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Als Produktmanager:in erstellen Sie Marketingkonzepte, positionieren das Produkt am Markt und betreuen es über alle Lebenszyklen hinweg. Dieses Buch beschreibt unter Einbeziehung von Erkenntnissen aus den Neurowissenschaften, wie Sie diese Aufgaben in der heutigen digitalen Zeit erfüllen können. Es enthält konkrete Empfehlungen für allen Phasen des Produktes und zeigt, mit welcher Zielsetzung Sie vorgehen und die modernen Kollaborationsinstrumente für sich nutzbar machen können. Dabei geht der Autor auch auf Innovations- und Marktdurchsetzungsmanagement als zentrale Erfolgsfaktoren ein und stellt Vermarktungskonzepte im Verlauf des Produkt-Lebenszyklus vor. Inhalte: - Selbstverständnis und Rahmen für das Produktmanagement - Prozesse im Produktmanagement - Führung eines Produktbereiches ohne Vorgesetztenfunktion - Innovationsmanagement als erste Hauptaufgabe - Marktdurchsetzungsmanagement als zentraler Erfolgsfaktor - Vermarktungskonzepte im Verlauf des Produkt-Lebenszyklus als zweite HauptaufgabeDigitale Extras: - Checklisten - Anleitungen
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Seitenzahl: 611
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Lothar Keite
Produktmanagement im digitalen Zeitalter
1. Auflage, Dezember 2022
© 2022 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
haufe.de
Bildnachweis (Cover): © NicoElNino, Adobe Stock
Produktmanagement: Kerstin Erlich
Lektorat: Peter Böke
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Was ist Produktmanagement, kurz PM? Was bedeutet Produktmanagement im digitalen Zeitalter? Lassen Sie uns zunächst Klarheit schaffen, was darunter zu verstehen ist. Dann können wir im Verlauf des Buches gut damit umgehen.
Sollten Sie vor die Frage gestellt sein, die Verantwortung für ein PM zu übernehmen, dann gilt es, sich erst einmal selbst vorzubereiten: Was wird im Unternehmen darunter verstanden, was verstehe ich darunter? Stimmt das überein? Ein bewährter Grundsatz im Management lautet: So wie ich eine Aufgabe verstehe, so agiere ich darin und so nimmt meine Umwelt mich und mein Tun wahr. Deshalb ist es empfehlenswert, mit einem geklärten Verständnis an eine Aufgabe heranzugehen.
Für den Zugang zum Thema Produktmanagement wollen wir zunächst die Aufgabe sowie die Rolle des Produktmanagers1 abstecken und dann überlegen, inwieweit die digitale Transformation in das heutige Verständnis hineinspielt, die Digitalisierung die Aufgabe verändert hat. Vier große Entwicklungen sind zu beobachten:
Die Vermarktungsseite: Die Kundenverbindungen und damit die Formen der Produktvermarktung haben sich durch die Onlinewelt erweitert und verändert.Die Kundenseite: Kundenforschung ist systemgestützt sehr viel leichter, in Kombination mit Erkenntnissen der Neuroscience auch viel effektiver.Die Leistungsseite: Das Produktverständnis und dessen Umfang haben genauso einen Wandel erfahren wie die Möglichkeit schneller Aktualisierung für Softwarebestandteile.Die Arbeitsweise: Die Projektarbeit wird durch agiles Vorgehen beschleunigt, um die Time-to-Market in dynamischen Zeiten zu verkürzen, also schneller in den Markt zu kommen.Auf dem Weg dahin erfolgt eine Orientierung an realen, skizzierten Stellenausschreibungen, um ein Bild zu erhalten, was potenzielle Arbeitgeber in der Aufgabe sehen. Es zeigt sich, dass nicht immer Produktmanagement in dem angelegt ist, was als solches bezeichnet wird. Zusätzlich werden die Beschreibungen auch hinsichtlich der organisatorischen Einordnung abgeklopft.
[14]Für das Produktmanagement spielt das Thema Kunde die zentrale Rolle, denn Produkte werden für Kunden hergestellt und angeboten. Daher kommt es auf das Kundenverständnis an. Produktmanagement muss sich mehr denn je mit der Zielgruppe, den Zielgruppen befassen – und dafür ein zeitgemäßes Verständnis von Kundenverhalten und Kaufentscheidungen mitbringen. Heutzutage bedeutet das, auch die Erkenntnisse der Neurowissenschaften einzubeziehen.
Verständnis von der eigenen Aufgabe
Das Verständnis von der eigenen Aufgabe ist Inhalt des ersten Kapitels. Die Überlegungen und Auseinandersetzungen münden in eine ideale Stellenausschreibung. Sie beinhaltet das komprimierte Verständnis und bildet die Grundlage für die anschließende Diskussion der PM-Aufgaben.
Mit einem gefestigten Verständnis lässt sich reflektierter und zielgenauer vorgehen. Was zur Bewältigung der Aufgabe noch fehlt, ist deren Zielsetzung, um den Handlungen eine Richtung geben zu können. Entscheidungen werden getroffen, um Ziele zu erreichen. Dabei wird zu unterscheiden sein in quantitative und qualitative Zielgrößen für die Ausrichtung der Managementaufgabe. Qualitative Kennziffern gehen den quantitativen Ergebnissen voraus, das hat Bedeutung für die Steuerung der PM-Aufgabe.
Das Zielsubjekt und damit die zentrale Orientierung des Produktmanagements bilden die Kunden. Was wollen unsere Kunden heute und morgen? Mit dem gewonnenen Kundenverständnis lässt sich Kundenforschung bestens einsetzen. Ein Überblick über Marktforschungsmethoden stellt ein großes Segment im Werkzeugkasten des Produktmanagements dar.
Konsequent ist zu bedenken, dass es einen Rahmen gibt, intern und extern, innerhalb dessen ein Stelleninhaber agiert. Für die Außenperspektive des Unternehmens spielen die Kompetenz der Marke, das darunter angebotene Produktprogramm, auf der einen und die Bedingungen des Marktes oder der Märkte auf der anderen Seite eine große Rolle, vor allem der unmittelbare Wettbewerb. Dieser Handlungsring setzt die Grenzlinien für Aktionsmöglichkeiten zur Zielerreichung.
Zielsetzung und Rahmenbedingungen
Die Bereiche Zielsetzung und Rahmenbedingungen, innerhalb derer das Produktmanagement agiert, bilden das zweite Kapitel. Am Ende soll das Feld so klar abgesteckt sein, dass ein problemloser Start im Produktmanagement möglich ist.
[15]Wenn die Zielsetzung geklärt, das Terrain erkundet und abgesteckt ist, in dem sich Produktmanagement vollzieht, stellen wir uns der handlungsorientierten Aufgabe von Produktmanagement im digitalen Zeitalter, lernen wichtige Instrumente kennen und wollen ein geeignetes Vorgehen wählen.
Im Produktmanagement fallen in jedem Monat Aufgaben der Produktentwicklung und des Produktmarketings gleichzeitig an. Wer eine Thematik beherrschen will, ordnet sie am besten. Das Aufgabenknäuel lösen wir so auf: Die Fahrtroute wird der Gang eines Produkts von der Idee bis zu seinem Ausscheiden aus dem Markt nach einer erfolgreichen Verkaufszeit sein.
Diese Entwicklung wird als Produktlebenszyklus beschrieben, der zwei große Aufgabenbereiche umfasst: die Zeit, bevor das Produkt in den Markt kommt – Innovationsmanagement – sowie die Zeit, in der es im Markt angeboten wird – Marktmanagement.
Den beiden inhaltlichen Aufgabenfeldern wird jeweils ein umfassendes Kapitel gewidmet, das dritte und das vierte Kapitel. Hier geht es um die Fertigkeiten des Produktmanagements, das Know-how und den passenden Einsatz der Instrumente. Jeder der beiden Bereiche wird in drei Phasen unterteilt, welche ganz unterschiedliche Anforderungen stellen. Das ist die Herausforderung im PM.
Instrumente zur Steuerung und Aufgabenerfüllung
Im abschließenden fünften Kapitel wird als Fazit extrahiert, wie ein Produktmanagement geführt wird. Es werden noch einmal die wichtigsten Instrumente für das tägliche Management eines Produktbereichs hervorgehoben. Von Bedeutung ist aber auch, welche Strukturen eingezogen werden, welche Systeme im digitalen Zeitalter für die Steuerung eines modernen Produktmanagements eingesetzt werden. Hinzu kommen Überlegungen zur Führung des übertragenen Bereichs – einer Führung, die erwartet wird, ohne dass Weisungsbefugnis besteht. Das ist eine besondere Herausforderung.
Die Zielsetzung des Buchs besteht darin, Ihnen einen vollständigen Überblick über Aufgaben, Handlungsweisen, Instrumente und Managementfertigkeiten für die erfolgreiche Stellenübernahme und Stellenausübung im Produktmanagement zu geben. Es soll Begleiter und Nachschlagewerk für Ihre tägliche PM-Praxis sein.
[16]Der Ablauf in der Übersicht
Abb. 1: Ablauf des Buches in der Übersicht
Die Geschichte des Produktmanagements begann beim Unternehmen Procter & Gamble in den USA. Im Jahre 1925, direkt nach seinem Abschluss am Harvard College, begann Neil McElroy seine Tätigkeit im Brand Team. Ein Jahr darauf wurde die neue Seife Camay vom Unternehmen eingeführt. Dem jungen Manager fiel nach einiger Zeit auf, dass sich die eingeführte Seife am Markt nicht durchsetzen konnte. Darum musste man sich doch kümmern! In seinem berühmten Memo vom 13. Mai 1931 schlug er vor, dass sich jeweils ein spezielles Team für ein bestimmtes Produkt einsetzen und dabei sehr genau recherchieren sollte, wo Stärken, wo Schwächen liegen, gezielt eine Verbesserung für den Produkterfolg betreiben und genau nachhalten sollte, was bei den Kunden ankommt.2 Das war der Anfang.
Das legendäre Memo markiert den Start einer neuen Organisationsform für die spezielle Betreuung der Produkte eines Unternehmens im Markt. Eine Organisationsform, die aufgrund ihres Erfolgs von immer mehr Unternehmen eingeführt wurde, gleich welcher Branche.3 Neil McElroy selbst wurde später CEO des Unternehmens Procter & Gamble.
Hinter diesem Wendepunkt steht ein grundsätzlicher Auffassungswandel, ein Perspektivwechsel, der nach wie vor von größter Bedeutung ist: Geschäfte werden ohne Frage mit Produkten gemacht, die jahrzehntelang im Mittelpunkt standen. Doch der Kunde muss sie wünschen und vor allem kaufen, will das Unternehmen erfolgreich sein.
Deshalb wird der Kunde heute als Zielsubjekt in die Entwicklung und das Management der Produkte explizit einbezogen. Denn Produkte sind dann erfolgreich, wenn sie von den Kunden geschätzt werden, und zwar so sehr, dass sie gekauft werden. Deshalb ist es mehr als ratsam, die Bedürfnisse der Kunden in den Fokus der Entwicklung und Betreuung der Produkte zu stellen.
[18]Denkmatrix – die Basis des Produktmanagements
Das Management der Produkte erhielt eine weitere, für den Erfolg entscheidende Dimension: die Denkmatrix, die Sie hier als Blanko-Diagramm sehen.
Abb. 2: Denkmatrix im Produktmanagement – Die Kundenanforderungen bestimmen die Produktmerkmale
Wir sprechen allgemein von Produktmanagement, meinen damit ein Management von Produkten für Kunden. Grundlage jedes Produktmanagements ist ein Denken in der Matrix aus Kundenanforderungen und Produktmerkmalen – gestaltet mit der Zielsetzung, dauerhaften Erfolg bei den Kunden zu haben.
Diese Denkmatrix bildet durchgehend die Grundlage des Vorgehens im Produktmanagement, heute in engen Märkten mit hoher Transparenz mehr denn je. Alle Phasen von der Produktidee bis zur Markteinführung und darüber hinaus können und sollten darauf zurückgeführt werden. Das ist die generelle Leitlinie des Produktmanagements.
Komplexe Systeme lassen sich am besten managen, wenn das Gesamtsystem eine klare Ausrichtung einhält und operativ eine Unterteilung in handhabbare Teilsysteme vorgenommen wird. Für die Produkte bedeutet das: Alle Aktivitäten werden produkt-übergreifend koordiniert, indem alle Beteiligten dem Markenversprechen und der Unternehmensstrategie folgen.
Wenn die einzelnen Aufgabenbereiche im übergreifenden, gemeinsamen Sinn gut geführt werden, dann sollte das Gesamtergebnis ebenfalls gut sein. Dieser Gedanke liegt zugrunde, wenn sich einzelne Produktmanager auf einzelne Produkte oder Produktbereiche fokussieren, speziell den Erfolg der jeweils betreuten Produkte bei den Kunden. Das ergibt in der Summe eine Verbesserung des Unternehmensangebots für die Kunden mit der Folge, dass der Unternehmenserfolg größer wird.
[19]Die Gesamtheit der Produkte, das Produktportfolio, wird also in Aufgabenbereiche, die unterschiedlichen Produktmanagements, unterteilt. Häufig bildet dabei die Marke des Unternehmens die Klammer für viele oder alle Produktbereiche, ansonsten fungiert eine eigene Produktmarke als Kennzeichnung eines Produkts oder Produktbereichs.
Verantwortung für einen abgegrenzten Produktbereich
Wichtiges Merkmal eines Produktmanagements ist damit, dass ein Produktmanager die Verantwortung für einen abgegrenzten Produktbereich übernimmt, diesen wie ein Unternehmer führt und dafür den notwendigen Handlungsrahmen erhält, um in der Denkmatrix jeweils eine im Kundensinne optimale Lösung im Markenrahmen zu schaffen.
Mit dem Produktmanagement bekommt ein Unternehmen einen Motor, weil es nun die Instanz gibt, um die Produkte oder Produktbereiche gezielt nach vorn zu bringen. PM ist heute in nahezu jedem Unternehmen eine wesentliche Organisationseinheit. Die weite Verbreitung hat aber auch dazu geführt, dass das Verständnis deutlich variiert. Es handelt sich nicht um einen geschützten, von allen gleich verstandenen Begriff. Das macht es noch notwendiger, sich selbst – im jeweiligen Kontext – über das (Rollen-)Verständnis Klarheit zu verschaffen.
Wegen der Unterschiedlichkeit der Aufgabe, insbesondere aber auch wegen des Handlungsrahmens und der hierarchischen Einordnung, werden häufig drei PM-Formen unterschieden:
strategisches Produktmanagementkaufmännisches Produktmanagementtechnisches ProduktmanagementEin eindeutiges Begriffsverständnis ist nicht so einfach. Als gemeinsames Merkmal für alle PM-Formen soll festgehalten werden:
Die Konstante im Produktmanagement
Die Grundanforderung, Produkte für Kunden verantwortlich zu managen, bleibt über alle Ausprägungen die Konstante in jedem Produktmanagement.
Welche Spielarten gibt es?
Orientieren wir uns zur Eingrenzung der Aufgabe an der Realität. Einen ersten Einblick können Stellenanzeigen geben, in denen mögliche Arbeitgeber die geforderten Aufgaben und Anforderungen für Produktmanager formulieren. Was beinhalten die realen Ausschreibungen?
[20]Ein zufälliger Aufruf mit dem Suchbegriff »Produktmanager/in« auf drei Online-Jobportalen im April 2021 zeigte folgendes Ergebnis:
Stepstone liefert 3.183 TrefferMonster 1.656 Jobsder Stellenmarkt faz.net 194 StellenangeboteAllein die Anzahl der Suchergebnisse macht deutlich, wie verbreitet die Position Produktmanager/in in Unternehmen ist. Jede Wiederholung heute bringt jeweils ein vergleichbares Resultat. Sicher hängt die hohe Zahl an Stellenangeboten auch damit zusammen, dass die Plattformen alles entfernt Ähnliche mit auflisten. Unbestritten gibt es den Beruf aber viel häufiger als meist gedacht.
Auf monster.de wurde die Kategorie leider nicht separat ausgewiesen: Trotz der Eingabe »Produktmanager/in« war die erste Nennung »Projekt-Manager/in Online Marketing«. Die Algorithmen unterscheiden nicht. Das ist bedauerlich.
Es sei klargestellt:
Die Position Produktmanager/in meint eine Funktion im Unternehmen. Es geht darum, dauerhaft einen Produktbereich zu managen.
Die Aufgabe Projektmanager/in bedeutet die Führung eines zeitlich begrenzten Projekts zur Bewältigung einer besonderen Aufgabenstellung.
Im Produktmanagement werden zur Bewältigung einzelner wichtiger Aufgaben durchaus Projetteams eingesetzt und dafür Projektmanagementtechniken benötigt. Wir werden im Innovationsmanagement (Kapitel 3) darauf zurückkommen.
Aufgabeninhalt, Aufgabendauer und organisatorische Einordnung von Produkt- und Projektmanagement sind aber unterschiedlich.
Abgrenzung Produkt- und Projektmanagement
Produktmanagement ist eine permanente Einrichtung für das Management der Produkte für Kunden. Ein Projekt ist ein zeitlich befristetes Vorhaben, um eine anspruchsvolle Aufgabe zu lösen.
Greifen wir nur einmal die Überschriften der jeweils ersten fünf Ausschreibungsergebnisse der genannten Plattformen auf:
[21]StepstoneMonsterFAZProduktmanager SportPlus (m/w/d) Latupo GmbH in Hamburg Produktmanager (m/w/d) Pharma Security-Solutions für die Pharmaindustrie Schreiner Group GmbH & Co.KG in Ober-schleißheim bei München Produktmanager (m/w/d) E-Learning ABG GmbH in Beilngris Produktmanager (m/w/d) FIT-Connect Föderale IT-Ko-operation (FITKO) in Frankfurt am Main Produktmanager (m/w/d) mit Schwerpunkt Lebensmitteltechnologie Sportstech Brands Holding GmbH in BerlinSenior Produktmanager (w/m/d) Dr. Weick Executive Search GmbH für ein internationales Technologieunternehmen mit mehreren Standorten in Baden- Württemberg Produktmanager (m/w/i) MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co.KG in Iserlohn und Köln Produktmanager (m/w/d) HAPECO im Großraum Düsseldorf Produktmanager (m/w/d) HEITEC AG in Eckental Produktmanager (m/w/d) für advanced engineering GmbH in MünchenProduktmanager (m/w/d) über Dr. Maier + Partner GmbH Executive Search für Produktinnovation für chemische Werkstoffe, Großraum Stuttgart IT Produktmanager*in / Big Data Product Manager Deutsche Bundesbank, Düsseldorf, Frankfurt Product Manager (w/m/d) Republic Marketing & Media Solutions GmbH, Frankfurt am Main Produktmanager/in für digitale Angebote B2C (m/w/d) Westermann Gruppe in Braunschweig Senior Produktmanager SaaS (m/w/d) NOVENTI Healthcare GmbH, verschiedene StandorteTab. 1: Beispiele für Titel von Stellenangeboten »Produktmanager/in«
Schon mit diesen fünfzehn Titeln zeigt sich: Produktmanagement gibt es im B2B, im B2C, im Handel, in speziellen Branchen wie Pharma oder Medizintechnik, in der Weiterbildung und sogar bei der Deutschen Bundesbank.
In der Unternehmenswelt wird die Bezeichnung PM durchgängig genutzt, meist ohne nach Formen (strategisch, kaufmännisch, technisch) zu unterscheiden. Eine Differenzierung zeigt sich in der Berufserfahrung: Es gibt Senior-Produktmanager, Produktmanager sowie Junior-Produktmanager.
Tendenziell betreut ein Senior-PM eine bedeutendere Produktgruppe, die Aufgabe verlangt mehr Erfahrung. Ein Junior-Produktmanager ist oft ein PM-Neuling, der einen erfahrenen Stelleninhaber unterstützt und so PM-Techniken in der Praxis lernt, manchmal auch der Inhaber eines kleineren Produktbereichs. In der weiten Aufgabenmitte führt ein Produktmanager verantwortlich einen Produktbereich.
Die verantwortliche Übernahme eines Produktbereichs ist abzugrenzen von reinen Unterstützungsaufgaben wie Mitarbeit, regelmäßige Abstimmung, Ausarbeitung, Recherche. Diese Leitbegriffe zeigen, dass es sich nicht um die verantwortliche Übertragung eines Produktbereichs handelt. Es fehlt die Autorisierung zu eigenständigem [22]Handeln. Eine in diesem Sinne kreierte Unterstützungsaufgabe wird nicht als Management bezeichnet.
Selbstständige Entscheidungen
Management ist verbunden mit Entscheidungen in einem abgesteckten und definierten Rahmen. Um Entscheidungen treffen zu können, wird ein Ziel benötigt, das mit den getroffenen Entscheidungen erreicht werden soll.
Die Zielgröße eines verantwortlichen Produktmanagements ist der dauerhafte Deckungsbeitrag des Produktbereichs. Es ist die Größe, die angibt, was der Produktbereich erwirtschaftet. Die Ergänzung dauerhaft ist wichtig, weil es um die Sicherstellung der Deckungsbeitragsentwicklung auch in der Zukunft geht.
Wer sich allein auf im Markt angebotene Produkte verlässt, wird zunehmend Schwierigkeiten bekommen, Deckungsbeiträge zu erzielen. Märkte entwickeln sich, Produkte veralten. Insofern benötigt das Produktmanagement eine (mindestens) mittelfristige Sicht: Es werden attraktive Produkte im Markt heute und morgen benötigt, damit Kunden kaufen – und wieder kaufen.
Das ist der Weg zur dauerhaften Wertschöpfung.
Abb. 3: Der Weg zur Wertschöpfung und dauerhaften Zielerreichung
Wenn von Unternehmer im Unternehmen gesprochen wird, so kann Unternehmertum nicht ernsthaft ohne das erzielte Ergebnis gedacht werden. Es werden Entscheidungen getroffen, der Stelleninhaber ist verantwortlich für das Resultat. Auch Budgetverantwortung ist ein essenzieller Bestandteil. Erst dann kann ein Produktmanager wirklich handeln.
[23]Aufgaben im Produktmanagement
In einer Ausschreibung hieß es: »Als Senior Produktmanager m/w/d sind Sie für ein komplettes, technisch anspruchsvolles Produktsegment und dessen Lifecycle über mehrere Unternehmen und Standorte hinweg verantwortlich: Marktanalysen, Spezifikationen, Innovationen, Launches, Schulung des Vertriebs, Kundenveranstaltungen etc. Dabei stehen Sie in direktem Kontakt zu den Kunden sowie in enger Abstimmung mit den Bereichen Vertrieb (+ internationale Vertriebstöchter), F&E und Marketing. Sie berichten an den VP Sales & Marketing.«
Das ist eine typische Aufgabenbeschreibung für Produktmanagement mit zentralen Tätigkeitsfeldern.
Lifecycle-Management
Verbreitet wird das Lifecycle-Management als charakteristische Grundaufgabe des PM genannt, also das Management der Produkte von der Idee und Umsetzung bis zum Verschwinden des Angebots vom Markt.
Der Produktlebenslauf ist deshalb die Struktur unserer Erörterungen und Ableitungen von Handlungsempfehlungen.
Für ein zielgerichtetes Vorgehen müssen aktuelle Marktinformationen und Rahmenbedingungen bekannt sein, die hinter allen genannten (Aufgaben-)Spezifikationen zu sehen sind. Hinsichtlich der Marktinformationen ist zu betonen: Es kommt zentral und immer mehr auf die Wünsche der Zielgruppe an. Allein der Kontakt zu Kunden und die Abstimmung mit dem Vertrieb, wie es formuliert wird, ermöglichen nicht in ausreichendem Maße, die Kundenwünsche heute und morgen bestens zu kennen und zur Handlungsmaxime im PM zu machen. Das ist zu kurz, zu intern gedacht.
Mit dem Produktmanagement hat die Produktführung eine entscheidende, zusätzliche Komponente für Erfolg bekommen: die Kundenanforderungen. Es ist sehr bedauerlich, wenn die Ausschreibungen diesen wichtigen Aspekt kaum oder nur untergeordnet beinhalten. Dann fehlt etwas Elementares.
Kundenforschung
Wichtigste Sozialtechnik des Produktmanagements ist die Beherrschung von Verfahren zur Ermittlung von Kundeneinstellungen. Wenn von einer Toolbox des PM gesprochen wird, dann muss sie notwendig Verfahren zur Erkundung der Kundenresonanz beinhalten.
Die Kundenforschung bildet die Orientierung für neue Produkte und sie bildet die Grundlage für die Optimierung im Markt befindlicher Produkte. Damit wird das Fundament für die zentrale qualitative Steuerung im Produktmanagement gelegt, denn das Ziel des quantitativen Erfolgs der Produkte im Markt lässt sich nur mit tiefer Kundenkenntnis verwirklichen.
[24]Kundenorientierung
Der Aspekt der konsequenten Ausrichtung an den Wünschen der Kunden hat im digitalen Zeitalter noch schärfere Bedeutung bekommen. Durch die digitale Transformation werden Produkte intelligenter, Kunden sind informierter – das beeinflusst die Aufgabe im Produktmanagement. Die Passgenauigkeit der Produkte muss optimiert werden. So wird ein Vorsprung im Wettbewerb geschaffen.
Mehr denn je gilt im digitalen Zeitalter: Das Maß für das Produktmanagement ist der Kunde.
Dabei kann ein PM seine Aufgabe nur bewältigen mithilfe der anderen Abteilungen im Unternehmen sowie der externen Lieferanten und Dienstleister. Es kann nur erfolgreich sein, wenn es ein konstruktives Zusammenspiel aller notwendigen Abteilungen erreicht. Hierfür bedarf es eines guten Standings, resultierend aus der Zuordnung, am Ende der qualifizierte Ansprechpartner für Produkt- und Qualitätsthemen zu sein.
Schnittstellenmanagement
Insofern gehört zu den Aufgaben eines PM auch ein umfangreiches Management von internen wie externen Schnittstellen. Die Herausforderung besteht darin, alle Beteiligten, die zum Produkterfolg notwendig sind, im Sinne des Produkterfolgs zu koordinieren.
Es wird ein hohes Maß an Kollaboration benötigt. Trotz seiner zentralen Stellung im Unternehmen sind die anderen Bereiche wie Entwicklung, Produktion, Logistik, Vertrieb und Service im Allgemeinen dem Produktmanagement nicht unterstellt.
Es gilt zu überzeugen, denn das Produktmanagement benötigt sie alle. Techniken zielgerichteten gemeinsamen Arbeitens gehören notwendig zum Repertoire. Dabei sind auch externe Experten kooperativ einzubeziehen.
Führung
Damit ist ein entscheidender Aspekt für PM hervorzuheben: die Führung des übertragenen Produktbereichs im Unternehmen, ohne dass eine Weisungsbefugnis für andere Funktionen gegeben ist.
Historisch wurde das Produktmanagement zunächst in der Konsumgüterindustrie eingeführt. Hier wird es auch weiterhin als Umsetzung des Marketings verstanden. Deshalb beinhalten die Aufgaben im B2C-Bereich oft eine starke Marketingorientierung. Man könnte von kaufmännischem Produktmanagement sprechen.
Produktmanagement wurde im B2B-Bereich vielfach als Koordinierungseinheit für die Produktentwicklung geschaffen. Man könnte von technischem Produktmanagement sprechen.
[25]Wenn die Aufgaben der Stelle allerdings schwerpunktmäßig allein die Abstimmung eines Neuproduktprojekts beinhalten, ist eher von Projektführung zu sprechen. Wir hatten Projektführung oder Projektmanagement von Produktmanagement unterschieden.
Neuproduktentwicklung und Produktmarketing
Ganz gleich, wie die Bedingungen im Unternehmen sind: Zu einem Produktmanagement gehören beide Bestandteile, Neuproduktentwicklung und Produktmarketing. Organisatorische Teilungen sind kontraproduktiv. Das eine funktioniert ohne das andere nicht.
Manchmal wird ein PM Neue Produkte eingesetzt, um das Portfolio zu ergänzen. Es empfiehlt sich, auch diese Schwerpunktaufgabe mit Betreuung möglicherweise kleiner Produkte oder Produktbereiche zu kombinieren, um dem Stelleninhaber zwar genügend Freiräume für Neues zu geben, aber gleichzeitig den aktuellen Marktkontakt zu erhalten. Ohne realen Bezug wird die Aufgabenbewältigung platonisch.
Beachten Sie
Produktentwicklungen sollen am Ende erfolgreich bei Kunden im Markt sein. Das ist das Ziel der Funktion Produktmanagement.
Von Unternehmen mit hochkomplexen Leistungsangeboten werden die Produkte vielfach aufgefasst als eine Sache für reine Fachspezialisten, häufig die (technischen) Entwickler. Aber darf das so sein? Es gibt ungezählte Beispiele, in denen diese sich, isoliert in ihrem unternehmerischen Raum, vergaloppiert haben. Die Kunden haben die Produkte nicht angenommen.
Bei dieser Herangehensweise wird die Produktentwicklung von den Kundenwünschen aus dem Markt abgekoppelt. Das funktioniert nicht. Die Anforderungen der Kunden, deren Requirements, gehören in die Produktentwicklung, das Engineering.
Erfolgreiche Projektarbeit in der Neuproduktentwicklung erfordert ein gutes Customer Requirements Engineering, übersetzt in gute Engineering Requirement Specifications. Das ist ein zentrales Thema des Projektmanagements im Innovationsmanagement.
Das Produktmanagement ist nicht die Instanz der Produktentwicklung selbst, es ist verantwortlich für die Steuerung von Produktentwicklung und Maßnahmen für den Verkaufserfolg der Produkte im Markt. Und der Maßstab sind die Kunden.
Bei aller Spezialisierung der jeweiligen Aufgaben muss der zuständige Produktmanager immer, und zwar von Anfang an, in die Entwicklungen involviert sein. Wenn es um Fragen der Kunden geht, ist die Grundaufgabe des Produktmanagements angespro[26]chen. Die Kundenresonanz ist zu ermitteln, allen Beteiligten zu kommunizieren und muss bereits bei der Produktgenese wirksam einfließen. Innovationsmanagement ist nur dann erfolgreich, wenn es gelenkt für die Kunden erfolgt.
Anwalt der Kundenwünsche
In die Entwicklung von Produkten für Kunden gehören immer die Kundenwünsche – inklusive der Bedürfnisse, die der Kunde selbst noch nicht kennt, die aus der Befassung mit den Kunden abgeleitet werden. Anwalt der tief verstandenen Kundeneinstellung ist das Produktmanagement.
Qualifikationen im Produktmanagement
Neben den Aufgaben werden in den Anzeigen Anforderungen an potenzielle Stelleninhaber genannt. Die Spannweite der geforderten Qualifikationen reicht von kaufmännischer oder technischer Ausbildung bis zum betriebs- oder ingenieurwissenschaftlichen Studium (unterschiedliche Richtungen, häufig Wirtschaftsingenieur) und Naturwissenschaften. Die unterschiedlichen Fachrichtungen sind verständlich: Je technischer die Aufgabe ist, desto eher wird sie von Ingenieuren oder Wirtschaftsingenieuren übernommen, je marketingorientierter die Aufgabe ist, desto häufiger werden Wirtschaftswissenschaftler angesprochen. In der Realität kommen Wechsel und Austausche vor.
Durchweg wird unternehmerisches Denken gewünscht. Das entspricht der Devise in diesem Buch: Die Produktmanagerin ist eine Unternehmerin für den Produktbereich im Unternehmen.
Auch wenn es die unterschiedlichen Schwerpunkte gibt, handelt es sich bei jeder Form des Produktmanagements um eine technisch-kundenorientierte Aufgabe. Wer aus der Betriebswirtschaft kommt, muss lernen, wie mit den Entwicklern umzugehen ist. Wer aus dem Ingenieurwesen kommt, muss reflektieren, wie er den Kommunikationsleuten begegnet. Es gibt keinen direkten, eindeutigen Weg in das Produktmanagement.
Betriebswirtschaftliches Know-how
Ein weiterer wichtiger Punkt muss ergänzt werden: Zu einer Managementposition gehören fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse in Kosten- und Erlösrechnung sowie speziell der Deckungsbeitragsrechnung. Wer ergebnisverantwortlich ist, muss diese Zahlen interpretieren können. Wie sollen sonst Entscheidungen qualifiziert gefällt werden?
Wir werden uns diesem Thema ausführlich in Kapitel 2 stellen.
Eines gehört notwendig auch dazu: Erfahrung im Management in Unternehmen, um zu wissen, wie eine Unternehmensorganisation tickt. Sonst ist eine Führung ohne Weisungsbefugnis nicht zu handhaben.
[27]Akzeptanz und Vertrauen
Dieses Verständnis ist zentral: Die Aufgabe heißt Produktmanagement, der Erfolg kann sich nur einstellen, wenn die Produkte den Wünschen der Kunden entsprechen und gekauft werden. Insofern ist die Führungsgröße im Produktmanagement Akzeptanz und Vertrauen der Kunden, eine Haltung, die zu Käufen führt und sich in dauerhaften Gewinnbeiträgen niederschlägt. Dafür bündelt das PM die unterschiedlichen internen und externen Beiträge wie in einem Prisma für höchste Kundenzufriedenheit. Und das kontinuierlich.
Vertrauen für Produkte wird im Wettbewerb erzielt: Kunden bevorzugen die Produkte des Unternehmens gegenüber Wettbewerbsprodukten. Die Aufgabe im PM beinhaltet, Wettbewerbsvorteile aus Sicht der eigenen Kunden zu gewinnen.
Kunden bewerten die Leistung eines Unternehmens dabei nicht im luftleeren Raum. Die Marke, unter der die Leistung angeboten wird, führt zur Einordnung. Sie bildet die Grundlage für die Kunden, ihre Erfahrungen mit den Produkten des Unternehmens zu behalten. Damit baut sich eine Bevorzugung der eigenen Angebote gegenüber dem Wettbewerb auf. Das Zusammenspiel von Kundenerwartung und Marke ist insofern mitentscheidend.
Die Marke ist wie ein Filter im Kopf: Mit positiver Identifikationskraft beurteilen Kunden die Produkte positiver. Insofern kommt es in der Arbeit des Produktmanagements auf die Stimmigkeit der Marke an: »Anerkannte Marken genießen im Auswahlprozess ein Plus.«4 Das führt zu besseren Ergebnissen. Es ist fahrlässig, diesen Punkt in den Stellenausschreibungen unerwähnt zu lassen.
Die Marke gehört notwendig zur Stellenanforderung des Produktmanagements.
Marke und Kompetenzrahmen
Die Marke oder die Marken, unter denen Produkte angeboten werden, sind immer verbunden mit einem Kompetenzrahmen, der für die Entscheidungen der Kunden größte Bedeutung hat. Das gilt in allen Branchen. Erfolg im Produktmanagement hängt von der Markenstärke und der Einhaltung dieses Kompetenzrahmens ab, um sich im Wettbewerb durchzusetzen.
Das sei mit einem Beispiel erläutert, auf das wir in den folgenden Kapiteln noch häufig zurückkommen werden: Kaffeegenuss hat für viele Kunden in bestimmten Situationen einen hohen Stellenwert: morgens zur Anregung, mittags zum Essensabschluss, nachmittags für die Geselligkeit. Die Welt des Kaffees ist geschäftig. Italienische Spezialitäten werden inzwischen bevorzugt. Lavazza ist die bekannteste italienische Kaffeemarke in Deutschland. Kaffeetrinker vertrauen ihr und kaufen sie gerne.
[28]Teegenuss als Alternative stellt nahezu ein Gegenteil dar. In Hamburg hatte das Unternehmen Meßmer in der Hafencity das Teerestaurant Momentum eröffnet. Nomen est omen. Dort herrschte eine ganz andere Atmosphäre. Der Tee soll ziehen, genau die richtige Zeit lang, man wartet darauf, man hält einen Moment lang inne.
Technisch handelt es sich um zwei Aufgussgetränke, also sehr ähnlich. Trotzdem sind es zwei ganz eigene Genusswelten, die so unterschiedlich sind, dass Kunden jeweils den Spezialisten suchen: Lavazza wird verbunden mit Kaffeefreuden, Meßmer mit Teegenuss. Keine Marke kann aus ihrer Haut heraus.
Spielen wir das gedanklich einmal durch: Was wäre, wenn Lavazza zusätzlich Tee anbietet? Kaufen Sie den Tee? Kaufen Sie dann noch Kaffee von Lavazza? Was wäre, wenn Meßmer auch Kaffee anbietet? Kaufen Sie den Kaffee? Kaufen Sie dann noch Tee von Meßmer? Beides wohl nicht.
Aus Sicht beider Unternehmen wäre das ein geschäftlicher Super-GAU. Sollte eine der beiden Marken in das andere Feld gehen, werden die Kunden das nicht akzeptieren. Ihre angestammte emotionale Aufladung wird dann zerstört. Ein Produktmanager, der das macht, beherrscht sein Handwerk nicht.
Das ist ein Beispiel aus der Konsumgüterindustrie. Gilt die Anforderung auch in anderen Branchen? Setzen wir die Überlegung mit einem weiteren Gedankenspiel fort: Wenn Sie einen Traktor kaufen wollen, welche Marke bevorzugen Sie? Claas, Fendt oder Deutz-Fahr?
Sie kaufen nicht so oft Traktoren? Was halten Sie von E-Autos unter einer der Marken? Nicht akzeptabel? Lieber Audi, BMW oder Mercedes? Von Traktorkompetenz zu E-Auto-Kompetenz funktioniert nicht. Von Verbrennerauto zu E-Auto wohl.
Selbst MAN hat 1964 die Traktorproduktion aufgegeben – obwohl auf den ersten Blick zwei noch nähere Branchen, Lkw und Traktor. Es kommt auf das Schema im Gehirn der Kunden an. Ein Produktmanager sollte seine Kunden bestens kennen. Nur so erreichen Sie im Produktmanagement das Ziel.
Zu dem Themenfeld Kundenkenntnis im Produktmanagement gehört: Wie kompetent ist die Marke wofür in den Augen der Kunden? Das ist der Aktionsrahmen für Unternehmensmarken wie für Produkt(gruppen)marken. Produktmanagement hat also neben dem technischen eindeutig einen sozialwissenschaftlichen Bezug. Die Zweiseitigkeit stellt den Reiz der Aufgabe dar.
Lassen Sie uns bis hierhin zusammenfassen: Führung eines Produktbereichs bedeutet, ihm eine klare Ausrichtung unter der Marke zu geben, alle Funktionen im Unter[29]nehmen dahinter zu versammeln und entsprechend zu motivieren, die technischen Möglichkeiten aktiv zu nutzen. Grundlage dafür ist beste Kundenkenntnis, um den Kunden genau die Lösungen zu bieten, die sie akzeptieren. Nur so kann der wirtschaftliche Erfolg erreicht werden. Das gilt für alle Branchen. Es ist eine anspruchsvolle Führungsaufgabe ohne Weisungsbefugnis, die Standing und Erfahrung, technisches und sozialwissenschaftliches Know-how verlangt.
Die wirtschaftliche Dynamik wird befeuert durch die digitale und ökologische Transformation. Nicht nur Autos wandeln sich: Nahezu alle Produktbereiche unterliegen mehr oder weniger großen Veränderungen. Digitale Sensibilität ist bedeutender, ergänzender Teil des PM-Handwerks.
Die digitale Herausforderung prägt wirtschaftliches Handeln und damit das Produktmanagement. Dennoch bleibt gültig, was bei allen technischen Möglichkeiten das gültige Kriterium ist: die Kundeneinstellung als Steuerung des Prozesses. Die Denkmatrix aus Kundenanforderungen und resultierenden Produkteigenschaften bleibt das zentrale Werkzeug des Produktmanagers.
Viele der hier skizzierten PM-Ausschreibungen beinhalten Aufgaben mit einem digitalen Hintergrund. Zahlreiche Produktmanagements sind in dieser Form überhaupt erst durch die Digitalisierung entstanden. Mehr oder weniger ausgeprägt ist jedes moderne Produktmanagement mit der digitalen Transformation konfrontiert. Das ist sehr verständlich. Digitalisierung schafft Möglichkeiten, Vereinfachungen, Lösungen. Das sind Aspekte für verbesserte Produkte mit Blick auf die Kunden.
Für unser gemeinsames Verständnis klären wir den Begriff: Digitalisierung stellt zunächst ganz allgemein die elektronische Speicherung und den Versand von Daten dar, die wegen der elektronischen Verfügbarkeit und Verbindung unmittelbar gesendet und ausgewertet werden können. Die Daten enthalten Informationen. Der Austausch kann erfolgen vom Unternehmen zum Kunden und zurück, aber auch von Maschine zu Maschine. Basis ist jeweils die direkte elektronische Verbindung, die wegen ihrer Unmittelbarkeit bevorzugt genutzt wird, beschleunigt sie doch die unterschiedlichen Formen des Miteinander.
Die digitale Entwicklung hat und wird weiter die Leistung der Produkte selbst, den Vertrieb der Produkte, die Kommunikation mit Kunden, das Zusammenarbeiten im Unternehmen beeinflussen. Wertvolle Informationen sind an sich für Kunden interessant und stellen Informationsprodukte dar. Darüber hinaus können sie die Leistung [30]vieler Produkte erhöhen. Insofern ist Digitalisierung gerade im Produktmanagement eine wichtige Entwicklung.
Veränderung auf der Vertriebsseite
Ein wesentliches Element der Entwicklung ist, dass Unternehmen und Kunden in umweglosen Austausch treten können. Kunden sind offline und online unterwegs, ganz wie sie wollen. Kunden trennen nicht zwischen den Sphären. Gerne wird der passendste Weg, meist kombiniert, für Information und Bestellung genutzt. Insofern bedarf es einer ganzheitlichen Antwort für einen Produktbereich unter einer gemeinsamen Marke. Ganz gleich, welchen Weg ein Kunde wählt, er hat eine Vorstellung von der Marke im Kopf gespeichert. Es ist dann irritierend, wenn es Abweichungen im Vorstellungsbild gibt, insbesondere solche, die nicht akzeptiert werden. Dann gehen die Kunden.
Ein möglicher Weg zur Lösung: Das Unternehmen schafft unter einer neuen Marke einen zusätzlichen digitalen Vertriebsweg. Dann sind die bisherigen Aktivitäten nicht berührt. Manchmal existiert ein bestehendes Produktmanagement, dem ein eigenes PM für digitale Produkte und Kanäle ergänzend zur Seite gestellt werden soll. Eine andere Möglichkeit der Erweiterung.
Mit einem Produktmanagement kann ein Unternehmen neue Produkte und neue Märkte in Angriff nehmen. Es ist allerdings zu regeln, wie Bestehendes und Ergänztes miteinander umgehen, wenn sie unter einer Marke verbunden sind. Die Synchronisation der Wege ist schwieriger, wenn die beiden Kanäle organisatorisch getrennt sind. Dann sind beide Produktmanagements verpflichtet, sich zu koordinieren.
Integrativer Ansatz von Online- und Offlineangeboten
Da Kunden beide Sphären, offline und online, selbstverständlich nutzen, ist immer ein integrativer Ansatz für alle Angebote unter einer Marke zu wählen.5 Das gehört zur Verantwortung eines Produktmanagers.
Heute kommt es häufiger vor, dass auch organisatorisch die Integration durch die Gesamt-Aufgabenstellung – also PM für alle Kanäle – für das Produktmanagement erfolgt. Das ist sicherlich im Sinne der Integration auch der bessere Weg.
Ein Vorteil in der Onlinewelt ist die leichtere Verknüpfung von Produkten und Services zu einem Dienstleistungspaket. Dabei ist es nicht einmal notwendig, selbst alle Leistungen zu erbringen, vielmehr sind häufig Kooperationen vorteilhaft.
[31]Bekanntestes Beispiel für eine offene Produktleistung sind App-Stores: Ein Smartphone-Anbieter kann seinen Kunden mehr bieten, wenn engagierte Entwickler die Plattform nutzen, um interessante, von ihnen entwickelte Applikationen zu vermarkten. Davon profitiert einerseits der Smartphone-Anbieter mit dem App-Store – er hat durch die Mitwirkung anderer ein umfassenderes Angebot – und auf der anderen Seite der App-Entwickler – er hat einen interessanten Absatzkanal. Diese Zweiseitigkeit ist gerade durch die Plattformökonomie forciert worden.
Grundlage des E-Shopping sind Plattformen, die als virtueller Handelsplatz funktionieren. Wie ein analoger Handel bündelt eine Plattform viele Leistungen. Besonders ist dabei: Virtuell gibt es kaum Grenzen für die Angebotsbreite und -tiefe, es wird auch vom Long Tail gesprochen als Bezeichnung für eine sehr große Sortimentsbreite. Damit besitzt der digitale Vertrieb nicht nur den Vorteil der weiten unkomplizierten direkten Verbindung zu Kunden, sondern hält auch ein umfassenderes Angebot vor. Man kann fragen, was gibt es, das es nicht bei Amazon gibt. Der Marktführer Amazon zeigt zudem auf, dass es möglich ist, als Händler wie als Vermittler (Amazon Marketplace) zu fungieren. Das ermöglicht ein umfassenderes Sortiment ohne zusätzliches eigenes Risiko.
Da Leistungen und Absatzwege physisch und virtuell sein können, ergibt sich eine Matrix:6
Abb. 4: Leistungs-Absatzwege-Matrix physisch und virtuell
Ein Feld, die rein digitalen Modelle (Abb. 4, oben rechts), ist ganz neu durch die digitale Transformation entstanden. Virtuelle Produkte bilden inzwischen oft einen großen [32]Produktbereich, beispielsweise iTunes von Apple. Musik wird zum Download bereitgestellt, Produkt und Absatz erfolgen nicht mehr analog. Musik, Filme und vieles andere kann digital übermittelt werden – eben alles, was auf die Weise gespeichert wird. Es kann weltweit ausgetauscht werden.
Typische E-Commerce-Modelle nutzen den neuen virtuellen Kanal, um Produkte abzusetzen. Viele Start-ups beginnen so. Zalando startete mit Schuhen, die online bestellt werden. Das war die erste Stufe. Meist geht es weiter. Das Unternehmen nutzt die digitale Verbindung inzwischen auch für zusätzliche Services wie »Fashion, Beauty, Sport & mehr.«7 Das ist eine typische Entwicklung, die online leichter umzusetzen ist als offline. Ergänzend werden für ein reales Erlebnis Flagship-Stores geschaffen. So können weitere Felder der Matrix bedient werden, sie fördern sich gegenseitig.
Selbst der Mastermind des digitalen Handels bleibt nicht in einem Feld stehen: »Amazon hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter in die Offline-Welt vorgewagt. Erst eröffnete das Unternehmen Buchläden, später kaufte es die US-Lebensmittelkette Whole Foods. Es folgten Supermärkte ohne Kassen, in denen die Einkaufskörbe der Kunden von Kameras und Sensoren gescannt und automatisch abgerechnet werden.«8
Der Blickwinkel ist, je nachdem aus welchem Feld man kommt, oft anders: eine gute Übung für einen Produktmanager, einmal gedanklich von anderer Seite an den Produktbereich heranzugehen.
Leistungs-Absatzwege-Matrix
Die Leistungs-Absatzwege-Matrix ist neben der Denkmatrix die zweite zentrale Grundlage für das Produktmanagement heute:
Auf der Leistungsseite gibt es eine starke Bewegung, Produkte mit mehr Services, meist digitalen, zu verbinden.Auf der Vertriebsseite sorgt der unmittelbare Kontakt zur Veränderung der Vertriebswege: Warum sollte nicht direkt bestellt werden?Die Vertriebsseite ist für das Produktmanagement erfolgskritisch: Alle Verkäufe erfolgen über die Vertriebskanäle des Unternehmens. In manchen Branchen ist die Koexistenz von direkten und indirekten Absatzwegen unproblematisch, in anderen aber auch nicht. Hier ist die Frage zusammen mit dem Vertrieb zu beantworten, welche Vertriebswege heute und morgen genutzt werden. Soll oder wird es eine Weiterentwicklung geben, wird der direkte Kontakt stärker werden? Eine Tendenz, die der [33]Digitalisierung entsprechende direkte Verbindung anzustreben, ist auf allen Seiten erkennbar, Hersteller, Handel, Dienstleister. Gerne wird von D2C, also Direct to Consumer, gesprochen, der Tendenz, den direkten Kundenkontakt anzustreben. So hat das Unternehmen Dr. Oetker das Start-up Flaschenpost für einen hohen Betrag erworben, um den direkten Kundenkontakt neben den bestehenden Handelswegen umfassend zu etablieren.9 Entscheidend ist der Kundenkontakt.
Wer direkten Kundenkontakt hat, verfügt auch über Daten der Kunden und kann deren Verhalten registrieren. Damit ist eine Datenanalyse möglich, welche Kunden was wie oft kaufen. Das ist die zentrale Intelligenzverstärkung der Absatzseite. Wer die Vorlieben seiner Kunden immer besser beherrscht, kann die Angebote individueller gestalten. Die Übersetzung von Kundenwünschen in Produkteigenschaften hat nun eine Informationsgrundlage. Das sind für Vertrieb und Produktmanagement wertvolle Auswertungen, um zielgerichteter zu arbeiten. Ein anderes Beispiel für verbesserte Vertriebskompetenz in der direkten Kundenbeziehung mittels Datenmanagement gibt der Fahrradspezialist Rose Bikes. Wegen eines Nachfragebooms und sich immer weiter differenzierender Wünsche von Kunden war Hilfe zu deren Bewältigung nötig. Der Verkaufsinnendienst hatte seine Grenzen überschritten.
Heute wird eine Plattform als Service genutzt, um die Onlinefragen bis hin zum Kauf zu managen. »Zoovu, laut eigenem Bekunden führende KI-gestützte Conversational-Search-Plattform, bietet hierfür eine Software-as-a-Service-(SaaS-)Lösung an, die – kurz gesagt – Kundenbedürfnisse ermitteln und Suchanfragen in Kaufgespräche verwandeln soll und an die Zoovu-Kunden wie Rose Bikes ihre Produktdatenbanken direkt anbinden können.«10 So kann ein mittelständisches Unternehmen an zunehmender Vermarktungsintelligenz teilnehmen.
Eine große Entwicklung liegt in der Kanalisierung der Kundenwünsche im Onlinekontakt, um die User schnell dorthin zu leiten, wo deren Bedürfnisse Antworten finden. Das ist zunächst eine generelle Anforderung an die Website, die vor allem ein E-Shop leisten muss. Wie ein kluger Verkäufer im Geschäft aus dem Kundenverhalten Vorlieben erkennt, so soll die Auswertung des Kundenverhaltens dazu führen, gezielter anzubieten. Dabei ist der nächste Schritt, nicht nur bisherige Vorlieben zu bedienen, sondern auch passende Impulse zu setzen. Das Einkaufserlebnis soll sich durch intelligente Algorithmen dem analogen nähern: »Wir orientieren uns hier am klassischen Verkäufer im Laden, der dem Kunden auch Produkte und Outfits vorschlägt, die nicht [34]so naheliegend sind. Das erwarten die Kunden auch«11, so formuliert Tarek Müller von About You den Anspruch an zukünftiges E-Shopping.
Gerade die Auswertung von Daten zur Optimierung der Kundenerlebnisse zu nutzen, erfordert eine besondere Fantasie. Das gilt insbesondere, weil Maschinenlernen sehr gut mit ergänzenden Anleitungen kombiniert werden kann, in dem E-Shopping-Beispiel eben einerseits die Vorlieben der User zu registrieren, aber auch modische saisonale Hinweise zu geben. Maschinelle Kundenbedienung in abwechslungsreicher Form.
»Was hierzulande … nicht nennenswert zündet, ist Social Commerce.«12 Der virtuelle Kanal kann auch den Weg über Social Media umfassen. »Eine YouGov-Studie vom November 2020 bestätigt das: Danach haben zwei Drittel der Deutschen noch nie Einkaufsangebote über Social Media genutzt (66 Prozent).«13 Diese erweiterten Vertriebsüberlegungen beziehen sich zunächst auf den B2C-Bereich, der prinzipielle Ansatz, den direkten elektronischen Kontakt mit intelligenter Software im Sinne der Kundenorientierung zu nutzen, gilt jedoch ebenso für den B2B-Bereich.
Vertrieb ist erfolgskritisch
Generell sind das Vertriebsthema und die Verbindung zum Vertrieb für jedes Produktmanagement zentral, durch die Digitalisierung und die ausgelösten Veränderungen mehr denn je. Die Zukunftsüberlegungen im Produktmanagement lassen sich mit der Leistungs-Absatzwege-Matrix strukturieren. Der Vertrieb ist dabei ein notwendiger Partner.
Bei den meisten Angeboten gab es einen Start in einem Feld der Matrix. Von dort ist es meist weitergegangen. Jeder Produktmanager sollte den aktuellen Aktionsradius der eigenen Produkte analysieren. Wo stehen wir? Wo bewegt sich der Wettbewerb?
Fehlende Felder sind in den meisten Branchen nur eine Frage der Zeit, bis dass sie genutzt werden. In sehr vielen Produktmanagements werden schon heute alle vier Felder bearbeitet.
Mit der direkten Verbindung ist auch die internationale Koordination erleichtert. Ein Kunde, der online eine Frage hat oder etwas bestellen möchte, kann das überall auf dem Globus tun. Insofern sind die Märkte und die Reichweite größer geworden. Sicher haben die Vermarktungsaktivitäten in Unternehmen nach wie vor einen hohen lokalen Anteil, aber die Abstimmung vorher und parallel lässt sich ausweiten. Das hat auch intern Folgen: Maßnahmen können in Echtzeit in verschiedenen Märkten durchgeführt [35]und nachgehalten werden. Dadurch ist die Einflussmöglichkeit auf Landesgesellschaften leichter gegeben, die Koordination der Maßnahmen im Produktmanagement im internationalen Maßstab wesentlich einfacher.
Kundenkenntnis durch Kundenforschung
Zur Kunden- und Wettbewerbsanalyse gehört, deren Verhalten zu verfolgen, und zwar da, wo sie unterwegs sind, auf Plattformen oder in der realen Welt. Wenn von Kundenkenntnis gesprochen wird, dann haben sich dabei die Analysemöglichkeiten erhöht: Das Verhalten der User lässt sich im Netz verfolgen, die Posts können ausgewertet werden. Das ist eine Seite.
Kundenkenntnis beginnt immer mit den intern verfügbaren Informationen. Jetzt kommt es darauf an, wie die Absatzaktivitäten mittels Datenerfassung abgebildet werden. Natürlich lassen sich nur Daten auswerten, die in einer verarbeitbaren Form erfasst und gespeichert sind. Insofern kommt es vor allem auch auf die Verabredung systematischer Informationssammlung an, insbesondere mit dem Vertrieb. Dann kann das Produktmanagement mit Data-Mining-Software auch die erhobenen Kundendaten auf Strukturen untersuchen. Gerade eine Clusterung der Kunden als Arbeitsgrundlage, um Segmente zu erkennen und differenziert bearbeiten zu können, ist dann leichter zu erstellen.
Zudem werden neue Ansätze für bekannte Instrumente möglich. »Man könnte sie für Lampen halten und sich wundern, warum sie so weit oben an den Fassaden hängen und warum sie nie leuchten, wenn es dunkel wird. In Wahrheit sind es Laserscanner, die seit 2018 aufgehängt werden von der Kölner Firma Hystreet über Einkaufsstraßen in ganz Deutschland. Sie zählen Passanten.«14 Ein Beispiel für neue apparative Ansätze, die alte Verfahren wie die Passantenzählung präziser und einfacher machen. Und das lässt sich auf viele Bereiche wie etwa Supermärkte ausdehnen: dort als Frequenzzählung oder Registrierung der Laufwege.
Weite Teile der Kundenforschung werden inzwischen apparativ unterstützt, Messungen dadurch genauer und insbesondere die Auswertungsphase erleichtert. Das gilt selbst für qualitative Analysen: »Bei der Auswertung hilft uns die Digitalisierung, Schwerpunkte zu finden, Beurteilungsmuster zu erkennen oder Fleißarbeit und somit Zeit und Geld zu sparen.«15 Das Produktmanagement kann auf verbesserter Informationsbasis operieren, die Kundenausrichtung wird erhöht. Wir kommen im Überblick der Kundenforschung (Kapitel 2.2.1) darauf zurück.
[36]Beachten Sie
Die Digitalisierung hat die Möglichkeiten zur Kundenforschung erweitert, präzisiert und es oft günstiger gemacht, Kundenverhalten zu erfassen und auszuwerten.
Das nutzt modernes Produktmanagement. Vermarktung erfolgt auf guter Grundlage ebenso wie die Kundenansprache.
Es ist ein deutlicher Einfluss durch die Digitalisierung auf das Marktmanagement erkennbar. In Verbindung zu Konsumenten haben sich die Werbeaktivitäten sehr stark in den Onlinebereich verlagert. »Laut Digital 2021 Report von We Are Social und Hootsuite nutzten im Januar 2021 bereits 66 Millionen Deutsche aller Altersklassen regelmäßig Social Media.«16 Das ist angesagt. »Mit voranschreitendem E-Commerce-Boom erfreuen sich zudem Handelsplattformen als Werbebühne wachsender Beliebtheit.«17
Content-Management ist ausgehend vom Social-Media-Bereich zunehmend zum Mittelpunkt der Vermarktungsaktivitäten geworden, inzwischen zum gemeinsamen Kern des Produktmarketing für den Offline- und Onlinebereich. Eine Strukturierung der Inhalte erfolgt entlang der Kundenkontaktpunkte, der Customer Touch Points. Diese sind, da sehr zahlreich geworden, für die Bearbeitung zu strukturieren.
Mithilfe gemeinsamen Content-Managements für die Stufen des Kundenwegs bis zum Kauf sowie für die Nachkaufphase gelingt ein einheitlicher und zugleich flexibler Kundenaustausch. So wird ein integrierter Produktmarketingansatz erreicht.
Das Produktmanagement steht vor der Herausforderung, die im Sinne der Kunden zielführenden Kanäle mit geeigneten Impulsen auf dem Kundenweg zu bespielen. Hier sind die Vermarktungsanforderungen im Industriegüter- und Konsumgüterbereich nicht vom Prinzip, aber in der Umsetzung unterschiedlich.
Angebotsentwicklung durch Digitalisierung
Digitale Transformation bezieht sich allerdings nicht nur auf die Vermarktungsseite. Bedeutender für das Produktmanagement ist die Leistungsseite. Das ausgetauschte Datenvolumen nimmt deutlich zu, allgemein wird von Big Data gesprochen. Daten bekommen erst einen Wert, wenn sie analysiert und die Erkenntnisse darin gehoben werden.
[37]Daten ermöglichen smarte Lösungen
Daten ermöglichen verbesserte Produkte oder eigene Services, wirken damit im Zentrum des Produktmanagements. Durch die Nutzung der begleitenden Daten können Produkte mit Intelligenz und Services ergänzt werden. Der Produktbegriff wird deshalb heute sehr weit verwendet. Verbreitet lässt sich von smarten Kundenlösungen sprechen.
Der Leistungsumfang kann und wird durch Nutzung digitaler Möglichkeiten verbessert. Dafür gibt es kein Patentrezept. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Leistung vereinfacht, erweitert, das User-Interface leichter handhabbar gestaltet wird. Manchmal ist allerdings auch zu beobachten, dass eine Übertechnisierung Kunden überfordert.
Das Maß für die nützliche Produktintelligenz stellt der Kunde. Die Internetwelt spricht von Customer Centricity, die für alle Anwendungen erforderlich ist. Damit ist wieder die Grundaufgabe des PM formuliert, Lösungen für Kunden, nur in aktuellerer Fassung.
Kunden haben die Möglichkeit erfahren, dass sie individuelle Produkte erhalten können. Daraus entstehen neue Geschäftsmodelle. Menschen haben unterschiedliche Wohnräume. Insofern wäre es schön, maßgeschneiderte Schränke zu erhalten. Die Digitalisierung macht es möglich. »Die Kunden geben die gewünschten Parameter auf der Website ein, wählen Holzart, Furnier, Schrägen, Böden, Türen und Griffe – und schicken den Auftrag ab …«18 Das ist ein Beispiel, übertragbar auf viele Angebote. Die Forderung nach Individualisierung wird immer mehr Produktmanagements betreffen.
Die individualisierten Anforderungen gilt es präzise zu erstellen. Da hilft ein zweiter Aspekt der Digitalisierung: immer bessere Roboter. »Lange waren Roboter und Automaten nur etwas für die Großindustrie, vor allem für Autohersteller. Deutschland ist das am stärksten automatisierte Land der Europäischen Union …«19 Die Welle der Roboterisierung hat die mittelständischen Unternehmen voll erfasst. Für das Produktangebot bedeutet die Entwicklung, schneller und zunehmend individuell liefern zu können. So können Wettbewerbsvorteile entstehen. Oft gibt es Vorbehalte, weil Roboter Menschen Arbeit wegnehmen. Die bisherige Entwicklung zeigt allerdings keine Abnahme der Arbeitsplätze, eher eine Veränderung. Oft erfolgt die zunehmende Roboterisierung genau wegen des Mangels an Fachkräften.
Durch Aktualisierung der steuernden Software in Produkten können Programmfortschritte sehr schnell in die Praxis eingespielt werden. Insofern können Produkte im Laufe des Produktlebens an Wissensfortschritten teilnehmen, die durch Updates verfügbar gemacht werden. Auch das verändert das Produktverständnis.
[38]Beachten Sie
Es gibt neben Produkten, die ausgereift in den Markt gebracht werden, auch jene, die im Markt eine Entwicklung erfahren. Für die Kunden wird das PM immer fordern, dass es von Anfang an gute Lösungen sein müssen.
Der IT-Bereich hat den Begriff Ökosystem aus der Biologie übernommen. »Unter einem Digitalen Ökosystem verstehen wir ein sozio-technisches System. Dies bedeutet, dass ein solches Ökosystem nicht nur digitale, technische Systeme umfasst, sondern explizit Organisationen und Menschen sowie deren Beziehungen untereinander einschließt. Nehmen wir das Beispiel Flixbus, ein Digitales Ökosystem zum Personentransport im Fernverkehr. Neben diversen Software- und gegebenenfalls Hardware-Systemen, zum Beispiel für den Kauf von Tickets oder für die Nachverfolgung von Bussen, umfasst es insbesondere die Passagiere, Busunternehmen sowie deren Fahrer.«20 Es geht mithin um eine umfassende Lösung für ein Kundenbedürfnis: problemlos von A nach B mit allen Facetten.
Beachten Sie
Produktmanagement hat es zunehmend mit Systemen um ein Produkt zu tun, also mit Zusatzprodukten und Services – oft wird in diesem Zusammenhang von Ökosystemen gesprochen. Darunter ist die Herstellung einer Gesamtleistung als umfassende Antwort auf ein spezielles Bedürfnis zu verstehen.
Der Ansatz individuellerer Lösungen wird verbreitet aufgebaut, indem eine Systemarchitektur, ein Baumuster geschaffen wird, das mit unterschiedlichen Modulen ausgestattet werden kann. Die passende Kombination schafft zugeschnittene Produkte in Serie, gesteuert durch eine grundlegende Intelligenz. Für die Neuproduktentwicklung haben diese Überlegungen große Auswirkungen: Komplexe Produktlösungen bedürfen einer Lösungsarchitektur, das Produktkonzept wird modular umgesetzt.
Eine wesentliche Entwicklung ist die Digitalisierung der Industrie – Industrie 4.0 oder Internet of Things (IoT). Typischerweise kann eine unternehmensinterne Entwicklung in vier Schritten beobachtet werden:21
Im ersten Schritt wird ein digitales Abbild der Vorgänge im Unternehmen geschaffen: Alle relevanten Daten aus Produktion, Auftragsfluss, Absatz, Logistik, Service etc. werden erfasst. Dafür sind mitteilende Produkte notwendig. Ziel: Wissen, was passiert. → Im Alltag lassen sich beispielsweise Paketsendungen verfolgen.[39] In einem zweiten Schritt geht es um das Herausfinden von Zusammenhängen. Wenn A eintritt, dann folgt B. Die Herausforderung liegt darin, tatsächliche Wirkungsverbindungen zu erkennen, nicht nur zufällige Gleichzeitigkeit. Die Unterscheidung zwischen gleichzeitig und kausal ist essenziell.22 Des Weiteren ist zu beachten, in welchem Umfang Erklärungen gegeben werden können. Grenzen ergeben sich, weil häufig nicht alle Einflussgrößen als Daten vorliegen. Ziel: Immer bessere Erklärungen geben können, dem Kunden zur Seite stehen. → Im Alltag ist zu erleben, dass Paketsendungen angekündigt werden mit einer bestimmten Zustellzeit, was leider oft nicht funktioniert, weil die Bedingungen auf dem Weg nicht vorhersehbar sind.Als dritter Schritt können bei stabilen Zusammenhängen auch Vorhersagen erfolgen, was als Nächstes passieren wird. Wenn beispielsweise eine Einspritzdüse eines Aggregats immer genau bis zu einem Spiel von x Nanometer funktioniert, danach die Funktion aber zusammenbricht, sollte der Austausch jeweils kurz vorher erfolgen, wenn Sensoren das entsprechend mitteilen. Das Verschleißteil wird optimal genutzt, vor allem gibt es so nur kurze rechtzeitige und keine längeren vollständigen Systemunterbrechungen. Ziel ist also, nützliche Hilfestellungen für Kunden etwa in Form der Reduktion von Ausfällen zu geben. Das ist echter wirtschaftlicher Wert. → Im Alltag fordert das Auto den Fahrer zur Serviceanmeldung auf.Als vierter Schritt kann das Datenerfassungs- und Auswertungssystem auch Maßnahmen selbst initiieren, um Korrekturen vorzunehmen. Ausgebaut lernt das System aus den Daten und optimiert sich selbst. Das Ziel ist ein stabiles System bei allen wechselnden Anforderungen. → Im Alltag werden gerade smarte Produktionen durch permanente Anpassung immer stabiler.Für einen Produktmanager kommt es nun auf die Fähigkeit an, aus vorliegenden Daten Services abzuleiten, welche die Produkte sinnvoll ergänzen. Das Denken sollte dabei nicht an den Unternehmensgrenzen enden: Leistungen können auch mit Partnern zusammen erbracht werden.
»Customer Data Analytics wird zu einem zentralen Faktor, um Kunden individuell zu behandeln.«23 Das erwarten diese – mehr und mehr.
[40]Die lokalen Server in den Unternehmen werden durch den enormen Datenanfall immer weiter ausgenutzt. Über das Cloud-Computing werden verschiedene Stufen der Erweiterung der Unternehmensressourcen angeboten:
Infrastructure as a Service (IaaS) steht als Begriff für die Erweiterung der eigenen Infrastruktur. Das Unternehmen erreicht damit eine Erweiterung ohne eigene Investition in die unternehmenseigenen Ressourcen.Platform as a Service (PaaS) steht als Begriff für die Nutzung externer Plattformen von Cloud-Anbietern für die Entwicklungsanwendungen eines Unternehmens. So kann abseits der eigenen Ressourcen ein Entwicklungsprojekt separat laufen.Software as a Service (SaaS) steht als Begriff für den Einsatz von Software und Infrastruktur eines Anbieters für die eigenen Zwecke im Unternehmen – wie im genannten Beispiel der Rose Bikes zur Verbesserung des Onlinevertriebs.Digitale Services sind auch Produkte, digitale Services erweitern die PM-Kapazitäten.
Erweitertes Aufgabenverständnis
Insgesamt wird also ein Unternehmen in seiner Wertschöpfung immer intelligenter und kann zudem Ressourcen von außen relativ bequem hinzufügen. Das Produktverständnis und die gebotene Lösung werden umfangreicher, der Service für Kunden besser. Zentral ist die Customer Centricity, also die absolute Orientierung auf überzeugende Kundenlösungen. In der Vermarktung kann der Weg von Kunden bis zum Abschluss und darüber hinaus die weitere Beziehung passend gestaltet werden. So ist die Aufgabe des Produktmanagements inzwischen zu verstehen.
Die Denkmatrix des Produktmanagements hat auf der Seite der Produktanforderungen durch Kunden deutliche Verständnisänderungen erfahren. Gleichzeitig wird klar, dass die Seite der Produkteigenschaften um digitale Fähigkeiten erweitert zu verstehen und hinter der Lösung eine Systemarchitektur als organisierende Ebene zu bedenken ist.
Eine Produktmanagerin ist aufgefordert, die Entwicklungen in ihrem Markt zu verfolgen, um aktuelle Offerten zu schaffen. Die digitale Veränderung hat Relevanz für das Produktangebot. Das gilt für alle Branchen.
Produktprogrammpolitik als Kompetenzpolitik
Der Aspekt der Programmpolitik gewinnt ebenfalls eine andere Bedeutung: Es geht um umfassende Lösungen für die Zielgruppen. Vollständigkeit und die Unterteilung in Lösungsbündel bilden die Überschriften für ein kompetentes Programm. Damit ist die Produktprogrammpolitik eine Kompetenzpolitik. Sie wird auch zur Vorlage für die (Sub-)Markenstruktur. Wenn aus Kundensicht ein Sinn hinter der Programmstruktur steckt, ist das auch leicht zu kommunizieren.
[41]In der eigenen Branche sollte der Produktmanager bestrebt sein, dass er sich in der vorderen Entwicklungsgruppe digitaler Intelligenz befindet. So sichert das PM eine relativ führende Wettbewerbsposition. Große Defizite in digitaler Ausstattung führen bei vielen Kundengruppen zur Ablehnung. Tatsächlich gibt es hier verbreitet Nachholbedarf. Die Mehrheit der Unternehmen fühlt sich als digitale Nachzügler.24
Produktmanagement ist bereits bezeichnet worden als Motor im Unternehmen. Jetzt ist zu ergänzen, dass PM auch einen Motor für die digitale Transformation der Leistungen darstellt. Wesentlicher Teil der PM-Aufgabe ist das Innovationsmanagement. Die rasante Marktentwicklung legt nahe, dass sich ein Produktmanager regelmäßig mit Digitalisierungsexpertinnen austauscht, einfach um die Optionen auf Chancen für das eigene Lösungsangebot abzuklopfen. Das ist PM-Grundlagenarbeit.
Das Beispiel Rose Bikes beinhaltete eine KI-Lösung. »Für Unternehmen, egal ob groß oder klein, stellt sich nicht die Frage, ob der Einstieg in die Welt der KI [Künstliche Intelligenz] sinnvoll ist oder nicht. Die Technologie hält längst Einzug in viele Anwendungen im Alltag. Wer die Unternehmenssoftware SAP S/4Hana benutzt, bekommt damit sofort ein KI-Werkzeug mitgeliefert.«25 Künstliche Intelligenz ist schon im Unternehmen und es gilt auch im Bereich Innovationsmanagement zu prüfen, ob sie für Unterstützung sorgen kann. Kreativität bleibt eine Domäne des Menschen. Die kann mit Programmen Hilfe erhalten. Wir kommen darauf in Kapitel 3 zurück.
Das Produktmanagement kann einen Vorsprung im Wettbewerb erzielen, wenn individuelle Lösungen auf Basis von mehr Information und mit nützlichen Services geboten werden. Dafür sind digitale Fähigkeiten erforderlich. Dabei ist aufzupassen, ob die Anwendungen auch von Kunden als Verbesserung erlebt werden. In digitalen Zeiten hat das Produktmanagement noch mehr darauf zu achten, die Kunden zu kennen und echte fortschrittliche Lösungen aus deren Sicht zu bieten. Denn nicht alles, was möglich ist, wird auch akzeptiert.
Beachten Sie
Die digitale Passung der Gesamtlösung für die Zielgruppe im Wettbewerbsvergleich ist ein Beurteilungskriterium für die Leistung des Produktmanagements aus Kundensicht.
Arbeitsweisen ändern sich
Aber nicht nur, was geschaffen wird und wie vermarktet wird, hat sich verändert. Auch die Frage, auf welche Weise etwas entsteht, hat eine Neuausrichtung erfahren. Wenn es mehr und mehr Gesamtlösungen, eben Systeme sind, die geboten werden, wenn [42]Unternehmensgrenzen eingerissen werden, weil die Leistung allein nicht erstellt werden kann, dann erfordert das eine Kollaboration mit fähigen Teams. Wir hatten die Führung ohne Weisungsbefugnis als Merkmal für die Position herausgehoben.
Kollaboratives Vorgehen ist mit linearem Denken nicht zu machen. Verbreitet kommt es zur vernetzten Teamarbeit. Dafür stehen digitale Lösungen zur Unterstützung der Teamarbeit bereit. »Ein Collaboration-Tool bzw. eine Collaboration-Software bietet verschiedene Funktionen zur Verwaltung von Projekten. Der Zweck einer solchen Software-Lösung ist die Optimierung des Arbeitsprozesses, weshalb die einzelnen Werkzeuge für Bereiche wie Planung, Organisation oder Analyse geeignet sind.«26
Dabei ist zu berücksichtigen, dass oft viele Einzellösungen implementiert werden. So geht die Nutzung und Auswertung quer durch das Unternehmen verloren. Die zentrale Verwaltung der Ressourcen erfolgt in Unternehmen über das Enterprise Ressource Planning-System, kurz ERP-System. Speziell für das PLM, das Product Lifecycle Management, steht PLM-Software zur Verfügung. »Es soll dabei der ganze Lebenszyklus eines Produktes begleitet werden: Von der Wiege bis zur Bahre. Dies fängt bei der Planung oder Konstruktion an und endet eventuell bei einem Recycling. Ein PLM kann dabei eine sinnvolle Kommunikationsbasis auch über die Unternehmensgrenzen hinweg sein.«27 Daneben wird für das Produkt-Datenmanagement, kurz: PDM, weitere spezielle Software eingesetzt. Um wirklich Wissen zu generieren, kommt es darauf an, dass die Systeme integriert sind und Auswertungen auf alle Datenbestände zurückgreifen können.
Häufig wird zwischen klassischen und agilen Vorgehensweisen unterschieden, sicher zunächst als Methode im Projektmanagement. Der Ansatz strahlt aber auch auf die Art und Weise aus, wie Produktmanager agieren, da sie immer wieder Teams zur Aufgabenbewältigung einsetzen. Es gilt allerdings, der Versuchung zu widerstehen, eine weitere PM-Form, agiles Produktmanagement, zu schaffen. Produkt- und Projektmanagement sind zweierlei (vgl. Kapitel 1.1). Die agile Denkweise beeinflusst generell das Führungsverständnis im Unternehmen.
Produktmanagement hat es dabei leicht. Es beinhaltet ohnehin als Ansatz die Selbststeuerung des Produktbereichs durch den Stelleninhaber wie im agilen Denken. Das Ziel sind optimale Lösungen für Kunden, gemeinsam erstellt mit den Funktionen im Unternehmen und beratenden Experten. Dafür wird integrativ ein Ansatz gebraucht, [43]um die eigenen Aufgaben der Produktbetreuung und insbesondere der Innovation nach vorn zu bringen.
Es geht also darum, unabhängig von der spezifischen Unternehmensumwelt mit gezielten Instrumenten die Zielsetzung bester Lösungen für Kunden zu erreichen. Das ist die Anforderung. Vielfach werden hybride Ansätze – also eine Verbindung der beiden Welten (klassisch und agil) – des Projektmanagements eingesetzt. Das wird im Bereich Management eines Neuprodukts intensiv zu besprechen sein (vgl. Kapitel 3.2). Damit ist Produktmanagement anpassungsfähig.