Pretty Little Liars - Herzlos - Sara Shepard - E-Book

Pretty Little Liars - Herzlos E-Book

Sara Shepard

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ali ist am Leben! Hanna, Spencer, Emily und Aria sind sich sicher, dass sie die Tote nach der Feuersbrunst gesehen haben. Doch keiner glaubt ihnen und Ali bleibt verschwunden. Die vier Girls haben ohnehin genug Probleme: Hanna landet in der Klapsmühle, Aria versucht Kontakt mit den Toten aufzunehmen, Emily ist mal wieder von zuhause weggelaufen und Spencer forscht nach einem Mörder in ihrer Familie. Und A. überwacht jeden Schritt …

Ein fesselnde Pagteturner mit Kultstatus - bei den "Pretty Little Liars" ist Suchtgefahr garantiert! Diese Reihe bietet eine unwiderstehliche Mischung für Fans von jeder Menge Glamour und tödlichen Intrigen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 376

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
© 2010 by Alloy Entertainment and Sara Shepard Die amerikanische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Heartless – A Pretty Little Liars Novel« bei Harper Teen, an imprint of Harper Collins Publishers, New York. Published by arrangement with Rights People, London
© 2012 für die deutschsprachige Ausgabe
cbt Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München Neumarkter Str. 28, 81673 München Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten Übersetzung: Violeta Topalova Lektorat: Annett Stütze Umschlaggestaltung: zeichenpool, München Ali Smith/Tina Amantula he · Herstellung: AnG

DIE AUTORIN

Sara Shepard hat an der New York University studiert und am Brooklyn College ihren Magisterabschluss im Fach Kreatives Schreiben gemacht. Sie wuchs in einem Vorort von Philadelphia auf, wo sie auch heute lebt. Ihre Zeit dort hat die »Pretty Little Liars«-Serie inspiriert, die in 22 Länder verkauft wurde. Inzwischen wird die Bestsellerserie mit großem Erfolg als TV-Serie bei ABC ausgestrahlt. Die Bücher haben sich in den USA inzwischen über 3 Millionen Mal verkauft.

Von der Autorin sind außerdem bei cbt erschienen:

Pretty Little Liars – Unschuldig

(30652, Band 1)

Pretty Little Liars – Makellos

(30563, Band 2)

Pretty Little Liars – Vollkommen

(30654, Band 3)

Pretty Little Liars – Unvergleichlich

(30656, Band 4)

Pretty Little Liars – Teuflisch

(30774, Band 5)

Pretty Little Liars – Mörderisch

(30775, Band 6)

Pretty Little Liars – Vogelfrei

(30777, Band 8)

Inhaltsverzeichnis

DIE AUTORINWidmungInschriftVERLOREN UND GEFUNDENKapitel 1 - HALT DIE LUFT ANKapitel 2 - SCHALL UND RAUCHKapitel 3 - HÄTTE DOCH NUR SCHON MAL JEMAND FRÜHER SPENCER AUSGERAUBT …Kapitel 4 - GIBT’S VON PRADA AUCH ZWANGSJACKEN?Kapitel 5 - SPIRITUELLES ERWECKUNGSERLEBNISKapitel 6 - MITTEN DURCHS KANINCHENLOCHKapitel 7 - EINE ALTE FREUNDIN KOMMT ZURÜCKKapitel 8 - HANNA, DURCHGEKNALLTKapitel 9 - ARIA ÜBERSCHREITET DIE SCHWELLEKapitel 10 - DAS EINFACHE LEBENKapitel 11 - KEIN GANZ TYPISCHER MUTTER-TOCHTER-AUSFLUGKapitel 12 - AUCH EIN IRRENHAUS BRAUCHT EINE IN-CROWDKapitel 13 - WENIGER TYPISCH ALS VERMUTETKapitel 14 - AUCH BRAVE MÄDCHEN HABEN GEHEIMNISSEKapitel 15 - ALTE FREUNDEKapitel 16 - ZWEI, DIE DEN TON ANGEBEN WOLLEN? KEIN PROBLEM!Kapitel 17 - EINE GANZ NORMALE PARTY BEI DEN KAHNSKapitel 18 - EINE VERHÄNGNISVOLLE AFFÄREKapitel 19 - ALLE GEHEIMNISSE KOMMEN IRGENDWANN ANS TAGESLICHTKapitel 20 - EIN MINENFELDKapitel 21 - DIE WAHRHEIT TUT WEHKapitel 22 - ALI KEHRT ZURÜCK – IN GEWISSER HINSICHTKapitel 23 - ES BLEIBT IN DER FAMILIEKapitel 24 - EIN WEITERER DURCHBRUCH IM SANIKapitel 25 - ARIA NIMMT ABSCHIEDKapitel 26 - BEWEISE LÜGEN NICHTKapitel 27 - THAT’S AMORE!Kapitel 28 - WER IST DENN JETZT HIER VERRÜCKT?Kapitel 29 - DIE MARIONETTENSPIELERINKapitel 30 - ENDLICH FREIKapitel 31 - DAS GUTE UND DAS SEHR, SEHR BÖSEWIE ES WEITERGEHT …DANKSAGUNGCopyright

Für Gloria und Tommy Shepard

»Ach, hätt ich bloß ein Herz.«

– Blechmann in Der Zauberer von Oz

VERLOREN UND GEFUNDEN

Ist dir schon mal etwas wirklich Wichtiges spurlos abhandengekommen? Wie der Vintage-Pucci-Schal, den du zum Schulball der neunten Klasse getragen hast? Er hing den ganzen Abend lang an deinem Hals, aber als du nach Hause gehen wolltest, hatte er sich ins Nirwana verflüchtigt. Weg. Oder das wunderschöne Goldmedaillon von deiner Großmutter, das plötzlich Beine bekam und sich aus dem Staub machte. Aber verlorene Dinge lösen sich nicht einfach in Luft auf. Irgendwo müssen sie noch sein.

Auch vier hübsche Mädchen aus Rosewood haben einige sehr wichtige Dinge verloren. Viel wichtigere Sachen als ein Schal oder ein Medaillon. Zum Beispiel das Vertrauen ihrer Eltern. Ihre Chance auf eine Ausbildung an einer Eliteuniversität. Ihre Unschuld. Und, wie sie bislang glaubten, ihre allerbeste Freundin … aber womöglich liegen sie da ja falsch. Vielleicht hat das Universum sie ihnen ja gesund und munter zurückgeschickt. Aber vergesst nicht: Alles muss im Gleichgewicht bleiben. Wenn jemand etwas zurückbekommt, verliert er dafür meist etwas anderes.

Und in Rosewood könnte das alles Mögliche sein: Glaubwürdigkeit. Geistige Gesundheit. Leben.

Aria Montgomery kam als Erste an. Sie warf ihr Fahrrad auf die gekieste Auffahrt, ließ sich unter die Trauerweide sinken und fuhr mit den Händen durch das weiche, frisch gemähte Gras. Noch gestern hatte es nach Sommer und Freiheit gerochen, aber nach allem, was geschehen war, erfüllte der Duft Aria nicht mehr mit erwartungsvoller Freude.

Als Nächstes tauchte Emily Fields auf. Sie trug dieselben markenlosen Jeans und dasselbe zitronengelbe Old-Navy-T-Shirt wie gestern Abend. Die Kleidungsstücke waren zerknittert, als habe sie darin geschlafen. »Hi«, murmelte sie apathisch und setzte sich neben Aria. In diesem Moment kam auch Spencer Hastings mit düsterer Miene aus ihrem Haus und Hanna Marin knallte die Tür des Mercedes ihrer Mutter zu.

»Okay«, brach Emily das Schweigen, als alle versammelt waren.

»Okay«, wiederholte Aria.

Sie alle drehten sich wie auf Kommando um und betrachteten die Scheune im hinteren Bereich von Spencers Garten. Am Abend zuvor hätten Spencer, Aria, Emily, Hanna und Alison DiLaurentis, ihre beste Freundin und Anführerin, eigentlich ihre lang ersehnte Pyjamaparty abhalten sollen, mit der sie das Ende der siebten Klasse feiern wollten. Aber statt einer Party bis zum Morgengrauen hatte der Abend schon vor Mitternacht abrupt geendet. Statt eines perfekten Starts in den Sommer war der Abend nur ein peinliches Desaster gewesen. Die Mädchen konnten sich kaum in die Augen sehen. Und sie vermieden auch jeglichen Blick auf das große, viktorianische Haus nebenan, das Alisons Familie gehörte. Sie wurden gleich dort erwartet, aber nicht Alison hatte sie eingeladen, sondern ihre Mutter Jessica. Sie hatte alle Mädchen vormittags angerufen und ihnen gesagt, Ali sei auch nach dem Frühstück noch nicht zu Hause gewesen. Sie fragte, ob sie bei einer von ihnen sei. Alis Mom wirkte nicht besorgt, als sie verneinten, aber als sie ein paar Stunden später noch einmal anrief, um zu sagen, dass Ali immer noch nicht aufgetaucht war, hatte ihre Stimme einen ängstlichen, schrillen Klang angenommen.

Aria zog ihren Pferdeschwanz zurecht. »Ihr habt auch nicht gesehen, wo Ali hingegangen ist, stimmt’s?«

Die anderen schüttelten den Kopf. Spencer betastete vorsichtig den großen blauen Fleck, der an jenem Morgen an ihrem Handgelenk aufgetaucht war. Sie hatte keine Ahnung, wann sie sich verletzt hatte. Auch auf ihren Armen waren Kratzer, als habe sie sich in einer Dornenranke verheddert.

»Hat sie gesagt, wo sie hinwollte?«, fragte Hanna.

Achselzuckend verneinten die Mädchen. »Wahrscheinlich hat sie gerade jede Menge Spaß«, murmelte Emily mit kläglicher Stimme und ließ den Kopf hängen. Die Mädchen hatten Emily den Spitznamen »Killer« gegeben, weil sie sich wie Alis persönlicher Wachhund verhielt. Dass Ali mit anderen Leuten mehr Spaß haben könnte als mit ihnen, brach ihr jedes Mal das Herz.

»Wie nett, dass sie uns auch eingeladen hat«, knurrte Aria enttäuscht und trat mit ihren Bikerstiefeln nach einem Grasbüschel.

Die heiße Junisonne brannte erbarmungslos auf ihre blassen Wintergesichter herab. Sie hörten ein Plätschern aus einem nahen Pool, in der Ferne röhrte ein Rasenmäher. Ein idyllischer Sommertag, typisch für Rosewood, Pennsylvania, einen reichen, gepflegten Vorort rund zwanzig Meilen vor Philadelphia. Eigentlich hätten die Mädchen heute am Pool des Rosewooder Country Club liegen und die süßen Typen aus ihrer exklusiven Privatschule Rosewood Day beäugen sollen. Und eigentlich hinderte sie auch nichts daran, aber es kam ihnen merkwürdig vor, ohne Ali Spaß zu haben. Sie fühlten sich haltlos ohne sie, wie Schauspielerinnen ohne Regisseurin oder Marionetten ohne Puppenspieler.

Bei der Pyjamaparty gestern Abend hatten sie das Gefühl gehabt, dass sie Ali ziemlich auf die Nerven gingen. Sie war auch irgendwie abgelenkt gewesen – sie hatte vorgeschlagen, alle zu hypnotisieren, aber als Spencer sich trotz Alis Beharren weigerte, die Rollläden zu schließen, war Ali abrupt abgehauen, ohne sich zu verabschieden. Die vier Freundinnen hatten das unangenehme Gefühl, genau zu wissen, warum Ali gegangen war – sie hatte etwas Besseres zu tun, mit Mädchen, die älter und viel cooler waren als sie.

Obwohl keine von ihnen das zugegeben hätte, hatten sie alle geahnt, dass es so kommen würde. Ali war die Trendsetterin Nummer eins an der Rosewood Day, sie war bei allen Typen heiß begehrt und sie allein entschied, wer beliebt und wer ein unberührbares Nichts war. Sie bezauberte einfach alle, von ihrem mürrischen älteren Bruder Jason bis hin zum strengsten Geschichtslehrer der Schule. Letztes Jahr hatte sie Spencer, Hanna, Aria und Emily aus ihrem unbedeutsamen Dasein gerettet und in ihren inneren Zirkel aufgenommen. Ein paar Monate lang war alles perfekt gewesen. Die fünf waren auf einmal die Königinnen der Schulflure von Rosewood Day, hielten bei den Partys der sechsten Klasse Hof und bekamen immer den besten Tisch im Rive Gauche in der King James Mall. Die weniger beliebten Mädchen räumten den Tisch widerstandslos, sobald sie auftauchten. Aber gegen Ende der Siebten entfernte sich Ali immer weiter von ihnen. Sie rief sie nicht mehr sofort nach der Schule an. Sie schickte ihnen im Unterricht nicht mehr heimlich SMS. Wenn die Mädchen mit ihr redeten, wirkte sie oft so unbeteiligt, als sei sie mit den Gedanken ganz woanders. Und Ali interessierte sich auf einmal nur noch für die tiefsten, dunkelsten Geheimnisse ihrer Freundinnen.

Aria sah Spencer an. »Du bist Ali gestern Abend doch noch nachgerannt. Hast du wirklich nicht gesehen, in welche Richtung sie gelaufen ist?« Sie musste schreien, um den Häcksler eines Nachbarn zu übertönen.

»Nein«, sagte Spencer schnell und starrte auf ihre weißen Flipflops.

»Du bist aus der Scheune gerannt?« Emily zog an ihrem rotblonden Pferdeschwanz. »Das weiß ich gar nicht mehr.«

»Das war direkt, nachdem Spencer zu Ali gesagt hat, sie solle gehen«, informierte Aria sie mit leicht genervtem Tonfall.

»Ich habe das ja nicht so gemeint«, murmelte Spencer und pflückte ein zartes Gänseblümchen, das unter der Weide wuchs.

Hanna und Emily zupften an ihren Nagelhäuten herum. Sie konnten sich nur noch an Alis komische Hypnose erinnern: Sie hatte von hundert rückwärtsgezählt, ihnen nacheinander den Daumen auf die Stirn gelegt und verkündet, sie stünden nun in ihrer Macht. Als sie gefühlte Stunden später verwirrt aus einem tiefen Schlaf erwachten, war Ali verschwunden.

Emily zog sich das T-Shirt bis über die Nase hoch, was sie immer tat, wenn sie sich Sorgen machte. Es roch ein bisschen nach Weichspüler und Deo. »Was sollen wir Alis Mom sagen?«

»Wir decken sie«, entschied Hanna sachlich. »Wir sagen, sie sei bei ihren Freundinnen aus der Feldhockeymannschaft. «

Aria legte den Kopf in den Nacken und betrachtete zerstreut den Kondensstreifen, den ein Flugzeug über den wolkenlosen blauen Himmel zog. »Okay.« Aber ehrlich gesagt wollte sie Ali gar nicht decken. Am Vorabend hatte Ali ein paar wirklich deutliche Anspielungen auf das schreckliche Geheimnis von Arias Dad von sich gegeben. Verdiente sie heute tatsächlich Arias Hilfe?

Emily schaute einer Hummel nach, die von Blüte zu Blüte wanderte. Sie wollte Ali ebenfalls nicht decken. Wahrscheinlich war Ali bei ihren älteren Freundinnen aus dem Hockeyteam – weltgewandten, einschüchternden Mädchen, die in ihren Range Rovers Marlboros rauchten und auf Saufpartys gingen. War Emily ein böser Mensch, wenn sie sich wünschte, dass Ali Ärger bekam, weil sie offensichtlich lieber mit ihnen herumzog? Sie wollte Ali nicht teilen. Machte sie das zu einer schlechten Freundin?

Spencer verzog ebenfalls das Gesicht. Es war nicht fair, dass Ali einfach davon ausging, dass sie für sie lügen würden. Gestern Abend war Spencer wütend zurückgewichen, als Ali ihren Daumen auf ihre Stirn drücken wollte. Sie hatte genug davon, dass Ali sie alle und alles kontrollierte. Sie hatte genug davon, dass alles immer genau so laufen musste, wie Ali das wollte.

»Kommt schon, Mädels«, drängte Hanna, die spürte, dass die anderen zögerten. »Wir müssen Ali decken.« Hanna wollte Ali auf keinen Fall einen Grund liefern, sie fallen zu lassen – denn dann würde Hanna sich wieder in die hässliche, fette Verliererin verwandeln, die sie früher einmal gewesen war. »Wenn wir sie nicht schützen, dann erzählt sie vielleicht, dass wir …« Hanna verstummte. Sie schaute auf das Haus von Toby und Jenna Cavanaugh auf der anderen Straßenseite. Es wurde seit einem Jahr nicht mehr gepflegt und fing an, verwahrlost auszusehen. Das Gras im Vorgarten musste dringend gemäht werden und das Garagentor war von einer dünnen Schicht grünlichem Schimmel überzogen.

Im vergangenen Frühling hatten sie unabsichtlich einen Unfall verursacht, bei dem Jenna Cavanaugh erblindet war. Jenna und ihr Bruder hatten sich in ihrem Baumhaus aufgehalten. Aber niemand wusste, dass die vier Freundinnen zusammen mit Ali die Rakete gezündet hatten, und Ali hatte ihnen das Versprechen abgenommen, keiner Menschenseele davon zu erzählen. Sie sagte, dieses Geheimnis werde sie für immer in Freundschaft aneinanderbinden. Aber waren sie denn noch Freundinnen? Ali war zu Leuten, die sie nicht leiden konnte, ziemlich gemein. Nachdem sie aus heiterem Himmel am Anfang des sechsten Schuljahrs ihre Freundschaft zu Naomi Zeigler und Riley Wolfe beendet hatte, schloss sie die beiden von allen Partys aus, brachte Jungs dazu, sie telefonisch zu terrorisieren, und hackte sich sogar in ihre MySpace-Seiten ein, auf denen sie dann halb scherzhaft, halb gemein ihre peinlichsten Geheimnisse ausplauderte. Wenn Ali ihre vier neuen Freundinnen fallen ließ, welche Versprechen würde sie dann brechen? Welche Geheimnisse würde sie verraten?

Die Eingangstür der DiLaurentis öffnete sich und Alis Mom schaute auf die Veranda. Die normalerweise immer makellos zurechtgemachte Mrs DiLaurentis hatte ihr hellblondes Haar nur nachlässig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ein Paar ausgefranste Shorts saßen tief auf ihren Hüften und sie trug ein verwaschenes, ausgeleiertes T-Shirt.

Die Mädchen standen auf und gingen auf dem gepflasterten Weg zu Alis Haustür. Wie immer roch es im Foyer nach Weichspüler und an den Wänden hingen Fotos von Alison und ihrem Bruder Jason. Aria schaute unwillkürlich zu Jasons Schulbild aus der zwölften Klasse. Sein langes blondes Haar umrahmte sein Gesicht und seine Mundwinkel hoben sich zu der Andeutung eines Lächelns. Noch bevor die Mädchen ihr übliches Ritual durchführen konnten – sie berührten jedes Mal die untere rechte Ecke ihres Lieblingsfotos von ihrem Urlaub in den Poconos letzten Juli –, winkte Mrs DiLaurentis sie in die Küche und bedeutete ihnen, sich an den großen Holztisch zu setzen. Es fühlte sich seltsam an, ohne Ali in ihrem Zuhause zu sein – beinahe so, als würden sie ihr nachspionieren. Überall lagen ihre Sachen herum: ein Paar türkisfarbene Keilsandalen vor der Tür zur Waschküche, ein kleines Fläschchen von Alis Lieblingshandcreme mit Vanilleduft und ihr Zeugnis – natürlich nur Einser –, das mit einem pizzaförmigen Magnet an den stählernen Kühlschrank gepinnt war.

Mrs DiLaurentis setzte sich zu ihnen und räusperte sich. »Ich weiß, dass ihr Mädchen gestern Abend mit Alison zusammen wart, und ich will, dass ihr jetzt ganz scharf nachdenkt. Hat sie euch wirklich keine Hinweise gegeben, wo sie hinwollte?«

Die Mädchen schüttelten den Kopf und schauten auf die Tischsets aus Jute. »Ich glaube, sie ist bei den Mädchen aus der Hockeymannschaft«, platzte Hanna heraus, weil sonst niemand etwas sagte.

Mrs DiLaurentis zerrupfte einen Einkaufszettel in kleine Quadrate. »Ich habe alle Mädchen aus dem Team bereits angerufen – und auch ihre Freundinnen aus dem Hockey-Trainingslager. Niemand hat sie gesehen.«

Die Mädchen wechselten alarmierte Blicke. Ihnen wurde heiß und kalt und ihre Herzen schlugen schneller. Wenn Ali nicht bei ihren anderen Freundinnen war, wo war sie dann?

Mrs DiLaurentis trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Ihre Nägel wirkten kantig, als habe sie daran herumgekaut.

»Hat sie gestern Abend gesagt, dass sie nach Hause zurückkommen will? Ich dachte, ich hätte sie in der Küchentür gesehen, als ich mit …« Sie brach ab und schaute zur Küchentür. »Sie wirkte durcheinander.«

»Wir wussten nicht, dass Ali nach Hause gehen wollte«, murmelte Aria.

»Oh.« Mit zitternden Händen griff Alis Mom nach ihrer Kaffeetasse. »Hat Ali mal davon gesprochen, dass jemand sie geärgert hat?«

»Das würde niemand machen«, sagte Emily schnell. »Alle lieben Ali.«

Mrs DiLaurentis öffnete protestierend den Mund, besann sich dann aber eines Besseren. »Ihr habt sicher recht. Und hat sie jemals davon gesprochen, dass sie von zu Hause weglaufen wollte?«

Spencer schnaubte. »Auf keinen Fall.« Nur Emily senkte den Kopf. Sie und Ali sprachen manchmal davon, gemeinsam abzuhauen. In letzter Zeit hatten sie recht oft über ihren Traum gesprochen, nach Paris zu fliegen und sich brandneue Identitäten zuzulegen. Aber Emily war sich eigentlich sicher, dass Ali das nie ernst gemeint hatte.

»War sie manchmal traurig?«, fuhr Mrs DiLaurentis fort.

Die Mädchen wurden immer verblüffter. »Traurig?«, fragte Hanna schließlich. »Meinen Sie … deprimiert?«

»Definitiv nicht«, sagte Emily fest. Sie dachte daran, wie glücklich Ali am Vortag über den Rasen gewirbelt war, weil sie endlich Sommerferien hatten.

»Sie hätte uns etwas gesagt, wenn sie Kummer gehabt hätte«, fügte Aria hinzu, aber sie war sich nicht sicher, ob das der Wahrheit entsprach. Seit sie und Ali vor ein paar Wochen ein schreckliches Geheimnis entdeckt hatten, das Arias Vater hütete, war Aria Ali ausgewichen. Sie hatte gehofft, dass sie sich bei der Pyjamaparty endlich aussprechen würden.

Die Spülmaschine der DiLaurentis wechselte grummelnd das Programm. Mr DiLaurentis wanderte in die Küche. Sein Blick war glasig, er wirkte verloren. Als er seine Frau sah, huschte ein verlegener Ausdruck über sein Gesicht und er wirbelte herum und ging wieder. Dabei kratzte er sich heftig an der Adlernase.

»Wisst ihr wirklich nichts?«, fragte Mrs DiLaurentis drängend. Auf ihrer Stirn standen Sorgenfalten. »Ich habe nach ihrem Tagebuch gesucht, weil ich dachte, sie hätte vielleicht eingetragen, wo sie hinwollte, aber ich kann es nirgends finden.«

Hannas Miene erhellte sich. »Ich weiß, wie ihr Tagebuch aussieht. Sollen wir oben danach suchen?« Sie hatten Ali vor ein paar Tagen in ihrem Tagebuch lesen sehen, als Mrs DiLaurentis sie in ihr Zimmer geschickt hatte, ohne sie vorher anzukündigen. Ali war so vertieft gewesen, dass sie ihre Freundinnen so verdattert anstarrte, als habe sie vergessen, dass sie sie eingeladen hatte. Einen Augenblick später hatte Mrs DiLaurentis die Mädchen nach unten geschickt, weil sie Ali wegen irgendetwas die Leviten lesen wollte. Als Ali kurze Zeit später auf der Veranda erschienen war, schien sie sich darüber zu ärgern, dass die Mädchen hier waren. Als sei es ihre Schuld, dass sie bei ihr gewesen waren, als ihre Mom sie angefahren hatte.

»Nein danke, ist schon gut«, antwortete Mrs DiLaurentis und setzte schnell ihre Kaffeetasse ab.

»Wirklich kein Problem.« Hanna schob ihren Stuhl zurück und wandte sich in Richtung Flur. »Mache ich gern.«

»Hanna«, bellte Alisons Mom mit plötzlich rasiermesserscharfer Stimme. »Ich habe Nein gesagt.«

Hanna blieb wie angewurzelt stehen. Mrs DiLaurentis starrte sie mit unergründlicher Miene an.

»Okay«, sagte Hanna leise und setzte sich wieder hin. »Sorry.«

Danach dankte Mrs DiLaurentis den Mädchen für ihr Kommen. Sie verließen im Gänsemarsch das Haus und blinzelten im grellen Sonnenlicht. Auf der Wendeplatte fuhr Mona Vanderwaal, eine Nulpe aus ihrer Klasse, mit ihrem Motorroller Achten. Als sie die Mädchen sah, winkte sie. Sie winkten nicht zurück.

Emily trat nach einem losen Pflasterstein. »Mrs D. regt sich umsonst auf. Ali geht es gut.«

»Sie ist auch nicht deprimiert«, beharrte Hanna. »So etwas zu behaupten, ist total bescheuert.«

Aria schob die Hände in die Gesäßtaschen ihres Minirocks. »Vielleicht ist Ali ja wirklich weggelaufen. Nicht weil sie unglücklich war, sondern weil sie einfach an einem cooleren Ort leben wollte. Ich wette, sie würde uns nicht mal vermissen.«

»Natürlich würde sie uns vermissen«, zischte Emily. Und dann brach sie in Tränen aus.

Spencer schaute sie an und verdrehte die Augen. »Gott, Emily. Muss das jetzt sein?«

» Lass sie in Ruhe«, schnappte Aria.

Spencer drehte sich zu Aria um und musterte sie. »Dein Nasenring ist verrutscht«, sagte sie mit eindeutig boshafter Freude.

Aria tastete nach dem Schmuckstein zum Aufkleben auf ihrem linken Nasenflügel. Irgendwie war er auf ihrer Wange gelandet. Sie schob ihn wieder an die richtige Stelle, aber dann war sie plötzlich so verlegen, dass sie ihn ganz abnahm.

Sie hörten ein Rascheln und dann lautes Kauen. Hinter ihnen stand Hanna und holte eine neue Handvoll Cheetos aus ihrer Handtasche. Als sie merkte, dass die anderen sie anschauten, erstarrte sie. »Was ist?«, fragte sie. Ihr Mund war orangefarben verschmiert.

Die Mädchen blieben einen Moment lang stumm stehen. Emily tupfte sich die Tränen ab. Hanna stopfte sich schnell noch eine Handvoll Cheetos in den Mund. Aria verstellte die Schnalle ihrer Bikerstiefel. Und Spencer verschränkte die Arme vor der Brust und wirkte sehr gelangweilt. Ohne Ali wirkten die Mädchen plötzlich so fehlerhaft. Beinahe uncool.

Ein ohrenbetäubendes Dröhnen klang aus Alis Hintergarten. Die Mädchen drehten sich um und sahen einen roten Zementmischer neben einem großen Loch stehen. Die DiLaurentis ließen sich gerade eine Laube bauen, die Platz für zwanzig Personen bot. Ein dünner, muskulöser Arbeiter mit kurzem, blondem Pferdeschwanz schaute zu den Mädchen und schob seine verspiegelte Sonnenbrille hoch. Er lächelte sie frech an und enthüllte dabei einen goldenen Schneidezahn. Ein glatzköpfiger, feister Arbeiter in zerrissenen Jeans, der seine Tattoos zur Schau stellte, indem er nur ein weißes Unterhemd trug, pfiff anerkennend. Die Mädchen erschauerten – Ali hatte ihnen erzählt, dass die Arbeiter ihr jedes Mal, wenn sie an ihnen vorbeiging, Schweinereien nachriefen.

Dann gab ein Arbeiter dem Fahrer des Zementmischers ein Zeichen und der Mischer fuhr rückwärts an das Loch heran. Schiefergrauer Matsch lief eine lange Schütte hinunter und ergoss sich in das Loch. Ali erzählte schon seit Wochen von dem Projekt Gartenlaube. Sie würde von einem Whirlpool und einer Grillstelle flankiert und von üppigem Grün umringt werden. Das Ganze sollte tropisch und lauschig wirken.

» Ali wird diese Laube lieben«, sagte Emily zuversichtlich. »Dort wird sie Superpartys feiern.«

Die anderen nickten zögernd. Hoffentlich waren sie auch eingeladen. Hoffentlich war dies nicht das Ende einer Ära.

Dann trennten die Mädchen sich und alle gingen nach Hause. Spencer hatte den kürzesten Weg. Sie schloss die Haustür auf, wanderte in ihre Küche und schaute durch das Hinterfenster zu der Scheune, in der die grässliche Pyjamaparty stattgefunden hatte. Vielleicht ließ Ali sie ja tatsächlich fallen. Na und? Den anderen würde das vielleicht das Herz brechen, aber möglicherweise wäre es nicht das Schlechteste. Spencer hatte genug davon, Ali hinterherzulaufen.

Sie hörte ein Schniefen und zuckte zusammen. Ihre Mutter saß an der Kücheninsel und schaute mit glasigen Augen ins Leere. »Mom?«, fragte Spencer leise, aber ihre Mutter antwortete nicht. Spencer schwieg und ging hoch in ihr Zimmer.

Aria lief die Auffahrt der DiLaurentis hinunter. Die Mülltonnen der Familie DiLaurentis standen auf dem Gehweg und warteten auf die samstägliche Müllabfuhr. Ein Deckel war seitlich weggerutscht und Aria sah eine leere Pillenpackung auf einer schwarzen Mülltüte liegen. Die Aufschrift war nicht mehr leserlich, aber Alis Name stand in schwarzen Druckbuchstaben darauf. Vielleicht waren das Antibiotika oder Antiallergika, überlegte Aria – dieses Jahr gab es besonders viele Pollen in Rosewood.

Hanna wartete auf einem der Steinblöcke, die in Spencers Vorgarten lagen, auf ihre Mom, die sie wieder abholen wollte. Mona Vanderwaal fuhr mit ihrem Roller über die Wendeplatte. Hatte Mrs DiLaurentis womöglich recht? Hatte jemand es gewagt, Ali so zu ärgern, wie Ali und die anderen Mona immer hänselten?

Emily schnappte sich ihr Fahrrad und nahm die Abkürzung nach Hause, die durch den Wald hinter Alis Haus führte. Die Arbeiter machten gerade eine Pause. Der dünne Typ mit dem Goldzahn alberte mit einem Kollegen mit Oberlippenbart herum und achtete nicht auf den Zement, der aus dem Mischer in das Loch floss. Am Bordstein parkten ihre Autos – ein verbeulter Honda, zwei Trucks und ein Jeep voller Aufkleber. Am Ende der Reihe stand eine alte schwarze Limousine, die Emily irgendwie bekannt vorkam. Sie war besser gepflegt als die anderen und Emily sah ihr Spiegelbild in den glänzenden Türen, als sie vorbeiradelte. Sie sah nachdenklich aus. Was würde sie tun, falls Ali nicht mehr mit ihr befreundet sein wollte?

Die Sonne stieg immer höher und alle Mädchen fragten sich, was geschehen würde, falls Ali sie wirklich genauso eiskalt fallen ließ wie Naomi und Riley damals. Aber keine verschwendete allzu viele Gedanken an Mrs DiLaurentis’ panische Fragen. Sie war Alis Mom – es war ihr Job, sich Sorgen zu machen.

Sie hätten alle nicht voraussagen können, dass am folgenden Tag der Vorgarten der DiLaurentis voller Ü-Wagen und Polizeiautos stehen würde. Und sie hätten auch nicht wissen können, wo Ali wirklich war oder wen sie noch heimlich treffen wollte, als sie an jenem Abend aus der Scheune gerannt war.

Nein, an jenem schönen Junitag, dem ersten Tag der Sommerferien, schoben sie Mrs DiLaurentis’ Besorgnis einfach beiseite. In Orten wie Rosewood passierten keine schlimmen Dinge. Und vor allem nicht Mädchen wie Ali. Ihr geht es gut, dachten sie. Sie kommt zurück.

Und drei Jahre später sollten sie vielleicht endlich recht behalten.

Kapitel 1

HALT DIE LUFT AN

Emily Fields öffnete die Augen und sah sich um. Sie lag mitten in Spencer Hastings’ Hintergarten, umgeben von einer Mauer aus Feuer und Rauch. Knorrige Äste knackten und fielen laut krachend zu Boden. Die Wälder strahlten eine Hitze aus, als sei es Mitte Juli und nicht Ende Januar.

Emilys ehemals beste Freundinnen Aria Montgomery und Hanna Marin lagen ganz in der Nähe. Sie trugen schmutzige Partykleider aus Seide und husteten sich die Seele aus dem Leib. Hinter ihnen gellten Sirenen. In der Ferne leuchtete das Blaulicht eines Feuerwehrwagens. Vier Krankenwagen fuhren über den Rasen der Hastings und zerstörten dabei die perfekt gestutzten Hecken und die akkurat angelegten Blumenbeete.

Ein Rettungssanitäter in weißer Uniform tauchte in den dichten Rauchschwaden auf. »Bist du verletzt?«, rief er und kniete sich neben Emily auf den Boden. Ihr rotes Abendkleid war verrutscht, der Saum unten an mehreren Stellen eingerissen. Außerdem war es über und über mit Dreck und Ruß verschmiert.

Emily fühlte sich, als habe sie jahrelang geschlafen. Irgendetwas Unglaubliches war gerade geschehen … aber was?

Der Rettungssani packte ihren Arm, als sie drohte, wieder zu Boden zu sinken. »Du hast zu viel Rauch eingeatmet«, schrie er. »Dein Gehirn bekommt nicht genug Sauerstoff. Deshalb verlierst du das Bewusstsein.« Er befestigte eine Sauerstoffmaske auf ihrem Gesicht.

Ein zweites Gesicht erschien. Es war ein Polizist, den Emily nicht kannte, ein Mann mit silbergrauen Haaren und freundlichen grünen Augen. »Ist außer euch vieren noch jemand im Wald?«, schrie er, das Tosen des Feuers übertönend.

Emily legte die Hand auf die Stirn und öffnete den Mund, um nach der Antwort zu suchen, die ihr auf der Zunge lag. Und dann wurde in ihrem Kopf ein Schalter umgelegt und alles, was in den vergangenen Stunden geschehen war, fiel ihr wieder ein.

All die SMS von A., ihrem neuen Quälgeist, die darauf bestanden hatten, dass Ian Thomas Alison DiLaurentis nicht getötet habe. Das Registrierbuch aus dem Radley-Hotel, einer ehemaligen Nervenklinik für Kinder, in dem wieder und wieder Jason DiLaurentis’ Name aufgetaucht war, was wohl darauf hinwies, dass er dort Patient gewesen war. Ian, der per Chatnachricht bestätigte, dass Jason und Darren Wilden – der Polizist, der den Fall Ali untersuchte – Ali getötet hatten. Seine Warnung, dass die beiden mit allen Mitteln versuchen würden, sie zum Schweigen zu bringen.

Und dann das Ratschen des Streichholzes. Der schreckliche Schwefelgestank. Die zehn Morgen Land, die innerhalb weniger Sekunden in Flammen aufgegangen waren.

Sie waren in blinder Panik in Spencers Garten gerannt und dort auf Aria gestoßen, die die Abkürzung von ihrem neuen Haus durch den Wald genommen hatte. Aria hatte ein Mädchen bei sich gehabt, die im brennenden Wald von einem Baumstamm eingeklemmt gewesen war. Ein Mädchen, das Emily verloren geglaubt hatte.

Sie riss sich die Sauerstoffmaske vom Gesicht. » Alison!«, schrie sie. »Vergesst Alison nicht!«

Der Polizist legte den Kopf schief. Der Sani hielt sich die Hand ans Ohr. »Wen?«

Emily drehte sich um und deutete auf die Stelle, an der Ali gerade gelegen hatte. Dann taumelte sie zurück. Ali war verschwunden.

»Nein«, flüsterte sie. Dann taumelte sie herum. Die Sanitäter halfen gerade ihren Freundinnen in die Krankenwagen.

»Aria!«, schrie Emily. »Spencer! Hanna!«

Die Mädchen drehten sich um. »Ali!«, kreischte Emily und deutete auf die nun leere Stelle. »Habt ihr gesehen, wohin Ali gegangen ist?«

Aria schüttelte den Kopf. Hanna hielt sich die Sauerstoffmaske ans Gesicht. Ihr Blick zuckte hektisch über den Garten. Spencer wurde schreckensbleich und sofort von Rettungssanitätern umringt und in einen Krankenwagen verfrachtet.

Emily wandte sich verzweifelt dem Sani zu. Ihr Gesicht wurde von der brennenden Windmühle der Hastings beleuchtet.» Alison ist hier. Wir haben sie gerade gesehen!«

Der Sanitäter sah sie unsicher an. »Meinst du Alison DiLaurentis, das Mädchen, das … gestorben ist?«

»Sie ist nicht tot!«, heulte Emily, wich zurück und stolperte in ihrem langen Kleid beinahe über eine Baumwurzel. Sie deutete in Richtung der Flammen. »Sie ist verletzt! Sie sagte, jemand wolle sie umbringen!«

»Miss.« Der Polizist legte ihr die Hand auf die Schulter. »Beruhigen Sie sich bitte.«

Emily hörte ein Klicken neben sich und fuhr herum. Vier Reporter standen auf der Terrasse der Hastings. »Miss Fields?«, rief eine Journalistin, rannte zu Emily und schob ihr ein Mikrofon vors Gesicht. Ein Mann mit Kamera und ein anderer mit Boom-Mikrofon rannten ebenfalls zu ihr. »Was haben Sie gerade gesagt? Wen haben Sie gesehen?«

Emilys Herz raste. »Wir müssen Alison helfen!«

Sie schaute sich wieder um. In Spencers Garten wimmelte es von Polizisten und Sanitätern. Alis ehemaliger Garten lag im Gegensatz dazu still und dunkel da. Als Emily eine Gestalt sah, die hinter dem schmiedeeisernen Zaun entlangschlich, der die beiden Grundstücke trennte, wurde ihr die Kehle eng. Ali? Oder war es nur ein Schatten, den die Blaulichter der Polizeiautos zauberte? Aus dem Vorgarten der Hastings strömten noch mehr Journalisten heran. Ein Feuerwehrwagen raste herbei, die Feuerwehrmänner sprangen ab und richteten einen riesigen Schlauch auf den Wald. Ein kahlköpfiger Reporter mittleren Alters berührte Emilys Arm. »Wie sah Alison aus?«, fragte er. »Wo war sie?«

»Das reicht jetzt.« Der Polizist verscheuchte die Journalisten.» Lassen Sie sie doch erst einmal zu Atem kommen.«

Der Reporter hielt ihm das Mikrofon hin. »Werden Sie ihrer Behauptung nachgehen? Werden Sie nach Alison suchen?«

»Wer hat das Feuer gelegt? Haben Sie das gesehen?«, fragte eine andere Stimme schreiend, um das Rauschen des Löschwassers zu übertönen.

Der Rettungssani fasste Emily am Arm und führte sie von den Reportern weg. »Du musst raus hier.«

Emily wimmerte und starrte verzweifelt auf das leere Rasenstück. Genau dasselbe war passiert, als sie letzte Woche Ians Leiche im Wald gefunden hatten. Er hatte dort gelegen, aufgedunsen und bleich, aber dann war er einfach … verschwunden. Weg. Das konnte doch nicht noch einmal passieren! Auf keinen Fall. Das war unmöglich. Emily hatte sich jahrelang bis zur Obsession nach Ali verzehrt und sie kannte alle Konturen ihres Gesichtes, jedes Haar auf ihrem Kopf. Und das Mädchen aus dem Wald hatte genauso ausgesehen wie Ali. Sie hatte Alis raue, sexy Stimme gehabt, und als sie sich den Ruß aus dem Gesicht wischte, hatte sie das mit Alis kleinen, zarten Händen getan.

Jetzt waren sie im Krankenwagen. Ein anderer Sanitäter legte Emily wieder die Sauerstoffmaske an und half ihr auf eine kleine Liege. Die Sanitäter schnallten sich neben ihr an. Das Martinshorn erklang und der Wagen rollte langsam in Richtung Straße. Als sie auf die Straße einbogen, sah Emily aus dem Rückfenster einen Polizeiwagen ohne Blaulicht und Sirene davonfahren. Er fuhr aber nicht in Richtung der Hastings.

Sie wendete ihre Aufmerksamkeit wieder Spencers Haus zu und schaute sich noch ein letztes Mal suchend nach Ali um. Aber sie sah nur neugierige Schaulustige. Dort stand Mrs McClellan, eine Nachbarin. Beim Briefkasten erkannte sie Mr und Mrs Vanderwaal, deren Tochter Mona die erste A. gewesen war. Emily hatte sie seit Monas Beerdigung vor ein paar Monaten nicht mehr gesehen. Sogar die Cavanaughs waren da und starrten entsetzt die Flammen an. Mrs Cavanaugh hatte eine Hand beschützend auf die Schulter ihrer Tochter Jenna gelegt. Obwohl Jennas blinde Augen hinter ihrer dunklen Gucci-Sonnenbrille verborgen waren, kam es Emily vor, als starre sie ihr direkt ins Gesicht.

Aber Ali war nirgendwo in diesem Chaos. Sie war verschwunden – schon wieder.

Kapitel 2

SCHALL UND RAUCH

Ungefähr sechs Stunden später zog eine fröhliche Krankenschwester mit einem langen braunen Pferdeschwanz den Vorhang zu Arias kleiner Nische in der Notaufnahme des Rosewood-Day-Memorial-Hospital zurück. Sie reichte Arias Dad Byron ein Klemmbrett und zeigte ihm, wo er unterschreiben musste. »Außer den Prellungen an ihren Beinen und dem Rauch, den sie eingeatmet hat, hat sie nichts weiter«, sagte die Schwester. »Gott sei Dank«, seufzte Byron und unterzeichnete schwungvoll. Er und Arias Bruder Mike waren im Krankenhaus erschienen, kurz nachdem der Krankenwagen Aria hier eingeliefert hatte. Arias Mom Ella übernachtete mit ihrem schrecklichen Freund Xavier in Vermont und Byron hatte ihr gesagt, sie brauche ihren Urlaub deswegen nicht abzubrechen.

Die Schwester schaute Aria an. »Deine Freundin Spencer würde gerne mit dir sprechen, bevor du gehst. Sie ist im zweiten Stock, Zimmer 206.«

»Okay«, sagte Aria heiser und bewegte ihre Beine unter dem kratzigen Krankenhausbettlaken.

Byron erhob sich von dem weißen Plastikstuhl neben dem Bett und suchte Arias Blick. »Ich warte draußen auf dich. Lass dir Zeit.«

Aria stand langsam auf. Sie fuhr sich mit den Händen durch das blauschwarze Haar. Kleine Flocken Ruß und Asche fielen auf das Laken. Als sie sich vorbeugte, um die frische Jeans und die Schuhe anzuziehen, die Byron ihr mitgebracht hatte, schmerzten ihre Muskeln, als habe sie den Mount Everest bezwungen. Sie war die ganze Nacht wach gewesen und hatte darüber nachgegrübelt, was eigentlich im Wald geschehen war. Ihre Freundinnen waren zwar auch in die Notaufnahme gebracht worden, lagen aber in anderen Bereichen der Station, also hatte Aria noch nicht mit ihnen gesprochen. Jedes Mal, wenn sie versucht hatte aufzustehen, waren die Krankenschwestern zu ihr geeilt und hatten ihr befohlen, sich wieder hinzulegen, zu entspannen und zu schlafen. Na klar. Als ob das jemals wieder möglich sein würde.

Aria hatte keine Ahnung, was sie von der Tortur halten sollte, die sie hinter sich hatte. Sie war durch den Wald zu Spencers Scheune gerannt, das Stück der Zeitkapsel-Flagge, das sie Ali in der sechsten Klasse gestohlen hatte, in der Jackentasche. Sie hatte das glänzende blaue Stoffstück vier lange Jahre nicht betrachtet, aber Hanna war auf einmal überzeugt davon, dass die Zeichnungen darauf ihnen einen wichtigen Hinweis auf Alis Mörder geben würden. Gerade als sie auf ein paar nassen Blättern ausgerutscht und gestürzt war, füllte plötzlich scharfer Gasgeruch ihre Nüstern und sie hörte das Zischen eines Streichholzes. Dann ging der ganze Wald um sie herum in grellen Flammen auf, die mit unerträglicher Hitze nach ihr griffen. Nur Sekunden später fand sie jemanden im Wald, der verzweifelt um Hilfe schrie. Eine Person, deren Leiche sie alle in dem halb ausgehobenen Loch im Hintergarten der DiLaurentis vermutet hatten. Ali.

Das hatte Aria bis jetzt jedenfalls geglaubt. Aber nun … war sie sich nicht mehr so sicher. Sie betrachtete sich in dem Spiegel an der Tür. Ihre Wangen wirkten eingefallen, ihre Augen waren rot gerändert. Der Notarzt, der Aria behandelt hatte, hatte ihr erklärt, dass Halluzinationen bei zu viel eingeatmetem Rauch nichts Ungewöhnliches seien. Und Ali hatte so verschwommen und surreal gewirkt wie ein Traum. Aria hatte nicht gewusst, dass auch Gruppenhalluzinationen möglich waren, aber gestern Abend hatten sie alle an Ali gedacht. Deshalb war es wohl auch naheliegend, dass die Mädchen zuerst an sie gedacht hatten, als ihre Gehirne begannen, sich auszuklinken.

Nachdem Aria auch noch ihren frischen Pulli und ihre Schuhe angezogen hatte, ging sie zu Spencers Zimmer im zweiten Stock. Mr und Mrs Hastings saßen zusammengesunken in der Wartezone auf dem Flur und checkten ihre BlackBerrys. Hanna und Emily waren bereits bei Spencer im Zimmer. Sie trugen Jeans und Pulli, aber Spencer lag immer noch im Krankenhaushemdchen im Bett. Sie hatte Schläuche im Arm, ihre Haut war leichenblass, unter ihren blauen Augen lagen tiefe Ringe und ein Bluterguss prangte an ihrem Kiefer.

»Geht es dir gut?«, rief Aria. Niemand hatte ihr gesagt, dass Spencer ernsthaft verletzt war.

Spencer nickte schwach und stellte mit der kleinen Fernbedienung ihre Rückenlehne hoch. »Mir geht es schon viel besser. Die Ärzte sagen, dass eine Rauchvergiftung sich ganz unterschiedlich auswirken kann.«

Aria sah sich um. Das Zimmer roch nach Krankheit und Chlorreiniger. Auf einem Monitor wurden Spencers Werte angezeigt und daneben befand sich ein kleines Chromwaschbecken, unter dem sich Kartons mit Einmalhandschuhen stapelten. Die Wände waren wasabigrün und neben dem Fenster mit Blumenvorhang hing ein großes Poster, auf dem genau erklärt wurde, wie Frauen zu Hause Brustkrebsvorsorge betreiben sollten. Natürlich hatte irgendein Teenager neben die Brust einen Penis gekritzelt.

Emily hockte auf einem Kinderstuhl neben dem Fenster. Ihr rotblondes Haar war zerzaust, ihre schmalen Lippen aufgesprungen. Sie rutschte hin und her, ihr kräftiger Schwimmerkörper war viel zu breit für das Stühlchen. Hanna lehnte neben der Tür an einem Schild, auf dem stand, dass alle Krankenhausangestellten stets Einmalhandschuhe tragen sollten. Ihre haselnussbraunen Augen blickten glasig und leer. Sie wirkte noch zerbrechlicher als sonst und ihre dunkle Skinny-Jeans schlackerte ihr um die Hüften.

Wortlos zog Aria Alis Flagge aus ihrer Yakfelltasche und legte sie auf Spencers Bett. Alle näherten sich und starrten darauf. Glänzend silberne Zeichnungen bedeckten den Stoff. Ein Chanel-Logo, ein Louis-Vuitton-Muster und Alis Name in geschwungener Schrift. Ein steinerner Ziehbrunnen mit Dach und Kurbel prangte in einer Ecke. Aria fuhr die Umrisse des Brunnens mit dem Finger nach. Sie konnte keinerlei Hinweise darauf erkennen, was Ali in der Nacht ihres Todes widerfahren war. Solches Zeug zeichneten alle auf ihre Zeitkapsel-Flaggen.

Spencer berührte das Stoffstück. »Ich hatte vergessen, dass Alis Handschrift so geschwungen war.«

Hanna schauderte. »Wenn ich ihre Handschrift sehe, habe ich immer das Gefühl, sie ist hier bei uns.«

Alle hoben den Kopf und tauschten verängstigte Blicke. Sie dachten offensichtlich dasselbe: So wie vor ein paar Stunden im Wald.

Danach sprachen alle gleichzeitig. »Wir müssen…«, platzte Aria heraus.

»Was war das …«, flüsterte Hanna.

»Der Arzt hat gesagt …«, zischte Spencer einen Sekundenbruchteil später.

Sie alle verstummten und sahen sich an. Ihre Wangen waren so blass wie die Kissen hinter Spencers Kopf.

Emily sprach als Nächste. »Wir müssen etwas tun, Mädels. Ali ist da draußen und wir müssen herausfinden, wohin sie verschwunden ist. Wisst ihr, ob jemand im Wald nach ihr sucht? Ich habe den Polizisten gesagt, dass wir sie gesehen haben, aber die standen nur wie angewurzelt herum!«

Arias Herz setzte aus. Spencer schaute Emily ungläubig an. »Du hast es echt der Polizei erzählt?«, wiederholte sie und schob sich eine Strähne aschblonden Haares aus dem Gesicht.

»Natürlich«, flüsterte Emily.

»Aber … Emily …«

»Was?«, schnappte Emily. Sie starrte Spencer mit irrem Blick an, als wachse der ein Horn mitten aus der Stirn.

»Em, es war nur eine Halluzination. Das haben die Ärzte uns doch gesagt. Ali ist tot.«

Emily fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Aber wir haben sie doch alle gesehen! Du willst mir doch nicht erzählen, dass wir alle genau dieselbe Halluzination hatten?«

Spencer starrte Emily an, ohne zu blinzeln. Ein paar angespannte Sekunden verstrichen. Vor dem Zimmer piepste etwas laut. Ein Krankenhausbett wurde mit quietschenden Rädern den Gang entlanggeschoben.

Emily wimmerte. Ihre Wangen waren leuchtend rot geworden. Sie wandte sich Hanna und Aria zu. »Ihr haltet Ali aber für real, oder?«

»Es hätte schon Ali sein können«, sagte Aria und ließ sich in den leeren Rollstuhl vor dem winzigen Bad sinken. »Aber, Em, der Arzt hat mir gesagt, dass man Wunschvorstellungen so deutlich sieht, käme vom Raucheinatmen. Und das ergibt Sinn. Wie hätte sie denn sonst so spurlos wieder verschwinden können?«

»Genau«, sagte Hanna schwach. »Und wo hat sie sich denn die ganze Zeit versteckt?«

Emily schlug sich heftig auf die Oberschenkel. Der Infusionsständer neben ihr wackelte. »Hanna, du hast gesagt, du hättest Ali an deinem Bett stehen sehen, als du im Krankenhaus warst. Vielleicht war sie es ja wirklich!«

Hanna beschäftigte sich mit dem Absatz ihres Wildlederstiefels. Sie wirkte unangenehm berührt.

»Hanna lag im Koma, als sie Ali gesehen hat«, kam Spencer ihr zu Hilfe. »Das war natürlich ein Traum.«

Unbeirrt zeigte Emily auf Aria. »Du hast gestern jemanden aus dem Wald gerettet. Wenn es nicht Ali war, wer war es dann?«

Achselzuckend strich Aria über die Speichen der Rollstuhlräder. Vor dem großen Fenster ging gerade die Sonne auf. Auf dem Krankenhausparkplatz reihten sich glänzende BMWs, Mercedes und Audis aneinander. Nach dieser verrückten Nacht war es kaum fassbar, wie normal hier alles aussah. »Ich weiß es nicht«, gab sie zu. »Der Wald war so dunkel. Und … oh Scheiße!« Sie suchte in ihrer Handtasche. »Das habe ich gestern im Wald gefunden.«

Sie öffnete die Hand und zeigte ihnen den bekannten Rosewood-Day-Siegelring mit dem leuchtend blauen Stein. Der eingravierte Name lautete Ian Thomas. Als sie Ians angebliche Leiche letzte Woche im Wald entdeckt hatten, hatte er den Ring noch am Finger getragen. Aria erinnerte sich, dass sie ihn an der leichenblassen Hand gesehen hatte. Er hatte wie ein Fremdkörper gewirkt. »Er lag einfach im Dreck, dort, wo wir … Ian gefunden haben«, erklärte sie. »Ich habe keine Ahnung, wie die Bullen den übersehen konnten.«

Emily keuchte auf. Spencer sah verwirrt aus. Hanna riss Aria den Ring aus der Hand und hielt ihn unter die Lampe über Spencers Kopf. »Vielleicht ist er ihm bei der Flucht vom Finger gerutscht?«

»Was sollen wir damit machen?«, fragte Emily. »Ihn der Polizei geben?«

»Auf keinen Fall«, zischte Spencer. »Es ist ein bisschen zu passend, dass wir Ians Leiche im Wald finden, die Polizei den Wald vergeblich durchsucht und ausgerechnet wir dann diesen Ring finden. Das macht uns doch nur verdächtig. Wahrscheinlich hättest du ihn gar nicht erst aufheben dürfen. Er ist ein Beweisstück.«

Aria verschränkte die Arme und schaute Spencer wütend an. »Und woher hätte ich das wissen sollen? Was sollen wir jetzt mit dem Ding machen? Ihn wieder dahin zurücklegen, wo ich ihn gefunden habe?«

»Nein«, befahl Spencer. »Die Polizisten werden den Wald jetzt wieder durchsuchen, wegen des Feuers. Wenn sie bemerken, dass du etwas dorthin bringst, werden sie dir Fragen stellen. Behalt ihn am besten erst mal.«

Emily rutschte ungeduldig auf ihrem kleinen Stuhl hin und her. »Du hast Ali gesehen, nachdem du den Ring gefunden hast, stimmt’s, Aria?«

»Ich weiß es nicht mehr«, gestand Aria. Sie versuchte, sich an die panischen Minuten im Wald zu erinnern, aber die Bilder wurden immer trüber. »Ich habe sie nicht berührt …«

Emily stand auf. »Was ist denn los mit euch? Warum traut ihr plötzlich euren eigenen Augen nicht mehr?«

»Em«, sagte Spencer sanft. »Reg dich doch nicht so auf.«

»Ich rege mich nicht auf!«, brüllte Emily. Ihre Wangen wurden noch röter, was ihre Sommersprossen dunkler erscheinen ließ.

Sie wurden durch einen laut quäkenden Alarm in einem der Nebenzimmer unterbrochen. Krankenschwestern schrien. Hektische Schritte liefen den Gang entlang. Aria wurde schlecht. Sie fragte sich, ob der Alarm bedeutete, dass gerade jemand im Sterben lag.

Ein paar Sekunden später wurde es wieder ruhig auf der Station, niemand rannte mehr durch den Gang. Aria räusperte sich. »Das Wichtigste ist, dass wir herausfinden, wer dieses Feuer gelegt hat. Darauf müssen sich die Polizisten jetzt vorrangig konzentrieren. Denn gestern Nacht hat ganz offensichtlich jemand versucht, uns umzubringen.«

»Nicht einfach irgendjemand«, flüsterte Hanna. »Es waren sie.«

»Wer – sie?«, fragte Aria verblüfft.

Spencer sah Aria an. »Wir haben gestern Abend in der Scheune noch mal mit Ian gechattet. Er hat uns alles erzählt. Ian ist davon überzeugt, dass Jason und Wilden es getan haben. Er hat uns die Wahrheit gesagt. Die beiden wollten uns definitiv zum Schweigen bringen.«

Aria begann zu keuchen, als ihr noch etwas einfiel.

»Ich habe im Wald jemanden das Feuer legen sehen.«

Spencer richtete sich kerzengerade auf und starrte sie mit riesigen Augen an. »Was?«

»Hast du ihn erkannt?«, rief Hanna.

»Ich weiß es nicht genau.« Aria schloss die Augen und rief sich den schrecklichen Moment ins Gedächtnis. Kurz nachdem sie Ians Ring gefunden hatte, hatte sie jemand gesehen, der nur ein paar Schritte vor ihr durch den Wald schlich. Obwohl eine Kapuze und der tiefe Schatten das Gesicht der Person verbargen, hatte sie sofort das Gefühl, sie kenne sie. Als sie begriff, was die Person tat, erstarrte sie. Sie war machtlos und konnte sie nicht aufhalten. Nur Sekunden später breiteten sich die Flammen über den Waldboden aus und kamen direkt auf ihre Füße zu.

Sie spürte die Blicke ihrer Freundinnen, die auf ihre Antwort warteten.

»Die Person hatte eine Kapuze auf«, sagte Aria. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, es war …«

Sie brach ab, als sie ein lautes, langes Knarren hörte. Die Tür zu Spencers Krankenzimmer schwang langsam auf. Ein Mann erschien im Türrahmen, zunächst nur ein Umriss vor dem grellen Licht im Flur. Als Aria sein Gesicht sah, sprang ihr das Herz in die Kehle. Fall nicht in Ohnmacht, sagte sie sich, weil ihr sofort schwindelig wurde. Es war einer der Männer, vor denen A. sie gewarnt hatte. Und Aria war sich beinahe sicher, dass sie ihn im Wald gesehen hatte. Einer von Alis Mördern.

Officer Darren Wilden.

»Hi, Mädels.« Wilden betrat das Zimmer. Seine grünen Augen leuchteten und sein attraktives, kantiges Gesicht war von der Kälte gerötet. Seine Uniform saß wie angegossen und zeigte deutlich, wie fit er war.

Er blieb an Spencers Bett stehen, als ihm die nicht besonders freundlichen Mienen der Mädchen auffielen. »Was ist?«

Sie tauschten ängstliche Blicke. Schließlich räusperte Spencer sich. »Wir wissen, was du getan hast.«

Wilden lehnte sich vorsichtig ans Bett und vermied es sorgfältig, Spencers Infusionsschläuche zu berühren. »Wie bitte?«