Poesia D' Amore Luna für immer - Gudrun Leyendecker - E-Book

Poesia D' Amore Luna für immer E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Ein goldener Armreif, eine Melodie - und die Liebe, die alles verändert. Als Luna in einer Sommernacht den italienischen Musiker Francesco trifft, scheint es, als hätten Sterne und Musik sie füreinander bestimmt. Doch ein Sturm trennt sie - und nur ein geheimnisvoller Armreif mit der Gravur „Amanda per sempre“ bleibt zurück. Die Suche nach dem Besitzer führt Luna von den Pizzerien Münchens über die Arena von Verona und die Scala in Mailand bis ins winterliche Venedig. Zwischen Opernklängen, verschneiten Plätzen und flüsternden Gerüchten wird ihr Mut geprüft - und ihr Herz stärker herausgefordert, als sie je erwartet hätte. Eine Geschichte über zweite Chancen, die heilende Kraft der Musik und ein Weihnachtswunder, das leise beginnt. Wer Italien, Oper und gefühlvolle Liebesromane liebt, wird in dieser Erzählung sein eigenes Leuchten entdecken.

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Seitenzahl: 162

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.

Siehe Wikipedia.

Sie veröffentlichte bisher über 120 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

Dir 40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

Inhalt:

Eine Journalistin, ein Musiker, ein goldener Armreif und die Suche nach der Liebe, die stärker ist als Zweifel. Zwischen Opernklängen, verschneiten Nächten und italienischer Leidenschaft entfaltet sich eine Geschichte, die Herz und Seele berührt. Wer an Wunder glaubt, wird hier eines finden.

1. Kapitel

Die Sommernacht in München vibrierte. Nicht nur von den Bässen, die über die Wiese rollten, nicht nur von den Stimmen, die in den Himmel stiegen, sondern von einer Energie, die wie unsichtbarer Sternenstaub zwischen den Menschen wirbelte.

Luna stand mitten im Getöse, die Füße barfuß im Gras, die Haare vom Wind aufgewühlt, und ließ sich hineinfallen in den Rhythmus. Sie liebte es, wenn Musik den Körper lenkte, als sei sie stärker als jeder Gedanke.

Da war er plötzlich.

Ein Paar Augen, dunkel und warm, die sich zu ihr herüberschoben, als hätten sie sie schon lange gesucht. Francesco.

Er lächelte, ein wenig scheu und zugleich voller Einladung. „Vuoi ballare?“ – Willst du tanzen? Sie verstand, auch ohne die Worte wirklich zu hören. Und schon bewegten sie sich gemeinsam, fanden im Chaos der Menge einen eigenen Raum, als wäre um sie herum ein unsichtbarer Kreis gezogen, in dem nur Musik, Atem und Herzschlag zählten.

Luna lachte, weil sie spürte, wie leicht es war, sich mit ihm im Takt zu wiegen. Francesco erzählte ihr, dass er aus Italien kam, dass er hier in einer Pizzeria aushalf, dass sein eigentliches Leben in der Musik lag. Seine Stimme hatte die Klangfarben wie ein Cello, weich und tief, und Luna hätte ihm stundenlang zuhören können.

Und doch – ihr Blick glitt an seiner Hand entlang, dort, wo das Licht der Scheinwerfer ein goldenes Band zum Glänzen brachte. Ein Armreif, schlicht und zugleich auffallend, mit einer Gravur, die ihr sofort ins Herz schnitt: Amanda per sempre. Amanda für immer.

Ein Name, ein Versprechen, ein Siegel. Ihre Schritte stockten für einen Atemzug. Sie sah ihn an, dieses warme Lächeln, diese Nähe, die sich wie ein Geschenk anfühlte, und sie spürte gleichzeitig, wie sich eine unsichtbare Wand zwischen ihnen erhob.

Vielleicht gehörte er längst einer anderen. Vielleicht war alles nur ein schöner Zufall dieser Nacht.

Als er sich leicht zu ihr beugte, sein Atem ganz nah, als wolle er sie küssen, wich sie zurück, sanft, aber bestimmt. Ein Windstoß fuhr durch die Menge, dunkle Wolken ballten sich über der Bühne zusammen, Blitze zerrissen den Himmel, und das Festival zerbrach plötzlich im Sturm.

Menschen rannten, schrien, lachten, flüchteten vor dem Regen, der wie ein Wasserfall niederstürzte. Luna spürte, wie Francesco nach ihrer Hand griff, um sie mitzuziehen, doch im Getümmel verloren sie sich.

Der Boden war aufgeweicht, Schlamm spritzte, Donner rollte, und in all dem Chaos glitzerte etwas vor Lunas Füßen. Ein goldenes Licht im Matsch. Der Armreif. „Amanda per sempre.“

Sie hob ihn auf, hielt ihn fest in ihrer nassen Hand, als wäre er selbst ein Herz, das aufgehört hatte zu schlagen. Und während der Regen sie durchnässte, wusste sie nur eines: Dieser Francesco hatte in ihr eine Saite angeschlagen, die nicht mehr verstummen wollte.

*

2. Kapitel

München erwachte am Morgen nach dem Festival mit nassen Straßen, die glänzten wie schwarzer Lack. Die Stadt roch nach Regen und nach Lindenblättern, die der Sturm in den nächtlichen Böen von den Bäumen gerissen hatte.

Luna stand in ihrer kleinen Wohnung im Glockenbachviertel am Fenster, sah den Tropfen nach, die am Glas hinabperlten, und drehte den goldenen Armreif zwischen den Fingern. Amanda per sempre. Das Versprechen eines anderen Lebens, eines anderen Herzens. Und doch spürte sie bei jeder Berührung den Zauber des Tanzes, den Atem eines Fremden, der sie berührt hatte, ohne sie wirklich zu berühren.

Sie wickelte sich in den flauschigen Bademantel, den sie sich kürzlich auf einem Flohmarkt am Gärtnerplatz gekauft hatte, er war ihr liebster Schutz gegen nasse Tage wie diesen, und goss Tee in ihre große, blassblaue Tasse. Gerade, als sie sich auf die Couch kuschelte, klingelte es.

„Natürlich, Michaela“, murmelte sie und öffnete. Ihre Freundin stand in der Tür, mit wild zerzaustem Haar, einem Schirm, der im Sturm zerbrochen war, und einem Stapel Illustrierten unter dem Arm.

„Du siehst ja aus, als hättest du ein Märchen erlebt“, grinste sie. „So ähnlich“, erwiderte Luna und deutete auf den Tee.

Kurz darauf saßen beide im Wohnzimmer, während draußen die Straßenbahn quietschend um die Kurve bog und die Stadt langsam wieder in ihren Alltag fand. Michaela breitete wie gewohnt ihre Geschichten über Schauspieler und Politiker aus, die sich auf der Maximilianstraße hatten blicken lassen. Sie liebte es wenig, den Glanz der Prominenz aufzuschreiben, mit einer Mischung aus Ironie und Bewunderung, aber es war nun mal ihr Job.

„Und du?“ fragte sie schließlich, als sie Lunas verträumten Blick bemerkte. „Ich wette, du hast gestern nicht nur die Musik genossen.“

Luna zögerte, dann erzählte sie vom Tanz, vom Sturm, von Francesco. Von diesem Lächeln, das sie verfolgt hatte, und vom Armreif, den sie nun auf den Tisch legte. Das Gold glänzte matt im Morgenlicht.

Michaela hob eine Braue. „Das ist kein billiger Modeschmuck. Und Amanda per sempre – das klingt nach einer Frau, Luna.“

„Ich weiß“, flüsterte Luna. „Und genau deshalb … habe ich mich

zurückgehalten.“

„Na, dann gib das Ding im Fundbüro ab“, schlug Michaela nüchtern vor und nahm einen Schluck Tee.

Doch Luna schüttelte den Kopf. „Nein. Ich will ihn zurückgeben. Ihm persönlich. Ich muss es. Sonst … sonst bleibt alles unvollendet.“

Michaela lachte leise. „Typisch du. Immer auf der Suche nach der Melodie hinter den Tönen. Während ich die Schlagzeile sehe, siehst du die Geschichte. Aber gut – München hat nicht unendlich viele Pizzerien. Du wirst ihn finden.“

Luna lehnte sich zurück und hörte ihr zu, doch in Gedanken war sie schon auf den Straßen der Stadt unterwegs. Sie kannte München: die engen Gassen um den Viktualienmarkt, die Touristenströme im Hofgarten, die jungen Musiker, die sich in den Biergärten am Isarufer verdingten. Eine Stadt voller Geschichten, voller Begegnungen. Und irgendwo, zwischen all dem, war Francesco.

Der goldene Armreif lag schwer in ihrer Hand. Ein Schlüssel, ein Rätsel, vielleicht sogar eine Falle. Aber eines wusste sie sicher:

Sie würde ihn suchen.

*

3. Kapitel

Auf der Suche nach Francesco

Der Morgen in München war klar, die Straßen noch feucht vom Sturm der Nacht. Die Frauenkirche ragte wie immer über die Stadt, als wolle sie ihr mit den beiden Türmen zurufen: Hab Mut, Mädchen, geh deinen Weg.

Luna hatte am Vormittag ihren Artikel abgegeben – eine Rezension über „La Bohème“ an der Staatsoper. Ein Stück, das sie nie unberührt ließ. „Ich soll kritisch sein“, hatte ihr Chefredakteur gesagt, „aber immer mit Herz“. Genau das tat sie. Und so hatte sie den Rest des Tages frei, frei für ihre eigene Geschichte.

Mit dem goldenen Armreif tief in ihrer Tasche machte sie sich auf.

Die erste Station: eine kleine Pizzeria nahe dem Sendlinger Tor, mit rot-weiß karierten Tischdecken und einem Wirt, der aussah, als hätte er die Vesuv-Glut noch im Herzen.

„Francesco?“ wiederholte er, als sie fragte. Er war ein breitschultriger Mann mit grauen Schläfen und einem Lächeln, das mehr versprach, als Luna hören wollte.

„Signorina, Francescos gibt es viele. Wenn Sie den Francesco suchen, dann müssen Sie schon genauer werden. Groß, klein, schön, noch schöner?“ Er zwinkerte.

„Musikstudent“, erklärte Luna etwas verlegen.

„Aaaah, Musiker! Da kennen Sie bestimmt meine Tochter, die auch Geige spielt. Aber sie sucht keinen Musiker, sondern einen Ingenieur!“ Er lachte dröhnend und brachte ihr, ohne zu fragen einen Espresso, „der geht aufs Haus“.

Luna lächelte höflich und verabschiedete sich bald, ohne weitergekommen zu sein.

Die nächste Pizzeria lag unweit vom Viktualienmarkt. Drinnen duftete es nach frischen Tomaten und Basilikum. Ein junger Kellner mit wilden Locken hörte ihr aufmerksam zu.

„Francesco?“, fragte er nachdenklich.

„Ja, so heiße ich auch.“

Luna stockte. „Sie?“

„Ja – aber ich studiere BWL, keine Musik. Und ich habe schon eine Freundin.“ Er grinste breit, als sei das ein wichtiges Detail. „Aber wenn Sie wollen, kann ich trotzdem für Sie singen.“

Er stimmte ein paar falsche Töne von „O sole mio“ an, während Luna lachend das Weite suchte.

Am Nachmittag führte ihr Weg in die Maxvorstadt, wo sich Studenten, Künstler und Lebenskünstler mischten. In einer Pizzeria dort, die mehr nach Wohnzimmer als nach Restaurant aussah, begegnete sie einem alten Kellner mit melancholischen Augen.

„Francesco?“ fragte sie.

Er legte die Hand aufs Herz und seufzte: „Signorina, so hat mein Bruder geheißen. Aber er ist seit vielen Jahren in Neapel. Sie werden ihn hier nicht finden.“

Sein Blick verriet, dass die Erinnerung ihn berührte. Luna bedankte sich leise und verließ das Lokal, diesmal ohne Lächeln.

So verging der Tag: Lachen, Kopfschütteln, kleine Geschichten am Rande. München zeigte sich ihr in all seinen Farben, von der Lebendigkeit der Studentenviertel bis zum geschäftigen Trubel am Odeonsplatz.

Doch von Francesco keine Spur.

Als die Sonne unterging und das Glockenspiel am Rathaus die Melodie des Tages verklingen ließ, stand Luna in der Fußgängerzone. Sie spürte, dass die Suche schwieriger werden würde, als sie gedacht hatte. Vielleicht war Francesco längst wieder verschwunden.

Aber der goldene Armreif in ihrer Tasche funkelte wie ein leises Versprechen.

Nein, sagte sie sich. Ich gebe nicht auf. Irgendwo in dieser Stadt, oder vielleicht darüber hinaus, werde ich ihn finden.

*

4. Kapitel

Es war schon spät, als Luna mit müden Schritten die Treppen zu ihrer Wohnung hinaufstieg. Die Stadt leuchtete noch, Straßenlaternen spiegelten sich im nassen Asphalt, und irgendwo spielte jemand auf einer Gitarre ein melancholisches Lied.

Drinnen wartete schon Michaela, mit einer Flasche Rotwein, den halb gefüllten Gläsern und einem Blick, der alles sagte: „Erzähl!“

Luna ließ sich auf das Sofa fallen und begann zu berichten. Von den Pizzerien, den charmanten Kellnern, dem alten Mann mit dem Bruder in Neapel, und natürlich von dem jungen Francesco, der ihr gleich sein Herz und eine schiefe Gesangseinlage angeboten hatte. Michaela lachte laut, klopfte mit der Hand auf das Sofakissen und meinte: „Ach, München ist ein Dorf voller Italiener, nur dein Francesco ist nicht da.“

„Ja“, seufzte Luna und griff nach ihrem Glas. „Aber ich gebe nicht auf. Irgendwo muss er sein.“

Dann kam das Gespräch auf Lunas Artikel, den sie am Morgen abgegeben hatte.

„La Bohème“, sagte sie leise, fast ehrfürchtig. „Es ist jedes Mal dasselbe: Ich schreibe darüber, ich höre es, und doch bricht es mir das Herz. Mimi stirbt, Rodolfo hält ihre Hand, und alles, was bleibt, ist die Liebe, die nichts mehr retten kann, …“

Michaela legte den Kopf schief, sah ihre Freundin mit diesem besonderen Blick an, der gleichzeitig neckisch und ernst war. „Siehst du, genau das meine ich. Willst du auch so enden wie in einer Oper? Stell dir vor: du suchst und suchst, und wenn du ihn endlich findest, bist du alt, grau, und einer von euch liegt schon halb im Grab. Dann bleibt dir nur die große Arie der verpassten Chancen.“

„Ach, Michaela!“ Luna lachte, obwohl sie spürte, dass ein kleiner Stich in der Wahrheit lag. „Du übertreibst. Das Leben ist keine Oper.“

„Nein“, entgegnete Michaela mit funkelnden Augen, „aber manchmal schreibt es die besseren Libretti.“ Sie stießen an, und eine kleine Weile sprachen sie über Bücher und Filme – über Casablanca, über Dr. Schiwago, über all diese Geschichten, in denen Menschen sich verlieren und manchmal nie wiederfinden.

„Also, hör auf mit der Romantik“, riet Michaela schließlich, „und setz deine journalistischen Fähigkeiten ein! Schreib eine kleine Notiz, frag im Netzwerk nach, irgendetwas.“

Doch Luna schüttelte entschieden den Kopf. „Nein. Ich weiß nicht, wer Amanda ist. Vielleicht seine Frau, vielleicht seine Verlobte. Wenn ich jetzt öffentlich nach ihm suche, kompromittiere ich ihn womöglich. Das will ich nicht. Ich muss ihn selbst finden. Ohne Schlagzeilen, ohne Internet. Nur so … kann es echt sein.“

Michaela seufzte, rollte die Augen und nahm noch einen Schluck. „Dann geh halt weiter in Pizzerien, bis du alle durch hast. Aber tu mir einen Gefallen, Luna: Beeil dich ein bisschen. Sonst wird deine eigene Geschichte irgendwann eine Oper.“

Luna lachte, stellte das Glas ab und sagte: „Morgen geht die Suche weiter.“ Und in diesem Lachen lag ein Funke von Hoffnung, wie eine kleine Melodie, die leise in ihr nachklang.

*

5. Kapitel

Die dritte Pizzeria auf Lunas Liste lag unauffällig in einer Seitenstraße der Münchner Maxvorstadt, zwischen einem kleinen Antiquariat und einer Bar, aus der schon am Nachmittag Jazz erklang. Das Schild über der Tür war leicht verblichen, und die Markise hatte die Farben der italienischen Trikolore nur noch im Andeutungsmodus. Aber der Duft, der ihr beim Eintreten entgegenschlug, war eine Liebeserklärung an Knoblauch, Basilikum und frisch gebackenen Teig.

Hinter dem Tresen stand ein Mann mit buschigen Augenbrauen, dessen Hemd ein wenig zu eng über dem Bauch spannte. Er hieß Gianni, wie er sich mit einem festen Händedruck vorstellte, und seine Stimme klang so, als könnte er ebenso gut ein Lied von Mario Lanza anstimmen wie eine Bestellung aufnehmen.

„Francesco?“ wiederholte er, als Luna vorsichtig nachfragte. Seine Stirn zog sich zusammen, dann hellte sich sein Gesicht auf. „Si, si, certo! Francesco war hier. Ein paar Tage nur. Ein Freund meines Sohnes Carlo. Sehr netter junger Mann, wirklich. Hat geholfen, als einer meiner Kellner krank wurde. Gute Hände, höflich, und außerdem …“ – er zwinkerte – „hat er mehr Trinkgeld bekommen als ich in einer ganzen Woche.“

Luna spürte, wie ihr Herz schneller schlug. „Wirklich? Wissen Sie vielleicht, wo er jetzt ist?“

Gianni legte den Kopf schief, überlegte und griff nach einem Glas, das er gedankenverloren polierte. „Hm … Er ist wieder nach Italien. Mit Carlo. Die beiden sind große Opernfreunde! Haben sich vor Jahren in Verona kennengelernt, bei einer Aufführung, hatten nebeneinandergesessen. Seither sind sie Freunde. Carlo hatte ihm damals gesagt: „Besuche mich mal in München!“ Er kannte es, er war schon mal hier, öfters sogar. Tja, und nun war er hier. Aber sie sind schon weg. Richtung Mailand. In die Scala, natürlich. Da gibt es Irgendeine große Aufführung, ich weiß nicht welche. Ich bleibe lieber bei Mario Lanza.“

„Mailand …“ Lunas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch in ihrem Inneren begann es wie ein Glockenschlag nachzuhallen.

„Ja, ja. Die beiden schwärmen von der Oper, als wäre es der Himmel auf Erden. Aber für mich …nein, da gibt es zu viele hohe Töne.“ Gianni lachte herzhaft.

„Und … wissen Sie vielleicht, wann Carlo wiederkommt?“ fragte Luna zögernd.

„Ach, mein Sohn hat jetzt Urlaub. Das dauert. Ich hab ihn ganz beruhigt gehen lassen, ich hab ja zwei Neffen, die gerade eingetroffen sind und hier helfen. Zwei kräftige Jungs, die können zupacken.“

„Verstehe … Und wissen Sie vielleicht, in welchem Hotel sie in Mailand untergekommen sind?“

Gianni runzelte die Stirn, als müsse er tief in seinen Gedanken kramen. Dann schnippte er plötzlich mit den Fingern. „Ah, ja! Das war irgendwas mit ‚Milano Centrale‘ … oder ‚Corona‘ … nein, Corona nicht, das klingt nach Bier …“ Er kratzte sich am Kopf. „Aber Milano … ja, ich glaube, Milano Centrale. So ähnlich jedenfalls.“

Luna lächelte dankbar, auch wenn die Information vage war. Immerhin: ein Name, ein Ort, eine Richtung. Und dazu der volle Name von Carlo – Carlo Bartolone. Eine Spur, die sie weiterverfolgen konnte.

Als sie wieder auf die Straße trat, leuchtete die Sonne golden über die Dächer. Ihr Herz pochte wild, wie nach einem heimlichen Versprechen. Mailand! Die Scala! Ein Ort, der wie geschaffen war für Begegnungen, für das Schicksal – oder für das Spiel des Zufalls.

Und während sie durch die Straßen zurückging, formte sich in ihr der Gedanke, der immer klarer wurde: Ich muss nach Mailand reisen. Vielleicht wartet dort nicht nur eine Aufführung, sondern auch eine Antwort.

*

6. Kapitel

„Also, Süße …“ Michaela stemmte die Arme in die Hüften, während sie mitten in Lunas kleiner Küche stand und so tat, als wäre sie die Stimme der Vernunft in Person. „Du willst ernsthaft nach Mailand reisen, in eine Stadt mit über einer Million Einwohnern, nur um dort in einem Hotel, von dem du nicht weißt, ob es das richtige ist, nach einem gewissen Carlo Bartolone und einem Francesco zu fragen? Das klingt nach … naja … ungefähr so erfolgversprechend wie die Nadel im Heuhaufen, nur ohne Nadel und ohne Heuhaufen.“

Luna kicherte leise, aber sie sah ihre Freundin mit einem Blick an, der verriet: Ich habe mich schon längst entschieden.„Und selbst wenn du das Hotel findest, glaubst du wirklich, an der Rezeption verrät dir jemand, ob ein Herr Bartolone oder ein Francesco dort abgestiegen sind? Rezeptionen sind keine Klatschspalten, meine Liebe. Die sind verschwiegen wie der Vatikan.“

„Das mag sein“, antwortete Luna sanft, „aber manchmal … geschehen kleine Wunder. Und außerdem – was habe ich zu verlieren?“

Michaela rollte die Augen, griff nach einer Kaffeetasse und nippte daran, mit dem Blick einer Richterin, die sich vor der Urteilsverkündung noch einmal sammeln muss. „Du hast den Verstand verloren, Luna. Aber sonst … verstehe ich dich.“

Da beugte sich Luna ein Stück vor und legte den Kopf schief: „Sag mal, Michaela … warum kommst du nicht einfach mit?“

Die Kollegin verschluckte sich beinahe am Kaffee. „Mit?! Nach Mailand?! Spinnst du?!“

„Warum nicht?“ Lunas Stimme klang hell, fast beschwingt. „Du kannst dort sicher ein paar spannende Interviews führen. In der Scala tummeln sich bestimmt viele Prominente. Vielleicht auch ein paar Tenöre, die in jeder Klatschkolumne glänzen. Und in den Hotels? Da wohnen sicher lauter VIPs, die nur darauf warten, dir ihre Geheimnisse zu verraten.“

Michaela blinzelte, als habe ihr Luna gerade den Mond auf einem Silbertablett angeboten. „VIPs, hm?“

„Ja“, fuhr Luna fort, „und stell dir vor – du, die Münchner Journalistin, die plötzlich hinter den Kulissen der Scala ein paar Exklusiv-Infos abgreift … du fändest fantastische Schlagzeilen!“

Es entstand eine kleine, theatralische Pause, in der nur das Summen des Kühlschranks zu hören war. Dann schüttelte Michaela den Kopf, lachte, und rief: „Weißt du was, Luna? Du bist verrückt. Aber … deine Verrücktheit ist ansteckend. Also gut – pack die Koffer. Wir fahren zusammen.“

Luna sprang auf, umarmte ihre Freundin stürmisch und beide brachen in ein ausgelassenes Lachen aus, das so frei klang, als hätte der Tag selbst beschlossen, mitzutanzen.