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Mit pochendem Herzen kämpft sich Mara durch die Menschenmenge am Flughafen von Sevilla. Wird sie Andreas, den schüchternen Bruder ihrer besten Freundin aus Schulzeiten, wiedererkennen? Sie haben sich eine Ewigkeit nicht gesehen, aber trotzdem hat sie seine unerwartete Einladung ohne nachzudenken angenommen. Der Tapetenwechsel wird ihr guttun und sie nach dem Ende ihrer Verlobung und den vielen schlaflosen Nächten hoffentlich auf andere Gedanken bringen. Doch der muskulöse, braungebrannte Mann, der am Flughafen auf sie wartet, hat nichts mehr mit dem Jungen von damals zu tun. Durch den Zauber von Sevilla lässt sich Mara auf Gefühle ein, von denen sie nie gedacht hätte, dass sie sie einmal haben könnte ... Prickelnde Liebesgeschichten voll erotischer Spannung - Private Desire. Diese eBook-Reihe bietet abgeschlossene erotische Liebesromane an malerischen Schauplätzen.
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Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Über diese Reihe
Über diese Folge
Über die Autorin
Private Desire – Sinnlicher Kuss in Sevilla
Impressum
Widmung
Zitat
Juni
Juli
August
September
Epilog
In der nächsten Folge
Prickelnde Liebesgeschichten voll erotischer Spannung – diese eBook-Reihe bietet abgeschlossene erotische Liebesromane an malerischen Schauplätzen.
Mit pochendem Herzen kämpft sich Mara durch die Menschenmenge am Flughafen von Sevilla. Wird sie Andreas, den schüchternen Bruder ihrer besten Freundin aus Schulzeiten, wiedererkennen? Sie haben sich eine Ewigkeit nicht gesehen, aber trotzdem hat sie seine unerwartete Einladung ohne nachzudenken angenommen. Der Tapetenwechsel wird ihr guttun und sie nach dem Ende ihrer Verlobung und den vielen schlaflosen Nächten hoffentlich auf andere Gedanken bringen.
Doch der muskulöse, braungebrannte Mann, der am Flughafen auf sie wartet, hat nichts mehr mit dem Jungen von damals zu tun. Durch den Zauber von Sevilla lässt sich Mara auf Gefühle ein, von denen sie nie gedacht hätte, dass sie sie einmal haben könnte …
Julia Moreno ist das Alter Ego einer Autorin von Noir-Romanen. Sie lebt in Italien, aber bezeichnet sich selbst als Europäerin. Sie schreibt alle zwei Jahre ein Buch, liest aber pro Woche drei Bücher.
Julia Moreno
Sinnlicher Kuss in Sevilla
Aus dem Italienischen vonAlyssa Brando
BASTEI ENTERTAINMENT
Deutsche Erstausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2014 by Sperling & Kupfer Editori S.p.A.
Published by arrangement with Thèsis Contents S.r.l.
Titel der italienischen Originalausgabe: »Un bacio a Siviglia«
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Marc Staudacher
Projektmanagement: Sarah Pelekies
Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von Motiven © shutterstock/Svetlana Prikhnenko | shutterstock/elisekurenbina | shutterstock/conrado
eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-1137-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Die Ereignisse dieses Romans sind das Ergebnis der Fantasie. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder realen Handlungen sind rein zufällig. In diesem Buch ist alles erfunden, ausgenommen der Schauplatz. Niemand wäre je fähig, eine Stadt wie Sevilla zu erfinden.
Das Auto hält vor dem Terminal.
Mara schaut über das Armaturenbrett zum Himmel hinauf und blickt ohne jede Hoffnung auf eine Folge von hellen und dunklen Kontrasten. Der schrecklichste Mai der vergangenen Jahre ist in einen genauso schrecklichen Juni übergegangen. Es vergeht kein Tag ohne diesen feinen Dauerregen, der einem das Gefühl gibt, als wäre es November.
Sie öffnet die Beifahrertür und gleichzeitig ihren Schirm. Den kleinsten, den sie zu Hause gefunden hat, da sie in Sevilla keinen mehr brauchen wird. Dort herrscht ein trockenes Klima, und es regnet nie. Das hat sie zumindest im Reiseführer gelesen, dies war einer von vielen positiven Aspekten, die sie überzeugt haben, nach Sevilla zu reisen.
Ihr Vater möchte mit ihr aussteigen.
Mara bleibt angespannt stehen. Sie möchte nicht bis ins Flughafengebäude begleitet werden wie ein kleines Mädchen, das nicht fähig ist, alleine zu gehen.
»Papa, … wir waren uns einig. Ich steige hier alleine aus, und du fährst nach Hause zurück.«
»Einverstanden, aber ruf uns an, sobald du gelandet bist.«
Sie beugt sich zu ihm und gibt ihm einen leichten Kuss auf die Wange.
»Versprochen. Mach dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung.«
Es stimmt nicht, das wissen sie beide. Nichts ist in Ordnung, und vielleicht wird es das auch nie wieder werden. Sie wurde nach zwölf Jahren Beziehung einen Monat vor der Hochzeit verlassen. Das lässt einen innerlich sterben. Man sieht die eigene Welt untergehen, die wie von einem Tsunami verschlungen wird, und man bleibt alleine zurück, während alles an die Vergangenheit erinnert.
Den blauen Trolley zum Beispiel, den sie im Regen hinter sich herzieht, hatte sie nur wenige Tage, bevor Luca alles absagte, für ihre Hochzeitsreise gekauft.
Feigling, Drückeberger, Bastard, Lügner. Den Kerl zu beleidigen, ist zumindest ein Trost für sie. Im vergangenen Monat hat sie ihm jede Menge Flüche und Schimpfworte an den Kopf geworfen. Sobald ihr welche einfallen, spricht sie sie aus. Dann fühlt sie sich einen Augenblick lang erleichtert, und alle negativen Gefühle in ihr verschwinden. Aber leider nur einen Moment lang, dann fühlt sie sich erneut niedergeschlagen und plötzlich so, als ob sie in einen artesischen Brunnen hineinstürzen würde.
Mara kann es nun kaum abwarten loszufliegen. Die letzten Tage waren der reinste Albtraum. Sie war hin- und hergerissen zwischen ihrer ganz persönlichen Entscheidung, nach Sevilla zu reisen, und den Versuchen ihrer Eltern, sie von dieser Reise abzubringen. Der bloße Gedanke daran, dass ihre Tochter alleine in einer fremden Stadt zwischen fremden Menschen weilte, machte ihnen Angst.
Sie haben ihr jedes mögliche Risiko, jedes Unheil, das ihr zustoßen könnte, vor Augen geführt. Die Angst in ihren Augen zu sehen, brachte Mara oft ins Schwanken, und sie fürchtete, diesem Druck nicht standhalten zu können.
Der Dank dafür, dass sie es dennoch geschafft hat, nicht aufzugeben, gebührt ihrer Schwester. Tatiana hat sie angetrieben und ihr beigestanden. Sie hat sie aus dem warmen Nest geschubst, in dem sie sich immer versteckt hat. »Geh raus, lerne Leute kennen und lebe. Dir wird schon nichts Schlimmes passieren.« Das hat sie ihr immer wieder gesagt, wenn Mara den Mut verlor.
Genau diese Worte wiederholt Mara nun für sich selbst, als sie ihren Koffer am Check-in abgibt, barfuß den Metalldetektor überschreitet, und auch während sie die Treppe zum Flugzeug emporsteigt. Erst als sie auf ihrem Platz sitzt, spürt sie, wie sich Erleichterung in ihr breitmacht. Es ist vorbei, die Entscheidung ist getroffen, und sie wird jetzt nicht mehr umkehren.
Endlich schließt die Flugbegleiterin die Flugzeugtür, und kurz darauf fährt das Flugzeug immer schneller und schneller über die Startbahn, bis es sich von der Erde löst und hinauf zum Himmel fliegt. Mara schaut nach unten und sieht, wie die Welt immer kleiner wird und in die Ferne rückt bis sie endgültig verschwindet.
Als sich die Flugzeugtür wieder öffnet, sind kaum zwei Stunden vergangen, aber es kommt ihr vor, als wäre sie in eine andere Welt geflogen. Auf der Treppe wird Mara gleich von der Sonne empfangen und vom schönsten blauen Himmel, den sie je gesehen hat. Das Licht ist so blendend weiß, dass sie sich mit den Händen die Augen abschirmen muss, um etwas sehen zu können. Über einem langen und flachen Gebäude, auf das sich jetzt alle Fluggäste mit ihren Trolleys wie im Gänsemarsch zubewegen, ist der Name Sevilla zu lesen. Mara folgt der Menge. Der Tag ist wirklich heiß, vom Asphalt steigt eine trockene Hitze auf, und es fühlt sich so an, als würden die Füße über tausend heiße Föhne gehen.
Im Ankunftsbereich läuft die Klimaanlage auf vollen Touren. Mara setzt sich auf die Bank vor dem Gepäckausgabeband. Früher oder später muss ihr blauer Koffer an ihr vorbeifahren. Am liebsten wäre es ihr, wenn sich ihr Koffer alle Zeit der Welt lassen würde. Die Tatsache, dass sie auf der anderen Seite der Schiebetür vor einem Unbekannten stehen wird, bereitet ihr Unbehagen.
Wenn sie sich jetzt in Sevilla befindet, dann hat sie dies ihrem Stolz zu verdanken. In den vielen schlaflosen Nächten, nach dem Erhalt von Lucas E-Mail, hatte sie den Entschluss gefasst, dass sie den Demütigungen und Kränkungen ein Ende bereiten musste. So war sie aufgestanden, hatte sich in ihr Facebook-Profil eingeloggt und mit nur wenigen Klicks ihren Beziehungsstatus von »In einer Beziehung mit Luca Molteni« in »Single« geändert. So war sie, Tamara Lucetti, von allen Mara genannt, erneut Single. Aber das reichte ihr noch nicht. Sie merkte gar nicht, wie sich ihre Finger über die Tastatur bewegten.
»A.A.A. Verlassen, sozusagen direkt vor dem Traualtar, wegen einer anderen, gedemütigt und mit zerstörtem Selbstwertgefühl, suche ich Ideen, um diese Zeit zu überstehen. Hat jemand von euch einen Tipp?«
Noch in der gleichen Nacht war diese Notiz zum meistgelesenen Post geworden. Und inmitten der Flut von »Gefällt mir« (Was soll daran gefallen?), Kommentaren wie »Pech für ihn, pfeif drauf!« oder subtilen Avancen von irgendwelchen Lustmolchen, die gut und gerne ihr Vater hätten sein können, kam auch die Nachricht, die sie nie erwartet hatte.
Der Name Andreas Rusconi hatte sie um Jahre zurückversetzt.
Sie kannte mal einen Andreas Rusconi. Er war der ziemlich hässliche und schüchterne Bruder ihrer einstigen Klassenkameradin und besten Jugendfreundin Ilaria. Über Ilaria selbst ist ihr nichts mehr bekannt, so als hätte sie nie existiert. Man hat sich schnell aus den Augen verloren. Schon wegen Maras Freund Luca hatten sich die beiden etwas entfremdet. Nach dem Abitur hatten sie verschiedene Studienrichtungen eingeschlagen, jede in einer anderen Stadt, und das hatte die Freundinnen endgültig voneinander entfernt.
Es schien ihr unmöglich, dass der Absender der Nachricht derselbe Andreas Rusconi sein sollte, da der Name in der Brianza ziemlich oft vorkommt, aber …
Ich bin Ilarias Bruder, erinnerst du dich?
Ich komme gleich zum Punkt. Ich habe deine Nachricht gelesen und hätte einen Tipp für dich. Du bist Lehrerin, nicht wahr? Daher gehe ich davon aus, dass du einige Monate Urlaub hast. Ich habe eine Eisdiele in Sevilla und stelle jeden Sommer Personal für die Saison ein. Wenn du willst, wartet auf dich eine Theke mit einer großen Auswahl an Eissorten. Die Unterkunft ist umsonst, das Einkommen angemessen, die Arbeitszeiten sind ziemlich lang, aber nicht so lang, dass sie dich daran hindern, das Leben in einer fröhlichen und sonnigen Stadt zu genießen. Was meinst du, nimmst du an? Du kannst sofort zum Ferienbeginn zu uns kommen. Andreas
Wenn sie nicht die Nachricht bekommen hätte, dass Luca und Carola am 6. Juli heiraten wollten, hätte sie vermutlich nicht den Mut gehabt, das Angebot anzunehmen. Aber das Bedürfnis, so schnell wie möglich die Stadt zu verlassen, und die Demütigung, die sie empfand, hatten sie endgültig überzeugt.
Aber jetzt, da sie in Sevilla angekommen ist, lassen sie die Worte ihrer Mutter neuerlich unsicher werden.
»Was weißt du von Andreas Rusconi? Er könnte ein Gauner sein, die Eisdiele nur eine gute Tarnung. Vielleicht ist er sogar im Pornogeschäft tätig …«
Der Gedanke an Pornos hatte Mara und Tatiana, ihre einzige Freundin während jenes langen vergangenen Monats, zum Lachen gebracht. Doch nun, alleine in einer fremden Stadt, war ihr nicht mehr zum Lachen zumute.
Von Andreas Rusconi weiß sie wirklich nichts, nicht einmal, ob er sie vom Flughafen abholen wird oder sie sich ein Taxi zur Eisdiele nehmen muss.
Genauer betrachtet kannte sie ihn schon damals kaum, als sie noch mit Ilaria zusammen lernte und ganze Nachmittage in der Villa Rusconi verbrachte. Es war das schönste Haus, das Mara je gesehen hatte. Eine königliche Residenz in der reichen Brianza, von der aus man über den See von Montorfano blickte. Täglich holte sie der Fahrer mit einem grauen Mercedes von der Schule ab und brachte sie zu Ilarias Haus, wo schon das Mittagessen auf sie wartete. Eine Welt, die Mara ziemlich fremd war.
Andreas war freundlich, aber ziemlich zurückhaltend. Nur wenige Male hatte sie mit ihm gesprochen. Auf den zahlreichen Poolpartys seiner Schwester ließ er sich nie blicken. Vielleicht, weil er trotz des gesellschaftlichen Ansehens seiner Familie nicht sehr beliebt war: Akne und seine spindeldürre Erscheinung hatten aus ihm ein hässliches Entlein in einem Haus voller schöner Menschen gemacht. Die Mutter hatte eine Karriere als Modell hinter sich, wenn auch nur für Versandkataloge.
Leider scheint Andreas’ Zurückhaltung unverändert. Das Bild seines Facebook-Profils zeigt nur einen Eisbecher, sonst sind in seinem Profil nur Gruppenfotos von diversen Feiern vorhanden, und Mara konnte nicht einmal erkennen, ob er überhaupt dabei war. So hält sie sich nun am Griff ihres blauen Trolleys fest und begibt sich ins Unbekannte.
Wie auf den Partyfotos kann sie unter den Wartenden niemanden ausmachen, der Andreas ähnelt. Sie geht weiter, mitten hinein in die kleine Menschenmenge und sucht mit ihrer freien Hand nach dem Handy in ihrer Handtasche. »Sei nicht ungeduldig«, ermahnt sie sich selbst, »warte in aller Ruhe, er wird kommen.«
»Du siehst immer noch wie eine Abiturientin aus.«
Die Stimme, die gesprochen hatte, war so nah, dass sie zusammenzuckte. Mara dreht sich mit einem Ruck um.
Der Mann vor ihr hat nichts mit dem Jungen aus ihrer Erinnerung gemeinsam. Mindestens zwanzig Kilo Muskelmasse haben seinen Schulterumfang, seine Arme und seinen Brustkorb vergrößert. Auf seinem Gesicht ist kein einziger Pickel mehr zu erkennen, und der Ausschnitt seines T-Shirts gibt den Blick auf eine südländische Bräune frei.
»Bist du Andreas?«, fragt sie und fühlt sich augenblicklich wie eine dumme Kuh. Natürlich ist er Andreas, das erkennt man allein schon an der Ähnlichkeit mit seiner Mutter: die gleichen grünen Augen, die gleichen hohen Wangenknochen. Sogar das verträumte Lächeln ist identisch, und plötzlich fühlt sie sich unwohl. Sie lässt ihm keine Zeit zu antworten und schüttelt, sauer auf sich selbst, den Kopf. »Entschuldige, die Frage war dumm, aber du siehst so anders aus.«
»Zum Glück«, lacht er und nimmt ihr den Koffer ab. »Ist das alles an Gepäck?«
»Das Nötigste, bis ich mich eingelebt habe. Dann werde ich mich dem exzessiven Shopping widmen.«
Im Auto führen sie den üblichen Small Talk, mit dem man überall auf der Welt die Zeit überbrückt: Wie war der Flug, wie war das Wetter in Italien, ist es hier immer so heiß … Dann reihen sie sich in das allgemeine Verkehrschaos ein, und plötzlich sind sie in Sevilla, das Mara bereits aus dem Internet kennt. Ein Labyrinth aus kleinen Gassen, alte und bunte Häuser, die exotisch aussehen. Andreas hält vor einem ockergelben Gebäude, mit rot umrandeten Fenstern und Balkonen voller Pflanzen.
»Wo sind wir?«
»Im ersten Haus, das ich dir zeigen möchte. Du hast zwei Unterkünfte zur Auswahl. Komm.«
Mara folgt ihm durch eine Toreinfahrt, die zu einem Innenhof führt. Begeistert hält sie inne, um alles zu bwundern: die Marmorpfeiler und die Bögen, den Brunnen in der Mitte des Hofes, die Geranien, Rosen und Kletterpflanzen, deren Namen sie nicht kennt, und die mit Azulejos, bunt glasierten Keramikfliesen, verkleideten Mauern. Sie bemerkt, dass Andreas vor einer Treppe auf sie wartet. »Entschuldige«, murmelt sie und geht schnell zu ihm. Sie steigen zwei Treppen hinauf zu einem Laubengang, der um den gesamten Innenhof führt. Andreas öffnet eine der Türen entlang des Ganges.
»Das ist die Wohnung. Sie gehört Inés, einer Freundin. Sie ist den ganzen Sommer über in Argentinien, ihrer Mutter geht es nicht gut. Sie wäre froh, wenn sie wüsste, dass du dich um ihre Wohnung und ihre Katze kümmerst. Aber wenn du ein Problem damit hast, alleine zu wohnen, kannst du auch ein Zimmer in der Wohnung der Tante meines Geschäftspartners nehmen. Du hast die Wahl.«
Der Kater heißt Jeronimo und sitzt reglos und stolz wie ein Indianerhäuptling da. Er ist schwarz, mit langem Fell und grünen, durchdringenden Augen. Andreas streichelt ihn, und der Kater lässt es zu. Er muss ihn kennen. Mara schaut sich unentwegt um. Sie ist von den Eindrücken überwältigt: unzählige Farben, Gegenstände, Fotos, Kissen, Parfüms in einem offenbar inszenierten Chaos, das alles sanft umschmeichelt.
»Ich bleibe hier. Es ist wunderschön. Jeronimo wird mir Gesellschaft leisten.«
Die Eisdiele befindet sich an der Hauptstraße von Sevilla, gegenüber der Kathedrale. Genauer gesagt handelt es sich um ein Café mit Eisspezialitäten. »Das coolste der ganzen Stadt«, brüstet sich Andreas. Große und lichtdurchflutete Räume, mit Tischen drinnen und draußen sowie einer Eistheke, die wie ein Karussell aussieht und eine riesige Auswahl an Geschmacksrichtungen bereithält, die Mara zum Teil noch nie zuvor gesehen hat. Ihre neuen Kollegen sehen ebenfalls sehr nett aus, Mara fühlt sich augenblicklich wohl.
»Wir sind hier multikulturell. Der Barmann heißt Jan und kommt aus Irland. Chat ist aus dem Senegal und Ramo aus Ghana. Du wirst mit Anita an der Theke arbeiten. Sie ist eine waschechte Sevillana.«
Anita ist eine hübsche junge Frau mit frechem Mädchengesicht und weichen, weiblichen Formen unter der orange-weißen Arbeitskleidung. »Neben ihr werde ich in diesem Outfit wie eine Bohnenstange aussehen«, ist Maras erster Gedanke. Sie folgt ihr ins Nebenzimmer, wo sie mit ihr in einem Mix aus Spanisch und Italienisch spricht. Anita drückt ihr eine nagelneue Uniform in die Hand, die noch originalverpackt ist. Schnell zieht sich Mara um. Die Größe scheint perfekt. Sie möchte sich gerne im Spiegel anschauen, findet aber keinen und kehrt schließlich in den Verkaufsraum zurück.
Andreas ist der Erste, der ihr entgegenkommt.
»Wow, an dir sieht die Uniform wie ein Armani-Kostüm aus.«
Bevor sie von Luca verlassen wurde, hätte sie das als Kompliment aufgefasst. Aber nun fühlt sie sich wie ein Niemand, eine kleine Lehrerin aus der Provinz, sexy wie ein Staubsauger. Aus den Worten ihres neuen Arbeitgebers hört sie eine Ironie heraus, die sie innerlich zurückschrecken lässt.
»Nimm mich nicht auf den Arm«, erwidert sie trotzig und sucht eilig hinter der Theke Zuflucht. Sie tut, als wäre sie auf Anitas Hände konzentriert, aber ihre Gedanken schweifen erneut zu Lucas Mail. Jede Anspielung auf ihren Körper lässt sie nun immer daran denken.