Pragmatik - Kristin Börjesson - E-Book

Pragmatik E-Book

Kristin Börjesson

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Beschreibung

Das wichtigste Ziel des Deutschunterrichts in der allgemeinbildenden Schule ist der Auf- und Ausbau der sprachlichen Handlungsfähigkeit. Die linguistische Pragmatik ist die wissenschaftliche Lehre vom sprachlichen Handeln. Da liegen Verbindungen nahe. Tatsächlich aber werden pragmatische Begriffe und Konzepte im und für den Unterricht bisher wenig genutzt. Dieses Buch zeigt, wie die linguistische Pragmatik den Deutschunterricht unter der Oberfläche längst durchdrungen hat. Es bietet Lehrpersonen und Lehramtsstudierenden Hintergrundwissen und Ideen dafür, wie sich das Nachdenken über den Gebrauch von Sprache gewinnbringend in den Unterricht einbringen lässt. Die Merkmale verschiedener Kommunikationssituationen werden ebenso in den Blick genommen wie Bedeutungsaspekte von Äußerungen, die nur zu verstehen sind, wenn man Sprache im Gebrauch betrachtet.

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LinguS 11

LINGUISTIKUND SCHULE

Von der Sprachtheorie zurUnterrichtspraxis

Herausgegeben vonSandra Döring und Peter Gallmann

Kristin Börjesson / Björn Laser

Pragmatik

Sprachgebrauch untersuchen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

DOI: https://doi.org/10.24053/9783823392781

© 2022 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

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Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

Internet: www.narr.de

eMail: [email protected]

ISSN 2566-8293

ISBN 978-3-8233-8278-2 (Print)

ISBN 978-3-8233-9278-1 (ePDF)

ISBN 978-3-8233-0357-2 (ePub)

Inhalt

1Pragmatik

1.1Ziel und Ausrichtung dieses Buches

1.2Was ist Pragmatik?

1.2.1Kurzer historischer Abriss

1.2.2Bedeutungsebenen

1.2.3Zusammenfassung

1.3Pragmatik und Deutschunterricht

1.3.1Noch ein kurzer historischer Abriss

1.3.2Pragmatische Reflexionen

Aufgaben

2Kommunikationssituationen und Konversationsstrukturen

2.1Kommunikationssituationen

2.1.1Der Äußerungskontext

2.1.2Mündlichkeit, Schriftlichkeit – der Einfluss des Kommunikationskanals

2.1.3Verbale Kommunikation als eine Form der sozialen Interaktion

2.2Konversationsstrukturen und Textmuster

2.2.1Gespräche

2.2.2Texte

2.3Situationsangemessenes Kommunizieren als Bildungsziel

2.3.1Implizites Wissen transparent machen

2.3.2Beobachtungs- und Analysekategorien bereitstellen

2.3.3Sprachliche und kommunikative Ressourcen entwickeln

Aufgaben

3Reden ist Handeln: Sprechakte

3.1Zur Theorie der Sprechakte

3.1.1Äußerungen und Absichten

3.1.2Gelingensbedingungen

3.1.3Teilakte

3.1.4Illokutionäre Indikatoren

3.1.5Indirekte Sprechakte

3.1.6Sprechakttypen nach Searle

3.2Sprechakte im Unterricht

3.2.1Satzarten und Sprachhandlungstypen

3.2.2Sprechakttypen und Textsorten

Aufgaben

4Unausgesprochenes: Maximen, Implikaturen und Präsuppositionen

4.1Zur Theorie der konversationellen Implikaturen

4.1.1Kooperationsprinzip und Konversationsmaximen

4.1.2Eigenschaften von Implikaturen

4.1.3Gesagtes vs. Gemeintes

4.2Zum Phänomen der Präsupposition

4.2.1Präsuppositionen auslösende Elemente

4.2.2Eigenschaften von Präsuppositionen

4.2.3Präsuppositionen: ein semantisches oder ein pragmatisches Phänomen?

4.3Gelingende und misslingende Kommunikation in der Schule

4.3.1Subtile Botschaften

4.3.2Gemeinsames Wissen

4.3.3Regeln des Verstehens

Aufgaben

5Was wir gemacht haben, oder: Pragmatik ist noch viel mehr.

Lösungshinweise zu den Aufgaben

Rechtsnachweise

Literatur

1Pragmatik

1.1Ziel und Ausrichtung dieses Buches

Wir möchten in diesem Buch einen Einblick geben in die fachwissenschaftlichen Inhalte der Pragmatik und aufzeigen, welche Perspektiven für den Deutschunterricht sich an diese anschließen lassen. Dabei verfolgen wir zwei Ziele:

Zum einen soll das Buch Lehrpersonen eine fachwissenschaftliche Grundlage bieten, auf der sie ihren Unterricht hinsichtlich der pragmatik-geprägten Zielsetzungen der Bildungsstandards und Lehrpläne aufbauen können,

zum anderen wollen wir aber auch beispielhaft Anregungen geben, wie konkrete, in den Lehrplänen formulierte Inhalte und Lernziele, die sich auf pragmatische Aspekte beziehen, im Unterricht umgesetzt werden können.

Dabei fokussieren wir auf drei Bereiche, denen jeweils ein Kapitel gewidmet ist. Kapitel 2 behandelt den Themenbereich Kommunikationssituationen und Konversationsstrukturen. In den Bildungsstandards wird von der Fähigkeit gesprochen, Sprache situationsangemessen zu gebrauchen, also passend zu den Bedingungen des jeweiligen konkreten „Sprachgebrauchskontextes“. Wie ich als Sprecher/Schreiber meine Äußerungen formuliere, hängt z. B. davon ab, wie ich die soziale Beziehung zwischen mir und meinem Adressaten einschätze, ob ich mündlich oder schriftlich kommuniziere, welche Varietäten des Deutschen mir zur Verfügung stehen, wie ich das Vorwissen zum Thema bei meinem Adressaten einschätze usw. Diese vielfältigen Aspekte sollen in diesem Kapitel in den Blick genommen werden.

Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Idee, dass verbales Kommunizieren als eine Form des Handelns zu verstehen ist. Hier wird insbesondere die auf Austin und Searle zurückgehende Sprechakttheorie eingeführt, mit ihrer Unterscheidung verschiedener Teilakte, der Annahme von Gelingensbedingungen für Sprechakte und der Unterscheidung von direkten und indirekten Sprechakten. Generell spielt hier die Tatsache eine Rolle, dass Kommunizierende jeweils aus bestimmten Intentionen heraus sprachlich handeln, dass sie also jeweils bestimmte Ziele verfolgen. Um diese Ziele zu erreichen muss neben den vielfältigen anderen Aspekten der jeweiligen Äußerungssituation der Adressat besonders berücksichtigt werden. Diese beiden Aspekte werden in den Bildungsstandards mit den Stichworten „zielgerichtet“ und „partnerbezogen“ angesprochen.

Kapitel 4 widmet sich der Tatsache, dass in verbaler Kommunikation häufig Dinge anders verstanden werden, als sie gesagt wurden oder auch mehr verstanden wird, als gesagt wurde. Es geht also um Bedeutungsaspekte von Äußerungen, die mitkommuniziert bzw. mitverstanden werden, obwohl sie streng genommen unausgesprochen sind. Fachlich gesprochen geht es um Implikaturen und Präsuppositionen und die Bedingungen, unter denen diese zum Tragen kommen.

Mit den verbleibenden Abschnitten von Kapitel 1 steigen wir in das Thema Pragmatik zunächst aus fachwissenschaftlicher (→ Kap. 1.2), dann aus fachdidaktischer Perspektive (→ Kap. 1.3) ein. Hier geht es zum einen darum, zu klären, was eigentlich unter Pragmatik (insbesondere auch in Abgrenzung zur Semantik) zu verstehen ist, zum anderen ist die Frage zu klären, welchen Stellenwert die Pragmatik im Deutschunterricht hatte und hat.

Am Ende jedes Kapitels finden sich Aufgaben zur Lernkontrolle und zum Weiterdenken. Die mit einem * gekennzeichneten Aufgaben lassen sich auch für den Unterricht adaptieren. Entsprechende Hinweise zur Lösung der Aufgaben finden sich am Ende des Buches.

1.2Was ist Pragmatik?

Die „Lehre vom sprachlichen Handeln“ – So oder ähnlich wird in sprachwissenschaftlichen Einführungswerken oder Fachlexika häufig bestimmt, was linguistische Pragmatik ist. Während sich andere Teilgebiete der Linguistik mit der Sprache und ihren Bestandteilen selbst beschäftigen, also etwa Wörter, Sätze, Wortbausteine oder Laute untersuchen, richtet sich die Pragmatik darauf, was mit diesen Bestandteilen, mit Wörtern, Sätzen usw. gemacht wird, auf die Sprache im Gebrauch und ihre Benutzer.

Für eine erste Vorstellung davon, was die linguistische Pragmatik ist oder will, mag eine solch allgemeine Begriffsbestimmung genügen. Schon auf den zweiten Blick wird aber deutlich, dass sie wenig besagt oder zumindest gleich zu weiteren Fragen führt. Denn was ist nicht alles sprachliches Handeln? Lesen, schreiben, vortragen, diskutieren – beschäftigt sich die Pragmatik dann mit allen Aspekten solcher sprachlichen Fertigkeiten? Wenn wir die Welt sprachlich begreifen und als soziale Wesen agieren, wie lässt sich da sprachliches von nicht sprachlichem Handeln überhaupt trennen? Und was ist Sprache, wenn wir nicht handelnd mit ihr umgehen? Lässt sich die Bedeutung sprachlicher Einheiten tatsächlich davon lösen, dass etwas mit ihnen gemeint und verstanden, also: mit ihnen gehandelt wird?

Diese Fragen zielen natürlich auf die Grenzen der Pragmatik. Eine „Lehre vom sprachlichen Handeln“ scheint mit einem umfassenden Gebrauchswertversprechen verbunden zu sein, insbesondere für Unterrichtskontexte, in denen es ja vor allem um die Entwicklung sprachlicher Handlungskompetenzen geht. Zugleich aber birgt eine solch allgemeine Perspektive nicht nur die Gefahr der Entgrenzung und damit ihrer Auflösung: Sie verbirgt auch, dass sich die linguistische Pragmatik nicht darin erschöpft, sprachliche Äußerungen als intentionale Handlungen zu untersuchen. Um genauer zu verstehen, wie Grenzen gezogen werden und welchen Ansatz die linguistische Pragmatik verfolgt, hilft ein Blick in ihre historische Entwicklung.

1.2.1Kurzer historischer Abriss

Die Verwendung des Begriffs Pragmatik im modernen Verständnis geht zurück auf den amerikanischen Philosophen Charles Morris, der drei verschiedene Teilgebiete innerhalb der Wissenschaft der Zeichen (Semiotik) unterschied (vgl. Morris 1938: 6). Während es in der Syntax um das strukturelle Verhältnis von Zeichen untereinander geht, interessiert sich die Semantik für das Verhältnis von Zeichen zu den Objekten in der Welt, die mit ihnen bezeichnet werden können. Die Pragmatik, schließlich, untersucht das Verhältnis der Zeichenbenutzer zu den Zeichen. Über die Pragmatik schreibt Morris weiter, dass

„man die Pragmatik hinreichend genau mit den Worten charakterisieren [kann], daß sie sich mit den lebensbezogenen Aspekten der Semiose beschäftigt, d. h. mit allen psychologischen, biologischen und soziologischen Phänomenen, die im Zeichenprozess auftauchen.“1 (Morris 1979: 52)

Damit legt Morris ein sehr weites Verständnis dessen, worum es in der Pragmatik geht, zugrunde. Dieses weite Verständnis findet sich in der europäischkontinentalen Schule der Pragmatik wieder. So definiert bspw. Verschueren – ein Vertreter dieser Schule – Pragmatik folgendermaßen:

„Pragmatik stellt eine generell funktionale (d. h. kognitive, soziale und kulturelle) Perspektive auf sprachliche Phänomene dar in Bezug auf ihre Verwendung in Form von Verhalten.“2 (Verschueren 1999: 7; unsere Übersetzung)

Eine derart weite Definition von Pragmatik führt jedoch dazu, dass linguistische Pragmatik nicht mehr abgrenzbar ist von vielen anderen Disziplinen, die auch einen funktionalen Zugang zu Sprache verfolgen, wie z. B. der Psycholinguistik oder der Soziolinguistik (vgl. Levinson 1983/2000: 73).

Im Gegensatz zu Morris prägte Rudolf Carnap ein viel engeres Verständnis von Pragmatik als einer Disziplin, in der es um sprachliche Zeichen und ihre Beziehung zum Sprachbenutzer geht.

„Wird in einer Untersuchung explizit auf den Sprecher Bezug genommen, oder um es allgemeiner auszudrücken, auf den Sprachbenutzer, dann rechnen wir diese dem Gebiet der Pragmatik zu.“4 (Carnap 1942: 9; unsere Übersetzung)

Die anglo-amerikanische Schule der Pragmatik knüpfte an dieses engere Verständnis von Pragmatik an und entwickelte es – ausgehend von den interessierenden Phänomenen, von denen viele aus der analytischen Philosophie stammen – weiter. Levinson (1983/2000: 5) schlägt in Anlehnung an Carnap vor, der Pragmatik alle jene linguistischen Untersuchungen zuzuordnen, „die die Referenz auf Aspekte des Kontexts erfordern“. Zum Kontext zählt er dabei wenigstens die „Identitäten der Teilnehmer, die zeitlichen und räumlichen Parameter des Sprechereignisses sowie […] Überzeugungen, Wissen und Absichten der Teilnehmer an diesem Sprechereignis“. Dabei geht er davon aus, dass „zweifellos noch vieles mehr“ (ebd.) zum Kontext gerechnet werden muss.

Obwohl Levinsons Charakterisierung enger ist als Morris’, ermöglicht auch sie keine eindeutige Abgrenzung der Pragmatik von Disziplinen wie Soziolinguistik oder Psycholinguistik.

Versucht man die Pragmatik innerhalb der Linguistik über ihren Gegenstandsbereich zu bestimmen, ergibt sich auch hier ein Abgrenzungsproblem, nämlich zur Semantik. Sowohl Semantik als auch Pragmatik beschäftigen sich mit Bedeutungen. Dabei sind sie aber jeweils auf verschiedene Arten von Bedeutung fokussiert. Häufig wird versucht dies durch die Verwendung von Dichotomien zu verdeutlichen. Lyons (1987: 157) schreibt beispielweise, dass Semantik sich mit kontext-unabhängiger Bedeutung auseinandersetze, während Pragmatik die kontext-abhängige Bedeutung erfasse. Weiter heißt es, dass sich Semantik mit wörtlicher Bedeutung und Pragmatik mit nicht-wörtlicher Bedeutung beschäftige (ebd.). Cole (1981: xi) stellt fest, dass Semantik an der Bestimmung konventioneller Bedeutung beteiligt sei, während Pragmatik die nicht-konventionelle Bedeutung bestimme.

Generell unterscheiden sich Semantik und Pragmatik in ihrem Untersuchungsgegenstand. Während die Semantik die Bedeutung von Wörtern, Wortgruppen und Sätzen untersucht, beschäftigt sich die Pragmatik mit den Bedeutungen von Äußerungen. In der Semantik wird traditionell angenommen, dass sich die Bedeutung eines Satzes (oder auch einer Wortgruppe) ergibt, indem man die Bedeutungen der einzelnen, in ihm (oder ihr) enthaltenen Wörter entsprechend ihrer syntaktischen Verknüpfung kombiniert. Je nach Art der in einem Satz enthaltenen Wörter ist die sich so ergebende Satzbedeutung mehr oder weniger spezifisch/genau.

In der Pragmatik hingegen werden Äußerungen untersucht. Untersucht wird also die tatsächliche Verwendung sprachlicher Mittel durch einen Sprecher in einer bestimmten Äußerungssituation. Diese sprachlichen Mittel können Sätze oder Wortgruppen, aber auch einzelne Wörter sein. Hier spielt also der Kontext, in dem die entsprechenden sprachlichen Mittel gebraucht werden, eine wichtige Rolle. Darüber hinaus berücksichtigt die Pragmatik auch immer, dass Sprache zum Zweck der Kommunikation, also zum sprachlichen Handeln gebraucht wird und sich daher immer auch die Frage stellen lässt, was der Sprecher mit seiner Äußerung in einer konkreten Äußerungssituation bezwecken wollte, was seine Intention war.

1.2.2Bedeutungsebenen

Wie genau sich Semantik und Pragmatik voneinander abgrenzen lassen, wird schon recht lange und auch aktuell noch diskutiert. Dabei wurde eine ganze Reihe von Vorschlägen hervorgebracht, die sich nicht zuletzt dadurch voneinander unterscheiden, dass sie auf der Grundlage unterschiedlicher grundsätzlicher Positionen über das Funktionieren von Sprache und die kognitiven Gegebenheiten der Sprachbenutzer entwickelt wurden.5 Um einen ersten Eindruck zu bekommen, um was es eigentlich geht, wenn man Bedeutung in der verbalen Kommunikation untersucht, eignet sich eine Unterscheidung in verschiedene Bedeutungsebenen (ursprünglich in Bierwisch 1979, 1983; hier nach Löbner 2015: 1–8).

Ausdrucksbedeutung

(1)Ich mag deinen Hasen.

Betrachtet man als schriftkundiger und kompetenter Sprecher des Deutschen einen einfachen deutschen Satz wie den in (1), nimmt man diesen automatisch als einen grammatischen Satz des Deutschen wahr und versteht ihn auch ohne große Anstrengung. Vielleicht überlegt man sich eine Situation, in der dieser Satz passend geäußert werden könnte. Würde man aber gefragt, was dieser Satz bedeute, würde die Beantwortung dieser Frage vielleicht schwerer fallen. Denn dass jemand den Satz versteht, heißt noch lange nicht, dass er auch seine Bedeutung wiedergeben kann. Diese soll nun im Folgenden Schritt für Schritt erarbeitet werden.

Dazu untersucht man zunächst einmal die in dem Satz enthaltenen Wörter und deren Bedeutung. Dabei ist es sinnvoll mit dem finiten Verb zu beginnen, da das Verb und seine Bedeutung eine sehr wichtige Rolle im Satz spielen. Nun gibt es wenigstens zwei Verben mögen: ein Modalverb (wie in Das mag ja noch gehen.) und ein Vollverb. In diesem Fall handelt es sich um das Vollverb, welches einen Zustand ausdrückt, der sich mit „an etwas Gefallen finden“, „sich an etwas erfreuen“ paraphrasieren lässt. Außerdem ist in der Bedeutung des Verbs angelegt, dass es jemanden gibt, der etwas mag, und dass es etwas gibt, das von jemandem gemocht wird. Man kann daher sagen, das Verb mögen verlangt zwei Mitspieler (Argumente), damit seine Bedeutung in einem Satz sinnvoll und vollständig ausgedrückt werden kann. In Satz (1) werden diese beiden Mitspieler durch die Ausdrücke ich und deinen Hasen bezeichnet. Außerdem liegt das finite Verb in einer bestimmten Zeitform vor, nämlich der Präsensform. Auch diese Tatsache fließt in die Bedeutung des Gesamtsatzes ein. Egal, wann der Satz in (1) tatsächlich geäußert wird – aufgrund der Präsensform des finiten Verbs bezieht man den Zustand, den der Satz beschreibt, auf die Gegenwart, also auf die Zeit, zu der der Satz geäußert wird.

In gewisser Weise wurde hier schon eine Vorauswahl getroffen, was die konkrete Lesart des Verbs betrifft, welche durch die Art der in diesem Satz vertretenen Mitspieler nahegelegt wird. Das Verb mögen taucht nämlich auch in Zusammenhängen wie dem folgenden auf, in dem es dann eine etwas andere Lesart hat (im Sinne von ‚irgendwohin wollen‘):

(2)Ich mag lieber ins Freibad.

Betrachten wir nun die beiden Mitspieler näher. Von ihrer Funktion her handelt es sich bei ich um das Subjekt des Satzes und bei deinen Hasen um das Akkusativobjekt. Ich ist ein Personalpronomen (wie auch du, er, sie, es, wir, ihr, sie). Seine Bedeutung lässt sich mit „die Person, die die Äußerung macht“ paraphrasieren. Wer konkret diese Person ist, lässt sich erst angeben, wenn (1) in einer konkreten Äußerungssituation von einem konkreten Sprecher geäußert wird.

Die Wortgruppe deinen Hasen setzt sich aus dem Possessivpronomen dein (im Akkusativ) und dem Nomen Hase (im Akkusativ) zusammen. Das Nomen bezeichnet eine bestimmte Art von Säugetier, „mit langen Ohren, dichtem, bräunlichem Fell u. langen Hinterbeinen“, wie es das Wörterbuch erfasst (DUW 2015: 801). Das heißt also, dass das Nomen zunächst einmal aufgrund seiner Bedeutung auf alle Lebewesen anwendbar ist, die dieser Beschreibung entsprechen. Erst in einer konkreten Verwendungssituation lässt sich dann identifizieren, für welches konkrete Lebewesen der Ausdruck Hase verwendet wird. Erst dann lässt sich also seine Referenz festlegen.

Deinen ist das Possessivpronomen zu du. Mit deinen Hasen wird ein Bezug zwischen dem Adressaten der Äußerung und dem entsprechenden Referenten von Hasen ausgedrückt. Dabei kann die Beziehung, die zwischen dem Adressaten und dem Hasen besteht, ganz verschieden sein. Eine intuitiv naheliegende Möglichkeit ist die, dass der Hase dem Adressaten gehört. Je nach konkreter Äußerungssituation kann sich deinen Hasen aber auch auf den Hasen beziehen, den der Adressat gerade im Arm hält, von dem er in einem Zoofachhandel gesagt hat, dass er diesen gern kaufen würde etc. Um diese verschiedenen Möglichkeiten des Bezugs zu erfassen, wollen wir die Bedeutung des Possessivpronomens dein mit zum Adressaten gehörig beschreiben (vgl. Löbner 2015: 3).

Wir haben nun versucht, die Bedeutungen der einzelnen im Satz (1) vorkommenden Wörter näher zu bestimmen. Um die Bedeutung des Satzes als solchen zu bestimmen, ist es notwendig, die syntaktischen Verhältnisse im Satz zu berücksichtigen. So verstehen wir z. B. deinen und Hasen als enger zusammengehörig in diesem Satz als deinen und ich. Es war schon die Rede von Mitspielern bzw. von Argumenten von Verben. Man kann also sagen, dass die Bedeutung des Verbs schon Leerstellen bereithält, in die die Bedeutungen der Ausdrücke, die als Argumente in einem Satz verwendet werden, eingefügt werden können. Im Fall von mögen kann man sich die Bedeutung dann so vorstellen:

(3)xMögender mag yGemochtes

Dabei wird x als der Mögende und das Subjekt im Satz identifiziert und y als das Gemochte und Akkusativobjekt im Satz. Für den Beispielsatz in (1) bedeutet das, dass die Bedeutungen der jeweiligen Ausdrücke, die diese Positionen nun ausfüllen, in die Leerstellen eingefügt werden können. Insgesamt ergibt sich dann folgende Bedeutung für (1).

(1’)

Die Person, die diese Äußerung macht, findet zu dem Zeitpunkt, zu dem die Äußerung erfolgt, Gefallen an dem der angesprochenen Person zugehörigen Säugetier mit langen Ohren, dichtem, bräunlichem Fell und langen Hinterbeinen.

In (1’) wird deutlich, welchen besonderen Beitrag die Ausdrücke ich und dein zur Gesamtbedeutung des Satzes leisten, indem sich beide Ausdrücke in ihrer Bedeutung auf Aspekte beziehen, die erst in einem konkreten Äußerungskontext tatsächlich gegeben sind (nämlich der Sprecher und der mit einer Äußerung vom Sprecher Angesprochene). Solche Ausdrücke, die eine direkte Bezugnahme auf Komponenten des Äußerungskontexts ermöglichen, werden deiktische Ausdrücke genannt.

Äußerungsbedeutung

Nehmen wir nun an, (1) wird in einer konkreten Situation geäußert:

Es ist der 04.04.2019, Bens Geburtstag. Er hat endlich seinen Wunsch nach einem eigenen Hasen erfüllt bekommen. Dieser sitzt nun mit im Gehege der zwei Hasen seines älteren Bruders Jacob. Im Vergleich zu den älteren Hasen wirkt der neue Hase klein und etwas verängstigt. Ben zeigt ihn gerade seiner Klassenkameradin Ella, die am Nachmittag zur Feier gekommen ist, als Jacob in das Zimmer kommt und Ben damit neckt, dass dessen Hase ja viel kleiner ist und im Vergleich zu den anderen ein Angsthase. Daraufhin sagt Ella zu Ben (1).

Durch den konkreten Kontext können nun der tatsächliche Sprecher und der Adressat identifiziert werden. Auch eine konkrete Bezugnahme mit dem Ausdruck Hase auf ein konkretes Lebewesen ist nun möglich (Referenz). Unter Berücksichtigung der kontextuellen Gegebenheiten, in denen die Äußerung von (1) stattfindet, lässt sich die Äußerung so verstehen:

(1”a)

Ella findet am Nachmittag des 04.04.2019 Gefallen an dem Hasen, den Ben zum Geburtstag geschenkt bekommen hat.

Erst auf dieser Bedeutungsebene macht es Sinn nach den konkreten Wahrheitsbedingungen für diese Äußerung zu fragen bzw. allgemeiner danach, ob die Äußerung wahr oder falsch ist, denn erst auf dieser Bedeutungsebene stehen die Referenzen der geäußerten sprachlichen Mittel fest. In einem anderen Äußerungskontext kann der Satz (1) aber natürlich auch eine andere Bedeutung haben:

Ben sitzt am Abend des Gründonnerstags 2019 mit seinen Eltern am Küchentisch. Soeben hat er mehrere Dinge, die er im Schulhort für Ostern gebastelt hat, vor ihnen auf den Tisch gelegt: eine Karte, auf deren Vorderseite er ein großes Osterei bunt ausgemalt hat, einen aus einer Toilettenpapierrolle gefertigten Eierhalter, dessen hinteren Teil er in Form eines Hasen zurechtgeschnitten, braun angemalt und mit Wackelaugen versehen hat sowie ein kleines, aus Pfeifenputzern gebasteltes gelbes Küken. Ben überlegt, welchem Elternteil er welche Bastelei schenken soll. Seine Mutter sagt (1).

In diesem Äußerungskontext referiert zunächst einmal der deiktische Ausdruck ich auf eine ganz andere Person, nämlich auf Bens Mutter. Aber auch der Referent von Hase ist etwas, das nicht zu der durch die Ausdrucksbedeutung des Wortes Hase gegebenen Beschreibung passt.

(1”b)

Bens Mutter findet am Abend des 18.04.2019 Gefallen an dem Hasen aus Pappe, den Ben gebastelt hat.

Es stellt sich daher die Frage, ob wir – aufgrund solcher Verwendungsweisen wie der oben – davon ausgehen müssen, dass der Ausdruck Hase noch eine weitere Lesart hat, nämlich in etwa ‚Pappfigur eines Säugetiers, mit langen Ohren, dichtem, bräunlichem Fell und langen Hinterbeinen‘. Nun finden sich derartige Verwendungsweisen von Inhaltswörtern recht häufig, so dass man davon ausgehen kann, dass es sich hierbei jeweils um durch den Kontext hervorgerufene Bedeutungsverschiebungen bzw. Spezifizierungen einzelner Ausdrücke handelt. In diesem Fall erlaubt wohl die äußerliche Ähnlichkeit des Papphasen zum „echten“ Hasen die Verwendung des Ausdrucks Hasen auch für den Papphasen. Eine weitere mögliche Äußerungsbedeutung im o. g. Szenario ist folgende:

(1”c)

Bens Mutter findet am Abend des 18.04.2019 Gefallen an dem Eierhalter, den Ben gebastelt hat.

Hier wird davon ausgegangen, dass Bens Mutter mit ihrer Verwendung von Hase nicht einfach nur auf den Teil des Eierhalters referiert hat, der einem tatsächlichen Hasen ähnlich sieht, sondern auf das gesamte Objekt (nämlich den Eierhalter), von dem der Papphase nur einen Teil ausmacht. Auch bei dieser Verwendungsweise von Hase muss nicht davon ausgegangen werden, dass eine weitere Ausdrucksbedeutung im Sinne von ‚Eierhalter‘ für dieses Wort angenommen werden muss, da auch diese Verwendungsweise sich durch eine Bedeutungsverschiebung erklären lässt, die generellerer Natur ist. Hier beruht die Verwendungsweise auf einer „Teil-Ganzes-Beziehung“, die zwischen dem Papphasen und dem Eierhalter besteht und die es erlaubt, den Ausdruck Hase nicht nur auf den Papphasen (Teil), sondern auf den Eierhalter als Ganzes zu beziehen.

Zusammenfassend lässt sich also zur Ebene der Äußerungsbedeutung sagen: Die Äußerungsbedeutung entsteht, indem die Ausdrucksbedeutung in einen konkreten Äußerungskontext eingebettet wird. Das erlaubt es, die tatsächlichen Referenzen der einzelnen verwendeten Ausdrücke festzulegen. Auch eventuelle Mehrdeutigkeiten einzelner Ausdrücke können durch den Kontext aufgelöst werden, da die konkreten kontextuellen Gegebenheiten meist alle Lesarten ausschließen, bis auf eine, die plausibel in die Situation passt. Häufig wird nämlich nicht schon durch den unmittelbaren „Satzkontext“ – wie es bei (2) der Fall war – deutlich, welche von mehreren möglichen Lesarten/Bedeutungen eines Ausdrucks die vom Sprecher intendierte ist. So benötigt man Wissen über den konkreten Äußerungskontext, um entscheiden zu können, ob in (4) mit Fliege ein Insekt oder ein Kleidungsaccessoire bezeichnet werden soll.

(4)Die Fliege nervt.

Auch eventuelle Bedeutungsverschiebungen von der Ausdrucksbedeutung hin zu weiteren systematisch ableitbaren Lesarten können sich auf dieser Ebene ergeben, wenn die Informationen aus dem Kontext der Äußerung die Angemessenheit einer derartigen Verschiebung nahelegen.

Kommunikativer Sinn

Nun finden sprachliche Äußerungen nicht nur in konkreten Äußerungssituationen statt, sondern in den meisten Fällen sind sie eingebettet in soziale Interaktionen. Sie lassen sich daher als Handlungen verstehen, mit denen die Kommunizierenden bestimmte Ziele verfolgen. Aus dieser Perspektive betrachtet geht es beim Verstehen sprachlicher Handlungen also nicht vorrangig darum, was der Sprecher gesagt hat, sondern vielmehr darum, warum er gesagt hat, was er gesagt hat. Hier spielen also Annahmen über die Ziele, die der Sprecher mit seiner Äußerung verfolgt hat, eine Rolle. Damit rückt die Tatsache in den Fokus, dass verbale Äußerungen prinzipiell als sprachliche Handlungen (auch Sprechakte genannt) verstanden werden können.

So, wie ein und derselbe Satz in unterschiedlichen Äußerungskontexten verschiedene Äußerungsbedeutungen haben kann, so kann er auch in unterschiedlichen sozialen Kontexten aus unterschiedlichen Beweggründen heraus seitens der Sprecher geäußert werden. So hat Ella mit (1) zunächst einmal etwas mitgeteilt (nämlich, dass sie Bens Hasen mag). Berücksichtigt man den Kontext, in dem sie ihre Äußerung getätigt hat, lässt sich z. B. annehmen, dass sie (1) behauptet hat, um damit Ben zu trösten, den möglicherweise die Sticheleien seines Bruders traurig gestimmt haben. Im zweiten Beispielkontext hat Bens Mutter (1) möglicherweise deshalb ihm gegenüber geäußert, damit er dieses Wissen (Meiner Mutter gefällt der Eierhalter mit dem Hasen) für die Entscheidung nutzen kann, welchem Elternteil er welche Bastelei schenkt.

Es kommen auch häufig Situationen vor, in denen ein Sprecher etwas sagt, was zunächst einmal in dem jeweiligen Kontext gar nicht zu passen scheint.

(5)A: Wie spät ist es?

B: Das Postauto ist gerade vorbeigefahren.

Mit (5) möchte A die aktuelle Uhrzeit erfragen. B’s Antwort hat oberflächlich betrachtet nichts mit A’s Frage zu tun. Unterstellt man ihm aber, dass sein Beitrag in diesem Gespräch irgendwie doch sinnvoll ist, setzt das eine Art Schlussfolgerungsprozess in Gang, an dessen Ende B’s Antwort doch noch als relevant bewertet werden kann. Nimmt man nämlich an, dass das Postauto in dem Ort, an dem dieses Gespräch stattfindet immer zu einer bestimmten Uhrzeit die Post verteilt, und nimmt man weiter an, dass B davon ausgeht, dass A dies weiß, dann gibt B mit seiner Antwort A eine Möglichkeit, sich zumindest die ungefähre Uhrzeit selbst zu erschließen. Eine weitere Vermutung, die B’s Äußerung zulässt, ist, dass B tatsächlich nicht genau weiß, wie spät es ist, sonst hätte man erwartet, dass er die genaue Uhrzeit auch sagt. Anscheinend gibt es also eine Reihe von Grundbedingungen, von denen Kommunizierende ausgehen, wenn sie sprachlich in Interaktion treten, und die ihre Interpretation des Gesagten beeinflussen und dazu führen, dass mehr (oder teilweise auch etwas anderes) als das in einer Äußerung explizit Gesagte verstanden wird. H. Paul Grice (1975/1979) hat für derartige implizite Bedeutungsaspekte sprachlicher Handlungen den Begriff konversationelle Implikatur geprägt und eine Reihe von Konversationsmaximen formuliert, von denen er annahm, dass sie sprachlicher Kommunikation zugrunde liegen. Wir kommen im vierten Kapitel auf diese Aspekte zurück.

1.2.3Zusammenfassung

Während es in der Semantik als Teil der Systemlinguistik um die Bedeutung (einfacher und komplexer) sprachlicher Ausdrücke „an sich“ geht, beschäftigt sich die Pragmatik – allgemein formuliert – mit solchen Bedeutungsaspekten, die sich durch den tatsächlichen Gebrauch sprachlicher Mittel in einer bestimmten Situation, zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort mit bestimmten Beteiligten ergeben. Wenn es um Sprache im Gebrauch geht, stehen natürlich immer die „Sprache-Gebrauchenden“ (also Sprecher/Schreiber und Hörer/Leser) mit im Fokus der Beschreibungs- und Erklärungsversuche. In der Semantik wird vom Sprachbenutzer eher abstrahiert. In der Pragmatik spielen die Beweggründe (Intentionen) desjenigen, der eine Äußerung tätigt, eine wichtige Rolle. Annahmen über diese Intentionen können dem Hörer nämlich bei der angemessenen Interpretation einer sprachlichen Äußerung helfen. Andersherum spielen auch Annahmen über das Vorwissen, die Einstellungen, die Überzeugungen etc. des potentiellen Adressaten einer sprachlichen Äußerung eine Rolle bei der Planung einer Äußerung durch den Sprecher. Insofern beschäftigt sich die Pragmatik also nicht nur mit bestimmten Bedeutungsaspekten von Sprache (im Gebrauch), sondern berücksichtigt auch die Tatsache, dass wir sprachliche Mittel ja zu bestimmten Zwecken gebrauchen, wir also, wenn wir (verbal) kommunizieren, handeln. Auch für dieses sprachliche Handeln gibt es Bedingungen, Maximen bzw. Regeln, deren Berücksichtigung Voraussetzung für den Erfolg sprachlicher Handlungen ist und die somit Untersuchungsgegenstand der Pragmatik sind.

1.3Pragmatik und Deutschunterricht

Um den Erfolg sprachlicher Handlungen und seine kontextspezifischen Bedingungen geht es auch im Deutschunterricht. Betrachtet man staatliche Rahmenvorgaben für den Deutschunterricht, könnte man sogar meinen, pragmatische Kompetenzen seien seine Hauptziele. „Das sinnvolle sprachliche Handeln der Schülerinnen und Schüler und der angemessene Umgang mit Sprache stehen im Mittelpunkt“, heißt es in den Bildungsstandards der deutschen Kulturministerkonferenz für den Primarbereich (KMK 2005a: 8; unsere Hervorhebungen). Spezifischer und bezogen auf einzelne Lernbereiche sollen Kinder schon in der Grundschule z. B. die Fähigkeiten entwickeln,

„geschriebene und gesprochene Sprache situationsangemessen, sachgemäß, partnerbezogen und zielgerichtet zu gebrauchen“ (KMK 2005a: 6),

ihre Äußerungen „in Hinblick auf Zuhörer und Situation angemessen“ zu formulieren (ebd.: 8, Kompetenzbereich Sprechen und Zuhören) oder

„ihre Texte bewusst im Zusammenhang von Schreibabsicht, Inhaltsbezug und Verwendungszusammenhang“ zu verfassen (ebd., Kompetenzbereich Schreiben). (unsere Hervorhebungen)

Am deutlichsten wird die Verbindung zum Gegenstandsbereich der Pragmatik aber, wenn es um Sprachbetrachtung, Sprachreflexion oder allgemein das Nachdenken über Sprache geht: „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“ heißt der entsprechende Kompetenzbereich in den Bildungsstandards sowohl für die Grundschule wie für die Sekundarstufe (KMK 2004, 2005a, 2005b).6 Untersucht werden soll also nicht nur die Sprache „an sich“, als Struktur, sondern auch ihre Verwendung. Die Teilbereiche „Sprachliche Verständigung untersuchen“ in der Grundschule (2005a) bzw. „über Verwendung von Sprache nachdenken“ in der Sekundarstufe I (2004, 2005b) machen ersichtlich, dass es um einen reflexiven, begrifflichen Zugang zum Sprachhandeln geht. In den Umsetzungen der Standards durch die deutschen Bundesländer findet sich dies entsprechend wieder. Die Beschäftigung mit Sprache als kommunikativem Handlungssystem tritt gleichberechtigt neben die Beschäftigung mit dem grammatischen System der Sprache: So verteilen sich im Gemeinsamen Bildungsplan der Sekundarstufe I für Baden-Württemberg die Kompetenzen unter „Sprachgebrauch und Sprachreflexion“ auf die Bereiche „Struktur von Äußerungen“ und „Funktion von Äußerungen“ (BW 2016), und im bayrischen Lehrplan Plus bilden in der Grundschule „[d]as Untersuchen sprachlicher Verständigung sowie das Entdecken von Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Sprachen die Grundlage dafür,