Professor Untergang oder die Rückkehr ins Paradies - Mewes Maren - E-Book

Professor Untergang oder die Rückkehr ins Paradies E-Book

Mewes Maren

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Beschreibung

Können Sie sich vorstellen, im Mittelpunkt von Ereignissen zu stehen, die für Sie weder nachvollziehbar und noch zu beeinflussen sind? Dass selbst Ihre Erinnerungen machen, was sie wollen und Sie nicht mehr wissen, was eigentlich in Ihrem Kopf vorgeht? Geht es wirklich um einen Mord, wie die Polizei behauptet? Und wie kann es sein, dass alles gegen Sie spricht, obwohl Sie die Tat gar nicht begangen haben? Oder sind Sie einer weltweiten Verschwörung in die Quere gekommen, die den Klimawandel vorantreibt und für ihre Zwecke nutzen will. Wahnvorstellungen? Oder sollte sich die größte Geschichte aller Zeiten tatsächlich wiederholen? Ein Psycho-Thriller? Die Chronik einer Therapie? Oder die einzig logische Erklärung für das, was heute auf der Welt geschieht?

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Seitenzahl: 324

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Zum Inhalt

Können Sie sich vorstellen, im Mittelpunkt von Ereignissen zu stehen, die für Sie weder nachvollziehbar und noch zu beeinflussen sind? Dass selbst ihre Erinnerungen machen, was sie wollen und Sie nicht mehr wissen, was eigentlich in Ihrem Kopf vorgeht?

Geht es wirklich um einen Mord, wie die Polizei behauptet? Und wie kann es sein, dass alles gegen Sie spricht, obwohl Sie die Tat gar nicht begangen haben?

Oder sind Sie einer weltweiten Verschwörung in die Quere gekommen, die den Klimawandel vorantreibt und für ihre Zwecke nutzen will.

Wahnvorstellungen? Oder sollte sich die größte Geschichte aller Zeiten tatsächlich wiederholen?

Ein Psycho-Thriller? Die Chronik einer Therapie? Oder die einzig logische Erklärung für das, was heute auf der Welt geschieht?

For Anni, Jan, Leni, Mia, Zeliha and the future

Inhaltsverzeichnis

Prolog

15. September 2019

08.30 Uhr: Handschellen und Plastiktüte

11.15 Uhr: Verhör

14.30 Uhr: Ruth Kappel und das Gespenst der Freiheit

Aufzeichnung vom 22. Mai 2018

15.30 Uhr: Magische Tabelle

16. September 2019

09.30 Uhr: Pflichtverteidiger und Rentnerblues

11.30 UhrRätsel, düster

17. September 2019

11.00 UhrSchmauchspuren ohne Alibi

19. September 2019

10.00 UhrSinn des Lebens

13.30 UhrDer Schlüssel zum Hof

15.30 UhrZeuge, unbekannt

18.00 UhrLisa erinnert sich ungern

20. September 2019

09.45 UhrOpferstatus

21. September 2019

16.30 UhrSchmerzhafte Begegnung

23.00 UhrTraumhaft fixiert

22. September 2019

15.15 UhrGedächtnislücken mit Erinnerungen

Aufzeichnung vom 8. Juni 2018 / Protokoll, 19.Mai .2019

23. September 2019

04.15 UhrErinnerungen, schön gefärbt

12.30 UhrPsychiatrische Abteilung

24. September 2019

07.00 UhrNatur, schwarz-bunt

25. September 2019

10.00 UhrBeschlossene Psychiatrie

14.00 UhrMüller-Vorfeld und mein dubioser Umgang

29. September 2019

09.00 UhrBetty und Sven

11.15 UhrProfessor Untergang

30. September 2019

10.15 UhrDr. Severin und mein Leben

6. Oktober 2019

09.45 UhrBettys Gefühle

12.30 UhrJus primae noctis

7. Oktober 2019

08.45 UhrDie vier großen K

14.00 UhrFritz Perl´s Therapiephasen

9. Oktober 2019

11.30 UhrSchlechter Allgemeinzustand

13.00 UhrToxische Theorien

11. Oktober 2019

10.15. UhrNatur des Fortschritts

12. Oktober 2019

09.30 UhrLisas Therapiestunde

DVD vom 14. Oktober 2004

13. Oktober 2019

11.45 UhrUm die Ecke denken

16. Oktober 2019

12.30 Uhr: Verdauungstherapie

13.30 UhrKünstliche Intelligenz im Klimawandel

17. Oktober 2019

10.30 UhrSeverins Diagnose

DVD vom 14. Oktober 2004

18. Oktober 2019

12.00 UhrEine Messerattacke

19.15 UhrMenschen und Pflegekräfte

23.00 UhrEinzugsfete

20. Oktober 2019

10.30 UhrDas gewisse Etwas

21. Oktober 2019

00.15 UhrWütende Träume

22. Oktober 2019

14.00 UhrScholtens Theorie

23. Oktober 2019

09.45 UhrGenesis

24. Oktober 2019

8.30 UhrBetty und der Teflon-Mann

25. Oktober 2019

10.30 UhrUntergangs Geständnis

26. Oktober 2019

10.00 UhrKnast oder Klapsmühle

14.00 UhrMasterplan

14.30 UhrAuserwählt

28. Oktober 2019

11.00 UhrNebenwirkungen

15.00 UhrDrogenkartell

29. Oktober 2019

14.30 UhrRuth Kappel und der Untergang

14.45 UhrAreale

15.00 UhrFrauenquote und Moral

15.15 UhrTobias´ Fragebogen

15.30 UhrSchöpfungsgeschichte

16.15 UhrAttentat

1. November 2019

11.00 UhrDrei kurze Antworten

2. November 2019

10.30 UhrMüller-Burgsteins Taktik

14.30 UhrWas bleibt

14. November 2019

13.00 UhrEin undankbarer Typ

8. Januar 2020

15.30 UhrWiedersehen

16.15 UhrDer goldene Lord

17.00 UhrAbgehoben

17.30 UhrPrometheus

Epilog

Prolog

1. „Alles was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Ja, Murphy´s Gesetz. Das kennen Sie vielleicht und denken sich, so viel Pech wird wohl kaum jemand haben.

Sie irren sich. Es geht sogar noch schlimmer. Im letzten Jahr ist jedenfalls über mich ein Chaos hereingebrochen, bei dem selbst Murphy mit den Ohren schlackern würde.

Innerhalb weniger Tage hatten sich nämlich so viele Fronten aufgetan, dass ich nicht mehr hätte sagen können, wo die eine anfing und die andere aufhörte. Nicht mal meine Erinnerungen blieben verschont.

Unmöglich? Nein! Manches ist sogar in Protokollen und anderen Unterlagen dokumentiert. Darüber kann ich Ihnen also recht ausführlich berichten.

Und es gibt auch noch meinen Kalender, in dem ich stichwortartig eine Art Tagebuch geführt hatte. Als Gedächtnisstütze sozusagen.

Man hatte es mir gelassen. Meine kurzen Notizen schienen auch so harmlos und nichtssagend zu sein, dass niemand ihre Brisanz erkannte. So weit, so gut.

Andererseits sitze ich nun vor diesem Tagebuch-Kalender und grübele darüber nach, was ich mir eigentlich dabei gedacht hatte, gerade diese Worte aufzuschreiben.

Es dauerte auch. Erst als ich nicht mehr versuchte, mich an jede Einzelheit zu erinnern wurde es besser. Es gelang mir nun in etwa nachzufühlen, was sich damals abgespielt haben könnte.

2. Zugegeben. Emotionen verzeichnen manches ein wenig anders als ein akribischer Historiker. Doch im Großen und Ganzen halten sie schon fest, was tatsächlich gewesen war.

Dabei ist mir durchaus bewusst, dass sich die Perspektive mit der Zeit verändert. Man vergisst ja schnell. Genau genommen steht nur der Ausgang einer Geschichte unveränderlich fest und diktiert den Erinnerungen dann auch wie es begonnen haben und weitergegangen sein musste.

Aber ich hatte ja meinen Kalender, der mit etwas Phantasie die Lücken schließen und alles in eine richtige Reihenfolge bringen konnte.

Kennen Sie das? Wenn ihr Gedächtnis erst mal etwas wiedergefunden hat, dann reiht sich das eine an das andere. Und in dieser Erinnerungskette melden sich auch Momente zurück, an die Sie gar nicht denken wollten.

3. Es fällt mir schwer, nicht vorzugreifen. Denn ich war auf etwas gestoßen, das überlebenswichtig war. Nicht nur für mich.

Wahrscheinlich gibt es mich ja bald nicht mehr. Zumindest nicht in dieser Welt. Vielleicht ist jetzt sogar die letzte Gelegenheit die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Aber wie erzählt man eine Geschichte, die so unglaublich ist, dass sie sich kaum in Worte fassen lässt.

Nun. Am Besten wohl von Anfang an.

15. September 2019

08.30 Uhr

Handschellen und Plastiktüte

Gott sei Dank waren die ersten Stichworte nicht besonders schwer zu entschlüsseln. Nur wenige Sekunden später sah ich es wieder vor mir. So lebendig als sei es gerade erst passiert.

Also! Der ganze Wahnsinn begann mit meiner Festnahme.

Verhaftung. Stellen Sie sich vor, es klingelt an ihrer Tür. Sie öffnen und vor ihnen steht ein halbes Dutzend Polizeibeamte. Nicht in ihrer schönen blauen Uniform, sondern ganz in schwarz mit dicken Schutzwesten bekleidet.

Natürlich sind Sie durch das martialische Erscheinungsbild irritiert und erwarten, dass man Ihnen mit ein paar beruhigenden Worten erklärt, was eigentlich los ist oder dass man nur ein paar Fragen an sie hat. Schließlich sind Sie ein normaler Bürger und haben sich nichts zu Schulden kommen lassen.

Wahrscheinlich wären Sie genauso überrascht wie ich, wenn Sie stattdessen einen Stoß vor die Brust erhalten, zu Boden fallen, plötzlich das Gewicht eines bulligen Typen auf ihrem Körper spüren, ihre Arme auf den Rücken gedreht werden, sie ein metallisches Klirren hören und sich in Handschellen wieder finden.

Ich kann Ihnen sagen. Das ist eine ziemlich schmerzhafte Angelegenheit. Nicht nur für jemanden mit altersgemäßen Zipperlein.

2. Der auf mir sitzende Beamte war ganz schön schwer, vielleicht auch wegen seiner dicken Schutzkleidung. Sicher kam es mir nur so vor. Aber er blieb so lange auf mir sitzen, als wollte er es sich dort gemütlich machen.

Ein hinter seinem Rücken stehender Beamter sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Sehen konnte ich nur seinen rechten Arm und die Hand, mit der er eine Plastiktüte herumwedelte.

Durch die Folie waren nur verschwommene Umrisse zu erkennen. Ein dunkler, eckiger Gegenstand. Ich glaubte, das Wort „Pistole“ zu hören.

Endlich stieg der Koloss von mir herunter. Nicht ohne sich energisch auf meinen Schultern abzustützen. Fast zeitgleich wurde ich an den Armen von zwei weiteren Beamten hochgerissen, so dass ich vor die Plastikvisiere unter den Helmen mehrerer Männer schaute. Und in die Mündungen ihrer Maschinenpistolen, die auf mich gerichtet waren.

Nachbarn. Aus den Augenwinkeln sah ich einige Leute auf dem Bürgersteig vor unserem Haus stehen, die zu uns herüber sahen.

Ich kannte sie aus der Nachbarschaft und nickte Ihnen zu; hätte ihnen auch gerne erklärt, was hier los war.

Da ich das selbst nicht wusste, war ich froh, dass einige Uniformierte sie mit ihrem „bitte gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zu sehen“ aufforderten zu verschwinden.

Rechte. „Über Ihre Rechte sind Sie ja gerade belehrt worden!“, hörte ich die Stimme von jemandem, der hinter mir stand.

Sie klang nach einem jüngeren Mann und so dumpf, als wäre sein Visier noch heruntergeklappt. „Alles, was Sie sagen kann gegen Sie verwendet werden.“

Nun. Da bestand in diesem Augenblick keine Gefahr, denn es hatte mir ohnehin die Sprache verschlagen. Unsicher, beinahe ängstlich, suchte ich nach einem Gesicht, in der Hoffnung dort vielleicht eine menschliche Regung zu entdecken.

Ja, da. In der dritten Reihe. Ein älterer, grauhaariger Mann in Zivil, der nur eine Schutzweste trug. Er lächelte verlegen und wandte sich von mir ab.

Alibi. Die Frage, wo ich mich zur Tatzeit aufgehalten hatte, klang schon ein wenig deutlicher. Offenbar hatte der junge Beamte jetzt sein Visier hochgeklappt oder den Helm ganz abgenommen.

Kein Wort darüber, um welche Tat es sich überhaupt handelte. Etwas in der Art gab ich wohl auch von mir, denn ich erfuhr, dass die Gerichtsmedizin da erst einmal genaueres herausfinden müsste.

Gleichwohl schauten mich die angespannten Gesichter hinter den Visieren vorwurfsvoll an, weil ich kein Alibi parat hatte.

2. „Wann haben Sie ihn denn zuletzt gesehen?“, fragte nun der ältere Polizist, der keinen Kampfanzug trug.

Er ging wohl davon aus, dass ich das Opfer kannte. Normaler Weise hätte ich mich natürlich höflich nach dem Namen und Befinden des Opfers erkundigt.

Aber in diesem Pulk von Testosteron-Zombies, die nun ziemlich unkoordiniert an mir herumzerrten, hatte ich genug mit mir selbst zu tun.

Es ist ja gar nicht so leicht mit den Händen auf den Rücken in einen Bus einzusteigen.

Dass mein Kopf dabei zweimal gegen die Wagentür knallte, wurde als Widerstand gegen die Staatsgewalt gewertet. Wie gesagt. Es lief nicht gut.

Transfer. Immerhin blieb es auf der kurzen Fahrt bis zum Revier einigermaßen ruhig. Rechts und links neben mir saßen zwei Uniformierte, die angestrengt nach vorne schauten, mich aber nicht aus den Augen ließen.

Die Straßen waren leer, so dass wir nur an den Ampeln zum Stehen kamen. Ich war froh, dass die Fenster unseres Fahrzeuges klein und dunkel getönt waren. So konnten die Leute von draußen nicht sehen, wer denn in dieser ´grünen Minna´ saß.

2. Auch vor dem Polizeipräsidium war wenig los. Kaum jemand schien sich für uns zu interessieren. Selbst als die beiden Schwarzwesten mich aus dem Bus zerrten.

Auch im Gebäude, wo sie sich an einigen Uniformierten vorbei quetschen mussten, wurden wir kaum wahrgenommen.

Geschrumpft. Anders als erwartet führten mich die Polizisten nicht in einen Raum, um mich zu verhören.

Ich wurde durch lange Gänge geschoben, vorbei an einigen Büros bis wir schließlich vor Türen aus grauem Metall standen, die in Brusthöhe eine Klappe hatten und von außen verriegelt waren.

Dort befand sich auch ein größerer, offener Raum. Hinter einem schmalen Tisch standen zwei Uniformierte und schauten mir gelangweilt entgegen. Nicht gerade der Empfangstresen eines Hotels, aber die beiden widmeten mir beim Einchecken ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

Die Wand hinter ihnen war mit einem überdimensionalen Zentimetermaß tapeziert. Sie schoben mich dahin.

Blitzlichter? Vermutlich wurde mein Gesicht von vorne, von rechts und links im Profil abgelichtet.

Die nunmehr amtliche Feststellung, dass von meinen früher stolzen 1,86 m inzwischen fünf Zentimeter verloren gegangen waren, schockierte mich mehr als ich gedacht hätte.

Papiere. Ein Beamter führte die Leibesvisitation durch und nahm mir meinen Hosengürtel ab. Mit Schnürsenkeln konnte ich nicht dienen, denn in meiner Wohnung trage ich Pantoffeln.

Ansonsten konnte ich meine Klamotten anbehalten. Sogar die dünne Jacke. Ich hatte sie als es an der Haustür klingelte, noch schnell übergeworfen.

Die ausgedruckten DIN A4 Seiten aus der Innentasche wurden einer eingehenden Prüfung unterzogen. Der Beamte überlegte laut sie einzubehalten, konnte aber nicht begründen, warum.

Vor allem, weil das amtliche Siegel ihren offiziellen Charakter bestätigte und ich ihm glaubhaft machen konnte, dass die Staatsanwaltschaft mich gebeten hatte, sie bis Ende dieser Woche noch einmal durchzusehen. Nach einigem Hin und Her gab er mir die Papiere schließlich entnervt zurück.

2. Kennen Sie das auch? Sie wissen selbst nicht, was geschieht, aber alle tun so, als trügen Sie die Schuld daran.

Ich war beinahe erleichtert, als sie mich in eine Zelle brachten und mich erstmal in Ruhe ließen.

11.15 Uhr

Verhör

Anwalt. Das Verhör fand in einem Raum ohne Fenster nach außen statt. Es gab zwar Glasscheiben. Durch die waren aber nur Büros und ein Flur zu sehen. Und auch das nur so lange bis die Jalousien heruntergelassen wurden.

Der Tisch in der Mitte und die vier Plastikstühle drumherum wirkten steril und nichtssagend. Na gut, die Möbel sollten ja auch nicht reden.

2. Neben mir nahm ein gewisser Dr. Schillmann Platz, der sich als mein Pflichtverteidiger vorstellte.

Hmh? Heute war zwar sowieso alles durcheinander geraten. Aber dass bereits so kurz nach meiner Verhaftung für mich ein anwaltlicher Beistand organisiert worden war?

So konnte ich nicht einmal selbst die Initiative ergreifen und energisch nach meinem Anwalt verlangen. Schade.

In den TV-Krimis veränderte sich die Lage des Verdächtigen ja dann immer auf wundersame Weise zum Besseren. Zumindest ärgerten sich die Polizisten darüber und der Verdächtige wirkte deutlich souveräner.

Schillmann drehte seinen Kopf zu mir. „Frau Dr. Kappel hat mich gebeten, dem Gericht meine anwaltlichen Dienste für Sie anzubieten.“

Hmh. Die Oberstaatsanwältin? Keine Ahnung, was ich davon halten sollte. Beim Anblick seiner massigen Gestalt war ich nur froh, das Anwälte nicht nach Gewicht bezahlt wurden.

Kommissare. Mir gegenüber saßen zwei Beamte in Zivil. Der jüngere von ihnen, ein pausbäckiger, dunkler Lockenkopf, stellte sich als Oberkommissar Scholten vor und sah seinen Kollegen fragend an.

Der war nach seinen grauen Haar- und Bartstoppeln zu schließen deutlich älter. Vielleicht stand er auch schon kurz vor der Pensionierung.

Wahrscheinlich war er der Beamte, der meiner Verhaftung ohne Helm und Visier zu tragen beigewohnt hatte. Er hieß Müller oder so ähnlich und nickte.

2. Der Jüngere befragte mich eine gute Stunde lang. Wo ich mich in den letzten Tagen aufgehalten hätte, wer das bezeugen könnte, ob denn die Umstellung auf den Ruhestand glatt gegangen sei, wie meine Frau die letzten Tage verbracht habe, ob es mich stören würde, das nicht zu wissen und mit wem ich in den letzten Wochen Kontakt gehabt hätte?

Das Ganze rauschte weitgehend an mir vorbei. Weil ich immer noch benommen war? Oder weil dieser junge Bursche nur seine Fragen loswerden wollte und an meinen Antworten gar nicht interessiert zu sein schien?

Zumindest ließ er mir kaum Zeit darüber nachzudenken, um mehr als ein „ja“, „Nein“ oder „weiß nicht“ von mir geben zu können. Vielleicht auch, weil mein Anwalt ein paar Mal einwarf, dass ich dazu nichts sagen müsste.

Soweit ich das beurteilen konnte, kam nicht sonderlich viel dabei heraus. Die Fragen und Antworten wiederholten sich. Wären die ernsten Gesichter nicht gewesen, hätte man glauben können, es handele sich um ein Gesellschaftsspiel.

Immerhin erfuhr ich von dem jungen Polizisten, weshalb ich überhaupt hier war. „Es geht schließlich um einen Mord!“

Verdacht. Ich bat darum, mich doch darüber aufzuklären, was denn eigentlich geschehen sei. Die strengen Mienen der beiden Polizisten wurden noch abweisender, als sie ohnehin schon waren.

Vielleicht gingen sie ja davon aus, dass ich das selbst am Besten wissen müsste und mit irgendwelchen Ausflüchten nur ihre Zeit vergeuden würde.

Bei allem Verständnis. Ich wollte schon wissen, warum ausgerechnet ich hier mit Ihnen zusammensaß. Rein zufällig hatten sie mich ja wohl nicht ausgewählt.

Scholtens Gesicht zeigte, was er von solchen Extrawünschen hielt. Erst nach dem sein älterer Kollege ihm zunickte erfuhr ich endlich was los war.

2. In meinem Garten war ein toter Mann gefunden worden. „Ein gewisser Tobias Mainz. Sie kannten sich ja persönlich recht gut! Hatten Sie nicht auch geschäftlich mit seiner Firma zu tun? Waren Sie nicht mit ihm sogar gemeinsam auf einem Segeltörn in Griechenland unterwegs? Ist er nicht der Ex-Freund ihrer Frau?“

Hmh? Als ich noch im aktiven Dienst war, hatte mein Amt von Mainz tatsächlich einige Häuser angemietet. Davon erfuhr ich allerdings erst im letzten Jahr.

Dass er zu dieser Zeit plötzlich in Griechenland aufgetaucht war, wo ich mit meinem Freund Karlheinz einen Segeltörn machte, traf auch zu.

Und dass er vor ewigen Zeiten eine Beziehung mit Lisa gehabt hatte, war schon immer eine komplizierte Angelegenheit gewesen. Dass alles zu erklären, hätte Stoff für gleich mehrere Romane ergeben und würde hier wohl zu weit führen.

Zeuge. „Ja ja!“, antwortete ich schnell, bevor mein Anwalt mal wieder erklären würde, dass ich dazu nichts sagen müsse.

Scholten nickte zufrieden, um dann beiläufig zu fragen: „Ein Nachbar, der Herrn Mainz und Sie vermutlich beobachtet hat, ist verschwunden! Kannten Sie den auch?“

Was sollte ich denn davon halten? Der Nachbar war also verschwunden. Woher wollte die Polizei dann wissen, dass der etwas gesehen hatte?

„Ein anderer Nachbar hat den Verschwundenen gesehen. Und zwar an einer Stelle, von der aus er eigentlich etwas mit bekommen haben müsste“, erklärte Scholten mir allen Ernstes. Das durfte doch nicht wahr sein!

Fingerabdrücke. Der junge Kommissar suchte nun nach den Gründen, die mich zu meiner Tat bewogen haben könnten.

Man musste den Eindruck haben, dass er das eigentlich nur tat, um mich anschließend trösten zu können. Auch der ältere Beamte schaute mich wohlwollend an.

Mein Pflichtverteidiger schien ebenfalls um mich besorgt zu sein. Befürchtete er, dass mich die Erinnerung an die Tat zu sehr belasten könnte?

Scholten hob sein Kinn energisch nach vorn. „In ihrem Garten haben wir auch die Pistole gefunden mit der Herr Mainz erschossen wurde. Sie war dort vergraben! Können Sie mir erklären, wie ihre Fingerabdrücke darauf gekommen sind?“

2. Das war natürlich eine berechtigte Frage. Meine Antwort überzeugte mich selbst nicht ganz. „Warum sollte ich das tun? Aus Eifersucht? Die Geschichte zwischen meiner Frau und diesem Tobias war doch vor meiner Zeit und ist ewig lange her!“

„Eifersucht verjährt nicht!“, stellte der lockige Polizist fest. Hmh? Das älteste Motiv der Menschheit. Seine Miene bestätigte, dass er nicht bereit war, etwas anderes überhaupt in Erwägung zu ziehen.

Das Gesicht des alten Kommissars verzog sich zu einem breiten Grinsen. „Das wurde bereits vor über 100 Jahren von einem Notar beglaubigt. Ich glaube, der hieß Rene, Francois oder Armand Prudhomme und hat sogar den Literaturnobelpreis bekommen. Wie hat der es ausgedrückt?“ Er räusperte sich: „Eifersucht ist der Zoll der Liebe.“

Sein spöttischer Blick wanderte zwischen Scholten und mir hin und her. Wollte er sich über mich lustig machen? Oder über seinen jungen Kollegen?

Protokolle. Das was mir dazu einfiel, erschien mir selbst weit hergeholt. „Sprechen Sie doch mal mit der Oberstaatsanwältin Frau Dr. Ruth Kappel.“

Ich hoffte, dass er nun wenigsten auch andere Möglichkeiten in Betracht zog. Zum Beispiel, dass man mir etwas unterschieben wollte, um mich in Misskredit zu bringen. Immerhin war ich ein Belastungszeuge gegen einige Leute aus der organisierten Kriminalität.

Die Beamten staunten zwar, als ich die Protokolle mit meinen Aussagen aus der Tasche hervorkramte, und warfen auch einen kurzen Blick darauf. Aber letztlich hätte ich es mir schenken können.

„Das ist doch ein ganz anderer Fall, der auch schon ein Jahr zurückliegt“, erklärte Scholten. Seine vorwurfsvoll abweisende Miene deutete nicht darauf hin, dass er dieser Sache nachgehen wollte.

Damit blieben wahrscheinlich auch Karlheinz und Sana außen vor. Die beiden hatten ja nicht nur im Vorfeld des Prozesses ermittelt, sondern waren auch noch mit mir befreundet. So gesehen hatte ich im Moment wohl die falschen Freunde.

Beweislage. Hauptkommissar Müller hatte inzwischen seinen Kopf mit der rechten Faust und die Ellenbogen auf den Tisch abgestützt. Seine Augenlider fielen langsam herunter. War er eingeschlafen oder dachte er nur intensiv über etwas nach?

Und Scholten? Der schien mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Nein, es sah nicht danach aus, dass die beiden Beamten ein anderes Tatmotiv überhaupt in Erwägung zogen.

Vielleicht wollten sie ja auch nicht riskieren, dass die derzeit so schöne Beweislage durch weitere Nachforschungen erschüttert wurde.

2. Vermutlich würden sie nun in meiner Ehe herumwühlen und nach schmutziger Wäsche suchen bis sie jeden Schornsteinfegerhaushalt in den Schatten stellen konnten.

Kommissar Scholtens Frage ging dann auch in diese Richtung. „Herr Mainz wollte Sie oder wahrscheinlicher wohl Ihre Frau besuchen! Können Sie sich vorstellen, was er von ihr wollte?“

Ich sah ihn erstaunt an. „Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?“

3. Scholten zuckte mit den Schultern. „Hat ihr Nachbar Sie bei der Tat beobachtet? Ist doch merkwürdig, dass der ausgerechnet jetzt verschwunden ist!“

Was sollte ich dazu sagen? „Vielleicht ist er ja nur verreist! Haben Sie das denn nachgeprüft?“ Er verzog das Gesicht. „Oder Sie haben ihn an einen einsamen Ort gebracht und dort beseitigt!“

War das sein ernst? „Sie meinen, um keine Spuren zu hinterlassen? Aber den Toten lasse ich einfach liegen?“

„Vielleicht wurden Sie gestört und hatten keine Zeit, auch noch die Leiche wegzuschaffen!“, bot der junge Kommissar mir so freundlich an, als wolle er mir aus der Patsche helfen.

Ich schüttelte den Kopf. „Hätte ich dann nicht eher den Toten weggebracht, der mir persönlich bekannt war? Für dessen Ermordung Sie ja gerade ein Motiv konstruieren.“

Scholtens Mundwinkel gingen nach oben und wurden zu einem breiten Grinsen. „Ein Zeuge hat gesehen, wie Sie mit diesem Nachbarn in einen Kleintransporter gestiegen sind! Seit dem ist er verschwunden. Auch, wenn der Zeuge selbst kein ganz unbeschriebenes Blatt ist, warum sollte er sich das ausdenken?“

14.30 Uhr

Ruth Kappel und das Gespenst der Freiheit

Verkomplizieren. In meiner Zelle hatte ich das Verhör noch mal Revue passieren lassen. Dass ich durch meine berufliche Tätigkeit zu einem Belastungszeugen in dem Prozess gegen einige Köpfe aus der organisierten Kriminalität geworden war, hatte Scholten mit einem Schulterzucken abgetan.

Dank aller möglichen Anträge der Verteidigung war das Gericht schon fast ein Jahr damit beschäftigt und ein Ende nicht abzusehen. Aber darum ging es wohl nicht.

Einen Zusammenhang mit meiner persönlich motivierten Tat hatte der Kommissar nicht erkennen können oder wollen.

Wie hatte er es ausgedrückt? „Beim besten Willen nicht. Das würde doch nur vom tatsächlichen Geschehen ablenken und die Sache unnötig verkomplizieren!“

Politia. Oberstaatsanwältin Kappel hatte mir einmal einen kleinen Vortrag darüber gehalten, welche Rolle die Polizei heute spielte und wie es dazu gekommen war.

Natürlich hatte das Ganze wieder mal bei den alten Griechen mit ihrem Stadtstaat angefangen. Die verwendeten den Begriff Politea für die Staatsverwaltung insgesamt. Die Römer machten Politia, später Policia daraus.

Im Mittelalter sprach man dann von guter Policey, einem Polizeistaat, der in allen Lebensbereichen sowohl fürsorglich, im Sinne eines Wohlfahrtsstaates, als auch repressiv tätig wurde.

Mit dem aufkommenden Liberalismus wurde die Zuständigkeit des Staates für das Wohl des Einzelnen in Frage gestellt und auf die Sicherung der persönlichen Freiheit und des Eigentums begrenzt.

Die Staatsgewalt beschränkte sich nun mehr oder weniger auf die Rolle eines Hausmeisters, der um über die Runden zu kommen, auch noch als Nachtwächters arbeiten durfte.

2. Aus dem Begriff Polizeistaat war inzwischen ein Synonym für Willkürherrschaft und Diktatur geworden. Das hätte auch seine Schattenseiten.

Denn die Freiheit, die der Staat den Bürgern damit überlassen würde, könne ja nicht jeder in gleicher Weise für sich nutzen. Die so entstandenen Spielräume kämen vor allem denen mit sehr viel Eigentum, wirtschaftlicher und sonstiger legaler oder illegaler Macht zu Gute. Hier würde nun das Gesetz des Stärkeren gelten.

Und so sei eine merkwürdige Situation entstanden. Auch und gerade durch die Berichterstattung der öffentlichen Medien und durch die Marketingstrategien großer Konzerne. Die Bürger misstrauten dem Staat und achteten darauf ihm nicht zu viele Befugnisse zu geben.

3. Die Menschen lieferten sich offenbar lieber freiwillig einigen nicht demokratisch legitimierten Akteuren aus, als den von Ihnen selbst gewählten Volksvertretern. So, als würden Sie ihrem eigenen Votum nicht vertrauen.

Und dass, obwohl die privaten und wirtschaftlichen Akteure sich nicht dem Gemeinwohl, sondern nur ihrem persönlichen Vorteil verpflichtet fühlten.

Gerichtsbarkeit. Das wirke sich auch auf die Rechtsprechung aus. Jedes Verbrechen wäre ja juristisch als eigener Fall zu behandeln. Aber so könnten nur die kleinen Ganoven überführt und Verbrechen aus Leidenschaft oder Verzweiflung aufgeklärt werden.

Die würden dann auch härter bestraft als jeder Intensiv-Täter. Vielleicht weil hier die Beweislage so schön klar war.

Die ganz schlimmen Jungs wären dagegen organisiert und trafen entsprechende Vorkehrungen und machten das Ganze kompliziert.

So dass wegen der fehlenden Staatsanwälte und Richter oft nicht einmal Anklage erhoben würde.

Im Zweifel für den Angeklagten gälte ja auch, wenn so gut wie sicher war, dass er Dutzende von Straftaten verübt hatte. Denn wenn in jedem angeklagten Einzelfall auch nur ein winziger Zweifel verbliebe, käme es zu einem Freispruch.

2. Auf diese Weise stellten die Gerichte sicher, dass die Reichen und Mächtigen, die organisierte Kriminalität und Parallelwelten, wie das Rotlichtmilieu, nahezu unbehelligt blieben.

Die könnten sich ja in aller Ruhe ein Alibi konstruieren und dafür sorgen, dass es keine lästigen Zeugen gab! Unser Rechtssystem schütze also diejenigen, die ihre Macht missbrauchen ebenso wie die organisierte Kriminalität.

Denn es verfolge vor allem armen Schlucker, die sich aus purer Verzweiflung irgendwann gegen diese Verbrecher zur Wehr gesetzt hatten. Denn in diese Richtung sei die Beweislage meistens eindeutig.

3. Und so müssten sich diejenigen, die außer ihrem schlechten Ruf nichts haben, erpressen und misshandeln lassen. Gingen sie deshalb zur Polizei würden sie bestenfalls verspottet, wenn nicht gar als Straftäter behandelt. Für die Reichen und gut vernetzten Monster, die mit feinem Zwirn und Anwalt aufträten, würde dagegen der rote Teppich ausgerollt.

Korrelation. „Zumindest ist empirisch belegt, dass die Häufigkeit eines ´in dubio pro reo´ in hohem Maße mit den Vermögensverhältnissen des Angeklagten beziehungsweise mit der Zahl und der Qualität seiner Verteidiger korreliert“, hatte sie ein ziemlich resigniertes Fazit gezogen.

2. Es war also kein Wunder, dass Scholten und Müller sich lieber auf den eifersüchtigen Ehemann konzentrierten als sich von den Windmühlenflügeln der Mafia im Kreis drehen zu lassen.

Ein Fall galt ja erst dann als abgeschlossen, wenn es auch zu einer Verurteilung kam. Und das ließ sich nun mal erheblich leichter erreichen, wenn ich der Angeklagte war.

Deprimiert. Nicht gerade rosige Aussichten. Einige düstere Gedanken jammerten schon über die Ungerechtigkeit der Welt, warum es ausgerechnet mich getroffen hatte und versicherten mich ihrer uneingeschränkten Loyalität.

Ich ahnte, dass diese Gesellschaft nicht unbedingt hilfreich war. Denn mit hängendem Kopf konnte man bekanntlich schwer den Überblick behalten.

2. Immerhin würde es einen Prozess gegen die Mafia geben. In einem Fall, bei dem ich Zeuge und trotzdem noch am Leben war. Natürlich hatten sie versucht mich zu beseitigen. Mehrmals. Doch bisher hatte mein Schutzengel seinen Job zweifellos sehr gut gemacht.

Und meine Aussagen waren wasserdicht. Kein noch so cleverer Verteidiger würde irgendeinen Widerspruch darin finden. Ich war sie erst gestern noch mal mit Hauptkommissar Hoffmann und der Oberstaatsanwältin Dr. Ruth Kappel durchgegangen.

Mitschnitte. Ach ja. Deshalb trug ich die Protokolle noch in meiner Jackentasche bei mir. Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen. Klar, es gab die Tonaufzeichnungen, die das meiste aus den beiden Gesprächen, die im Mittelpunkt meiner Aussagen standen, bestätigten.

Aber es gab auch Lücken, die Interpretationsspielräume ließen. Die Wanze, die meinen korrupten Verwaltungsleiter überführen sollte, hatte durch das Geraschel meiner Klamotten leider nicht alles mithören können. Ich war eben kein Geheimagent.

2. Und der andere Mitschnitt? Es war verrückt. Natürlich war ich gefilzt worden. Aber die Mafia hatte unser Gespräch ihrerseits aufgenommen. Keine Ahnung, warum. Vielleicht hatten sie ja gehofft, ich würde etwas sagen, das sie gegen mich verwenden konnten.

Die Polizei hatte die Aufnahme letzten Endes gefunden. Leider erst nach dem der Komplize des Mafiabosses sie gelöscht und versucht hatte, den Stick zu zerstören. Immerhin konnte die Polizei den Inhalt zum größten Teil wiederherstellen.

Passgenau. Wahrscheinlich hatte Kommissar Scholten recht und für meine gegenwärtig recht beengten Wohnverhältnisse war ja wirklich nicht die Mafia verantwortlich.

Andererseits. Wer sonst könnte in der Lage sein, mir so passgenau einen Mord in die Schuhe zu schieben?

Aber warum? Meine Aussagen lagen ja der Staatsanwaltschaft und dem Gericht bereits vor. Ebenso, wie die Ergebnisse der Gegenüberstellungen.

2. Kennen Sie das auch? Sie wissen nicht, was Sie tun sollen und klammern sich an den einzigen Strohhalm den Sie haben. Mehr als die Protokolle hatte ich ja nicht.

Also versuchen Sie darin doch noch einen Anhaltspunkt zu finden, der bisher übersehen worden war.

Ohne große Hoffnungen nahm ich die Ausdrucke heraus, faltete sie auf und legte sie vor mir auf den Tisch. Ich las nicht nur, sondern führte mir die Gespräche noch mal vor Augen.

Diesmal nicht nur das, was unmittelbar für den Prozess wichtig war, sondern auch alles, was im Lichte meiner aktuellen Lage von Bedeutung sein konnte.

Aufzeichnung vom 22. Mai 2018

Protokoll , 13. Juni 2019

1. "Warum schließen Sie die Tür ab?" Krause wirkt besorgt. "Was wollen Sie überhaupt von mir?" Das klingt nun eher trotzig. "Ich habe keine Zeit. Einen Platz habe ich Ihnen auch nicht angeboten!" Die Wut in seiner Stimme ist nicht zu überhören.

Sein finsterer Blick kann die Angst dahinter nur unvollständig verbergen. Daran ändert auch die laute, tiefe Stimme nichts, die seine Mitarbeiter so einschüchterte.

Ich gebe den autoritären Vorgesetzten. "Sie brauchen mir keinen Platz anzubieten. Als Hausherr setze ich mich dahin, wo es mir passt. Und Zeit haben Sie für mich, soviel ich will. Als Ihr Vorgesetzter bestimme ich, womit Sie Ihre Arbeitszeit verbringen!"

Mein Lachen spiegelt sich nicht meinem Gesicht wieder. Das fällt mir nicht schwer, da meine Mimik meist sowieso eine Extraeinladung braucht. Das meint Lisa zumindest.

Er sieht mich unsicher an. "Und die Tür habe ich abgeschlossen, damit Sie nicht verschwinden!", schiebe ich hinterher. "Aber Sie können doch einen Termin machen?" Er spricht nun leiser.

"Zu dem Sie dann nicht erscheinen?", stelle ich amüsiert fest. "Danke, das kenne ich schon!" Krause schaut sich hastig in seinem Zimmer um, als suche er einen Fluchtweg.

"Und was ich von Ihnen will? Antworten! Ich habe nur ein paar einfache Fragen."

Der Stuhl auf dem er sitzt, scheint unbequem zu sein. Er rutscht mit schmerzverzerrter Miene ein wenig nach vorn. "Ich weiß nicht, was...?" Sein Versuch, empört zu klingen, misslingt. Auch weil ich ihn barsch unterbreche. "Halten Sie den Mund, wenn ich mit Ihnen rede!" Nur mit Mühe kann ich ein Grinsen unterdrücken, als ich bemerke, was mir da herausgerutscht ist. So war ich als junger Rekrut einmal angepfiffen worden.

"Erste Frage: Wie kommen Sie dazu, der Polizei zu sagen, dass ich mich weigern würde, die Vertragsunterlagen herauszugeben?" Meine hochgezogenen Augenbrauen unterstreichen, was ich davon halte.

"Die sind ja im Moment sowieso nicht da!", weicht er aus. "Ich habe nur gedacht und der Polizist auch, dass das vermutlich nichts bringt, uns allen aber eine Menge Arbeit macht."

"Sie und der Polizist haben also gemeinsam gedacht. Gratuliere!" Meine Ironie ist nicht zu überhören. Er sieht mich nur trotzig an.

"Wie haben Sie es eigentlich geschafft, dass die Vertragsunterlagen bei der Innenrevision liegen?", will ich wissen.

"Ach, die haben nachgefragt und ich habe denen bestätigt, dass wir nicht alle Leistungen, die wir für andere Behörden erbringen, einzeln abrechnen. Reine Formsache. Die scheinen im Moment nicht viel zu tun zu haben!", grinst er.

"Sie haben leider unrecht", werde ich wieder ernst, "es ist tatsächlich Korruption im Spiel." Mein Gegenüber schweigt weiter, als habe er mich nicht gehört.

"Wer wüsste das besser als Sie!" Der amüsierte Tonfall ist mir ganz gut gelungen.

Er braucht einen Moment, um zu erfassen, dass er empört sein sollte. "Das ist eine Unterstellung!"

Mein breites Lächeln tut so, als sei das ein großes Kompliment. "Sie sind mir unterstellt. Auch eine Unterstellung!" Er sieht mich verständnislos an. "Ja, sicher, aber was hat das...?"

"... damit zu tun?", unterbreche ich ihn. Meine Stirn legt sich von selbst in Falten. "Na ja, das gibt wahrscheinlich mildernde Umstände."

Das Fragezeichen im Gesicht meines Verwaltungsleiters bekommt einen Wachstumsschub. "Sie verstehen das nicht?", staune ich. Er schüttelt zögernd den Kopf.

"Nun, wenn die Staatsanwaltschaft die Verträge erst einmal hat, dann dürfte die Sachlage klar sein. Ich kann dann ja wohl kaum leugnen, dass ich der Schuldige bin! Leider wird es schwer sein, die Polizei und das Gericht zu überzeugen, dass ich das alles allein gemacht habe", gebe ich mich zerknirscht.

Die Sehnen an seinem Hals traten hervor, so als könnten sie den Kopf nur noch mit Mühe ausbalancieren. "Was wollen Sie damit sagen?"

Ich setze eine entschuldigende Miene auf. "Na, ja, ich muss mir doch einen Partner suchen?" "Sie wollen mich da mit hinein ziehen? Das lasse ich nicht zu. Ich werde alles bestreiten!" Krause legt reichlich Empörung in seine Stimme. Gar nicht mal schlecht.

"Die Staatsanwaltschaft hat auch so Ihre Probleme." Meine Anteilnahme ist so echt, wie sie klingt. "Was geht mich die Staatsanwaltschaft an?" Verärgert fährt er fort. "Was soll dieses blöde Gespräch überhaupt?"

Mein Blick ist aufrichtig. "Na ja, erstens weiß ich, dass ich mildernde Umstände angerechnet bekomme, wenn ich mich selbst anzeige. Sie dagegen nicht, weil sie alles bestreiten werden!"

Ich lasse mich durch sein verächtliches Lachen nicht beirren. "Zweitens ist die Staatsanwaltschaft dringend an einer Aufklärung interessiert! Es gibt zwar keine Kronzeugenregelung, aber ich bin sicher, da etwas aushandeln zu können!", ergänze ich recht zuversichtlich.

Krauses Versuch höhnisch zu klingen bringt nur ein kindliches Quengeln zustande. "Was sollte das wohl sein?" "Mein Freund Karlheinz versteht sich gut mit der Oberstaatsanwältin. Die braucht Erfolge. Und wenn sie bestätigt, dass ich schon länger mit ihr zusammen arbeite, um zur Aufklärung beizutragen...!", gebe ich mich gutgläubig.

"Sie wissen doch gar nichts!", fällt er mir ins verächtlich ins Wort. Seine anfänglich triumphierende Miene wird zu erst misstrauisch und dann durch ihre erschrockene Fassung abgelöst. Es macht sein Gesicht jugendlicher und beinahe sympathisch.

"Aber Sie wissen offenbar einiges. Sonst könnten Sie ja nicht wissen, das ich nichts weiß!", stelle ich fest.

Ich grinse. "Toller Satz! Vielleicht kann ich ja auch etwas für Sie tun." Er zögert. "Sie können nicht beweisen, dass ich das gesagt habe!"

Ich kann mich nicht erinnern, jemals soviel gelächelt zu haben. "Sie haben nur teilweise recht. Bandaufzeichnungen werden vor Gericht nicht anerkannt. Wenn aber jemand live mithört, gilt das als Zeugenaussage!" Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob es so ist. Finde aber, das es sich gut anhört.

2. "Haben Sie eigentlich dieses Sicherheitsprogramm, wie hieß das noch, Safe-Office oder so bekommen?", setze ich nach. "Ich weiß nicht, wovon Sie reden!", mault er.

"Sie haben doch als einziger im Amt einen Stand-alone-PC oder? Ich habe die Bestellung und den Lieferschein gesehen." "Na, und?"

"Sie wollten doch dieses Sicherheitsprogramm bestellen, damit niemand außer Ihnen die Dateien in ihrem PC finden und öffnen kann, oder?" Natürlich weiß ich, dass es so ist. Und Krause auch. Er sieht mich finster an.

"Sie wollten, dass ich die Bestellung unterschreibe. Hofften, dass ich das gar nicht bemerke, weil es nicht um so viel Geld ging, oder? Und sie wären nicht in Verdacht geraten!", fahre ich fort.

"Nein, ich habe so ein Programm nicht bestellt!" Er klingt nicht gerade überzeugend. "Dann haben Sie ja nichts dagegen, wenn sich unsere Fachleute mal in ihrem PC umschauen?" Meine Mundwinkel verkrampfen allmählich.

Krause ist unsicher geworden. "Wie sollten Sie mir denn helfen können?", versucht er sich ironisch zu geben.

Allmählich mache ich mir Sorgen, dass ich mein überhebliches Lachen nicht mehr abstellen kann. "Zwei Möglichkeiten sehe ich. Entweder wir tun so, als hätten Sie mit mir zusammen die Staatsanwaltschaft unterstützt. Da müssten wir uns noch die Einzelheiten überlegen. Oder ich lasse Sie außen vor und erzähle denen, dass Sie nicht damit zu tun haben!"

Das Misstrauen steht ihm ins Gesicht geschrieben. "Das ist doch Quatsch, da würde ich natürlich vorziehen, außen vor gelassen zu werden!" Der Großkotz in mir lacht wieder. "So einfach ist das nicht. Wenn ich so tue, als ob ich es allein gemacht hätte, sollte ich wissen, wie ich es gemacht habe. Sonst wäre ich ja nicht besonders glaubwürdig." Krause nickt zögernd.

"Und ich müsste der Staatsanwaltschaft natürlich Informationen liefern, mit denen sie was anfangen können. Warum sollten die mir sonst entgegen kommen?" Er nickt wieder, diesmal noch langsamer.

"Also ich müsste wissen, wie das abgelaufen ist und die kennen lernen, die den Wettbewerbsvorteil haben!", lasse ich die Katze aus dem Sack. "Das geht nicht!", platzt er heraus.

Ich warte einen Moment, werfe ihm einen bedauernden Blick zu und stehe auf. "Ja, dann. Wie ich anfangs gesagt habe!" Er scheint darüber nachzudenken, was das anfangs Gesagte gewesen sein könnte.

"Bleiben Sie!" Als ich die Tür erreicht habe, schiebt er nach. "Bitte!" Eine Minute später sitzen wir wieder am Tisch. "Was soll ich denen denn sagen, warum Sie mit Ihnen sprechen wollen?"

"Schadensbegrenzung! Sowohl für die als auch für mich! Vielleicht finden wir ja sogar gemeinsam einen Weg für eine längerfristige Zusammenarbeit!", erkläre ich nachdenklich.

Es ist gut zu sehen, dass er nach einem Schlupfloch sucht. Aber mehr, als dass er darüber erst noch mal mit seinen Geschäftspartnern reden müsste, kommt nicht heraus.

Natürlich will er nur Zeit schinden. Genau die Zeit, die mir davon läuft. "Dann war es das wohl!", brumme ich und stütze die Hände auf den Tisch, als wollte ich aufstehen.

"Okay!", zischt er leise. Einen Augenblick später erklärt er mir, wie er die Geschäfte abwickelt und wie er dazu gekommen war, sich darauf einzulassen. Beides erscheint mir so banal, dass es mir beinahe peinlich ist.

Karlheinz hatte es mir so prophezeit. Und auch sein Vorschlag, ich solle ein wenig Mafia mäßig auftreten, war erfolgreich gewesen.

3. Am Ende betont Krause noch einmal, wer die Schuld an dem ganzen Schlamassel trägt. "Die konnten den Hals einfach nicht voll bekommen. Es reichte denen nicht, dass ich Ihnen die Aufträge zugeschanzt habe. Obwohl sie damit schon Millionen verdienten. Nein, die wollten immer mehr haben. Deshalb haben sie die Qualität heruntergefahren. Bis sie nur noch Schrott lieferten!"

Das wusste ich bereits. "Okay, dass sind die Beschaffungen, die wir selbst tätigen. Was ist mit den anderen Behörden?" Hier habe ich keinerlei Vorstellungen, aber einige Befürchtungen.

Er wirkt unsicher, beinahe ängstlich. Das Thema behagt ihm nicht. Das ist offensichtlich.

"Na, Wohncontainer, Wohnungen, Ausstattungen, Transporte und sonstige Dienstleistungen?", helfe ich ihm auf die Sprünge. So begriffsstutzig konnte er doch nicht sein.

"Das machen ja die anderen Behörden. Wir prüfen nur die Einhaltung der Richtlinien und übernehmen die anfallenden Rechtsstreitigkeiten." Sein Grinsen gefällt mir nicht.

"Das weiß ich auch. Ihnen muss doch auffallen, dass es da Unregelmäßigkeiten gibt!" Ich wundere mich über seine Dreistigkeit.

"Da müssen Sie die schon selbst fragen. Wir bekommen ja nur kleine Prämien dafür, dass uns nichts auffällt!", räumt er verlegen ein. "Und das wird schwer nachzuweisen sein?", vermute ich.

Er schüttelt den Kopf. "Möglich. Aber auch da sind die immer unverschämter geworden. Ich habe denen immer wieder gesagt, dass das irgendwann auffallen muss. Aber die wollten nichts davon hören." Mein Mitleid hält sich in Grenzen.

Mir fällt etwas anderes ein. „Sagen Sie mal. Wer war eigentlich dieser große, blonde Typ, der Sie vor kurzem besucht hat?“