Professionell fotografieren lernen - Dennis Savini - E-Book

Professionell fotografieren lernen E-Book

Dennis Savini

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Beschreibung

Dieses Buch soll Ihnen den Weg zur professionellen Fotografie zeigen und Sie ein Stück auf diesem Weg begleiten. Professionell fotografieren bedeutet in erster Linie, bewusst und mit einem kommunikativen Ziel zu fotografieren. Es bedeutet, Fotografie als Bildsprache zu verstehen, die man wie jede andere Sprache erlernen und einüben kann, die bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgt, und mit der man sich ausdrücken und Inhalte kommunizieren kann. Das Buch ist für alle geschrieben, die ihre fotografischen Talente entwickeln und mit ihren Fotografien etwas erreichen oder bewirken wollen – auch wenn die Fotografie nicht ihr Beruf werden sollte. Fotografie als Kommunikationsmittel zu sehen, gibt ihnen ein grundsätzlich anderes Verständnis und verleiht Ihrer Arbeit eine neue fotografische Qualität. Ein kreativer Beruf braucht natürlich künstlerisches Talent. Dieses bildet die Voraussetzung, auf der Sie aufbauen können. Mehr als ein Baustein ist es aber nicht, denn wenn Sie wirklich erfolgreich sein wollen, müssen Sie in verschiedenen Gebieten Fähigkeiten aufweisen. Eine gute Ausbildung baut daher auf drei Talenten auf: Den visuellen, den handwerklichen und den kaufmännischen Fähigkeiten.   Und nach diesem "3-Talente-Schema" ist dieses Buch aufgebaut. Es beinhaltet die wesentlichen Schritte, die Sie zu einer erfolgreichen fotografischen Tätigkeit führen. Und selbst wenn Sie die professionelle Sicht der Fotografie interessiert ohne daraus einen Beruf machen zu wollen, werden Sie in diesem Buch wertvolle Hinweise für Ihre weitere fotografische Entwicklung finden. Der Beruf Fotograf stellt mehr Anforderungen als man gemeinhin denkt, und gerade das macht ihn so spannend und interessant. Auch wenn der hier beschriebene Weg mehr Zeit in Anspruch nimmt als das Lesen dieses Buches, soll es doch eine nützliche Orientierungshilfe auf diesem Weg bieten und Sie mit dem nötigen Wissen für einen Einstieg in die professionelle Fotografie ausstatten.

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Dennis Savini, 1955 geboren, hat nach der Schule die Lehre als Fotograf gemacht und ist seither der visuellen Welt verpflichtet. Er ist ein unbedingter Ästhet und innerhalb der Werbewelt ein in vielen Bereichen erfahrener Profi der Spitzenklasse. Mit seinem bekannten Fotostudio in Zürich ist er ein sehr gefragter Spezialist für Schmuck, Uhren, Food, Porträts und Geschäftsberichte. Diverse Veröffentlichungen in Büchern und Publikationen zur Fachfotografie sowie zahllose Artikel in vielen Ländern, machten ihn zum Begriff für eine stilvolle, klare und kreative Bildsprache. Als Gründungs- und jahrelanges Vorstandsmitglied der vfg (vereinigung fotografischer gestalterInnen) half er mit, den Beruf Fotodesigner neu zu definieren und kreativ auszurichten. Seit 12 Jahren ist er an der cap fotoschule beteiligt, an der er auch praktische Fotografie unterrichtet.

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Dennis Savini

Professionellfotografieren lernen

Kreativität, Handwerk und Business

Dennis Savini

Lektorat: Gerhard Rossbach

Lektoratsassistenz/Projektkoordinierung: Anja Weimer

Copy-Editing: Alexander Reischert, www.aluan.de

Satz: Veronika Schnabel

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print     978-3-86490-504-9

PDF      978-3-96088-217-6

ePub    978-3-96088-218-3

mobi    978-3-96088-219-0

© 2019 dpunkt.verlag GmbH

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Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen.

Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Teil 1Fotografisches Sehen lernen

1.1Der fotografische Blick

1.2Das Bild erkennen

1.2.1Neue Bilder entdecken

1.3Das einäugige Sehen

1.4Den richtigen Moment erfassen

1.4.1Der Zeitfaktor

1.5Den Blick fokussieren

1.6Die Unterschiede menschlicher Wahrnehmung und Fotografie

1.7Die Gestaltungsmittel der Fotografie

1.7.1Die Ausschnittwahl

1.7.2Perspektive, Staffelung und räumliche Wirkung

1.8Die Kompositionsregeln

1.8.1Der Goldene Schnitt

1.8.2Die Bilddiagonale

1.8.3Die Horizontal-vertikal-Komposition

1.8.4Das Bildformat

1.8.5Linien und Orte im Bild

1.8.6Der Mengenkontrast

1.8.7Der Schwarz-Weiß-Mengenkontrast

1.8.8Der Farbmengenkontrast

1.8.9Die Wahl zwischen Schwarz-Weiß und Farbe

1.8.10Was macht ein gutes Schwarz-Weiß-Bild aus?

1.8.11Wann wird Farbe notwendig?

1.8.12Die Aussage von Farbe

1.8.13Farbe in der unbewussten Wahrnehmung

1.8.14Die Farbkontraste

Teil 2Das fotografische Handwerk

2.1Das Aufnahmeinstrument: Kamera und Objektiv

2.2Das Licht

2.3Mit Licht arbeiten

2.3.1Available Light Fotografieren on Location

2.3.2Fotografieren mit Available Light aus künstlerischer Sicht

2.3.3Fotografieren mit Available Light aus praktischer Sicht

2.3.4Mischlicht

2.4Lichtquellen und ihre Wirkung

2.4.1Computerblitze

2.4.2Blitzanlagen

2.4.3Kunstlicht und LED-Lichtpanels

2.5Blitzlicht, Lichtquellen im Studio

2.5.1Grundsätzliches zur Lichtführung und Größe der Lichtquelle

2.5.2Die Kraft des direkten Lichts

2.5.3Weiches Licht und der Einsatz von Softboxen

2.5.4Die Weichheit indirekten Lichts

2.6Die fotografischen Bereiche

2.6.1People und Porträt

2.6.2Food

2.6.3Still Life

2.6.4Corporate

2.6.5Architektur und Landschaft

2.6.6Editorials

2.6.7Freie Arbeiten

2.7Organisation der Bilddaten und Workflow

2.7.1Die Lagerung von Bilddateien

2.7.2Sicherheit

2.7.3Die Cloud-Lösung, um Bilddaten online aufzubewahren

2.7.4Einen funktionalen Workflow einrichten

2.8Bilder auf den Punkt bringen

2.8.1Die RAW-Entwicklung

2.8.2Der Austausch mit Kunden

Teil 3Das Backoffice organisieren

3.1Was und wohin will ich?

3.2Den Markt analysieren

3.3Marktpräsenz schaffen

3.4Das Portfolio

3.5Die eigene Webseite

3.6PR und Social Media

3.7Der Faktor Zeit

3.8Das Beziehungsnetz nutzen und ausbauen

3.9Kunden gewinnen

3.10Was kostet meine Leistung? Die Unkosten einschätzen

3.11Die Berechnung der Tagespauschale

3.11.1Die Offerte/Der Kostenvoranschlag

3.12Die rechtlichen Grundlagen

3.12.1Urheber- und Verwendungsrechte

3.13Bild- und Personenrechte

3.13.1Wo darf man fotografieren – wo nicht?

3.13.2Bauwerke und Kunst im öffentlichen Raum

3.13.3Innenräume

3.13.4Personen, Porträts, Models

3.13.5Das Recht am eigenen Bild

3.13.6Street Photography

3.13.7Copyright und Urheberrecht

3.13.8Einfacher Lichtbildschutz

3.13.9Digitale Arbeiten

3.13.10Bilder im Web

3.13.11Creative Commons

3.13.12Quellenangabe zwingend

3.13.13Muster eines Model Release

Teil 4Zum Schluss

Dank

Der erste Dank geht an meine Assistenten, Praktikanten, Studenten der cap fotoschule und die Lehrlinge, mit denen ich in all den Jahren zusammenarbeiten durfte. Von ihnen habe ich sehr viel gelernt, vor allem auch wie man Dinge anders sehen kann. Sie öffneten mir die Augen für neue Sichtweisen, stellten die richtigen Fragen und halfen mir so immer genauer hinzuschauen und besser zu sehen.

Namentlich möchte ich zwei Assistentinnen der letzten Jahre hervorheben, die mir auch beim Verfassen dieses Buches kritisch zur Seite gestanden haben: Anna Schramek-Schneider und Nora Ermatinger. Ich hoffe, ich konnte euch ebenfalls das mitgeben, was ihr auf eurem Weg brauchen werdet.

Die vielen kreativen Menschen, mit denen ich Zeit verbringen und zusammenarbeiten konnte, haben mich menschlich und kreativ bereichert und weitergebracht. Namentlich sind zu nennen:

Die Stylistinnen und Stylisten Judith Gmür-Stalder, Silvia Erne, Irene de Giacomo, Oliver Brachat, Frank Wirnsberger, Gorica Atanasova, um nur einige wenige zu nennen. Die cap fotoschule mit all ihren Studenten, die mich immer wieder fordern und es ganz genau wissen wollen. Meine ehemaligen Mitdozenten Barbara Keller und Dominic Schneider sowie das gegenwärtige Leitungsteam Babs Heritiér und Remo Zehnder und Stefan Zürrer für den Einsatz in der Aus- und Weiterbildung von Menschen, die die Fotografie ernsthaft betreiben wollen. Die cap Studenten Stefanie Kohler und Roger Berger, die mein Manuskript kritisch durchleuchteten und mir wertvolle Tipps gaben.

Widmung

Dieses Buch möchte ich meiner Mutter widmen. Ihre immer positive Lebenseinstellung, ja ihr Lebensmut und ihre Freude inspirieren mich immer wieder. Ich bewundere dich und nehme mir ein Vorbild an dir! Hoffentlich bin ich später auch fähig, meinen Lebensabend so fröhlich und glücklich zu verbringen.

Einleitung

In diesem Buch geht es darum, den Weg zur professionellen Fotografie aufzuzeigen und zu beschreiben. Professionell fotografieren bedeutet in erster Linie, bewusst, das heißt mit einem kommunikativen Ziel zu fotografieren. Zugleich bedeutet es auch, Fotografie als Bildsprache zu verstehen, die – wie jede andere Sprache auch – sich erlernen und einüben lässt, bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgt und mit der man sich ausdrücken und Inhalte kommunizieren kann.

Dieses Buch ist für all jene geschrieben, die ihre fotografischen Talente entwickeln und schulen sowie mit ihren Fotografien etwas erreichen oder bewirken wollen. Fotografie als Kommunikationsmittel zu sehen, ermöglicht ein grundsätzlich anderes Verständnis und den Schritt auf ein neues fotografisches Level. Bilder sollen etwas mitteilen und nicht nur rein dekorativ sein. Das ist vielleicht das Hauptmerkmal des professionellen Ansatzes in der Fotografie – und darum geht es hauptsächlich in meinem neuen Buch.

Dieses Buch wendet sich nicht an Amateure, die Fotografie ausschließlich im rein künstlerischen oder dekorativen Sinn betreiben wollen. Dazu gibt es bereits eine Vielzahl hervorragender Bücher. Ebenso wenig richtet sich dieses Buch an »Fotografen«, die glauben, ein Instagram-Blog reiche allein aus, um reich und berühmt zu werden.

Ein kreativer Beruf braucht natürlich künstlerisches Talent. Dies bildet die Voraussetzung, auf der Sie aufbauen können. Mehr als ein erster Baustein ist Talent aber nicht, denn wenn Sie wirklich erfolgreich sein wollen, müssen Sie auf mehreren, ganz verschiedenen Gebieten Fähigkeiten unter Beweis stellen. Eine gute, professionell ausgerichtete Ausbildung baut daher auf drei Bausteinen auf: der visuellen, der handwerklichen und der kaufmännischen Ausbildung.

So ist auch dieses Buch in drei Teile gegliedert. Es beinhaltet die wesentlichen Schritte, die Sie zu einer erfolgreichen fotografischen Tätigkeit hinführen. Der erste Teil setzt sich mit dem Thema »fotografisches Sehen« auseinander. Der zweite Teil ist ganz dem handwerklichen Know-how gewidmet: Kamera und Ausrüstung, Licht und Beleuchtung sowie die Umsetzung fotografischer Ideen auf den einzelnen Gebieten der professionellen Fotografie werden hier ausführlich behandelt. Der dritte Teil ist schließlich dem Backoffice gewidmet – also der Organisation, dem Kundenkontakt, der Kostenseite und der Rechtssicherheit.

Wenn Sie die professionelle Sicht der Fotografie interessiert, ohne berufliche Absichten zu verfolgen, finden Sie die wesentlichen Aspekte der fotografischen Herangehensweisen in den ersten beiden Abschnitten dieses Buches.

Der Beruf Fotograf stellt mehr Anforderungen, als man zunächst denkt, und gerade das macht ihn so spannend und interessant. Auch wenn dieser Weg natürlich mehr Zeit in Anspruch nehmen wird als das Lesen dieses Buches, so hoffe ich doch, Ihnen mit den folgenden Seiten eine nützliche Orientierungshilfe auf diesem Weg mitzugeben. Ich habe mich auf die – meiner Ansicht nach – wesentlichen Dinge für diesen Weg beschränkt, um das Buch übersichtlich zu halten.

Übrigens: Unter den zahlreichen Lehrlingen, Praktikanten und Assistenten, die ich auf ihrem Weg begleiten durfte, sind nicht diejenigen mit dem größten kreativen Potenzial am erfolgreichsten geworden, sondern jene mit dem Willen, die vielfältigen zusätzlichen Herausforderungen dieses Berufs anzunehmen und zu meistern. Talent ist eben nur ein einzelner Baustein für den Erfolg.

Wenn ich in diesem Buch vom Beruf des Fotografen nur in der männlichen Form rede, ist die weibliche Form selbstverständlich gleichrangig mitgedacht. Das Gleichstellungsbüro verzeihe mir bitte diese Vereinfachung im Dienste des Leseflusses.

Fotografisch sehen lernen

Der fotografische BlickDas Bild erkennen und Ausschnitte setzenDen richtigen Moment erfassenDie Unterschiede zur menschlichen Wahrnehmung kennenDie Gestaltungsmittel der Fotografie kennen und einsetzen lernenPerspektive, Staffelung und räumliche WirkungDie Kompositionsregeln: Der Goldene Schnitt Linien und Flächen Mengen- und Farbkontrast Schwarzweiß oder Farbe? Reduktion und Abstraktion sehen Bildkompositionen verstehen

Das Handwerk beherrschen

Die Ausrüstung, Kamera und ObjektiveDas Licht verstehenDer Umgang mit Available LightMischlichtDie Lichtarten und LichtformerDas Studiolicht, Beleuchtung im StudioDie fotografischen Bereiche: People und Porträt Still Life Corporate Architektur und Landschaft Editorial Freie ArbeitenDer Workflow und die Organisation der DatenDatensicherheit

Das Backoffice organisieren

Der Markt und SiePräsenz schaffenDer KundenkontaktDas PortfolioDie WebpräsenzDie Kostenrechnung, Kalkulation und OfferteDie Selbstständigkeit planenDie rechtlichen Grundlagen Urheber- und VerwendungsrechteDas PersönlichkeitsrechtDas Model Release

Die drei Bausteine zum Erfolg

Teil 1

Fotografisches Sehen lernen

1.1Der fotografische Blick

Das wichtigste Instrument eines Fotografen sind, nicht wirklich überraschend, seine Augen. Der neugierige und analysierende Blick unterscheidet den Fotografen vom oberflächlichen und flüchtigen Blick des unbewusst Wahrnehmenden. Darum ist das Erste, woran wir arbeiten müssen, die Bildung und Schärfung unserer visuellen Wahrnehmung – eine Sinnesbildung die im Übrigen nie aufhört. Manche Menschen denken, die visuelle Wahrnehmung erfolge nur intuitiv und unbewusst, dabei kann sie genauso ausgebildet werden wie der Geschmackssinn oder der Hörsinn.

Die bewusste und genaue visuelle Wahrnehmung ist das Hauptwerkzeug jedes Fotografen.

Etwas fotografisch wahrzunehmen, beginnt mit dem Verstehen der Abgrenzung gegenüber der allgemeinen menschlichen Wahrnehmung. Diese läuft viel umfassender, schließt auch die Haptik, Töne, Gerüche, Hitze und Kälte sowie Wissen und Erinnerungen mit ein und konstruiert daraus ein Bild der Welt. Die Fotografie beschränkt sich auf die sichtbare Welt und stellt so nur einen Ausschnitt aus der mannigfaltigen Wahrnehmung der Welt dar. Zweitens stellt sie nur einen lokalen Ausschnitt dar und drittens erfasst sie nur einen bestimmten Zeitraum. Die Realität hingegen kennt keinen Stillstand wie eine Momentaufnahme, sondern besteht aus einem Strom von Ereignissen, etwa so wie ein niemals zu Ende gehender Film. Die Fotografie ist darüber hinaus auch nur zweidimensional, es fehlen ihr die Dreidimensionalität und, neben dem Riechen, Schmecken und Hören, auch das haptische Erleben.

Dies bedeutet auf der einen Seite Einschränkungen, definiert auf der anderen Seite aber die bildnerisch-gestalterischen Mittel, mit denen wir kreativ arbeiten können. Die professionelle Fotografie begreift diese Differenzen zwischen menschlichem Sehen und fotografischer Abbildung als kreative Optionen und stellt sie in den Dienst der Kommunikation.

Vielleicht haben Sie diesen Moment auch schon erlebt, als Sie bemerkten, dass Sie ein visueller Mensch sind, also jemand, für den das Bild der Welt wichtig ist. Bei mir war das im Teenageralter, etwa mit dreizehn, als mir mein Onkel zum Geburtstag einen Tag im Zoo schenkte und eine kleine schwarze Box mitbrachte. Es handelte sich um eine Box-Kamera von Kodak mit eingelassenem Fix-Objektiv und einem ganz kleinen Spiegelsucher. Ich verbrachte den ganzen Tag im Zoo damit, die Tiere durch den Sucher zu beobachten. Dabei entdeckte ich, dass der Ausschnitt in der Kamera links und rechts begrenzt war und mir so die Konzentration des Blicks auf das ermöglichte, was im Ausschnitt stattfand. Ich konnte entscheiden, was ich sehen wollte und was nicht. Obwohl in die Kamera kein Film eingelegt war, ist dies meine Geburtsstunde als Fotograf gewesen, denke ich heute. Die Faszination ließ mich nicht mehr los und ich zog fortan mit der Kamera durch die Gegend, die bald auch mit Film gefüllt wurde. Ich fotografierte Ausschnitte aus der Umgebung und sammelte so meine eigenen Bilder der mich umgebenden Welt. Meist waren es Belanglosigkeiten – ich erinnere mich etwa an Serien mit Kanaldeckeln oder Treppenhäusern, die mich aufgrund ihrer Grafik interessierten und faszinierten.

»Freunde« und »Der Kunstmaler Mario Comensoli«. Alle Bilder sind mit der zweiäugigen Rolleiflex mit 80-mm-Festbrennweite auf Panatomic-X 120er-Film entstanden.

Später dann lieh ich mir eine alte Rolleiflex aus, die ich mit 120er- Rollfilm füllte, natürlich mit Schwarz-Weiß-Film, Farbe war zu teuer. Diese Kamera begleitete mich auch durch das erste Lehrjahr und ich begann nun ernsthaft zu fotografieren: Porträts meiner Schulfreunde und später dann Künstlerporträts. Der Belichtungsmesser war sehr ungenau und ich verstand das Prinzip der richtigen Belichtung auch noch nicht, sodass die meisten Filme falsch belichtet wurden. Aber ich war völlig fasziniert vom Spiel des Lichts und was es auf dem Schwarz-Weiß-Bild bewirkte. Das Objektiv der doppeläugigen Rolleiflex war noch unvergütet, was oft zu einem Halo führte, da ich, ganz meinen Empfindungen folgend, häufig ins Licht hineinfotografierte. Ich fotografierte intuitiv und naiv all das, was ich als spannend empfand, und kümmerte mich nicht groß um die Technik. So entstanden diese ersten Porträtbilder in den frühen Siebzigerjahren.

Hier begann meine persönliche Entdeckungsreise als Fotograf. Erst nach und nach erschlossen sich mir die gestalterischen Mittel der Fotografie, und die Reise geht heute noch immer weiter, ich lerne jeden Tag dazu. Die visuelle Schulung kennt keinen Endpunkt.

1.2Das Bild erkennen

Ich glaube, das Erkennen eines spannenden Ausschnitts innerhalb der uns umgebenden Vielfalt an visuellen Reizen ist ein erstes wesentliches Merkmal des fotografischen Blicks. In der vermeintlichen Unordnung Ordnung zu finden und ein Bild herauszulösen, das lesbar wird, lässt sich erlernen. Wo setzen wir den Rahmen, was schneiden wir weg und was gehört in den Bildausschnitt hinein? Dies ist eine der schwierigsten Entscheidungen zu Beginn. Hier Sicherheit zu erlangen, braucht viel Übung und dauert lange. Da Bilder – anders als Text – in ihrer Gesamtheit wahrgenommen werden, müssen sie für das Auge des Betrachters einfach erfassbar gestaltet werden. Dies bedingt eine Reduktion der Information aufs Wesentliche, welches dadurch herausgeschält und wahrgenommen wird.

Tipp 1

Nehmen Sie einen schwarzen Karton von etwa 20 × 30 cm Größe und schneiden mit dem Japanmesser einen viereckigen Ausschnitt hinein. Halten Sie diesen Ausschnittrahmen im Abstand von etwa 30 cm vor Ihre Augen und blicken, am besten einäugig, durch dieses Guckloch. Sie sehen nun einen Ausschnitt (so wie ihn etwa Ihre Kamera mit Normalobjektiv sieht) und können auf diese Weise Ihren fotografischen Blick beziehungsweise Ihre visuelle Wahrnehmung aktiv trainieren. Versuchen Sie störende Elemente oder Überschneidungen wahrzunehmen und überlegen Sie, ob diese vielleicht durch einen Schritt zur Seite oder durch eine höhere bzw. tiefere Position verschwinden. Mit der Zeit brauchen Sie den Rahmen gar nicht mehr, sondern haben gelernt, Bilder auch so aus der Umgebung herauszulösen. Wenn Sie den Kartonrahmen übrigens näher ans Auge halten, sehen Sie das erweiterte Bildfeld eines Weitwinkelobjektivs, und wenn Ihr Arm ausgestreckt wird, das Bildfeld eines Teleobjektivs. Versuchen Sie so verschiedene Bilder im Quer- und im Hochformat für dasselbe Motivs zu sehen.

Sie haben damit bereits ein wesentliches Element der Fotografie integriert: die Reduktion der umfassenden Realität auf einen kleinen Ausschnitt, Ihren Rahmen.

Wichtig scheint mir, dass Sie zu entscheiden lernen, was in Ihrem Bild sichtbar sein soll und was Sie weglassen wollen.

Zwei Fotos vom selben Ort in Südmarokko. Die Totale zeigt eher die weiche Dünenlandschaft, während der Ausschnitt die Strukturen und Formen im Sand sowie die aufblühende Vegetation in den Fokus rückt. Beide Bilder präsentieren verschiedene Aspekte dieser Landschaft.

Zwei Ansichten desselben Motivs – einmal als Totale fotografiert und einmal als Detailansicht der verwitterten Bootswand. Beim ersten Bild ist das verlassene Boot eingebettet in die Landschaft, das zweite Bild beschränkt sich auf die Bootswand. Beide Bilder sind Ausschnitte aus der Realität und erzählen verschiedene Geschichten.

1.2.1Neue Bilder entdecken

Wir gehen nun noch einen Schritt weiter und setzen den Ausschnitt nicht mehr im oberflächlich Sichtbaren, sondern entdecken unser Motiv mit Adleraugen, suchen nach neuen Bildern – solchen, die der flüchtige Betrachter nicht einmal wahrnimmt. Damit sind Sie bereits zum Fotografen geworden, indem Sie Bilder schaffen, die nur Sie so sehen.

Ich möchte das an einem Beispiel aus der Landschaft des Morteratschgletschers illustrieren. Erst einmal beeindruckt die gewaltige Gletscherlandschaft unsere Wahrnehmung und nimmt uns gefangen. Die Bilder, die dadurch entstehen, sind zwar hübsch, aber auch bekannt, da sie das wiedergeben, was jeder sieht. Suchen wir aber etwas weiter, können in dieser ungewöhnlichen Landschaft Dinge entdeckt werden, die sich nicht jedermann offenbaren. Ausschnitte, Detailansichten, andere Perspektiven, Formen und Muster in dieser bizarren Landschaft zu sehen, führt zu Bildern, welche diese Landschaft auf eine andere, vielleicht interessantere und neue Art zeigen.

Die Gesamtansicht der Gletscherzunge ist beeindruckend, aber nicht überraschend.

Beim Herangehen offenbaren sich spannende Details, die den kalbenden Gletscher anders zeigen als gewohnt. Nun entstehen Bilder, die in ihrer Abstraktion über die Landschaft hinausgehen und uns die Natur noch näher bringen.

1.3Das einäugige Sehen

Durch das Schauen mit zwei Augen nehmen wir unsere Umgebung dreidimensional wahr. Die Kamera hat aber nur ein Objektiv und sieht daher zweidimensional. Das heißt, die Dreidimensionalität wird auf eine Ebene reduziert. Dies ist der zweite wesentliche Unterschied in der visuellen Wahrnehmung. Die Kamera bildet zweidimensional ab, während wir ein dreidimensionales Bild wahrnehmen.

Die Dinge sind damit nicht mehr hintereinander im dreidimensionalen Raum angeordnet und dadurch getrennt wahrnehmbar, sondern liegen auf einer Ebene und verschmelzen zu einem Bild.

Tipp 2

Schauen Sie ab und zu einäugig. Wenn wir ein Auge zukneifen, schalten wir die Dreidimensionalität für einen Moment aus. Das dient der flachen Wahrnehmung und kann einfach und ohne Hilfsmittel praktiziert werden. So lernen Sie die gestaffelten Ebenen in Ihrer Vorstellung als eine einzige Ebene zu sehen.

Natürlich braucht es etwas Übung und Zeit, bis Sie den fotografischen Blick erlangen, nehmen Sie sich also die Muße dafür. Gehen Sie auf eine visuelle Entdeckungsreise und bringen Bilder mit nach Hause, die Ihre Begleiter nicht wahrgenommen haben.

Sie haben sämtlichen Dingen im Bild die nötige Beachtung geschenkt, da ja alle auf derselben Bildebene wirksam sind. Durch Ihren Ausschnitt haben Sie störende Elemente aus dem Bild verbannt und lassen so dem Hauptobjekt ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen.

Fehler wie die Fahnenstange, die beim Familienbild aus Tante Gertruds Kopf herauswächst, oder ein roter Lastwagen, der im Hintergrund parkt und das Bild stört, werden Ihnen nun hoffentlich nicht mehr passieren. Sie haben gelernt, alle Ebenen optisch in einer Bildfläche zu vereinen.

1.4Den richtigen Moment erfassen