PMDS als Herausforderung - Almut Dorn - E-Book

PMDS als Herausforderung E-Book

Almut Dorn

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Beschreibung

Die Prämenstruelle Dysphorische Störung (PMDS) stellt die schwerste Form zyklusabhängiger PMS-Symptome dar und erzeugt bei betroffenen Frauen erheblichen Leidensdruck. Die Einordnung der typischen Symptome wie Reizbarkeit, Wut, Anspannung, Angst, Depressivität etc. fällt schwer und eine wirksame Behandlung zu finden, erweist sich oft als Hürdenlauf. Das Buch informiert über diagnostische Kriterien und Behandlungsmöglichkeiten aus Gynäkologie, Psychiatrie und Psychotherapie, ergänzt durch speziell auf die Symptome ausgerichtete Selbsthilfestrategien. Erfahrungsberichte Betroffener veranschaulichen die vielfältigen Auswirkungen der PMDS. Ziel dieses Ratgebers ist es, Frauen zu Expertinnen ihrer PMDS-Problematik zu machen und sie vom Gefühl zu befreien, den zyklusabhängigen Veränderungen hilflos ausgeliefert zu sein.

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Inhalt

Cover

Titelei - Rat + Hilfe

Ihr Wegweiser durch dieses Buch

Vorwort

1 Ein Blick zurück zu Beginn

Exkurs Historisches

Entwicklung der Forschung

Mythen und Frauenbilder

Rollenbilder und Emanzipation

Brauchen wir die Menstruationszyklen noch?

2 Die Prämenstruelle Dysphorische Störung (PMDS)

Definition und Häufigkeit der PMDS

Abgrenzung zum Prämenstruellen Syndrom (PMS)

Zyklustagebuch als Diagnoseinstrument

PMDS über die Lebensspanne

3 Ursachen/Einflussfaktoren

Die Hormone im Menstruationszyklus

Befindlichkeitsveränderungen im Menstruationszyklus

Psychische und körperliche Erkrankungen im Menstruationszyklus

Die Rolle der Hormone bei der PMDS

Ist ein Progesteronmangel die Ursache?

Ein Exkurs für besonders Interessierte: Allopregnanolon und die Stressachse

Welche Rolle spielt das Serotoninsystem?

Störung im Kontrollzentrum des Gehirns?

Bio-psycho-soziales Entstehungsmodell

Gibt es eine Veranlagung für PMDS?

Bedeutung von Vorerfahrungen/anderen Erkrankungen

Einfluss der Persönlichkeit

Einfluss der aktuellen Lebenssituation

Schlussfolgerung Ursachen/Einflussfaktoren

4 Abgrenzung PMDS und Zykluseinflüsse bei anderen Störungen

Zykluseinflüsse auf körperliche Erkrankungen

Zykluseinflüsse auf psychische Erkrankungen

Abgrenzung PMDS von psychischen Störungen

Abgrenzung PMDS und Depressionen

Abgrenzung PMDS und Bipolare Störung

Abgrenzung PMDS und Angststörungen

Abgrenzung PMDS und emotional-instabile Persönlichkeit/Impulskontrollstörung

Abgrenzung PMDS und Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Abgrenzung PMDS und Essstörungen

Abgrenzung PMDS und Psychosen

5 Therapiemöglichkeiten

Vitamine, Mineralien, Pflanzliche Mittel & Co

Vitamine und Mineralstoffe?

Phytotherapeutika und Akupunktur?

Melatonin?

Cannabis?

Hormonelle Therapiemöglichkeiten

Die Pille als Lösung

Die Pille im Langzyklus

Die Wirksamkeit kombinierter hormonaler Verhütungsmittel bei der PMDS

Verhütungsmittel, von denen keine Wirkung auf die PMDS zu erwarten ist

Verhütungsmittel, von denen möglicherweise eine Wirkung auf die PMDS zu erwarten ist

Hilft eine Hormonspirale?

Was ist mit einer Progesteron-Therapie?

Neue Therapieansätze

Letzte Rettung: Entfernung der Eierstöcke?

GnRH-Analoga als »vorletzter Weg«?

Sondersituation Wechseljahre

Wie machen wir es nun in der gynäkologischen Praxis?

Antidepressiva

Die PMDS-Therapie mit Antidepressiva (SSRI) ist gut erforscht

Kontinuierlich oder intermittierend – durchgehend oder nur zeitweise?

Absetzversuch bzw. Therapiepause

Mögliche Dosierungen

Leider immer noch »off-Label-Behandlung« – es gibt keine Zulassung für die PMDS

Sind Beruhigungsmittel oder andere Psychopharmaka eine Alternative?

Psychotherapie

Psychoedukation

Entspannungstraining

Verhaltenstherapie und Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)

Hypnotherapie

Körperorientierte Psychotherapie

Online-Psychotherapieprogramme

Lebensstil – Sport und Ernährung

Sport und gesunde Ernährung – unbedingt zu empfehlen!

Schlaf und Licht

Alkohol besser lassen!

6 Selbsthilfestrategien

Selbsthilfestrategien als positive Bewältigungsmechanismen

Bewältigungsstrategien bzw. Copingstrategien

Die Bedeutung von Stress und Disstress

Die eigenen Ressourcen nutzen

Strategien bei Affektlabilität (Stimmungsschwankungen, erhöhte Empfindlichkeit)

Akzeptanz

Achtsamkeit

Atem-Meditation

Strategien bei Reizbarkeit, Wut, Konflikten

Was bewirkt Entspannung?

Progressive Muskelentspannung (PME) zum gezielten Spannungsabbau

Autogenes Training (AT) für einen guten Kontakt zu sich selbst

Imaginationsverfahren/Fantasiereisen zum Abschalten

Familienkonferenz gegen Konflikte

Strategien bei depressiver Verstimmung, Hoffnungslosigkeit, selbstherabsetzenden Gedanken

Gedankenstopp

Grübelstuhl und Grübelzeit

Das Bild der Waage

Bewegung, Sport, Luft und Licht

Kontakt und Berührung

Ablenkung/Zeitvertreib

Selbstwirksamkeit stärken

Strategien bei Angst, Anspannung, Überreizung, Nervosität

Vertrauen in den Körper zurückgewinnen

»Die Angst hereinbitten«

Innerer Ort der Ruhe

Alle fünf Sinne einsetzen

Durchatmen mit 4 – 6 – 8

Strategien bei verringertem Interesse an üblichen Aktivitäten

Routinen entwickeln

Sich mitziehen lassen

Strategien bei Konzentrationsschwierigkeiten, Ermüdbarkeit, Energieverlust

Reize reduzieren

Delegieren können und Pausen organisieren

Koffein & Co

Strategien bei Appetitveränderungen, Heißhunger

Kampf dem rosa Elefanten

Meditation

Strategien bei Schlafstörungen (Insomnie/Hypersomnie)

Schlafhygiene

Body-Scan für ein bewusstes Körpergefühl

Pflanzliche Einschlafhilfen

Keine Angst vor Schlaflosigkeit

Strategien bei Kontrollverlust und dem Gefühl des Überwältigtseins

Stresstoleranz

Impulskontrolle

Strategien bei körperlichen Symptomen

Progressive Muskelentspannung

Yoga statt Couch

Selbsthypnose statt Medikamente

Bedeutung Placeboeffekt und Noceboeffekt

Selbsthypnose als Selbsthilfestrategie

7 Häufig gestellte Fragen

Bedeutet PMDS, dass ich psychisch krank bin?

Was ist, wenn meine Beschwerden keine klare Zyklusbindung haben?

Gibt es ein bevorzugtes Alter für die PMDS?

Warum jetzt, nach der Geburt eines Kindes?

Warum nach Absetzen der Pille?

Wieso tritt die Symptomatik nach der Sterilisation auf?

Wie ist der Verlauf unbehandelt?

Hört es irgendwann von selbst auf?

Warum Antidepressiva vom SSRI-Typ?

Was mache ich, wenn ich die SSRI nicht gut vertrage?

Angeblich wirken Antidepressiva doch erst nach drei Wochen. Wieso kann die Einnahme nur in der 2. Zyklushälfte helfen?

Machen mich die Antidepressiva abhängig?

Ändern die Medikamente meine Persönlichkeit?

Muss ich die Medikamente lebenslang nehmen?

Was kann ich tun, wenn ich keinen Arzt/keine Ärztin finde, die sich mit der PMDS auskennt?

Macht eine Laboruntersuchung der Hormone Sinn?

Gefährde ich meine Chancen schwanger zu werden, wenn ich die Pille im Langzyklus nehme?

Sollte ich mit PMDS überhaupt Kinder bekommen?

Hilft es, wenn ich mir die Eierstöcke oder die Gebärmutter entfernen lasse?

Warum bringt die Paartherapie nichts mehr?

Sollte ich mich von meinem Partner trennen?

8 Erfahrungsberichte

Nach den Geburten wurde es immer schlimmer. Ich bin froh, dass ich die Medikamente an meine Symptome anpassen kann.

Erkennen und akzeptieren – wichtige Schritte zum gelassenen Umgang mit PMDS

Der Eisprung hat keinen Einfluss mehr auf mein Leben. Am Ende waren es die Antidepressiva, die die letzte Stabilität gegeben haben.

Was macht man, wenn man sich nicht selbst helfen kann? Ein kompetenter Ansprechpartner ist so wichtig.

Wutausbrüche und Nervenzusammenbrüche – Ich möchte das Vorurteil der hormongesteuerten Frau nicht bedienen.

Nicht immer genau prämenstruell. Frühere Belastungen treten in den Vordergrund.

Die Wechseljahre haben alles noch verschlimmert. Und Progesteron auch.

Die ganze Familie ist mit betroffen – Erfahrungen einer Mutter

Literatur

Rat + Hilfe

Fundiertes Wissen für Betroffene, Eltern und Angehörige –Medizinische und psychologische Ratgeber bei Kohlhammer

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Ratgeber aus unserem Programm finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/rat+hilfe

Die Autorinnen

Dr. phil. Dipl.-Psych. Almut Dorn:Psychologische Psychotherapeutin, Praxis für Gynäkologische Psychosomatik, Hamburg.www.almutdorn.de

Dr. med. Anneliese Schwenkhagen:Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, HORMONE HAMBURG, Praxis für gynäkologische Endokrinologie, Dres. Schaudig + Schwenkhagen, Hamburg.www.hormone-hamburg.de

Prof. Dr. med. Anke Rohde:Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsprofessorin für Gynäkologische Psychosomatik, Universität Bonn.www.rohde-bonn.de

Gemeinsame Website der Autorinnen zum Thema PMDS:www.pmds.team

Almut DornAnnelise SchwenkhagenAnke Rohde

PMDS als Herausforderung

Die Prämenstruelle Dysphorische Störung als schwerste Form des PMS

2. Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten verändern sich ständig. Verlag und Autoren tragen dafür Sorge, dass alle gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung hierfür kann jedoch nicht übernommen werden. Es empfiehlt sich, die Angaben anhand des Beipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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2. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Illustrationen von Fides Velten, Illustratorin und Grafikdesignerin, Hamburgfidesvelten.com

Print:ISBN 978-3-17-044560-4

E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-044561-1epub:ISBN 978-3-17-044562-8

Ihr Wegweiser durch dieses Buch

Möglicherweise haben Sie als Betroffene, als Angehöriger oder auch als jemand, der aus beruflichen Gründen mit dem Thema zu tun hat, unterschiedliche Interessen, wenn Sie dieses Buch lesen. Die einzelnen Kapitel sollen deshalb auf die verschiedenen Bedürfnisse eingehen, ohne dass Sie beim Lesen eine bestimmte Reihenfolge einhalten müssen. Jedes Kapitel ist inhaltlich so angelegt, dass es für sich allein – und damit unabhängig von den weiteren Kapiteln – verständlich ist. Falls Begriffe verwendet werden, die in einem anderen Abschnitt genauer erklärt sind, wird darauf verwiesen.

Das Buch beginnt mit einem historischen Exkurs sowie einem Blick auf Frauenbilder gestern und heute, es folgen Fakten zu Symptomen und Diagnose der PMDS, Ursachen und Einflussfaktoren sowie die Abgrenzung gegen andere Störungen. Anschließend werden Behandlungsmöglichkeiten erörtert und Selbsthilfestrategien dargestellt, bevor nach einem Kapitel mit häufig gestellten Fragen Erfahrungsberichte Betroffener vorgestellt werden. Die abschließenden Hinweise auf weitere Literatur und Internetlinks können verständlicherweise nicht vollständig sein, helfen Ihnen aber vielleicht bei weiteren Recherchen.

Da die verwendeten Fachbegriffe in den jeweiligen Kapiteln erklärt werden, wurde auf ein zusätzliches Glossar von Fachausdrücken verzichtet. Sollten Sie einen bestimmten Begriff suchen, schlagen Sie einfach im Inhaltsverzeichnis nach oder folgen Sie den entsprechenden Verweisen im Text.

Noch ein Wort zum »Gendern«: Wir haben uns entschlossen, auf Gendersternchen oder ähnliches zu verzichten und stattdessen die weiblichen und männlichen Berufsbezeichnungen parallel, d. h. durch einen Schrägstrich getrennt, zu verwenden. In Einzelfällen haben wir willkürlich nur die weibliche oder männliche Form gewählt, da sonst z. B. Aufzählungen verschiedener Personengruppen zu unübersichtlich geworden wären. Es versteht sich von selbst, dass in allen Fällen jeweils alle Geschlechter gemeint sind.

Das gleiche trifft übrigens für die Verwendung des Begriffes »Partner« zu. Wir sind uns darüber im Klaren, dass heute Regenbogenfamilien in vielen Konstellationen existieren, und wir wissen aus der praktischen Arbeit mit gleichgeschlechtlichen Paaren, dass diese im Zusammenhang mit Menstruationszyklus und PMDS unter den gleichen Problemen leiden können wie heterosexuelle Paare. Allerdings haben wir uns im Sinne der besseren Lesbarkeit dagegen entschieden, aus dem Partner (mit dem sowohl Ehe- als auch Lebenspartner gemeint ist) die Formulierung »der Partner/die Partnerin« zu machen. Aber selbstverständlich sind bei den entsprechenden Ausführungen immer auch Partnerinnen bzw. Ehefrauen gemeint.

Vorwort

Eine schöne Entwicklung in der Medizin und Psychotherapie ist die immer größer werdende Offenheit für die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Behandlung von Störungen. Ich selbst hatte das Glück, seit Beginn meiner Berufstätigkeit immer in fachübergreifenden Teams arbeiten zu können. Vor allem meine zehnjährige Tätigkeit in der Gynäkologischen Psychosomatik an der Universitätsfrauenklinik Bonn unter der Leitung von Frau Professor Anke Rohde (Psychiaterin und Psychotherapeutin) im engen Austausch und Kontakt mit allen Disziplinen der Frauenheilkunde hat mich geprägt. Bereits in dieser Zeit lernte ich Dr. Anneliese Schwenkhagen auf Kongressen kennen, auf denen sie ihre große Expertise zu Hormonen, Psyche, Sexualität und neurologischen Themen mit Kollegen und Kolleginnen teilte, stets auf ihre mitreißende Art. Was für ein Glück, dass mich mein Weg nach Hamburg führte und wir somit weiter zusammenrücken konnten. Durch die gemeinsamen Themen hatten sich zu dem Zeitpunkt übrigens auch Anke Rohde und Anneliese Schwenkhagen bereits kennengelernt. Die enge Verbundenheit mit Anke Rohde hat sich auch über die Hamburger Jahre weiter intensiviert.

Ein Thema, zu dem wir uns mit unseren drei Fachrichtungen immer wieder austauschen, ist die PMDS. Über verschiedene Wege und Kanäle suchen Frauen unsere Hilfe mit deutlichen Symptomen, die der Prämenstruellen Dysphorischen Störung zuzuordnen sind. Häufig haben diese Frauen bereits lange Leidenswege hinter sich, haben selbst recherchiert und sich »schlau gemacht«, wie ihre Beschwerden einzuordnen sind. Sie haben schon vieles ausprobiert, um Linderung zu erfahren – und sind immer noch auf der Suche nach professioneller Hilfe.

Die Häufigkeit der PMDS wird in Studien mit 3 – 5 %, manchmal auch höher angegeben; dabei sind nur Frauen mit dem Vollbild der PMDS berücksichtigt. Bei ca. 15 Millionen Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren ist also selbst bei vorsichtiger Schätzung von etwa einer halben Million Frauen in Deutschland auszugehen, die monatlich oder zumindest in vielen Monaten unter ausgeprägten psychischen Beeinträchtigungen in der 2. Zyklushälfte leiden. Dabei liegt die Dauer der Symptome zwischen wenigen Tagen prämenstruell bis zur kompletten 2. Zyklushälfte. Nicht selten führen die Beschwerden zur zeitweisen Arbeitsunfähigkeit. Vor allem durch die sehr typischen Symptome, wie starke Reizbarkeit, Ärger und Wut, geraten viele Frauen in dieser Zeit in erhebliche Konflikte – vor allem mit ihrem Partner bzw. ihrer Familie, was ganz häufig zu ausgeprägten Schuldgefühlen bei ihnen führt. Depressive Symptome gehen bis hin zur Suizidalität.

»Ja, ich kenne das, ich fühle mich vor meiner Periode wie Dr. Jekyll und Ms. Hyde, aber ich weiß nicht, wie ich mit meiner Wut umgehen soll« ist eine typische Äußerung. Durch die fehlenden Kriterien in unserem derzeit gängigen medizinischen Diagnosesystem ICD-10 fühlen sich weder Psychiater noch Frauenärztinnen wirklich zuständig für die Problematik. Von Psychiatern werden die Symptome nicht selten anderen Störungen zugeordnet, Frauenärztinnen stufen prämenstruelle Veränderungen schnell als »normal« ein, und auch im aktuellen Ausbildungskatalog der Psychotherapeutinnen kommt die frauenspezifische Psychosomatik nicht vor. Somit ist unsere Ratgeber-Idee ein Stück weit aus dieser Not der Betroffenen geboren, die wir fast täglich durch Terminanfragen und E-Mails spüren.

Wir möchten unser Wissen und unsere klinische Erfahrung mit den betroffenen Frauen teilen. Aber auch Kolleginnen und Kollegen unserer drei Fachdisziplinen möchten wir erreichen – nicht zuletzt durch die Erfahrungen der betroffenen und belesenen Frauen selbst, die sich bereit erklärt haben, darüber zu berichten.

Unser Ratgeber soll den Frauen die Möglichkeit geben, ihre Symptome selbst einschätzen und einordnen zu können. Hilfe zur Selbsthilfe ist ein Bestandteil der Eigenbewältigung, der uns in allen therapeutischen Zusammenhängen immer sehr wichtig ist, denn wir sind große Verfechterinnen der Idee der Patientinnen-Autonomie. Deshalb ist auch eines unser Anliegen, betroffene Frauen zu »Expertinnen für ihre Störung« zu machen.

Die Beschreibung der Problematik soll helfen, die Grenze zwischen »Beschwerden« bzw. »Befindlichkeitsstörungen«, die man mit verschiedenen Selbsthilfestrategien oder pflanzlichen Mitteln bewältigen kann, zur »therapiebedürftigen Störung« im engeren Sinne zu erkennen, bei der möglicherweise zusätzlich eine medikamentöse Behandlung angezeigt ist.

Um zu verstehen, wie alle diese Symptome einzuordnen sind, werden die aktuellen Entstehungstheorien zu PMS und PMDS vermittelt sowie die Bandbreite der Symptomatik und deren Ausprägungen dargelegt. Die Therapieoptionen aus Sicht der Psychotherapie, der Frauenheilkunde und der Psychiatrie möchten wir verständlich vermitteln. Wie schon erwähnt, ist es uns auch wichtig, die betroffenen Frauen durch Zitate, Fragen und Erfahrungsberichte zu Wort kommen zu lassen, denn durch unsere Patientinnen haben wir sehr viel über die PMDS gelernt.

Die Illustrationen von Frau Fides Velten strukturieren mit feinen Linien die Kapitel und runden in ihrer bildlichen Darstellung unser Thema ab.

Für die AutorinnenAlmut Dorn

Hamburg, Frühjahr 2022

1 Ein Blick zurück zu Beginn

In aller Kürze

Zyklusabhängige Stimmungsschwankungen sind schon seit der Antike überliefert.

Ab dem 19. Jahrhundert fanden vor allem »Erregungszustände« im Zusammenhang mit der Menstruation bzw. mit der Funktion der Eierstöcke das Interesse von gynäkologischen und psychiatrischen Forschern.

Rund um die Menstruation und den Hormonzyklus der Frauen ranken sich bis heute viele Mythen.

In die Bewertung von Symptomen rund um den Zyklus fließen Frauen- und Rollenbilder mit ein, die sich über die Zeit ändern.

Exkurs Historisches

Bereits in der Antike gab es Beobachtungen über Stimmungs- und Verhaltensänderungen von Frauen im Zusammenhang mit der Menstruation. Der griechische Arzt und Gelehrte Hippokrates beschrieb vor etwa 2.500 Jahren zyklusabhängige Stimmungsveränderungen, die er als Folge eines verhinderten Abflusses des Menstruationsblutes interpretierte. Das sei gefolgt von Fieber, Ängsten, sprachlichen und tätlichen aggressiven Impulsen gegen andere bis hin zu Sinnestäuschungen und Suizidgedanken.

Bei den Betrachtungen der prämenstruellen Veränderungen standen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts die besonders auffälligen Symptome im Vordergrund, wie man sie auch bei Psychosen kennt (z. B. Fremdheitsgefühle oder Erregungszustände, die wir heute als Impulsdurchbrüche bzw. »Ausraster« bezeichnen würden). Der deutsch-österreichische Psychiater Richard von Krafft-Ebing sprach Ende des 19. Jahrhunderts vom »Menstrualen Irresein«, wobei seine Beschreibung sehr unseren heutigen PMDS-Kriterien ähnelt. Der in der gleichen Zeit tätige deutsche Psychiater Eugen Bleuler beschrieb als »Menstruationspsychose« bzw. »Menstruelles Irresein« ebenfalls alle Facetten zyklusabhängig vorkommender psychischer Störungen: manisch-depressive Zustände ebenso wie Psychosen, wobei er u. a. auch die impulsiven Handlungen erwähnte. Er machte aber gleichzeitig deutlich, dass die Zyklusvorgänge dabei neben einer bereits bestehenden Störung bzw. der Neigung nur ein Teil der Ursache sind.

Die systematische Erforschung begann, nachdem Robert T. Frank 1931 den Begriff »Premenstrual tension« für die prämenstruellen Spannungszustände eingeführt hatte. Er beschrieb 14 Fälle von Frauen, bei denen es vor der Menstruation zu einer Zunahme von epileptischen Anfällen oder anderen medizinischen Problemen sowie von Stimmungsschwankungen und/oder gesteigerter Libido gekommen war und bei denen alle diese Symptome in der 1. Zyklushälfte wieder völlig verschwanden.

Der Begriff »Prämenstruelles Syndrom« (PMS) wurde 1953 von Raymond Greene und Katharina Dalton eingeführt. Ein Problem in den folgenden Jahrzehnten der Erforschung des PMS war allerdings, dass in den verschiedenen Studien unterschiedliche Definitionen verwendet wurden, wodurch die Vergleichbarkeit der Studien hinsichtlich Häufigkeit und Therapieerfolg nur bedingt gegeben war. Ein Forscherteam um J.A. Hamilton hat 1984 zusammengetragen, dass in den Arbeiten zu diesem Thema bis zu 150 verschiedene Symptome in Zusammenhang mit einem prämenstruellen Syndrom gebracht wurden.

Entwicklung der Forschung

Eine richtungsweisende Veränderung in der Forschung zu Diagnostik und Behandlung der prämenstruellen Beschwerden war die Aufnahme der Kategorie »Dysphorische Störung der späten Lutealphase« 1987 in das DSM-III-R (Deutsche Fassung 1989). DSM ist die Abkürzung für »Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders« (= »Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen«), wie das Diagnosesystem der »American Psychiatric Association« (APA) heißt. Es wird hauptsächlich für Forschung eingesetzt. Im Gegensatz dazu findet im klinischen Alltag weltweit die ICD (»Internationale Klassifikation von Störungen«), das System der Weltgesundheitsorganisation Anwendung.

Die Kriterien der »Dysphorischen Störung der späten Lutealphase« waren im Wesentlichen die gleichen wie die heutigen im DSM-5, allerdings wurde der anfangs sehr sperrige Name bereits in der vierten Fassung des DSM (DSM-IV) aufgegeben zugunsten der Bezeichnung »Premenstrual Dysphoric Disorder, PMDD« (»Prämenstruelle Dysphorische Störung, PMDS«). Das Wort »Dysphorie« repräsentiert dabei eines der wesentlichen Kernsymptome der PMDS, nämlich die Missstimmung, worunter man auch Gereiztheit, Stimmungsschwankungen etc. einordnen kann. Allerdings gab es 1987 noch eine große Diskussion, ob es sich bei dem Beschwerdebild überhaupt um eine abgrenzbare psychische Störung handelt, weshalb die Kriterien im Anhang A angesiedelt waren (»Vorschläge für diagnostische Kategorien, die weiterer Forschung bedürfen«). Auch im DSM-IV verblieben die Kriterien der Prämenstruellen Dysphorischen Störung (PMDS) noch im Anhang.

Obwohl auch in den folgenden Jahren weiterhin die Frage diskutiert wurde, ob es sich tatsächlich um ein diagnostisch und therapeutisch wichtiges Störungsbild handelt oder nur um eine Ansammlung von Symptomen ohne Krankheitswert, setzten die neuen Kriterien eine umfassende Forschungstätigkeit in Gang. Es wurde eine Vielzahl von systematischen Studien durchgeführt, vor allem zur Behandlung der PMDS, deren positive Ergebnisse letzten Endes mit dazu beigetragen haben, dass nach langer Diskussion im Jahr 2000 die PMDS als Störungsbild anerkannt und durch die Food and Drug Administration (FDA) in den USA ein Medikament für die Behandlung zugelassen wurde, nämlich der SSRI Fluoxetin; später folgten Sertralin und Paroxetin.

Vor allem in den ersten Jahren wurden diese Studien von der Kritik begleitet, mit den Kriterien und den Behandlungsstrategien würden »natürliche weibliche Vorgänge« erst »medikalisiert«, d. h. zu einem medizinischen Problem gemacht.

💬

Unsere Meinung

Es ist uns wichtig, deutlich zu machen, dass wir nicht jede leichte Stimmungsschwankung, Gereiztheit oder Niedergeschlagenheit als krankheitswertige und zu behandelnde Störung betrachten und dass es nicht für jedes körperliche Zipperlein ein Medikament geben muss. Und wann immer es möglich ist, mit anderen Strategien zurechtzukommen, würden wir von der Empfehlung hormoneller und antidepressiver Behandlungsansätze, wie sie in Kapitel 5 beschrieben sind, absehen. Allerdings hat jede von uns Autorinnen mittlerweile viele hunderte von Frauen beraten bzw. behandelt, die unter einem erheblichen Leidensdruck standen, weil sie mit ihren »Dämonen« in der 2. Zyklushälfte nicht zurechtkamen und weil manches Mal der ganze Familienzusammenhalt bzw. die Partnerschaft auf der Kippe standen.

Wenn Sie selbst zu dieser letztgenannten Gruppe gehören: Lassen Sie sich von niemandem einreden, dass »wir Frauen da alle jeden Monat durchmüssen« und dass Hormone oder Psychopharmaka »Teufelszeug« sind. Viel mehr möchten wir Ihnen dabei helfen, selbst die Expertin für den Umgang mit »Ihrer« PMDS zu werden, um dann die für Sie richtige Entscheidung treffen zu können.

Mythen und Frauenbilder

Das fehlende Wissen über die reproduktiven Vorgänge im Körper der Frau ließ in der Menschheitsgeschichte viel Spielraum für Mythen und Volksglauben, die sich rund um die Menstruation und das Menstruationsblut ranken konnten. Daraus entstanden aber auch Ideologien und Frauenbilder, die sich erst mit der zunehmenden Aufklärung korrigieren ließen.

Hier soll nur ein kurzer Überblick über die Einstellungen zur Menstruation und zu prämenstruellen Veränderungen über die Zeit gegeben werden. Die Expertinnen Sabine Hering und Gudrun Maierhof haben 2002 diese spannende Geschichte systematisch aufgearbeitet. Auf sie wollen wir gerne verweisen, und auf ihren Ausführungen basieren die meisten der Angaben in diesem Kapitel.

Frühe Frauenbilder waren zum Teil geprägt von Mythen zu sogenannten Erdgöttinnen oder auch Fruchtbarkeitsgöttinnen, die sich in ur- und frühgeschichtlichen Kulturen finden. Diese Göttinnen galten bezogen auf die Fruchtbarkeit von Pflanzen und Tieren als mächtig und als Schutzgöttinnen für Schwangere und Gebärende. Neben dem vielleicht starken und positiven Frauenbild, das man hieraus ableiten kann, galten diese Göttinnen aber auch als furchteinflößend und herrisch.

Von diesen frühen Bildern abgesehen wurde den wiederkehrenden mysteriösen Blutungen der Frauen, deren Bedeutung man noch nicht kannte, eher skeptisch und mit Ablehnung begegnet. Die wiederkehrende Menstruation wurde in manchen Kulturen und Völkern als eine Art Dämon angesehen, der von den Frauen Besitz ergreift und durch verschiedene Kulte ausgetrieben werden muss. Aus mehreren Ländern sind Menstruationshütten bekannt, in die die Frauen sich zurückziehen mussten, um sie – oder die anderen – vor bösen Geistern oder vor dem schlechten Einfluss zu bewahren. Spezielle Menstruationskleidung gab es nicht nur aus hygienischen Gründen, sondern vor allem, um die Frauen kenntlich zu machen. Der Brauch der Menstruationshütten hält sich in manchen Ländern bis heute. So wurde die Absonderung menstruierender Frauen aus der Dorfgemeinschaft in fensterlose Hütten in Nepal erst 2005 offiziell verboten, findet aber bis heute statt und fordert durch mangelnde Belüftung immer wieder Todesopfer.

Die Absonderung der Frauen geht u. a. auch auf die Vorstellung von unreinem Blut zurück. Diese findet bereits Erwähnung im Alten Testament sowie in vielen Volksmythen. So galt in der Antike bis ins Mittelalter die Frau als »Mangelwesen«, als untätig, schwach und eben unrein. Es gab die Empfehlung an die Männer, menstruierende Frauen nicht anzusehen, um nicht krank, blind oder impotent zu werden. Die Anwesenheit oder die Berührung menstruierender Frauen brachte angeblich Speisen zum Verderben. »Der Hefeteig geht nicht an, die Konserven verderben, der Wein kippt, die Milch wird sauer, Blumen und Früchte verdorren«. Kirchen durften von Frauen während der Periode nicht betreten werden, und für die Arbeitswelt außerhalb des eigenen Hauses galten sie sowieso als nicht geschaffen. Häufig zitiert ist der Satz des berühmten Arztes Paracelsus aus dem Jahre 1566 »Es gibt kein Gift in der Welt, das schädlicher ist als das menstruum«. Interessant ist, dass sich solche oder ähnliche Mythen trotz des medizinischen Wissens und der Aufklärung bis heute halten, manchmal sogar in Industrienationen.

Auch Ende des 19. Jahrhunderts wurde die monatliche Schwäche als Beweis der weiblichen Unterlegenheit gegenüber den Männern angeführt. So schreibt Sir Henry Maudsley: »Mit einer Woche im Monat mehr oder weniger krank und unfit für harte Arbeit« galten Frauen als »intellektuell gehandicapt« und »Wenn eine Frau versucht, den Ausbildungsstandard von Männern zu erreichen..., wird ihr die notwendige Energie zum Kinderkriegen und -aufziehen fehlen«.

Im Kapitel »Exkurs Historisches« sind Begriffe wie das »menstruelle Irresein« erwähnt, die im 19. Jahrhundert geprägt wurden. Auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts galten Frauen, die sich zyklusabhängig »auffällig« verhielten, schnell als »irre« und nicht zurechnungsfähig. Die Erkenntnis, dass die Eierstöcke mit ihrer Hormonproduktion für das monatlich wiederkehrende Geschehen verantwortlich sind, führte dann zu der Heilmethode, die als »Battey's Operation« bekannt wurde: Die Eierstöcke wurden operativ entfernt (bei einer Sterblichkeit im Zusammenhang mit der Operation von 10 – 25 %!).

Zudem wurde damals schon die Ansicht vertreten, dass sich dieser wiederholende Ausnahmezustand strafmildernd vor Gericht auswirken sollte, weil Frauen sich in der prämenstruellen Zeit zu wahren »Furien und Xanthippen« entwickeln und ebenso zu Mörderinnen, Diebinnen oder Brandstifterinnen werden könnten. Eine Strafmilderung kann übrigens bis heute in den USA und in England in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. Insbesondere die bereits erwähnte britische Ärztin Katherine Dalton hat viel darüber geforscht und war wiederholt als Gutachterin bei Gerichtsverhandlungen dazu tätig. Auch das deutsche Recht bietet im Prinzip die Möglichkeit, eine Schuldminderung festzustellen, wenn beispielsweise eine Straftat durch einen schweren Impulsdurchbruch zustande gekommen ist – wie etwa ein körperlicher Angriff auf den Partner.

Erst nachdem die Zusammenhänge der Menstruation mit dem reproduktiven Zyklus der Frauen erkannt wurden, kamen die prämenstruellen wie menstruellen Beschwerden in den Verdacht, mit dem Kinderwunsch bzw. mit dem weiblichen Rollenbild in Verbindung zu stehen. Die Psychoanalyse sah diese Symptome im unterbewussten Ausdruck der »Versagung eines Kindes« begründet, wie von Karen Horney 1931 in der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik veröffentlicht. Bis heute halten sich übrigens Mythen um die Bedeutung von Unterbauchschmerzen und anderen körperlichen Problemen als Ausdruck eines unerfüllten Kinderwunsches, wenn z. B. Myome oder Endometriose diagnostiziert werden.

Rollenbilder und Emanzipation

Mit der zunehmenden Verfügbarkeit der »Anti-Baby-Pille« und der fortschreitenden Emanzipation änderten sich das Körpergefühl, der Selbstbestimmungswunsch und das Selbstbild von Frauen. Die Autorinnen Angelika Blume und Sylvia Schneider wehren sich in ihrem Buch von 1985 gegen die negativen v. a. männlichen Interpretationen und Zuschreibungen zur Periode.

Hering und Maierhof sehen die Ursachen der Menstruationsbeschwerden auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts weiterhin im Zusammenhang mit weiblichen Rollenkonflikten, nur dass sich die Rollenkonflikte mit dem Zeitgeist geändert hätten.

Mit der Zunahme von Berufstätigkeit entwickelten Frauen den Wunsch nach »Unauffälligkeit« im Zusammenhang mit ihren körperlichen Prozessen. Im Sinne der Gleichberechtigung wurden Schwächen rund um die Periode negiert, ihnen wurde mit Medikamenten, Schmerzmitteln oder Hormonen gegengesteuert. Die Verhütungspille wurde fast zum »Lifestyle-Produkt«, das neben der sicheren Verhütung Hautprobleme, starke Blutungen und Schmerzen gleich mit beseitigen konnte.

Aktuell ist eine starke Bewegung »gegen Hormone« zu verzeichnen. Junge Frauen suchen vermehrt nach alternativen Verhütungsmitteln, Frauen in den Wechseljahren sehen mehr Risiken als Vorteile in der Hormoneinnahme. Beides ist wohl nicht zuletzt mit verursacht durch die Vielzahl sich wiedersprechender Informationen, auf die man bei Internetrecherchen stößt. Und das zunehmend selbstverständliche Bedürfnis nach Autonomie, also Selbstbestimmung, gerade auch im Zusammenhang mit dem eigenen Körper.

Der weibliche Zyklus bekommt wieder mehr Aufmerksamkeit, durchaus im positiven Sinne. In manchen Ländern gewähren Firmen ihren weiblichen Angestellten beispielsweise sogar Sonderurlaub oder Krankentage rund um die Menstruation, wohl auch aus der Erfahrung heraus, dass Frauen nach der Periode besonders leistungsstark sind und alles wieder aufarbeiten, wenn sie ihre Beschwerden zuvor auskurieren können.

Die verschiedenen Perspektiven aus der zum einen medizinischen Sicht (»Wie können wir die Beschwerden nehmen?«) und der sehr naturbezogenen Sicht (»Normale physiologische Prozesse zulassen statt sie zu bekämpfen«) können sehr polarisieren. Wie so häufig liegt die Wahrheit wohl irgendwo in der Mitte. Inzwischen sind körperliche Ursachen für starke Schmerzen bei der Menstruation bekannt, wie z. B. Endometriose oder Myome, die behandelt werden können. Hormontherapien werden immer individueller, gezielter und nach umfangreicher Aufklärung über Nebenwirkungen verschrieben, anstatt sie allen zu empfehlen.

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Unsere Meinung

Wir wollen mit diesem kurzen Überblick zeigen, dass die Einstellungen zum weiblichen Körper, zu Körperprozessen und zum Umgang mit diesen dem Zeitgeist und Gesellschaftstrends unterliegen. So eben auch die Menstruation bzw. der Menstruationszyklus mit all seinen Begleiterscheinungen.

Brauchen wir die Menstruationszyklen noch?

Schon seit längerer Zeit wird diskutiert, ob die vielen Menstruationszyklen, die Frauen heute erleben, wirklich notwendig bzw. gesund sind. Wissenschaftler aus den USA und Brasilien plädieren deshalb für die Pille im sogenannten Langzyklus, womit die Blutung komplett über mehrere Monate unterdrückt wird. Durch das immer frühere Einsetzen der ersten Monatsblutung, die wenigen Schwangerschaften und die geringe Kinderzahl in den Industrienationen erleben Frauen deutlich mehr Menstruationszyklen als früher, als sie im Extremfall noch wechselnd schwanger waren oder stillten – oder beides gleichzeitig. Die Wissenschaftler weisen auf einen »unnötigen« und »nutzlosen Blutverlust« durch die monatliche Blutung hin sowie auf die häufigeren Zellteilungen in der Gebärmutterschleimhaut, die nach ihrer Ansicht zu erhöhtem Krebsrisiko, Blutarmut und Eisenmangel führen können. Auch auf die Reduzierung von zyklusbedingten Kopfschmerzen wurde im Zusammenhang mit dem Langzyklus hingewiesen. Dieses Vorgehen wird sogar mittlerweile in der Leitlinie zur Therapie und Prophylaxe von Migräneattacken als mögliche Therapieoption diskutiert. 2018 wurde eine schon seit langem in Deutschland verfügbare konventionelle Pille auch für die Anwendung im Langzyklus von der EMA (Europäische Arzneimittel Agentur) zugelassen.

Aus den Fachkreisen gibt es aber auch Kritik und Gegenstimmen bezüglich der längerfristigen Unterdrückung des Zyklus. Ein bewussterer Umgang mit der Periode und den eigenen Körperprozessen wird gefordert, weil dieser für ein besseres Körperbewusstsein und damit auch Selbstbewusstsein der Frauen sorgen könne.

Zusammenfassen lässt sich die Diskussion so: Wie in ganz vielen Bereichen sind abgewogene Entscheidungen nach guter Aufklärung wichtig, wobei jeweils die individuellen Gegebenheiten berücksichtigt werden müssen.

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Unsere Meinung

Die Diskussion um den »richtigen Umgang« mit dem weiblichen Zyklus und der Periodenblutung möchten wir hier in unserem Ratgeber nicht führen. Wenn wir zum Thema der hormonellen Behandlungsmöglichkeiten auf die Einnahme von Hormonen auch im Langzyklus hinweisen, geschieht dies aus rein therapeutischer Sicht, weil vielen betroffenen Frauen damit geholfen werden kann. Therapieempfehlungen werden immer sehr individuell getroffen, sind immer das Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung von Für und Wider und sollten nicht weltanschaulichen Meinungen oder Trends folgen. Und wir möchten noch hinzufügen: Die Frauen selbst sollten sich durch entsprechende Informationssuche in die Lage versetzen, an einer guten Entscheidungsfindung mitzuwirken. Stichwort »Autonomie«.

2 Die Prämenstruelle Dysphorische Störung (PMDS)

In aller Kürze

Die Kernsymptome der PMDS sind Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit/Wut, Depressivität und Angst/Anspannung.

Körperliche Symptome können, müssen aber nicht zusätzlich auftreten.

3 – 8 % der Frauen im gebärfähigen Alter sind betroffen.

Zur genauen Diagnostik sollte über mindestens 2 – 3 Menstruationszyklen ein Zyklustagebuch geführt werden.

Die Diagnose der PMDS wird anhand des amerikanischen Klassifikationssystems DSM-5 gestellt.

In der ICD-11 gibt es sehr ähnliche Diagnosekriterien unter dem Begriff »Premenstrual Dysphoric Disorder (derzeit aber noch nicht für das deutsche Gesundheitssystem verfügbar).

Die PMDS ist in der Regel behandlungsbedürftig.

Definition und Häufigkeit der PMDS

Die Prämenstruelle Dysphorische Störung ist die schwerste Form des Prämenstruellen Syndroms (PMS), und in der Regel erzeugt die Symptomatik einen so starken Leidensdruck, dass Behandlungsbedürftigkeit vorliegt. Mehrere Studien belegen ein Auftreten der schweren PMDS Symptomatik bei 3 – 8 % der Frauen im gebärfähigen Alter.

Die meisten Frauen erleben sich in der 2. Zyklushälfte ganz anders als in der 1. Hälfte (»Dr. Jekyll und Ms. Hyde«-Phänomen). Sie tun oder sagen Dinge, für die sie sich im Nachhinein schämen und die ihnen leidtun. Trotz aller Bemühungen, der starken Impulsivität und Aggressivität nicht nachzugeben, gelingt es ihnen nicht, sich zu beherrschen. Erhebliche Probleme in zwischenmenschlichen Kontakten und im sozialen Umfeld (mit dem Partner, Kindern, Arbeitskollegen) sind eine typische Folge. Der Kontrollverlust gegenüber ihren Kindern ist ein häufiger Anlass, sich Hilfe zu holen, da die betroffenen Frauen es unerträglich finden, wenn sie ihre Kinder anschreien oder sogar schlagen, was sie zu anderen Zeitpunkten niemals tun würden.

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Merke

Wenn wir von der 1. Zyklushälfte sprechen – in Abgrenzung von der 2. problembehafteten Zyklushälfte – dann sind wir uns sehr wohl darüber im Klaren, dass es in der Realität nicht immer so »mathematisch« zugeht. Dass beispielsweise manche Frauen auch um den Eisprung herum Probleme haben, denen dann noch einmal eine »ruhige Phase« folgt, und dass sie die PMDS-Symptome am ehesten mit Phasen der hormonellen Umstellung in Verbindung bringen. Oder dass die Symptome nach Eintritt der Periode vielleicht auch noch zwei oder drei Tage anhalten.

Die »1. Zyklushälfte« steht also für problemfreie bzw. problemarme Zeiten, die »2. Zyklushälfte« für Phasen mit Symptomen und daraus resultierenden Problemen.

Im aktuell in Deutschland verwendeten Klassifikationssystem ICD-10 gibt es keine PMDS-Kriterien, sodass derzeit nur die Einordnung in irgendeine andere Störungskategorie möglich ist, abhängig von der bestehenden Symptomatik. Eine Veränderung wird sich ergeben, wenn die ICD-11 (international eingeführt ab 01. 01. 2022) in deutscher Übersetzung verfügbar ist. In der ICD-11 gibt es unter der Bezeichnung »Premenstrual Dysphoric Disorder« (auf Deutsch voraussichtlich Prämenstruelle Dysphorische Störung) Diagnosekriterien, die denen der DSM-5 sehr ähnlich sind. Interessant ist die Ansiedelung im Kapitel mit gynäkologischen Störungsbildern, was sicherlich dazu beitragen wird, die Problematik zu »entstigmatisieren«. Denn viele Betroffene fühlen sich ja derzeit in eine »psychisch kranke Ecke« gedrängt.

Im amerikanischen, wissenschaftlich orientierten Klassifikationssystem DSM-5 ist die PMDS als eigenständige Störung mit eindeutigen Diagnosekriterien verzeichnet (zusammengefasst und gekürzt in ▸ Tab. 2.1, Originalkriterien sind unter APA 2020 einsehbar). Dazu gehören elf klar definierte Symptome bzw. Symptomgruppen, die zeitliche Einordnung der Symptome und die Diagnosebestätigung. Auch die Auswirkungen der Störung im sozialen und familiären Umfeld gehören zu den Kriterien.

Tab. 2.1:Diagnosestellung PMDS (nach DSM-5-Kriterien)

Kernsymptome(in deutlicherAusprägung)

1.

2.

3.

4.

Affektlabilität (Stimmungsschwankungen, erhöhte Empfindlichkeit)

Reizbarkeit, Wut, vermehrte zwischenmenschliche Konflikte

Depressive Verstimmung, Hoffnungslosigkeit, selbstherabsetzende Gedanken

Angst, Anspannung, Überreizung, Nervosität

WeitereSymptome

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Verringertes Interesse an üblichen Aktivitäten

Konzentrationsschwierigkeiten

Lethargie, leichte Ermüdbarkeit, deutlicher Energieverlust

Appetitveränderungen, Heißhunger

Schlafstörungen (Insomnie/‌Hypersomnie)

Kontrollverlust, Gefühl des Überwältigtseins

Körperliche Symptome

Symptome fürDiagnosestellung

Mindestens ein Kernsymptom, insgesamt mindestens fünf Symptome

Zeitpunkt desAuftretens

Während der Mehrzahl der Zyklen (in der letzten Woche vor Beginn der Periode, Besserung wenige Tage nach Beginn der Periode)

Auswirkungen

Starkes Leiden oder Beeinträchtigung der Arbeits- oder Schulleistung oder gewöhnlicher sozialer Aktivitäten und Beziehungen zu anderen

Abgrenzungzu anderenDiagnosen

Die Symptome sind nicht nur Ausdruck einer anderen Störung, z. B. einer depressiven Störung, einer Angststörung oder einer Persönlichkeitsstörung (obwohl es mit jeder der genannten Störungen gleichzeitig auftreten kann).Die Symptome sind nicht verursacht durch Substanzen/‌Medikamente oder eine körperliche Erkrankung (wie etwa eine Schilddrüsenfunktionsstörung).

Diagnose-bestätigung

Die Symptome müssen in entsprechender Schwere während der meisten Menstruationszyklen des vorangegangenen Jahres aufgetreten sein. Durch Führung eines Zyklustagebuches mit täglichen Einschätzungen während mindestens zwei symptomatischer Zyklen wird die Diagnose bestätigt.

Auf die einzelnen Symptome möchten wir im Folgenden ausführlich eingehen.

1. Affektlabilität (Stimmungsschwankungen, erhöhte Empfindlichkeit)

Die Veränderung der Stimmung ist eins der vier Kernsymptome der PMDS. Betroffene Frauen versuchen Monat für Monat, die Ursachen für ihre Stimmungswechsel zu finden. Und wenn man sucht, findet man auch Gründe, z. B. beim unaufmerksamen Partner oder bei den überdrehten Kindern, bei Unzufriedenheiten mit dem Job oder Spannungen mit den Kolleginnen.

Diese Probleme können durchaus einen realen Hintergrund haben, doch in der 2. Zyklushälfte erscheinen sie unlösbar, unerträglich, aber von großer Bedeutung. Frauen stellen sich dann selbst infrage, denken über Trennung nach, verspüren den Wunsch, alles zu verändern, den Job zu wechseln, auszuwandern – denn irgendetwas in ihrem Leben muss doch verantwortlich sein für diese Stimmungsschwankungen.

Dazu kommt eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Kritik oder auch nur möglicher Kritik, die aus jeder Kommunikation herausgefiltert bzw. hineininterpretiert wird. Die Frauen selbst sehen sich in dieser Zeit extrem kritisch. Und da der Partner gerne zur Projektionsfläche wird, also als eine Art Spiegel des eigenen Selbst fungiert, wird ihm der kritische Blick unterstellt. Bei vielleicht sogar gerechtfertigter Kritik wird diese als extrem kränkend und vernichtend erlebt. Auch Kritik oder kritische Nachfragen bei der Arbeit können emotionale Krisen auslösen.

Manche Frau fragt sich, ob sie »eigentlich« die Frau in der 1. Zyklushälfte ist, oder ob sich in der 2. Zyklushälfte ihre »wahre« Persönlichkeit zeigt (Dr. Jekyll und Ms. Hyde-Phänomen).

2. Reizbarkeit, Wut, vermehrte zwischenmenschliche Konflikte

Vielleicht sind starke Reizbarkeit und Wut kombiniert mit dem Gefühl des Kontrollverlustes sogar die deutlichsten Zeichen der PMDS. Diese Symptome können durchaus auch bei einer Persönlichkeitsstörung oder seltener auch bei einer Depression vorkommen, meist dann aber nicht so dominant und periodisch auftretend wie bei der PMDS.