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Trump und Brexit zeigen, dass Rechtspopulisten auch Wahlen gewinnen können. In Ungarn und Polen bilden sie bereits die Regierung und in Frankreich, Österreich und den Niederlanden fehlt nicht mehr viel bis dahin. Und auch in Deutschland gewinnt die AfD immer weiter dazu. Der Begriff des Protestwählers ist in aller Munde, und man erlebt eine tiefe Spaltung der Gesellschaft. Wer sind die Unzufriedenen in unserer Gesellschaft, und wie ist es der AfD gelungen, diese Wähler an sich zu binden? Wird die Partei ihnen wirklich helfen? Was kann jeder Einzelne gegen die weitverbreitete Unzufriedenheit und den Rechtspopulismus in unserem Land tun? Diese und andere in dieser Zeit so wichtigen Fragen werden hier ausführlich und verständlich beantwortet. Ohne anzugreifen wird versucht, die Zurückgelassenen zu verstehen und Wege aus der sozialen und politischen Krise zu finden.
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Seitenzahl: 221
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Wenn eine freie Gesellschaft den Vielen, die arm sind, nicht helfen kann, kann sie auch die wenigen nicht retten, die reich sind.
John F. Kennedy
Vorwort
Situation in Deutschland und international
Frühere Protestparteien
Rechtspopulismus international
Wählerwanderung
Pressefundstücke
Gründe für die Unzufriedenheit
Schere Arm-Reich
Deutschland Ost und West
Zukunftsängste
Das unbegreifliche System der EU
Globalisierung
Internationale Großkonzerne
Fehlende Konturen in der Politik
Karrierepolitiker
Machtlose Gewerkschaften
Bürokratie
Lobbyismus
Spekulanten
Bestechlichkeit
Dem Land geht es gut?
Andere positive Meldungen
Methoden der AfD
Die AfD-Methode
Die Vernetzung
Immer neue Forderungen
Aufruf zu Aktionen
Verschwörungstheorien
Die aktuelle Situation
Lügenpresse
Ausländerfeindlichkeit
Es werden immer mehr
Was wäre wenn?
Noch weiter rechts
Linkes Klientel
Blick ins Parteiprogramm
Was ist zu tun?
Der falsche Weg gegen die AfD
Was die Politik tun kann
Was die Medien tun können
Was kann die Bevölkerung tun?
Mit den Protestwählern reden
Was Protestwähler tun können
Resümee
In den USA wurde Donald Trump zum Präsidenten gewählt. Eine Mehrheit in Großbritannien hat sich für den Brexit ausgesprochen, also dafür, aus der EU auszutreten. In Österreich schien es möglich, dass ein FPÖ-Kandidat Präsident wird. In Polen und Ungarn gibt es rechtsnational ausgerichtete Regierungen. Und auch in Dänemark, Frankreich, der Schweiz, in den Niederlanden und weiteren Ländern gibt es starke, rechtspopulistische Parteien. Selbst wenn Trump verloren hätte und in Großbritannien der Entscheid zum Verbleib in der EU anders ausgefallen wäre, bliebe immer noch festzuhalten, dass rund die Hälfte der Wähler populistische Bewegungen wählen.
Diese Liste mit deutlich rechten Erfolgen in den Ländern der westlichen Welt ließe sich noch eine Weile fortsetzen. Aber gemeinsam ist, dass die Parteien und Bewegungen sämtlich deutlich rechts und teilweise national ausgerichtet sind, ihre Wählerschaft aber auch zu einem großen Teil aus Protestwählern besteht. Es scheint in diesen marktwirtschaftlich ausgerichteten Ländern also eine große Unzufriedenheit zu herrschen.
Um diese unzufriedenen Menschen soll es in diesem Buch gehen. Dabei soll speziell auf die Situation in Deutschland eingegangen werden. Auch hier hat sich eine solche rechtspopulistische Partei etabliert. Die AfD ist noch nicht so groß wie es die Parteien in den anderen genannten Ländern inzwischen sind, noch wählen 85 Prozent der Wähler in unserem Land anders. Doch wer die Situation genau betrachtet, wird sehen, dass die AfD bei künftigen Wahlen eher dazugewinnen denn an Stimmen verlieren wird.
Noch scheint es also möglich, dass man diesem Trend entgegenwirken kann. Dazu ist es erforderlich, zu verstehen, warum so viele Menschen zu Protestwählern wurden und wie es der AfD gelingen konnte, diese hinter sich zu binden.
Dazu werden wir uns in diesem Buch anschauen, wie es dazu kommen konnte, dass es so viele unzufriedene Menschen gibt. Danach werden wir die Frage beantworten, wie es eine neue und manchmal auch zerstrittene Partei wie die AfD schaffen konnte, viele dieser Menschen hinter sich zu sammeln. Und schließlich wird versucht werden, die Frage zu beantworten, wie man es schaffen kann, die Wähler wieder zu den etablierten Parteien oder zu anderen nicht radikalen Wegen zurückzubringen kann und ob dies überhaupt möglich ist. Wir werden dabei viele Fehler sehen, die von den alten Parteien gemacht wurden, wenn es darum geht, die Wähler zurückzugewinnen. Und wir werden erkennen, dass es das Wichtigste ist, den Unzufriedenen zu helfen.
Dieses Buch wird die relevanten Fakten und Einschätzungen dazu liefern. Es ist so aufgebaut, dass sich die Kapitel einzeln lesen lassen, ohne dass dabei etwas unverständlich bleibt. Dennoch empfiehlt sich das Lesen in der Reihenfolge der Kapitel.
Die AfD ist nicht die erste Partei, die es geschafft hat, unzufriedene Menschen hinter sich zu einen, so dass diese ihren Protest durch Wahl der Partei auch an der Wahlurne äußern. Es ist auch nicht die erste solche Partei, die es bei Wahlen zu zweistelligen Ergebnissen gebracht hat.
Nach der Wiedervereinigung gab es bereits einige Parteien, die als solche aufgeführt werden können. Die meisten von ihnen sind, wie die AfD dem rechten Lager zuzuordnen, häufig sogar sehr weit rechts. Gemeinsam ist wohl all diesen Parteien, dass sie sich anfangs als Vereinigung von Menschen mit anderen Ideen verstanden und meist in der Anfangszeit erst einmal klein blieben. Sie verstanden sich selbst also oft nicht selbst als Protestpartei, sondern als rein politische Vereinigung und sind erst später dazu geworden. Eine Gruppe von Menschen erkannte, dass man durch Wahl dieser Partei seinen Protest gegen die aktuellen Zustände äußern kann. Dies spürten dann die Parteiverantwortlichen und hielten diese Möglichkeit weiter am Köcheln. So kamen sie dann zu recht beachtlichen Wahlerfolgen. Doch außer der AfD gab es bisher keine Protestpartei, die es geschafft hat, über einen längeren Zeitraum hinweg zu solch beachtenswerten Ergebnissen zu kommen.
Nachfolgend gibt es eine kurze Auflistung der wichtigsten Protestparteien in Deutschland nach 1989 und vor der AfD (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Die Republikaner: Die Partei wurde 1983 gegründet. Sie gehört zu den stramm rechten Parteien. Dieser Kurs wurde vom ehemaligen Vorsitzenden Schönhuber eingeschlagen, nachdem sie zuvor etwas gemäßigter auftrat. Schönhuber hatte dieses Amt von 1985 bis 1990 inne. In seine Ägide fielen die besten Ergebnisse: 7,0 Prozent bei der Europawahl 1989 und sogar 7,5 Prozent bei der Senatswahl in Berlin im gleichen Jahr. Die Partei existiert noch. Bei Wahlen findet sie sich inzwischen bei den sonstigen Parteien wieder. Bei den letzten Landtagswahlen hat sie meist deutlich unter einem halben Prozent der Stimmen erreicht. In verschiedenen Bundesländern tritt sie aktuell nicht mehr an.
Statt Partei: Diese Partei wurde 1993 in Hamburg gegründet. Dies ist auch das einzige Bundesland, in dem sie einen Wahlerfolg verzeichnen konnte. Sie entstand aus einem Streit innerhalb der dortigen CDU, ist also ebenfalls eher rechts als links einzuordnen. Bedingt durch diesen Parteistreit kam es 1993 in Hamburg zu einer Neuwahl des Senats, bei der sie mit 5,8 Prozent der Stimmen einen spürbaren Erfolg verzeichnen konnte. Bei der nächsten Wahl des Hamburger Senats erreichte sie mit 3,8 Prozent der Stimmen nicht genug, um weiter im Senatvertreten zu sein. Danach erreichte sie in Hamburg nur Stimmenanteile von weniger als einem Prozent. In anderen Bundesländern hatte sie nie Erfolg und blieb nahezu immer unter einem Prozent Stimmenanteil. Die Statt Partei existiert noch, ist aber inzwischen absolut bedeutungslos.
NPD: Gegründet wurde die Partei im Jahre 1964. In den ersten Jahren konnte sie auf Landesebene (Westdeutschland) einige Erfolge aufweisen. So erreichte sie in vielen Bundesländern Stimmenanteile vom über fünf Prozent. Diese Zahlen dürften darauf zurückzuführen sein, dass damals erst gute zwanzig Jahre seit der Nazi-Diktatur vergangen waren und es noch einige überzeugte Altnazis gab. Nachdem die NPD jedoch 1969 bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, konnte sie diese Ergebnisse in keinem Bundesland mehr wiederholen und verschwand schnell in der Versenkung.
Erst ab 2004 kamen wieder bemerkenswerte Ergebnisse zustande. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern überstieg der Wähleranteil für jeweils zwei Wahlperioden die Fünf-Prozent-Marke. Auch bei den Wahlen zu anderen Landesparlamenten stieg der Stimmenanteil, jedoch ohne dass es dort für einen Einzug in das Parlament reichte. Seit 2011 sinkt der Stimmenanteil stark ab und kann heute als bedeutungslos bezeichnet werden. Die Partei hat heute angeblich finanzielle Probleme und sieht sich einem Verbotsverfahren gegenüber.
Piratenpartei: Diese Partei wurde 2006 gegründet und steht im Parteienspektrum auf der linken Seite. Sie hatte in den Jahren 2011 und 2012 ihre besten Ergebnisse. Damals zog sie in vier Landesparlamente ein, wurde aber bisher in keinem der Länder wiedergewählt. Für viele Menschen war es jedoch schwierig, die Strukturen der Piraten nachzuvollziehen. Zudem war sie lange eine Ein-Themen-Partei, die andere Themen, wenn überhaupt nur am Rande vertrat. In schneller Folge gab es wegen Streitereien wechselndes Führungspersonal und viele sind inzwischen anderen Parteien beigetreten. Es ist anzunehmen, dass die Partei weiter an Bedeutung verlieren wird.
Schill-Partei: Die Partei, die offiziell „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ hieß, existierte von 2000 bis 2007. Es handelte sich um eine rechtspopulistische Partei, die sich an der österreichischen FPÖ unter Jörg Haider orientierte. Bekannt wurde sie durch den als „Richter Gnadenlos“ bekannten Roland Schill, der auch Gründer war.
Im Jahr 2001 erreichte sie bei der Wahl zum Hamburger Senat 19,4 Prozent der Stimmen und bildete zusammen mit der CDU und der FDP die Regierung des Stadtstaates. Es handelte sich einerseits um eine Protestwahl, jedoch erschien vielen Roland Schill auch als Garant für die innere Sicherheit. Die Wahl fand nur zwölf Tage nach dem Anschlag auf die Bürotürme in New York und das Pentagon statt.
In anderen Bundesländern hatte die Partei nie einen Einzug in ein Parlament zu verzeichnen. Auch in Hamburg verfehlte die Partei bei der nächsten Wahl die Fünf-Prozent-Hürde. Dies war auch darauf zurückzuführen, dass Roland Schill Ende 2003 von der rechten Partei ausgeschlossen wurde.
DVU: Als Partei existiert die DVU seit 1987, nachdem sie vorher bereits als Verein bestand. Sie gilt als rechtsextrem. Sie war nur in wenigen Bundesländern aktiv. In vier Bundesländern konnte sie in das Landesparlament einziehen. Im Jahr 1990 erhielt sie in Sachsen-Anhalt beachtliche 12,9 Prozent der Stimmen. Inzwischen hat sich die DVU im Jahr 2011 mit der NPD vereinigt und ist mit ihr gemeinsam in der Versenkung verschwunden.
Es gab also früher schon Protestparteien und teilweise konnten sie auch beachtenswerte Wahlergebnisse erreichen. Doch praktisch nie waren für sie die Ergebnisse später wiederholbar. Man zog vielleicht sogar wieder ins Parlament ein, jedoch mit einem schlechteren Ergebnis. Dies lag daran, dass diese Partien es nicht vermochten, die Wähler während der langen Zeit zwischen den Wahlen an die Partei zu binden. Zu einem großen Teil lag dies daran, dass es damals die Möglichkeiten noch nicht gab, wie zum Beispiel das Internet und die sozialen Netzwerke. Aber die Parteien waren auch selbst schuld, da sie der Bindung keinerlei Bedeutung beigemessen haben.
Auffällig ist, dass es das Phänomen des Rechtspopulismus und der Protestparteien bei Wahlen nicht nur in Deutschland gibt. In vielen Ländern lässt sich dies in den letzten Jahren beobachten.
Der Grund ist ganz einfach zu finden. Denn jeder der bisher in dieser Schrift aufgeführten Gründe zum Protestwähler zu werden, trifft nicht nur auf Deutschland zu. Auch in anderen Ländern haben Parteien und Politiker immer weniger scharfe Konturen. Auch in anderen Ländern werden Arbeitnehmerrechte im Zuge der eigenen Wirtschaftsförderung abgebaut. Auch in anderen Ländern steigt das Ausmaß der Bürokratie. Und auch in anderen Ländern scheint die Macht internationaler Großkonzerne immer größer zu werden, wobei diese natürlich auch dort ausschließlich dem Profit nachlaufen und sich für ihr Personal nur als Wirtschaftsgut einsetzen. Und auch dort klafft die Arm-Reich-Schere immer weiter auseinander.
Doch es gibt noch etwas zu beachten. Denn auffällig ist, dass die Länder in denen solche Parteien zu einer größeren Verbreitung gefunden haben, sämtlich in Europa liegen. Und da war ja noch ein Grund, der die Leute zu Protestwählern hat werden lassen. Dieses für viele undurchsichtige System der EU, die aber ganz offenbar inzwischen zu einer großen Macht geworden war. Sämtliche Länder, in denen solchen Parteien aufkamen, gehören der EU an. Sind sie kein Mitglied, wie zum Beispiel die Schweiz, in der die rechtspopulistische SVP sehr stark wurde, so sind diese Länder doch sehr eng mit der EU verbandelt, und vieles, was dort geschieht, wird inzwischen auch durch die EU entschieden. So scheint also genau dieser Punkt der Kritik an der EU etwas ganz Entscheidendes beim Anwachsen der Protestwählerschaft zu sein. Dies ist auch verständlich, denn wer möchte schon von jemand gelenkt werden, der scheinbar nebulös im Dunkeln bleibt.
Zudem wurde besonders in der EU die Globalisierung sehr weit vorangetrieben. Hier ist durch die Macht der internationalen Mega-Konzerne ein großer Teil der sozialen Mitte in Form von mittelständigen Geschäften und Unternehmen weggebrochen, die früher als Mittler zwischen oben und unten fungierten.
Nun ist in den einzelnen Ländern das Anwachsen nicht gleichzeitig geschehen. Die FPÖ in Österreich und der Front National in Frankreich sind schon lange mehr als Splitterparteien. Doch muss man bedenken, dass die genannten Probleme schon lange unterschwellig in vielen Menschen gären. Und in den genannten beiden Ländern gab es eben zufällig zwei Menschen, die für ihre Positionen standen und sich dem Thema annahmen. Sowohl Jörg Haider in Österreich als auch Jean-Marie Le Pen in Frankreich waren charismatische Personen, die es schafften schon früh die Unzufriedenen hinter sich zu sammeln. Und da die jeweilige Partei es schaffte, die Bindung der Wähler herzustellen, blieben die Menschen auch. An den Verhältnissen hatte sich ja nichts geändert.
Man kann auch den gegenteiligen Trend in Europa sehen. So hat in Griechenland mit der Syriza-Partei eine recht weit links stehende Partei die Wahlen gewonnen. Doch auch hier war das zentrale Thema die Skepsis gegenüber der EU. Bezeichnend ist, dass diese Linke sogar eine Koalition mit der weit rechts stehenden Partei der Unabhängigen Griechen eingegangen ist. Gemeinsam ist beiden eigentlich nur die Antipathie gegenüber der EU, aber das scheint schon dafür zu reichen, dass beide Parteien offenbar ohne größere Reibereien miteinander regieren können.
Außerhalb Europas scheint diesbezüglich alles seinen seit Jahrzehnten gewohnten Gang zu gehen. Obwohl meist außer der EU-Skepsis auch viele Gründe zu Protestwahl vorhanden wären, scheint es dort überall normale und altbekannte Wahlergebnisse zu geben. Mal gewinnt links, ein anders mal rechts, nichts deutet aber auf solche Auffälligkeiten wie in Europa hin.
Nur in den USA ist scheinbar etwas ähnliches zu beobachten. Hier kandidierte mit Donald Trump eindeutig ein Rechtspopulist für das Amt des Präsidenten und gewann die Wahl. Auch und vielleicht sogar besonders sind viele Gründe populistische Protestparteien zu wählen auch in den USA zu sehen, wobei natürlich die EU-Skepsis dort keine Rolle spielt. Aber die auch in den USA zu sehenden sozialen Folgen der Globalisierung haben ganz sicher die Wahl zu Gunsten Trumps merklich beeinflusst.
Doch einiges ist anders, nicht nur, dass das Thema Europa fehlt. So gibt es in Amerika in der Praxis eigentlich nur zwei Parteisysteme, alle anderen Bewegungen sind so gut wie bedeutungslos. Und wichtige Politiker der eigenen Partei haben wegen seiner politischen Unreife vor einer Wahl Trumps gewarnt. Zudem ist es offensichtlich, dass sich Trump durch seinen enormen Reichtum in diese für ihn aussichtsreiche Position gebracht hat. Und außerdem wirkt vieles so, als habe er es sich bei den Protestparteien in Europa abgeschaut und er dies nun zu seinem eigenen Vorteil kopiert hätte.
Jedoch gibt es in den USA, wie auch in den anderen Teilen der Welt die gleichen Probleme, mit denen sich die unteren Schichten herumschlagen müssen. So ist zu erwarten, dass es auch dort irgendwann zu solchem Protestverhalten kommen wird. Man wird nicht ewig die Willkür der Großkonzerne und die Undurchsichtigkeit der Politik hinnehmen. Es braucht nur einer Organisation und eines charismatischen Kopfes, um auch dort die Stimmen der Protestwilligen zu erhalten.
Sicher könnte man zu den rechten, populistischen Parteien und den Protestwählern in anderen Ländern jeweils ein eigenes Buch verfassen. Doch da es hier ausschließlich um die Verhältnisse in Deutschland und den dadurch bedingten Aufstieg der AfD gehen soll, wird es hier bei diesem kurzen und erläuternden Ausflug in andere Länder bleiben. Festzuhalten bleibt jedoch, dass Unzufriedenheit kein rein deutsches Phänomen ist.
Regelmäßig an Wahltagen sitzen wir ab achtzehn Uhr vor dem Fernseher und schauen uns an, wie die Wahl ausgegangen ist. Zuerst gibt es eine Prognose, die schon deutlich aufzeigt in welche Richtung es geht. Im Laufe des Abends wird es aber noch Änderungen geben, die besonders bei den Parteien spannend zu beobachten sind, die nur knapp über oder unter der Fünf-Prozent-Hürde liegen.
Dann wird es immer in einigem Abstand einige Hochrechnungen geben. Hierzu werden tatsächlich ausgezählte Stimmzettel berücksichtigt, wogegen bei der anfangs ausgestrahlten Prognose lediglich eine Wählerbefragung am Wahltag berücksichtigt wurde. Es wird dabei angegeben, wie viele der Wahlkreise bisher ausgezählt wurden. So können wir also zusehen, wie das Ergebnis immer genauer wird, weil ja immer mehr der abgegebenen Stimmen ausgezählt wurden.
Dabei ist dann auch immer angegeben, wie sich das Ergebnis für die einzelnen Parteien seit der letzten Wahl verändert hat. Bei jeder Wahl gibt es Gewinner und Verlierer, und hier sehen wir, wie hoch diese Gewinne und Verluste sind. Immer wieder kommt es dabei auch vor, dass eine Partei zwar die meisten Stimmen erhalten hat, im Vergleich zur letzten Wahl aber trotzdem verloren hat.
Irgendwann in der Nacht sind dann alle Wahlzettel ausgezählt und es gibt ein Endergebnis. Die meisten Menschen schlafen schon, waren aber schon zuvor ausreichend informiert, da die letzte gesehene Hochrechnung schon recht nahe an das Endergebnis herankam. Dieses Endergebnis ist noch vorläufig, manches wird noch einmal nachgezählt und geprüft. Dann gibt es, oft einen oder zwei Tage später das endgültige Endergebnis, das nun gilt und für die Zusammensetzung des Parlaments entscheidend ist.
Dieses Ergebnis lässt sich nun analysieren. So können wir sehen, wie in den einzelnen Wahlbezirken gewählt wurde, wie also beispielsweise die Menschen in der unmittelbaren Nähe der eigenen Wohnung gewählt haben. Es lässt sich so auch ersehen, wie sich regionale Begebenheiten auf das Ergebnis ausgewirkt haben. Bei manchen Wahlen lässt sich so erkennen, dass sich die Veränderungen der Ergebnissen für eine Partei zum Beispiel im Süden anders zeigen als im Osten.
Was sich aber so nicht feststellen lässt, ist, was die Wähler einer Partei bei der letzten Wahl gewählt haben. Denn man kann einem einzelnen Wahlzettel weder ansehen, wer ihn ausgefüllt hat, noch was dieser Wähler bei der letzten Wahl gewählt hat. Auch aus den Zahlen lässt sich dies nicht erkennen, da man zwar ein Wachstum oder einen Verlust erkennen kann, aber nicht, woher die neuen Wähler kamen, beziehungsweise wohin sie abgewandert sind. Möchte man hierzu Zahlen haben, muss man also die Wähler separat befragen, was dann natürlich zur Folge hat, dass es dabei Ungenauigkeiten geben kann.
Meist gibt es bei einer Wahl eine Partei, die besonders viel gewonnen oder verloren hat. Gerade für diese scheint es interessant zu erfahren, woher die vielen neuen Stimmen kommen oder wohin die Wähler abgewandert sind.
In den frühen Jahren der Bundesrepublik gab es zwei große Parteien. Wenn eine Stimmen verlor, war klar, dass die jeweils andere Partei diese Stimmen erhalten hatte. Zu den beiden Parteien kam noch die stets klein gebliebene FDP dazu. Sie wurde dann benötigt, wenn keine der großen Parteien die absolute Mehrheit bekam. Dann ging eine der Parteien eine Koalition mit der FDP ein. Interessant war nun zu beobachten, wie sich der Stimmenanteil der FDP bei der nächsten Wahl verändern würde. Wenn sie dann an Stimmen gewann, lag dies daran, dass man die große Partei schwächen wollte. So war also auch hier leicht zu erkennen, wie die Wählerwanderung war.
Später kamen dann die Grünen und andere Parteien dazu. Auch die Zeit der Protestwahlen begann. Durch die große Parteienzahl wurde es schwieriger zu erkennen, was die Wähler einer der Parteien bei den letzten Wahlen gewählt hatten. Nun begann daher die Zeit , bei der in den Wahlsendungen im Fernsehen auch immer die erfragte Wählerwanderung aufgezeigt wurde.
Doch noch war die Auswertung einfach zu verstehen. Wenn eine Protestpartei aus dem linken Lager kam, kamen die Wähler aus dem Lager der SPD und vielleicht von den Grünen oder aus der großen Zahl der Nichtwähler. Kam die Protestpartei von rechts, kamen die Wähler ebenfalls von den Nichtwählern aber statt von der SPD von der CDU. So war die Wählerwanderung also immer noch leicht zu verstehen.
Komplizierter wurde das Bild, als die AfD die Parteienbühne betrat. Sie hatte Erfolg bei einigen Wahlen zu verzeichnen. Es ist eine rechte Partei. Doch wenn man sich die Wählerwanderung betrachtet, erkennt man, dass sie zwar auch Stimmen von ehemaligen Nichtwählern erhielt, aber ansonsten allen anderen Parteien Stimmen abjagen konnte. Was ist also hier anders?
Dass die AfD von den Nichtwählern Stimmen erhielt, ist klar. Die Menschen hatten sich von den Wahlen zurückgezogen, weil sie bei den bisherigen Parteien nichts mehr fanden, was sie in ihrem Sinn für wählbar hielten. Nun gab es eine Partei, über die sich der Protest zeigen ließ, und man wählte sie nun.
Doch ansonsten wäre, da ja die AfD eine rechte Partei ist, zu erwarten gewesen, dass sie ihre Stimmen von ehemaligen CDU-Wählern erhielt, doch auch andere Parteien bis hin zur Linkspartei verloren Stimmen an die AfD.
Bei der Linkspartei war dies sogar noch zu verstehen. Die Partei hat zwar einen recht hohen Grundstock an Wählern, die diese Partei aus innerer Überzeugung wählen, doch dazu kommt noch ein großer Anteil an Wählern, die die Linke aus Protest wählten. Der Anteil dürfte in Hochzeiten etwa ein Drittel der Wähler ausgemacht haben. Diese Protestwähler fanden in der AfD nun eine Partei, durch deren Wahl man sich versprach, dass der Protest hörbarer ausgedrückt wurde. Daran zeigt sich auch, dass es den Wählern hier nicht um rechts oder links geht, sondern ganz einfach darum, ihren Protest und ihre Unzufriedenheit auszudrücken.
Doch auch die Wanderung von den anderen Parteien zur AfD ist leicht erklärbar. Wie wir in diesem Buch sehen, gibt es eine Menge an Gründen mit der aktuellen Politik unzufrieden zu sein, ganz gleich aus welcher politischen Richtung man eigentlich kommt. Die Missstände sind über viele Jahre angewachsen. Bei manchen Menschen hat es gerade in der Zeit seit der letzten Wahl dazu geführt, dass man sich von den etablierten Parteien abwendet und nun eine Protestpartei wählt. Man macht dies eben nicht, indem man zuerst zum Nichtwähler wird, sondern wählt direkt statt der vorher gewählten Vereinigung die Protestpartei. Man darf dabei ja nicht vergessen, dass auch die Wähler, die zuletzt Nichtwähler waren, davor Wähler einer der etablierten Parteien waren. Auch diese wandern also von einer der etablierten Parteien zur AfD, auch wenn sie zuerst einmal einen Zwischenstopp bei den Nichtwählern gemacht haben.
Doch auch wenn die Ablehnung der etablierten Parteien schon länger als eine Wahlperiode währt, bleibt die Wanderung von dieser zur Protestpartei plausibel. Viele Menschen möchten nicht zu Nichtwählern werden, weil sie der Meinung sind, dass man mit der Wahl sein Recht auf Teilhabe an der Politik wahrzunehmen habe. Es kam für sie also nicht infrage, am Wahltag zu Hause zu bleiben.
Doch sie fanden bisher für sich nichts, was sie hätten wählen können. Die alten Protestparteien von Rechtsaußen waren ihnen zu weit rechts und schienen ihnen unwählbar. Die Linke kam auch nicht in Frage, da sie ihnen zwar nicht zu weit links war, aber wegen ihrer Geschichte für sie nicht infrage kam, So wählten sie also weiterhin zähneknirschend, was sie schon immer gewählt hatten und sahen dies dann als das kleinste Übel an. Schließlich kam dann mit der AfD eine Partei, die sich nicht außerhalb des für sie wählbaren Spektrums bewegte. Also verließen sie bei der Wahl ihre angestammte Partei und wurden nun auch zu Protestwählern. So ist es also durchaus zu verstehen, dass die Wählerwanderung Bewegung von allen Parteien zur AfD aufweist.
Nachfolgend gibt es einige Titelzeilen aus der Presse, die in der letzten Zeit zu lesen waren. Hier wird sehr deutlich, was in unserer Gesellschaft vorgeht und wo die Probleme zu suchen sind, die es zu lösen gilt, damit es keinen Anlass oder Grund mehr gibt, eine rechtspopulistische Partei des Protestes wegen zu wählen:
„Mehr als jeder Zehnte in Deutschland überschuldet“
Augsburger Allgemeine, 10.11.2016:
http://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Mehr-als-jeder-Zehnte-in-Deutschland-ueberschuldet-id39689122.html , abgerufen am 10.11.2016
„14,5 Millionen Menschen lebten schon mal von Hartz IV“
Spiegel Online, 3.11.2016:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-14-5-millionen-betroffene-darunter-4-4-millionen-kinder-a-1119483.html, abgerufen am 10.11.2016
„Armutsbericht: Deutschland wird ungleicher“
wissen.de, 17.10.2016:
http://www.wissen.de/armutsbericht-deutschland-wird-ungleicher, abgerufen am 10.11.2016
„Immer mehr Ältere von Armut bedroht“
Frankfurter Neue Presse, 31.10.2016:
http://www.fnp.de/nachrichten/politik/Immer-mehr-AEltere-von-Armut-bedroht;art46559,2295783, abgerufen am 10.11.2016
„Immer mehr Rentner brauchen Sozialhilfe“
Der Tagesspiegel, 19.04.2016:
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/armut-im-alter-immer-mehr-rentner-brauchen-sozialhilfe/13467920.html, abgerufen am 10.11.2016
„Die Leute haben Zukunftsängste“
der Freitag, 21.10.2016:
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/hokuspokus, abgerufen am 10.11.2016
„Erfurt: 60 Prozent Kinderarmut in den nördlichen Plattenbaugebieten“
Thüringer Allgemeine, 20.10.2016:
http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Erfurt-60-Prozent-Kinderarmut-in-den-noerdlichen-Plattenbaugebieten-2103613071, abgerufen am 10.11.2016
„Deutsche haben wenig Vertrauen in EU-Institutionen“
Neue Osnabrücker Zeitung, 7.11.2016:
http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/801815/deutsche-haben-wenig-vertrauen-in-eu-institutionen, abgerufen am 10.11.2016
„Immer größere Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland“
Stern, 23.2.2016:
http://www.stern.de/wirtschaft/geld/armut—schere-zwischen-arm-und-reich-oeffnet-sich-6712890.html , abgerufen am 10.11.2016
„Lohndumping in der digitalen Wirtschaft“
Deutsche Welle, 2.11.2016:
http://www.dw.com/de/lohndumping-in-der-digitalen-wirtschaft/av-36185535, abgerufen am 10.11.2016
Dies sind gerade einmal zehn Titel zu Presseveröffentlichungen, die bei einer halbstündigen Suche in den diversen Online-Veröffentlichungen der deutschen Presse gefunden wurden. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Hier wird deutlich, dass es die genannten Probleme wirklich gibt, und dass sie auch bekannt sind. Dennoch wird seitens der Politik alles belassen wie es ist. So ist es nicht erstaunlich, wenn man ihr nicht mehr traut, sich woanders organisiert und aufbegehrt.
Nicht zu übersehen ist auch, dass in unserem Land die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Früher baute sich diesbezüglich die Bevölkerung wie eine Pyramide auf, also unten viele mit wenig Geld, darüber ein kleinerer Teil, der zur sogenannten Mittelschicht zählte, und ganz oben recht wenige, die als reich galten. Heute sieht die Verteilung ganz anders aus. Denn die Mittelschicht ist inzwischen stark ausgedünnt und auch der Abstand zwischen Arm und Reich hat sich vergrößert.
So redet man heute bei reichen Menschen nicht mehr von Millionären sondern bereits von Milliardären. Gleichzeitig hat ein großer Teil der Bevölkerung gerade genug, um nicht zu verhungern und sich einfachste Kleidung zu leisten. An Urlaub oder größere Anschaffungen ist für diese Menschen nicht zu denken. Etwa vierzig Prozent der armen Leute haben heute proportional weniger zur Verfügung als noch vor zwanzig Jahren
In Deutschland gibt es aktuell etwa 150 Milliardäre. Jeder von ihnen besitzt so viel, wie 2.5000.000 Menschen im Monat als Grundbetrag erhalten, wenn sie von Arbeitslosengeld II leben. Der Einfachheit wegen, habe ich bei dieser Berechnung angenommen, dass jeder dieser Milliardäre „nur“ eine Milliarde Euro besitzt. Sind es hingegen zwei Milliarden, verdoppelt sich die Zahl, sind es zehn Milliarden, ist sie zu verzehnfachen.
Rund fünf Millionen Menschen sind hier im Land direkt von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) abhängig. Je nach Sichtweise, also ob Familienmitglieder, Aufstocker und andere mitgezählt werden oder nicht kommt man auch zu einer zweistelligen Millionenzahl an Bürgern, die auf diese Hilfe angewiesen sind. Allein der Vergleich des immensen Reichtums auf der einen Seite, der in der Hand nur sehr weniger Menschen liegt, und der großen Zahl an armen Menschen zeigt, wie weit die Kluft inzwischen ist.
Gleichzeitig sehen wir ein stetes Abschmelzen der Mittelschicht. Hierzu zählten früher die meisten Selbstständigen und Freiberufler. Doch bei vielen dieser Berufe konnte sich der Status, den man früher durch seinen Verdienst im Beruf hatte, nicht halten lassen. So gibt es heute Ärzte, die trotz viel und verantwortungsreicher Arbeit gerade mal so viel verdienen, dass sie ihre Praxis nicht schließen müssen. Doch es bleibt fast nichts zum Leben hängen. So hört man daher auch immer wieder von Medizinern, die einen Zweitjob ausüben, gerne auch im Ausland, weil dort offenbar mehr zu verdienen ist. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Selbstständigen ist heute darauf angewiesen, sein Einkommen mit den Leistungen nach Hartz IV aufzustocken, um überleben zu können. Auch viele Rechtsanwälte leben nur knapp über dem Existenz