang und erkunde das alte Kasernengelände und seine aktuelle Nutzung. Um halb zwölf liege ich im Bett. Noch immer ist es draußen hell.

Tag 3 – 22.6. - Karlstad – Nedre Frykken/ B&B Sköne Rum Fryksta 23km, Wetter: gemischt

Zwanzig vor sieben: Mich hält es nicht mehr im Bett. Geduscht habe ich gestern Abend noch, also nur Waschen und Zähneputzen. Mein Rucksack steht fertig gepackt auf einem Stuhl. In der Nacht hatte es geregnet. Während ich im Bett dem Regen lauschte, dachte ich an meinen Plan, an meinen Weg, den ich heute morgen früh beginnen will. Das fängt ja gut an, ging es mir durch den Kopf. Dann aber sagte ich mir, das ist nicht der erste Regen auf einem meiner vielen Pilgerwege – und sicher auch nicht der letzte. Also was soll‘s, ich habe mein Regenzeug und bin nicht aus Zucker.

Und im Übrigen: jetzt ist es nur noch leicht bewölkt. Ich schließe mein Zimmer ab und suche den Frühstücksraum ein Stockwerk tiefer auf. Unterwegs stoße ich auf meine Wäsche. Ich hatte doch glatt vergessen, dass ich gestern Abend noch Wäsche gewaschen und im Flur des seitlichen Treppenhauses auf dem Geländer befestigt hatte. Ein Trockenraum war nicht zu finden gewesen und Menschen, die ich hätte fragen können, begegneten mir nicht. Allerdings war mir beim Herumgehen in diesem alten Kasernengebäude, in dem die Herberge untergebracht ist, die Wärme speziell in diesem Treppenflur aufgefallen. Ideal zum Wäschetrocknen, stieg sie doch vom Kühlaggregat im Keller in diesem Treppenhaus nach oben. Meine Wäsche ist jedenfalls trocken. Schnell sind Oberhemd, Hose und Unterwäsche eingesammelt, zurück in mein Zimmer gebracht und im Rucksack verstaut.

Zuerst bezahle ich die Übernachtung mit Kreditkarte und Unterschrift (ich brauche überhaupt keinen PinCode), dabei erweist sich mein DJH-Ausweis als nützlich für eine kleine Preisermäßigung, dann erkundige ich mich nach dem Frühstück. Ja, dort drüben ist der Frühstücksraum, macht noch einmal sechzig Kronen. Ok, denke ich, wer weiß, wann du das nächste vernünftige Essen bekommst. Lang zu. Es gibt das übliche Buffet: Saft, Milch, Müsli, Obst, dazu Tee oder Kaffee. Ich genieße es in aller Ruhe. Meine geplante Etappe ist nicht allzu lang und ich will alles ganz ruhig angehen lassen.

Dabei habe ich noch ein wenig Angst vor der eigenen Courage. Fast 50 Tage, über 700 km, davon etliche Strecken, die nicht auf Pilgerwegen, sondern auf meiner eigenen Planung basieren. Wie geht das? Finde ich Plätze zum Übernachten? Zeltplätze irgendwo in der Natur? Lieber wären mir Campingplätze (mit den hier typischen Hütten) oder B&B Plätze; jedenfalls hätte ich gerne eine Matratze. Das Zelt und die Isomatte, die ich mitführe, sind nur für den Notfall gedacht.

Um viertel nach acht bin ich fertig. Rucksack drauf, Treppe runter und raus. Ha, das Wetter hat sich noch weiter verbessert. Entlang der alten Kasernengebäude führt mein selbst angelegter Weg. Am Ende der Kasernenanlage nähere ich mich der befahrenen Durchgangsstraße und überquere sie an einer Ampel. Nach Plan sollte ich rechts der Straße folgen, neben ihr auf der alten Fahrbahn laufen. Dann sehe ich gegenüber den großen Platz, schaue auf meinen Navitrack und denke: „Wenn ich diesen Platz überquere, dann könnte ich doch sicher dahinten angenehmer und ruhiger weitergehen.“

Da ist es also erneut, mein „Problem“, meine innere Stimme, die sich immer wieder mit Zweifeln an der Wegführung meldet. Egal, ob der Weg von mir gemacht oder der Originalweg war, immer wieder tauchte schon früher diese Frage auf: wenn ich da laufen würde, dann könnte…, dann wäre doch bestimmt… Ich kenne diese Stimme schon lange. Schon auf meinem ersten Pilgerweg in Spanien hatte sie sich oft gemeldet. Damals habe ich sie mit der (meistens) gut markierten Wegführung unterdrückt.

Aber so manches Mal hat sie recht behalten, ich habe es von Zeit zu Zeit überprüft. Irgendwo tief in mir drin weiß ich ja, dass ich ein ganz gutes Raumgefühl habe und mich meist in der Landschaft zurechtfinden kann. Vorausgesetzt ich bin aufmerksam. Aber das ist leider nicht immer der Fall. Heute richte ich mich nach dem Track und Ende der Diskussion. Nach nicht einmal einem halben Kilometer entscheide ich dann doch wieder spontan und biege links in den Wald ab. So verlasse ich also zum ersten Male den vorgeplanten Track. Dieses Verfahren sollte sich bewähren. Die „grobe“ Richtung gibt der Track im Navi vor, über den genauen Weg entscheide ich unterwegs.

Die Strecke durch den Wald ist schön, dann gelange ich in den Vorort Råtorp, schaue mir die Siedlung an, verlasse sie am nördlichen Ende und komme endlich an den Klarälven. Auf der Karte hat es so schön ausgesehen, immer am Fluss entlang… Aber die Straße, die ich ausgesucht habe, hat viel zu viel Verkehr. Eine andere gibt es jedoch nicht. Also lauf ich auf dem breiten, asphaltierten Rad- und Fußweg.

Mein neuer Rucksack trägt sich gut, natürlich hatte ich ihn vorher erprobt, aber heute ist der erste Tag an dem ich ihn mit vollen Gepäck für mehrere Stunden auf dem Rücken habe. Es ist schon ein ordentliches Gewicht, das da auf meinem Rücken hockt. Genaugenommen tragen ja die Hüften den größten Anteil: der Hüftgurt schön eng geschnallt und die Schultergurte gelockert. So tragen die Schultern nur wenig und schmerzen nicht so leicht. Soweit die Theorie, und soweit auch meine Praxis. Gegen zehn mache ich die erste Pause und setze den Rucksack ab.

Als ich zwischen den Bäumen am Flussufer verschwinden will, bemerke ich ein Problem, einen Fleck vorne in der Hose. Das, was ich von früheren Pilgerwegen vom späten Nachmittag kenne, ist jetzt schon in den ersten zwei Stunden eingetreten. Der Bauchgurt drückt das Wasser aus meiner Blase nach unten heraus. Das ist eine Folge der Prostataentfernung, der ich mich vor Jahren unterziehen musste. Damals wurde der Schließmechanismus der Harnblase von zwei auf einen reduziert. Kommt jetzt starker Druck auf die Blase, dann quillt Urin heraus. Der verbliebene Schließmechanismus hält sonst wunderbar dicht, nur eben nicht unter dem Druck des Bauchgurtes. Da der nun mal so eng sein muß, werde ich fortan also mit einer (selbstgebauten) Einlage laufen. Was soll‘s. Es gibt Schlimmeres.

Nachdem alles wieder ok ist, esse ich ein Sandwich, das ich heute morgen beim Frühstück machen durfte und breche dann auf. Dreißig Minuten später gelange ich nach Skare und gleich am Ortseingang erwartet mich eine Tankstelle. Tankstellen sind oft kleine Begegnungsstätten. Hier tankt man, trinkt einen Kaffee oder nimmt schnell einen Pölser (Currywurst) zu sich, schwatzt ein wenig, kauft ein, was man vergessen hat und düst dann weiter. Genauso mache ich es auch. Der bestellte Milchkaffee aus dem Automaten ist dann leider nur ein normaler Kaffee. Durch viel Milch und etwas Zucker wird er doch genießbar (wenn auch leider lauwarm), das Stück Kuchen dazu schmeckt ganz prima. Bezahlt wird wieder mit (Kredit)Karte. Zusätzlich muß ich noch den Ausweis vorzeigen und eine Unterschrift leisten.

Das Bargeld ist in Schweden zwar nicht abgeschafft, aber es tritt sehr in den Hintergrund. Für mich ist das praktisch, denn so brauche ich nur selten einen Bancomat, wo ich Geld abheben könnte. Während der Kaffee vor mir steht, versuche ich zum ersten Male, einen „Punkt“, meinen aktuellen Standort, nach Hause zu schicken. Das geht recht einfach aus dem Navigationsprogramm heraus, das ich als App auf das Smartphone aufgespielt habe. Einfach per längerem Fingerdruck an der gewünschten Stelle einen Punkt „öffnen“ und mit „Teilen“ per E-Mail nach Hause senden. (Heute an meine Frau, meine Tochter und an meinen Freund Nicolaus, der meine Basisstation darstellt.)

Hier an der Tankstelle verlasse dann ich schon wieder meinen Track und gehe lieber durch den kleinen Ort. Gleich an der nächsten Abbiegung steht ein Supermarkt. Dort ist ein Kommen und Gehen, aber ich brauche nicht einzukaufen. Die meisten Menschen schauen brummig, oder schauen gar nicht, soll heißen: vermutlich sind sie in Gedanken ganz woanders. Eine Frau in einem schönen blauen Pullover, vermutlich in meinem Alter, kommt heraus und strahlt mich an. Gerne würde sie mit mir gehen, meint sie, aber leider… Sie zuckt mit den Schultern und wünscht mir einen guten Weg.

Ich gelange an einen Dorfplatz mit einem kleinen Teich. Nebenan ist die Schule. Als ich den Ort nach Norden verlasse, komme ich an einer Flüchtlingsunterkunft vorbei. Viele der Fremden sitzen draußen, andere gehen in meiner Richtung, zur Hauptstraße und zu einer Bushaltestelle. Die zwei, mit denen ich spreche, kommen aus Afghanistan. Sie stutzen, weil ich so offensichtlich auf Reisen bin, mit Rucksack. Wo allerdings Trondheim liegt, ist ihnen nicht ganz klar. Aber sie sind freundlich, fast fröhlich. (Darüber, dass sie in Sicherheit sind?)

Der nächste Ort an dieser Straße ist Grava. Ich hatte den Track schon bei der Planung hier von der Straße auf einen Nebenweg verlegt und merke jetzt, das er in ein Naturschutzgebiet führt. Und dass er zu der kleinen Kirche führt, deren Turm mich schon seit einiger Zeit anschaut. Hier erlebe ich eine Überraschung. Neben den Tafeln mit historischen Informationen steht ein Pfahl mit dem Symbol des Olavsweges. Eine große Freude durchzuckt mich. Hier schon, wie wunderbar. Ich bin bereits auf dem Olavsweg. Da mache ich eine Pause, um mir die Kirche anzuschauen. Leider ist sie verschlossen. Aber dann entdecke ich die Friedhofsarbeiter. Sie schicken mich zu einem flachen Gebäude und siehe da, eine Mitarbeiterin des Kirchenbüro kommt mit, schließt mir die Kirchentür auf, erklärt mir einige wichtige Daten und lässt mich dann allein. „Wenn Sie fertig sind, sagen Sie bitte im Büro Bescheid“ Nach einiger Zeit verlasse ich die Kirche und suche mir einen windgeschützten, aber sonnigen Platz und mache Mittagspause. Auch ein kleines Schläfchen genehmige ich mir.

Grava Kirche

Das erste Mal, dass der Name Grava in irgendeiner Handlung erwähnt wird, ist in einem Spendenbrief von 1359, als ein Mann namens Olof, ein Priester in Grava, erwähnt wird. Daher kann angenommen werden, dass Grava im frühen Mittelalter eine Kirche hatte. Laut Erik Fernows „Owerwer Wermeland“ (1773-79) wurde diese aus Holz gebaut und lag nördlich der heutigen, vielleicht unter dem nördlichen Kreuzarm, der erst 1764 hinzugefügt wurde. Klein und unbedeutend muss diese erste Gemeinde gewesen sein. Als die Kirche durch eine neue ersetzt wird, ist diese aus Stein gebaut und etwas größer. 11 Meter lang, 6,5 Meter breit und 6 Meter hoch. 1635 wurde sie erweitert und man begann, einen Turm zu bauen. Im Jahr 1645 hatte die Kirche ihre volle Länge in west-östlicher Richtung. Im Jahr 1684 wurde der südliche Kreuzarm hinzugefügt, was der Kirche eine seltsame Form gab. 1764 - 1770 erhielt die Kirche die kreuzförmige Grundrissform, die sie jetzt hat. 1862 wurde der Turm wieder aufgebaut.

(Nach: www.svenskakyrkan.se)

Obwohl Karlstad sicher ein bedeutender Ort mit wichtigen Kirchen ist, konnte ich mich nicht für einen Extratag entscheiden. Wenn ich nach der Anreise vor Ort eintreffe, dann zieht es mich geradezu zum Aufbruch, dann gibt es kein Halten. Nur einmal, in Porto im Norden Portugals, als ich mit meiner Frau den Portugiesischen Weg nach Santiago de Compostela gehen wollte, gönnten wir uns einen Tag, um diese wunderbare Stadt genauer zu durchstreifen.

Als ich wieder aufbreche, gehe ich in der Stille, jedenfalls eine kurze Wegstrecke. Der Weg ist fern der Hauptstraße, verläuft erst am Klarälven, dann allerdings folge ich der Landstraße 725 entlang des Södra Hyn. Hier ergibt sich auch wieder ein kleiner Umweg, näher an den See heran. Überall finden sich Ferienhäuser mit Zugang zum See. Später folge ich der Landstraße 714 von Dyvelsten nach Kil. Bei Illberg lasse ich mir die Chance auf eine Nebenstrecke entgehen, habe schlichtweg gepennt. Erst Richtung Apertin biege ich wieder links ab, ein wenig in der Hoffnung auf einen Schlafplatz. Hier soll auch der alternative Startpunkt für den „Frykenleden“ liegen. Es handelt sich dabei um einen markierten Pilgerweg von Kils nach Torsby entlang des langgezogenen Fryken-Sees. Ich habe ihn beim Googeln irgendwann aufgespürt und dank eines Tracks auf Google-Earth mit in meine Planung einbezogen. Dabei kam mir zugute, dass er mehrere Vorschläge für Übernachtungsplätze enthält. Das gab der Planung für eine begrenzte Strecke schon eine gewisse Grundstruktur. Der andere Startpunkt liegt in Kils am Bahnhof.

Grava Kirche

Leider ist das Hotel im ehemaligen Herrenhaus von Apertin heute geschlossen. Ich kann somit nur durch den öffentlichen Park gehen, komme dann auf der anderen Seite zu einer kleinen Siedlung und gelange schlussendlich wieder auf die Landstraße 714, inzwischen nahe der Trabrennbahn. Aber in der Nähe befindet sich auch der alte Kirchplatz von Stora Kil mit verwitterten Grabsteinen und einer achteckigen Grabkapelle, umgeben von einer Steinmauer. Hier mache ich erneut Pause.

Der alte Kirchplatz von Stora Kil

Bis zur Mitte des 17.Jahrhunderts gab es hier eine mittelalterliche Kirche auf diesem Friedhof. Dann wurde von 1652-1673 eine neue steinerne Kirche erbaut, aber schon 1864 wieder abgerissen.. Die Gemeinde hatte statt dessen in Tollstad am Frykensee eine neue Kirche erbaut.

Die Broman-Löwebhjelm Kapelle wurde am Ende des 17. Jahrhundert erbaut. Broman war von 1673-1693 Bischof von Karlstad und hatte seine Residenz im nahegelegenen Apertin. Als später die Kirche abgerissen wurde, übernahmen die Eigentümer von Apertin die Verantwortung für die Kapelle. Die letzte Person, die darin begraben wurde, war die Herzogin von Gerdten. Über der Tür des achteckigen weiß gekalkten Bau findet man einen Kelch, das Zeichen für das Grab eines Priesters.

Auf dem Friedhof selbst findet man vier Bischofsgräber und das eindrucksvolle Memorial der 1811 verstorbenen Mmlle Fahlbeck.

Eigentlich reicht es für den ersten Tag. Aber wieder zieht sich der Weg, es kommt kein Übernachtungsplatz. Der nächste Platz ist noch etwa drei oder vier Kilometer entfernt. Er liegt am Fryken, dem endlos langgezogenen See, dem ich mich gerade nähere. Aber vorher muß ich noch die Bahnlinie von Kil nach Deje unterqueren, dann rechts abbiegen, schließlich links ab am See entlang und… Das angekündigte Wandererheim ist nicht zu sehen, nur Privathäuser. Als der auf der Karte markierte Punkt schon hinter mir liegt, sehe ich zwei Männer in einem Garten. „Ja, Sie sind an einem Wandererheim vorbeigekommen, aber es ist wohl geschlossen. Doch direkt vor Ihnen kommt ein weiteres.“ „B&B Sköne Rum Fryksta“, wie sich herausstellt. Diesen Namen hatte ich irgendwann schon auf Google Maps gesehen. Die preiswerteren Räume bewirbt der Besitzer auch als Wandererheim.

Der erste schwedischen Bahnhof

Ich klingele, bekomme tatsächlich ein freies Zimmer und kann in aller Ruhe duschen, meine Wäsche waschen und mich dann eine halbe Stunde aufs Bett legen. Diese Zeit des Ankommens ist jeden Abend sehr wichtig, erlaubt sie mir doch zugleich erste Entspannung und einen ersten Rückblick auf das Geschehen des zu Ende gehenden Tages.

Es ist zehn nach neun, als ich mich in den gepflegten Garten setze und einen Kaffee mit viel Milch bestelle. Ich bin ziemlich groggy von diesem ersten Tag, immerhin waren es etwa zweiundzwanzig Kilometer. Der Gastgeber kommt kurz zu mir und erzählt, dass ich an einem historischen Ort übernachte, nämlich dem ersten schwedischen Bahnhof überhaupt.

So gehe ich wenig später die Treppe hinunter zum tiefer gelegenen Bahngleis und dann weiter zum Ufer des Sees. Hier genieße ich den Sonnenuntergang und die Spiegelungen im gegenüberliegenden Uferbereich. Und ich versuche die sich spiegelnden Wolken im Wasser auf die eine oder andere Weise zu fotografieren, auch als Panoramaserie. Bis auf zwei junge Mädchen, die sich in der Nähe dieses alten Bahnbereiches zu einem Schwatz niedergelassen haben, bin ich allein. Auch von den Hausgästen ist niemand zu sehen. Zurück im Haus und mächtig hungrig setze ich in der Gästeküche schnell Wasser auf, rühre meine Fertigmahlzeit hinein und habe zehn Minuten später ein sättigendes Nudelgericht. Ein Becher Joghurt rundet das Essen ab.

Der erste schwedischen Bahnhof - Die Frykstad-Klarälven Eisenbahn

Die Eisenbahn zwischen Fryksta im unteren Fryken und Lycks am Klarälven war Schwedens erste Eisenbahn. Die Frykstabanan folgte einer 8 km langen, alten Transportlinie und hatte die ungerade Spurweite 1099 mm. Die Eisenbahngesellschaft erhielt am 9. Februar 1849 eine Konzession. Schon am 5. Mai 1849 erfolgte der erste Spatenstich und am 5. September des gleichen Jahres Jahres konnte König Oscar die Eisenbahn eröffnen.

Zu Beginn wurden Pferde und Ochsen als Zugtiere auf der Schiene verwendet. Ab 1856 wurde eine Dampflokomotive eingesetzt. An Lyckans Frachtdock befand sich eine Dampfschiffbrücke, von wo aus die Ladung weiter mit dem Dampfschiff nach Karlstad und nach Vänern transportiert wurde. Hauptsächlich transportierte man Eisen- und Sägewerksprodukte, aber ab dem 1. Juli 1856 konzentrierte man sich auf den Personenverkehr. Drei bis sechs Züge fuhren pro Tag und die Wirtschaftlichkeit auf der Strecke war gut. Im Herbst 1871 wurde die Eisenbahn jedoch wieder abgebaut, Konkurrenz hatte sich aufgetan. Eine 3 km lange Seitenlinie von Fryksta nach Kil ersetzt sie. Ein neues Bahnhofshaus an etwas anderer Stelle entstand. Die 1. Lok „Fryckstad“ ist derzeit im Schwedischen Eisenbahnmuseum in Gävle zu sehen.

Zum Ausklang des Tages setze ich mich mit einem Becher Tee in mein Zimmer, schreibe im Tagebuch und schaue im Navi die Strecke des morgigen Tages an. Dabei wird mir klar, dass weiterhin Straße vor mir liegt. Die Wege, die davon abführen, enden leider immer irgendwo am Ufer des Fryken, vermutlich bei Ferienhäusern. Aber es könnte auch sein, dass meine Landkarte nicht genug Informationen enthält. Denn schon auf dem letzten Stück hierher kam ich an Wegeinmündungen vorbei, die ich so nicht auf der Karte fand. Und das Gleiche galt für kleine Siedlungsgebiete mit zwei, drei oder vier Häusern. Ich bin unzufrieden mit der Karte, aber die ausgedruckte Papierkarte ist noch ungenauer. Und für etwa siebenhundert Kilometer Wanderstrecke genauere Karten mitzunehmen, ist unmöglich.

Ich hatte anfänglich überlegt, vor Ort (wo wäre das hier?) zu schauen. Aber heute ist mir kein geeigneter Laden begegnet, auch die Tankstelle heute Vormittag hatte nichts Passendes. Wieso auch? Welcher Wanderer kommt dahin und will eine Wanderkarte kaufen? Und im Supermarkt brauchte ich überhaupt nicht zu schauen, das wusste ich noch von früheren Versuchen. So bleibt nur, den Gastgeber zu fragen. Morgen beim Frühstück, das ich mit gebucht habe, werde ich ihn fragen und habe die Hoffnung, dass er mir helfen kann, habe ich doch im Haus einen Flyer mit regionalen Wanderstrecken entlang des Fryken gesehen. Aber so ganz ohne Beratung möchte ich dort nicht laufen, denn mir ist nicht ganz klar, wo der Weg endet. Es scheint einen unwirtlichen Teil am See zu geben.

Als ich heute Abend ankam, tat mir alles weh und ich dachte, morgen kann ich nicht weitergehen. Jetzt kann ich es mir wieder vorstellen, freue mich fast schon wieder darauf. Vielleicht die etwa zwölf bis vierzehn Kilometer bis zum „Zeltplatz“ Nilsby. Na ja, vermutlich werde ich mich noch ein paar Tage quälen, Muskelkater haben, bevor es dann besser wird und sich die Regelmäßigkeit des Tagesablaufes einstellt, eben die „Pilgerroutine“.

Tag 4 23.6. Nedre Frykken – 18km nach Navi „Zeltplatz“ Hagudden Mittsommernacht

Es ist gerade acht Uhr, als ich zum Frühstücksraum hinüber gehe. Ich hätte mir auch die achtzig Kronen sparen können, geht mir kurz durch den Kopf. Es muß ja nicht immer der große Luxus sein, mahnt eine „Eltern“stimme in meinem Kopf. Ich halte dagegen: Es ist erst der zweite Tag, das wird ja nicht so bleiben. Außerdem darf es auch einfach schön sein, du darfst es genießen, nicht nur das Unterwegsein, sondern auch, dass du nicht im Zelt schlafen musst und dass du die Chance für ein schönes Frühstück nutzt. Und so setze ich mich an einen reich gedeckten Tisch, im Hintergrund erklingt klassische Musik und im angrenzenden Raum sehe ich ein Buffet, das über mehrere kleinere Tische verteilt ist. Hier die Getränke, dort alles, was zum Müsli gehört und dort drüben Brot, Käse, Wurst und Rührei mit Speck. Ich würde gerne so richtig zuschlagen, weiß aber, dass ich dann nicht mehr laufen kann. Also nehme ich von allem, was mich lockt, nur wenig, habe so trotzdem eine bunte Mischung. Eine Frau vom Nachbartisch spricht mich an. Sie hat wohl bemerkt, dass ich kein Schwede bin. Auf dem Weg von Stockholm nach Norwegen hat sie hier auf Raten ihrer Freundin einen Übernachtungsstopp eingelegt. Für ein Cousinen-Vetterntreffen hat sie ein Haus in Norwegen gemietet und freut sich jetzt auf die Begegnung und den Austausch von Erinnerungen. Ich kann das gut nachfühlen, habe ich doch selbst erst vor wenigen Wochen so ein Treffen vorgeschlagen und, weil die Resonanz sehr gut war, auch schon mit der ersten Planung begonnen. Ein Treffpunkt ist schon verabredet.

Zum Schluss darf ich sogar zwei Brote für unterwegs mitnehmen. Super. Der Tag fängt gut an. Bei der Abrechnung frage ich meinen freundlichen Gastgeber nach einem Weg parallel zur nordwärts führenden Straße nach Nilsby. Ja, meint er, da gibt es eine Strecke. Und er zeigt mir genau das Blatt, das ich gestern Abend kurz vorm Ins-Bett-Gehen noch entdeckt hatte. Ich könne den Zeltplatz überqueren und dann in den Wald gehen. Der Weg, er nennt ihn „Frykdalsleden“, (das ist aber nicht der Frykenleden-Pilgerweg von Kils) sei markiert. Nun setze ich den Rucksack auf und gehe die ersten zwei Kilometer zurück zu meiner Straße von gestern Abend, dann biege ich links ab. Und wenig später kommt „meine“ Abzweigung. Auf dem Track im Navi hatte ich vorhin noch schnell eine Marke angebracht. Jetzt laufe ich auf einer Schotterstraße abseits der Autostrecke und dafür näher am See. Hier fahren die Leute zu ihren Ferienhäusern, die sich überall dazwischen quetschen. Es ist zwar Freitag, aber noch sind längst nicht alle Häuser besetzt. Oder liegt es daran, dass noch keine Ferien sind?

Ich lausche auf die Vögel und das leise Rauschen des Windes, dazu knirschen die Stiefel auf dem Schotter. Manchmal kann ich das Wasser am Ufer aufschlagen hören. Schließlich kommt von rechts erneut ein Weg von der Straße herab, die Markierung weist jedoch nach links und wieder gehe ich zwischen Ferienhäusern hindurch, nähere mich jetzt einem Campingplatz. Hier gibt es etliche Wohnwagen, ein paar Reisemobile und viele Menschen. Als ich den Platz hinter mir lasse und zu weiteren Ferienhäusern gelange, finde ich die Wegmarke nicht wieder. Ein Weg biegt rechts ab, führt zurück. Das kann nicht stimmen, also frage ich mein Navi, vergrößere sehr stark und meine, einen Weg zu erkennen. Ich biege links ab, es sieht wie eine Zuwegung zu einem Haus aus, aber auch, als wenn mein Weg hier entlangführt. Es ist niemand zu sehen, also gehe ich links am Haus vorbei, bin jetzt auf der Auffahrt und finde wieder nicht weiter. Schließlich kehre ich um, rufe am Haus, ob nicht doch jemand zu Hause ist und siehe da, jetzt öffnet sich die Haustür und eine Frau kommt mir entgegen. Ich erkläre, warum ich auf ihrem Grundstück bin und sie zeigt mir einen schmalen Trampelpfad, dem ich folgen soll. Er führe mich zum Track hinüber.

Ich folge dem Pfad, überspringe einen Graben, schlängle mich durchs Unterholz und bin dann wieder auf dem Track. Allerdings weiß ich nicht, wo ich falsch gelaufen bin. Aber was nützt mir das Grübeln, ich versuche, von nun an aufmerksamer zu sein. Der Weg ist jetzt schmal und mühsam zu laufen. Schnell wird er steil und steinig. Kleine Steine und dicke Felsbrocken erschweren das Fortkommen. Steile Anstiege, dann hinab, um Bäume herum und wieder den Hang hoch. Linker Hand ist Wasser zu sehen, ich kann erkennen, dass ich weiter oben laufe oder auch mich dem Wasserspiegel nähere, aber nie führt der „Weg“ ans Ufer heran. Dies dürfte auch nichts bringen, denn dort endet das Ufer übergangslos im Wasser. Kein Sand, nur Felsbrocken.

Inzwischen ist es später Vormittag. Ich schwitze, mir läuft das Wasser von der Stirn übers Gesicht, die Mütze ist fast klatschnass, immer wieder wische ich mit ihr übers Gesicht, aber sofort ist es wie vorher. Ab und zu trinke ich aus dem Schlauch. Hier drinnen im Wald herrscht Windstille, und keine Abkühlung vom See her. Also einfach weitergehen, um die nächste Kurve, hinauf, hinab, bergauf, bergab. Immer wieder bleibe ich stehen und denke, ich breche zusammen, wenn das nicht bald aufhört. Es hört aber nicht auf, allerdings breche ich auch nicht zusammen. So leicht bricht man nicht zusammen. Das ist eine der Erfahrungen von früheren Wegen. Damals dachte ich auch so manches Mal, jetzt geht es wirklich nicht mehr. Und während ich das dachte, lief ich weiter und weiter. Das sind erstaunliche Erfahrungen für jemand wie mich. Schließlich bin ich nie besonders sportlich gewesen, habe nie Ausdauersport betrieben, sondern habe diese Erfahrungen erst auf den Pilgerwegen gemacht. Allein, und ohne dass ich mich durch andere angetrieben oder behindert fühlte. Es ist eine gute Erfahrung und steht sozusagen hinter mir, wenn ich wie heute den Eindruck habe, jetzt geht es aber wirklich nicht mehr.

Nach gut einer Stunde, oder war es länger?, führt der Pfad endlich sehr weit hinab, fast bis zum Ufer. Jetzt nutze ich die Chance, klettere bis zum Wassersaum und habe Glück. Es gibt einen Bereich direkt am Wasser, auf dem ich mich „lang“ machen kann. Ich ziehe Schuhe und Strümpfe aus und halte die Füße einen Moment ins Wasser. Fast habe ich den Eindruck, es zischt. Dann sind die Füße kühler und ich lege mich zurück. Gegen den frischen Wind habe ich meine Jacke übergezogen und schließe jetzt die Augen, gleite ein wenig davon. Der Atem wird ruhiger, der Herz klopft nicht mehr so wild. - Plötzlich bin ich wieder da. Habe ich geschlafen? Oder war es nur ein winziger Moment, den man beim Autofahren Sekundenschlaf nennt und der dem Fahrer dann sehr gefährlich werden kann? Mich hat es jedenfalls erfrischt, egal wie lang es war. Ich habe keine Armbanduhr um, wenn ich die Uhrzeit brauche, dann müsste ich das kleine Handy fragen, aber das steckt gut gesichert in der Bauchtasche irgendwo neben mir zwischen den Steinen. Ist auch gar nicht wichtig, es ist lange hell in Skandinavien, und also habe ich noch viel Zeit.

Als ich mir jetzt das Navi vornehme und sehe, wo ich mich aufhalte, staune ich, bin dann aber ganz zufrieden mit mir. Schließlich habe ich ganz tapfer schon etwa ein Drittel des Weges hinter mir. Allerdings auch noch zwei Drittel vor mir, was mir nicht soo sehr behagt. Ich schaue, was die Karte hergibt. Und dann bemerke ich ab einer bestimmten Vergrößerungsstufe einen schmalen Waldweg. Er liegt gut einen bis anderthalb Kilometer vor mir und führt dann zur Straße hinauf. Ich weiß, dass das noch mindestens dreißig Minuten Weg durch dieses Chaos bedeutet, aber dann führt eben besagter Weg hinaus. Und ich muß nicht noch weitere zwei Stunden klettern und kraxeln. Noch dazu auf einem freiwillig gewähltem Weg und nicht auf dem Frykenleden, wie der Pilgerweg hier heißt. Er führt ja oben auf der Straße entlang. Und jetzt ist mir auch klar, warum er eben nicht hier durch den Wald führt.

Kurz bevor ich den markierten Weg erreiche, wandelt sich schon mein Pfad zu etwas, das wie ein Weg aussieht, dann steht da plötzlich ein schrottreifer PKW, kaum vorstellbar, dass er mal hier lang fahren konnte. Schließlich kommt mein Weg. Nach links führt er hinunter zum Ufer, vielleicht gibt es dort einen Angelplatz, aber ich folge ihm nach rechts und bin eine halbe Stunde später oben an der Straße. Uff!!! Und nun irgendwo Mittagspause machen, das wäre schön.

Vorerst folge ich der Asphaltstraße nach Norden. Von rechts höre ich hochtouriges Röhren von Maschinen. Dort lag eben eine große Wasserfläche. Während ich noch überlege, um was es sich handelt – Kettensägen vielleicht – kommt das Geräusch plötzlich näher. Von hinten nähern sich drei Moto-Cross-Räder. Ihre Fahrer stecken in bunter Ledermontur und tragen spezielle Helme, mit einem Luft- oder Staubfilter im Mundbereich. Wie Wesen von einem anderen Stern sehen sie aus. Sie röhren an mir vorbei und sind bald verschwunden und außer Hörweite. Als es wieder still ist, finde ich links einen großen Felsen, auf ihm lasse ich mich für eine Pause nieder und genieße die Ruhe des Waldes. Noch einmal kommen weitere Motorräder vorbei gedonnert und verschwinden nach vorn in einer Staubwolke. Leider entdecken mich irgendwann die Ameisen, und ich muß meine Pause vorzeitig beenden. Auf Hinweise, dem Frykendalsleden zu folgen, lasse ich mich nicht mehr ein. Dafür war mir der Weg heute morgen zu mühsam, außerdem ist es inzwischen reichlich spät geworden und das Wetter scheint in Regen umzuschlagen. Als ich Nilsby erreiche, nieselt es. Mein Poncho schützt mich zwar, aber jetzt habe ich keine Lust mehr, dem eigenen Vorschlag zu folgen und durch den Ort die abgelegenere Strecke zu nehmen. Sie scheint im Nichts zu enden, die Karte ist da sehr ungenau. Als ich der normalen Landstraße weiter folge, sehe ich wenig später das Ende dieser Strecke als schmalen Trampelpfad aus einem Wald herauskommen. Na gut, macht nichts.

Am Ufer des Fryken

„Zeltplatz“ Hagudden

Knapp zwei Kilometer weiter biege ich links ab und bin in Gunnarsby. Davon sehe ich zwar nichts, jedenfalls kein Dorf, höchstens ein paar versteckte Häuser. Alles grau in grau. Hier in der Nähe soll mein „Zeltplatz“ sein. Ich sehe im Moment dagegen an. Bei Regen ein Zelt aufbauen und dann nur drinnen hocken, ist nicht das, was ich mir vorstelle. Leider komme ich aber an keinem Haus vorbei, das B&B anbietet.

Schon von Weitem sehe und höre ich, dass dort, wo ich den Zeltplatz vermute, „was los“ ist. Etliche Autos stehen auf einem Rasenplatz, manche haben mich vor kurzem noch überholt. Dazu dröhnt laute Musik aus einem Umzugswagen. Menschen stehen um eine Bude, es scheint etwas zu essen und zu trinken zu geben. Auf meinem angepeilten Übernachtungsplatz scheint das hiesige Sommersonnenwendfest stattzufinden. Vor fünf Jahren war ich in Lillehammer zur Sonnenwendfeier, damals war das Wetter schön und alle feierten eine riesige Party.

Es ist kurz nach fünf, niemand beachtet mich, als ich über den Platz zum hinteren Ende gehe und mir eine Stelle für mein Zelt suche. Vorher vergewissere ich mich bei einem jungen Mann, dass dies niemand stören wird. Unter den Bäumen finde ich einen geschützen Platz, packe mein Zelt aus und baue es auf. Sogar die Schutzfolie für den Boden lege ich drunter. Weil der Regen zunimmt, versuche ich, den Rucksack ins Innere zu bugsieren. Schwierig genug, aber als ich dann selbst noch hinein will, merke ich, wie eng es wird. Es geht, aber toll ist es nicht. Dann lasse ich meine Klamotten zurück, überquere den Platz und gehe zu dem Haus, wo die meisten Menschen stehen und reden und trinken. Kinder rennen herum, aber andere Menschen scheinen abzubauen und Tische und Bänke in ein Nebengebäude zu tragen. Im Hauptgebäude gibt es einen Tresen, an dem man Kaffee und Limonade kaufen kann. Eine kühle Fanta ist das erste, was ich kaufe. Dann einen Kaffee mit viel Milch. Aber auch hier scheint es irgendwie aufs Ende zuzugehen. Schnell möchte ich noch Wasser zum Kochen haben, jemand füllt meine Flasche.

Es ist Lars. Wir kommen ins Gespräch, natürlich auf Englisch. Als er hört, dass ich aus Deutschland komme, schaltet er sofort auf Deutsch um. Ganz stolz erzählt er, dass er Verwandte in Norddeutschland hat, in Hamburg, Lübeck, Kiel… Also berichte ich im Gegenzug vom Pilgern und meinen bisherigen Wegen. Aber ich erwähne auch, dass ich auf einem Pilgerweg unterwegs bin, der direkt diesen Platz ansteuert, eben den Frykenleden. Davon hat er noch nie gehört. Dann fällt ihm ein, dass er mal ein Schild mit diesem Hinweis gesehen hat. Ich zeige ihm auf meinem Navi die geplante weitere Route der nächsten Tage. Er kennt die Strecke, meint, das sei die alte Landstraße, sie sei aber seit langer Zeit nicht mehr in Gebrauch. Dann sagt er, dass sie die Veranstaltung um 18:00 Uhr beenden. Solange haben sie den Platz und das Gebäude von der Gemeinde gemietet. Das frühe Ende hängt damit zusammen, dass es bis vor wenigen Jahren oft zu Saufereien und Pöbeleien bis hin zu Schlägereien gekommen sei, dass es also kein Fest mehr gewesen sein. Also beschloss man, die offizielle Feier des Dorfes rechtzeitig zu beenden. Dann räumt er ein, vermutlich würden die jungen Leute, also die, die die laute Musik auf dem Wagen hätten, später hier noch Party machen. Kurz nach sechs leert sich der Platz und gegen halb sieben bin ich allein. Ich stehe unter dem Vordach und staune. Das war vor fünf Jahren in Lillehammer anders gewesen. Dort gab es damals ein großes Fest.

Dann fällt mir der „bandstand“ auf, eine überdachte Bühne, die gegenüber steht, am anderen Rand, nahe dem Ufer. Da könnte ich meine Sachen hinbringen und wunderbar schlafen, im Trocknen und mit genug Raum für alles. Gedacht, getan. Eine viertel Stunde später sitze ich mit meinen Klamotten in der überdachten Bühne, und fange an, es gemütlich zu finden. Beim Umschauen finde ich zwei stromführende Steckdosen. Also kann ich mein Smarty, das ja gleichzeitig mein Navi ist, fein wieder aufladen. Auch mein älteres Handy, das ich noch zusätzlich mitführe, weil es tagelang standby sein kann, also viel weniger Strom verbraucht, wird sofort wieder aufgeladen.

Mein Smartphone läuft unterwegs nur im GPS-Betrieb als Navi, alles anderen Funktionen sind abgeschaltet. So zeigt es mir die Route und zeichnet gleichzeitig den gelaufenen Weg auf. Damit habe ich auch die gelaufenen Kilometer erfasst, die Höhenmeter und noch etliche weitere Daten, die mir nicht so wichtig sind. Zur Sicherheit habe ich noch zwei Akkupacks mit, an denen könnte ich Navi und Telefon nachladen, falls ich keine Netzsteckdose finde. Inzwischen wird es Zeit, dass ich meinen Standort nach Hause melde. Ich schicke per E-Mail meinen aktuellen Standort zu meinem Freund. Er hat genaue Streckenunterlagen, weiß, wo ich sein will, weiß somit, wo ich tatsächlich bin. Auch unterwegs will ich ihm (soweit ich Funknetz habe) mitteilen, wenn und von wo bis wo ich meine geplante Route verlasse. Im Moment bin ich ja meistens unter Menschen, aber schon die abgelegene Strecke über die Berge heute morgen hat mir noch einmal klar gemacht, wie wichtig diese Absicherung sein kann. Einmal derbe den Fuß verknackst (oder gebrochen?) und schon ist man froh, wenn man Hilfe herbeirufen kann. Die Notrufnummern sind natürlich einprogrammiert. Und wenn das nicht möglich ist, dann wird er am dritten Tag die Suche nach mir anstoßen, auf der Basis meiner bisherigen Standortmeldungen.

Inzwischen habe ich mein Tütenessen aufgekocht, die Blitznudeln rein getan und alles noch etwas ziehen lassen. All dies wie bei meinen ersten beiden Touren auf dem Olavsweg. Jetzt kann ich mich in Ruhe setzen und essen. Beim einem anschließenden Rundgang entdecke ich sogar eine Toilette - und ein Schild, das Camping in jeder Form verbietet. Gegen acht höre ich, wie sich ein Auto nähert. Als ich um die Ecke schaue, sehe ich ein Gruppe junger Leute, sie stehen hinter der Bühne und kommen dann durch den „Bühneneingang“ herein. Da wird mir klar, dass meine Ruhe hier bald beendet sein wird. Es ist ihnen zwar unangenehm, als sie sehen wie ich mich hier eingerichtet habe, aber sie haben die Party geplant und wollen jetzt aufbauen. Immerhin schauen sie selbst auch noch mal, wo ich unterkommen könnte. Da sie das stehengebliebene Partyzelt auch benutzen wollen, bleibt mir nur das seitliche Vordach des Hauses. Dort sieht es auch ziemlich trocken aus. Mein Zelt kann ich zum Trocknen an der Bühnenrückwand hängen lassen, alles andere bringe ich rüber.

Schon kommen weitere Autos mit jungen Leuten, die Musik wummert und was mache ich? Ich stecke den Schlafsack in den Biwaksack, breite die Isomatte aus und krieche komplett angezogen in den Schlafsack. Und da es erst neun Uhr ist und trotz des Nieselregens noch ziemlich hell, kann ich natürlich nicht schlafen. Aber so rechte Lust, mich unter die jungen Leute zu mischen, habe ich auch nicht. Ich höre also meine eigene Musik so laut, dass die umgebende Musik nicht mehr zu mir durchdringt. Wenn das Wetter nicht so blöd wäre, könnte ich ja die Gegend erkunden, bin aber etwas lustlos und müde – und ein wenig tue ich mir im Moment selbst leid, weil ich keine bessere Unterkunft finden konnte. Hätte ich vorhin Lars einfach fragen sollen?

Ich war dann wohl eingeschlummert als ich plötzlich Menschen in meiner direkten Nähe wahrnehme. Ich schrecke auf und rufe sie an. Die beiden jungen Männer haben damit nicht gerechnet und verschwinden blitzartig Richtung Party. Vielleicht wollten sie irgendwo in den Büschen pinkeln? Mir war vor dem Einschlafen der Vorfall in Berlin durch den Kopf gegangen, wo junge Männer einen Obdachlosen im Schlafsack in Brand gesteckt hatten und dieser nicht oder nicht schnell genug da heraus kam. Auch wenn ich eigentlich sicher bin, dass so etwas hier nicht vorkommen würde, nagt der Gedanke doch an mir – wegen der Party und dem Alkoholgenuss, der damit verbunden ist. Gegen dreiundzwanzig Uhr nähern sich wieder Menschen, ich setzte mich auf, es ist noch immer hell genug, um alles sehen zu können. Zwei haben den typischen Blumenkranz auf dem Kopf, den vorhin schon viele kleinere und größere Mädchen und junge Frauen auf dem Kopf hatten. Es ist ist eben Mitsommernachtsfest. Die drei sprechen mich an, aber ich muß erstmal meine Kopfhörer herausnehmen, bevor ich verstehe, was sie wissen möchten: warum ich hier liege, woher ich komme, was ich vorhabe. Nachdem sie genug erfahren haben, laden sie mich ein, doch am Spiel auf der anderen Seite des Hauses teilzunehmen. Es sei sehr lustig. Erst zögere ich, aber es ist auch ziemlich langweilig im Schlafsack, wenn andere in der Nähe Spaß haben, und vor allem hat der Regen inzwischen aufgehört.

So gehe ich mit, stelle mich zu der einen Partei und bin dann auch bald dran, den Ball zu schlagen und ums Spielfeld zu rennen, wie beim Baseball. Prompt rutsche ich auf dem nassen Gras aus, fliege lang hin, rapple mich auf, stürze noch einmal und bin trotzdem rechtzeitig in der zweiten Ecke angekommen. Meine Mannschaft klatscht Beifall. Beim nächsten Wurf erreiche ich dann wieder das Ausgangsfeld und komme dort mit zwei der jungen Männern ins Gespräch. Das Gespräch dreht sich um früher, auch um Hitler, weil sie merken, dass ich aus Deutschland komme. Der eine scheint ein gewisse Sympathie für die Rechten zu hegen. Der andere ist nicht so gut auf die Deutschen zu sprechen. Mozer ist sein Name. Mozers Großvater kam als junger Mann (wegen der Deutschen) aus den Niederlanden nach Schweden.

Wir trinken ein Bier. Gegen halb eins setzt der Regen wieder ein und die jungen Leute drängt es hinüber zur Bühne, dort ist die Musik lauter geworden. Und weil ich dort sicher nicht mehr reden kann, steige ich wieder in meinen Schlafsack. Mit Kopfhörern im Ohr versuche ich erneut zu schlafen. Mal mehr, mal weniger tief versacke ich. Zwischendurch höre ich wütendes Gerede. gibt es da gleich eine Schlägerei? Aber dann bin ich schon wieder weg.

Tag 5 24.6. „Zeltplatz“ Hagudden – Humletorp 12km

Es ist hell. Aber was sagt das schon über die Uhrzeit aus? Nichts. Ich suche mein Telefon und schaue nach. 6:19 Uhr. Also noch ziemlich früh. Ich richte mich auf, schaue um mich. Das „Partymobil“, bestehend aus Trecker mit Stromgenerator und überdachtem Anhänger mit Bänken drauf, steht noch immer an seinem Platz. Ein oder zwei Autos stehen hinter der Bühne. Sonst ist es still, sehr still. Es ist grau, aber trocken. Das war jetzt also mein zweites Mitsommernachtsfest. Auch gut, irgendwie interessant. Das Feuer, das auf der kleinen Insel in Lillehammer brannte, habe ich vermisst, die mit Blumen bekränzten Mädchen oder jungen Frauen von heute nacht sind nach Hause gegangen. In Norwegen habe ich sie nicht gesehen. Der geschmückte Baum steht noch immer, ihn habe ich damals auch gesehen. Also scheint es leichte Unterschiede zu geben. Mir geht die letzte Nacht noch nach, mit geschlossenen Augen bin ich noch einmal beim Baseballspielen, trinke Bier und rede mit den beiden jungen Männern. MOZER hieß der eine …