Prinzessin hasst Rockstar - Barbara Schinko - E-Book

Prinzessin hasst Rockstar E-Book

Barbara Schinko

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Beschreibung

Frech, witzig und gefühlvoll: Moderne Prinzessin trifft auf Rockstar! Seit Maple der Star der Datingshow „Ungeküsst“ ist, rittern dreizehn gut aussehende Jungs um ihr Herz - unter ihnen der unverschämt heiße (oder einfach nur unverschämte?) Rockstar Conor Byrd. Zwischen Conor und Maple sprühen sofort Funken. Wenn auch leider nicht so, wie sich das Produktionsteam das wünscht! Aber Conor spielt sein eigenes Spiel. Und als ihn Maple dann noch live vor einem Millionenpublikum zum Gespött macht, schwört er ihr Rache … Zauberhaft verROCKt - "Prinzessin hasst Rockstar" ist der erste Band der "Rockstar & Prinzessin"-Reihe! Die Bände der Reihe sind: Band 1: Prinzessin hasst Rockstar Band 2: Suche Liebe, biete Rockstar Band 3: Rockstar auf Abwegen

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

Prinzessin hasst Rockstar

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

Epilog

Bonustrack: White Christmas

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Impressum

Prinzessin hasst Rockstar

Ein König hatte eine Tochter, die war wunderschön, aber so stolz und übermüthig, daß sie aus Eigensinn einen Freier nach dem andern abwies und Spott mit ihnen trieb. […] Besonders machte sie sich über einen guten König lustig, […] da sagte sie: „ei, der hat ein Kinn, wie die Droßel einen Schnabel,“ und seit der Zeit bekam er den Namen Droßelbart.

(aus: Brüder Grimm, König Droßelbart in: Kinder- und Hausmärchen Band 1, 1. Auflage 1812)

1. Kapitel

Ich winkelte die Arme an und strich mit beiden Händen über das seidige königsblaue Oberteil meines Ballkleids. Die straffe Schnürung am Rücken raubte mir fast den Atem. Jean-Claudes Assistentin stand hinter mir und zog die Bänder noch ein wenig enger.

Mein Blick huschte zu dem Klappstuhl neben der Tür der Garderobe, auf dem ein knallig pinker Umschlag mit dem Herzlogo der Show lag. In ihm befanden sich dreizehn Bewerbungsfotos und kurze Bios. Wenn man der Promo glauben durfte, enthielt der Umschlag meinen Traumtypen.

Andere Prinzessinnen hatten dreizehn Feen. Ich hatte dreizehn Prinzen – oder wenigstens dreizehn Frösche, die es zu küssen galt. Vor ein paar Wochen hatten wir das erste Mal gedreht, fast sechs Stunden Arbeit. Herausgekommen war ein kurzer Teaser, eine Promo mit einer Laufzeit von nur dreißig Sekunden. Mein Co-Star dabei: ein echter, lebendiger Laubfrosch. Mit ihm auf meiner Hand hatten wir unzählige Takes geschossen. Ich hatte die Lippen zu einem Kussmund gespitzt, mich vorgebeugt, dann im letzten Moment innegehalten und spitzbübisch in die Kamera gelächelt. Ich hätte mir auch ein Take gewünscht, bei dem ich so getan hätte, als klatschte ich den Frosch an die Wand. Aber dagegen hatte die Regisseurin Joyce ihr Veto eingelegt. Unsere Zielgruppe der zwölf- bis achtzehnjährigen, liebeshungrigen Mädchen wollte nicht wissen, wie das Märchen Der Froschkönig im Original endete. Sie wünschte sich das volle Programm: ein Märchenschloss als Kulisse, fabelhafte Kleider und natürlich ein Happy-End mit wahrer Liebe.

Die Corsage begann sich sich so eng um meine Rippen zu schließen, dass ich jedes Lachs- oder Avocadosandwich und jeden Becher Schokomousse meines Lebens bereute. Um mich abzulenken, ging ich in Gedanken meine dreizehn Prinzen durch. Heute Abend würde ich den Jungs das erste Mal begegnen, doch es wäre einfach nur peinlich, wenn ich da nicht wenigstens schon ihre Namen wüsste.

Prinz Nr. 1 hieß Sam Aizawa. Ein New Yorker mit Wurzeln in Osaka, er lebte also wie ich an der Ostküste der Vereinigten Staaten und war mir deshalb schon mal grundsätzlich sympathisch.

Genauso wie Prinz Nr. 2, Porter Mbaye, Marketingstudent aus Boston und laut eigener Aussage markensüchtig. Wenn sein Körper nur halb so gut aussah wie sein Gesicht, könnte er später mal für seine eigenen Werbeplakate modeln.

Prinz Nr. 3, Alex „The Wavemaster“ Smith, wohnte in Venice Beach – einer von zwei Kaliforniern. Dass er sich da für Muskeltraining und Surfen interessierte, kam alles andere als überraschend.

Ich war bei der Nr. 11 angelangt (Harrison Lundqvist aus Iowa, Farmersohn, Hobbys: Pferdesport und Traktorfahren), als Jean-Claude, der Stylist, wie aus dem Nichts neben mir erschien. Er hob mit dem Zeigefinger mein Kinn an. Das Team der Maske hatte gute Arbeit geleistet: Meine kastanienbraune Mähne fiel in kunstvolle Wellen gelegt über meine linke Schulter. Lange, dichte Wimpern betonten meine rehbraunen Augen. Mein Gesicht wirkte schmäler als sonst, meine Wangenknochen stachen prominent hervor. In den Lidschatten mischte sich ein Hauch von Königsblau und Silber.

Jean-Claude befahl mir: „Dreh dich!“

Zuckersüß lächelnd tat ich es und achtete darauf, meine Arme so steif an meinen Seiten zu halten, wie es mir der Benimmcoach beigebracht hatte. Das trägerlose Oberteil des Kleids war mit Silberfäden bestickt, die sich von der Brust abwärts zogen und am Nabel spitz zuliefen. Der Gesamteindruck entsprach ungefähr einem Zepter, und dank weiterer Stickereien entlang der Taille hatte das, was von dem königsblauen Taft sichtbar blieb, die Form eines Herzens. Der Tüllrock mit seinen unzähligen Rüschen reichte bis zum Boden.

Kurz gesagt: Ich sah von Kopf bis Fuß so aus, wie mich das Publikum haben wollte. Unschuldig. Brav. Ungeküsst eben. Nicht mal meine eigene Kurzbio für die Show hatte ich schreiben dürfen! Mein Entwurf hätte ungefähr so gelautet: „Maple Leaf, süße 18. Scheidungskind. Hat ihre Mutter und zwei Stiefschwestern zugunsten ihres reichen Vaters verlassen und erträgt es locker, dass ihre Clique sie deshalb scherzhaft ,Goldgräberin‘ nennt. Was ich immer gefragt werde: ,Ist Leaf dein echter Nachname?‘ Meine Antwort: ,Ja, klar. So echt wie ein Glasdiamant.‘“

Die Tür der Garderobe flog auf. Anita, die Produzentin der Show, eilte herein, gefolgt von der Regisseurin Joyce und einer Produktionsassistentin. Ungeduldig klatschte Joyce in die Hände. „Abmarsch, los! Wir verlieren das Licht.“ Sie war klein und stämmig mit schwarzen Haaren, die sie stets zu einem Pferdeschwanz gebunden trug, und einer miesen Dauerlaune. Nie im Leben hätte ich bei ihr auf den Traumberuf Regisseurin getippt. Dann schon eher Gefängniswärterin.

Anita zwinkerte mir zu und entgegnete milde: „Wahre Schönheit braucht eben ihre Zeit. Da Vinci hat die Mona Lisa auch nicht an einem Tag gemalt.“

„Der musste keinen Drehplan einhalten“, ätzte Joyce. Die Produktionsassistentin lachte, es klang wie ein Gackern.

Anita beachtete keine der beiden mehr. Sie kam zu mir und lächelte. „Du siehst umwerfend aus, Schätzchen. – Ist sie nicht eine Märchenprinzessin?“, fragte sie in die Runde.

Jean-Claudes Assistentin brachte mein Krönchen; Anita nahm es ihr aus der Hand, setzte es selbst auf mein Haar und wackelte ungeduldig mit den Fingern, bis ihr das Mädchen auch die Klammern in genau meiner Haarfarbe überreichte. Mit geübten Bewegungen befestigte sie eine nach der anderen an dem inneren Rahmen des Krönchens und meinem Haar.

Durch Rütteln überzeugte sie sich, dass das Diadem bombenfest saß. „Perfekt“, entschied sie. Erst dann fiel ihr wohl mein Schweigen auf. „Was sagst du dazu, gefällt dir dein neuer Look etwa nicht?“

„Ich sehe aus wie ein Törtchen“, entschlüpfte mir. „Ein Blaubeermuffin mit essbarem Glitzer.“

Anita war sichtlich enttäuscht. „Schätzchen.“ Sie umfasste meine Schultern und lehnte sich näher. „Du hast so viele Gesichter, die du der Welt zeigen darfst. Diese Prinzessin ist eine davon. Lass sie heute für mich funkeln und strahlen.“

Ihr Lächeln hielt mich gefangen, bis ich zurück lächelte und mich tatsächlich ein wenig besser fühlte. Anita zog mich in eine rasche Umarmung, ohne mein Make-up oder meine Frisur zu gefährden. Sie war gut darin – verstand, dass man auch in gefühlvollen Momenten auf sein Aussehen achten musste. Dad und ich kannten sie beide erst seit drei Jahren, trotzdem hatte ich mich meiner echten Mutter nie so nahe gefühlt wie ihr.

„Abmarsch!“, bedrängte uns Joyce. Sie scheuchte uns alle aus der Garderobe, joggte voran und verschwand am Ende des langen Flurs. Hellere Streifen und hervorstehende Haken an den mit Holz getäfelten Wänden verrieten, wo die Crew Spiegel oder Gemälde abgehängt hatte, um mehr Platz für die Kameras zu schaffen.

Mit jedem Schritt, den wir uns der Treppe näherten, fühlte ich, wie mein Herz schneller schlug. Scheinbar neigte ich zu Lampenfieber. Wer hätte das gedacht? Rasch lenkte ich mich wieder mit der Auflistung meiner Prinzen ab. Die Nr. 12, Moses Daniels, kam aus Mississippi. Ob ihn seine Mutter dort wohl in einem Weidenkörbchen am Flussufer gefunden hatte?

Und die unheilvolle Nr. 13 …

Am oberen Treppenabsatz wartete mein Vater, der König. Mit einem Lächeln reichte er mir seinen Arm. Er trug eine schwarze Hose, kniehohe Reitstiefel und trotz der Julihitze einen hochgeschlossenen, blauen Mantel. Ein breiter Gürtel hielt sowohl diesen als auch die mit Goldfäden bestickte Schärpe zusammen, die von seiner rechten Schulter hing. Auf seinem Kopf saß eine goldene Krone.

Er war natürlich nicht mein echter Vater. Dad musste zehn Jahre jünger als dieser Mann sein und war, so lange ich mich zurück erinnerte, noch nie in der Öffentlichkeit Arm in Arm mit mir aufgetreten. Den Namen des Schauspielers hatte ich schon wieder vergessen. Ich erkannte aber sein Gesicht mit dem sorgfältig gestutzten, grau-schwarz gesprenkelten Vollbart von kleinen Gastrollen in ein paar TV-Serien wieder. Die Produktionsassistentin warnte uns beide: „Macht euch bereit.“

Anita drängte sich zwischen sie und uns. „Hals- und Beinbruch“, raunte sie und gab mir einen Klaps auf die Schulter. Ich wollte witzeln, dass ich mir in den königsblauen Ballerinas unmöglich ein Bein brechen könnte und viel eher Gefahr liefe, von meinem Blaubeermuffinkleid erdrückt zu werden, doch die Worte blieben mir im Hals stecken.

Schon zischte die Produktionsassistentin: „Los!“, und wir schritten die Treppe hinab. Der Benimmcoach hatte diesen Auftritt fast eine Stunde lang mit mir geübt. Damals hatte ich das für übertrieben gehalten, nun war ich ihm dankbar. Es wäre unglaublich peinlich gewesen, zu stolpern und vor den Kameras und dem unten versammelten Rest der Produktionscrew auf die Nase zu fallen.

Grelles Scheinwerferlicht blendete mich bei jedem Schritt. Mein Reifrock schwang hierhin und dahin, ich musste aufpassen, den König damit nicht zur Seite zu fegen. Ob der Prom-Ausstatter, der meine Outfits sponserte, ernsthaft glaubte, irgendein Mädchen würde sich beim Zusehen in dieses Kleid verlieben? Man könnte damit bei einem Schulball höchstens dekorativ in der Ecke stehen. Am besten neben dem Dessertbüfett, wo man perfekt ins Bild passen würde.

„Cut!“, befahl Joyce, als wir die Eingangshalle erreichten. Meine Knie zitterten. Egal – ich hatte es geschafft; hatte meinen großen Auftritt hingelegt, ohne die Treppe herunterzupurzeln. Stolz blinzelte ich ins Scheinwerferlicht. Jenseits der Doppeltüren der Halle, die weit offen standen, erstreckte sich eine lange Auffahrt. Noch mehr Crewmitglieder positionierten dort diverse Kameras, und hinter ihnen hatte sich etwa ein Dutzend Jungs versammelt.

Meine Prinzen.

Während Joyce mit einem Kameramann diskutierte, entzog ich dem König meinen Arm und glitt auf die Marmorstufen zu, die ins Freie führten. Niemand hielt mich auf. Die Jungs bemerkten mich fast sofort. Ich sah, wie sie einander mit den Ellbogen anstießen und auf mich deuteten. Zwei oder drei Kandidaten strichen sich nervös durchs Haar. Einer hob die Hand und winkte.

Porter! Seine kaffeebraune Haut und seine kurz geschorenen Locken sahen genauso aus wie auf dem Bewerbungsfoto, und sein gewagter pfauenblauer Anzug stach aus der Masse von klassischem Schwarz hervor. Ich erwiderte sein Lächeln. Prinz Nr. 5 oder 6 neben ihm – Bertrand oder Jonathan? Die beiden Blondschöpfe ähnelten einander fast wie Zwillinge – trug zum schwarzen Anzug eine pinke Fliege, ein pinkes Einstecktuch und eine pinke Nelke am Revers. Sam Aizawa, mit seinen knappen Neunzehn der jüngste Kandidat, hatte seine langen, schwarzen Stirnfransen zu einer Elvis-Tolle geföhnt. Seine schlaksige Gestalt steckte in einem Designeranzug, der mit Rosen und Blättern bedruckt war. Ein hochgeschlossenes weißes Hemd und glänzende Lackschuhe rundeten den Trendsetter-Look ab.

Heimlich hielt ich Ausschau nach der unheilvollen Nr. 13. Ich erwartete nicht wirklich, ihn jetzt schon zu sehen. Wenn einer der Jungs vor laufender Kamera einen dramatischen Auftritt abliefern würde, dann doch sicher …

Nein! Da war er. Conor Byrd stand ein wenig abseits und lächelte spöttisch. Sein stinknormaler Anzug mit schwarzer Fliege und weißem Hemd war eine Enttäuschung. Von einem aufstrebenden Stern am Rockhimmel hätte ich mir mehr Kreativität erwartet.

Seit bekannt geworden war, dass Conor Byrd, Rockstar und Mädchenschwarm, als Kandidat bei Ungeküsst mitmachen würde, liefen auf Social Media die Spekulationen heiß. Ein paar abgebrühtere Fans glaubten an einen PR-Stunt: Die Show wolle ihre Ratings verbessern, Conor sein Album promoten. Der Rest schrieb Postings in Romanlänge darüber, wie einsam Conors Rockstarleben sein musste und wie sehr er sich nach der wahren Liebe sehnte.

Seine Bio war kurz und prägnant gewesen. Alter: 23. Heimatort: irgendein Kaff in Kalifornien „und alle Konzertbühnen dieser Erde“. Beruf: „Rockstar“, „Musiker“ hätte wohl zu bescheiden geklungen. Sein Lebensmotto: „Prinzessin, ich rocke deine Welt.“ Niemand sonst hatte mich in seiner Bio direkt angesprochen. Hatte Conors Manager ihm verraten, dass ich diese Kärtchen las?

Mir blieb keine Zeit, um mehr als einen flüchtigen Blick auf ihn zu werfen. Die Assistentin von vorhin eilte herbei. „Ton ab!“ hieß es, „Ton läuft“, „Kamera ab!“, „Kamera läuft“ und „Ungeküsst Folge eins, Szene drei, Take eins.“

„Action!“ Der König begann mit seiner vorbereiteten Rede. Während er sprach, zählte ich heimlich die Jungs. Es waren elf, zwei Prinzen fehlten.

„Maple, bist du bereit?“ Scheinwerfer, Kamera, Ton: Alles richtete sich auf mich. „Und Action!“

Meine Kehle war plötzlich trocken, doch es gelang mir, zu flöten: „Ich bin Maple, und ich wurde noch nie geküsst.“

Das „wurde“ war wichtig. Anita hatte mir eingeschärft, bloß nicht „ich habe noch nie geküsst“ zu sagen: „Prinzessinnen küssen nicht. Sie werden geküsst.“

Was auf mich so garantiert nicht zutraf, aber der Satz hatte einfach Tradition. Auch die Prinzessinnen der beiden Vorgängerstaffeln hatten sich damit vorgestellt.

Nach drei weiteren Takes waren wir drinnen fertig und durften raus. Der König und ich standen auf dem Rasen neben der Auffahrt. Im letzten goldenen Abendlicht näherte sich ein Reiter. Das musste Harrison, der Farmboy, sein – ich erkannte ihn an seinen semmelblonden Haaren. Die Hufe klapperten auf dem Asphalt, Harrison zügelte seinen Schimmel und sprang gekonnt aus dem Sattel. Ein als Diener verkleideter Produktionsassistent führte das Pferd weg. Sehnsüchtig blickte Harrison den beiden nach.

„Cut!“, rief Joyce. Sie wandte sich an Harrison: „Deine Prinzessin steht übrigens da drüben.“ Also dachte sie das Gleiche wie ich: dass ich für Harrison offenbar schon mal Konkurrenz hatte, und zwar solche mit vier Hufen.

Nun fehlte nur noch ein Prinz. Beim nächsten „Action!“ räusperte sich der König. „Da nun alle zwölf Bewerber versammelt sind …“, begann er hoheitsvoll.

„Eure Majestät, wartet!“, ertönte es von hinten. Ein dicklicher junger Mann hopste und tänzelte über den Rasen auf uns zu. Kein Prinz. Ein Hofnarr! Er trug knallrote Leggings, ein tief ausgeschnittenes, gelbes Hemd, rot-gelbe Schuhe mit langen, ausgestopften Spitzen, die sich ringelten, und eine rote Kappe. Von jedem ihrer drei Zipfel baumelte eine Schelle.

Alex, der Surfer, lachte ungläubig. Ich konnte es ihm nicht verdenken.

„Cut“, bellte Joyce. „Noch mal! Und zwar weniger Kindergeburtstag und mehr Romantik!“

Der Hofnarr joggte zurück zu seinem Ausgangspunkt. Er musste viermal wieder kommen, das letzte Mal mit ein paar tollpatschigen Luftsprüngen nach links und rechts, ehe Joyce Mitleid hatte und ihn bis vor meine Füße hopsen ließ. Längst hatte ich die Nr. 10 meiner Prinzen erkannt: Dino Giordano. Mit sechsundzwanzig Jahren war er der Älteste im Feld und führte bereits sein eigenes Restaurant in Chicago. Auf dem Bewerbungsfoto hatte er eine Kochmütze mit der Aufschrift „Küss den Koch“ getragen.

Die Schellen klimperten, als er sich nun vor dem König verneigte. „Mein Name ist Dino, genannt der Lustige. Ich stehe Euch als Hofnarr und Koch zur Verfügung. Und da ich weiß, dass Ihr nur goldene Teller für zwölf Gäste besitzt, habe ich meinen eigenen mitgebracht.“

Er zog ihn aus dem tiefen Ausschnitt seines Hemds. Der Teller war aus Plastik und mit Sprühfarbe vergoldet. Ein paar verschwitzte, schwarze Brusthaare klebten daran. Ich nahm ihn mit spitzen Fingern entgegen und schwor mir, lieber zu verhungern, als auch nur einen Bissen davon zu essen.

Sag „Cut“, sag „Cut“, sag „Cut“, beschwor ich Joyce im Stillen. Keiner der anderen Jungs grinste oder lachte mehr. Sie mussten neidisch sein, weil die Kameras Dino so viel Aufmerksamkeit widmeten.

„Cut!“ Der Ruf erlöste mich. Joyce befahl eine Drehpause. Das Team der Maske eilte mit Puderpads und Haarspray herbei. Bobbi, die Kostümkoordinatorin, marschierte wie ein Feldwebel in einem roten Hosenanzug und Stiletto-Heels auf die Jungs zu und kommandierte sie herum, bis sich alle in einer Reihe arrangiert hatten. Hofnarr Dino stand neben Harrison, dem berittenen Farmboy, der ihn um mehr als einen Kopf überragte. Ob sie ahnten, dass es keiner von ihnen beiden ins Finale schaffen würde?

Im Fernsehen käme nun die knallpinke Titelkarte des ersten Gruppendates: Es war einmal … Bei diesem Date schritt die Prinzessin am Arm des Königs die Reihe der Prinzen ab. Jeder durfte zwei Sätze sagen, einen über Ritter, den anderen über sich selbst. Das klang dann ungefähr so: „Ritter kämpften gegen Drachen. In meinen Armen kannst du dich sicher und beschützt fühlen.“ Nach zwei Vorgängerstaffeln hatte ich schon jede Menge solcher Sprüche gehört und war ehrlich gespannt, ob sich einer meiner Jungs etwas Kreatives einfallen lassen würde.

Alex, der Surfer, machte den Anfang: „Ritter vertrauten im Kampf auf ihren Instinkt. Mein Instinkt verrät mir, dass wir beide auf derselben Wellenlänge liegen. Komm, surf mit mir.“ Die letzten paar Worte murmelte er sehr schnell, wohl in der Hoffnung, dass es so eher wie nur zwei Sätze klänge.

„Noch mal ohne das Genuschel am Ende“, verlangte Joyce auch sofort.

Zu mir sagte sie: „Lächle. Er gefällt dir.“ Ich tat mein Bestes, obwohl ich Surfen nicht gerade ritterlich fand und schulterlange, blonde Haare bei Jungs schon gar nicht mein Ding waren.

Das Date dauerte im Fernsehen keine zehn Minuten, beim Dreh aber eine gefühlte Ewigkeit. Prinz Nr. 7, Felipe Rodrìguez Pérez, umklammerte seinen Hemdkragen mit beiden Händen, als wir zu ihm kamen. Sein Lebensmotto gemäß der Bio lautete: „Allzeit bereit“. Bereit wozu – etwa zur Flucht?

Nein: Kaum rief Joyce „Action!“, riss er sein Hemd auf. Zwei oder drei Knöpfe sprangen ab, und ein T-Shirt mit einem Pfadfinderlogo kam zum Vorschein. „Pfadfinder sind die Ritter unserer Zeit“, verkündete er. „Lass mich dein moderner Ritter sein.“ Das klang wenigstens halbwegs interessant. Ich nahm mir vor, herauszufinden, was genau er meinte.

Ihm folgte Prinz Nr. 8, Chisholm, Student mit Einser-Notenschnitt an einer Elite-Uni. Laut seiner Bio hatte er gerade ein Stipendium für irgendwas mit Robotern gewonnen, von dem ich nicht die Bohne verstand. Er kam sofort zur Sache: „Im Mittelalter schrieben Mönche die Geschichten der Ritter auf. Ich will mit dir Geschichte schreiben und dabei ganz sicher kein Mönch sein.“

WTF? Ich riskierte einen Seitenblick. Der König wirkte so schockiert wie ich, seine Augenbrauen verschwanden fast unter seiner Krone. Leider ließ mich Joyce nicht vor laufender Kamera fragen, ob es im Mittelalter normal oder auch nur okay gewesen wäre, eine Prinzessin gleich beim ersten Treffen um Sex zu bitten.

Dino grinste unter seiner Narrenkappe. „Auch im Mittelalter liebten es die Frauen, wenn ein Mann sie zum Lachen brachte. Ich will dein Ritter und dein Spaßmacher sein.“ Er hopste von einem Bein aufs andere, als müsste er aufs Klo. Ich zwang mich zu einem Lächeln, weil Joyce das forderte. Dabei erinnerte er mich noch am ehesten an eine dieser Klavier spielenden Katzen auf YouTube, die ich auch nicht daten wollte.

Farmboy Harrison blieb seinen Wurzeln treu, und das wortwörtlich: „Ritter verbrachten viel Zeit in der freien Natur. Wenn du dich für mich entscheidest, pflanze ich dir zu Ehren auf unserer Farm einen Ahornbaum.“

Mal langsam, war alles, was ich denken konnte. Maple hieß zwar „Ahorn“, aber was für eine Art von Liebeserklärung sollte das sein? Und „unsere“ Farm? Ich sah mich auf unseren Dates schon Kuhmist schaufeln!

Die Nr. 12, Moses, war fast noch schlimmer als Chisholm: „Ritter kämpften mit Lanzen oder Schwertern. Mein Namensvetter Moses aber teilte mit seinem Stab das rote Meer.“ Er grinste schmierig. Wenn er auch noch angeboten hätte, mir seinen Stab zu zeigen, hätte ich ihn auf der Stelle rausgeschmissen.

Bis wir zu Conor Byrd ganz am Ende der Reihe kamen, mussten eineinhalb Stunden vergangen sein. Seine gelangweilte Miene überraschte mich daher nicht. Während Joyce einem Tontechniker irgendwas befahl, nutzte ich die Chance und betrachtete meinen Rockstar-Prinzen ausgiebig aus der Nähe. Conors brünette Haare waren kunstvoll zerzaust. Sein schwarzer Smoking hatte an den Taschen und am Revers seidene Akzente, Eleganz gepaart mit Schlichtheit. Das blütenweiße Einstecktuch passte dazu, die ungebundene Fliege weniger. Dabei war Conor hier vermutlich der Einzige, der sich im Alltag einen professionellen Stylisten leisten konnte. Schwer zu glauben, dass er den modischen Fauxpas nicht bemerkt hatte.

Der Blick seiner grauen Augen bohrte sich in meinen. Ertappt sah ich weg. Und plötzlich wirkte Conor hellwach, er lehnte sich weit auf mich zu und grinste. „Sei nicht schüchtern. Du darfst mich ruhig um ein Autogramm bitten. Ich signiere dir auch alles, was du willst.“ Sein Blick streifte meinen unbedeckten Hals und glitt rasch tiefer.

„Statt mich anzumachen, solltest du erst mal deine Fliege binden“, gab ich scharf zurück.

Er schnaubte. „Wieso? Das sieht doch aus, wie es soll. Nennt sich persönlicher Stil“, erklärte er mir von oben herab. „Wirst du noch lernen.“

„Dein persönlicher Stil ist ,betrunkener Ballbesucher am Morgen danach‘?“, begann ich hitzig und wollte mehr sagen.

Leider hieß es da schon wieder: „Action!“ Sogleich verwandelte sich Conor in einen oscarreifen Romantiker. „Ritter mussten nicht nur im Kampf geübt sein, sondern auch in der Musik“, säuselte er schmierig. „Ich lege dir mein Schwert und meine Gitarre zu Füßen.“

Er sank vor mir auf ein Knie. Ich reagierte zu spät: Bevor ich meine Hand zurückziehen konnte, hatte er sie sich geschnappt und führte sie an seine Lippen. Seine Augen funkelten triumphierend.

2. Kapitel

Der zweite Teil des Abends begann mit einer Party für die Jungs. Sie durften auf dem Rasen hinter dem Schloss Champagner trinken, während ich in der Maske hockte. Der Drehplan sah nämlich vor, dass ich nun einen Prinzen nach dem anderen in meinen privaten Gemächern empfangen würde. Sitzend! Und Sitzen war mit dem Blaubeermuffinkleid definitiv nicht drin.

Janice, die Haarstylistin, fixierte meine Frisur. Sie war eine plumpe Mittvierzigerin. Mit ihren karierten Männerhemden und Westen, den Totenkopfringen und den Lederarmbändern hätte sie genauso gut in einer Bikerbar arbeiten können wie am Set einer Dating-Show. Irina, die Visagistin mit dem schmalen, blassen Fuchsgesicht, bearbeitete mit Puderpads meine Stirn. Der grüne Salon, in dem wir saßen, hatte ein Fenster zum Garten. Halblaute Stimmen und Gelächter waren zu hören, gefolgt von Gläserklirren. Jemand sprach einen Toast aus.

„Wenn das meine Party sein soll, warum kriege ich davon so gut wie nichts mit?“

„Betrachte es so“, antwortete mir Janice trocken. „Dir geht es genau wie einer echten, mittelalterlichen Prinzessin.“

Mein neues Kleid war wieder bodenlang. Zumindest blieben mir die Tüllrüschen erspart! Der weit ausgestellte Rock floss an meinen Beinen herab wie Wasser, hellblauer Chiffon und ein Streifen Silberstickerei an der Taille ließen ihn feenhaft leicht wirken. Das Oberteil hatte einen tiefen Ausschnitt, den ein Halbkreis aus Spitze verdeckte. Und das Beste: Weil ich saß, durfte ich Heels tragen. Meine Füße begrüßten die wasserblauen Pumps wie alte Freunde.

Bobbi positionierte mich auf der cremefarbenen Couch im blauen Salon nebenan. Ich bekam sogar einen Hofstaat: Suzy, die gackernde Produktionsassistentin, ihre bildhübsche Freundin Lilian und Jean-Claudes schüchternes Helferlein aus der Garderobe. In ihren schlichten cremefarbenen Kleidern mit je einer gelben, grünen oder rosa Schleife sahen sie eher wie Brautjungfern als wie meine Hofdamen aus.

Auch für dieses Date galten strenge Regeln. Die Prinzessin stellte jedem Prinzen dieselbe Frage. In meinem Fall: „Ich habe noch nie gedated. Wohin würdest du mich für unsere erste Verabredung entführen?“

Wenigstens durfte ich diesmal „Ich habe“ statt „Ich wurde noch nie gedated“ sagen. Das mit dem Entführtwerden klang schon übel genug.

Sam Aizawa hatte das Pech, die Nr. 1 zu sein. Nachdem ich ihm meine Frage gestellt hatte, starrte er mich eine knappe Minute lang mit weit aufgerissenen Augen an, bevor er sich zusammenriss und etwas von einem Skaterpark daheim in NYC mit einer echt geilen Halfpipe murmelte. Auf seinem Bewerbungsfoto hatte er einen Hoodie mit einer tief in die Stirn gezogenen Kapuze getragen. Ein Verdacht entstand in mir: Hatte ihm Anita oder sonst jemand eingeredet, der Trendsetter im bedruckten Anzug wäre bloß ein weiteres seiner vielen Gesichter?

Verlegen schlich er zur Tür und drehte sich dort noch mal um. „Stinken meine Füße auch nicht?“, murmelte er kaum hörbar. „Der Stylist hat gesagt, diese Art von Schuhen trägt man ohne Socken.“

Suzys Gackern und Lilians Kichern folgten ihm nach draußen, aber für mich war Sam Aizawa damit schlagartig eine Runde weiter. Um nichts in der Welt würde ich ihn glauben lassen, die fehlenden Socken hätten ihn um seine Chance gebracht.

Ein Prinz nach dem anderen wurde hereingeführt. Alex wollte mit mir surfen, Harrison reiten. Ich fragte mich, ob er auf ein Date mit seinem Pferd hoffte oder auf eines mit mir. Dino plante mir sein Restaurant zu zeigen. Er beschrieb alles bis ins kleinste Detail – die weiße Kerze am Tisch, die gedämpfte Musik eines italienischen Komponisten, die Hühnerleber-Crostini als Appetithäppchen –, bis ich mich nicht mehr beherrschen konnte und herausplatzte: „Das Date findet also an deinem Arbeitsplatz statt?“

„Cut“, befahl Joyce. Dino öffnete den Mund. „Das reicht!“ Er trottete mit hängenden Schultern hinaus. Suzy machte hinter seinem Rücken eine obszöne Geste, über die Lilian so sehr kicherte, dass sie Schluckauf bekam und wir eine Drehpause einlegen mussten.

Chisholm, der kein Mönch sein wollte, hatte für mich ein Gedicht geschrieben. Joyce seufzte tief und genervt, als er den eng zweiseitig bedruckten Zettel aus seiner Anzugbrust zog. „Beantworte einfach nur die Frage“, verlangte sie, und zum ersten Mal an diesem Abend fühlte ich mit ihr.

Chisholm starrte sie so empört an, als hätte sie ihm befohlen, Shakespeares gesammelte Werke zu verbrennen.

„Gut“, entschied er in einem eisigen Ton, der mich erschaudern ließ. Er wandte sich an mich: „Für unsere erste Verabredung würde ich dich zu einem Poetry-Slam entführen. Und dort würde ich die Bühne betreten und dir dieses Gedicht vortragen.“

Er legte los. Zu Beginn nahm ich mir vor, irgendetwas Positives über seine lyrischen Ergüsse zu sagen. Doch mit jeder Zeile fiel es mir schwerer. Das Gedicht war unglaublich lang und noch dazu voller schwülstiger Vergleiche, die sich alle fast, aber nie ganz mit meinem Namen reimten. Einmal kicherte das Mädchen aus der Garderobe. Sie hatte bis dahin keinen Mucks von sich gegeben und presste sofort erschrocken eine Hand auf ihren Mund. Doch Chisholm hörte auf zu lesen und starrte sie so finster an, als malte er sich gerade aus, wie er ihr eine Lanze ins Herz rammte.

„Wir brauchen ein Trinkspiel“, flüsterte Lilian bei der x-ten Erwähnung eines Ritters in schimmernder Rüstung.

„Mit einem Trinkspiel lägen wir schon im Koma“, raunte Suzy gut hörbar zurück. Und kaum war Chisholm fertig und draußen, fasste sie in Worte, was wir alle fühlten: „Ich sterbe hier! Wie lange dauert das noch?“

Sie stupste mit einem Absatz ihrer Pumps Lilians Bein an. „Hast du nichts in deiner Handtasche?“

Lilian warf einen erschrockenen Seitenblick auf Joyce, bevor sie den Kopf schüttelte. Ich wusste seit dem Dreh der Promo, dass sie in ihrer riesigen Handtasche nicht nur Mini-Wodkafläschchen, sondern meistens auch jede Menge Tabletten mit sich herumschleppte. „Falls mal jemand Kopfweh bekommt“, hatte sie mir ernst erklärt. Etwas daran musste witzig gewesen sein, denn Suzy neben ihr hatte laut gelacht, aber ich hatte nicht weiter gefragt. Ich wollte mir nicht den Ruf eines Dummerchens einhandeln, das nichts vom Fernsehen verstand.

Jetzt zog Suzy eine Schnute, und sie und Lilian bettelten für uns alle um Energydrinks oder wenigstens Kaffee. Aber das Einzige, was wir bekamen, waren Wasserflaschen mit Strohhalmen drin, damit wir unsere Kleider nicht bekleckern würden. Meine Gesichtsmuskeln und Zähne schmerzten bereits vom vielen Lächeln. Bis Conor gegen drei Uhr morgens als letzter Prinz zu uns geführt wurde, hatte ich von den Dreharbeiten gründlich die Schnauze voll.

„Wohin würdest du mich für unsere erste Verabredung entführen?“, leierte ich die Frage herunter, die mich heute Nacht garantiert bis in meine Träume verfolgen würde.

„Ich könnte jetzt ,zu einem geilen Konzert‘ sagen. Aber die Prinzessin wünscht kein Date am Arbeitsplatz, habe ich gehört.“ Siegessicher grinste er mich an.

Meine Gedanken schwirrten im Kreis. Woher wusste er von Dinos Antwort? Hatte er meine Gespräche mit den anderen Kandidaten belauscht? Kannte er womöglich auch Chisholms schreckliches Gedicht?

„Cut!“, befahl Joyce, und mir wurde klar, dass ich mit halb offenem Mund glotzte. Peinlich berührte wandte ich mich ab.

„Noch mal!“

Conor trommelte genervt mit zwei Fingern auf seinem Bein. Sobald die Kameras liefen, hörte er schlagartig damit auf und bemühte sich um einen verliebten Gesichtsausdruck.

„Mein perfektes Date mit dir wäre dieses: Ich leihe mir von einem Kumpel seinen Privatjet und entführe dich auf meine Ranch in die einsamen Berge von Kalifornien. Und dann …“ Lässig zuckte er die Schultern. „Ich bin mir sicher, wir finden für uns beide eine Beschäftigung.“

Ich warf einen Hilfe suchenden Blick rüber zu Joyce. Sie wedelte mit einer Hand „Weiter, weiter“, also öffnete ich den Mund.

Heraus kam, ohne dass ich es so recht wollte: „Klingt gut. Vor allem das mit der Einsamkeit.“

Sein gekränkter Gesichtsausdruck verriet, dass mein Seitenhieb voll ins Schwarze getroffen hatte. Ich war hundemüde und er ging mir auf die Nerven. Trotzdem hatte ich den giftigen Blick nicht verdient, den er mir zuwarf! Hoffte ich.

Wenigstens war das Dating-Spiel damit zu Ende, wenn auch leider noch nicht der Marathon von einem Dreh. „Möge der schlechteste Dichter hochkant rausfliegen“, raunte mir Suzy zu, als meine Hofdamen den Raum verließen.

Lilian ergänzte hoffnungsvoll: „Wenn du Felipe nicht willst, darf ich ihn haben?“

„Wieso Felipe? Glaubst du, er wäre allzeit bereit für–?“, hörte ich Suzy gackern, ehe die Tür hinter ihnen zufiel.

Joyce gestand mir fünfzehn Minuten zu, um mich zu entscheiden. Dann ließen auch sie und der Rest der Crew mich allein, sodass ich endlich zu meinem Umschlag greifen konnte. In ihm steckte das am besten gehütete Geheimnis der Show: die Fotos der Kandidaten – nicht in ihrer offiziellen, sondern in ihrer wahren Reihenfolge. Hilfreiche Post-Its markierten, wo der zweite und wo der dritte Stapel begann.

Die Sache war nämlich die: Schon vor Drehbeginn hatte Anitas PR-Team die Jungs anhand ihrer Bewerbungen, Interviews und Testergebnisse in drei Stapel sortiert. Der dritte trug die inoffizielle Bezeichnung „Kanonenfutter“ und umfasste die Außenseiter, Nerds und Spinner, die Lachnummern, die kein Mädchen ernsthaft daten wollte. Der zweite beinhaltete die Langweiler und Normalos, die das Publikum zwar ganz sympathisch finden sollte, aber mehr auch nicht. Und dann gab es noch den ersten Stapel, Anitas „High Profilers“. Die Elite. Die Stars. Aus dieser Liste möglicher Sieger durfte ich mir am Ende einen aussuchen und hoffen, dass der auch irgendetwas für mich empfand. So viel zur Tagline der Show: Eine Prinzessin findet die wahre Liebe.

Ich fächerte die Karten des dritten Stapels vor mir auf. Dank seiner schlüpfrigen Vorstellung und der Katastrophe von Gedicht war Chisholm für den ersten Rauswurf mein klarer Favorit. Gefolgt von Moses nach seiner zweideutigen Bemerkung über den Stab und das Rote Meer – doch ich erinnerte mich vage, dass mich Anita davor gewarnt hatte, ihn gleich zu Beginn abzuservieren. Warum auch immer. Sam Aizawa war definitiv eine Runde weiter, und Felipe hatte mich mit seinem „Pfadfinder sind die modernen Ritter“-Spruch zumindest neugierig gemacht.

Blieben also Harrison, Alex und Dino. Was wollte ich am wenigsten? Surfen, reiten oder mir in Dinos Restaurant einen Abend lang seine Späße anhören? Bestimmt würden sich seine Angestellten über das Gehopse mit der Narrenkappe schlapplachen. Wenn ihn der peinliche Auftritt nicht wenigstens eine Runde weiter brächte, dürfte er sich zu Hause wahrscheinlich gar nicht mehr blicken lassen.

Ich wog meine Möglichkeiten ab und sortierte schließlich Harrison aus. Er konnte sich mit einem langen Ritt durch ein Ahornwäldchen trösten.

Dreizehn müde Ritter warteten draußen auf mich. Ich schritt die Reihe diesmal allein ab, der König lag vermutlich schon im Bett. Elf mehr oder weniger heiße Jungs auf die Wange zu küssen klang nach keiner großen Herausforderung. Aber elf Jungs, von denen jeder mindestens eine Stunde in der Maske und dann den ganzen Abend im grellen Scheinwerferlicht verbracht hatte? Bis ich zu Jonathan nahe dem Ende der Reihe kam, klebte so viel Make-up an meinen Lippen, dass ich Suzy erst mal um ein Taschentuch bitten und höchst undamenhaft reinspucken musste. Ich nahm mir heimlich vor, in Zukunft nur mehr auf den Mund zu küssen. Es wäre jedenfalls hygienischer.

Chisholm ging leer aus. Er presste zornig die Lippen aufeinander. Ich hoffte nur, dass er nicht seinen Roboter auf mich hetzen oder vor lauter Enttäuschung über die menschliche Rasse ein Killer-Satellitennetz programmieren würde. Harrison dagegen lächelte verträumt, als ich ihm den Kuss verweigerte. Wahrscheinlich dachte er an meine Konkurrenz mit den vier Hufen.

Conor war wieder der Letzte in der Reihe. Sobald ich ihm ein Küsschen auf die Wange drücken wollte, wandte er blitzschnell den Kopf, sodass meine Lippen seine streiften. Ich wich zurück und funkelte ihn an. Er lehnte sich weit vorwärts. Seine grauen Augen versuchten mich zu hypnotisieren, als wäre ich ein Kaninchen und er die Schlange. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass er mich trotz der Heels noch um einen halben Kopf überragte.

„Nimm‘s locker, Prinzesschen“, raunte er belustigt, während ich mir nur wünschte, ihm das selbstzufriedene Grinsen vom Gesicht zu fegen. „Jetzt bist du nicht mehr ungeküsst.“

3. Kapitel

Todmüde fiel ich nach dem Ende des Marathon-Drehs in mein Bett. Und wachte erst auf, als die Mittagssonne grell durch die Vorhänge strahlte.

Ich hatte vom Abschlussball meiner Highschool geträumt. „Wenn du mit einem Jungen hingehst, bist du für den Abend seine Gefangene“, hatte mich meine beste Freundin Lindi schon Wochen vorher gewarnt. „Geh ohne Date hin, und du kannst mit Dutzenden Jungs Spaß haben!“ Sie hatte recht behalten. Wir hatten stundenlang getanzt, Selfies gepostet, sogar gewettet, wer die meisten Jungs dazu kriegen würde, uns Gläser mit Bowle oder Schälchen mit Erdnüssen und Salzstangen an den Tisch zu bringen.

Schlaftrunken wälzte ich mich herum, starrte an die Decke meines Hotelzimmers und dann an die cremeweiße Wand, bis mein Blick am Flachbildschirmfernseher hängen blieb. Einer Eingebung folgend angelte ich die Fernbedienung vom Nachtkästchen und klickte auf „An“.

Nichts passierte.

Ich erhob mich gähnend, wankte zum Fernseher und probierte alle Knöpfe durch; steckte das Stromkabel in die Dose für die einwandfrei funktionierende Stehlampe und tauschte schließlich sogar die Batterien der Fernbedienung gegen jene des Weckers, den ich im begehbaren Kleiderschrank fand. Ohne Erfolg. Schade. Ich hatte halb gehofft, ich könnte Anitas Technik-Team austricksen und mein gewohntes Frühstücksfernsehen genießen.

Zum Trost gönnte ich mir den Luxus einer ausgiebigen Dusche, zog mich an und wollte auf die Suche nach einem Frühstücks- oder eher Mittagsbüfett gehen, bevor mir einfiel, dass auch das tabu war. So rief ich den Zimmerservice an und bestellte Brunch für eine Person. Danach blätterte ich in den Hotelbroschüren und fragte mich, wer von den Jungs noch schlief. Schwamm Alex, der Surfer, bereits im Pool? Schwitzte Footballspieler Darren gerade im Fitnessbereich? Conor Byrd posierte vermutlich vor dem Spiegel. Oder lag noch im Bett und träumte von Groupies, die ihn anbettelten, ihre Brüste zu signieren.

Conor hatte mich gestern Nacht geküsst. Jeder, selbst Anita, würde lachen, wenn ich mich laut darüber beklagte. Küssen gehörte hier schließlich zum Programm.

Ich war außerdem nicht gerade kussscheu. Beim Abschlussball hatten Lindi und ich unter anderem auch gewettet, wer innerhalb von fünfzehn Minuten die meisten Küsse erobern könnte. Ich hatte mit sechs zu acht Punkten nur knapp verloren. Und das, obwohl Lindi geschummelt und sich an die betrunkensten Jungs rangemacht hatte, die wahrscheinlich nicht mal mehr gewusst hatten, wie ihr Date für den Abend aussah oder hieß.

Aber das war meine Entscheidung gewesen, und genau darum ging es. Ich war der Star der Show, die ungeküsste Prinzessin. Ich war keines von Conor Byrds Groupies!

Die Anhänger der Show spekulierten seit Wochen darüber, ob Conors Berühmtheit ihm Vorteile verschaffen würde. Sie glaubten, ich ließe mich davon blenden. Dabei war das genaue Gegenteil der Fall. Ich konnte Conor schon jetzt nicht ausstehen und musste trotzdem bis zur Finalrunde so tun, als ob. Stars wie er, die Horden eigener Fans mitbrachten, landeten automatisch auf Stapel eins.

Genervt warf ich die Broschüren auf den Schreibtisch und trat ans Fenster. Wenn ich mich weit genug zur Seite lehnte, erhaschte ich einen Blick auf das angrenzende Miner‘s Castle mit seinen beiden spitz zulaufenden Türmchen. Unser Drehort lag im Norden des Bundesstaates Arkansas nahe irgendeinem Waldschutzgebiet. Ich wusste nicht viel darüber, nur, dass die Frau eines Minenbarons das Schloss in den 1930er Jahren geplant und dass ihr Mann den Bau mit seinem Vermögen aus den Blei- und Eisenerzvorkommen der Gegend finanziert hatte. Nun gehörte es einer Hotelkette. Die Fans hatten ihm den Spitznamen Kissin‘ Castle, das „Kuss-Schloss“, verpasst, und das Hotelgebäude, in dem wir wohnten, hieß für sie Kissin‘ Shack, die „Kuss-Bude“. Dabei machten es mir die superstrengen Produktionsregeln praktisch unmöglich, außerhalb der Dreharbeiten irgendwen zu küssen.

Während der ersten Staffel war nämlich das Gerücht aufgekommen, die damalige Prinzessin hätte sich mit einem Prinzen in dessen Hotelzimmer getroffen. Seither ging Anitas Team kein Risiko mehr ein. Im Hotel durfte ich niemandem begegnen, auch die Kontakte der Jungs untereinander waren auf das Nötigste beschränkt. Den Pool, die Wellness- und die Fitnessräumlichkeiten konnten wir uns für je eine halbe Stunde reservieren lassen, mit fünfzehn Minuten Pufferzeit zwischen den Terminen, damit es zu keinen Treffen im Flur kam. Videoüberwachung rund um die Uhr und ein Security-Team sorgen für die Einhaltung der Regeln.

Seufzend wandte ich mich ab. Das Thermometer am Fenster zeigte dreißig Grad Celsius an. Ideales Poolwetter. Aber wenn ich mir vorstellte, wie ich exakt eine halbe Stunde lang meine Kreise zog, während ein Kleiderschrank im Anzug daneben stand und mir zusah …

Dann schon lieber eine Massage. Ich griff zum Zimmertelefon und wollte mir eine buchen.

„Sehr gerne, Miss Leaf. Welche Zeit würde Ihnen passen?“

Es war kurz nach eins. „So gegen drei?“

Ein Kratzen folgte, als deckte jemand das Mikro mit einer Hand ab. „Tut mir leid“, hieß es nach einer Ewigkeit. „Der Termin ist für Sie nicht verfügbar. Vielleicht morgen Vormittag um elf?“

Also drehten wir heute. Ich legte grußlos auf, weil mich ärgerte, dass das Hotelpersonal den Drehplan kennen durfte, ich aber nicht. Um mir die Wartezeit aufs Essen zu verkürzen, öffnete ich alle Schubladen und Schränke. Ich fand ein abgegriffenes Päckchen Spielkarten, eine ebenso abgegriffene Bibel und ein funkelnagelneues, knallig pinkes Regelheft der Show.

Als mir Anita die Rolle der Prinzessin angeboten hatte, war ich Feuer und Flamme gewesen. Geile Dates, Sponsorengeschenke und Berühmtheit – was konnte sich ein Mädchen sonst noch wünschen? Ich war nicht etwa naiv genug, zu glauben, dass ich hier die große Liebe fände. Ich würde mit dem Sieger auf ein paar öffentliche Dates gehen, gemeinsam bei Wohltätigkeits-Events aufkreuzen und Pärchenfotos posten, mehr nicht. Doch die Prinzessin der ersten Staffel hatte weit über eine Million Follower auf Instagram und finanzierte sich so ihr Studium. Jene der zweiten Staffel hatte eine Gastrolle in einer TV-Serie ergattert. Auftritte in Talkshows, Schmuck- und Parfüm-Werbedeals, T-Shirt-Verkäufe, meine eigene Dating-App – die Möglichkeiten erschienen endlos.

Einstweilen aber brunchte ich allein, lackierte mir vor lauter Langeweile die Nägel lavendel-silber gestreift und fragte mich, was ich Lindi und dem Rest der Clique erzählen sollte, wenn sie mich nach Details zum Dreh fragten. „Ich musste stundenlang in meinem Hotelzimmer hocken und durfte nicht raus“ klang alles andere als glamourös. Hoffentlich hatte Anita wenigstens ein paar spektakuläre Dates für mich geplant. Fallschirmspringen zum Beispiel. Ritter mussten mutig sein, oder?

Gegen halb drei klopfte es. Ich sprang auf und lief zur Tür. Anita hatte versprochen, mich zu besuchen, wenn auch nicht oft. Niemand durfte wissen, dass wir uns privat kannten.

„Überraschung!“ Die Produktionsassistentin Lilian stand im Flur und lachte über mein verdutztes Gesicht. „Bist du bereit für dein nächstes Date?“

Rasch sah ich an mir herunter. Ich trug ein schwarzes Tanktop und Dreiviertelleggings. Definitiv kein Dating-Outfit, aber vermutlich okay für die Maske.

„Einzel- oder Gruppendate?“, fragte ich hastig, um Lilian von ihrer Betrachtung meines Nagellacks abzulenken. Natürlich wusste ich schon, dass das erste Date der zweiten Folge immer ein Gruppendate war.

„Sagen wir mal so: Während ich hier stehe, klopft Suzy gerade elf spärlich bekleidete Jungs aus den Betten.“ Schwungvoll ergriff sie meine Hand und zog mich in den Flur.

„Warte! Schuhe!“, fiel mir gerade noch ein, als meine nackten Zehen die Teppichfliesen draußen berührten.

Auf dem Weg zum Miner‘s Castle hielt ich vergeblich Ausschau nach Suzy und den elf verbliebenen Kandidaten. Janice erwartete mich in der Maske, auch Irinas Assistentin Laurel war dort.

Sie hatte gerade erst mit dem Make-up begonnen, da flog die Tür auf. Suzy steckte den Kopf herein. „Hat jemand eine Lieferung bestellt? Elf Jungs noch frisch und heiß, wohin soll ich sie bringen?“ Hinter ihr im Flur bemerkte ich Irina mit einem Make-up-Köfferchen in der Hand.

Janice wedelte mit einer Haarbürste. „Die Maske für die Jungs ist im Ballsaal.“

Neugierig lehnte ich mich in meinem Schminksessel seitwärts Richtung Tür. Trotz der Hitze und trotz Lilians Bemerkung vorhin über „spärlich bekleidete Jungs“ trugen alle Kandidaten, die ich sehen konnte, Anzüge.

„Netter Fummel“, rief mir Prinz Nr. 9, Gerard, zu und grinste. Eine kaffeebraune Hand in einem burgunderrot-weiß gestreiften Hemdsärmel, vermutlich Moses‘, zeigte mir den hochgereckten Daumen. Flink wie eine kleine Füchsin drängte sich Irina zwischen Suzy und den Jungs durch und knallte die Tür zu.

Ich hörte, wie sich die Gruppe draußen in Bewegung setzte. Auch Lilian schien zu lauschen. Kaum verklangen die Schritte der Jungs, eilte sie zum Ausgang. „Ich gucke mir die Show an. Wir können Suzy nicht mit all den Strippern allein lassen.“

Stripper? Doch sie war draußen, bevor ich auch nur den Mund geöffnet hatte. Hoffnungsvoll wandte ich mich Laurel zu. Die aber forderte von mir bloß: „Augen zu“ und griff nach einer von mindestens fünf Packungen mit falschen Wimpern auf dem Make-up-Tischchen.

Nach der Maske hieß es ab in die Garderobe. Mein heutiges Outfit war ein kurzes Cocktailkleid aus hellblauem Chiffon mit perlenbesticktem Oberteil. Jean-Claudes Assistentin überreichte mir dazu ein quadratisches Tuch aus dem gleichen hellblauen Stoff.

„Was soll ich damit?“ Ich hatte nicht einmal eine Tasche, um es einzustecken. Allenfalls könnte ich mir Luft zufächeln, aber das sähe im Fernsehen sicher bescheuert aus. Ein halbes Schulterzucken war die Antwort. Scheinbar wusste Jean-Claudes Helferlein auch nicht mehr als ich.

Ein Produktionsassistent, den ich nicht kannte, führte mich nach draußen. Ich verrenkte mir den Hals nach Lilian, Suzy und den Jungs. Leider sah man von der Einfahrt aus nur die vordere Fassade des Schlosses und die schwarzen Limousinen für die Crew, die hier parkten.

Auf der kleinen Rasenfläche zwischen den Fahrspuren stand ein Ton- und Kamerateam für ein Interview mit mir bereit. Joyces Assistent führte Regie. Er las die Fragen von einem Zettel ab, ich musste sie beantworten und dabei jeweils die Frage wiederholen. Zum Glück hatte Anita diese Technik mit mir trainiert.

„Warum bist du hier?“ Der Assistent hatte einen struppigen Vollbart, trug ein halbes Dutzend selbst geknüpfter Armbänder und dazu ein T-Shirt mit dem Recycling-Logo. Er sah insgesamt so aus, als wollte er sehr viel lieber Öko-Aktivisten über ihre geplanten Guerilla-Protestaktivitäten interviewen als mich.

„Weil Anita mit dem Geld meines Vaters die Show produziert“ war als Antwort tabu. Also lächelte ich und erzählte ihm von meiner Suche nach der wahren Liebe. Davon, dass ich das ungeküsste Prinzessinnenleben satt hatte und mein Herz sich nach Romantik sehnte. „Herz“, „Liebe“, „Prinzessin“ und natürlich „ungeküsst“ waren die Top-Schlagworte. „Verwende sie so oft wie möglich“, hatte mir Anita geraten.

„Welche Eigenschaften sollte der perfekte Junge für dich haben?“, leierte der Regieassistent herunter und rollte dabei die Augen.

Die ehrliche Antwort? Er muss heiß aussehen, gut küssen und größer als ich sein, auch wenn ich Heels trage. Aber das klang laut Anita nicht romantisch genug. Ich ließ daher meinen Blick in die Ferne beziehungsweise zum Security-Posten am Tor schweifen, um Zeit zu gewinnen.

„Der perfekte Junge für mich muss diese Eigenschaften haben: Er soll humorvoll sein, schlagfertig, eine starke Schulter zum Anlehnen.“ Mit anderen Worten Dino. O Graus! „Und er darf auf gar keinen Fall ein Hofnarren-Kostüm besitzen“, ergänzte ich schnell. Der Satz würde rausgeschnitten werden, aber ich wollte ihn gesagt haben.

„Könntest du dir eine Beziehung mit einem Rockstar vorstellen?“

„Klar, wenn er mir Backstage-Pässe zu Konzerten verschafft.“ Auch das kam nicht gut an. Also hielt ich mich beim nächsten Versuch wieder an Anitas Technik, wiederholte die Frage und formulierte meine Antwort um. Doch scheinbar wollte der Regieassistent nur eines hören, nämlich, dass mein Prinzessinnenherz für Conor Byrd schlug. Den Gefallen, das zu sagen, tat ich ihm natürlich nicht. Lieber würde ich Dino daten als Conor, selbst wenn der beim Knutschen seine Narrenkappe aufbehielt!

Nach fast einer Stunde war ich erlöst. Der Produktionsassistent kam wieder und führte mich hinter das Schloss. Ich kannte die Terrasse mit dem türkisblau schimmernden Pool schon aus den Vorgängerstaffeln, jetzt aber sah ich sie zum ersten Mal live. Alle Pool-Liegen waren auf der Wiese außer Sichtweite der Kameras gestapelt. Gegenüber dem Terrassenaufgang stand an der Schmalseite des Beckens mein weißer Thron. Und an der Längsseite aufgereiht …

Das also hatte Lilian mit Strippern gemeint.

Joyce war hier. Auf ihr Kommando hin schritt ich zu meinem Thron. Suzy und Lilian, meine Hofdamen in sehr knappen Bikinis, erwarteten mich dort. Elegant ließ ich mich auf den Stuhl sinken, dessen Polsterung Suzy noch rasch mit einem Handtuch abwischte, um Chlorwasserflecken an meinem Kleid zu vermeiden. Erst dann durften die Kameras und auch mein Blick zu den elf Jungs umschwenken, die an der Längsseite des Beckens standen.

---ENDE DER LESEPROBE---