Polyfantastisch? - Gwendolin Altenhöfer - E-Book

Polyfantastisch? E-Book

Gwendolin Altenhöfer

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Beschreibung

»Bedeutet ›Liebe zu dritt‹ auch ›Spülen zu dritt‹? Oder räumen die beteiligten Frauen einfach mehreren Männern hinterher?« ›Polyamory‹ ist mittlerweile in aller Munde, weil sie eine Befreiung aus traditionellen und einengenden Beziehungs- und Familienformen verspricht. Doch nicht nur individuell, auch gesellschaftlich bilden Liebesbeziehungen und Familien zentrale Lebensbereiche. Hier werden soziale Normen und gesellschaftliche Strukturen aufgegriffen und mehr oder weniger eigensinnig modifiziert. Daher ist Beziehungsführung ein hochpolitisches Thema. Dahinter steht die Frage: Kann eine Veränderung von Liebesverhältnissen den Menschen befreien? Der breitgefächerte Sammelband lotet unterschiedlichste Möglichkeiten der Emanzipation und Subversion in der Beziehungsführung aus.

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Michel Raab, Cornelia Schadler (Hg.)

Polyfantastisch?

Nichtmonogamie als emanzipatorische Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Michel Raab, Cornelia Schadler (Hg.)

Polyfantastisch? Nichtmonogamie als emanzipatorische Praxis

1. Auflage, März 2020

eBook UNRAST Verlag, Februar 2021

ISBN 978-3-95405-077-2

© UNRAST-Verlag, Münster 2020

www.unrast-verlag.de | [email protected]

Mitglied in der assoziation Linker Verlage (aLiVe)

Mit freundlicher Unterstützung des Bildungskollektivs BiKo e.V.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung

sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner

Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter

Verwendung elektronischer Systeme vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Unrast Verlag, unter Verwendung

einer Grafik von Pinky Fang, pinkyfang.nz

Satz: Andreas Hollender, Köln

Inhalt

Michel Raab und Cornelia SchadlerVorwort

Michel Raab und Cornelia SchadlerDie Weltrevolution am Küchentisch?

– Widerständige Räume

Gesa MayerMeine Freundin und ihr FreundOder: Gibt es Sprache jenseits der Mononormativität?

Boka En & Michael En mit David En-Griffiths, Felix Pilz, Mer Pöll & Max RosenthalerBeziehung(s)formen im queeren Alltag

Stefan OssmannSchöner leben mit Polyamory? Von selbstbestimmten beziehungsweise fremdbestimmten Beziehungen

Doreen KruppaFreundschaftszentrierte LebensweisenWie Alltagspionier*innen neue Wege der Vergesellschaftung beschreiten

BetaversionUnverbindlich in die Kiste steigen

Katja KrügerWeiblich, vergeben, jung, sucht ...Vom Online Dating auf Tinder als polyamoröse Frau

Gwendolin AltenhöferHeilige Nacht

– Struktur und Strukturierung

Christian KlesseProletarier*innen des Anus und die Revolution der KörperKonsensuelle Nichtmonogamie und das radikale Projekt P.B. Preciados

Karl MeyerbeerGrauzonen des Konsensuellen»Sag doch einfach, was du willst«

Michel RaabSpülen zu dritt?

– Polynormativität?

Mer PöllAmatonormativität: Gedanken, Gefühle und Erfahrungen

Interviewfragen und Rahmen: Michel Raab und Cornelia SchadlerAutorität statt Befreiung Interview mit Paul-Julien Robert über Meine keine Familie

Cornelia SchadlerKommunikative Gewalt in Polykülen: Klassistische Kommunikationspraktiken

Andrea*s ExnerLiebespolitikBefreiung in neoliberalen Zeiten?

– Wie die anderen es sehen

Frank Lipschik»Die klassische Familie muss wieder zum gesellschaftlichen Leitbild erhoben werden« Familien- und Beziehungsvorstellungen im deutschen Rechtspopulismus und ihre Verknüpfungen mit dem Kampffeld ›Gender‹

– Schlusswort

Cornelia Schadler und Michel RaabReflexion: Konsequenzen

Autor*innenvita

Anmerkungen

Vorwort

Michel Raab und Cornelia Schadler

Einvernehmliche Nichtmonogamie ist heute als ›Polyamory‹ in aller Munde und verspricht eine Befreiung von traditionellen und einengenden Beziehungs- und Familienformen. Das Versprechen ist nicht neu: Schon in den 1970er-Jahren hofften manche, durch Beziehungsexperimente die neue Gesellschaft und den neuen Menschen zu schaffen. Die Hoffnung gründet auf der Beobachtung, dass Beziehung und Familie gesellschaftlich bedeutsame Lebensbereiche sind: Hier werden soziale Normen sowie gesellschaftliche Strukturen aufgegriffen und stabilisiert – und/oder mehr oder weniger eigensinnig modifiziert. Vor diesem Hintergrund ist Beziehungsführung ein wichtiges politisches Thema für die Linke.

Gerade angesichts des Scheiterns vieler Beziehungsexperimente von 1968 ff. (wir werden darauf noch zu sprechen kommen) stellen sich aber viele Fragen bezüglich der Reichweite und der Ethik von Lebensformenpolitik[1]. Die ›freie Liebe‹ war für die Beteiligten eine krasse Überforderung, sie war oft naiv und mechanistisch begründet, oft sehr sexistisch und für die Gesellschaft ein produktiver Modernisierungsschub. Steht hinter der Progression der Beziehungen eine nicht haltbare Fortschrittserzählung? Wird das Private nicht völlig überfrachtet, wenn es als Vehikel für gesellschaftliche Befreiung dienen soll? Steht es nicht dem guten Leben (im Hier und Jetzt) entgegen, wenn private Beziehungen ständig auf ihren emanzipatorischen Gehalt abgeklopft werden? Ist entschiedene Lebensformenpolitik nicht mit einer unverantwortlichen Härte gegen die Beteiligten verbunden? Auf theoretischer Ebene ist zudem offen, ob es vom Einfluss sozialer Strukturen und Normen befreite soziale Beziehungen überhaupt geben kann. Ist es daher nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt, schon am gemeinsamen Frühstückstisch die Welt retten zu wollen? Ein pauschales Abstempeln der Veränderungen der letzten Jahrzehnte als ›neoliberal‹ wird der Gewalt und Diskriminierung, die Menschen in nicht-normativen Beziehungsformen erfahren haben, nicht gerecht. Die Möglichkeiten, die in feministischen und queeren Bewegungen erkämpft wurden, müssen sichtbar bleiben. Trotzdem stellt sich die Frage: Sind alternative Lebensweisen tatsächlich emanzipatorisch? Wir denken: »Ja, aber«.

Dass die Menschen ihre eigene Geschichte machen, allerdings nicht aus freien Stücken, sondern unter vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen (so Marx), ist klar. In unserem einleitenden Text nähern wir uns dem schwierig zu bestimmenden Verhältnis von Selbermachen und den gegebenen Umständen gesellschaftstheoretisch. Wir (Raab/Schadler) fragen: Ist eine »Weltrevolution am Küchentisch« möglich? Dieses Thema wird uns auch weiterhin in diesem Band beschäftigen.

Obwohl Verhältnisse starr und übermächtig zu sein scheinen, finden Menschen immer wieder Möglichkeiten, sich neue alternative und widerständige Räume zu schaffen. In einem ersten Teil, nach unserer Einleitung, beschäftigen sich die Autor*innen unseres Bandes mit Beziehungsdefinitionen und -relationen (Mayer, En, Ossmann) sowie mit Alltagen in polyamoren (En, Betaversion, Krüger), queeren (En, Altenhöfer) und freundschaftszentrierten Lebensweisen (Kruppa, Altenhöfer).

Gesa Mayer bespricht in ihrem biografischen Text, der gleichzeitig Begrifflichkeiten und Definitionen vorstellt und die Breite dessen, was Polyamory heißen kann (und warum viele den Begriff auch gar nicht so gerne verwenden), absteckt, wie die Worte ›Beziehung‹, ›mein Freund/meine Freundin‹, ›Liebe‹ Vorstellungen des Sozialen formen, die mononormative Schubladen öffnen. Der Text reflektiert die Schwierigkeit, solche Begriffe trotzdem zu nutzen, sowie die Möglichkeiten, die mit einer resignifizierenden Aneignung entstehen. Sie schließt mit der Frage nach der Möglichkeit, neue Begriffe zu (er)finden.

Boka und Michael En (gemeinsam mit David En-Griffiths, Felix Pilz, Mer Pöll & Max Rosenthaler) illustrieren in ihrem persönlich theoretisierenden Text Probleme und Glück im queeren und polyamoren Alltag und somit auch die Politik des alltäglichen Seins. Intersektionale Identitäten und Strukturen werden täglich neu überschritten und reformuliert oder müssen einfach ertragen werden. Eingebettet in alltägliche Episoden des Zusammenlebens werden die Kategorisierungen und deren Geschichte umschrieben. Es zeigt sich die Verquickung von Definitionen von Familie, Sexualität, Freundschaft und Beziehung und es wird ersichtlich, wie dabei im Alltag multiple normative Linien und Brüche entstehen. Damit verbunden sind Ausgrenzung und Gewalt, genauso wie Lust und Freude. Im Text erscheint eine sich ständig transformierende Beziehungsformation mit losen Grenzen, fest und flexibel zugleich. Es entstehen neue Strukturen, und doch ist diese Formation eingebettet in neoliberale Strukturen mit ganz spezifischen Konsequenzen für die Individuen.

Wie viele (manchmal auch scheinbar unvereinbare) verschiedene Perspektiven in einem Polykül aufeinandertreffen können, zeichnet Stefan Ossmann in seinem Beitrag nach. In seinem Forschungsprojekt hat er sechs Personen eines Polyküls befragt. Ganz nüchtern stehen deren Selbst- und Netzwerkdefinitionen in diesem Artikel nebeneinander. Dabei zeigen sich unterschiedliche Vorstellungen über Liebe, Sexualität und Hierarchien in den Beziehungen. Am Ende steht auch hier die Frage, ob sich feste Definitionen überhaupt lohnen und woran diese festgemacht werden sollten. Erkennbar wird auch, welche Mühen in der Kommunikation aufgenommen werden, um die Beziehungen am Funktionieren zu halten.

Dass nicht-monogame Alltagpraxis nicht immer mit Sexualität und Liebe verbunden sein muss, zeigt Doreen Kruppas Artikel zu freundschaftszentrierten Lebensweisen. Füreinander da sein, Intimität und körperliche Nähe muss nicht als romantische Beziehung definiert sein, sondern kann auch in Gruppen von Freund*innen eingebettet sein. Polyamory ist somit nicht die einzige Chiffre, mit der sich Beziehungen umschreiben lassen, die die heterosexuelle Kleinfamilie überwinden möchten und offene Formen des solidarischen Zusammenseins zelebrieren.

Es folgen zwei Beiträge, die sich mit der Suche nach Partnerschaften auseinandersetzen. Die Betaversion sucht online nach Sexualpartner*innen und findet sie manchmal auch. Sie erzählt von den Menschen, auf die sie trifft, und wie Poly-Sein in jedem dieser Treffen wieder neu erklärt, verhandelt und performiert wird. Katja Krüger berichtet von ihrer Partnersuche auf Tinder und ebenfalls davon, wie ein Konzept von Polyamory immer und immer wieder erklärt werden muss, einerseits jenen, die es noch nicht kennen, andererseits jenen, die sich auch darüber definieren, aber eine völlig andere Vorstellung davon haben. Dabei kommt eins an keinem Klischee vorbei und es ergibt sich eine lange Liste intersektionaler Schubladisierungen, mit denen eins konfrontiert wird.

»Mit wem verbringst du Weihnachten?« Mit dieser Frage sind (nicht nur) polyamore Menschen manchmal konfrontiert. Gwendolin Altenhöfer bespricht in ihrem biografischen und literarischen Text verschiedene Möglichkeiten, dem Terror der Pärchen- und Romantik-Normen auszuweichen, und welche anderen Formen von Solidarität und Zusammensein sich dadurch ergeben.

Ein zweiter Block von Beiträgen bespricht aktuelle Diskussionen rund um Strukturierung von Sexualität (Klesse), Konsens (Meyerbeer) und häusliche Aufgabenteilung (Raab) in Poly-Communitys.

Dass Dekonstruktion, Kapitalismuskritik, Lust und widerständige Alltagspraxis einander nicht ausschließen müssen, bespricht Christian Klesse in seinem Beitrag mit Bezug auf Paul B. Preciados Kontrasexuelles Manifest (2000), welches immer noch Antworten auf aktuelle Fragen in einigen Poly-Communitys zu bieten hat. Die in der Einleitung besprochene (De-)Stabilisierungsthese wird hier nochmals eindrücklich diskutiert hinsichtlich der Frage, ob die »Proletarier*innen des Anus« nicht nur Geschlechter- und Monogamiedefinitionen, sondern auch kapitalistische Gesellschaften revolutionieren können, indem andere – kontrasexuelle – Gemeinschaften gebildet werden, mit entsprechenden Gesellschaftsverträgen.

Unter dem Titel »Grauzonen des Konsensuellen« bespricht Karl Meyerbeer, dass Konsensualität unter Umständen Herrschaft verschleiern kann, wenn bestimmte subjektive und strukturelle Bedingungen nicht gegeben sind.

Machtverhältnisse betreffen nicht nur Sexualitäten. Was ist mit der simplen Aufteilung von Haus- und Fürsorgetätigkeiten? Michel Raab hat sich in seiner Forschung mit der Verteilung von Care und den damit verbundenen Machtstrukturen beschäftigt. In vielen Polykülen bilden sich Verteilungen von Arbeit heraus, die stark an die Geschlechterrollen in der heterosexuellen Kleinfamilie erinnern. Trotzdem schaffen es manche, diese Strukturen zu überschreiten.

In den Artikeln von Meyerbeer, Raab und Klesse sehen wir Probleme vieler Polyküle angesprochen, die weitere Kritik an vielen Konzepten und Begriffen der Polyamory notwendig macht. Im letzten Teil des Bandes widmen wir uns explizit den amatonormativen (Pöll), autoritären (Robert), klassistischen (Schadler) und neoliberalen (Exner) Tendenzen polyamorer Zusammenhänge.

Mer Pöll fragt nicht nur nach Mono vs. Poly, sondern zusätzlich danach, was es mit den Normen von Überhaupt-jemanden-lieben-Müssen oder Mit-anderen-Sex-haben-Müssen auf sich hat. Entlang von biografischen Erzählungen wird analysiert, inwiefern das Imperativ der Liebe in der Mehrheitskultur und ebenso in den Normen der Polyamory forciert wird.

Dass Versuche, Kleinfamilie und Monogamie zu überwinden, nicht immer gut enden und was das für die Kinder in diesen Verbänden bedeutet, besprechen wir mit Paul-Julien Robert. Sein preisgekrönter Film Meine keine Familie kam 2013 in die Kinos und behandelte die »Aktionsanalytische Organisation« auf dem Friedrichshof im Burgenland – ein beziehungspolitisches Experiment, das in ein autoritäres System abglitt. Paul-Julien Robert berichtet aus seiner Kindheit am Friedrichshof und über seine Wahrnehmung der Gruppe.

Cornelia Schadler diskutiert, welche Klassismen und Rassismen sich in aktuell geltenden Normen zu Kommunikation und Konsens in Poly-Beziehungen verbergen. Ihr Beitrag arbeitet die abwertende Figur der Nichtwisser-Heimlichtuer-Prolos heraus. Diese findet sich sowohl in ihrem Interviewmaterial als auch in einem populären Poly-Ratgeber und geht mit problematischen Abgrenzungsdynamiken und Machtstrukturen einher.

Andrea*s Exner fragt, ob die sexuelle Befreiung tatsächlich stattgefunden hat oder ob Polyamory einfach nur ein Distinktionsgewinn für ein bestimmtes Milieu ist. Kann eins die Normen der Liebe tatsächlich frei wählen? Logisch folgt darauf die Frage, ob sich die Diskussion tatsächlich auf Mono vs. Poly konzentrieren sollte oder nicht doch lieber auf ganz konkrete emotionale, symbolische und materielle Bedingungen von Liebespraktiken und damit auf die Analyse der gesellschaftlichen Ordnung.

Wir schließen mit einem Beitrag, der nochmals zur (De-)Stabilisierungsthese zurückkehrt, diesmal in der Analyse politisch rechter Diskurse. Frank Lipschik untersucht Schriftdokumente der AfD, die die (deutsche) heterosexuelle Kleinfamilie mit klassischen Geschlechterrollen, ganz im Sinne der (De-)Stabilisierungsthese, als jenes Element, das die Gesellschaft stabil hält, entwerfen. Alle Konzepte, die diese angreifen, werden als Gefahr eingestuft, weswegen sie aus der Sicht rechter Politik bekämpft und begrenzt werden müssen. Das erscheint uns als Schlusspunkt, nach der notwendigen Kritik, wichtig. Egal, ob wir zum Schluss kommen, dass nicht-hegemoniale Lebensweisen gesellschaftliche Emanzipation nach sich ziehen oder nicht, den Kampf um diese Lebensformen müssen wir so oder so führen.

Unsere Schlussreflexion versucht dann nochmal, unsere ursprüngliche Fragestellung nach der Rolle anti-hegemonialer Lebensformen für die Linke zu reflektieren und zu beantworten. Wissen wir nun mehr?

Ein ursprünglich eingeplanter Text fehlt in diesem Band: Felicita Reuschling ist leider viel zu früh und nach kurzer, schwerer Krankheit am 29. Juni 2019 verstorben. Die Frage nach den utopischen und emanzipatorischen Potenzialen alternativer Beziehungsformen und Lebensweisen war einer ihrer zentralen Bezugspunkte. In Erinnerung an sie hoffen wir, dass die Beiträge dieses Buches ein wenig daran mitwirken, in der alltäglichen Praxis Befreiung denkbar und/oder lebbar zu machen.

Die Weltrevolution am Küchentisch?

Michel Raab und Cornelia Schadler

Kann eins mit vermeintlich privater Lebensführung kapitalistische Strukturen unterminieren? Beziehungspolitische Aktivist*innen und die kritische Beziehungsforschung stellen sich diese Frage seit Langem. Sind vermeintlich private Beziehungen Motor eines progressiven Wandels oder bloß Folge von gesellschaftlichen Veränderungen? Beeinflussen sich beide – das gesellschaftliche große Ganze und das Klein-Klein der persönlichen Entscheidungen und Verbindungen – gegenseitig, ›dialektisch‹, wie Philosoph*innen sagen würden? Wir diskutieren im Folgenden diese Fragen. Dazu erläutern wir eingangs die (De-)Stabilisierungsthese, die von einem dialektischen Zusammenhang von Mensch und Gesellschaft ausgeht, gehen dann auf poststrukturalistische Einwände ein und besprechen anschließend den Zusammenhang am Beispiel verschiedener Wellen von Lebensformenpolitik in den letzten 50 Jahren (sexuelle Befreiungsbewegungen, Frauenbewegung, queerer Aktivismus). Abschließend diskutieren wir, was wir aus diesen Traditionen lernen können, was mögliche zukünftige Handlungsfelder sein könnten und welche Fehler wir in Zukunft vermeiden sollten.

Die (De-)Stabilisierungsthese: Ehe und Familie als Kitt modern-kapitalistischer Gesellschaften

Zur kapitalistisch-patriarchalen Vorstellung von Familie gehört ein vordefiniertes Geflecht von Personen: Vater, Mutter und Kind. Beiden Eltern werden biologisch definierte Körper zugeschrieben, aus denen sich Aufgaben ableiten. Die Frau ist als Fürsorgende für die emotionale und handfeste Care im Privaten zuständig, der Mann als rational Orientierter für das Familieneinkommen[2]. Diese Zuständigkeit ergibt sich – so der konservative Diskurs – einfach aus der körperlichen Disposition der Frau. Sie trägt Kinder aus und hat die Möglichkeit, diese nach der Geburt mit Nahrung aus ihrem Körper zu versorgen. Das ist Grund genug, ihr die Welt der Fürsorge zuzuschreiben. Die Welt der Öffentlichkeit und Arbeit steht im Gegenzug ihm offen. Die (cis-sexistische) funktionale Differenzierung der Rollen ermöglicht das Heranziehen neuer Mitglieder der Gesellschaft und erlaubt eine optimale Reproduktion der Menschen in der modernen Welt. Die Arbeitswelt als Fabrik der kulturellen Produkte der Menschheit, die Familie als Fabrik neuer Menschen. Mit der Geburt eines Kindes und dem Übergang zur Elternschaft bestätigt sich die bei der Geburt zugeschriebene Geschlechterrolle und die Geschlechterordnung ist zu ihrer Bestimmung gekommen. Ohne Übergang zur Elternschaft werden in dieser Gesellschaftsvorstellung beide Geschlechterideale nicht erreicht. Um Mann oder Frau zu werden, um vollständiges Wesen der modernen Gesellschaft zu sein, ist ein Kind notwendig.

Wichtig ist, dass diese Familienformation nicht nur die Reproduktion der Menschen strukturiert, sondern auch die Gesellschaft als solche stabilisiert: Kinder erlernen hier all die Selbstverständlichkeiten, die dazu nötig sind, in der Welt zu bestehen und zu funktionieren. Private Lebensführung und Struktur der Gesellschaft hängen aus dieser Perspektive eng miteinander zusammen und bedingen einander. Eine Abweichung von dieser Formation – sei es durch veränderte private Lebensformen oder mittels Subjektpositionen, die nicht in das heterosexistische binäre Schema passen –, könnte also als eine Gefahr für die kapitalistisch-patriarchale Ordnung gedeutet werden – was nicht heißt, dass Alleinerziehende oder Regenbogenfamilien nicht ebenso als ›Keimzelle des Staates‹ dienen könnten. Trotzdem wäre das Private laut der (De-)Stabilisierungsthese hochpolitisch. Aus der wichtigen Funktion der Familie für die Reproduktion der Produktionsverhältnisse haben feministische Theoretiker*innen geschlossen, dass individuelle Lebensformen und Struktur dialektisch zusammenhängen und dass veränderte private Lebensformen somit tatsächlich Auswirkung auf die gesellschaftlichen Strukturen haben können (Haug/Hauser 1988, MacKinnon 1989, Mies 1988). Doch klappt das wirklich? Oder haben wir nicht eher die Erfahrung gemacht, dass patriarchal-kapitalistische Gesellschaften anstatt sich zu verändern, sich neue Formen des Zusammenlebens schnell einverleiben?

Gehen wir das Ganze systematisch an, gibt es drei Möglichkeiten, den Zusammenhang zwischen Beziehungsformen und Gesellschaft zu denken:

(De-)Stabilisierung: Hegemoniale Lebensformen sind mit kapitalistischer Struktur verbunden und stabilisieren diese. Gegenhegemoniale Lebensformen können kapitalistisch-patriarchale Strukturen verändern. Veränderte private Lebensverhältnisse könnten dann gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringen.

Neoliberale Integration: Neue Lebensformen sind durchdrungen von der Logik des Kapitalismus. Sie erschienen als neue Lebensformen, sind aber möglicherweise eine Konsequenz sich verschiebender Produktionsbedingungen. Sie sind kein Element der (De-)Stabilisierung, sondern alle Lebensformen integrieren sich in kapitalistisch-patriarchale Verhältnisse.

Lose oder keine Koppelung: Private Lebensformen sind kein Aspekt, der gesellschaftliche Veränderungen hervorrufen kann. Individuelles und Strukturen hängen nicht in einem direkten Wechselspiel zusammen, sind u.U. gar nicht als eindeutiges Gegensatzpaar voneinander zu unterscheiden, weil private Lebensführung in Strukturen eingebettet ist und diese gleichzeitig situativ stabilisieren und verändern kann. Eine Veränderung der privaten Lebensweisen hat einen Wert für sich, aber keinen direkten Einfluss auf kapitalistische Gesellschaftsstrukturen.

Die Variante eins und zwei stehen an entgegengesetzten Enden eines Kontinuums und würden die (De-)Stabilisierungsthese stützen. Die dritte Variante würde keinen oder nur einen begrenzten Zusammenhang vermuten. Die (De-)Stabilisierungsthese ist begründet (siehe oben), wird aber oft recht grobschlächtig gelesen: Subjekt und Struktur – Mensch und Gesellschaft – werden als gegensätzliche Sphären gedacht, Beziehungsformen als Vehikel der Weltverbesserung. Die dritte These bezieht sich eher auf poststrukturalistische und neomaterialistische Theoriezugänge, die versuchen, aus dieser Denkperspektive auszusteigen. Sie suchen nach dem lokalen Wirken alternativer Praktiken, eingebettet in Normen und Strukturen, aber mit dem Potenzial, diese zu rekonfigurieren[3]. Öffentliches und Privates, Arbeit und Reproduktion sind so nicht als wechselseitige, sich gegenseitig beeinflussende Sphären zu denken, sondern als sich überlappende und untrennbare Praktiken, die zentral für kapitalistische und patriarchale Gesellschaften sind. Sich verändernde Praktiken können Rekonfigurationen in anderen Praktiken implizieren, müssen aber nicht. Auch können konservierende und progressive (private) Verhältnisse gleichzeitig innerhalb von bestimmten Strukturen existieren.

Auf den ersten Blick macht das die Sache komplizierter, aber wenn sich aus der Beobachtung der sozialen Welt ergibt, dass sozial- und familienpolitische sowie ökonomische Strukturen Beziehungsformen beeinflussen, in denen Subjektivitäten geprägt werden, die wiederum gesellschaftliche Grundlagen mehr oder weniger eigensinnig reproduzieren, wäre die grundsätzliche Annahme – Subjekt und Struktur stehen in wechselseitiger Abhängigkeit, vermittelt u.a. über Beziehungsformen – auch in diesem theoretischen Rahmen denkbar, wenn auch nicht als wesentlicher, sondern als kontingenter, komplexer und indirekter Zusammenhang. Betrachten wir also die konkreten Verhältnisse in diesem Feld anhand der Brüche und Veränderungen, die sich in der Lebensformenpolitik der letzten 50 Jahre beobachten ließen. Ausgehend von einigen Beispielen resümieren wir in den nächsten Kapiteln, wie und wann die vorgestellten Thesen eine Rolle gespielt haben.

1930, 1968: Marxistisch begründet den Triebstau überwinden und damit den Kapitalismus abschaffen

Eine frühe linke Theorie zum politischen Stellenwert des Privaten – konkret: der Sexualität – stammt von dem marxistischen Psychoanalytiker Wilhelm Reich: die Repressionshypothese. Kern seiner theoretischen und politischen Anstrengungen war die Überzeugung, der Kapitalismus unterdrücke die Sexualität. Und zwar geplant und strategisch: Die triebhaften Regungen des Sexuellen seien nämlich – so Reich (Reichsverband 2011 [1931]), später genauer ausformuliert von Herbert Marcuse (1969) – inkompatibel mit den Anforderungen der Fabrikgesellschaft. Genau deswegen müsse der Kapitalismus die Triebe unterdrücken, die damit verbundenen Energien auf produktives Schaffen lenken (in der Sprache der Psychoanalyse: ›sublimieren‹). Die allgegenwärtige, aber in der Kindheit und Jugend als besonders harsch erfahrene Zurichtung zu einem produktiven, vernünftigen, eben nicht triebhaften Subjekt führe im Effekt zu einem autoritären Charakter. Eine weniger repressive Gesellschaft könne daher mit einer freieren Sexualität und ohne Monogamie funktionieren. Was die politische Praxis angeht: In den 1930er-Jahren baute Reich Beratungsstellen auf und organisierte Bildungsveranstaltungen zu Sex für proletarische Jugendliche (Reiche 1971: 16). In der Vulgärrezeption durch die Studierenden von 1968 ff. wurde seine Theorie mechanistisch gelesen im Sinne der (De-)Stabilisierungsthese: Da die Gesellschaft eine unterdrückte Sexualität brauche, lasse sich durch eine Befreiung der Triebe zugleich die Gesellschaft befreien. Im Zuge dessen setzte sich in Teilen der Studierendenbewegung eine Norm durch, derzufolge freie Sexualität praktiziert werden müsse, um nicht als konterrevolutionär zu gelten (Reichardt 2014: 656 f.). Die Kritik der vorherrschenden Vorstellungen von Familie und sexueller Monogamie wurde mehr und mehr ins Zentrum gerückt, sexuelle Befreiung als Kern der Revolution gesehen, auf den Punkt gebracht von einer Redewendung, die Rainer Langhans[4] zugeschrieben wird: »Was kümmert mich Vietnam, ich hab’ Orgasmusschwierigkeiten«. Reflektierteren Reichianer*innen war schon in den 1960er-Jahren klar, dass Herrschaft in bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften nicht auf stumpfe Unterdrückung setzt, sondern zunehmend äußeren in inneren Zwang transformiert. Trotzdem waren Reichs Ideen ungemein erfolgreich: Viele Beziehungsexperimente der 1960er- und 1970er-Jahre bezogen sich direkt oder indirekt auf diese Vorstellung einer vom Kapitalismus unterdrückten Sexualität, die befreit werden müsse. Es war deswegen auch folgerichtig, dass Gemeinschaften nach neuen Beziehungsformen suchten, die die Gesellschaft von innen heraus verändern sollten. Es bildeten sich Kommunen, später Wohngemeinschaften, die explizit auf nicht-monogamer Lebensweise aufgebaut wurden. Die Vorstellung war, dass, wenn es keinen Besitz an dem oder der Partner*in mehr gebe, dies auch die Besitzverhältnisse der Gesellschaft destabilisieren könnte. Befreiung der Sexualität würde die Befreiung vom Kapitalismus bedeuten. Das Interview mit Paul-Julien Robert in diesem Band zeigt deutlich, wie solche Versuche oftmals nicht in die Befreiung, sondern in neue Formen der (patriarchalen) Autorität geführt haben. Aus der Geschichte folgt, dass zu reflektieren ist, wer hier auf wessen Kosten in wessen Namen agiert, wie viel Verantwortung die Einzelnen für das Politische übernehmen können und ob nicht ein Kampf gegen die Verhältnisse in der Arena des vermeintlich Privaten eine Überforderung ist, die notwendigerweise mit einer Härte gegen sich selbst einhergeht, die moralisch nicht zu rechtfertigen ist.

1970: Feministisches Eintreten für neue private Beziehungen

Auch die feministischen Bewegungen der Geschichte stellten das Private, insbesondere Reproduktionsverhältnisse, in den Fokus und definierten dieses als Politikum (Frevert 1986, Gerhard 1999). Reproduktionsarbeit wurde als essenziell für die Erhaltung der gesellschaftlichen Strukturen erkannt und Verschiebungen in der Teilung und Organisation dieser Arbeit sollten sich auch auf die Strukturen der Arbeitswelt auswirken (Mies 1988). Der feministischen Bewegung war eine Selbstbestimmung über die eigene Sexualität und Reproduktionsfähigkeit in jeder Welle ein vorrangiges Anliegen. Dass Frauen Lust und Freude an Sexualität haben und diese selbstbestimmt leben dürfen, war eine zentrale Forderung, genauso wie das Recht auf Verweigerung des Aktes. Die oben dargestellte Antwort auf die Repressionshypothese wurde im Hinblick darauf kritisiert, dass sexuelle Befreiung nicht funktioniert, ohne die Konsequenzen der Sexualität mitzubedenken. Dies bedeutete Zugang zu Verhütungsmitteln und die Möglichkeit zur Abtreibung. Rechte, die die sogenannte zweite Frauenbewegung für viele Frauen erkämpft hat.

Darüber hinaus erkämpfte die zweite Frauenbewegung, dass eine größere Anzahl von Frauen Biografien über Mutterschaft und Ehe hinaus entwerfen können (Kortendiek 2010). Die bürgerlich-patriarchal-kapitalistische Vorstellung, dass Mutterschaft Bestimmung und Lebensziel für Frauen sei, eine Verheißung, die für Arbeiterinnen nie Realität war, trat zugunsten gesellschaftlicher Teilhabe an der Arbeitswelt in den Hintergrund. Wieder war die These, dass gesellschaftliche Veränderungen passieren, wenn Frauen die ihnen vom patriarchal-kapitalistischen System zugedachte Rolle nicht mehr einnehmen und ihre Machtposition in heterosexuellen Beziehungen sich verändern. Sprich: Nicht zu heiraten, sexuell selbstbestimmt zu leben und die Reproduktions- sowie die Erwerbsarbeit in die eigenen Hände zu nehmen, kann auch destabilisierend auf die Verhältnisse wirken und eben das Private sehr politisch machen (Beauvoir 1960).

Von marxistisch-feministischer Seite galt es, einen Nebenwiderspruch (Patriarchat) der marxschen Theorie und Auslegung aufzuwerten und dessen Einbettung in kapitalistische Strukturen zu diskutieren und zudem die aus einer solidarischen Haltung unter marginalisierten Gruppen entstehende Macht zu fördern (Mies 1988). Frauenhäuser, Schutzräume und kommunale Frauen-WGs schufen Lebensformen der gegenseitigen Unterstützung, die heute noch nachwirken und tatsächlich patriarchalen Strukturen ganz konkret Raum abnahmen.

Generell hatte die zweite Frauenbewegung weitreichende Auswirkungen auf Familienpolitik und Arbeitsrecht. Frauen haben heute in Europa häufiger Zugang zu Verhütungsmitteln, sie können sich scheiden lassen, sie müssen Teil des Arbeitsmarktes und für sich selbst finanziell verantwortlich sein. Die Geschichte der letzten 50 Jahre hat auch gezeigt, dass die Veränderungen in der Organisation der Reproduktionsarbeit neue (schlecht bezahlte) Arbeitsfelder und neue Ungleichheiten erzeugen, häufig auf Kosten marginalisierter Frauen (und Männer), um für privilegiertere Frauen Freiheiten zu schaffen (Hochschild 2003). Nancy Fraser resümiert diese Entwicklung so, dass »der Traum von der Frauenemanzipation in den Dienst der kapitalistischen Akkumulationsmaschine gestellt« (2009: 52) wurde. Trotz weitreichender emanzipatorischer Ziele steht eine Veränderung von kapitalistisch-patriarchalen Strukturen weiterhin aus.

Diese Entwicklung deutet eher darauf hin, dass sich die Lebensformenpolitik der zweiten Frauenbewegung weder als Stabilisierung noch als Destabilisierung in ihrer Gänze begreifen lässt. Dass die zweite Frauenbewegung zu einer Modernisierung der Geschlechterverhältnisse beitrug, lässt sich kaum bestreiten. Gleichwohl passen die umrissenen Entwicklungen gut zu einer neuen – neoliberalen – Phase des Kapitalismus, ohne dass sie alleine als dessen Konsequenz oder Folge begriffen werden können. Was für die These einer losen Koppelung von Lebensformen und Gesellschaftsstrukturen spricht.

1980+: Poststrukturalistische Theorie, queere Praxis der Anerkennung

Foucaults anti-dialektische Kritik der Repressionshypothese Reichs brachte eine Abkehr von der (De-)Stabilisierungsthese im Bereich der Sexualität hervor. Ausgehend von der Beobachtung, dass Sexualität in der Moderne nicht beschwiegen, sondern vielmehr ausführlich besprochen wird – mit Psycholog*innen und Pfarrer*innen, von Erzieher*innen und Humanwissenschaftler*innen – war Foucaults (1977) Ansatz, Sexualität nicht als Ausdruck quasi-natürlicher Triebe zu begreifen, die unterdrückt werden müssen, um die Menschen an die Maschine zu ketten, sondern als produktiven Diskurs zu sehen. Sexualität entsteht in diesem Sinne erst in der Moderne. Der allgegenwärtige Sexualitätsdiskurs macht ständig klar, welche Art von Sex richtig und welche falsch ist. Auch Foucault sieht im Bereich der Sexualität ein gesellschaftserhaltendes Moment, nur dass das nicht wie in den alten Konzeptionen in der Unterdrückung der nicht gewollten, sondern im Erzeugen des Produktiven liegt: produktiv im Sinne der »Bio-Macht«, im Sinne der »Abstimmung der Menschenakkumulation mit der Kapitalakkumulation, [der] Anpassung des Bevölkerungswachstums an die Expansion der Produktivkräfte« (Foucault 1977: 168). Glückliche, fähige Menschen und zwar genau so viele, wie der Arbeitsmarkt braucht, sind ein Produktionsfaktor. Dass hier keine Akteur*innen vorkommen, ist gewollt: Biomacht im Foucault’schen Sinne wird nicht bewusst und strategisch von der herrschenden Klasse ausgeübt. Vielmehr sind alle dezentral daran beteiligt, einen Käfig aus Selbstverständlichkeiten zu errichten – wobei hinter der kontrollierenden Macht der Diskurse immer noch die blanke Gewalt droht. Aber die ›Normalisierung‹, d.h. die Etablierung und Stabilisierung des selbstverständlichen Wissens über Sexualität – Zweigeschlechtlichkeit, Heterosexualität, Liebe, Elternschaft – funktioniert meistens, ohne dass die Gewalt zum Einsatz kommt.

Dieses Theoriekonzept kam allen entgegen, die sich selbst nicht in binäre Muster einordnen konnten. Menschen, die nicht monosexuell, nicht in ein Geschlecht einordbar oder nicht in einer fixen Identität verankert waren. Diese Kategorien waren nun Teil eines Machtdiskurses, mit dem Aktivist*innen umgehen mussten, denn die Einsicht in die dezentral gedachte Allgegenwart von Macht überwindet ein Konzept, in dem sich Herrscher (selten *innen) und Beherrschte klar abgegrenzt gegenüberstehen. Das erlaubt eine feinteiligere Analyse von politischen Prozessen. Aktivist*innen verlieren dadurch allerdings auch ein Ordnungsraster, das oftmals als Grundlage des Politischen genutzt wird: die Grenze zwischen Freund und Feind. Der Verlust eines eindeutig bestimmbaren kämpfenden Subjekts führt dazu, dass sich Forderungen nur schwer artikulieren lassen. Konkret: Was bleibt von der Forderung, die herrschende Klasse zu entmachten, wenn Herrschaft Effekt dezentrierter Machtoperationen ist? Wie lässt sich überhaupt die Forderung nach Teilhabe oder Ressourcen für eine bestimmte Gruppe aufstellen, wenn die Grenzen einer jeden Gruppe unklar werden, die Konstitution eines identitären ›Wir‹ schon als problematische Normalisierung der Eingeschlossenen gesehen wird? Ein Umgang mit diesem Problem ist eine Lebensformenpolitik, die sich gegen die normierende Macht von Gesetzen und Institutionen richtet, wie z. B. die Forderung nach Abschaffung der Eheprivilegien und nach der »Gleichstellung aller Lebensweisen« (Schenk 2000: 140, Hervorhebung im Original). Das Beispiel zeigt, dass unterschiedliche Grundannahmen zu entgegengesetzten Politiken führen können: Während der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) in den 1990er-Jahren für die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben eintrat, forderten queere Aktivist*innen gerade das Gegenteil, die Abschaffung der Ehe (Mesquita 2011). Abstrakter betrachtet liegt hier ein Dilemma vor: Identitäre und ontologische Konzepte (»Wir sind so«) sind erfolgversprechend, weil sie zur identitären Logik des gegenwärtigen politischen Systems passen. Sie bestärken das Bestehende mit all seinen Problemen – Sabine Hark (2000) kritisiert dementsprechend z. B. schwul-lesbische Identitätspolitik, die den Einschluss in das nationale Kollektiv fordert –, während antiidentitäre Praxen mangels Griffigkeit und der Unmöglichkeit, eine klar umrissene Interessengruppe zu bestimmen, oft als politisch wirkungslose Symbolpolitik kritisiert werden. Ungeachtet dieser Debatte haben sich Menschen in gleichgeschlechtlichen Lebensformen an vielen Orten Rechte erkämpft, vorrangig das Recht, legale Gemeinschaften zu bilden (Ehe).

Autor*innen und Aktivist*innen, deren Beziehungen nicht in dieses legale Korsett passten, suchten nach situativ und selbstdefinierten Gemeinschaften, die Fürsorge und Solidarität nicht anhand von Geschlechts-, Sexualitäts- oder Verwandtschaftsstrukturen organisierten. Sie bildeten Wahlfamilien aus Freunden, Geliebten, Ex-Geliebten, Nachbar*innen und Zufallsbekanntschaften (Weston 1991; Roseneil/Budgeon 2004). Diese queeren Lebensformenpolitiken sehen die Grenzen dieser Gemeinschaften ausschließlich in selbstgewählten Zugehörigkeitsdefinitionen. Die Eigenschaften, Beziehungen und Inhalte dieser Wahlfamilien obliegen der Aushandlung der beteiligten Individuen. Abbildungen in Form von Recht und staatlicher Struktur werden als unzulänglich und unflexibel abgelehnt. An die Stelle einer Rhetorik der Befreiung oder der Destabilisierung der Gesellschaft durch unterminierende Lebensformen trat die Forderung nach Zeiten, Räumen und Sichtbarkeit. In Szene-Medien – früher Zines und Rundbriefen, heute zunehmend Blogs, Mailinglisten und Facebook-Gruppen – wurden Inhalte diskutiert und verbreitet und internationale Communitys organisiert, was viel zu Vernetzung und Sichtbarkeit beigetraten hat. Diese Sichtbarkeit erzwang in vielen Fälle auch eine zumindest symbolisch-kulturelle Anerkennung marginalisierter Identitäten und Gemeinschaftsformen.

Auch hier bleibt Emanzipation sehr partikular, man könnte sagen, noch kleinräumiger als in Zeiten der zweiten Frauenbewegung: Der starke Fokus auf Anerkennung ging damit einher, dass Verteilungsfragen kaum durchgesetzt werden konnten. Konkret: Hatten die Frauen der 1980er für Sichtbarkeit, soziale Absicherung und höhere Löhne gekämpft, brachte die gleichgeschlechtliche Ehe vor allem bessergestellten Zweierkonstellationen finanzielle Vorteile. Was nochmal mehr gegen die Destabilisierung spricht, ohne dass hinreichend belegt wäre, dass der neoliberale Kapitalismus die Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen braucht, um zu funktionieren.

2000er: Polyamory im Mainstream

Anfang der 2000er-Jahre fanden die Bewegungsdebatten über Nichtmonogamie in verschiedenen Druckerzeugnissen statt – in der Schlampagne (FrauenLesbenredaktion 1999), in Kritik der romantischen Zweierbeziehung (Autor*innenkollektiv 2001) und in Beziehungsweise Frei (Twelve o.J.), in Zines und in linken Zeitschriften wurde breit diskutiert. Aber ohne die technologischen Entwicklungen der letzten 30 Jahre, und insbesondere des Internets, wäre die heutige polyamore Bewegung weit weniger sichtbar. Viele Gruppen organisieren sich fast ausschließlich in Social Media, Blogs und Podcasts. Polyamory, definiert als die Praxis, mehrere sexuelle und/oder emotionale Beziehungen unter Wissen aller Beteiligten zu führen, ist in aller Munde. Beziehungsanarchist*innen und freundschaftszentrierte Gemeinschaften erlangen im Zuge dieser Debatte ebenfalls Sichtbarkeit. Wie und was konsensuelle nicht-monogame Gemeinschaften sind, kann schwer definiert werden (siehe auch die folgenden Beiträge in diesem Band). Wir möchten aber die verschiedenen Bewegungen folgend ein wenig kategorisieren, denn die Debatte rund um Polyamory steht in der Tradition oben aufgemachter Differenzlinien zwischen Identitätspolitiken und queerer Auflösung von Kategorien.

Identitätspolitiken stellen Poly als Kategorie in den Vordergrund, einhergehend mit der Forderung nach konkreten Rechten wie Gruppenehe oder Gemeinschaftsobsorge für Kinder (Klesse 2018). Polyamory als Konzept hat seine Sichtbarkeit zum Großteil dieser Gruppe zu verdanken, die durch ihre Identitätspolitik auch den Begriff der Polyamory klarer umreißen kann, anstatt das Konzept offen und fluide zu halten. Damit einhergehend können Prozesse der Normalisierung ausgemacht werden, etwa, dass Autor*innen versuchen, ›ihre‹ Beziehungsform von anderen Gemeinschaftsformen, wie losen Affären, rein sexuellen Beziehungen oder traditioneller Polygamie, abzugrenzen – oftmals auch mittels sexistischer, klassistischer und rassistischer Abwertungen anderer Gruppen (siehe auch Schadler in diesem Buch). In diesem Sinne streng polyamore Polyküle sind häufig stark regelorientiert und es ist nicht selten, dass in ihnen Partnerschaften hinsichtlich ihrer Beziehungsintensität explizit hierarchisch organisiert sind (z.B. Primary und Secondary Partnerschaften, siehe Beitrag von Stefan Ossmann). Eine steigende Anzahl von Ratgebern und Regelbüchern versucht, klare Kommunikations- und moralische Verhaltensregeln für diese Community zu entwerfen. So wird eine polyamore Identität ausgehandelt, die als Grundlage für den Kampf um Rechte dienen kann – oft allerdings mittels Abwertung anderer und Hierarchisierungen innerhalb der eigenen Gruppen (siehe Beitrag Cornelia Schadler).

Polyküle, die sich in einer queeren Tradition verankern, sind häufiger als beziehungsanarchistische organisiert. Es gibt ein Augenmerk darauf, Selbstdefinitionen als auch Beziehungsdefinitionen fluider zu halten, keine Hierarchisierung in den Partnerschaften vorzunehmen (siehe Beitrag von Boka und Micheal En) und den Schulterschluss mit anderen Emanzipationsbewegungen zu suchen (Raab 2016). Klare Regeln für das Zusammenleben werden hier von Fall zu Fall ausgehandelt oder unausgesprochen gelebt, solange es funktioniert (siehe auch Beitrag von Gesa Mayer). Eine feste Beziehungsdefinition wird oftmals abgelehnt, da schon das ›Auf-den-Begriff-Bringen‹ als statische Vereinheitlichung der vielfältigen und veränderlichen Beziehungspraxis gesehen wird. Trotzdem wird die Bezeichnung ›poly‹ teilweise als Chiffre nach außen verwendet – auch von freundschaftszentrierten sozialen Kontexten (siehe Beitrag von Doreen Kruppa), anti-amatonormativen Gemeinschaften (siehe Beitrag von Mer Pöll) oder queeren Verwandtschaften (siehe Beitrag von Boka und Michael En).

In der öffentlichen Wahrnehmung liegt ein Übergewicht seitens derjenigen vor, die ein klar bestimmtes ›Wir‹ formulieren: Ein unübersehbares Angebot von Ratgebern versucht, ein klares ›Wir sind …‹ festzuschreiben, Illustrierte und Dokus zeigen ein (oft amato- und heteronormatives) Poly-Ideal. Sperrigere Konzepte, die das ›Wir‹ offenzuhalten versuchen und stattdessen eine Gegner*innenschaft zur Normalisierung artikulieren (wie etwa die Schlampagne, siehe den Beitrag von Gwendolin Altenhöfer) führen im Vergleich ein Schattendasein. Durch die Poly-Identitätspolitik wurde sehr viel Sichtbarkeit erreicht, welche sich jedoch bisher nicht in Rechten niederschlug, was aber auch an den bewegungspolitischen Wellen liegt, konkret daran, dass sich inzwischen stark an symbolisch-kulturellen Fragen ausgerichtet wird, wenig an juristischen und kaum an ökonomischen.

So zeigen auch die aktuellen lebenformenpolitischen Kämpfe um Polyamory sehr wenig destabilisierendes gesellschaftspolitisches Potenzial, sie sprechen eher für eine lose Koppelung von Lebensform und Gesellschaftsstruktur. Die identitätspolitische Fraktion wird womöglich irgendwann Rechte (und damit Anerkennung) erkämpfen, allerdings auf Kosten der weniger angepassten Teile der Bewegung. Die antiidentitäre Fraktion mag Begriffe dekonstruieren und Bedeutungen dezentrieren. Die Grundlagen der warenproduzierenden Gesellschaft werden von beidem nicht angekratzt, solange die Reproduktion der Produktionsverhältnisse funktioniert. Konkret: Auch das queere Polykül kann (bewusst oder unbewusst) produktive Arbeitskräfte pflegen und gehorsame Staatsbürger*innen erziehen – und damit seiner Funktion im gesellschaftlichen Ganzen nachkommen.

Resümee 1968–2020 – viel Neues, viel Bekanntes

Die großen theoretischen Fragen dieses Textes sind bisher nicht beantwortet. Können wir davon ausgehen, dass die vermeintlich private Beziehungsführung im Wechselspiel mit dem gesellschaftlichen großen Ganzen steht? Wenn ja, können private Lebensformenpolitiken Strukturen verändern oder sind die scheinbar neuen Lebensformen nur eine Konsequenz sich verändernder ökonomischer Strukturen? Oder finden wir gar keine Zusammenhänge? Oder finden wir keine direkte Wechselwirkung, aber doch komplexe Zusammenhänge? Generell ließe sich wohl für jede These ein Stück weit Unterstützung finden.

Fassen wir kurz zusammen, was wir an Lebensformenpolitiken der letzten 60 Jahre gesehen haben: Mit Reich und Marcuse im Gepäck hat eine Strömung Beziehungsaktivist*innen ohne Erfolg versucht, den Kapitalismus durch die Befreiung der Sexualität zu überwinden. Feminist*innen haben dagegen für die Befreiung der Frau von patriarchal-kapitalistischen Machtstrukturen gesetzt, konnten in Bezug auf Geschlechtergleichheit auch gewisse Erfolge verbuchen, allerdings um den Preis, dass die Befreiung vom Spülbecken mit der Unterwerfung unter kapitalistische Herrschaft einherging (Dalla Costa 2014 [1973]). LGBT-Politiken waren ebenso erfolgreich in der Erkämpfung von Rechten für gleichgeschlechtliche Beziehungen, mit dem Preis einer Normalisierung von ganz bestimmten gleichgeschlechtlichen Beziehungen und der Abwertung anderer. Der queere Aktivismus hat bisher vor allem erreicht, dass vielfältige Lebensformen in Medien und Wissenschaft sichtbarer und somit auch wiederum real lebbarer geworden sind.

Die Kämpfe der Vergangenheit haben also etwas gebracht. Kapitalistische Strukturen haben sich aber wenig verändert – oder erfuhren Veränderungen anderer Natur. In den letzten 60 Jahren sind Arbeitsverhältnisse unsicherer geworden und verlangen mehr Flexibilität von den Individuen. Sozialstaatliche Strukturen werden eher abgebaut als aufgebaut. Diese Veränderungen der demografischen und ökonomischen Struktur lassen sich teilweise gut mit den oben diskutierten Lebensformenpolitiken zusammendenken. Nicht mehr heiraten müssen, unabhängig sein und aus einer Vielzahl von privaten Lebenskonzepten wählen zu können, ist wichtig und gut. Angesichts eines Arbeitsmarkts, der Flexibilität und Mobilität verlangt, werden offene und ebenso flexible Beziehungsformen aber schnell zu einer der wenigen Lebensformen, die sich mit den ökonomischen Strukturen vereinbaren lassen. Die veränderten und sichtbar gewordenen Lebensformen könnten, von der Struktur her gedacht, mit den Interessen des Kapitals teilweise übereinstimmen. Der Unterschied bleibt, dass neue Formen der Umverteilung von Ressourcen vor allem da notwendig wären, wo die privaten Lebensformen den ökonomischen Strukturen nicht in die Hände spielen. Wenn mehr Beziehung weniger Arbeitszeit bedeuten müsste (weil es eben mehr Zeit für Privates braucht), wenn Wohnraum anders verteilt sein müsste (weil er zu den Beziehungen passen soll) oder wenn die Weitergabe von Ressourcen in nicht intendierten Bahnen verläuft (weil private Umverteilung anders funktioniert), stoßen Menschen in nicht-normativen Beziehungen schnell an Grenzen.

2020 und folgende

Wir erkennen also komplexe Zusammenhänge, sicher ist, dass die Wahl der Lebensform durch patriarchal-kapitalistische Strukturen beschränkt wird. Angesichts der Erfahrungen vergangener Kämpfe um Lebensformen haben wir eine Vorstellung darüber, wie kommende Kämpfe um Lebensformen aussehen könnten, welche Themen und Strategien erfolgreich sein könnten.

Die Geschichte der Sexualitätsbefreiungsbewegung macht deutlich, dass das Ziel des politischen Handelns nicht die individuelle Lebensweise sein kann, sondern dass es auf die Strukturen gerichtet sein muss, in die die Individuen gesellschaftlich eingebettet sind. Die vielfältigen Machtverhältnisse sind zu komplex und Individuen sind davon nicht trennbar und können sich aus diesen weder herausheben noch individuell befreien. Viele Versuche der sexuellen Befreiung – auch aus dem Gedanken heraus, dass die Einzelnen im Privaten das Potenzial hätten, die Gesellschaft zu revolutionieren – endeten in stark normativen und autoritären Gemeinschaften. Daher nehmen wir aus dieser Geschichte eine starke Skepsis gegenüber charismatischer Führerschaft und homogenen Gemeinschaften mit, die das Wohl der Einzelnen dem ›großen Ziel‹ unterordnen. Zudem wurden manche Machtverhältnisse ernster genommen als andere, konkret: der Kampf gegen den Kapitalismus als Hauptwiderspruch gesetzt. Deutlich wurde dabei: Wer im Endeffekt sexistisch gegen den Kapitalismus vorgeht, wird gar nichts erreichen. Dagegen scheinen uns solidarische Gruppenverantwortlichkeiten, die trotzdem (oder gerade wegen der Solidarität) Raum für individuelle Bedürfnisse einräumen, nötig.

Die zweite Frauenbewegung hat sehr erfolgreich Strukturen innerhalb der kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaft verschoben. Mit der unintendierten Nebenfolge, dass neue Kategorien entstanden oder spezifische Gruppen einen Preis dafür zahlen. Hieraus schließen wir, dass Forderungen und politische Kampagnen auf ihre ›Retorsionsfähigkeit‹ befragt werden müssen – darauf, ob ihre Ziele evtl. durch den politischen Gegner verdreht werden und ihre Verwirklichung ungewollte Wirkungen mit sich bringt. Wir sehen aber, dass insbesondere das Bilden von solidarischen Gemeinschaften und die Eroberung von Räumen, auch die Erschließung von Räumen, die exklusiv Minderheiten oder Marginalisierten zugänglich sind und diesen Schutz bieten, erfolgreich war. Ob solidarische Gemeinschaften mehr als Schutzräume ausbilden und darüber hinaus die Ungleichheiten aufheben können, oder ob dafür andere Strategien notwendig sind, wird sich zeigen müssen. Auf lange Sicht geht es schließlich darum, Ungleichheitslinien nicht bloß zu verschieben, sondern aufzuheben.