Promovieren heißt scheitern - Atilla Vuran - E-Book

Promovieren heißt scheitern E-Book

Atilla Vuran

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Beschreibung

WOFÜR wollen Sie WIE promovieren? Durch Scheitern lernen. Ein Konzept zur Selbstführung und Selbstverantwortung. Nur selten sind die Ursachen für den Abbruch einer Promotion im fachlichen Bereich zu finden. Viel eher liegen die Gründe in der Selbstführung, und genau hier hakt dieses Buch ein: Es stärkt die Selbstführungskompetenz von Doktoranden und liefert vielfältige Ideen und Anleitungen, um mit Themen wie Konzentration, Stress, Ängsten oder Entscheidungsfindung umzugehen. WOFÜR wollen Sie WIE promovieren? Das ist die Leitfrage dieses Buches, das sich an Doktoranden, Lehrende, Weiterbildungs-zentren von Universitäten und an jeden richtet, der sich für Selbstführung interessiert. Führen Sie sich selbst-verantwortlich auf hohem Niveau. In Ihrer Promotionszeit und auch später als Führungskraft in Ihrem Fachgebiet.

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„Es gibt nur zwei Tage im Jahr, an denen man nichts tun kann.Der eine ist gestern, der andere morgen.“Dalai Lama

Atilla VuranGunnar Seide

PROMOVIERENHEISST SCHEITERN

Damit Sie am Scheitern nicht scheitern

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-7664-9942-4

Im Vertrieb von: Jünger Medien Verlag + Burckhardthaus-Laetare GmbH, Offenbach

Überarbeitung der Geschichten: Alexander Natter, Wendelstein

Lektorat: Anja Hilgarth, Herzogenaurach

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen, www.martinzech.de

Comics: Ralf Alex Fichtner, Schwarzenberg

Foto Buchumschlag: Antonov Roman / shutterstock

Autorenfotos: Foto Danner e.K., Jestetten

Satz und Layout: ZeroSoft, Timisoara

Druck und Bindung: Salzland Druck, Staßfurt

2. Auflage 2019

www.promovieren-heisst-scheitern.de

© 2017 by Atilla Vuran und Gunnar Seide

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autoren.

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1Wofür Sie wie promovieren, ist entscheidend

1.1 Über das Wie zum Was

1.2 Theorie

1.3 Anwendung

1.4 Herausforderungen

1.5 Das Wichtigste in Kürze

1.6 Reflexionsfragen

1.7 Literatur

2Selbstwertgefühl – Heute schon gelästert?

2.1 Lästern wirkt auf das Selbstwertgefühl

2.2 Theorie

2.3 Anwendung

2.4 Herausforderungen

2.5 Das Wichtigste in Kürze

2.6 Reflexionsfragen

2.7 Literatur

3Wahrnehmung – Wie wahr ist Ihre Wahrheit?

3.1 Wie man durch die Einstellung einer studentischen Hilfskraft sein Image ruiniert

3.2 Theorie

3.3 Anwendung

3.4 Herausforderungen

3.5 Das Wichtigste in Kürze

3.6 Reflexionsfragen

3.7 Literatur

4Ängste – Wie gehen Sie damit um?

4.1 Der Vortrag

4.2 Theorie

4.3 Anwendung

4.4 Herausforderungen

4.5 Das Wichtigste in Kürze

4.6 Reflexionsfragen

4.7 Literatur

5Krisen – Wenn es nicht wie bisher weitergeht

5.1 Wenn das Fass überläuft

5.2 Theorie

5.3 Anwendung

5.4 Herausforderungen

5.5 Das Wichtigste in Kürze

5.6 Reflexionsfragen

5.7 Literatur

6Vorbilder – Unerlässlich zum Lernen

6.1 Vorbilder sprechen mit Taten

6.2 Theorie

6.3 Anwendung

6.4 Herausforderungen

6.5 Das Wichtigste in Kürze

6.6 Reflexionsfragen

6.7 Literatur

7Konzentration – Disziplin schlägt Talent

7.1 Ein gutes Ross springt nicht höher als es muss

7.2 Theorie

7.3 Anwendung

7.4 Herausforderungen

7.5 Das Wichtigste in Kürze

7.6 Reflexionsfragen

7.7 Literatur

8Unsicherheit – Forschung ist, wenn man es noch nicht weiß

8.1 Promovieren ist das Bohren dicker Bretter

8.2 Theorie

8.3 Anwendung

8.4 Herausforderungen

8.5 Das Wichtigste in Kürze

8.6 Reflexionsfragen

8.7 Literatur

9Überlastung – Werden Sie gestresst oder lassen Sie sich stressen?

9.1 Auch Professoren haben nicht alles unter Kontrolle

9.2 Theorie

9.3 Anwendung

9.4 Herausforderungen

9.5 Das Wichtigste in Kürze

9.6 Reflexionsfragen

9.7 Literatur

10Stärken und Schwächen – Zwei Seiten einer Medaille

10.1 Der Kundenbesuch

10.2 Theorie

10.3 Anwendung

10.4 Herausforderungen

10.5 Das Wichtigste in Kürze

10.6 Reflexionsfragen

10.7 Literatur

11Lösungssuche – Vier Ansätze, wenn es mal klemmt

11.1 Auf´s falsche Pferd gesetzt

11.2 Theorie

11.3 Anwendung

11.4 Herausforderungen

11.5 Das Wichtigste in Kürze

11.6 Reflexionsfragen

11.7 Literatur

12Entscheidungen treffen – 1, 2 oder 3, letzte Chance, vorbei!

12.1 DESY ist keine Comicfigur

12.2 Theorie

12.3 Anwendung

12.4 Herausforderungen

12.5 Das Wichtigste in Kürze

12.6 Reflexionsfragen

12.7 Literatur

13Verhandeln – Wissenschaft oder Geiselaustausch?

13.1 Der Kunde ist König! Immer? Ja, immer!

13.2 Theorie

13.3 Anwendung

13.4 Herausforderungen

13.5 Das Wichtigste in Kürze

13.6 Reflexionsfragen

13.7 Literatur

14Sich führen lassen – Nur, wie …?

14.1 Das Meeting

14.2 Theorie

14.3 Anwendung

14.4 Herausforderungen

14.5 Das Wichtigste in Kürze

14.6 Reflexionsfragen

14.7 Literatur

15Wie führe ich meinen Doktorvater? – Eine ungewöhnliche Perspektive

15.1 Auch Professoren sind Menschen

15.2 Theorie

15.3 Anwendung

15.4 Herausforderungen

15.5 Das Wichtigste in Kürze

15.6 Reflexionsfragen

15.7 Literatur

Und dann? – Die Zeit nach der Promotion

Vorwort

Eine Promotion ist eine große Herausforderung, eine Aufgabe für mehrere Jahre, mit dem Ziel, wissenschaftliches Neuland zu betreten. Zu Beginn weiß man sicher nicht, was auf einen zukommt. Es werden sich unerwartete Probleme auftun, es wird Rückschläge geben, man wird Pläne ändern müssen, auch das Thema mag sich verschieben. Man kennt aber auch noch nicht das Glücksgefühl, das sich einstellt, wenn nach langem Nachdenken oder dem Aufbau eines komplexen Experiments der Durchbruch gelingt oder ganz unerwartete Erkenntnisse gewonnen werden. Während einer Promotion geht man durch Höhen und Tiefen, man erfährt Durststrecken, dafür hat man in anderen Phasen einen „Lauf“, wenn alles wie von selbst geht. Man muss mit Zähigkeit bei der Sache bleiben, in der Lage sein, sich immer wieder zu motivieren, die Herausforderungen anzunehmen.

Dieses Buch wird Ihnen dabei helfen – und gleichzeitig werden Sie viel über sich selbst, Ihre Ziele, Wünsche, Einstellungen, Arbeitsweisen lernen. Das, was Sie lernen, wenn Sie mit diesem Buch arbeiten – und es ist ein Arbeitsbuch, keines, das man an einem Stück durchliest –, wird Ihnen nicht nur während der Promotionszeit helfen, mit Ihren Rückschlägen und Erfolgen, den Phasen des scheinbaren Stillstands und den plötzlichen Durchbrüchen klarzukommen. Die vielleicht wichtigste Botschaft findet sich am Ende des Buches: Wenn Sie mit diesem Buch arbeiten, dann lernen Sie, sich selbst zu führen – und nur wer sich selbst führen kann, ist auch in der Lage, andere zu führen. Wenn Sie erfolgreich Ihre Promotion abgeschlossen haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit, später in einer Führungsposition tätig zu sein, sicher höher als für den Durchschnitt der Bevölkerung. Und wenn Sie führen, werden Sie genau die Fähigkeiten, die Sie während der Promotionszeit erwerben, immer wieder einsetzen können und müssen.

Ich kenne kein anderes Buch, das Sie so wie dieses mit typischen Situationen konfrontiert, denen Sie während Ihres Promotionsvorhabens begegnen könnten, und Ihnen dann eine Anleitung dazu gibt, mit solchen Situationen konstruktiv umzugehen und dabei auch über die Bewältigung des eigentlichen Problems hinaus etwas zu lernen. Das Buch ist von Praktikern geschrieben, die Promotionsvorhaben betreut haben und betreuen, die sich aber zudem mit den psychologischen und soziologischen Themen beschäftigt haben, die im Umfeld eines Promotionsvorhabens relevant sind. Dies macht das Buch so hilfreich. Auch wenn Ihnen sicher nicht alle Probleme und Fragen begegnen werden, die im Buch angesprochen sind: Lehrreich ist die Beschäftigung damit in jedem Falle.

Ich wünsche den Leserinnen und Lesern eine fruchtbringende und hilfreiche Auseinandersetzung mit den hier behandelten Themen – und da die Mehrzahl von Ihnen sich sicher am Anfang der Promotion oder in einem Promotionsvorhaben befindet, wünsche ich Ihnen auch einen erfolgreichen Abschluss Ihrer Promotion, sodass Sie nach der Verteidigung auf diese Zeit als einen schönen und befriedigenden Abschnitt Ihres Lebens zurückblicken.

Prof. Dr. Ferdi Schüth, im Februar 2017

Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft, Wissenschaftliches Mitglied und Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung

Einleitung

Wofür gibt es dieses Buch?

Was denken Sie, wie viele Promotionen aus fachlichen Gründen abgebrochen werden? Und wie viele aus anderen Gründen?

Wir haben selten von einer Promotion gehört, die aus fachlichen Gründen scheiterte und abgebrochen wurde. Promovierende entscheiden sich in der Regel aus anderen Gründen dagegen, die Promotion fortzusetzen. Die Ursachen liegen erfahrungsgemäß im persönlichen Bereich.

Aus Scheitern lernen und dem Scheitern vorbeugen, das ist es, was im Zentrum dieses Buches steht. Mit „Scheitern“ sind Rückschläge gemeint, die die Zuversicht in die eigene Fähigkeit zur Promotion schwächen können. Gemeint ist das Scheitern an alltäglichen Aufgaben und Herausforderungen, die sich für viele Promovierende in kritischem Ausmaß oft erst während einer Promotion stellen. In der Regel waren Promovierende vor der Promotion überdurchschnittliche Studierende, die wenig Widerstände erfahren haben.

Uns geht es darum, die Phase der Promotion, die von einer Vielzahl von Herausforderungen geprägt ist und fast alle Promovierenden an ihre Grenzen führt, einfacher zu machen. Dies geschieht, indem die Promotion aus der Perspektive der Selbstführung betrachtet wird und Hinweise zum Umgang mit sich selbst bei der Bewältigung klassischer Herausforderungen der Promotion gegeben werden.

Ziel dieses Buches ist es, das Scheitern an der Promotion zu vermeiden, ohne schwierige Schlüsselstellen zu umgehen. Wir möchten einen Beitrag zur bestmöglichen Promotion von Doktoranden leisten und mit diesem Buch den Promovierenden in den Mittelpunkt des Promotionserfolgs stellen.

Wie soll dieses Buch genutzt werden?

Dieses Buch soll als promotionsbegleitendes Arbeitsbuch ein Katalysator zur Selbstentwicklung für Promovierende sein. Daher sind immer wieder Stellen zum Eintragen eigener Erkenntnisse vorgesehen.

Das Buch ist nicht als Ratgeber im Sinne von „Tipps und Tricks zur Durchführung der Promotion von A wie Arbeitshypothese bis Z wie Ziel“ verfasst, sondern als interaktives promotionsbegleitendes Arbeitsbuch. Nach unserer Auffassung ist es nicht das Wissen über die Themen dieses Buches, das hilfreich sein wird, sondern die aktive Auseinandersetzung mit seinem Inhalt.

Die Idee hinter dem Buch

Die Idee zu diesem Buch ergab sich bei einem Gespräch der Autoren über die Durchführung von Promotionsvorhaben. Es entwickelte sich ein Dialog über die Höhen und Tiefen des Promovierens, an dessen Ende der Entschluss stand, ein Buch zu schreiben, das typische Herausforderungen aus Sicht eines Hochschullehrers und eines Führungsexperten benennt und Ideen zum Meistern dieser Herausforderungen liefert.

Der Aufbau des Buches

Die Randbedingungen von Promotionen sind je nach Fach und Promotionsmodell extrem unterschiedlich. Gemeinsam ist aber allen Fächern und Promotionsmodellen, dass die Promotion Promovierende an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit führt.

Das Buch baut auf drei Säulen auf: Haben, Sein und Tun (siehe nachfolgende Abbildung). Jeder Säule widmen wir fünf Kapitel. Die 15 Kapitel unseres Buches sind in sich abgeschlossen und können in beliebiger Reihenfolge bearbeitet werden. Wir empfehlen Ihnen, mit einem Thema zu beginnen, das Sie spontan am stärksten anspricht. Mit den drei Dimensionen „Haben“, „Sein“ und „Tun“ werden die vielfältigen Themen, die bei einer erfolgreichen Promotion wichtig sind, zu drei Themenfeldern in je fünf Kapiteln zusammengefasst, um die Komplexität des Buches zu reduzieren. Im Promotionsprozess geht es aus unserer Sicht darum, sich selbst als Person und das wissenschaftliche Thema zu entwickeln.

Die drei Säulen dieses Buches

Den Beginn eines jeden Kapitels bildet eine Geschichte aus dem Alltag, die das Thema einleitet. Diese Geschichten spielen alle in der gleichen Umgebung eines ingenieurwissenschaftlichen Instituts. Die Protagonistin, die Doktorandin Laura Schilberg, erlebt dort während ihrer Promotion vielfältige Situationen. Auch wenn die erzählten Situationen sicherlich nicht perfekt in jede Promotionssituation passen und der Alltag in der Medizin oder den geisteswissenschaftlichen Fachrichtungen anders aussieht, und auch wenn sich Promotionen, die im Rahmen einer Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter erfolgen, von externen Promotionen unterscheiden, sind die Themen aus unserer Sicht letztlich die gleichen. Allein die Intensitäten mögen sich unterscheiden. Die Geschichten beruhen auf wahren Begebenheiten, wurden jedoch, um ihr jeweiliges Thema hervorzuheben, zum Teil etwas überspitzt formuliert. Die Namen der Personen, akademische Titel und Funktionsbezeichnungen wurden geändert.

Danach folgt jeweils ein „Theorieteil“, der wichtige Fakten zum Thema liefert. Da das Buch als Arbeitsbuch gedacht ist, schließt sich hier immer ein Unterkapitel „Anwendung“ an, in dem unmittelbar die Umsetzung auf die individuelle Situation des Lesers beginnt. Im nächsten Unterkapitel werden klassische „Herausforderungen“ benannt; „Das Wichtigste in Kürze“ fasst den Kern des Kapitels noch einmal zusammen. „Reflexionsfragen“ beenden jedes Kapitel; mit ihrer Hilfe kann die Umsetzung des Inhalts in die eigene Situation vertieft werden. Nicht alle Reflexionsfragen sind für alle Situationen gleichermaßen geeignet. Wählen Sie die Fragen aus, die Sie im Moment des Lesens besonders interessant finden. Am Ende eines jeden Kapitels haben wir zum Thema eine Liste mit weiterführender Literatur zusammengestellt.

Die Auswahl der Themen in diesem Buch beruht auf jahrelangen Beobachtungen und der jahrelangen Begleitung Promovierender. Wir erheben natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und an der einen oder anderen Stelle fehlt sogar der wissenschaftliche Beleg für die Wirksamkeit der von uns vorgeschlagenen Lösungsansätze. Doch aus unserer Erfahrung heraus sind wir davon überzeugt, dass die Ideen für viele Doktoranden nützlich sein können. Mit diesem Buch wollen wir kein Allheilmittel, sondern einen hilfreichen Beitrag liefern.

1. Kapitel:

Wofür Sie wie promovieren,ist entscheidend

„Bin ich, was andere mir sagen?Bin ich, was ich selbst von mir weiß?“Dietrich Bonhoeffer

1.1Über das Wie zum Was

Lampenfieber ist so eine Sache: Es soll Leute geben, Bühnenschauspieler zum Beispiel, die brauchen es zur besseren Konzentration. Laura war allerdings keine Schauspielerin, sondern eine ganz normale wissenschaftliche Mitarbeiterin, die gerade promovierte. Und an jenem Tag stand ein Promotionsgespräch bei ihrem Doktorvater Professor Cornelius an. Da der Professor seine Promotionsgespräche grundsätzlich bei sich zu Hause führte, hatte sie sich pünktlich und gut vorbereitet auf den Weg zu ihm gemacht, doch mit jedem Meter, den sie sich dem Haus von Cornelius näherte, nahm das Lampenfieber zu. Laura hasste das! Als sie vor der großen, schweren, hölzernen Haustür stand, fühlte sie sich wie eine Hürdenläuferin vor dem Finale der Olympischen Spiele. Die Anspannung hätte größer nicht sein können. Noch dazu knurrte Lauras Magen lautstark. Die junge Doktorandin hatte seit dem Vormittag nichts mehr gegessen, aber sie hätte sowieso keinen einzigen Bissen runtergebracht. Sie fühlte ihren Herzschlag, der noch schneller wurde, als sie den gusseisernen Klingelknopf drückte und das dumpfe „Ding Dong“ im Inneren des Hauses hörte.

„Ja bitte?“, ertönte gleich eine ziemlich helle, aber sehr klare Stimme. Die gehörte Professor Cornelius und passte zu dessen Typ wie die Faust aufs Auge. Laura war erst seit ein paar Monaten am Institut angestellt und kannte den Professor noch nicht so gut. „Live“ hatte sie ihn nur einmal erlebt, im Bewerbungsgespräch, als einen eher ruhigen, sachlichen Herrn mittleren Alters. „Mit Temperament ist der Mann nicht unbedingt gut ausgestattet“, hatte Laura damals gedacht. Irgendwie farblos und für Laura überhaupt nicht greifbar.

„Hier ist Laura Schilberg!“, antwortete Laura artig und beugte sich dabei ein bisschen vor, um besser von der Sprechanlage wahrgenommen zu werden.

„Ah ja, einen Moment bitte!“, antwortete die Stimme. Laura nahm ihre Nervosität deutlich wahr; ihre feuchten Hände waren ein sicheres Indiz. Vom Kloß im Hals ganz zu schweigen. Sie war gespannt, wie es laufen würde und ob sie heute ein besseres Bild von ihrem Doktorvater bekäme. „Reiß dich zusammen, was kann schon passieren!“, versuchte sie sich selber zu beruhigen. Schließlich hatte sich Laura intensiv im Vorfeld des Gesprächs mit ihrer Promotion beschäftigt, ein Buch über das Promovieren gelesen und die Promotionsordnung studiert. Sie kannte den Ablauf und die Regeln des Verfahrens im Detail. Zum Inhalt ihrer Promotion hatte sie ein Thesenpapier verfasst und noch am Vortag eine ganze Stunde lang am Text gefeilt. Was hätte sie mehr tun können? Und trotzdem war sie unglaublich nervös!

Professor Cornelius öffnete die Tür. „Guten Tag, Frau Schilberg!“, begrüßte er Laura freundlich und reichte ihr die Hand. „Schön, dass Sie da sind. Bitte, kommen Sie doch herein!“

Der Professor trug an diesem Abend keinen Anzug, wie sonst im Institut, sondern war ganz leger gekleidet. Wie Laura auch. Er trug eine etwas betagte Jeans und einen grauen Pullover.

„Guten Abend, Herr Professor Cornelius!“

Artig und ganz Gentleman trat Professor Cornelius einen Schritt zurück und bat Laura mit einladender Geste herein. Er nahm ihr den Mantel ab, hängte ihn in die Garderobe und führte sie durch das große Wohnzimmer mit den vielen alten Jugendstilmöbeln in den Wintergarten.

„Bitte setzen Sie sich, Frau Schilberg!“, sagte Professor Cornelius und deutete mit einer Handbewegung auf einen der voluminösen Sessel.

„Danke!“, antwortete Laura und ließ ihren Blick ein wenig umherschweifen. Ihr Blick fiel durch die großen Glasscheiben hinaus in den sehr gepflegten Garten mit dem großen Teich.

„Möchten Sie auch etwas trinken?“

„Ja gerne! Ein Glas Wasser bitte“, hörte Laura sich sagen und saß ziemlich verspannt in einem der erstaunlich bequemen Sessel. „Ist ja richtig nett hier“, dachte sie sich. Professor Cornelius ging in Richtung Küche, um die Getränke zu holen, Laura legte ihren Hefter auf den Couchtisch und drehte ihn gleich so, dass er für Professor Cornelius von der anderen Seite des Tisches lesbar war.

Cornelius kam mit einem Tablett zurück und füllte zwei Gläser mit stillem Mineralwasser. Daneben stellte er eine Schale Cracker und eine Schale Obst. „Greifen Sie zu, wenn Sie mögen!“, ermunterte er sie und deutete mit der rechten Hand auf die gläsernen Schalen. Ganz langsam ließ Lauras anfängliche Nervosität nach. Da sie einen Bärenhunger hatte, ließ sie sich das nicht zweimal sagen und griff beherzt zu den Crackern. Cornelius setzte sich auf den gegenüberliegenden Sessel, nahm ebenfalls einen Cracker und lehnte sich entspannt zurück. Lächelnd und mit freundlicher Stimme fragte er im Plauderton: „Wie geht es Ihnen, Frau Schilberg?“

„Ich habe die letzten Tage viel an meinem Thesenpapier gearbeitet“, antwortete Laura kompakt. „Ich denke, ich weiß jetzt, welches Thema geeignet ist.“

Der Professor schaute Laura für einen Moment schweigend, aber mit einem netten und beruhigenden Lächeln an. Dann fragte er nach einem weiteren Moment und immer noch lächelnd: „Und wie geht es Ihnen?“

„Äh …, gut!“, meinte Laura mit ehrlichem, aber leicht verzagtem Tonfall. Ein bisschen verwundert war sie schon über die Reaktion ihres Doktorvaters. Denn die war alles andere als sachlich und nüchtern und brachte die junge Frau ein wenig aus dem Konzept.

„Das freut mich!“

„Nach dieser Begrüßungsfloskel kann es dann ja endlich einmal losgehen“, dachte sich Laura. Sie saß schon auf heißen Kohlen und konnte es fast gar nicht mehr erwarten, loszulegen. In der Hoffnung, ihre Gedanken dabei etwas sortieren zu können, nahm sie einen kräftigen Schluck Wasser. Während sie trank, schaute sie ihren Professor an. Die Blicke der beiden trafen sich. Freundlich und offenbar mit der Welt zufrieden, lächelte Cornelius seine Doktorandin an. Laura stellte ihr Glas wieder ab. „Jetzt aber“, dachte sie sich und nahm ihre Unterlagen zur Hand.

„Nach dem Stand der Technik gibt es niemanden, der bislang …“ Laura begann ihren Vortrag, indem sie den Kern ihres Thesenpapiers ausführlich erläuterte. Professor Cornelius hörte der jungen Frau aufmerksam zu. Das konnte man an seinem Mienenspiel erkennen. Mal nickte er zustimmend, dann schaute er wieder kritisch drein. Mit einem leichten Hin- und Herschütteln seines Kopfes gab er zu erkennen, dass er in manchen Punkten anderer Meinung zu sein schien. In jedem Fall folgte der Professor dem detailreichen Vortrag, der mit Fachvokabular, ordentlich recherchierten Daten, Zahlen und Fakten gespickt war.

Als Laura geendet hatte, war sie zunächst einmal zufrieden mit sich und ihrer Leistung. Die anfängliche Nervosität hatte sich verflüchtigt, doch nun stieg bei ihr die Spannung. Vor allem, als Professor Cornelius nach einigen Augenblicken zu einer Frage ansetzte. Laura schärfte ihre Aufmerksamkeit. Schließlich wollte sie die Frage zu ihrem Thesenpapier sachlich einwandfrei und gekonnt beantworten. Mit Spannung erwartete die junge Doktorandin die erste Frage ihres Professors. „Wo wird er zuerst nachhaken?“, fragte sich Laura. Welches Detail würde sich ihr Doktorvater wohl aussuchen? Sie schaute ihn mit großen, erwartungsvollen Augen an.

„Und was ist Ihnen wichtig?“, fragte Professor Cornelius sehr ruhig mit einem charmanten Lächeln. „Ich meine, in unserem Gespräch?“

„Dass ich die Problemstellung exakt kenne, wenn wir nachher fertig sind“, antwortete die Doktorandin wie aus der Pistole geschossen. „Insbesondere bei der Frage, was später die Messungen angeht.“ Laura begann einen weiteren, sehr detailreichen Vortrag und erläuterte drei Varianten potenzieller Vorgehensweisen, die sie jeweils mit Pros und Contras sehr ausführlich bewertete. Professor Cornelius hörte erneut aufmerksam und interessiert zu. Der erfahrene Hochschullehrer vermied es, seine Doktorandin zu unterbrechen, und wartete geduldig, bis sie eine Denkpause einlegte. Auch wer nur redet, muss mal nachladen.

„Wie gehen Sie eigentlich mit Druck um, Frau Schilberg?“, fragt Professor Cornelius. Laura war ein bisschen verwirrt. Was sollte diese unsachliche Anmerkung?

„Wie bitte?“, fragte Laura nach und wollte sich vergewissern, dass sie sich nicht verhört hatte.

„Mich interessiert, wie Sie mit Druck umgehen, Frau Schilberg!“

„Naja, wenn ich Druck habe, dann suche ich verschiedene Lösungen und wähle die beste aus“, antwortete Laura knapp. „Aktuell ist dies für mich zum Beispiel die Frage: Welche Problemstellung ist für meine Dissertation die beste?“

Laura schaute ihren Doktorvater an, und dieser erwiderte den Blick. Und plötzlich stellte sich eine Pause ein, diese berühmte Stille, in der man eine Stecknadel fallen hört. Die Doktorandin wusste nun gar nicht mehr, was Sache war. Cornelius saß seelenruhig da und lächelte nur. „Offenbar denkt er über die Varianten nach“, interpretierte Laura die Situation und sah den Professor erwartungsvoll an. Wieder folgten einige Augenblicke quälender Stille.

„Wo waren Sie eigentlich im Sommerurlaub?“, fragte der Professor, griff erneut in die Cracker, lehnte sich in aller Ruhe zurück und genoss das Salzgebäck. Dabei sah er Laura fragend an. Die verlor nun komplett den Faden.

„Wie bitte?“, fragte sie erneut.

„Wo waren Sie im Sommerurlaub?“

Laura hatte sich also nicht verhört. „Jetzt will der auch noch wissen, wo ich meine Ferien verbracht habe“, dachte sie perplex. „Ja, hat der sie noch alle?!“ Die anfängliche innere Spannung war plötzlich wie weggeblasen und damit auch das Stresspotenzial, das ihre Dissertation erzeugt hatte. Laura fühlte sich innerlich viel ruhiger und cooler, war aber genervt. Sie erzählte Professor Cornelius also von ihrem Urlaub. Irgendwie passte es ihr nicht, aber letztlich zeigte der Smalltalk seine Wirkung. Natürlich beschränkte sich Laura nur auf die Eckdaten. Schließlich war sie hier nicht auf einer privaten Fete, und ihr gegenüber saß keine gleichgesinnte kichernde Freundin mit einem Cocktail in der Hand.

„Schön“, antwortete Cornelius. Sein Gesichtsausdruck ließ unschwer erkennen, dass ihn der Urlaubsbericht seiner Doktorandin tatsächlich interessierte. „Und was haben Sie in den zwei Wochen am meisten genossen?“

„Zeit zu haben!“, antwortete Laura spontan. „Endlich einmal Zeit zu haben. Wissen Sie, ich habe ja im Urlaub die ganze Literatur für den Stand der Forschung gelesen und dieses Thesenpapier geschrieben. Das war sehr interessant. Insbesondere die Erkenntnis, dass …“

Geschickt und bewusst hatte Laura wieder aufs eigentliche Sachthema gelenkt und ging ins Detail ihrer Arbeit. Sie setzte mit ihren Erkenntnissen zum Stand der Forschung verschiedener Forschungsgruppen in der Welt fort und monologisierte über die Unterschiede der wesentlichen Publikationen.

„Was denken Sie, welche Gruppe führend ist?“, fragte Laura schnell, nachdem sie ihren Vortrag beendet hatte, damit der Professor keine Pause für eine erneute Frage hatte, die eventuell wieder weg vom Thema führen konnte.

„Waren Sie allein im Urlaub?“, fragt Cornelius dennoch, ihre Frage ignorierend.

„Nein, mit meinem Freund!“, antwortete Laura zunehmend genervt, gab sich aber alle Mühe, dass der ungehaltene Unterton nicht zu hören war.

„Und was hat der gemacht, während Sie gearbeitet haben?“

„Er war wandern.“

„Und wie fand er es, alleine zu wandern?“ Cornelius schaute Laura an, als wenn er Mitleid mit ihrem Freund hätte. Diese Frage passte Laura nun gar nicht und sie wurde ein wenig ungehalten. Sie konnte ja wohl kaum zu ihrem Professor sagen, dass genau dies ein leidiges Dauerthema des Urlaubs gewesen war. Dreimal hatte sie mit ihrem Freund Benjamin deswegen gestritten.

„Er fand es zwar nicht so toll, aber letztlich war es okay für ihn“, antwortete Laura kurz angebunden und schaute demonstrativ auf die Uhr. Es waren bereits 20 Minuten des für eine Stunde angesetzten Gesprächs vergangen. Laura wurde ungeduldig und kribbelig. Sie versuchte, ihre Unruhe so gut wie möglich zu verbergen, aber ihr Hin- und Herrutschen auf dem Sessel verriet sie.

„Toll, wenn Sie das mit Ihrem Freund im Konsens so hinbekommen. Er ist offenbar sehr tolerant“, bemerkte der Professor. Seine Stimme war voller Anerkennung. Das verstärkte das schlechte Gewissen, das Laura ihrem Freund gegenüber hatte. „Was ist denn für Ihren Freund nicht verhandelbar? Wo ist sein Limit?“

„Jetzt reicht es“, dachte sich Laura. Das ging nun doch zu weit. Unter ihre Ungeduld mischte sich nun auch ein bisschen Wut. „Was sage ich jetzt nur?“, dachte sie und griff nach dem Wasserglas. Um Zeit zu gewinnen.

„Herr Professor Cornelius, ich dachte, wir reden über meine Promotion?“

„Wir sind mittendrin, über Ihre Promotion zu sprechen.“

„Ach ja?“

„Ja!“ Cornelius beugte sich nach vorne und grinste spritzbübisch über seine randlose Brille hinweg. Er sah Laura in die Augen und begann zu erzählen: „Damals, als ich habilitierte, war ich frisch verheiratet und saß jeden Abend und an den Wochenenden schreibend vor dem Rechner. Da fragte mich meine Frau, was denn für mich das Wichtigste an unserem Leben sei.“

„Was haben Sie ihr geantwortet?“

Cornelius schmunzelte. „Ich sagte in Gedanken und ohne den Blick vom Monitor zu nehmen: ‚Dass wir uns nicht trennen, bis einer von uns stirbt.‘“

„Was hat Ihre Frau darauf geantwortet?“

„Sie fragte: Und zwischen jetzt und der Beerdigung?“, antwortete Cornelius und schmunzelte wieder. „An diesem Abend konnte ich keine Zeile meiner Habilitation mehr schreiben. Ich war über mich selber erschrocken!“

Es wurde still im Wintergarten. Laura schaute ihren Professor an und blickte in ein lächelndes, schmunzelndes Gesicht. Dann fiel bei ihr der Groschen. Sie hatte verstanden, was ihr Doktorvater mit dieser kurzen Anekdote sagen wollte. Laura schüttelte den Kopf und musste lachen.

„Sie meinen, es geht bei einer Promotion nicht nur um den Inhalt, sondern auch darum, wie man diese Phase seines Lebens bewusst gestaltet?“

Der Professor nickte. „Genau! Meine Fragen zielten auf das, was Ihnen im Leben wichtig ist. Ihr Wofür! Und deshalb werden wir in jedem Betreuungsgespräch über beides sprechen.“

Laura lachte wieder und schüttelte den Kopf. „Wie konnte ich über die Promotion vergessen, dass es noch andere Dinge gibt, die ich brauche?!“ Dann setzten beide das sachliche Gespräch mit Zahlen, Daten und Fakten in sehr angenehmer und entspannter Atmosphäre fort.

1.2Theorie

Wofür ist dieses Kapitel gedacht? Wissenschaftliches Arbeiten bedeutet Konzentration auf den Inhalt. Typische Fragen beim Alltag des wissenschaftlichen Arbeitens sind: Was messe ich? Was ist die Bedeutung des Ergebnisses? Was ist der richtige Lösungsansatz? Was ist der Stand der Wissenschaft? Was ist die wissenschaftliche Hypothese? Welche wissenschaftliche Methode wähle ich? All diese Fragen zielen auf den Inhalt. Der Inhalt wissenschaftlicher Arbeit ist natürlich sehr wichtig und in der Regel sogar das einzige Maß für die Bewertung von Dissertationen.

Falls Sie erwägen, Ihre Promotion abzubrechen, überlegen Sie, wofür Sie begonnen haben

Was wirkt jedoch auf die meisten Menschen motivierend? Die Bedürfnisse, die hinter dem stecken, was Menschen tun. Man könnte auch sagen: Entscheidend für die Motivation ist, wofür Menschen etwas tun! Neben der Strategie, etwas zu tun, um etwas Bedürfnisbefriedigendes zu erreichen, gibt es auch die Variante, etwas zu tun, um etwas Bedürfnisschädigendes zu vermeiden.

Was bringt Sie dazu zu promovieren? Was ist Ihr Bedürfnis dahinter? Oder anders gefragt: Wofür promovieren Sie? Manche Doktoranden promovieren, um zu forschen, manche, um mit einem Doktortitel Karriere zu machen und um bei der Karriere nicht im Nachteil anderen gegenüber zu sein. Andere promovieren, um sich zu beweisen, dass sie es können, um sich später nicht vorwerfen zu müssen, es nicht versucht zu haben, oder einfach, weil in der Familie seit eh und je alle promoviert haben und es einfach dazugehört. Darüber hinaus gibt es noch Hunderte – aus Sicht der jeweiligen Person – gute Gründe für eine Promotion.

Was also ist Ihr Wofür?

Dies muss vor dem Beginn einer Dissertation unbedingt hinterfragt werden. Wenn man später in schwierige Phasen der Promotion gerät, ist es in der Regel das Wofür, das über Durchbeißen oder Abbrechen mitentscheidet. Sollten Sie sich bereits für eine Promotion entschieden haben, können Sie anhand dieses Kapitels Ihre Wahl reflektieren. Auch dies könnte nützlich sein. Falls Sie im Laufe Ihrer Promotion einmal mit den Gedanken spielen, Ihre Promotion abzubrechen, fragen Sie sich, wofür Sie begonnen haben!

Über das Wie zum Was

Die Verbindung zwischen „Wofür Sie promovieren“ und über welchen Inhalt, also über „Was Sie promovieren“, bildet das Wie. Wie wollen Sie promovieren? Im Sinne von: Unter welchen Randbedingungen? Haben Sie hier ein klares Bild? Nur wenn Sie eines haben, können Sie Ihre Promotion gestalten, indem Sie z. B. ein Institut wählen, das die für Sie passenden Randbedingungen bietet. Brauchen Sie intensiven Kontakt zum Professor? Möchten Sie ein familiäres Klima oder eher das anonyme Klima einer schlagkräftigen, oft weltweit renommierten Großorganisation? Promovieren Sie lieber ohne Bindung an ein Institut, z. B. als externer Doktorand? Solche Fragen sind zu klären. In der Folge werden Sie seltener in schwierige Situationen geraten und während Ihrer Promotion stets leichter am Ball bleiben.

Der Inhalt Ihrer Doktorarbeit wird über die Zeit der Promotion an Umfang zulegen. Wie ist es aber mit dem Wie und dem Wofür? Sie werden, wenn Sie sich mit diesem Buch beschäftigen, immer genauer wissen, wie Sie erfolgreich promovieren können.

Das Fundament des Wachstums Ihrer Promotion ist Ihr eigenes Wachstum

Neben dem Wofür und dem Wie Ihrer wissenschaftlichen Arbeit gibt es natürlich den Inhalt der Arbeit, das Was. Die Gutachter Ihrer Dissertation werden sich im Wesentlichen auf das Was beziehen. Das Fundament des Wachstums Ihrer Promotion ist Ihr eigenes Wachstum; eine Promotionsschrift wächst, während sie verfasst bzw. ihr Inhalt erzeugt wird, mit Ihnen. Während der Dissertation werden immer wieder Widerstände auftreten, die überwunden werden müssen. Dabei bilden sich Ihr eigener Arbeitsstil und Ihre Kompetenzen zur Bewältigung von Widerständen aus. Das bedeutet, dass auch das Wie der Promotion wächst. Das Wofür als zentraler Motivator sollte idealerweise über die Zeit der Promotion auch mitwachsen, damit Sie bei Widerständen am Ball bleiben.

Was denken Sie, wie oft Sie von Doktoranden in schwierigen Phasen den Satz hören könnten: „Ich würde die Promotion ja am liebsten hinschmeißen, dann wären aber die vergangenen Jahre verloren – deshalb muss ich das jetzt durchziehen!“? In solchen Fällen liegt der Verdacht nahe, dass es nie ein Wofür gab oder derjenige sich sein Wofür hat nehmen lassen. Die Promotion in unserem Sinne ist nicht das am Ende fertiggestellte Buch, sondern die Zeit der Erstellung, an der Sie als Person wachsen. Das Wachstum von Wofür, Wie und Doktorarbeit ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Ihr Wofür bildet das Wurzelwerk, das Wie den Stamm und Ihre Kompetenzen sind die wachsende Krone des Baumes. Dieser Baum trägt später Früchte, Ihre Dissertation.

Zur Konzeption Ihrer Dissertation möchten wir Ihnen ans Herz legen, gleich zu Beginn darüber nachzudenken, wofür Sie promovieren möchten und wie Sie promovieren möchten. Ideal wäre es, diese Überlegung von Zeit zu Zeit zu wiederholen, denn Sie werden sich im Laufe der Promotion verändern, und deshalb ändern sich auch die Antworten auf das Wie der Randbedingungen und das Wofür der Doktorarbeit mit der Zeit.

Baum-Metapher

Auf diese Weise können Sie Ihre persönliche Entwicklung verfolgen. Sie stellen z. B. leichter fest, wenn sich Ziele in Ihrem Leben verändern. Dies ist über die Dauer einer Promotion jedenfalls nicht ungewöhnlich.

Das Wertesystem nach Häusel

Eine wichtige Basis für das eigene Wofür sind die eigenen individuellen Lebensprämissen, die oft auch „Werte“ genannt werden. Das sind die Dinge, die Ihnen existenziell wichtig sind.

HÄUSEL[1] leitet dazu her, dass es drei Bereiche gibt, die allen Menschen wichtig sind. Er nennt diese Bereiche die drei großen Emotionssysteme „Stimulanz“, „Dominanz“ und „Balance“:

−„Stimulanz“ bedeutet hier: Entdeckungen machen, neue Dinge probieren, z. B. die Forschung vorantreiben.

−„Dominanz“ bedeutet hier, im Wettbewerb zu bestehen, z. B. mit dem Doktortitel im beruflichen Fortkommen einen Vorteil zu erzielen. Selbstbestimmt zu sein und eigene Entscheidungen zu treffen ist in diesem Sinne Dominanz.

−„Balance“ bedeutet Stabilität und Sicherheit, z. B. die Sicherheit, die Promotionszeit erfolgreich zu absolvieren.

Diese drei Systeme spannen eine Fläche auf, in der Lebensprämissen eingeordnet werden können. Dies verdeutlicht die nächste Abbildung.

Wertesystem nach HÄUSEL

Mit geringer Distanz zu Balance finden sich die Lebensprämissen Sicherheit, Geborgenheit oder Heimat. Mit geringer Distanz zu Dominanz finden sich die Lebensprämissen Macht, Elite oder Durchsetzung. Kreativität, Neugier und Humor finden sich nahe an Stimulanz. Weitere Lebensprämissen sind entsprechend ihrem Bezug zu den drei großen Emotionssystemen auf der Fläche angeordnet.

Alle Emotionssysteme sind bei jedem Menschen vorhanden, aber unterschiedlich stark ausgeprägt. Demnach sind für verschiedene Menschen verschiedene Lebensprämissen unterschiedlich bedeutend.