Political Correctness - Armin Nassehi - kostenlos E-Book

Political Correctness E-Book

Armin Nassehi

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Beschreibung

Armin Nassehi fragt sich, wann aus einer Anpassung der Sprache an neue Lebenswirklichkeiten – wie die gendergerechte Sprache oder eine Sensibilisierung der Sprache für vulnerable Gruppen wie Homosexuelle – Bullshit wird. Wo wird die Grenze überschritten zwischen angemessener Political Correctness und Einschränkung der Redefreiheit? Ein Beitrag zu Orthofonie, Bullshit und sozialem Wandel aus dem Kursbuch 191 "Bullshit. Sprech".

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Seitenzahl: 22

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Bullshit.Sprech

 

Inhalt

Armin Nassehi | Political Correctness. Zwischen Orthofonie, Bullshit und sozialem Wandel

Anhang

Der Autor

Impressum

Armin NassehiPolitical CorrectnessZwischen Orthofonie, Bullshit und sozialem Wandel

Ach, es wäre so einfach, political correctness zu kritisieren, so einfach, in die Klage darüber einzustimmen, wie sehr sich Gebots- und Verbotsfuror breitmacht und die Freiheit korrumpiert. Dass dies zu einfach wäre, kann man auch daran erkennen, mit wem man dann in einem Boot säße – mit solchen, die frühestens dann liberal geworden sind, als man Frauen, Homosexuelle, Juden und die Pluralität unserer Gesellschaft vor denen aus dem Morgenland retten konnte. Diese Liberalität schützen sie vor allem damit, die kulturlinke Form der korrekten Sprechweise aufs Korn zu nehmen, die am Ende gar keine Unterschiede mehr macht, sondern sich vor allem von denen unterscheiden will, die unterscheiden: zwischen Männern und Frauen, Hiesigen und Fremden, Weißen und Schwarzen, Klugen und Dummen usw.

Und genau besehen: Die political correctness und ihre Kritik sind auch ein Sturm im Wasserglas – Vorurteile über eine angebliche diskurspolizeiliche Kulturpolitik und Meinungsdiktatur, die die Meinungsfreiheit und die Ausdrucksfähigkeit einschränkt. Es ist eher das Geschäftsmodell der Broders, Matusseks, Tichys, Kelles, Herles’ und wie sie alle heißen, ein Geschäftsmodell, das im Feld der Aufmerksamkeitsökonomie durchaus lohnend für diejenigen ist, die aus dem Pegel der Aufmerksamkeit verschwunden waren. Das ist das Schöne an einer marktorientierten Ökonomie, dass sie am Ende tatsächlich aus allem einen Mehrwert erzielen kann, wenn man es nur richtig anstellt. Vielleicht ist es Bullshit-Ökonomie.

Und doch: Ich gebe zu, ziemlich genervt zu sein. Wenn ich an mein universitäres Milieu denke, erfüllt dies tatsächlich viele der Vorurteile, die offensichtlich keine sind. Es gibt sogar Kollegen, die das Binnen-I stets und immer so laut sprechen, dass es nur noch die weibliche Form zu hören gibt. Es fällt mir zugegebenermaßen schwer, mich so daran zu gewöhnen, dass es mir nicht mehr auffällt – und das ist es wohl auch, was damit bezweckt wird. Endlich kann das Private politisch sein – ohne hohe Kosten, aber mit dem nicht verhandelbaren Ernst derer, denen jegliche Distanz zu sich selbst fehlt. Man könnte ja die Universalisierung der weiblichen Form in der gesprochenen Sprache ironisch als ein Derrida’sches Verschiebungsspiel betreiben. Derrida hatte, um auf die Geschlossenheit der Zeichenverweisung hinzuweisen, das französische Wort différence mit einem a geschrieben, also différance – auf Deutsch etwa Differänz statt Differenz. Nicht um einen Fehler zu machen, sondern um darauf hinzuweisen, dass man nicht hören kann, was geschrieben steht.1