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Unweit des Ortes Mühlwald im Norden Italiens liegt der Meggima-See, der umgeben ist von saftig grünen Almwiesen, dunklen, aromatisch duftenden Nadelbäumen. Von seinem Ufer aus hat man einen zauberhaften Blick auf die nördlichen Zillertaler Alpen. Dort, überall in den Bergen, besonders auch in den Dolomiten, erzählt man sich Sagen und Geschichten von Zwergen, Kobolden, Feen und verborgenen Königreichen, die häufig für Menschen unsichtbar sind. Lena und Laura haben davon gehört und machen sich auf die Suche nach dieser Zauberwelt, die jedoch nicht nur märchenhafte Begegnungen, sondern auch gefährliche Abenteuer zu bieten hat.
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Seitenzahl: 200
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.
Siehe Wikipedia.
Sie veröffentlichte bisher über 110 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.
Inhaltsangabe
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Unweit des Ortes Mühlwald im Norden Italiens liegt der Meggima-See, der umgeben ist von saftig grünen Almwiesen, dunklen, aromatisch duftenden Nadelbäumen. Von seinem Ufer aus hat man einen zauberhaften Blick auf die nördlichen Zillertaler Alpen. Dort, überall in den Bergen, besonders auch in den Dolomiten, erzählt man sich Sagen und Geschichten von Zwergen, Kobolden, Feen und verborgenen Königreichen, die häufig für Menschen unsichtbar sind. Lena und Laura haben davon gehört und machen sich auf die Suche nach dieser Zauberwelt, die jedoch nicht nur märchenhafte Begegnungen, sondern auch gefährliche Abenteuer zu bieten hat.
Lena lässt ihren Blick über die glatte Oberfläche des Meggima-Sees gleiten, in dem sich das Panorama spiegelt. „Ist es nicht seltsam, dass sich die Alpen darin so abzeichnen, als gäbe es sie noch einmal in einer zweiten, ganz sonderbaren Welt?!"
Laura betrachtet die Nordwand der Zillertaler Alpen. „Hier in den Bergen wundert es mich gar nicht. In diesen Gegenden gibt es viele zauberhafte Wesen und Welten. Wir sind hier gar nicht weit weg vom Rosengarten und König Laurins Reich. Auch hier im Mühlwalder Tal gibt es zahlreiche Sagen und Mythen. Hier soll schon die Hexe Nüssli auf ihrem Ziegenbock geritten sein. Hast du dich schon einmal informiert, mit wem wir es hier außerdem noch zu tun haben?"
Nicht weit von hier, in den Trentiner Alpen lebt der Drache Polka in den Höhlen, er ist sehr freundlich, und man muss ihn nicht fürchten, doch hier, links und rechts in den Bergkämmen am Mühlwalder Bach, wohnt der König Novo mit seinen guten und bösen Feen und zarten, flinken Elfen. In den Gesteinshöhlen dagegen lebt die Königin Galina mit teils gefährlichen und teils hilfsbereiten Kobolden. Novo und Galina werden sich einfach nicht einig, wer auf die linke und wer auf die rechte Seite des Baches ziehen soll."
„Und warum nicht?" erkundigt sich Laura.
„Eigentlich gehört beiden dieses Gebiet nicht, und der König und Königin haben nur ein Wohnrecht, denn die Kaiserin Zara ist die Regentin dieses Alpentales."
„Und warum regiert sie hier nicht?"
„Sie wurde vor vielen Jahren in eine Gams verzaubert und lebt jetzt dort oben an der Baumgrenze, wo die wilden Rosen wachsen."
„Das klingt ja geheimnisvoll", findet Laura. „Wer hat sie verzaubert, und vor allen Dingen, warum?"
„Sie hat die Wege zu den Gletschern oben sperren lassen, auch dort, wo die Touristen klettern und im Winter Ski fahren. Das passte vielen Menschen hier nicht, die mit dem Tourismus ihr Geld verdienen, und sie haben sich zusammengetan und den Drachen Rauputz bestochen, damit er Kaiserin Zara das Handwerk legt. Seitdem gehen die Bergwanderer und Wintersportler dort oben wieder ein und aus."
„Und warum wollte Zara verbieten, dass die Menschen hier Urlaub machen?" möchte Laura wissen.
„Wegen der Umweltverschmutzung und natürlich auch zum Schutz der Gletscher, das ist doch ganz klar", erwidert Lena.
Die Freundin hebt die Augenbrauen und schüttelt leicht den Kopf. „Aber die Berge sind doch groß, die Alpen sind ein riesiges Gebiet, da fallen doch ein paar Wanderer nicht auf."
„Im Sommer sind es manchmal große Touristenströme, die auf den breiten Wegen die drei Zinnen oder andere Berg-Massive umrunden. Und wenn der Schnee und die Gletscher oben auf den Gipfeln mit Tüchern zugedeckt werden, um das Abschmelzen zu verhindern, dann können sich die Skifahrer dort oben nicht austoben."
„Das ist ein schwieriges Thema", findet Laura. „Wie will man da beiden Seiten gerecht werden?!"
„Darüber rätseln hier einige Leute im Tal, denn sie möchten beides, die Umwelt schützen und doch auch von den Einnahmen des Tourismus leben."
Laura seufzt. „Diese Gegend ist so traumhaft schön. Ich hätte gar nicht gedacht, dass es hier solche Probleme gibt. Ich würde zu gern einmal mit dem König Novo und der Königin Galina reden. Ich habe das Gefühl, dass man einen Kompromiss finden kann."
Lena sieht die Freundin erwartungsvoll an. „Für was genau?“
„Die Streitereien zwischen König Novo und der Königin Galina müsste man doch beilegen können. Dieses schöne Tal ist doch wohl groß genug, um zusammen hier in Frieden leben zu können. Und auch für die Kaiserin Zara müsste eine Erlösung möglich sein, wenn man mit der Person redet, die die Verzauberung angeordnet hat.“
„Da hast du viel vor“, antwortet die Freundin schmunzelnd. „Das hört sich ja beinahe so an, als wolltest du den Weltfrieden retten. Es ist schon schwierig, zwei Menschen, die sich streiten, wieder zu versöhnen. Aber bei diesen Zauberwesen scheint es mir noch viel schwerer zu sein. Vermutlich wird keiner von allen damit einverstanden sein, und du sitzt dann in der Klemme."
Laura seufzt. „Ich möchte es zu gern einmal versuchen. Dieses idyllische Tal verlangt doch geradezu nach einem Frieden in der Natur mit all seinen Lebewesen. Wollen wir es nicht wenigstens einmal probieren?"
Lena sieht ihre Freundin skeptisch an. „Wir müssten erst einmal Marisa fragen, wie wir mit den Zauberwesen Kontakt knüpfen können. Ich habe gehört, dass es zu den Höhlen verschiedene Eingänge gibt, aber hier, auch am See, sollen häufig die Elfen der Königin Galina herumschwirren."
„Wer ist denn diese Marisa?"
„Die alte Frau, die uns neulich angesprochen hat. Sie lebt schon sehr lange hier. Manche Leute sagen, sie sei ein bisschen verrückt. Aber das sind nur die, die nur an das glauben, was man sehen und anfassen kann."
„Weißt du auch, wo sie wohnt?"
„Ja, das weiß ich schon. Sie lebt in einem kleinen alten Haus am Ende des Dorfes, ganz allein mit ihrer schwarzen Katze. Sie ist sehr freundlich und muss auch schon manchem Fremden hier geholfen haben."
„Das hört sich doch sehr gut an", findet Laura. „Worauf warten wir dann noch?"
„Weißt du auch ganz genau, was du da willst?! Unsere Aktion könnte gefährlich werden. Wenn König Novo uns nicht leiden kann, dann wird er sicher irgendeine böse Fee beauftragen, uns zu verzaubern, und die Königin Galina hat eine ganze Reihe von bösen Kobolden, die bestimmt auch nicht sehr genießbar sind."
„Wenn die alte Frau alles über Zauberwesen in diesem Tal weiß, dann kann sie uns bestimmt auch einen Rat geben, wie man sich bei den Berggeistern verhält. Ich denke, das ist so ähnlich wie beim Rübezahl."
„Rübezahl? Wer ist denn das?“ möchte Lena wissen.
„Er lebt im Riesengebirge und hat sich früher häufig mit Menschen beschäftigt. Nachdem er aber von ihnen sehr enttäuscht wurde, hat er sich wieder in sein Reich zurückgezogen. Er hat die bösen Menschen bestraft und den guten geholfen. Und er war sehr lustig. Bestimmt sind diese Berggeister hier ähnlich.“
„Nein, das sind sie nicht alle“, weiß die Freundin. „Großen Humor hatte nur die Kaiserin Zara, und den soll sie jetzt noch haben, wenn man sie hoch oben im Gebirge als Gams trifft.“
Laura lächelt. „Das sind doch abenteuerliche Aussichten. Also, ich möchte hier keinen faulen Urlaub verbringen. Stattdessen habe ich vor, hier etwas zu bewegen.“
„Ich hoffe, du weißt, was du tust" antwortet Lena mahnend. „Hier in den Bergen ist es nie so gut, wenn man etwas bewegt, da kommt schnell ein Steinschlag oder eine Gerölllawine von oben. Manchmal löst sich ein Schneebrett, und auch die Gletscher können rutschen, von den Wasserfällen einmal ganz abzusehen."
Laura atmet tief. „Es ist wundervoll hier! Allein diese würzige Bergluft, sie duftet, aber sie ist trotzdem leicht, und man fühlt sich frei. Komm! Wir wollen keine Zeit verlieren."
*
Lena und Laura wandern um den stillen See herum und spazieren die wenig befahrene Straße hoch bis nach Mühlwald, dem kleinen Ort im oberen Teil des Mühlwalder Tales. Bäuerliche Anwesen und stilvolle Tiroler Häuser gruppieren sich malerisch auf einem grünen Hügel. Ein paar Meter höher schmückt sich die nächste Anhöhe mit einer weißen Kirche, die ein spitzes, rotes Dach trägt. Am Ende des Dorfes finden die beiden jungen Frauen die kleine Holzhütte, die sich in einem bunt blühenden Sommerblumengarten versteckt. Vor dem Haus, auf einer weiß angestrichenen, hölzernen Bank, sitzt eine ältere, weißhaarige Frau, die Kartoffeln schält.
Ihr Gesicht erheitert sich, als sie Lena erkennt.
„Das freut mich sehr, dass du mich mit deiner Freundin besuchst. Ich habe schon geahnt, dass du vorbeikommen wirst. Setzt euch nur an den Tisch! Ich bringe euch gleich ein erfrischendes Getränk, einen Most."
Während sich die beiden jungen Frauen hinsetzen, ergreift sie den Kartoffel-Eimer und eilt damit ins Haus.
„Das ist ein kleines Paradies“, findet Laura. „Und deine ältere Freundin ist mir sehr sympathisch. Ob sie schon weiß, warum wir gekommen sind?“
Lena nickt. „Sie hat ein gutes Gespür, und sie ahnt es bestimmt.“
Marisa erscheint mit einem Tablett, auf dem sich ein Krug mit Most und drei Becher befinden. Sie schenkt ihren Gästen das kühle Getränk in die irdenen Gefäße und sieht die beiden Frauen freundlich an. „Ich wünsche euch viel Erfolg für alles, was ihr vorhabt. Wie sieht es mit euren Plänen aus?“
Laura staunt „Es ist wahr, wir haben darüber gesprochen, dass dieses Tal so bezaubernd ist, dass man unbedingt alle Dinge wieder in Ordnung bringen muss. Deswegen sind wir auch hier hingekommen. Warum ist eigentlich nicht schon vor uns jemand auf diese Idee gekommen?"
„Die meisten Menschen interessieren sich nicht für so etwas. Sie finden das Tal einfach nur schön und genießen ihren Urlaub, indem sie wandern gehen und sich braun werden lassen. Aber kaum einer fragt nach den Berggeistern."
„Das ist erstaunlich", findet nun auch Lena. „Ich habe zwar hier noch keine einzige Elfe gesehen, aber man spürt in dieser Gegend, dass die Natur so sehr beseelt ist."
„Ich hoffe, ihr habt bis jetzt nur gute Geister gespürt", wünscht Marisa. „Es gibt ja auch ganz andere Wesen. Vor dem Drachen Rauputz müsst ihr euch in Acht nehmen und auch vor dem Zauberer Misto, sie sind beide sehr gewalttätig. Diese Berggeister sind nicht zimperlich und haben es nicht gern, wenn ihnen jemand in die Quere kommt.“
„Warum sind sie böse?“ erkundigt sich Laura.
„Sie haben sehr unterschiedliche Gründe. Misto ist wütend, weil er nur ein Auge hat, während sein Zwillingsbruder Habbel mit zwei Augen sehen kann und ein sehr freundlicher Kobold ist.“
Lena nimmt einen Schluck Most. „Und warum ist Rauputz so böse?“
„Er besaß einmal einen großen Schatz aus Edelsteinen, von denen es hier in den Alpen einige gibt. Als er gerade in seiner Höhle gemeinsam mit Misto einen großen Zauber verübt hatte, stellte er hinterher fest, dass seine Schätze fehlten, es wurden ihm die wertvollsten Steine gestohlen. Er ist fest davon überzeugt, dass Misto der Dieb gewesen ist. Aber er konnte es ihm bis jetzt noch nicht nachweisen, weil Misto das Gegenteil behauptet, und der große Schatz bis jetzt noch nicht wieder aufgetaucht ist."
Laura atmet tief. „Dann ist es hier viel weniger friedlich, als ich geahnt habe. Davon habe ich bis jetzt noch gar nichts gemerkt?
Marisa schmunzelt. „Ihr seid noch nicht lange hier und habt noch keine der Naturkatastrophen erlebt, die hier stattfinden. Da gibt es Überschwemmungen und Lawinen aller Art, die schon viel Unglück und Leid in dieses Tal gebracht haben. Natürlich gab es auch schon unvorsichtige Menschen, die beim Skifahren ein Schneebrett in Bewegung versetzt haben. Andere sind durch Leichtsinn beim Bergsteigen abgestürzt und haben Steine ins Rollen gebracht. Aber hauptsächlich ist es die Natur, die nicht mit sich spaßen lässt."
„Und es hat noch niemand versucht, etwas dagegen zu tun?" fragt Laura verwundert.
Marisa sieht ihre beiden Gäste betrübt an. „Es gibt nicht so viele Menschen, die sich dort einmischen, wo ihnen Gefahr droht. Und ihr seid wirklich davon überzeugt, dass ihr helfen wollt?"
Die beiden jungen Frauen nicken eifrig.
„Dieses Tal gefällt uns sehr gut, deswegen wollen wir uns dafür einsetzen, dass es auch in Zukunft Menschen hier noch schön finden werden", antwortet Laura mit Überzeugung.
„Gut, dann werde ich euch helfen", beschließt die alte Frau. „Ich werde euch mit allem Notwendigen versorgen. Zunächst einmal müsst ihr euch Schlüssel besorgen, die nötig sind, wenn ihr in die Zauberreiche eindringen wollt."
„Und wo sind die?" fragt Lena gespannt.
„Oben, bei der Kaiserin Zara, die müsst ihr besuchen!"
Laura hebt die Augenbrauen. „Wird sie uns die Schlüssel einfach so geben?"
„Nein, eher nicht. Aber ich gebe euch ein Bund Himmelschlüssel mit. Diese Blumen sind ein Zeichen des Friedens, und sind so eine Art Geheimcode. Oft sind sie ein Ersatz für viele andere Schlüssel."
„Ist das so eine ähnliche Blume wie die Schlüsselblume?" erkundigt sich Lena.
Marisa nickt. „Das sind zwei Namen für eine Blume, und sie heißt auf Latein „Primula veris", das bedeutet „die kleine Erste des Frühlings"."
„Ein hübscher Name" findet Laura. „Und sie blüht in goldgelber Farbe, ganz leuchtend wie die Sonne. Wird Zara denn unsere Sprache verstehen können? Man hat sie doch in eine Gams verzaubert."
„Ja, sie denkt und spricht weiter wie ein Mensch, aber sie ist nur in der Gestalt des Tieres sichtbar. An ganz besonderen Vollmondnächten, da darf sie sich kurz in eine Frau verwandeln und sich mit ihrem Verlobten, dem Herzog Leo von weißer Perle treffen."
Lena staunt. „Von ihm habe ich noch gar nichts gehört. Dabei habe ich alle Märchen und Sagen-Bücher, die es über diese Gegend hier gibt, ausgiebig studiert."
„Er wohnt nicht hier im Norden", verrät Marisa. „Sein Reich ist weiter im Süden, im Bereich Venetien. Dort hat er in den kleinen Dolomiten ein wunderschönes Schloss. Wenn er oben auf seinem höchsten Turm sitzt, kann er von da aus bis zum Meer nach Venedig schauen?
„Das ist ja unglaublich", findet Laura. „Das sind viele Kilometer."
Die alte Frau nickt. „Es sind über hundert Kilometer Luftlinie. Das ist schon eine gewaltige Strecke.
Lena sieht Marisa erstaunt an. „Das ist sehr schwer für die Verlobten. Dann können sie sich nur sehr selten sehen. Da wartet dieser Leo bestimmt schon sehr lange auf seine Geliebte."
„Oh ja, schon seit vielen Jahren. Aber die beiden lieben sich eben, und dann ist so etwas möglich."
„Dann gibt es also noch mehr Gründe, warum wir hier schnellsten etwas unternehmen müssen", stellt Laura fest. „Dann wollen wir lieber so schnell wie möglich losgehen."
„Das sehe ich auch ein", stimmt die Freundin zu.
„Dann werde ich euch jetzt einen Strauß Schlüsselblumen holen", beschließt Marisa. „Ich gebe euch noch Früchte-Brot mit, damit ihr unterwegs etwas zu beißen habt."
„Und was sollen wir tun, wenn böse Kobolde oder böse Feen unseren Weg kreuzen?" möchte Laura wissen.
„Dann könnt ihr die kleine Elfe Lorena rufen oder die gute Fee Lamina. Beide gehören in das Königreich des Königs Novo und sind gute Geister. Auch die fröhlichen Kobolde Ginster und Sonnenkraut, die in Galinas Gefolge leben, tanken dort oben das helle Licht und sind sicher bereit, euch ebenfalls zu helfen."
Lena freut sich. „Und ich dachte schon, wir wären dort oben ganz allein."
Marisa amüsiert sich. „Allein? Da sind immer eine ganze Menge Geister um euch herum, wenn ihr in die Berge geht, und ihr könnt froh sein, wenn sich nicht alle bemerkbar machen. Jetzt werde ich euch ein Proviantsäckchen füllen." Mit diesen Worten steht sie auf und begibt sich in das Innere ihres kleinen Hauses.
„Hast du Angst?“ fragt Laura die Freundin.
„Ein bisschen unruhig bin ich schon“ gesteht Lena. „Aber gemeinsam mit dir und mit den Helfern werden wir das schon schaffen. Jedenfalls müssen wir es versuchen.“
In diesem Moment erscheint Marisa und überreicht den Frauen zwei kleine Rucksäcke, die die beiden sofort aufsetzen.
„Sie sind sehr leicht“ findet Laura. „Da wird uns der Weg nicht beschwerlich werden.“
Die alte Frau schmunzelt. „Das Steigen wird schwer genug sein. Ich habe euch hier Trockenobst und Früchte-Brot eingepackt. Das ist nahrhaft, ihr werdet satt und braucht nicht viel davon. Wasser findet ihr überall an den Quellen. Damit müsst ihr euch nicht abschleppen." Sie überreicht den beiden ein feuchtes Stoffsäckchen. „Und hier sind die Schlüsselblumen drin. Ich habe sie mit Wurzeln eingepackt, damit sie nicht so schnell verwelken."
Die beiden Frauen bedanken und verabschieden sich von Marisa, die ihnen viele gute Wünsche mit auf den Weg gibt.
*
Obwohl die frische und doch würzige Bergluft die beiden Frauen immer wieder dazu verleitet, stehenzubleiben und tief einzuatmen, fällt ihnen der Weg hinauf bis zur Baumgrenze immer schwerer.
Am Geröllfeld angekommen, müssen sie erst einmal verschnaufen.
Lena blickt sich um. „Was für eine herrliche Aussicht! Diese alten Steine strahlen eine Ruhe und Erhabenheit aus, und der azurblaue Himmel ist so nah. Wie ein Vogel, so fühlt man sich frei, weil alles andere hinter uns geblieben ist, und unten im Tal ganz klein und unbedeutend zu liegen scheint.“
Laura nickt. „Man kommt sich hier oben auch ganz klein vor, ganz nah an den Gipfeln der Bergriesen. Aber wir müssen jetzt stark sein, weil wir etwas Wichtiges vorhaben. Du hast dich doch so gut vorbereitet. Wo finden wir jetzt die Kaiserin Zara?
Sie soll in einem großen Buschwerk, bei den wilden Rosen leben", erinnert sich Lena. „Aber wo genau, das weiß ich nicht. Dort weiter im Süden, drüben, im Rosengarten, findest du an jeder Ecke Murmeltiere, die dir den Weg weisen können. Aber hier wird uns nichts anderes übrigbleiben als einen Kobold, eine Fee oder eine Elfe zu rufen?
In diesem Augenblick landet ein Lebewesen, das wie eine Libelle aussieht, neben den beiden Frauen auf einem großen Stein und beginnt, mit ihnen zu sprechen.
„Ich bin Lorena, und eine der schnellsten Elfen der Welt. Während ihr hier den Berg hinaufgestiegen seid, bin ich dreimal nach San Remo und zurückgeflogen, um ein paar Botschaften zu überbringen. Ihr habt mich herbeigewünscht, und nun bin ich da."
„Das ist aber praktisch", findet Laura. „Praktisch, dass du herbeikommst, wenn wir dich herbeiwünschen, und praktisch, dass du so schnell fliegen kannst. Kannst du uns sagen, wo die Kaiserin Zara ist?"
Lorena fliegt auf die Schulter der jungen Frau, und ihr hübsches, kleines Gesicht ist nun gut zu erkennen. „Ich werde es euch nicht nur verraten, ich werde euch auch dahinführen."
Die beiden jungen Frauen freuen sich. „Mit einer so großen Hilfe hatten wir nicht gerechnet. Was können wir dir dafür Gutes tun?"
„Uns Elfen muss man dafür nichts bezahlen", erklärt das zarte Wesen. „Wir helfen, weil es uns Freude macht."
„Hast du denn nichts anderes vor, nichts Besseres?" erkundigt sich Lena.
„Ich habe viel Zeit, das kannst du dir doch bestimmt denken. Weil ich so schnell fliege, spare ich auch ungeheuer viel Zeit, und die kann ich dann verschenken?
„Das ist nett von dir? findet Laura. „Ich denke, wir haben uns jetzt genügend ausgeruht. Wohin sollen wir nun gehen?"
„Ich fliege jetzt voran? teilt ihnen Lorena mit. „Ich habe gerade meinen Zeitlupengang eingeschaltet, damit ihr beide die Möglichkeit habt, mir folgen zu können."
„Das ist sehr nett von dir? bedankt sich Lena. „Du bist sehr rücksichtsvoll."
Die kleine Fee hat sich schon in Bewegung gesetzt und fliegt, wie ein Schmetterling, tanzend und kreisend vor ihnen her.
Langsam und vorsichtig folgen ihr die beiden Frauen, auf den Steinen vorsichtig balancierend.
Hinter einem niedrigen Berg aus Steinen entdecken die Wanderer einen kleinen Wald, der aus niederem Buschwerk, ein paar dunkelgrünen schmalen Bäumen und wilden Rosen besteht.
Lorena deutet auf das Wäldchen „Das ist das grüne Reich der Kaiserin Zara. Ich werde einmal voranfliegen und ihr euren Besuch ankündigen."
Bevor die beiden Frauen weitere Fragen stellen können, ist die Elfe bereits aus ihrem Sichtkreis verschwunden.
Zögernd schreiten Lena und Laura voran und erwarten gespannt die Begegnung mit der verzauberten Hoheit.
Sie müssen nicht lange warten, wenige Augenblicke später erkennen sie eine große und starke Gams, die sich mit einem dicken Fell vor Wind und Kälte schützt.
Jetzt taucht auch Lorena wieder auf, setzt sich auf Lauras Schulter und ruft laut und fröhlich. „Kaiserin Zara ist erschienen, bitte macht einen respektvollen Knicks!"
Laura und Lena sehen das Tier ehrfurchtsvoll an und beugen die Kniee.
„Es ist schon gut", sagt das ziegenartige Wesen mit sanfter Stimme. „Ihr könnt euch ganz normal mit mir unterhalten. Hier in den Bergen sind alle guten Wesen Freunde und reden auch so miteinander. Und da ihr Freunde von Marisa seid, seid ihr auch meine Freunde. Was habt ihr auf dem Herzen?"
„Wir freuen uns sehr, deine Freunde sein zu können", antwortet Lena. „Und du kannst immer auf uns zählen. Wir benötigen die Schlüssel zur Geisterwelt, damit wir mit ihnen sprechen und verhandeln können."
„Das ist viel verlangt" antwortet die Gams. „Und warum möchtet ihr den Eintritt gewinnen?"
„Wir möchten verhandeln und versuchen, einen neuen Frieden zu erringen. Wir möchten erreichen, dass sich Novo und Galina als Freunde zusammentun und sich einig werden, wer an welcher Stelle wohnt. Es soll nicht mehr so viele Naturkatastrophen hier geben, das wäre unser Wunsch. Aber wir wollen auch zwischen dir und dem Drachen Rauputz vermitteln, damit Regelungen für den Tourismus getroffen werden können und du endlich wieder deine kaiserliche Gestalt annehmen kannst."
Die Kaiserin seufzt. „Das ist viel verlangt. Das ist ja fast so, als wolltet ihr in der Menschenwelt den Weltfrieden erringen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es auch unter den Berggeistern sehr viele sture Wesen gibt."
„Aber wir möchten es einmal versuchen", drängelt Laura.
Zara atmet tief. „Ich wünschte, ihr hättet Erfolg! Um euch die Geisterwelt zu öffnen, brauche ich von euch goldgelbe Schlüsselblumen, und zu denen muss jede von euch eine Frage beantworten können."
Rasch holen die beiden Frauen die Blumen aus dem immer noch feuchten Säckchen und überreichen sie der Kaiserin.
Vorsichtig nimmt sie die Pflanzen mit dem Maul entgegen, legt sie auf den Boden und betrachtet sie. „Was sind sie doch für eine große Freude! Und auch mich werden sie wohl einmal erlösen können."
„Wie wird das möglich sein?" erkundigt sich Laura neugierig. „Dabei wollen wir dir gern helfen."
„Es ist sehr schwierig und wird auch erst an einem Viertelmond möglich sein. Auch dazu werdet ihr wieder die sonnengelben Schlüsselblumen brauchen. Mit ihnen müsst ihr zu dem Kobold Misto in seine dunkle Höhle gehen, in der es furchtbar nach seinen bösen Gedanken stinkt. Dort muss man ihm die Blumen überreichen, und auch er wird eine Frage stellen."
„Welche Frage ist das? Können wir sie vielleicht schon erfahren?"
„Es nützt euch gar nichts, wenn ich euch verrate, dass es dabei um mich und die Schlüsselblumen geht. Denn wenn ich sie euch mitteile, werde ich so klein wie eine Ameise, und dann sieht mich keiner mehr, und ich bin nicht mehr zu retten. Bei der Frage geht es um mich, um den Fürsten Leo und die Schlüsselblumen. Mehr darf ich nicht sagen!"
„Dann wollen wir dich wegen dieser Frage auch gar nicht weiter ausquetschen", antwortet Lena. „Aber wir werden natürlich alles versuchen, um bei Misto an das Dokument zu kommen, das für dich wichtig ist, und das möglichst bald."
Die Gams meckert ein wenig. „Wie ich euch schon sagte, damit müsst ihr bis zum nächsten Viertelmond warten, wenn ihr dieses Wagnis wirklich eingehen wollt. Aber nun geht es erst einmal um die beiden Fragen, damit ich euch den Eintritt in das Geisterreich erlauben kann."
„Ja, denn wir möchten gern in das Königreich der Königin Galina und in das Land des Königs Novo, damit wir mit ihnen verhandeln können", versichert Laura noch einmal.
„Dann wird es also ernst“, beginnt Zara und wendet sich an die junge Frau. „Deine Frage lautet: Was hat der Apostel Petrus, der ja bekannt ist als Himmelswächter, mit der Blume Himmelschlüssel zu tun.“
Laura überlegt, aber es fällt ihr nichts ein. Sofort fliegt Lorena an das Ohr der jungen Frau und souffliert ihr die Antwort auf die Frage.