Pokerbörse - Staud Wieland - E-Book

Pokerbörse E-Book

Staud Wieland

0,0
21,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Börse schreibt ihre eigenen Geschichten. Hier werden Tragödien beweint und Triumphe überschwänglich gefeiert. Einer, der das Parkett aus dem Effeff kennt und selbst schon alle Höhen und Tiefen erlebt hat, ist der Börsianer Wieland Staud. In seinem Buch "Stauds wahre Börsengeschichten" lässt er den Leser an seinen reichhaltigen Erfahrungsschatz teilhaben. Dabei offenbart der Autor seine gravierendsten Fauxpas im Börsenzirkus, gibt dem Leser aber auch einen Lösungsweg an die Hand: Wie er hätte reagieren müssen, wenn er mehr Erfahrung gehabt hätte. Der Leser erhält tiefe Einblicke in das tägliche Börsengeschehen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 276

Veröffentlichungsjahr: 2009

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



PokerBörse

Einblicke eines Experten

Von Wieland Staud

PokerBörse

Einblicke eines Experten

Von Wieland Staud

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Lektorat: Natascha Lenz-Trautmann

Korrektorat: Matthias Michel

Layout, Satz: Druckerei Joh. Walch, Augsburg

Druck: CPI, Ebner & Spiegel, Ulm

Wieland Staud · PokerBörse

1. Auflage 2010

© 2010 FinanzBuch Verlag GmbH

Nymphenburger Straße 86

80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte vorbehalten, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks sowie der fotomechanischen und elektronischen Wiedergabe. Dieses Buch will keine spezifischen Anlageempfehlungen geben und enthält lediglich allgemeine Hinweise. Autor, Herausgeber und die zitierten Quellen haften nicht für etwaige Verluste, die aufgrund der Umsetzung ihrer Gedanken und Ideen entstehen.

Für Fragen und Anregungen:[email protected]

ISBN 978-3-86248-566-6

Weitere Infos zum Thema

www.finanzbuchverlag.de

Gerne übersenden wir Ihnen unser aktuelles Verlagsprogramm.

ebook by ePubMATIC.com

Meinen Söhnen Franz und Peter

Meiner Tochter Paula

Meinen Eltern

Meinen Großeltern

Meinen Freunden

Inhaltsverzeichnis

1. Am Anfang

2. Börse und Poker

3. Vom Pokern für die Börse lernen: Zwölf Erkenntnisse, die alles ändern

4. Was sonst noch wichtig ist: einfache Regeln für den täglichen Gebrauch

5. Die Krise

6. Krisenfeste »Meisterwerke« aller Art

7. Schlusswort

Zusammenfassung: 50 Tipps, Ratschläge und Hinweise

1. AM ANFANG

Vor langen Jahren war zu Herbstbeginn wieder einmal einer dieser Abende angebrochen, von denen ich damals nicht so richtig wusste, was ich mit ihnen anstellen sollte. Draußen war es regnerisch und lausig kalt, an der Börse herrschte eine deprimierte Stimmung und die Erinnerung an die letzten Abende war Grund genug, »ein Bier« nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Blieb also der Gestaltungsklassiker für den Abend zu Hause: das Fernsehen.

Die Fernsehkanäle boten ein bescheidenes Programm, und selbst über Kathy Liebert im DSF hätte ich wahrscheinlich hinweggesehen, wenn sie nicht genau das gehabt hätte, was mich schon immer fasziniert hat: ein Gesicht, das nicht unbedingt laufstegtauglich ist, aber das man sich stundenlang ansehen kann, ohne Langeweile zu empfinden. Und genau das tat ich dann auch.

Irgendwann merkte ich, dass da im DSF Poker gespielt wurde. Ein Kartenspiel, das mir bis zu diesem Zeitpunkt bestenfalls aus den alten Hollywoodschinken der Cowboys und Revolverhelden bekannt war. Spielszenen, die immer eine Reihe von Fieslingen und Helden an einem Tisch in einem Saloon in irgendeiner gottverlassenen Einöde zusammenführten und die regelmäßig mit dem finalen Dahinscheiden wenigstens eines Beteiligten endeten. Ich war deshalb wirklich überrascht von den guten Sitten in dieser DSF-Spielrunde. So hatte ich Poker einfach noch nie gesehen, geschweige denn erlebt.

Eine eigenartige Faszination ging von dieser Runde mit meiner ganz persönlichen Heldin aus. Da saßen, wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, fünf Menschen im Halbkreis um einen Tisch und investierten Unsummen in, so nahm ich es damals wahr, genau zwei Karten. Mit stoischen, gleichgültigen Mienen taten sie Dinge, die mir schon Wochen zuvor den Schlaf geraubt und wohl auch noch Jahre danach das Leben zur Hölle gemacht hätten. Wie kann man 50.000 US-Dollar einfach in die Mitte des Tisches schieben und sagen »Das ist mein Einsatz« und akzeptieren, dass sie weg sein können? Und wenn der Fall eingetreten ist – mindestens einer verliert immer –, so tun, als ob nichts gewesen wäre und einfach weitermachen? Das war atemberaubend, das war der helle Wahnsinn, das war krank.

Nach langen Wochen wurde mir klar, dass ich an der Börse genau das Gleiche tat. Nicht unbedingt mit 50.000 US-Dollar, sondern eher mit 5000 Euro. Aber die Einstellung ist dann, wenn ich richtig gut an der Börse war, immer die gleiche gewesen: Ich akzeptierte, dass das liebe Geld weg sein könnte, mehr oder weniger von heute auf morgen, aber dieses Wissen änderte mein Verhalten nicht. Ich tat und tue das, was ich für richtig erachte(te). Das lief und läuft auch heute noch auf einer anderen Ebene als dem Alltag ab. Ich kann bei dem Versuch, einen Fahrradhelm zu kaufen, eine Stunde das Internet verunsichern, dann doch im Fahrradgeschäft vor Ort landen und mit dem Verkäufer zehn Minuten um 5 Euro feilschen. Völlig unabhängig davon, ob ich gerade Geld an der Börse verdient oder verloren habe. Wenn es aber um den tausendfachen, an der Börse investierten Betrag geht, dann konnte und kann ich diesen im schlimmsten Fall wenigstens meistens1 weitestgehend ohne Aufhebens ausbuchen, es als Teil des Spiels akzeptieren und weitermachen.

Ohne dass ich das damals auch nur ahnen konnte: An diesen Abenden wurde der Grundstein für zumindest die erste Hälfte dieses Buches gelegt. Ja, Poker und Börse – das geht zusammen. Die Parallelen von Poker und Börse, das, was man in beiden Welten können muss, um dauerhaft Erfolg zu haben, sind so weitreichend, offensichtlich und vor allem am Pokertisch so unmittelbar erfahrbar, dass ich vorschlage, beim Pokern für die Börse zu lernen.

Dieses Buch ist schon deshalb vor allem eines mit Sicherheit nicht: ein klassisches Lehrbuch. Formeln und Definitionen werden Sie ebenso vergeblich suchen wie akademisch unverständliche Formulierungen oder detailverliebte Merksätze. PokerBörse will ein unterhaltsames Buch über die Börse sein und aufzeigen, was wirklich wichtig ist, was man unbedingt wissen muss, um beim Investieren und Zocken Erfolg zu haben. Es ist ein Buch über eine der spannendsten Nebensachen der Welt, geschrieben von einem Mann, der auf mittlerweile mehr als 25 Jahre Börsenerfahrung zurückblicken kann und der in dieser Zeit einiges erlebt hat.

Sie haben gemerkt, wie ich mich um das Wort »Börsenexperte« herumdrücke. Das hat einen einfachen Grund: So viele Experten, wie es mittlerweile zu absolut jedem Thema gibt, eben auch zur Börse, so viele Fragen bleiben oft zurück, sobald sich einer von diesen »Experten« geäußert hat. Weiß der wirklich, wovon er da spricht? Die Frage wird man nicht immer guten Gewissens mit einem »Ja« beantworten wollen. Hat er wirklich Ahnung? Ein »Nein« fällt darauf oftmals leichter als jede andere Antwort. Oder ist das einer von der Sorte, der sich scheinbar auf keinem Interviewsessel dieser Welt vermeiden lässt? Auch da können viele Nachrichten- und Magazinsendungen wenig erbauliche Gedanken auslösen. Der Begriff des Experten wird in unseren Breiten derart inflationär verwandt, dass er oft genug das Gegenteil dessen verheißt, was der Duden als Bedeutung nennt.

Gerade deshalb ist es für mich außerordentlich wichtig, dass meine Firma, die Staud Research GmbH, zum Beispiel im Jahr 2008 eine dokumentierte Trefferquote von 75 Prozent bei einer durchschnittlichen Wertentwicklung von rund 20 Prozent pro Prognose erzielt hat.2 Gemessen an dem, was Menschen möglich ist, und vor allem gemessen an den Ergebnissen der anderen, war und ist das richtig gut.3 Nur deshalb habe ich es gewagt, dem Titel PokerBörse den Untertitel »Erfahrungen eines Experten« zu geben.

Die vorgestellten Ergebnisse haben meine Mitarbeiter und ich mithilfe der Technischen Analyse, mit der Interpretation von Charts und deren Kursmustern erzielt. Diese Wurzeln werde ich sicher nie, auch nicht in diesem Buch, verleugnen wollen oder verleugnen können: Die Technische Analyse und ihre in meinen Augen erstaunlichen leistungsfähigen und dabei ebenso erstaunlich leicht erlern- und handhabbaren Methoden und Instrumente haben mich in den letzten Jahrzehnten zu einem Börsenexperten gemacht. Dennoch muss man nicht immer ihre Sprache sprechen oder irgendein anderes Börsenlatein verwenden, um das zu sagen, was an der Börse wirklich wichtig ist. Manchmal genügt einfach eine kleine Geschichte – wenn nicht aus meinem, so denn aus dem Leben so vieler anderer Börsianer –, um genau das auszudrücken, was das Regelwerk der Technischen Analyse in einer bestimmten Situation meint und als Handlungsdirektive vorschlägt.

Alles in allem mag dieser Ansatz nicht die reine Lehre sein. Aber bevor man sich – meines Erachtens im Zweifel sogar zeitlebens – an Begründungen die Zähne ausbeißt oder gar bei dem Versuch, es zu verstehen, erst einmal das Falsche tut, genügt es wenigstens mir zu wissen, dass zum Beispiel ein Apfel immer vom Baum fallen und nicht plötzlich in die Wolken hüpfen wird. Dass das ein Phänomen der Gravitation ist, das Graviton – also das Austauschteilchen, das Schwerkraft erst ermöglichen soll – noch nicht nachgewiesen werden konnte und seine Vereinigung mit der starken und schwachen Wechselwirkung den Physikern äußerst schwerfällt, das hat damit zwar zweifelsohne auch etwas zu tun, aber für die Apfelernte ist dieses Wissen zweitrangig. Ich zeige, was richtig ist, und wer mit ein wenig Grips und der Bereitschaft ausgestattet ist, sich auf Neues einzulassen, der kann das auch verstehen und nachvollziehen. Für den Erfolg an der Börse braucht man – neben vielen anderen Qualifikationen wie zum Beispiel Nerven, Geld, Stopps und Geduld – nur das Wissen, dass ein guter Chart so und ein schlechter Chart eben anders aussieht. In diesem Buch sind einige solcher Beispielcharts zu finden, besonders geballt, wenn es um »Butter bei die Fische« geht. Aber auch da gilt für den bislang nicht Bewanderten: Keine Angst! Ein Chart sagt meistens mehr als tausend Worte und ist genauso leicht verständlich wie so manches Kinderbuch. Man muss nur einmal die Hemmung überwinden, ihn ohne Vorbehalte anzuschauen und seine Botschaft wirken zu lassen.

PokerBörse ist wahrscheinlich noch leichter lesbar und verständlicher als mein erstes Buch. Ja, es ist mein Ziel, dass der Inhalt dieses Buches für jedermann, der sich in irgendeiner Form für Börse interessiert, auch und gerade dann, wenn er der Technischen Analyse kritisch gegenübersteht, verständlich und erkenntnisreich ist. Sollte es dann wenigstens stellenweise auch noch genauso lustig und heiter wie mein erstes Buch4 sein, dann wäre es in meinen Augen perfekt.

In diesen Erfolgstechniken eines Analysten5 geht es deutlich »technischer« zu. Wer deshalb nach PokerBörse auf den Geschmack gekommen ist, wer dann mehr über Technische Analyse wissen will, aber keine Lust verspürt, sich durch ein langweiliges akademisches Lehrbuch zu quälen, der wird sich auch bei meinem ersten Buch gut aufgehoben fühlen.

Dort schrieb ich übrigens: »Wie wollen wir eigentlich künftigen Generationen erklären, dass uns Kurse wichtiger waren als unser Klima? Wie rechtfertigt sich eine Gesellschaft, die es zulässt, dass sich manch einer unserer klügsten Köpfe6 […] dem Management von Hedge-Fonds widmet und nicht etwa dem Hunger und dem Energieproblem der Welt?7« Und weiter: »Ich plädiere ganz entschieden dafür, die im letzten Jahrzehnt omnipräsent gewordenen Finanzmärkte nicht zu neuen zeitgenössischen Götzen werden zu lassen. Davon haben wir schon genug.«8

Ohne dieses Wort besonders strapazieren zu wollen: Ja – darauf bin ich heute schon ein wenig stolz. Solche Gedanken waren 2007 mancherorts so etwas wie Häresie, der Abfall vom wahren Glauben an die Finanzmärkte. Heute sind sie es nicht mehr. Solche Gedanken sind in der fast alles und fast jeden erfassenden Krise der letzten Jahre konsensfähig geworden. Welche Bedeutung diese Krise hat und welche Lehren der einzelne Anleger daraus ziehen sollte, darüber gilt es im letzten Teil des Buches zu sprechen.

Anmerkungen zu diesem Buch

Sie werden in diesem Buch immer wieder Fußnoten finden. Sehen Sie mir die nach. Sie geben diesem Buch vielleicht eine akademische und damit dem ersten Anschein nach wohl auch schwer verdauliche Note. Das ist nicht beabsichtigt. Fußnoten sind mehr oder weniger eine Marotte von mir. Seit meinem Studium kann ich nicht mehr von ihnen lassen. In die Fußnoten habe ich all das in meinen Augen Wichtige reingepackt, das sich nicht im Fließtext unterbringen ließ, ohne den Lesefluss empfindlich zu stören. Oft stehen in diesen Fußnoten meine eigenen Anmerkungen zu meinen eigenen Kommentaren. Ich wollte nicht auf sie verzichten.

Auch wenn das vielleicht den einen oder anderen enttäuschen mag: In diesem Buch geht es nicht ums Reichwerden, sondern ums Geldverdienen an der Börse. Investieren an der Börse ist für mich zunächst ein Job wie jeder andere auch. Wer genügend Wissen, die Bereitschaft zu lernen und zu investieren

9

mitbringt, der kann an der Börse wie jeder Metzger, Wirtschaftsprüfer oder Lehrer in seinem Ausbildungsberuf Geld verdienen. Wer viel Stehvermögen, Ausdauer und ein wenig Glück mitbringt, der kann sogar viel Geld verdienen. Auch das ist an der Börse nicht viel anders als im richtigen Leben. Aber richtig reich, das werden an der Börse nur ganz, ganz wenige. Eben auch wie im richtigen Leben. Es sei denn, es geht vor allem darum, seinen Gewinn in viel (Lebens-)Erfahrung zu sehen. Dieses Schicksal wird vielen beschieden sein. Aber auch das ist in diesem Leben auf diesem Planeten nicht gar so ungewöhnlich. Auf jeden Fall sei jeder gewarnt, der glaubt, an der Börse in sehr kurzer Zeit mit richtig wenig Erfahrung und frei von Know-how richtig reich werden oder auch nur einen einzigen Cent verdienen zu können. Das wird so schiefgehen, dass selbst der gleichnamige Turm im Herzen Italiens noch Mitleid bekommen dürfte.

Diese Anmerkung ist ein Appell an die Vernunft, an das Mögliche und an die Leistungsbereitschaft. Wolkenkuckucksheime gibt es schon genug.

Alles an der Börse ist wahrscheinlich. Nichts ist sicher. Absolut gar nichts ist gewiss. Deshalb werden Sie das Wort »wahrscheinlich« in diesem Buch sehr häufig lesen. Das ist keine Ausflucht ins Ungewisse, keine Worthülse, kein Ausdruck von Unsicherheit, Beliebigkeit und auch nicht der Versuch, sich um klare Aussagen herumzumogeln. Es ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass uns Menschen die Zukunft immer unbekannt sein wird. Alles, was wir tun können, ist das, was die Zukunft für uns bereithalten könnte, einzugrenzen, um dann daraus abzuleiten, was sie uns bringen mag. Wahrscheinlich. Alles Wahrscheinliche wird in mehr als 50 Prozent der Fälle eintreten, alles Mögliche in weniger als 50 Prozent der Fälle.

Die meisten der gezeigten Charts mit ihren jeweiligen Prognosen sind entweder in der

FAZ

, der

Börsenzeitung

, immer aber im DailyMarketFAX, dem täglichen Börsenbrief von Staud Research, erschienen. Bei Charts aus Tageszeitungen wird auf die Angabe des Erscheinungsdatums im DailyMarketFAX verzichtet. Nicht immer haben gerade die Einträge in diese Charts – oft aus Vereinfachungsgründen – genau so ausgesehen, wie ich sie hier veröffentliche. Die daraus abgeleiteten Prognosen stimmen aber stets mit den Prognosen aus den hier veröffentlichten und beschriebenen Charts überein. Für mich war und ist das eine Frage der Authentizität. Das, was ich hier schreibe, muss seinen Niederschlag auch in meiner täglichen Arbeit gefunden haben und dokumentierbar sein.

Wenn hier die Charts des DAX, des Dow Jones, des europäischen Bankenindex und des Öls besonders häufig auftauchen, dann deshalb, weil das die Charts sind, die uns hier in Mitteleuropa in den vergangenen beiden Jahren am meisten bewegt haben. Wer die im Griff hatte, für den verloren die Jahre 2007 bis 2009 viel, wenn nicht sogar ihren gesamten Schrecken.

Alle gezeigten Charts sind logarithmiert. Sie zeigen auf der Y-Skala immer kleiner werdende Abstände zwischen zwei Werten. Der Weg von 3000 nach 4000 ist dann deutlich größer als der von 5000 nach 6000 Punkten. Diese Form der Chartdarstellung eignet sicher besser für die Analyse. Menschen denken prozentual. Wir wissen intuitiv, dass der Weg von 5000 nach 6000 für unser Depot weniger bedeutend ist als der von 3000 nach 4000 Punkten.

Diesem Buch liegt eine Beilage in Form einer Postkarte bei. Wenn Sie diese einschicken, dann erhalten Sie ein zweiwöchiges Gratisabonnement des täglichen Börsenbriefs von Staud Research, des DailyMarketFAX. Ich freue mich, wenn Sie diese Chance nutzen. Sie gehen damit keinerlei Verpflichtungen ein. Auch eine Kündigung ist nicht nötig. Solange Sie uns nichts Gegenteiliges wissen lassen, wird das Abonnement nach exakt zwei Wochen einfach beendet. Sollte diese Beilage wider Erwarten in dem einen oder anderen Exemplar fehlen, dann rufen Sie einfach unter 06172/287808 bei uns an oder schicken Sie uns eine E-Mail an

[email protected]

.

2. BÖRSE UND POKER

2.1 Börse und Poker?

Haben Sie schon mal Poker gespielt? Ich meine, so richtig Poker gespielt. Nicht zu Hause, sondern im Kasino. Nicht um Gummibärchen oder Ähnliches, sondern um richtiges Geld. Nein? Sie sollten es tun! Poker und Börse haben zwar auf den ersten Blick nicht gar so viel miteinander zu tun. Aber je mehr man sich gerade ins Pokern vertieft, desto klarer wird, dass die geforderten Grundqualifikationen mit dem einen oder anderen kleineren Abstrich in beiden Disziplinen weitestgehend identisch sind. Ein guter Pokerspieler wird selten an der Börse richtig durchfallen, und umgekehrt gilt das fürs Pokern auch - wenn man die psychische und physische Konstitution dafür mitbringt. Wer bislang an der Börse schon gut war, der hat in meinen Augen den anderen Pokeranfängern viel, wenn nicht sogar fast alles voraus. Wer Pokern kann, dem dürften die Spielregeln der Börse keine echten Kopfschmerzen bereiten.

Mir geht es hier nicht darum, in epischer Breite das Regelwerk des Pokerns zu erläutern. Seit die Pokermanie hierzulande vor etwa zwei bis drei Jahren ausbrach, tun das andere schon in Dutzenden von Regalmetern. Dem kann und will ich nichts mehr hinzufügen. Deshalb erläutere ich nur das, was mir wichtig erscheint, um die Parallelen zur Börse ziehen zu können. Ich tue das, weil in meinen Augen die Chance, beim Pokern sehr schnell sehr viel über das Wesen der Börse zu erfahren, extrem hoch ist und gleichzeitig die einzusetzenden Beträge im Vergleich zu dem, was an der Börse gefordert wird, äußerst gering sind. Für 50 Euro bietet fast jedes Kasino Pokerturniere und damit reichlich Erfahrung an. Ein Betrag, der an der Börse oft genug bestenfalls die Transaktionskosten wie Provisionen und Courtagen deckt.

Ein wenig Erfahrung für die Börse im Kasino am Pokertisch zu gewinnen, hat übrigens einen weiteren unschätzbaren Vorteil: Das Wesen an Ihrer Seite, die Ehefrau oder aber der beste Freund, wird gerne mitgehen, und sie/er wird dann wahrscheinlich auch viel von der Faszination Börse, die vielleicht noch nicht auf sie übergesprungen ist und die bislang nur Sie wirklich erfahren haben, sehr viel besser verstehen. Ein Kasinobesuch kann also auch aus beziehungstaktischen Gründen ein genialer Schachzug sein. Das gilt selbst dann, wenn er die Kosten für den Abend drastisch nach oben schrauben sollte. Glauben Sie mir, das ist das perfekte Investment!

Wenn ich hier übers Pokern spreche, dann beziehe ich mich grundsätzlich immer auf die Regeln der weltweit mit weitem Abstand am häufigsten gespielten Pokervariante, des Texas Hold’em.

2.2 Die Grundregeln des Pokerns …

… sind denkbar einfach. Jeder am Tisch bekommt vom Kartengeber, dem Dealer, zwei Karten in die Hand, und dann wird gesetzt. Abhängig davon, für wie gut ein Spieler sein Blatt und das der anderen Spieler hält, wie viel Chips sie (noch) haben, und davon, was die anderen über einen Spieler denken und wie man selbst die anderen einschätzt, wandert der individuelle Einsatz in die Mitte, in den Pot. Wer glaubt, ohne Chancen zu sein, der wirft seine Karten weg und wartet auf die nächste Spielrunde. Dann werden die ersten drei Gemeinschaftskarten, der Flop, vom Dealer in die Mitte des Tisches gelegt. Jeder der verbliebenen Spieler wägt jetzt ab, wie sich seine beiden Karten angesichts des Flops weiterentwickelt haben und auch, wie sie die Karten der verbliebenen Gegner weiterentwickelt haben könnten. Jeder, der sich weiterhin gute Chance einräumt, das beste Blatt zu halten, oder wenigstens glaubt, das den anderen vorgaukeln zu können (Bluff), der setzt jetzt wieder seine Chips. Wer das nicht glaubt, wirft hin und verliert damit auch seinen bis zu diesem Zeitpunkt geleisteten Einsatz. Dann folgt eine weitere Gemeinschaftskarte, der Turn. Wieder wägen die Spieler ab, setzen – alle, die dabeibleiben wollen, setzen wieder gleich viel –, und schließlich folgt mit dem River die letzte Gemeinschaftskarte. Sofern noch zwei oder mehr Spieler im Ring sind, findet wieder eine Setzrunde statt, und dann werden die beiden Karten, die die Spieler in den Händen halten, aufgedeckt. Wer dann zusammen mit den fünf Gemeinschaftskarten die fünf besten Karten, also die besten fünf aus insgesamt sieben Karten in Händen hält, der gewinnt das Spiel und damit den Pot.

Eine besondere Spielsituation tritt ein, sobald nur noch zwei Spieler am Tisch sitzen. Dann beginnt das sogenannte Heads Up. Anders als zuvor ist jetzt ein Verstecken, Abwarten, ein »Lass die anderen mal machen« undenkbar geworden. Jetzt gilt’s. Ein »Schau’n mer mal« ist schlicht nicht möglich oder auch nur denkbar. Einer von beiden wird das Rennen machen, und zwar nur der eine. Entweder man macht mit oder man lässt es sein. Sonst ist der Einsatz so schnell freiwillig oder unfreiwillig weg, wie so mancher Fußballtrainer.

2.3 Grundlegende Gedanken zur Börse

Börse ist für mich ein ständiges Heads Up. Es kann nur einen geben. Den, der mir seine Position verkauft hat, oder mich, der ich ihm seine Position abgekauft habe. Nur einer wird recht bekommen und genau deshalb Geld verdienen. Es geht einfach nicht anders. Wenn ich eine Aktie kaufe, dann habe ich sie einem anderen, vermittelt durch die Börse, abgekauft. Das war immer so, ist so und wird bis in alle Ewigkeit so sein.10 Börse wie das Heads Up ist kein Hort kollektiver Glückseligkeit. Beides ist die Suche nach dem Besseren, oder aber ein wenig volkstümlicher und direkter ausgedrückt: Börse ist die Suche nach dem letzten Idioten. Auch davon wird es wenigstens an der Börse pro Geschäft immer genau einen geben. Auch wenn anfänglich nicht feststeht, welcher von den beiden das wirklich ist. Ganz sicher ist, dass einer von beiden dieses bemitleidenswerte Wesen sein wird. Das ist die notwendige Konsequenz der Spielregel an der Börse. Zu jedem Käufer gehört immer auch ein Verkäufer. Beide haben unterschiedliche Ansichten über die künftige Entwicklung. Beide treffen ihre Entscheidung weitestgehend autonom und selbstständig. Beide wollen genau das, was sie tun: verkaufen bzw. kaufen. Aber nur einer von beiden wird recht bekommen. Einer von beiden hat dann eben beispielsweise die Siemens-Aktie, wenn sie steigt, und der andere nicht. Der eine hat Siemens, wenn der Aktienkurs fällt, und der andere nicht. Börse ist ein Wettbewerb – ein wenig verschleiert durch Finanzintermediäre wie Banken und Börsen. Deshalb lernen wir unsere Kontrahenten nicht mehr persönlich kennen. Aber sie sind da. Es gibt sie.

Wer das nicht akzeptiert, der muss von beiden die Finger lassen. Oder sollte erst bei kleinen Einsätzen Poker spielen, um dann mit der alles entscheidenden, großen Erfahrung zurückzukommen, dass es doch genau so ist. Börse und Poker, das ist nackter Sozialdarwinismus, Survival of the fittest vom Allerfeinsten, ein wenig gebremst durch Spielregeln und hoffähig gemacht durch die – momentan allerdings in Sachen Börse abnehmende – gesellschaftliche Akzeptanz. Nur die Besten werden das finanziell überleben.

Abb. 2.1: Der DAX seit 1999

Wer das nicht glaubt, der mag einen Blick zurück in die Geschichte der Aktienmärkte der vergangenen zehn Jahre werfen. Ich kenne nur wenige, die in dieser Zeit – einer Zeit übrigens, in der die Märkte unterm Strich nicht gestiegen sind – Geld verdienten. Die meisten haben Geld verloren – und das im Zweifel sogar im Übermaß. Sie waren verwöhnt von den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts und kannten deshalb die Schattenseite der Börse viel zu wenig. Sie hatten genau deshalb von Börse manchmal viel zu wenig Ahnung. Leider waren und sind heute immer noch sehr viel Börsianer nicht gerüstet für das, was sie sich zumuten, und für das, was auf sie zukommt.

Ich bin dennoch kein echter Freund all der Lamentierer, die ihren finanziellen Ruin oder, milder gesagt, ihre finanziellen Einbußen ihrem Bankberater oder Kasinobetreiber in die Schuhe schieben wollen. Dass da einiges im Argen liegt und man so manchem Wertpapierberater ein wenig mehr Qualifikation, aber auch kundenfreundlichere Umsatzvorgaben wünschen möchte, das ist nicht zu bestreiten. Dennoch: Wir leben in einer Gesellschaftsform in einem wunderbaren Land, das sich die Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen zumindest noch theoretisch auf die Fahnen geschrieben hat. Jeder wird immer die Konsequenzen seines Handelns tragen müssen. Wer unterschrieben hat, der hat unterschrieben. Der wird sich nur bedingt beklagen dürfen – auch wenn er nicht wirklich wissen sollte, worauf er sich eingelassen hat. Er hatte zuvor die Chance, sich zu informieren. Wer sich stundenlang in die Sonne legt und sich damit erst einen ordentlichen Sonnenbrand holt, der ihm dann in den folgenden Jahrzehnten ein enormes zusätzliches Hautkrebsrisiko einträgt, für den gilt dasselbe. Wer ein Haus baut und sich bei der Finanzierung übernimmt, der wird auch genau damit lernen müssen zu leben. Eigenverantwortung bleibt Eigenverantwortung, auch wenn es wehtut.

Wer sich auf ein Spiel mit Geld einlässt, ob Poker oder Börse, der sollte wissen, was er tut, und sich nicht dann, wenn es unangenehm wird, aus seiner selbst gewählten, freiwillig eingegangenen Verantwortung stehlen. Die Sozialisierung von individuellen Verlusten betreibt unsere Gesellschaft schon im Übermaß. Da muss nichts mehr dazukommen.

Das war zugegebenermaßen ein weiter Ausflug – aber in meinen Augen verhalten die Dinge sich genau so. Von Warren Buffett stammt das Bonmot, dass an jedem Pokertisch ein Idiot sitzt. Wer den nicht eindeutig identifizieren könne, dem würde er raten, darüber nachzudenken, ob nicht er selbst dieser bemitleidenswerte Zeitgenosse sei. Der Mann weiß, wovon er spricht. Für jedes Börsengeschäft gilt genau das Gleiche. Ganz sicher. Es geht darum, besser zu sein als die anderen. Nur so lässt sich der Idiotenstatus vermeiden. Wer besser sein will, der muss mehr trainieren, mehr Talent, mehr Routine oder einfach auch nur mehr Glück haben. Er braucht aber von irgendetwas mehr als die anderen. Vielleicht auch Geld. Vor allem aber mehr Wissen als die anderen. Und darum soll es in den nächsten Abschnitten gehen.

Im Folgenden werden Sie übrigens das Wort Analyse so gut wie nicht finden. Dass allen Entscheidungen, vor allem denen an der Börse oder am Pokertisch, genau das, eine Analyse, vorausgehen muss, das versteht sich von selbst. Auch wenn es nicht immer extra erwähnt wird: Alles, was auf den nächsten achtzig bis hundert Seiten folgt, das ist Analyse. Selbstverständlich.

2.4 Ein Fernsehabend mit Kathy Liebert

Tief beeindruckt hat mich an diesem ersten Fernsehpokerabend meines Lebens, der von der allerersten Seite hier in diesem Buch mit Kathy Liebert im DSF, vor allem die wenigstens nach außen hin totale Emotionslosigkeit der Spieler. 50.000 US-Dollar in zwei Karten und zwei bis fünf Spielminuten zu investieren, das war für mich bis dahin schlicht nicht vorstellbar gewesen. Mit einem Lächeln, oder je nach Spielertyp auch mit völlig mienenfreien Gesichtszügen, den Gegenwert von einem mehr als nur gut ausgestatteten Mittelklassewagen im wahrsten Sinne des Wortes aufs Spiel zu setzen und weder im Gewinn- noch im Verlustfall kaum eine Regung zu zeigen, das war neu für mich. Ja – es dauerte wirklich seine Zeit, bis ich begriff, dass mein Verhalten an der Börse zumindest vergleichbar war. Es dauerte auch eine Weile, bis ich merkte, dass genau das ein wesentlicher Bestandteil meines Erfolges war, dass es Sinn macht und unverzichtbar ist, die Regeln des Alltags nicht an der Börse anzuwenden.

Das führt zur ersten zentralen Erkenntnis. Sie ist nicht die unwichtigste und vor allem aber ganz gewiss eine, die alles andere als leicht umzusetzen ist – Poker ist Poker, Börse ist Börse, und das Leben ist das Leben. Wer das eine mit dem anderen vermengt, der wird sich in allen Bereichen schwer, ja sehr schwer tun. Gefühle sind sowohl beim Pokern als auch an der Börse bestenfalls eine Ergänzung, ansonsten aber im Regelfall einfach nur fehl am Platz.

Kathy Liebert im DSF, das war der Fernsehabend, der aus mir wenigstens für ein paar Monate einen echten »Poker-Maniac« machte. Natürlich einen von der höchst passiven Sorte. Ich schaute Poker wie Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft – wann immer ich konnte. Ja, ich las manchmal sogar das Fernsehprogramm,11 um zu wissen, wann Pokersendungen gezeigt wurden. Irgendwann war klar, dass ich das unbedingt auch mal »in echt« ausprobieren musste. Die Regeln hatte ich mir im besten Sinne des Wortes »abgeschaut«, ein Buch hatte mich über Wahrscheinlichkeiten unterschiedlicher Kartenkonstellationen aufgeklärt, und deshalb fühlte ich mich gewappnet. Zwischendurch schwang zwar ein wenig der Gedanke mit, dass diese Einschätzung genauso tragfähig sein könnte wie die so mancher Börsenanfänger, die mir auf der Basis ihrer ersten Erfahrungen bei Börsenspielen hochrechneten, wann sie den ersten Porsche bestellen würden; aber so richtig viel Raum räumte ich diesem Gedanken, ehrlich gestanden, nicht ein. Ich war begeistert von dem Gedanken, auch beim Pokern Geld zu verdienen.

2.5 Warum ich beim Pokern nie Erfolg haben werde

Irgendwann im Herbst 2007 waren dann also der Pokerturniere genug geschaut. Ich fühlte mich reif für einen ersten Einsatz im richtigen Leben. Gemeinsam mit einem Bekannten aus dem Investmentbanking ging es in ein regionales Spielkasino. Der Buy In, das Eintrittsgeld, das es für die Spielberechtigung am Turniertisch zu berappen galt, betrug 50 Euro. Dieses Buy In ist auch immer das maximale Risiko des Abends. Mehr kann man nicht in den Sand setzen. Wer die 50 Euro verbrannt hat, der scheidet aus und verlässt den Tisch. Solange aber ein Spieler noch Chips vor sich auf dem Tisch aufgebaut hat, solange er also noch setzen kann, solange hat er noch etwas von den 50 Euro und solange bleibt er der Spielrunde erhalten.

Um sicher an dem Pokerturnier teilnehmen zu können, hatten wir uns schon sehr früh in das Turnier eingekauft. Danach galt es, mehr als eine Stunde zu warten. Was machen zwei wartende Männer im Kasino? Weil der Abend noch nicht so richtig fortgeschritten war und wir uns ein Kasino ausgesucht hatten, dessen Werbung mehr versprach, als vor Ort wirklich anzutreffen war, fiel eine der besten Beschäftigungen aus. Es gab keine extravaganten Abendroben, zu denen man sich hätte an den Tisch stellen, mit kleinen Einsätzen mitspielen, vor allem aber deren Trägerinnen man hätte beobachten können. Im Großen und Ganzen waren nur Männer anwesend, die wir verdächtigten, entweder demnächst mit uns am Tisch zu sitzen, oder aber solche, denen man den spielsüchtigen Berufszocker schon mit reichlich Distanz ansah. Das war also alles nicht gar so spannend, und deshalb bewegten wir uns zielsicher an die Bar.

Nun kann man mit Sicherheit darüber streiten, wie konzentrationsfördernd ein bis drei Bier sein können. Wenigstens in meinem Fall muss ich heute rückblickend gestehen, dass diese drei Bier wohl das waren, was sich in so mancher Filmszene abspielt, wenn der Held des Films schon irgendwann zu Beginn an der Hotelbar die Frau »zufällig« entdeckt, die ihn in den kommenden anderthalb Stunden begleiten wird – er davon aber noch nichts weiß. Nach anfänglichem Zögern sieht man, wie diese Helden des Drehbuchs ein oder auch mehrere alkoholische Getränke12 in sich hineinschütten und erst dann mit frischem Mut ihre Herzdame ansteuern. Das Bier macht keinen Filmhelden schöner und keinen Möchtegern-Pokerspieler besser, aber es hilft ungemein bei dem autosuggestiven Bemühen, sich schöner, besser, wichtiger und unternehmungslustiger zu fühlen. So war es dann auch.

Als wir dann gemeinsam mit den anderen neun Kandidaten des Turniers an den Spieltisch gerufen wurden, waren wir beide zwar alles andere als betrunken, aber eben auch nicht mehr völlig nüchtern – eher leicht schwebend. Ich bekam alles mit und hatte gewiss keine Artikulationsschwierigkeiten, aber das eine oder andere dauerte schon ein wenig länger. Dazu zählte zum Beispiel, den richtigen, mir zugelosten Platz am Tisch zu finden. Aber als das geschafft war und ich Platz genommen hatte, begann ein sagenhafter Erkenntnisreigen. Unsere Vermutung, dass wir zu diesen frühen Kasinostunden nur von Spielsüchtigen und Pokerspielern umgeben waren, war absolut zutreffend. Ich merkte, dass ich trotz aller Beschwingtheit nach unserem kleinen Ausflug an die Bar nervös wurde. Die Typen, die sich da neben mir und meinem Kumpel niederließen, sahen gefährlich aus. Gefährlich gut. Sie strahlten jenes Maß an Selbstsicherheit aus, das nur ein hohes Maß an Erfahrung und Routine in der Lage ist zu vermitteln. Von denen saß keiner zum ersten Mal am Pokertisch. Damit war zwar zu rechnen gewesen, aber wirklich daran gedacht und damit gerechnet hatte ich von der Fernsehcouch aus nicht.

Die zweite Erkenntnis: Die anderen sind auch gut, oder sie wollen zumindest besser sein als ich. Und sie rechnen damit, dass ihnen das gelingen wird.

Meine Selbstsicherheit schwand und meine Nervosität steigerte sich. Ich merkte, wie ich zum Krawattenknoten griff, um ihn zu lockern. Wer das tut, dem ist ein wenig warm geworden und der fühlt sich beengt. Ein fatales Signal an die Runde. Da schwitzt einer, noch bevor es überhaupt losgeht. Man muss sich das so vorstellen: Letztlich ging es um ein maximales Verlustrisiko von 50 Euro, und dennoch wurde ich sehr schnell extrem unruhig und unsicher. Die Anwesenheit der anderen, ihre Gesichter, Parfüms, ihr Atem und dazu die Aura des einen oder anderen, der mir schon mit Blicken signalisieren wollte, dass er mich Würstchen bei erster Gelegenheit plattmachen werde, das war so ganz anders, als ich das im DSF erlebt hatte. Alles Aseptische war weg. Ich war im richtigen Leben angekommen, einem heftigen Wettbewerb, in dem jeder der Anwesenden für sich das Ziel hatte, diesen Tisch und damit das Preisgeld im Bereich des zweibis fünffachen Einsatzes zu gewinnen. Kennen Sie die Spannung, die jeden Raum erfasst, wenn viele Menschen dicht gedrängt eigentlich ausrasten wollen, aber krampfhaft versuchen, sich zu beherrschen? Morgens bei Regen im beginnenden Herbst in der S- oder U-Bahn, wenn alle schlecht gelaunt auf dem Weg zur Arbeit sind, jeder vor sich hindampft und keiner ein Wort spricht? Genauso fühlten sich die ersten Minuten an diesem Tisch an.

Die dritte Erkenntnis