Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz Baden-Württemberg - Julia Meyder - E-Book

Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz Baden-Württemberg E-Book

Julia Meyder

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Beschreibung

Mit dem am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz erhalten Hilfen für psychisch kranke oder behinderte Personen erstmals in Baden-Württemberg eine gesetzliche Grundlage. Die bislang im Unterbringungsgesetz (UBG) niedergelegten Regelungen über die öffentlich-rechtliche Unterbringung sowie den Maßregelvollzug wurden überarbeitet und ebenfalls in dieses Gesetzeswerk integriert. Das gerichtliche Verfahren richtet sich jetzt nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Mit Gesetz zur Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes vom 5. Juni 2019 wurden die Regelungen bei Fixierungen fürsorglich aufgenommener oder untergebrachter Personen um einen Richtervorbehalt ergänzt und so die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 24. Juli 2018 umgesetzt. Die Neuregelungen bei Fixierungen, aber auch die Praxiserfahrungen mit den Vorschriften des Gesetzes seit dem Inkrafttreten im Jahr 2015 hatten bereits eine Überarbeitung des Kommentars notwendig gemacht. Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021 hat eine erneute Überarbeitung des Kommentars erforderlich gemacht. Ziel der Reform ist es, das Selbstbestimmungsrecht und die Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen im Sinne des Artikels 12 der UN BRK zu stärken. Dem Willen und den Wünschen von Menschen mit eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit soll noch mehr Beachtung geschenkt werden als bisher, auch um den Preis einer nicht optimalen Behandlung und Versorgung. Bei der Überarbeitung des Kommentars wurden auch neue obergerichtliche Entscheidungen insbesondere zum Thema Unterbringung und Zwangsbehandlung berücksichtigt.

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Seitenzahl: 440

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Vorwort

Mit dem am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz erhalten Hilfen für psychisch kranke oder behinderte Personen erstmals in Baden-Württemberg eine gesetzliche Grundlage. Die bislang im Unterbringungsgesetz (UBG) niedergelegten Regelungen über die öffentlich-rechtliche Unterbringung sowie den Maßregelvollzug wurden überarbeitet und ebenfalls in dieses Gesetzeswerk integriert. Außerdem hat das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) abgelöst und ist am 1. September 2009 in Kraft getreten. Insofern waren auch hier die Kommentierungen der neuen Rechtslage anzupassen.

Mit der Aufhebung des bisherigen Unterbringungsgesetzes wurde eine grundlegende Überarbeitung der bisher vorgelegten Kommentierungen zum Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg aus den Jahren 1983 (Klaus Juchart), 1992 (Klaus Juchart und Johannes Warmbrunn) und 2003 (Klaus Juchart, Johannes Warmbrunn und Konrad Stolz) erforderlich. Psychisch kranke oder aufgrund einer solchen Erkrankung behinderte Personen sind in besonderer Weise auf Hilfestellungen angewiesen und haben ein Anrecht auf eine chancengleiche Gesundheitssicherung gesellschaftliche Teilhabe. Eines der Ziele des Gesetzes war und ist es, erstmals Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch kranke Personen in zusammengeführter Form gesetzlich zu regeln und ihre Rechtsstellung zu stärken. An der Erarbeitung der hierfür notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen war maßgeblich Julia Meyder beteiligt. Darüber hinaus sollte das Gesetz freiheitsentziehende Maßnahmen bei der Durchführung der Unterbringung von psychisch kranken und sucht- oder drogenkranken Straftäterinnen und Straftätern (Maßregelvollzug) eine umfassende gesetzliche Grundlage erhalten. An der Erarbeitung dieser Rechtsvorschriften hat entscheidend Achim Wiedwald mitgewirkt.

Hervorzuheben ist, dass der Gestaltungsprozess zu diesem Gesetz durch einen vielfältigen, offenen Dialog bereits im Vorfeld des formellen Gesetzgebungsverfahrens eingeleitet wurde, an dem eine aus dem Landesarbeitskreis Psychiatrie heraus plural besetzte Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Medizin, Wissenschaft, der kommunalen Ebene und der Leistungsträger, aber auch der Psychiatrie-Erfahrenen, Angehörigen, der Bürgerhilfe und der Sozialverbände, Eckpunkte als Grundlage für ein solches Gesetz erarbeitete. All diesen an diesem Dialogprozess beteiligten - rund 100 - Personen gebührt unser ausdrücklicher Dank, haben sie doch die Qualität des Gesetzgebungsprozesses in konstruktiver Weise positiv mitgestaltet.

Für die Praxis sind die dem neuen Gesetz angepassten Arbeitshilfen und Übersichten besonders wertvoll. Der Kommentar soll allen Beteiligten Orientierungshilfen geben und insbesondere den psychisch kranken Menschen als Ratgeber mit der Klärung ihrer Rechtsstellung einen spürbaren Nutzen bringen. Er wendet sich außerdem an deren Angehörige, an die Verbände psychisch kranker Menschen, an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, gesetzliche Betreuerinnen und Betreuer sowie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern, Gerichten, Gesundheitsämtern, Einrichtungen und Diensten und in den unteren Verwaltungsbehörden.

Mit Gesetz zur Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes vom 5. Juni 2019 wurden die Regelungen bei Fixierungen fürsorglich aufgenommener oder untergebrachter Personen um einen Richtervorbehalt ergänzt und so die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 24. Juli 2018 (2 BvR 309/15; 2 BvR 502/16) umgesetzt. Daneben wurde die Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 1) eingearbeitet. Vor allem die Neuregelungen bei Fixierungen, aber auch die Praxiserfahrungen mit den Vorschriften des Gesetzes seit dem Inkrafttreten im Jahr 2015 haben eine Überarbeitung des Kommentars notwendig gemacht.

Unser Dank gilt den Richterinnen und Richtern bei den Amtsgerichten Stuttgart und Stuttgart Bad Cannstatt, die uns wertvolle Einblicke in die praktische Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und der gesetzlichen Regelung einer Fixierung untergebrachter Betroffener gewährt haben.

Die ärztlichen Direktoren der Klinik für Spezielle Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie Stuttgart, der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Weissenau sowie der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Furtbachkrankenhaus in Stuttgart haben uns an ihren Erfahrungen und Einschätzungen bezüglich der Neuregelung der Fixierung aus ärztlicher Sicht teilhaben lassen, dafür bedanken wir uns sehr herzlich.

Die Sichtweise der Betroffenen selbst und ihre Meinung zu der Neuregelung wurde anlässlich zahlreicher Anfragen und Beschwerden bei der Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle (IBB) Psychiatrie Stuttgart deutlich und konnte in die Kommentierung einfließen.

Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021 (BGBl I S.882) hat eine erneute Überarbeitung des Kommentars erforderlich gemacht. Ziel der Reform ist es, das Selbstbestimmungsrecht und die Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen im Sinne des Artikels 12 der UN BRK zu stärken. Dem Willen und den Wünschen von Menschen mit eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit soll noch mehr Beachtung geschenkt werden als bisher, auch um den Preis einer nicht optimalen Behandlung und Versorgung. Bei der Überarbeitung des Kommentars wurden auch neue obergerichtliche Entscheidungen insbesondere zum Thema Unterbringung und Zwangsbehandlung berücksichtigt.

Dem Verlag Books on Demand danken wir für den stets zuvorkommenden Beistand bei der Verwirklichung dieses Ratgebers.

Im März 2023

Julia Meyder

Achim Wiedwald

Konrad Stolz

Johannes Warmbrunn

Klaus Juchart

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

Gesetzestext

Kommentar

Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich

§ 2 Grundsatz

Hilfen

§ 3 Allgemeines

§ 4 Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften

§ 5 Begriff und Ziel der Hilfen

§ 6 Sozialpsychiatrischer Dienst

§ 7 Gemeindepsychiatrische Verbünde

§ 8 Koordination der Hilfeangebote

§ 9 Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher sowie Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen

§ 10 Ombudsstelle auf Landesebene, Melderegister

§ 11 Landesarbeitskreis Psychiatrie

§ 12 Rahmenplanung, Landespsychiatrieplan

Unterbringung

§ 13 Voraussetzungen der Unterbringung

§ 14 Anerkannte Einrichtungen

§ 15 Unterbringungsantrag

§ 16 Fürsorgliche Aufnahme und Zurückhaltung

§ 17 Ärztliche Untersuchung durch das Gesundheitsamt

§ 18 Zuständigkeit und Ausführung der Unterbringung

§ 19 Unterbringung und fachliche Betreuung

§ 20 Behandlung

§ 21 Persönliches Eigentum, Besuchsrecht, Telefonverkehr

§ 22 Schrift- und Paketverkehr

§ 23 Belastungserprobung

§ 24 Religionsausübung

§ 27 Besuchskommissionen

§ 28 Entlassung

§ 29 Fortdauer der Unterbringung

§ 30 Kosten

§ 31 Datenschutz

Maßregelvollzug

§ 32 Geltungsbereich

§ 33 Ziele des Maßregelvollzugs

§ 34 Maßregelvollzugseinrichtungen, jugendliche Untergebrachte

§ 35 Aufsicht

§ 36 Qualitätssicherung, Wissenschaft und Forschung

§ 37 Durchführung des Maßregelvollzugs

§ 38 Behandlung und Behandlungsplanung

§ 39 Beschäftigung und Freizeit

§ 41 Persönliches Eigentum, Telefon-, Schrift- und Paketverkehr, Fernsehen

§ 42 Hausordnung

§ 43 Unterbringungs- und Nebenkosten

§ 44 Anspruch auf medizinische Leistungen

§ 45 Zuwendungen und Beihilfen

§ 46 Arbeitsentgelt, Sozialversicherungsbeiträge

§ 47 Verfügung über Geld, Barbetrag, Eigengeld, Überbrückungsgeld

§ 48 Kostenbeitrag für die Unterbringung

§ 49 Besondere Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarer Zwang

§ 50 Durchsuchungen und Videoüberwachung

§ 51 Beurlaubung und Vollzugslockerungen

§ 52 Nachsorgende Hilfen, forensische Ambulanzen

§ 53 Personenbezogene Daten

§ 54 Besuchskommissionen und Beschwerdemöglichkeiten

Schlussbestimmungen, Grundrechte

§ 55 Verwaltungsvorschriften

§ 56 Einschränkung von Grundrechten

§ 57 Übergangsvorschrift

§ 58 Inkrafttreten

Synopse zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Unterbringung

Musterschreiben und Empfehlungen

Weitere relevante Rechtsvorschriften

Auszug aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch

Auszug aus dem Landesdatenschutzgesetz

Auszug aus dem Landeskrankenhausgesetz

Auszug aus dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz

Auszug aus dem Polizeigesetz

Auszug aus dem Sozialgesetzbuch

Auszug aus dem Strafgesetzbuch

Auszug aus der Strafprozessordnung

Auszug aus dem Strafvollzugsgesetz

Literaturverzeichnis

Vorstellung der Autorin und der Autoren

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a.A.

anderer Ansicht

Abs.

Absatz

Abschn.

Abschnitt

Anm.

Anmerkung

a.F.

alte Fassung

Art.

Artikel

B.

Beschluss

BayObLGZ

Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen

BeckOK

Beck’scher Online-Kommentar

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BRK

UN-Behindertenrechtskonvention

BT-Drucks.

Drucksachen des Deutschen Bundestags

BtPrax

Zeitschrift für soziale Arbeit, gutachterliche Tätigkeit und Rechtsanwendung in der Betreuung

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BVerfGK

Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BvL

Aktenzeichen einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG

BvR

Aktenzeichen einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht

d.h.

das heißt

E.

Einführung

e.A.

einstweilige Anordnung

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EZPsychG

Gesetz zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie

FamFG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht, Erbrecht, Verfahrensrecht, Öffentlichem Recht

ff.

folgende

FGG

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

GB1.

Gesetzblatt für Baden-Württemberg

gem.

gemäß

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

i.d.F.

in der Fassung

i.S.d.

im Sinne des (der)

i.V.m.

in Verbindung mit

JGG

Jugendgerichtsgesetz

Justiz

Die Justiz (Zeitschrift)

JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart

JVEG

Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz

JVollzG

Justizvollzugsgesetz

JVollzGB

Justizvollzugsgesetzbuch

LDSG

Landesdatenschutzgesetz

LFGG

Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit

LKHG

Landeskrankenhausgesetz

LM

Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs

LT-Drucks.

Landtagsdrucksache

LVwVG

(Landes)Verwaltungsvollstreckungsgesetz

LVwVfG

(Landes)Verwaltungsverfahrensgesetz

MedR

Medizinrecht (Zeitschrift)

MVollzG

Maßregelvollzugsgesetz

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NRW

Nordrhein-Westfalen

n.F.

neue Fassung

Nr.

Nummer

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NStZ-RR

NStZ-Rechtsprechungsreport

o.ä.

oder ähnlich

OLG

Oberlandesgericht

PolG

Polizeigesetz

RBerVO

Rechtsbereinigungsverordnung

Rn.

Randnummer

RuP

Recht & Psychiatrie (Zeitschrift)

S.

Seite

SchlHA

Schleswig-Holsteinische Anzeigen (Justizministerialblatt)

SGB

Sozialgesetzbuch

sogen.

sogenannte

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

StraFo

Strafverteidiger-Forum

StRR

StrafRechtsReport (Zeitschrift)

StV

Strafverteidiger (Zeitschrift)

StVollzG

Strafvollzugsgesetz

u.a.

und andere

u.ä.

und ähnliche

UBG

Unterbringungsgesetz

u.E.

unseres Erachtens

UN-BRK

UN-Behindertenrechtskonvention

UnterbrG 1955

Unterbringungsgesetz von 1955

u.U.

unter Umständen

UVollzO

Untersuchungshaftvollzugsordnung

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

Vollz

Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer

Vorb.

Vorbemerkung

VV-JVollzGB

Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums zum Justizvollzugsgesetzbuch

VwV

Verwaltungsvorschrift

z.B.

zum Beispiel

ZfStrVo

Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe

Ziff.

Ziffer

ZPO

Zivilprozessordnung

Gesetzestext

Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz - PsychKHG) vom 25. November 2014, geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Dezember 2022 (GBl. S. 673, 674)

Teil 1 Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt

1. Hilfen für Personen, die aufgrund einer psychischen Störung krank oder behindert sind,

2. die Unterbringung von Personen im Sinne von Nummer 1 und

3. den Vollzug der als Maßregel der Besserung und Sicherung angeordneten Unterbringung nach § 61 Nummer 1 und 2 des Strafgesetzbuches (StGB).

§ 2 Grundsatz

(1) Bei allen Hilfen und Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ist auf die individuelle Situation der Person nach § 1 Nummer 1 besondere Rücksicht zu nehmen. Ihre Würde und ihr Wille sind zu achten.

(2) Bei der Ausgestaltung der Hilfen, der Unterbringung und des Maßregelvollzugs ist die Vielfalt der Lebensumstände, insbesondere die kulturelle und soziale Lebenssituation der betroffenen Person, angemessen zu berücksichtigen.

Teil 2 Hilfen

§ 3 Allgemeines

(1) Hilfen nach diesem Gesetz werden geleistet, soweit sie freiwillig angenommen werden. Maßnahmen nach den Teilen 3 und 4 dieses Gesetzes bleiben hiervon unberührt.

(2) Die Hilfen sollen Anordnungen von Schutzmaßnahmen und insbesondere Unterbringungen vermeiden.

(3) Die Hilfen sollen gemeindenah vorgehalten werden. Sie sollen möglichst wenig in die gewohnten Lebensverhältnisse der Person nach § 1 Nummer 1 eingreifen.

(4) Eine stationäre Behandlung soll nur dann vermittelt werden, wenn das Ziel der Hilfen nicht auf anderem Weg erreicht werden kann.

(5) Die Prävention psychischer Erkrankungen hat einen hohen Stellenwert.

§ 4 Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften

Im Rahmen einer bedarfsgerechten Versorgung werden Hilfen nach diesem Gesetz ergänzend zu Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht.

§ 5 Begriff und Ziel der Hilfen

(1) Hilfen nach diesem Gesetz sind Leistungen, die über die Gesundheitshilfen nach anderen Rechtsvorschriften hinaus die Personen nach § 1 Nummer 1 befähigen sollen, eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu leben. Zu den Hilfen gehören insbesondere die Beratung, Betreuung, Hinführung zur ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung, die Vermittlung von Hilfen zur Selbsthilfe und Angeboten der Sozialen Arbeit sowie ehrenamtliche Hilfen.

(2) Ziel der Hilfen ist es,

1. die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten,

2. die Wiedereingliederung in die Gemeinschaft zu erleichtern und zu fördern und

3. die selbstständige Lebensführung beeinträchtigende und die persönliche Freiheit einschränkende Maßnahmen entbehrlich zu machen oder zu verkürzen.

(3) Die Hilfen sollen des Weiteren dazu beitragen, dass Erkrankungen und Behinderungen frühzeitig erkannt und behandelt werden.

(4) Art, Ausmaß und Dauer der Hilfen richten sich nach den Erfordernissen des Einzelfalls, soweit dieses Gesetz nicht bestimmte Maßnahmen vorschreibt.

(5) Psychisch kranken oder behinderten Menschen nahestehende Personen sollen entlastet, unterstützt, ihre Bereitschaft zur Mitwirkung bei den Hilfen erhalten und gefördert werden. Die besondere Situation von Kindern psychisch kranker oder behinderter Menschen soll berücksichtigt werden.

§ 6 Sozialpsychiatrischer Dienst

(1) Die auf Ebene der Stadt- und Landkreise eingerichteten sozialpsychiatrischen Dienste leisten ambulante Hilfen im Sinne von § 5. Die Leistungen umfassen die sozialpsychiatrische Vorsorge, Nachsorge und psychosoziale Krisenintervention, auch aufsuchend, sowie die Vermittlung sozialer Hilfen für insbesondere chronisch psychisch kranke oder behinderte Menschen, die nicht mehr oder noch nicht zu einer selbstständigen Lebensführung in der Lage sind.

(2) Die Hilfen werden von Fachkräften erbracht. Sie ergänzen die ärztlich-psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung. Die sozialpsychiatrischen Dienste sollen daher insbesondere eng mit den Hausärztinnen und -ärzten, Nervenärztinnen und -ärzten, Fachärztinnen und -ärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärztinnen und -ärzten für Psychosomatische Medizin, Psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten, ambulanten Pflegediensten sowie der rechtlichen Betreuung oder der Bevollmächtigten oder dem Bevollmächtigten zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit schließt den niedergelassenen Bereich ebenso wie Krankenhäuser, Tageskliniken und Institutsambulanzen im Einzugsbereich des jeweiligen sozialpsychiatrischen Dienstes ein.

(3) Träger eines sozialpsychiatrischen Dienstes kann nur eine juristische Person sein. Der Träger kooperiert verbindlich zumindest mit einer psychiatrischen Institutsambulanz, einem Soziotherapie-Erbringer und einer psychiatrischen Tagesstätte. Wo keine psychiatrische Institutsambulanz besteht, reicht es aus, niedergelassene Fachärztinnen und -ärzte einzubeziehen. Der kooperative Zusammenschluss bedarf einer schriftlichen Vereinbarung der Beteiligten. Er muss keine eigene Rechtsperson darstellen.

(4) Das Land fördert die laufenden Personal- und Sachausgaben für die im kooperativen Zusammenschluss nach Absatz 3 Satz 2 erbrachten Leistungen der sozialpsychiatrischen Dienste. Voraussetzung der Förderung mit Landesmitteln ist, dass

1. die Leistungen sich in eine Planung auf der Ebene des Stadt- oder Landkreises einfügen und der Stadt- oder Landkreis auf freiwilliger Basis die Aufgaben der Bedarfsplanung, Koordination und finanziellen Abwicklung wahrnimmt,

2. sich der sozialpsychiatrische Dienst in einen Gemeindepsychiatrischen Verbund im Sinne von § 7 auf der Ebene des Stadt- oder Landkreises einfügt und

3. der Stadt- oder Landkreis im Einzugsbereich des jeweiligen sozialpsychiatrischen Dienstes sich mit Mitteln mindestens in Höhe der Landesförderung beteiligt.

Die Gesamtfinanzierung der Leistungen muss gesichert sein. Der Träger finanziert die nicht durch Zuschüsse und sonstige Einnahmen abgedeckten Ausgaben. Das Sozialministerium regelt die Einzelheiten der Förderung, insbesondere die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren, durch Verwaltungsvorschrift.

§ 7 Gemeindepsychiatrische Verbünde

In den auf Ebene der Stadt- und Landkreise gebildeten Gemeindepsychiatrischen Verbünden schließen sich insbesondere Träger ambulanter, teilstationärer und stationärer Versorgungseinrichtungen und Dienste sowie Angebote der Selbst- und Bürgerhilfe zum Zwecke der Kooperation zusammen. Sie treffen hierzu eine schriftliche Kooperationsvereinbarung mit dem Ziel, im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit und in den von ihnen angebotenen Leistungsbereichen für Personen nach § 1 Nummer 1 eine möglichst bedarfsgerechte, wohnortnahe Versorgung zu erreichen. Die Gemeindepsychiatrischen Verbünde sollen mit Verbünden und Netzwerken aus anderen Bereichen zusammenarbeiten. Der besondere Kooperationsbedarf im Rahmen der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung soll berücksichtigt werden. Eine Moderation dieses Prozesses zur Versorgungsentwicklung durch die Stadt- und Landkreise im Rahmen ihrer bestehenden Zuständigkeit für die kommunale Sozialplanung wird vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen bestehender Verbünde empfohlen.

§ 8 Koordination der Hilfeangebote

Die Stadt- und Landkreise sollen im Rahmen der Daseinsvorsorge die Koordination der Hilfeangebote nach diesem Gesetz für Personen im Sinne von § 1 Nummer 1 in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich sicherstellen. Sie können eine Koordinatorin oder einen Koordinator bestellen.

§ 9 Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher sowie Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen

(1) Die Stadt- und Landkreise bestellen unabhängige Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher. Die Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher prüfen Anregungen und Beschwerden von Personen im Sinne von § 1 Nummer 1 und deren Angehörigen und wirken in Zusammenarbeit mit den Betroffenen auf eine Problemlösung hin. Bei Bedarf vermitteln sie zwischen den Betroffenen und der stationären, teilstationären oder ambulanten psychiatrischen Versorgungseinrichtung für psychisch Kranke. Voraussetzung für die Übernahme der Tätigkeit sind Kenntnisse über Behandlungs- und Versorgungssysteme für Menschen mit psychischen Erkrankungen.

(2) Die Patientenfürsprecherin oder der -fürsprecher ist Mitglied eines unabhängigen Gremiums auf Ebene der Stadt- und Landkreise (Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle). Kreisüberschreitende Kooperationen sind möglich. Die Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle soll sich aus mindestens einer Vertretung der Psychiatrie-Erfahrenen, der Angehörigen sowie einer Person mit professionellem Hintergrund im psychiatrischen Versorgungssystem zusammensetzen. Sie soll eng mit dem Gemeindepsychiatrischen Verbund zusammenarbeiten. Die Mitglieder der Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Tätigkeit erfolgt im Wege des Ehrenamts, soweit nicht der Stadt- oder Landkreis auf freiwilliger Basis eine anderweitige Einbindung insbesondere in bereits vorhandene Strukturen vorsieht. Im Übrigen finden die §§ 11 bis 16 der Landkreisordnung sowie die §§ 15 bis 19 der Gemeindeordnung Anwendung.

(3) Personen im Sinne von § 1 Nummer 1 und deren Angehörige können sich mit Anregungen und Beschwerden wahlweise an die Patientenfürsprecherin oder den -fürsprecher oder die Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle wenden. Die Eingaben werden nach Möglichkeit im Zusammenwirken aller Gremiumsmitglieder einer Problemlösung zugeführt, wobei die Mitglieder gleichberechtigt zusammenarbeiten. Eingaben, die an die Patientenfürsprecherin oder den -fürsprecher herangetragen werden und bei denen personenbezogene Daten offenbart werden, dürfen nur insoweit mit den übrigen Gremiumsmitgliedern besprochen werden, als die betroffene Person hierzu eingewilligt hat. Des Weiteren gibt die Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle Auskunft über die für die möglichst wohnortnahe Versorgung in Betracht kommenden Hilfs- und Unterstützungsangebote. Die Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle erteilt keine Rechtsberatung. Ihre angemessene Erreichbarkeit ist sicherzustellen. Ihre Tätigkeit ist zu dokumentieren.

(4) Die Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle legt der Ombudsstelle auf Landesebene (§ 10 Absatz 1) einen jährlichen Erfahrungsbericht vor. Kenntnisse über persönliche Belange, die die Mitarbeitenden der Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle im Rahmen ihrer Tätigkeit erlangt haben, dürfen nur in einer Form in die Berichte aufgenommen werden, die keine identifizierenden Rückschlüsse auf einzelne Personen zulässt, es sei denn, diese Kenntnisse sind zur Darstellung des Sachzusammenhangs in einem Bericht unerlässlich und die betroffene Person hat in die Aufnahme eingewilligt.

§ 10 Ombudsstelle auf Landesebene, Melderegister

(1) Auf Landesebene wird eine Ombudsstelle eingerichtet. Ihr gehört eine Person mit Befähigung zum Richteramt an.

(2) Die Ombudsstelle berät die Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen. In dieser Tätigkeit ist sie nicht an Weisungen gebunden. Eine Beratung der Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen in Bezug auf individuelle Beschwerden und sonstige Eingaben, bei denen personenbezogene Daten offenbart werden, darf nur erfolgen, soweit die betroffene Person eingewilligt hat.

(3) Die Ombudsstelle hat des Weiteren Sorge zu tragen für die landesweite zentrale Erfassung von Unterbringungsmaßnahmen und Zwangsmaßnahmen innerhalb anerkannter Einrichtungen nach § 14 in verschlüsselter Form in einem Melderegister. Zwangsmaßnahmen in diesem Sinne sind die Zwangsbehandlung, die Fixierung, das Festhalten anstelle der Fixierung, die Absonderung in einem besonders gesicherten Raum und der Zimmereinschluss. Die anerkannten Einrichtungen sind verpflichtet, unter Wahrung des Gebots der Schweigepflicht der Angehörigen der Heilberufe sowie der datenschutzrechtlichen Bestimmungen, die zur Erfassung der Maßnahmen erforderlichen Auskünfte in verschlüsselter Form zu erteilen. (4) Die Ombudsstelle berichtet dem Landtag mindestens einmal in der Legislaturperiode zusammenfassend über die Ergebnisse ihrer Tätigkeit nach den Absätzen 2 und 3. § 9 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

§ 11 Landesarbeitskreis Psychiatrie

(1) Das Sozialministerium beruft zu seiner Beratung in Fragen der psychiatrischen Versorgung und als Forum der Koordination der verschiedenen Beteiligten des psychiatrischen Versorgungssystems den Landesarbeitskreis Psychiatrie ein. Er setzt sich insbesondere aus Vertretungen der kommunalen Landesverbände, Leistungsträger, Leistungserbringer, Sozialverbände sowie der Betroffenen und Angehörigen zusammen. Der Vorsitz und die Geschäftsführung im Landesarbeitskreis Psychiatrie obliegen dem Sozialministerium.

(2) Der Landesarbeitskreis Psychiatrie gibt sich eine Geschäftsordnung.

§ 12 Rahmenplanung, Landespsychiatrieplan

(1) Das Sozialministerium erstellt einen Landespsychiatrieplan.

(2) Der Landespsychiatrieplan enthält die Rahmenplanung für die Versorgung der Personen nach § 1 Nummer 1.

(3) Bei der Erstellung des Landespsychiatrieplans wird das Sozialministerium vom Landesarbeitskreis Psychiatrie beraten.

(4) Der Landespsychiatrieplan wird je nach Bedarf fortgeschrieben. Das Sozialministerium prüft jeweils, spätestens nach fünf Jahren, ob eine Fortschreibung erforderlich ist.

Teil 3 Unterbringung

§ 13 Voraussetzungen der Unterbringung

(1) Personen im Sinne von § 1 Nummer 1 können gegen ihren Willen in einer nach § 14 anerkannten Einrichtung untergebracht werden, wenn sie unterbringungsbedürftig sind.

(2) Steht die Person unter elterlicher Sorge oder Vormundschaft oder ist für sie eine Pflegschaft oder Betreuung bestellt, die das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder das Recht zur Entscheidung über eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung umfasst, so ist nach Absatz 1 auch der Wille derjenigen Person maßgeblich, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht. Bei Bestellung einer Betreuung gilt dies nur, wenn die Person nach § 1 Nummer 1 nicht einwilligungsfähig ist oder für sie ein Einwilligungsvorbehalt hinsichtlich der Aufenthaltsbestimmung angeordnet ist. Im Übrigen ist Absatz 1 auch anwendbar, wenn die sorgeberechtigte Person, die zur Führung der Vormundschaft, der Pflegschaft oder Betreuung bestellte Person mit der Unterbringung einverstanden ist, eine Unterbringung nach den §§ 1631b, 1795, 1813 und 1831 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aber unterbleibt.

(3) Unterbringungsbedürftig ist, wer infolge einer psychischen Störung nach § 1 Nummer 1 sein Leben oder seine Gesundheit erheblich gefährdet oder eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für Rechtsgüter anderer darstellt, wenn die Gefährdung oder Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann.

§ 14 Anerkannte Einrichtungen

(1) Anerkannte Einrichtungen sind

1. die Zentren für Psychiatrie,

2. Universitätskliniken des Landes und das psychiatrische Krankenhaus des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim,

3. sonstige durch die Regierungspräsidien nach Absatz 2 zugelassene Einrichtungen.

(2) Die Zulassung sonstiger Einrichtungen zur Unterbringung von Personen nach § 1 Nummer 1 darf nur erfolgen, wenn die Einrichtung insbesondere im Hinblick auf ihre personelle und sachliche Ausstattung, Organisation sowie medizinische und persönliche Betreuung der Personen nach § 1 Nummer 1 für die Unterbringung geeignet ist. Die Zulassung kann entsprechend den Gegebenheiten in der Einrichtung auf bestimmte Gruppen von Personen nach § 1 Nummer 1 beschränkt werden; sie kann mit Auflagen verbunden werden und ist widerruflich.

§ 15 Unterbringungsantrag

(1) Die Unterbringung (§ 312 Nummer 4 und § 151 Nummer 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG), eine vorläufige Unterbringung aufgrund einer einstweiligen Anordnung (§§ 331 und 332 FamFG) oder eine Unterbringung zur Beobachtung und Erstellung eines Gutachtens (§§ 322, 283 und 284 FamFG) werden nur auf schriftlichen Antrag angeordnet. Antragsberechtigt ist die untere Verwaltungsbehörde. Befindet sich die betroffene Person bereits in einer anerkannten Einrichtung, so ist auch diese antragsberechtigt.

(2) Dem Antrag ist eine Darstellung des Sachverhalts und das ärztliche Zeugnis eines Gesundheitsamts beizufügen, aus dem der derzeitige Krankheitszustand der betroffenen Person und die Unterbringungsbedürftigkeit ersichtlich sind; aus ihm soll ferner die voraussichtliche Behandlungsdauer hervorgehen. Das Zeugnis des Gesundheitsamts kann durch das ärztliche Zeugnis einer anerkannten Einrichtung ersetzt werden; das Zeugnis muss von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei Kindern und Jugendlichen von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie unterschrieben sein. Liegt ein Zeugnis zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht vor, ist es unverzüglich nachzureichen.

(3) Aus dem Zeugnis soll hervorgehen, ob die betroffene Person ohne erhebliche Nachteile für ihren Gesundheitszustand durch das Gericht mündlich angehört werden kann.

§ 16 Fürsorgliche Aufnahme und Zurückhaltung

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen, und erscheint eine sofortige Unterbringung erforderlich, so kann eine anerkannte Einrichtung eine Person aufnehmen oder zurückhalten, bevor die Unterbringung beantragt oder angeordnet ist.

(2) Die dringenden Gründe für die Annahme einer Krankheit und der Unterbringungsbedürftigkeit müssen vor der Aufnahme in der anerkannten Einrichtung durch ein ärztliches Zeugnis belegt werden, wenn der Einholung eines solchen Zeugnisses keine besonderen Gründe entgegenstehen. Ein besonderer Grund in diesem Sinne liegt insbesondere vor, wenn die vorherige Einholung eines ärztlichen Zeugnisses nicht ohne wesentlichen Aufschub möglich ist und hierdurch eine unmittelbare Gefahr für Rechtsgüter von erheblichem Gewicht der betroffenen oder einer dritten Person besteht.

(3) Die aufgenommene oder zurückgehaltene Person ist unverzüglich von einer Ärztin oder einem Arzt der anerkannten Einrichtung zu untersuchen. Bestätigt die Untersuchung die Annahme der Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht, so ist die Person sofort zu entlassen.

(4) Die anerkannte Einrichtung hat den Antrag auf Anordnung der Unterbringung unverzüglich, spätestens aber bis zum Ablauf des zweiten Tags nach der Aufnahme oder Zurückhaltung abzusenden, falls eine weitere Unterbringung gegen den Willen der betroffenen Person erforderlich erscheint. Fällt die Aufnahme oder Zurückhaltung auf einen Freitag, ist der Antrag spätestens bis zum darauffolgenden Montag, zwölf Uhr, zu stellen.

(5) Verbleibt die betroffene Person freiwillig in der anerkannten Einrichtung, so ist ein Antrag nach Absatz 4 zurückzunehmen. Der Antragsrücknahme ist die Einwilligungserklärung der betroffenen Person beizufügen.

(6) Für die Fixierung einer fürsorglich aufgenommenen und zurückgehaltenen Person finden die Regelungen des § 25 Absatz 1, 3, 4 Sätze 2 und 3 sowie Absatz 5 bis 7 entsprechende Anwendung.

§ 17 Ärztliche Untersuchung durch das Gesundheitsamt

Die untere Verwaltungsbehörde kann die ärztliche Untersuchung einer Person durch das Gesundheitsamt anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass bei dieser die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen. § 327 FamFG gilt entsprechend. Örtlich zuständig ist das Gericht, das für ein gleichzeitig beantragtes Unterbringungsverfahren zuständig wäre.

§ 18 Zuständigkeit und Ausführung der Unterbringung

(1) Die Ausführung der vom Gericht angeordneten Unterbringung, insbesondere die Auswahl einer geeigneten anerkannten Einrichtung, obliegt der unteren Verwaltungsbehörde. Bei der Auswahl der anerkannten Einrichtung sollen die Wünsche der betroffenen Person und therapeutische Gesichtspunkte und der Grundsatz der Gemeindenähe angemessen berücksichtigt werden.

(2) Innerhalb einer anerkannten Einrichtung obliegt dieser die Ausführung der vom Gericht angeordneten Unterbringung. Die anerkannte Einrichtung unterliegt insoweit der Rechtsaufsicht des Regierungspräsidiums, wenn keine andere Regelung über die Aufsicht des Landes getroffen ist.

(3) Für Maßnahmen nach Absatz 1 gilt das Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG) mit der Maßgabe, dass eine Anordnung nach

§ 6 Absatz 2 LVwVG durch das Amtsgericht erfolgt, das die Unterbringung angeordnet hat oder an das das Unterbringungsverfahren abgegeben wurde.

(4) Die anerkannte Einrichtung ist verpflichtet, der zuständigen unteren Verwaltungsbehörde auf Verlangen diejenigen Angaben über die betroffene Person zu übermitteln, die die Verwaltungsbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz benötigt. Sie ist hierzu berechtigt, wenn nach Auffassung der anerkannten Einrichtung Maßnahmen der Verwaltungsbehörde erforderlich werden.

§ 19 Unterbringung und fachliche Betreuung

(1) Die nach diesem Gesetz untergebrachten Personen werden so untergebracht, behandelt und betreut, dass der Unterbringungszweck bei geringstem Eingriff in die persönliche Freiheit erreicht wird.

(2) Soweit dieses Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, haben die untergebrachten Personen diejenigen Maßnahmen zu dulden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der anerkannten Einrichtung notwendig sind. Die Maßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und dürfen die untergebrachte Person nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

(3) Kinder und Jugendliche sollen je nach Eigenart und Schwere ihrer Krankheit und ihrem Entwicklungsstand gesondert untergebracht und betreut werden. Die Behandlung soll in hierfür spezialisierten Abteilungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie erfolgen. Ausnahmen sind zu begründen. Die §§ 1631b, 1795 und 1813 BGB bleiben unberührt.

§ 20 Behandlung

(1) Wer aufgrund dieses Gesetzes in einer anerkannten Einrichtung untergebracht ist, hat Anspruch auf die notwendige Behandlung. Die Behandlung der Anlasserkrankung soll die tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung der untergebrachten Person so weit als möglich wieder herstellen, um ihr ein möglichst selbstbestimmtes, in der Gemeinschaft eingegliedertes Leben in Freiheit zu ermöglichen. Die Behandlung umfasst auch Untersuchungsmaßnahmen sowie Maßnahmen, die erforderlich sind, um der untergebrachten Person nach ihrer Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen.

(2) Die Behandlung bedarf der Einwilligung der untergebrachten Person. Die Einwilligung muss auf dem freien Willen der insoweit einwilligungsfähigen und ärztlich angemessen aufgeklärten untergebrachten Person beruhen.

(3) Die Einwilligung der untergebrachten Person in die Behandlung, die ihrem natürlichen Willen widerspricht (Zwangsbehandlung), ist dann nicht erforderlich, wenn und solange

1. sie krankheitsbedingt zur Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit der Krankheit, wegen derer ihre Unterbringung notwendig ist, oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht nicht fähig ist und die Behandlung nachweislich dazu dient,

a) eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person abzuwenden oder

b) die tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung der untergebrachten Person so weit als möglich wiederherzustellen, um ihr ein möglichst selbstbestimmtes, in der Gemeinschaft eingegliedertes Leben in Freiheit zu ermöglichen, oder 2. die Behandlung dazu dient, eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit dritter Personen abzuwenden.

Die Behandlung nach Satz 1 muss im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertigt, Erfolg versprechen. Sie darf nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn mildere Mittel, insbesondere eine weniger eingreifende Behandlung, aussichtslos sind. Die Belastungen dürfen nicht außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen. Dieser muss mögliche Schäden der Nichtbehandlung deutlich feststellbar überwiegen.

(4) Eine Behandlung nach Absatz 3 darf nur auf ärztliche Anordnung und unter ärztlicher Überwachung durchgeführt werden. Zuvor hat eine Ärztin oder ein Arzt die untergebrachte Person angemessen aufzuklären und zu versuchen, ihre auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen. Die Behandlungsmaßnahmen sind zu dokumentieren einschließlich ihres Zwangscharakters, ihrer Durchsetzungsweise, ihrer maßgeblichen Gründe und der Wirkungsüberwachung. Eine zu dokumentierende Nachbesprechung durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt muss erfolgen, sobald es der Gesundheitszustand zulässt.

(5) Eine Behandlung nach Absatz 3 ist auf Antrag der behandelnden anerkannten Einrichtung nur nach vorheriger Anordnung des zuständigen Gerichts zulässig. Dies gilt nicht in den Fällen von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 2, wenn hierdurch die Behandlung verzögert würde und sich hieraus Nachteile für das Leben oder die Gesundheit der gefährdeten Person ergeben würden („Gefahr im Verzug“). Die gerichtliche Entscheidung ist unverzüglich herbeizuführen, sobald die untergebrachte Person nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b weiterbehandelt wird. Die gerichtliche Zuständigkeit und das gerichtliche Verfahren richten sich nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) sowie dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG); bei nach § 32 untergebrachten Personen nach § 138 Absatz 4 des Strafvollzugsgesetzes in Verbindung mit §§ 121a, 121b des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) beziehungsweise § 93 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG).

(6) Eine wirksame Patientenverfügung der zu behandelnden Person (§§1827 und 1828 BGB) ist zu beachten. Schließt sie eine Behandlung nach Absatz 3 aus, geht die Patientenverfügung vor, nicht jedoch in Fällen gegenwärtiger erheblicher Fremdgefährdung (Absatz 3 Satz 1 Nummer 2).

§ 21 Persönliches Eigentum, Besuchsrecht, Telefonverkehr

Die untergebrachte Person hat das Recht, ihre persönliche Kleidung zu tragen, persönliche Gegenstände in ihrem Zimmer zu haben und Besuch zu empfangen, soweit es ihr Gesundheitszustand gestattet und die Sicherheit oder Ordnung der anerkannten Einrichtung nicht gestört wird. Unter den gleichen Voraussetzungen ist sie berechtigt, auf ihre Kosten Telefongespräche zu führen.

§ 22 Schrift- und Paketverkehr

(1) Schriftliche Mitteilungen der untergebrachten Person an ihre gesetzliche Vertretung, Verteidigung oder ihre bevollmächtigte Rechtsanwältin oder ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt, ihre vorsorge- oder generalbevollmächtigte Person, an Beschwerdestellen, Behörden oder Gerichte, an die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie die Aufsichtsbehörden nach § 40 des Bundesdatenschutzgesetzes, an eine Volksvertretung des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, an den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und weitere Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist, sowie bei ausländischen Staatsangehörigen an die diplomatischen und konsularischen Vertretungen ihres Heimatlandes in der Bundesrepublik Deutschland dürfen nicht geöffnet und nicht zurückgehalten werden, wenn die schriftlichen Mitteilungen an die Anschriften dieser Stellen gerichtet sind und die Absenderin oder den Absender zutreffend angeben. Dies gilt entsprechend für schriftliche Mitteilungen der in Satz 1 genannten Personen und Stellen an die untergebrachte Person. Die Schreiben dürfen, ohne sie zu öffnen, auf verbotene Gegenstände untersucht werden.

(2) Im Übrigen dürfen schriftliche Mitteilungen und Pakete der untergebrachten Person und an die untergebrachte Person nur eingesehen werden, wenn dies erforderlich ist, um ihren Gesundheitszustand ärztlich zu beurteilen oder wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Weiterleitung der untergebrachten Person gesundheitlichen Schaden oder sonst erhebliche Nachteile zufügen oder den Zweck der Unterbringung gefährden könnte, oder dass durch die Weiterleitung an die untergebrachte Person die Sicherheit oder Ordnung der anerkannten Einrichtung gefährdet werden könnte.

(3) Schriftliche Mitteilungen und Pakete der untergebrachten Person, die nach Absatz 2 eingesehen werden dürfen, können zurückgegeben werden, wenn sich aus der Weiterleitung für die untergebrachte Person erhebliche Nachteile ergäben oder der Zweck der Unterbringung gefährdet würde. Soweit die untergebrachte Person unter elterlicher Sorge, Vormundschaft oder Pflegschaft steht, sind diese Sendungen den Eltern, dem Vormund, der Pflegerin oder dem Pfleger zu übergeben. § 1815 Absatz 2 Nummer 5 und 6 BGB bleibt unberührt.

(4) Schriftliche Mitteilungen und Pakete an die untergebrachte Person, die nach Absatz 2 eingesehen werden dürfen, können zurückgehalten werden, wenn sie geeignet sind, der untergebrachten Person gesundheitlichen Schaden zuzufügen, den Zweck der Unterbringung oder die Sicherheit oder Ordnung der anerkannten Einrichtung zu gefährden. Im Falle der Zurückhaltung ist die Absenderin oder der Absender zu verständigen oder die Sendung zurückzusenden.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für Telegramme, Telefaxe sowie elektronische Nachrichten.

§ 23 Belastungserprobung

(1) Die anerkannte Einrichtung kann der untergebrachten Person bis zu vier Wochen Belastungserprobung gewähren. Die stundenweise Belastungserprobung (Ausgang) kann auch unter Aufsicht einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters der anerkannten Einrichtung gewährt werden.

(2) Die Belastungserprobung kann mit Auflagen, insbesondere der Verpflichtung zur Weiterführung der ärztlichen Behandlung, verbunden werden.

(3) Die Belastungserprobung kann jederzeit widerrufen werden, insbesondere wenn Auflagen nicht befolgt werden.

§ 24 Religionsausübung

(1) Der untergebrachten Person darf die religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf ihren Wunsch ist ihr zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger in Verbindung zu treten. Sie hat das Recht, innerhalb der Einrichtung am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen und ihren Glauben nach den Regeln ihrer Religionsgemeinschaft auszuüben.

(2) Aus zwingenden Gründen der Behandlung sowie aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung kann in die Freiheit der Religionsausübung eingegriffen werden. Die für die Religionsgemeinschaft der untergebrachten Person zuständige Seelsorgerin oder der zuständige Seelsorger soll nach Möglichkeit vorher gehört werden.

(3) Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

§ 25 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Sicherheit in der anerkannten Einrichtung besteht, insbesondere bei erheblicher Selbstgefährdung, der Gefährdung bedeutender Rechtsgüter Dritter oder wenn die untergebrachte Person die Einrichtung ohne Erlaubnis verlassen will, und dieser Gefahr nicht mit weniger eingreifenden Mitteln begegnet werden kann.

(2) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind:

1. die Beschränkung und der Entzug des Aufenthalts im Freien,

2. die Wegnahme oder Vorenthaltung von Gegenständen,

3. die Absonderung in einem besonders gesicherten Raum,

4. die Fixierung,

5. das Festhalten anstelle der Fixierung.

(3) Jede besondere Sicherungsmaßnahme ist von einer Ärztin oder einem Arzt der anerkannten Einrichtung befristet anzuordnen. Sie ist unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind.

(4) Wird eine Sicherungsmaßnahme nach Absatz 2 Nummer 3 vorgenommen, hat eine engmaschige Überwachung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal zu erfolgen. Bei Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 2 Nummer 4 ist grundsätzlich eine Eins-zu-eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal zu gewährleisten. Die ärztliche Kontrolle ist im erforderlichen Maß zu gewährleisten.

(5) Eine besondere Sicherungsmaßnahme nach Absatz 2 Nummer 4, durch welche die Bewegungsfähigkeit einer untergebrachten Person nicht nur kurzfristig weitgehend oder vollständig aufgehoben wird (freiheitsentziehende Fixierung), ist auf Antrag der behandelnden anerkannten Einrichtung nur nach vorheriger richterlicher Anordnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn im Falle des Erwirkens einer solchen Anordnung der Gefahr nach Absatz 1 nicht rechtzeitig begegnet werden kann (Gefahr im Verzug). In diesem Fall hat die anerkannte Einrichtung unverzüglich eine nachträgliche richterliche Genehmigung zu beantragen, es sei denn, es ist bereits eindeutig absehbar, dass die Entscheidung erst nach Wegfall der Gefahr nach Absatz 1 ergehen wird oder die freiheitsentziehende Fixierung vor Erlangung der Entscheidung tatsächlich beendet sein wird und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die freiheitsentziehende Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Die gerichtliche Zuständigkeit und das gerichtliche Verfahren bestimmt sich nach § 20 Absatz 5 Satz 4.

(6) Nach Beendigung besonderer Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 2 Nummern 3 bis 5 ist, sobald es der Zustand der untergebrachten Person zulässt, eine Nachbesprechung durchzuführen. Nach Beendigung einer besonderen Sicherungsmaßnahme nach Absatz 2 Nummer 4 ist die untergebrachte Person durch das ärztliche Personal zudem auf die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung ihrer Zulässigkeit hinzuweisen.

(7) Anordnung, Begründung, Art der Überwachung und Beendigung der besonderen Sicherungsmaßnahme, die Nachbesprechung nach Absatz 6 Satz 1 und der Hinweis auf die Möglichkeit der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung nach Absatz 6 Satz 2 sind zu dokumentieren.

(8) § 20 bleibt unberührt.

§ 26 Unmittelbarer Zwang

(1) Bedienstete der anerkannten Einrichtungen dürfen gegen eine untergebrachte Person unmittelbaren Zwang nur dann anwenden, wenn diese zur Duldung der Maßnahme verpflichtet ist.

(2) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt oder andere Hilfsmittel.

(3) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn er sofort angewendet werden muss, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

(4) Eine Nachbesprechung der Anwendung unmittelbaren Zwangs soll abhängig vom Gesundheitszustand der untergebrachten Person zeitnah, möglichst gemeinsam mit der pflegerischen und therapeutischen Bezugsperson erfolgen.

(5) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs hat zu unterbleiben, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(6) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist zu dokumentieren.

§ 27 Besuchskommissionen

(1) Das Sozialministerium beruft Besuchskommissionen, die mindestens alle drei Jahre die anerkannten Einrichtungen, in denen Betroffene nach diesem Gesetz untergebracht werden, besuchen und daraufhin überprüfen, ob die mit der Unterbringung von Personen nach § 1 Nummer 1 verbundenen besonderen Aufgaben erfüllt werden. Den Besuchskommissionen ist ungehinderter Zugang zu den Einrichtungen zu gewähren. Bei den Besichtigungen ist den untergebrachten Personen Gelegenheit zu geben, Wünsche und Beschwerden vorzutragen. Die Einrichtungen sind verpflichtet, die Besuchskommissionen bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen und ihnen die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben ist den Besuchskommissionen Einsicht in die hierfür erforderlichen Unterlagen zu gewähren. Personenbezogene Patientenunterlagen dürfen nur mit Einwilligung der betroffenen untergebrachten Person eingesehen werden.

(2) Den Besuchskommissionen sollen angehören:

1. eine Fachärztin oder ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, beim Besuch einer Einrichtung für Kinder- und Jugendpsychiatrie eine Fachärztin oder ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und - psychotherapie,

2. eine Gesundheits- und Krankenpflegerin oder ein Gesundheits- und Krankenpfleger mit Berufserfahrung im Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie,

3. eine Psychologische Psychotherapeutin oder ein Psychologischer Psychotherapeut,

4. eine Betreuungsrichterin oder ein Betreuungsrichter, beim Besuch einer Einrichtung für Kinder- und Jugendpsychiatrie eine Familienrichterin oder ein Familienrichter,

5. eine Vertretung der Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen,

6. eine Vertretung der Psychiatrie-Erfahrenen und

7. eine Vertretung der Angehörigen.

Die in Satz 1 genannten Personen dürfen weder in der zu besichtigenden anerkannten Einrichtung gegenwärtig beschäftigt, noch mit der Bearbeitung von Unterbringungssachen im Einzugsbereich der zu besichtigenden Einrichtung unmittelbar befasst sein. Sie sollen nach Möglichkeit auf Vorschlag des Landesarbeitskreises Psychiatrie berufen werden. Aus wichtigen Gründen kann die Tätigkeit abgelehnt oder das Ausscheiden verlangt werden.

(3) Jede Besuchskommission legt alsbald, spätestens drei Monate nach einem Besuch, der Ombudsstelle auf Landesebene einen Besuchsbericht mit dem Ergebnis der Überprüfung vor. Die anerkannte Einrichtung sowie die zuständige Aufsichtsbehörde erhalten zugleich eine Durchschrift dieses Berichts. Kenntnisse über persönliche Belange von untergebrachten Personen dürfen nur in einer Form in die Berichte aufgenommen werden, die keine identifizierenden Rückschlüsse auf einzelne Personen zulässt, es sei denn, diese Kenntnisse sind zur Darstellung des Sachzusammenhangs in einem Bericht unerlässlich und die untergebrachte Person hat in die Aufnahme eingewilligt. Die Ombudsstelle informiert den Landtag einmal in der Legislaturperiode im Rahmen ihres Berichts nach § 10 Absatz 4 auch zusammenfassend über die Ergebnisse der Arbeit der Besuchskommissionen.

(4) Die Mitglieder der Besuchskommissionen sind nicht an Weisungen gebunden. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ihre Aufgaben nehmen sie ehrenamtlich wahr. Für ihre Entschädigung gelten die Vorschriften über die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes entsprechend.

(5) Das Petitionsrecht, die Aufsichtspflichten und -rechte der zuständigen Behörden sowie das Gebot der Schweigepflicht der Angehörigen der Heilberufe bleiben unberührt.

§ 28 Entlassung

(1) Die untergebrachte Person ist zu entlassen, wenn

1. die Unterbringungsfrist abgelaufen ist und nicht vorher die Fortdauer der Unterbringung angeordnet wurde,

2. die Anordnung der Unterbringung aufgehoben ist oder

3. im Falle der Unterbringung nach § 16 nicht spätestens bis zum Ablauf des Tags nach Eingang des Antrags bei Gericht die Unterbringung angeordnet ist.

(2) Die untergebrachte Person ist zu entlassen, wenn der Grund für die Unterbringung weggefallen ist. Mit der Entlassung endet die Wirksamkeit des Gerichtsbeschlusses, der die Unterbringung angeordnet hat.

(3) Im Falle der Entlassung nach Absatz 1 Nummer 1 und 3 und Absatz 2 hat die anerkannte Einrichtung das Gericht und die Beteiligten nach § 315 FamFG zu benachrichtigen.

§ 29 Fortdauer der Unterbringung

Die anerkannte Einrichtung hat bei Gericht rechtzeitig einen Antrag auf Fortdauer der Unterbringung zu stellen, wenn dies nach Ablauf der bisherigen Unterbringungsdauer erforderlich ist. Die Notwendigkeit der Fortdauer der Unterbringung ist durch das Zeugnis nach § 15 Absatz 2 zu belegen.

§ 30 Kosten

(1) Für die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden werden im Rahmen des Unterbringungsverfahrens keine Kosten erhoben.

(2) Die Kosten einer nach diesem Gesetz durchgeführten Unterbringung fallen der untergebrachten Person, ihrem Kostenträger oder den Unterhaltspflichtigen zur Last.

§ 31 Datenschutz

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind die jeweils geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg (LKHG), sowie die allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen anzuwenden.

(2) Die Übermittlung von Patientendaten an Personen und Stellen außerhalb der anerkannten Einrichtung ist auch zulässig, soweit dies zur Einleitung oder Durchführung eines Betreuungsverfahrens erforderlich ist. § 46 Absatz 1 Satz 2 LKHG gilt entsprechend.

Teil 4 Maßregelvollzug

§ 32 Geltungsbereich

(1) Die folgenden Vorschriften regeln den Vollzug von Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB).

(2) Sie gelten entsprechend für die befristete Wiederinvollzugsetzung nach § 67h StGB, den Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozessordnung (StPO), die Unterbringung zur Beobachtung nach § 81 StPO, die Unterbringung nach den §§ 7 und 73 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG), den Vollzug eines Sicherungshaftbefehls bei der Aussetzung von freiheitsentziehenden Sicherungsmaßregeln entsprechend § 453c StPO, soweit die jeweiligen dortigen Regelungen nicht entgegenstehen.

§ 33 Ziele des Maßregelvollzugs

(1) Durch die Behandlung im Maßregelvollzug soll die untergebrachte Person so weit möglich geheilt oder ihr Zustand so weit verbessert werden, dass sie nicht mehr gefährlich und eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft möglich ist. Bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB soll die untergebrachte Person durch die Behandlung von ihrem Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, geheilt werden. Der Vollzug dient gleichermaßen der Sicherung der untergebrachten Person zum Schutz der Allgemeinheit.

(2) Der Vollzug hat auf eine selbstständige Lebensführung vorzubereiten, persönliche familiäre und soziale Kontakte sollen gefördert und aufrechterhalten, auf eine berufliche Eingliederung soll hingearbeitet werden.

(3) Die Gestaltung des Vollzugs hat den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich zu entsprechen. Schädlichen Folgen der Freiheitseinschränkung ist entgegenzuwirken.

(4) Die Vollzugsziele sollen in möglichst kurzer Zeit erreicht werden.

§ 34 Maßregelvollzugseinrichtungen, jugendliche Untergebrachte

(1) Die Behandlung und Betreuung erfolgt in psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten nach dem Gesetz zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie (Maßregelvollzugseinrichtungen). Diese haben ausreichende Therapieangebote vorzuhalten. Eine Nachsorge findet durch die in Teil 2 dieses Gesetzes genannten Hilfen und in den forensischen Ambulanzen statt.

(2) Die Maßregelvollzugseinrichtungen haben die erforderlichen Fachkräfte und Mitarbeitenden der verschiedenen Berufsgruppen in ausreichender Zahl vorzuhalten und für deren Sicherheit Sorge zu tragen.

(3) Jugendliche sind getrennt von Erwachsenen unterzubringen, soweit dies dem Kindeswohl entspricht. Heranwachsende, für welche vom Gericht nach §§ 105 Absatz 1 in Verbindung mit 7 Absatz 1 JGG die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist, können gemeinsam mit Jugendlichen untergebracht werden. Den besonderen Erfordernissen der Behandlung und Betreuung Jugendlicher und Heranwachsender ist Rechnung zu tragen, Alter und Entwicklungsstand sind zu berücksichtigen.

(4) Jugendliche, die im Rahmen eines Strafverfahrens untergebracht werden, sind zur Beurteilung ihrer allgemeinen körperlichen und geistigen Verfassung unverzüglich ärztlich zu untersuchen, wenn

1. gesundheitliche Anzeichen Anlass zu einer solchen Untersuchung geben oder

2. ein entsprechender Antrag des Jugendlichen, des Trägers der elterlichen Verantwortung, eines anderen geeigneten Erwachsenen oder seines Rechtsbeistands vorliegt.

Das Ergebnis ist zu dokumentieren.

§ 35 Aufsicht

(1) Die Aufsicht über die Durchführung des Maßregelvollzugs obliegt dem Sozialministerium.

(2) Dieses übt die Rechts- und die Fachaufsicht über die Maßregelvollzugseinrichtungen aus.

(3) Im Rahmen ihrer Fachaufsicht kann die Aufsichtsbehörde insbesondere ihr Informations-, Weisungs- und Selbsteintrittsrecht ausüben, letzteres, wenn Einzelweisungen nicht befolgt werden. Ihr sind auf Verlangen Auskünfte und Berichte zu erteilen, Akten und Unterlagen vorzulegen und jederzeit Zutritt zu den Räumlichkeiten der Maßregelvollzugseinrichtungen zu gewähren.

§ 36 Qualitätssicherung, Wissenschaft und Forschung

(1) Die Maßregelvollzugseinrichtungen haben den anerkannten wissenschaftlichen Stand der medizinischen, pflegerischen, therapeutischen und heilpädagogischen Erkenntnisse in Behandlung, Betreuung und Wiedereingliederung zu berücksichtigen.

(2) Sie haben einen entsprechenden Standard hinsichtlich baulich-technischer und organisatorischer Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten.

(3) Sie sorgen für Fort- und Weiterbildung ihrer Fachkräfte und Mitarbeitenden (§ 34 Absatz 2).

(4) Zur Förderung von Behandlung, Betreuung und Eingliederung sollen sie mit geeigneten Personen, Organisationen, Behörden und Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung zusammenarbeiten.

§ 37 Durchführung des Maßregelvollzugs

(1) Die im Maßregelvollzug untergebrachten Personen werden so untergebracht, behandelt und betreut, dass der Unterbringungszweck bei geringstmöglichem Eingriff in die persönliche Freiheit erreicht wird.

(2) Die untergebrachte Person ist verpflichtet, an Therapieangeboten der Einrichtung nach ihren Möglichkeiten teilzunehmen.

(3) Für den Vollzug nach § 32 gelten § 19 Absatz 2 und § 24 entsprechend.

§ 38 Behandlung und Behandlungsplanung

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf die notwendige Behandlung. § 20 gilt entsprechend.

(2) Die Behandlung richtet sich nach ärztlich-therapeutischen Gesichtspunkten. Sie umfasst die notwendigen Untersuchungen sowie insbesondere ärztlich-therapeutische, psychotherapeutische, pflegerische, beschäftigungs- und arbeitstherapeutische, heilpädagogische, sozialpädagogische und schulische Maßnahmen.

(3) Die Behandlung wegen der Erkrankung, die zur Unterbringung geführt hat, erfolgt nach einem Behandlungsplan. Dieser ist mit der untergebrachten Person zu erörtern.

§ 39 Beschäftigung und Freizeit

(1) Die untergebrachte Person erhält im Rahmen des Behandlungsplans arbeitstherapeutische Angebote mit dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in einem beschützten Werkstattbereich nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern.

(2) Der untergebrachten Person soll im Rahmen ihres Behandlungsplans bei Vorliegen entsprechender Vollzugslockerungen Gelegenheit zur Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Teilhabe gegeben werden.

(3) Ihr kann nach Absatz 2 ein freies Beschäftigungsverhältnis, eine Berufsausbildung, eine berufliche Fortbildung, eine Umschulung oder eine andere ausbildende oder fortbildende Maßnahme außerhalb der Einrichtung gestattet werden.

(4) Während des Maßregelvollzugs fördert die Einrichtung die Aufrechterhaltung bestehender und die Anbahnung neuer sozialer Kontakte der untergebrachten Person, soweit diese ihrer Wiedereingliederung dienen. Es sollen Angebote zu künstlerischer, sportlicher und gesellschaftlicher Betätigung unterbreitet werden.

§ 40 Besuchsrecht

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, Besuche zu empfangen, soweit es ihr Gesundheitszustand gestattet und die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung nicht gefährdet wird. Andernfalls kann die Leitung der Einrichtung den Besuch verbieten.

(2) Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet wird, so kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucherin oder der Besucher durchsuchen lässt. Die Besuche dürfen aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung überwacht werden. Die Unterhaltung darf überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus diesen Gründen erforderlich ist. Die optische Überwachung kann auch durch technische Hilfsmittel erfolgen, auf die die untergebrachte Person und ihre Besucher vorher hinzuweisen sind. Die Übergabe von Gegenständen beim Besuch kann von der Erlaubnis der Einrichtung abhängig gemacht werden. Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn durch die Fortsetzung die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet wird oder gesundheitliche Nachteile für die untergebrachte Person zu befürchten sind.

(3) Besuche der Verteidigung oder der bevollmächtigten Rechtsanwältin oder des bevollmächtigten Rechtsanwalts oder der Notarin oder des Notars in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. Eine inhaltliche Überprüfung der von der Verteidigung mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig. § 22 Buch 3 des Justizvollzugsgesetzbuches (JVollzGB III) gilt entsprechend.

§ 41 Persönliches Eigentum, Telefon-, Schrift- und Paketverkehr, Fernsehen

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, ihre persönliche Kleidung zu tragen und persönliche Gegenstände in ihrem Zimmer zu haben, soweit es ihr Gesundheitszustand gestattet und die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung nicht gestört wird.

(2) Sie hat das Recht, auf ihre Kosten Telefongespräche zu führen. § 40 gilt entsprechend.

(3) Ihr ist der Besitz und Betrieb von Mobilfunkendgeräten und elektronischen Datenträgern auf dem Einrichtungsgelände untersagt. Begründete Ausnahmen können von der Einrichtung im Einzelfall zugelassen werden.

(4) Für schriftliche Mitteilungen und Pakete gilt § 22 entsprechend.

(5) Die untergebrachte Person hat ein Recht auf Teilnahme am Gemeinschaftsfernsehen. Dies gilt nicht, wenn das Ziel des Vollzugs oder die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet würden. In begründeten Ausnahmefällen kann der Besitz eines eigenen Fernsehgeräts von der Einrichtung gestattet werden.

§ 42 Hausordnung

(1) Die mit der Durchführung der Unterbringung beauftragten Maßregelvollzugseinrichtungen sollen Hausordnungen erlassen. Die Hausordnung kann insbesondere Regelungen über die Einbringung von Sachen, Ausgestaltung der Räume, Einkaufsmöglichkeiten, Rauch- und Alkoholverbot, Ausgangs- und Besuchszeiten, Telefonverkehr, Freizeitgestaltung, den regelmäßigen Aufenthalt im Freien, den Umgang der untergebrachten Personen untereinander, die Bestellung von Patientensprecherinnen und -sprechern sowie über den Umgang mit Regelverstößen enthalten.

(2) Durch die Hausordnung dürfen die Rechte der untergebrachten Personen nicht über die Regelungen dieses Gesetzes hinaus eingeschränkt werden.

§ 43 Unterbringungs- und Nebenkosten

(1) Die Kosten einer Unterbringung nach den §§ 63 und 64 StGB, §§ 81, 126a und 453c StPO und §§ 7 und 73 JGG in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs trägt das Land, soweit sie nicht von einem Träger der Sozialversicherung oder der untergebrachten Person nach § 48 zu tragen sind. Zu diesen Kosten gehören auch Aufwendungen zur ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung, die in der Einrichtung oder außerhalb im Rahmen einer Lockerungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme in entsprechender Anwendung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch entstehen, sowie Zahnersatz, soweit er während der Unterbringung unvermeidbar erforderlich ist und kein anderer Kostenträger eintritt.

(2) Nebenkosten, wie beispielsweise Aufwendungen für Bekleidung oder Heil- und Hilfsmittel, trägt die untergebrachte Person selbst, soweit nicht vorrangig bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch der Sozialleistungsträger oder die Maßregelvollzugseinrichtung eintritt.

(3) Entstehen Aufwendungen zu schulischen oder beruflichen Aus-, Fort-, Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen, sind hierfür die vorrangig verpflichteten Leistungsträger heranzuziehen.

§ 44 Anspruch auf medizinische Leistungen

(1) Der Anspruch der untergebrachten Personen auf medizinische Leistungen richtet sich nach § 33 JVollzGB III.

(2) Ab Beginn der Belastungserprobung richtet sich dieser Anspruch nach § 35 JVollzGB III.

§ 45 Zuwendungen und Beihilfen

(1) Eine untergebrachte Person, die im Rahmen einer Arbeitstherapie tätig ist, soll hierfür eine Zuwendung erhalten.

(2) Als Anreiz für die Teilnahme an fördernden Maßnahmen und zum Ausgleich für insoweit nicht leistbare Arbeitstherapie oder Arbeit, kann ebenfalls eine Zuwendung erhalten, wer an einem Unterricht oder an beruflichen Maßnahmen teilnimmt, die die Wiedereingliederungschancen verbessern.

(3) Eine Beihilfe hierzu, die von anderer Stelle geleistet wird, ist auf die Zuwendung anzurechnen.

§ 46 Arbeitsentgelt, Sozialversicherungsbeiträge

(1) Eine untergebrachte Person, die in der Einrichtung im Rahmen der Unterbringung wirtschaftlich verwertbare Arbeitsverrichtungen leistet, erhält hierfür ein Entgelt.

(2) Soweit die Einrichtung verpflichtet ist, im Falle des Absatz 1 fällige Beiträge an die Bundesagentur für Arbeit abzuführen, kann sie diese vom Entgelt der untergebrachten Person einbehalten.

§ 47 Verfügung über Geld, Barbetrag, Eigengeld, Überbrückungsgeld

(1) Die untergebrachte Person kann über ihr Geld, insbesondere eingebrachtes Geld oder laufende Bezüge im Sinne von §§ 45 und 46 verfügen, soweit dadurch der Zweck der Unterbringung und die Bildung eines Überbrückungsgelds nach Absatz 4 nicht gefährdet werden. Hierzu bedarf es der Einwilligung der Einrichtung.

(2) Soweit die Voraussetzungen hierzu vorliegen, erhält die untergebrachte Person von der Einrichtung einen angemessenen Barbetrag (Taschengeld) zur persönlichen Verfügung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Sie ist zur Mitwirkung und Tatsachenangabe verpflichtet entsprechend den §§ 60, 65 und 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch.

(3) Die Einrichtung führt für jede untergebrachte Person ein Eigengeldkonto, auf dem alle Zahlungen der Einrichtung sowie die Beträge geführt werden, die die untergebrachte Person bei der Aufnahme mitbringt oder während der Unterbringung erhält. Verfügungsberechtigt sind die untergebrachte Person und ihre gesetzliche Vertretung.

(4) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen der untergebrachten Person ist ein Überbrückungsgeld zu bilden, das ihren notwendigen Lebensunterhalt in den ersten vier Wochen nach der Entlassung sichern soll. § 52 JVollzGB III gilt entsprechend.

§ 48 Kostenbeitrag für die Unterbringung

Für die Erhebung eines Beitrags zu den Kosten der Unterbringung gilt § 51 JVollzGB III entsprechend mit der Maßgabe, dass in den Fällen von § 51 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 JVollzGB III an die Stelle nicht erhaltener Bezüge die Nichtverrichtung zugewiesener oder ermöglichter Arbeit tritt und in den Fällen von § 51 Absatz 1 Satz 2 JVollzGB III der untergebrachten Person ein Betrag in der Höhe verbleiben muss, der dem Barbetrag entspricht, den in einer Einrichtung lebende und einen Teil der Kosten ihres Aufenthalts selbst tragende Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger zur persönlichen Verfügung erhalten. Bei der Bewertung einer Beschäftigung als Arbeit sind die besonderen Verhältnisse des Maßregelvollzugs zu berücksichtigen.

§ 49 Besondere Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarer Zwang

(1) Die §§ 25 und 26 gelten entsprechend.

(2) Zusätzliche Sicherungsmaßnahmen im Sinne von § 25 Absatz 2 Nummer 3 sind der Zimmereinschluss auf offen und geschlossen geführten Stationen und im Sinne von § 25 Absatz 2 Nummer 4 die Fesselung.

(3) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn aus anderen Gründen als denen des § 25 Absatz 1 in erhöhtem Maße Fluchtgefahr besteht.

§ 50 Durchsuchungen und Videoüberwachung

(1) Die untergebrachte Person sowie ihre Sachen und Wohnräume dürfen durchsucht werden. Die untergebrachte Person darf nur in Gegenwart einer dritten Person, ihre Räume oder Sachen nur in ihrer oder in Gegenwart einer dritten Person durchsucht werden. Für eine mit Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung gilt § 64 Absatz 2 und 3 JVollzGB III entsprechend. Für Suchtmittelkontrollen gilt § 64 Absatz 4 JVollzGB III entsprechend.

(2) Die Einrichtungen können das Klinikgelände sowie das Innere der Gebäude offen mittels Videotechnik beobachten. Die Anfertigung von Aufzeichnungen hiervon sowie die Beobachtung der unmittelbaren Umgebung der Einrichtung ist zulässig, sofern dies zum Zweck der Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung oder zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, durch welche die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung