Psychoonkologie - Christa Diegelmann - E-Book

Psychoonkologie E-Book

Christa Diegelmann

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Beschreibung

Die zentrale Bedeutung des Resilienz-Erlebens von Krebserkrankten für die Krankheitsbewältigung ist gut belegt und Ansatzpunkt wirksamer psychoonkologischer Interventionen. Auf der Basis aktueller wissenschaftlicher Evidenz und langjährigen klinischen Erfahrungswissens gibt das Buch praktische Impulse für die Arbeit mit krebserkrankten Menschen. Schwerpunkte sind u.a. ein strukturiertes Therapieprogramm mit acht Basissitzungen, bewährte Tools zur Krisenintervention, Umgang mit Angehörigen, Progredienzangst, Fatigue, Palliative Situation, Kommunikation und Burnout-Prophylaxe. Fallvignetten und Imaginations-Anleitungen runden das Werk ab.

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Inhalt

Cover

Titelei

Übersicht der Zusatzmaterialien zum Download

Vorwort und Einführung

1 Resilienz und Psychoonkologie

1.1 Aktuelle Entwicklungen in der Psychoonkologie und Resilienzforschung

Psychoonkologie

Resilienzforschung

1.2 Psychoneuroimmunologie in der Psychoonkologie

1.3 TRUST: ein integrativer resilienzorientierter Ansatz

Theoretische Basis

Die stärkende Kraft von Imaginationen

Ressourcenverankerung und Bilaterale Stimulation

Kognitive Verhaltenstherapie und TRUST

Auf einen Blick: Kognitive Verhaltenstherapie und TRUST

Psychoedukation: Normalisierung von Angst- und Stresssymptomen

2 Resilienzfördernde Psychotherapie mit TRUST in der Psychoonkologie

2.1 Überblick: Basisinterventionen mit TRUST für Patient:‍innen mit akuten existenziellen Belastungen

2.2 Interventionsschwerpunkte und Interventionsbeispiele 1.–8. Therapiesitzung

1. Sitzung

2. Sitzung

3. Sitzung

4. Sitzung

5. Sitzung

6. Sitzung

7. Sitzung

8. Sitzung

3 Psychoonkologische Konzepte und Interventionen für spezifische Situationen

3.1 Resilienz und posttraumatisches Wachstum in der Psychoonkologie

3.2 Krisenintervention und Traumabearbeitung in der Psychoonkologie

Traumatherapeutische Interventionen in der Psychoonkologie

Traumabearbeitung mit kognitiven und verhaltenstherapeutischen Ansätzen (KVT)

Ressourcenorientierung mit TRUST

Emotionale Neubewertung der Gegenwart durch gezielte Ressourcenaktivierung

Constant Installation of Present Orientation and Safety (CIPOS)

Ressourcenfokussiertes EMDR-Protokoll für körperliche Erkrankungen

Conflict Imagination, Painting and Bilateral Stimulation (CIPBS)

Vorgehensweisen zum Abschluss von sog. »inkompletten Sitzungen«

Imagery Rescripting and Reprocessing (IRRT) und Bildschirmtechnik

Bildschirmtechnik oder Screentechnik

3.3 Bewältigung von Progredienzangst

Definition und Häufigkeiten

Theoretisches Modell der Progredienzangst

Behandlungsoptionen der Progredienzangst

3.4 Tumor-assoziierte Fatigue

Symptomatik

Prävalenz

Ätiologie

Diagnostik

Behandlungsmöglichkeiten

3.5 Krankheitsakzeptanz und Krankheitsbewältigung

Modell zur Krankheitsakzeptanz

Transaktionales Stressmodell

3.6 Soziale und partnerschaftliche Unterstützung zur Stressbewältigung

Effekte sozialer und partnerschaftlicher Beziehungen auf Gesundheit

Auswirkung einer Krebserkrankung auf die Partnerschaft

Resilienzfaktoren in einer Partnerschaft

Balance-Theorie nach Gottman

Merkmale einer gut funktionierenden Partnerschaft

Förderung der positiven Reziprozität

Partnerschaftliche Kommunikation

Partnerschaftliche Unterstützung

3.7 Herausforderungen der palliativen Situation

Ambiguitätstoleranz entwickeln – vom kreativen Umgang mit dem, was man eigentlich nicht haben will im Leben

3.8 Ärztliche Kommunikation

4 Innovative und kreative Impulse für die psychoonkologische Arbeit

4.1 E-Health-Interventionen in der Psychoonkologie

Warum sind DiGA-Apps wichtig?

Ausgewählte Beispiele für digitale Gesundheitsanwendungen für Krebspatient:innen

4.2 Musik als Ressource zur Resilienzstärkung

4.3 Quellen für kreative Impulse

Kreativität

Künstlerische Therapien: Kunst-‍, Musik- sowie Tanz- und Bewegungstherapie

Kunst

Vorbilder

Social Media

Literatur

Freizeit und Hobbys

Natur

5 Resilienzimpulse zur Burnout-Prophylaxe

»Big Seven«

Keep cool: Affektregulationskompetenz

Selbstwirksamkeit, Achtsamkeit, Empathie

Soziale Beziehungen: Netzwerke/Freunde/Familie

Zielorientierung: Fokus, Schritt für Schritt

Flexibilität und Neugier im Privat- und Berufsleben

Die Aktivierung von positiven Gefühlen: Humor/Perspektivenvielfalt

Körperbewusstsein: Bewegung/Ernährung

Literatur

Stichwortverzeichnis

Die Autorinnen

Christa DiegelmannDipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, niedergel. in eigener Praxis. Supervisorin (VT, TP, Psychotraumatherapie, EMDR), Dozentin Fort- und Weiterbildung in Traumatherapie, Psychoonkologie, Resilienztraining. Leitung des ID Instituts für Innovative Gesundheitskonzepte. Leitung Curriculum Psychoonkologie (DKG), Curriculum Psychotraumatherapie (DeGPT) und Curriculum Resilienztraining (DPA).

Margarete IsermannDipl.-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin (TP), Supervisorin (TP, Psychotraumatherapie, EMDR), Dozentin in der Fort- und Weiterbildung in Traumatherapie und Psychoonkologie. Leitung des ID Instituts für Innovative Gesundheitskonzepte. Leitung Curriculum Psychoonkologie Kassel und Berlin (DKG) und Curriculum Psychotraumatherapie Kassel, Berlin und Hamburg (DeGPT).

Tanja ZimmermannUniv.-Professorin für Psychosomatik und Psychotherapie mit Schwerpunkt Transplantationsmedizin und Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin (VT), Psychoonkologin, Supervisorin, Leitung des Curriculums Hannover, Dozentin in Fort- und Weiterbildung, Autorin zahlreicher Peer-Review-Publikationen im Bereich Psychoonkologie und Partnerschaft.

Christa DiegelmannMargarete IsermannTanja Zimmermann

Psychoonkologie

Resilienz innovativ stärken –Ein Praxishandbuch

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-041984-1

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-041985-8epub: ISBN 978-3-17-041986-5

Übersicht der Zusatzmaterialien zum Download

Die folgenden Zusatzmaterialien sind enthalten (Hinweise zum Download finden Sie vor dem Literaturverzeichnis am Ende des Buchs):

·

TRUST-Resilienzfragebogen (RF-15)

·

Visuelle Analogskala zur Erfassung von Müdigkeit

·

Visuelle Analogskala der Beeinträchtigung

·

Überblick: TRUST-Basissitzungen für Patient:innen mit akuten existenziellen Belastungen

·

Instruktionen der Imaginationen in diesem Werk

·

Individuelle Wege zum Aufbau von Resilienz

Vorwort und Einführung

Fast jede Familie ist direkt oder indirekt von Krebs betroffen. Im Oktober 2022 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine weltweite Befragung in 100 Ländern gestartet. Es sollen die Stimmen aller Betroffenen gehört werden, der Krebs-»Survivors«, der Behandler:innen und auch der Hinterbliebenen. Ziel ist es, Menschen mit »nichtkommunizierbaren« Krankheiten sinnvoll und respektvoll in die Entwicklung von Politik, Programmen und Lösungen einzubeziehen. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass der Fokus bisher zu sehr auf der medizinischen Behandlung lag und nicht auf den umfassenderen Bedürfnissen der betroffenen Menschen. Diese sollen künftig mehr in den Mittelpunkt gestellt werden, um zu besseren Lösungen zu kommen. »We are ready to open a new chapter and improve the well-being of people affected by cancer« (WHO 2022).

Die Psychoonkologie als eine relativ junge Disziplin hat genau diesen Anspruch, nicht nur das körperliche, sondern auch das psychische Wohlergehen der von Krebs betroffenen Menschen zu fördern. Dazu wurden in den letzten Jahren viele unterschiedliche Ansätze und Interventionen für alle Phasen einer Krebserkrankung und -behandlung entwickelt.

In Deutschland war die verpflichtende Einführung von psychoonkologischen Versorgungsangeboten in zertifizierten Krebsorganzentren und onkologischen Zentren ein wichtiger Schritt, nicht zuletzt auch für die Entstigmatisierung und »Normalisierung« der Inanspruchnahme psychoonkologischer Unterstützung. In der ambulanten Versorgung, etwa bezüglich niederschwelliger Angebote durch Krebsberatungsstellen und besonders bei psychotherapeutischen Angeboten gibt es für krebserkrankte Menschen noch erhebliche Defizite. Psychoonkologisches Wissen findet allmählich auch Eingang in allgemeine medizinische und therapeutische Versorgungsstrukturen, etwa in die hausärztliche und fachärztliche Behandlung.

Erfreulicherweise gibt es inzwischen auch eine Fülle an psychoonkologischer Fachliteratur. Diese kann auch Berufsgruppen, die nicht schwerpunktmäßig mit dem Thema konfrontiert sind, eine Orientierungshilfe geben.

Das vorliegende Buch ist ein Praxishandbuch. Es richtet sich hauptsächlich an Professionelle, die in verschiedenen Bereichen krebserkrankte Menschen bei der Bewältigung der Erkrankung und ihrer Folgen unterstützen. Die Fülle von praxisrelevanten Hinweisen kann aber auch eine Inspirationsquelle für andere Berufsgruppen sein. Die Inhalte basieren auf aktueller wissenschaftlicher Evidenz und langjährigem klinischen Erfahrungswissen.

Es werden grundlegende Themen der Psychoonkologie behandelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf ressourcenorientierten, resilienzstärkenden und innovativen Ansätzen. Dazu wird eine Vielfalt an Interventionen vorgestellt, die z. T. auch kreative und erlebnisorientierte Elemente enthalten. Kurze Fallvignetten veranschaulichen die Vorgehensweisen. Resilienz innovativ stärken bedeutet für uns vor allem auch, respektvoll darauf zu vertrauen, dass jeder Mensch individuelle Wege des Umgangs mit der Erkrankung finden kann. Dazu sollen die in dem Buch enthaltenen Informationen Impulse geben.

Im ersten Kapitel geht es um aktuelle Entwicklungen der Psychoonkologie und Resilienzforschung. In jüngster Zeit wurden Aktualisierungen von Leitlinien und Versorgungsstrukturen initiiert mit dem Ziel, die steigende Anzahl von Menschen besser zu unterstützen, die mit einer Krebserkrankung leben und vielfältige Belastungen bewältigen müssen.

Die Entwicklung von Resilienz ist ein dynamischer, lebenslanger Prozess. Die aktuelle Resilienzforschung ist gekennzeichnet von einem Paradigmenwechsel: von der krankheitsorientierten Pathogenese und der Untersuchung von Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten psychischer Erkrankungen hin zu ressourcenorientierter Salutogenese und der Ermittlung von Schutzmechanismen. Die Resilienzforschung stellt dabei als Konzept der Gesundheitsförderung einen übergeordneten Ansatz dar. In diesem Sinne haben die in diesem Buch vorgestellten resilienzfördernden Interventionen auch das Ziel, einer dysfunktionalen Verarbeitung der durch die Krebsdiagnose und –behandlung erlebten psychischen Belastungen entgegenzuwirken.

Der Verlauf einer Krebserkrankung kann auch durch psychoneuroimmunologische Prozesse beeinflusst werden. Hier spielt besonders die individuelle Stressverarbeitung eine Rolle, speziell die Wirkung von langanhaltendem, als unentrinnbar erlebtem Stress. Diese Erkenntnisse können wichtige Hinweise für die psychoonkologische Behandlung geben, speziell im Hinblick auf ressourcenstärkende, resilienzfördernde und stressreduzierende Interventionen. Darauf wird in ▸ Kap. 1.2 eingegangen.

In ▸ Kap. 1.3 wird das TRUST-Konzept vorgestellt, ein integratives, explizit resilienzorientiertes Konzept in der Psychotherapie. Grundlagen sind dabei die Kognitive Verhaltenstherapie, die Ergebnisse der Resilienzforschung und der Positiven Psychologie. TRUST ist an neurobiologischen Erkenntnissen orientiert und wurde ursprünglich im Rahmen der Psychotraumatherapie entwickelt. Das therapeutische Vorgehen mit TRUST hat sich mittlerweile auch in unterschiedlichen Bereichen der Psychoonkologie bewährt.

In ▸ Kap. 2 wird erstmals ein strukturiertes Therapieprogramm für psychoonkologische Settings mit acht Basissitzungen nach dem TRUST-Konzept vorgestellt. Die einzelnen Sitzungen werden praxisnah beschrieben, auch mit Instruktionen und Imaginationsanleitungen für die einzelnen resilienzfördernden Interventionen. Konkrete Fallbeispiele veranschaulichen das Vorgehen.

In ▸ Kap. 3 stellen wir psychoonkologische Konzepte und Interventionen für spezifische Situationen und Fragestellungen vor. Zunächst wird dazu auf die theoretischen Konzepte von Resilienz und posttraumatischem Wachstum eingegangen. Zur Frage, wie und wodurch Menschen existenziell belastende Situationen überwinden und gar noch daran reifen können, gibt es sowohl in der Psychoonkologie als auch in der Traumatherapie eine Vielzahl von Konzepten.

Resilienz kann sich aus vielfältigen Quellen speisen, dazu gehören u. a. Selbstwirksamkeitserwartung, Optimismus, positive Gefühle, kognitive Flexibilität, Lebenssinn, Spiritualität, positive Coping-Erfahrungen, Kohärenzsinn und soziale Unterstützung. Resilienz ist dynamisch und verändert sich u. a. durch Umwelt, Lebensumstände und situative Faktoren.

Das Konzept des posttraumatischen Wachstums (Posttraumatic Growth, PTG) bezieht sich darauf, dass Menschen die Fähigkeit haben, Traumata und andere existenziell bedrohliche Lebensereignisse zu überwinden und dadurch sogar zu reifen und zu wachsen. Im Rahmen von Krankheiten äußert sich posttraumatisches Wachstum häufig in einer größeren Wertschätzung verschiedener Lebensaspekte.

Krisen und traumatische Erfahrungen können im Verlauf einer Krebserkrankung häufig vorkommen. Bewährte Tools zur Krisenintervention und zur Traumabearbeitung in der Psychoonkologie geben handlungsleitende Impulse. Die in ▸ Kap. 3.2 vorgestellten Interventionen dienen dazu, einem dysfunktionalen Bewältigungsverhalten entgegenzuwirken und eine Chronifizierung zu verhindern.

Progredienzangst, die Angst vor dem Fortschreiten der Erkrankung, ist die größte Herausforderung bei der Krankheitsbewältigung. Bei der Progredienzangst handelt es sich um eine Realangst, die aus einer potenziellen Bedrohung mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung resultiert. Progredienzangst ist eine normale Reaktion, kann aber auch ein dysfunktionales Ausmaß annehmen und behandlungsbedürftig werden. In ▸ Kap. 3.3 werden dazu wirksame Behandlungselemente vorgestellt, die Selbstwahrnehmung, Achtsamkeit, Psychoedukation und Konfrontation in sensu beinhalten.

Tumor-assoziierte Fatigue erleben viele Krebserkrankte als das quälendste Symptom ihrer Erkrankung. Zu den häufigsten Beschwerden bei Fatigue gehören Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Erschöpfung und eine verminderte Leistungsfähigkeit. Die Symptome sind unabhängig von vorheriger Anstrengung und verschwinden auch nach einer ausreichenden Erholungszeit nicht. Die Diagnose Fatigue kann mit adäquaten diagnostischen Mitteln und guten Kenntnissen des Krankheitsbildes gestellt werden. Zu den Behandlungsmethoden gehören Psychoedukation, kognitive Verhaltenstherapie, körperliches Training und Aktivitäts- und Energiesparmanagement. Dazu werden in ▸ Kap. 3.4 hilfreiche Anregungen gegeben.

In ▸ Kap. 3.5 geht es um das Thema Krankheitsakzeptanz und Krankheitsbewältigung. Krankheitsakzeptanz ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung einer chronischen Erkrankung und die Integration der Krankheit in das Leben. Krankheitsakzeptanz gelingt unterschiedlich gut. Nicht alle Betroffenen benötigen psychologische, psychotherapeutische oder psychoonkologische Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung. In diesem Kapitel wird ein Modell der Krankheitsakzeptanz erläutert und Interventionsstrategien zur Förderung von Krankheitsakzeptanz vorgestellt.

Angehörige von Krebserkrankten erleben häufig ein vergleichbares Ausmaß an psychischer Belastung wie die Erkrankten selbst. Soziale Beziehungen gehören zu den wichtigsten Resilienzfaktoren, besonders bei der Konfrontation mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Auf die Bedeutung der sozialen Unterstützung für die Krankheitsbewältigung sowie auf Interventionen mit Angehörigen wird in ▸ Kap. 3.6 eingegangen. Hier kommt der Partnerschaft eine besondere Rolle zu. Eine Krebserkrankung ist nicht nur ein Stressor für die Erkrankten, sondern auch für die Partnerschaft. Ein gemeinsamer Umgang als Paar mit dem Stress durch die Erkrankung – das sog. Dyadische Coping – ist bedeutsam für die Krankheitsbewältigung und Stärkung des »Wir-Gefühls«. Angehörige sollten dementsprechend in die psychoonkologische Behandlung einbezogen werden. Dazu werden hier konkrete Strategien vorgestellt.

Die komplexen Herausforderungen in der palliativen Situation werden im ▸ Kap. 3.7 thematisiert. Patient:innen in der Palliativphase erleben eine Vielzahl an körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Herausforderungen. Die ganzheitliche Sicht auf alle Dimensionen kann dazu beitragen, eine dysfunktionale, krisenhafte Verarbeitung der palliativen Erkrankung abzuwenden. Bei limitierter Lebenszeit ist es umso wichtiger, die verbleibende Zeit so zu gestalten, dass diese mit Würde, Selbstwirksamkeit und möglichst sinnerfüllt erlebt werden kann. Hierzu werden ausgewählte Themen und resilienzstärkende Impulse im Überblick dargestellt. Schwerpunktthemen sind u. a. Anregungen zum Symptom- und Krankheitsmanagement, Sensibilisierung für eine würdeorientierte Lebenszeit und Achtsamkeit und Leben im Hier und Jetzt.

Die ärztliche Kommunikation kann eine entscheidende Weichenstellung für die Krankheitsbewältigung bedeuten. In ▸ Kap. 3.8 wird dargestellt, was zu einer gelungenen ärztlichen Kommunikation beiträgt. Hilfreiche Beispiele geben konkrete Anregungen für eine gelingende Kommunikation auch in herausfordernden Gesprächssituationen. Im Kontrast dazu sensibilisiert auch die Beschreibung von »Fettnäpfchen« für eine achtsame Kommunikation.

In ▸ Kap. 4 geht es um verschiedene innovative und kreative Impulse für die psychoonkologische Arbeit. Dabei wird zunächst auf die Nutzung neuer Medien durch E-Health-Interventionen, besonders durch digitale Anwendungen in Form von Apps eingegangen und eine App exemplarisch anschaulich vorgestellt.

Musik ist für viele Menschen eine wichtige Ressource, die auch in psychoonkologischen Settings als niederschwellige Intervention eingesetzt werden kann. Anregungen zur eigenständigen Nutzung von Musik als Ressource werden in ▸ Kap. 4.2 gegeben.

Als Quellen für kreative Impulse werden in ▸ Kap. 4.3 sieben Bereiche vorgestellt, die sich in der Praxis bewährt haben und zu denen teilweise bereits Forschungsergebnisse vorliegen. Dazu gehören künstlerische Therapien (Kunst-‍, Musik-‍, Tanz- und Bewegungstherapie), die Wirkung von Kunst, das Thema Vorbilder, Social Media, Literatur, Freizeit und Hobbys und die Begegnung mit der Natur. Die Vielfalt der kreativen Impulse soll unterschiedliche Wege zur individuellen Resilienzerfahrung eröffnen bzw. vertiefen.

In ▸ Kap. 5 richtet sich der Fokus schließlich auf das Thema Burnout-Prophylaxe. Diese hat besonders für Berufsgruppen, die mit existenziell belasteten Menschen arbeiten, eine wichtige Funktion. Anhand der »Big Seven« werden konkrete Schritte für eine resilienzorientierte Burnout-Prophylaxe vorgestellt. Die Resilienz der professionellen Behandler:innen hat schließlich auch Auswirkungen auf die Resilienz der Patient:innen. Allerdings kann die individuelle Burnout-Prophylaxe nicht eventuell fehlende strukturelle Resilienz im Versorgungssystem ausgleichen.

Möge dieses Buch nicht nur in psychoonkologischen Settings innovative Sichtweisen fördern, zu mehr Freude an der Arbeit beitragen und dazu ermutigen, die eigene Resilienz weiter zu stärken.

1 Resilienz und Psychoonkologie

1.1 Aktuelle Entwicklungen in der Psychoonkologie und Resilienzforschung

Psychoonkologie

Jedes Jahr erkrankt in Deutschland eine halbe Million Menschen neu an Krebs. Das bedeutet, dass sich im Laufe des Lebens jeder zweite Mann und auch fast jede zweite Frau mit der Diagnose Krebs auseinandersetzen muss. Auch wenn die Inzidenz weiter ansteigt, haben sich die Überlebenschancen durch die medizinischen Fortschritte in der Behandlung und Früherkennung von Tumoren deutlich verbessert. Immer mehr Menschen überleben die Krebserkrankung oder leben mit einer Krebserkrankung weiter. Diese Gruppe wird als »Cancer Survivors«/»Krebsüberlebende« bezeichnet. In Deutschland leben circa 4,5 Millionen Cancer Survivors (Arndt 2019).

Trotz dieser erfreulichen Entwicklung stellt eine Krebserkrankung für viele Betroffene eine chronische Erkrankung dar, die sich auch Jahre nach der Diagnose noch auf die Gesundheit und die Lebensqualität auswirken kann (Arndt et al. 2017). Diese Belastungen betreffen aber nicht nur die körperliche Ebene, sondern auch psychische und soziale Bereiche. Darüber hinaus nimmt die Anzahl älterer Patient:innen stetig zu, die spezifische Gesundheits- und Versorgungsbedürfnisse aufweisen. Die Veränderungen der Gesundheitsversorgung durch eine zunehmende Urbanisierung führen häufig zu begrenzten Ressourcen – insbesondere in ländlichen Gebieten. Hinzu kommt zudem eine Zunahme an kultureller und sozialer Diversität, was auch in der Versorgung von Krebserkrankten zunehmend Berücksichtigung finden muss. Unter einer modernen Krebsbehandlung wird daher ein umfassendes, multiprofessionelles und patientenzentriertes Vorgehen verstanden, das neben der Medizin auch noch weitere Disziplinen umfasst.

Die Psychoonkologie befasst sich dabei mit den psychosozialen Auswirkungen einer Krebserkrankung. Daher sollte eine psychoonkologische Versorgung von Krebserkrankten auch zum Standard einer multiprofessionellen, qualitativ hochwertigen und patientenorientierten Krebsmedizin gehören (Stengel et al. 2021). Als Teildisziplin der Onkologie beschäftigt sich die Psychoonkologie mit den psychischen und sozialen Belastungen von Krebserkrankten und ihren Angehörigen. Die evidenzbasierten psychoonkologischen Unterstützungs- und Interventionsangebote zielen dabei auf eine Reduktion von Ängsten und Depressivität sowie eine Steigerung der Lebensqualität ab. Die psychoonkologische Unterstützung im stationären und/oder ambulanten Setting kann dabei sowohl während der akuten medizinischen Behandlung als auch danach erfolgen. Das Ziel der psychoonkologischen Unterstützung liegt darin, Menschen dazu zu befähigen, ein höchstes Maß an Selbstständigkeit und Lebensqualität zu bewahren, sie im Umgang mit den Krankheits- und Behandlungsfolgen während sowie nach der Erkrankung und Therapie zu unterstützen und darüber hinaus Erkrankte und auch Angehörige dazu zu ermutigen, eigene Strategien zur Krankheitsbewältigung zu entwickeln (Watson et al. 2014).

»Plötzlich war alles anders. Die Diagnose Krebs hat mir komplett den Boden unter den Füßen weggerissen. Eigentlich hatte ich gerade ganz andere Lebenspläne und plötzlich überflutete mich diese Angst und Verzweiflung. Wie soll ich das nur durchstehen? Was wird aus meiner Familie? Werde ich das überleben?«(65-jährige Brustkrebspatientin)

Eine Krebsdiagnose und -behandlung kann die Bewältigungskapazitäten vieler Betroffener heraus- und auch überfordern. Dieses kann sich in einer klinisch relevanten psychischen Belastung äußern. Dieser sog. »psychische Distress« beinhaltet beispielsweise Ängste und Sorgen, Depressivität, Hilf- und Hoffnungslosigkeit, Schlafstörungen und Fatigue. Krebserkrankte erleben eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit und -funktion bis hin zu einem Verlust von Körperteilen, eine plötzliche Abhängigkeit von anderen Personen bei der Verrichtung täglicher Aktivitäten, aber auch Konzentrations- und Gedächtnisprobleme sowie eine veränderte Sexualität einhergehend mit einer veränderten körperlichen Erscheinung. Auch Ängste vor dem Tod oder Einsamkeitsgefühle, Schmerzen, Müdigkeit können weitere Folgen sein, die die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Betroffenen maßgeblich beeinträchtigen können (Zimmermann 2023).

Circa 30 % der Krebserkrankten erleben im Behandlungsverlauf eine psychische Störung. Am häufigsten finden sich Anpassungsstörung, Angststörung und Depression (Mehnert et al. 2014). Insbesondere die depressiven Symptome scheinen bei Überlebenden mit der Zeit sogar noch zuzunehmen (Breidenbach et al. 2022). Darüber hinaus ist auch ihr Risiko für Depressionen und Angststörungen um das Zwei- bis Dreifache erhöht im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung (Götze et al. 2020).

Neben einer diagnostizierbaren psychischen Störung erleben allerdings noch mehr Betroffene, circa 50 – 60 % psychischen Distress, der mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden sein kann, ohne allerdings die diagnostischen Kriterien einer psychischen Störung zu erfüllen (Mehnert et al. 2018; Peters et al. 2020). Eine Krebserkrankung kann somit mit einer erheblichen Anzahl von psychischen Belastungen einhergehen, die sich negativ auf die Lebensqualität auswirken können und auch den Krankheitsverlauf sowie die Überlebensraten durch eine geringere Adhärenz, ein erhöhtes Suizidrisiko und mögliche Auswirkungen physiologischer Prozesse wie Stress negativ beeinflussen können (Wang et al. 2020).

Somit scheint es bedeutsam zu sein, psychisch belasteten Krebserkrankten entsprechende Unterstützungsangebote anbieten zu können und darüber hinaus Personen mit Risikofaktoren für psychische Belastung identifizieren zu können. Insbesondere Personen mit reduzierten Copingressourcen, fehlender sozialer Unterstützung, einer Vielzahl von körperlichen Symptomen und weiteren krankheitsunabhängigen Stressoren sowie früheren traumatischen Erfahrungen haben ein erhöhtes Risiko für psychische Belastung im Rahmen einer Krebserkrankung (Weis et al. 2022). Die S3-Leitlinie »Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten« bietet dabei einen evidenzbasierten Leitfaden zur Identifikation und Behandlung von psychisch belasteten Krebserkrankten sowie strukturelle Rahmenbedingungen. Die Leitlinie stellt einheitliche Standards für die psychoonkologische Versorgung von Erwachsenen mit einer Krebserkrankung auf (Weis et al. 2022; Leitlinienprogramm Onkologie 2023).

Zusammenfassend lässt sich zur Entwicklung der Psychoonkologie festhalten:

·

Ca. 30 % aller Krebserkrankten erleben eine psychische Störung, 50 – 60 % psychischen Distress

·

Psychoonkologie als Teildisziplin der Onkologie befasst sich mit den psychischen und sozialen Belastungen von Krebserkrankten und ihren Angehörigen

·

Evidenzbasierte psychoonkologische Unterstützungs- und Interventionsangebote zielen auf eine Reduktion von Ängsten und Depressivität sowie eine Steigerung der Lebensqualität ab

·

Zunahme an Cancer Survivors rückt auch die psychosozialen Konsequenzen und Belastungen einer onkologischen Erkrankung zunehmend in den Fokus

·

Psychoonkologische Versorgung von Krebserkrankten sollte zum Standard einer multiprofessionellen, qualitativ hochwertigen und patientenorientierten Krebsmedizin gehören

Die Stärkung ressourcenorientierter Sichtweisen sowie die Entwicklung einer psychischen Widerstandskraft – der sog. Resilienz – scheint im Umgang mit einer Krebserkrankung ein bedeutsamer Ansatz zu sein.

Resilienzforschung

Ging man zunächst davon aus, dass Resilienz eine natürliche Veranlagung oder eine stabile Persönlichkeitseigenschaft einer Person sei, konnte dies empirisch nicht bestätigt werden. Somit wird seit einigen Jahren davon ausgegangen, dass Resilienz das Ergebnis oder Produkt eines Anpassungsprozesses an Stressoren darstellt. Dabei können sowohl natürliche Prädispositionen oder Persönlichkeitseigenschaften als auch eine Vielzahl von (neuro-)‌biologischen, psychologischen und sozialen Ressourcen als Resilienzfaktoren angesehen werden (Kunzler et al. 2018). Resilienz ist somit dynamisch und veränderbar. Das bedeutet, dass sich Menschen durch die Bewältigung von stressreichen Situationen verändern, indem sie neue Einstellungen oder Ansichten gewinnen sowie neue Stärken oder Kompetenzen generieren. Dies kann sich wiederum positiv auf die Bewältigung zukünftiger Stressoren auswirken und auch zu einer teilweisen Immunisierung gegenüber den Auswirkungen kommender Stressoren wirken. Resilienz ist demnach ein dynamischer und lebenslanger Prozess, »der im Wechselspiel zwischen Person und Umwelt erfolgt und über verschiedene Lebensbereiche und -phasen variiert« (Kunzler et al. 2018, S. 747).

»Natürlich belastet mich meine eigene Krebserkrankung auch, aber im letzten Jahr war meine Tochter an Brustkrebs erkrankt und mein Mann und ich haben sie auf dem Weg zur Heilung begleitet. Daher weiß ich genau, was nun auch auf mich zukommt und ich bin mir sicher, dass ich das genauso gut bewältigen werde wie meine Tochter.«(74-jährige Brustkrebspatientin)

Dieses Beispiel zeigt, dass eine vorherige Erfahrung einer belastenden Situation (Krebserkrankung der Tochter) auch zu einer eigenen Widerstandskraft und Zuversicht führen kann, die sich wiederum positiv auf die eigene Krankheitsbewältigung auswirkt.

Die Anfänge der Resilienzforschung liegen in den 1960er Jahren mit Studien bei Kindern, die es trotz schwieriger Bedingungen geschafft haben, zu sozial kompetenten und gesunden Erwachsenen heranzuwachsen. Als Pionierarbeit der Resilienzforschung ist die Studie von Emmy Werner und Ruth Smith »The Children of Kauai« aus dem Jahr 1977 zu nennen. Insgesamt 698 Kinder auf der Insel Kauai wurden über 40 Jahre begleitet. Somit konnten Faktoren analysiert werden, die trotz Hochrisikobedingungen wie Armut, drogenabhängige Eltern oder geringe Bildung den Kindern halfen, ein erfolgreiches Leben aufzubauen. Die Ergebnisse zeigen, dass Resilienz erlernbar ist und keine angeborene, unveränderbare Eigenschaft. Somit lässt sich die innere Widerstandskraft gegen Stressoren und Krisen ein Leben lang stärken und trainieren.

In der Resilienzforschung ist die Betrachtung von Risiko- und Schutzfaktoren interessant. So zeigen sich sowohl bei den Risiko- als auch bei den Schutzfaktoren Kumulationseffekte, die belegen: Je mehr Risikofaktoren eine Person ausgesetzt ist, desto höher ist auch das Risiko für psychische Störungen oder Auffälligkeiten (Kessler et al. 2010; Wille et al. 2008). Auf der anderen Seite geht eine steigende Anzahl von Schutzfaktoren mit einer Reduktion für das Auftreten von psychischen Problemen oder Störungen einher (Wille et al. 2008). Als Schutzfaktoren haben sich hierbei sowohl personeninterne Merkmale oder Kompetenzen, Familienmerkmale und extrafamiliäre Faktoren erwiesen.

Unter den personeninternen Merkmalen oder Kompetenzen finden sich:

1.

Beziehungsfähigkeit/soziale Kompetenzen

2.

Selbstvertrauen, Selbstbild

3.

Intellektuelle Fähigkeiten

4.

Selbstregulation, Copingkompetenzen

5.

Positives Selbstkonzept

6.

Soziale Skills

7.

Temperament

Zu den Familienmerkmalen gehören:

·

Sichere Beziehung zu sorgender Beziehungsperson

·

Funktionierende Paarbeziehung der Eltern

·

Angemessene Kohäsion der Familie

·

Autoritativer Erziehungsstil: elterliche Wärme, Struktur und hohe Erwartungen

·

Elterliches Interesse

·

Tragende Beziehung der Eltern zu außerfamiliären unterstützenden Netzwerken

Die extrafamiliären Faktoren beinhalten:

·

Zugang zu positiven erwachsenen Personen außerhalb der Familie

·

Positive Schulerfahrungen: soziale Erfahrungen und Schulerfolg

·

Verbindung zu prosozialen Einrichtungen und Gemeinschaften (wie z. B. Sport, Religion, Hobbies etc.)

·

Ausreichendes Einkommen

·

Angemessene Wohnbedingungen

·

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

·

Soziales Netzwerk

Demgegenüber finden sich Risikofaktoren in der Familie wie eine inkonsistente Erziehung, Partnerschaftsstreit, negative Life Events, psychische Störungen sowie familiäre Gewalt. Außerhalb der Familie sind Armut, Arbeitslosigkeit und Migration sowie Flucht als Risikofaktoren zu benennen. Als individuelle Faktoren finden sich ein schwieriges Temperament des Kindes, Entwicklungsverzögerungen sowie eine genetische Prädisposition für psychische Auffälligkeiten oder Störungen.

In der aktuellen Resilienzforschung findet sich ein Paradigmenwechsel: von der krankheitsorientierten Pathogenese und der Untersuchung von Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten psychischer Erkrankungen hin zu ressourcenorientierter Salutogenese und der Ermittlung von Schutzmechanismen. Die Resilienzforschung stellt dabei als Konzept der Gesundheitsförderung einen übergeordneten Ansatz dar (Kunzler et al. 2018). Als Resilienzfaktoren werden sowohl interne Faktoren wie Copingfertigkeiten, kognitive Fähigkeiten oder Epigenetik als auch externe Faktoren wie soziale Unterstützung oder der sozio-ökonomische Status betrachtet. Beispielsweise kann eine hohe soziale Unterstützung dazu beitragen, dass eine Person Stressoren positiver betrachtet oder (um-)‌bewertet. Dadurch wird Resilienz gefördert, welche sich dann in einer geringeren Anfälligkeit der Person für stressbedingte Erkrankungen äußern kann (Kunzler et al. 2018) sowie einer besseren Bewältigung vorliegender Stressoren.

»Ich bin von Anfang an offen mit meiner Erkrankung umgegangen. Dies hat es meinem Freundeskreis leichter gemacht, mit mir darüber zu sprechen und mich zu unterstützen. Somit hatte ich immer jemanden, mit dem ich reden konnte oder der mich auch mal auf andere Gedanken brachte oder aus einem Loch herausholte.«(47-jähriger Patient mit multiplem Myelom)

Die Operationalisierung und Messbarkeit von Resilienz ist häufig noch uneindeutig. So geht beispielsweise der transdiagnostische Ansatz von einer multisystemischen Resilienzforschung aus (Kalisch et al. 2015). Demzufolge sollte nicht nach erkrankungsspezifischen Resilienzmechanismen gesucht werden, die nur vor einer bestimmten psychischen Störung schützen, sondern vielmehr dysfunktionsspezifische Mechanismen identifiziert werden, die vor einer stressinduzierten Beeinträchtigung in einer Funktionsdimension schützen wie z. B. Emotionsregulation oder Impulskontrolle (Kunzler et al. 2018). Auch wenn die Definition von Resilienz nicht eindeutig ist, wird in der Wissenschaft von zwei grundlegenden Elementen ausgegangen (ebd.):

·

Resilienz erfordert das Vorliegen eines bedeutsamen Stressors.

·

Resilienz besteht in der erfolgreichen Bewältigung dieses Stressors. Dabei ist die individuelle Stressexposition zu berücksichtigen.

Weitere Längsschnittstudien sind erforderlich, um Resilienz als dynamischen Prozess zu untersuchen und auch Aussagen über die langfristige Prädiktionskraft einzelner Resilienzfaktoren zu erlauben (Kunzler et al. 2018).

Zusammenfassend lässt sich zur Resilienzforschung festhalten (nach Kunzler et al. 2018):

·

Resilienz bezeichnet die Aufrechterhaltung bzw. Rückgewinnung der psychischen Gesundheit angesichts von Stressoren.

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Resilienz ist keine unveränderliche Persönlichkeitseigenschaft, sondern das Ergebnis eines Anpassungsprozesses.

·

Über die Zeit hinweg ist Resilienz dynamisch und veränderbar.

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Neben Resilienzfaktoren rücken zunehmend übergeordnete neurale und kognitive Mechanismen in den Forschungsfokus.

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Aufgrund des Prozesscharakters von Resilienz sind prospektive Längsschnittstudien für die Erforschung des Konzepts erforderlich.

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Moderne Ansätze der Operationalisierung von Resilienz beinhalten eine transdiagnostische, multisystemische und quantitative Vorgehensweise.

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Um Resilienz zu erfassen, sollte die individuelle Stressorexposition berücksichtigt werden.

1.2 Psychoneuroimmunologie in der Psychoonkologie

Die Psychoneuroimmunologie hat in den letzten Jahrzehnten viele wichtige Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen psychischen Faktoren und Funktionen des Immunsystems und des endokrinen Systems erbracht. Auch die Interaktion zwischen Immunsystem und Krebs wird zunehmend gut verstanden. Durch die körpereigene Immunüberwachung können Krebszellen erkannt und so unter Einbezug der verschiedensten Funktionen des Immunsystems bekämpft werden (Finn 2012). Inzwischen bewirkt die rasant anwachsende Forschung zu Immuntherapien bereits spürbare Veränderungen in der Krebstherapie (Finn 2018) und die Hoffnung auf zukünftige Entwicklungen, etwa in Form von »Krebsimpfungen« (Olivera et al. 2022), ist nicht unbegründet.

Andererseits wirkt das Immunsystem wiederum auf das psychische Befinden ein. »Die reziproken neuroendokrin-immunologischen Verbindungen zwischen Psyche und Soma würden z. B. für Krebserkrankungen bedeuten, dass nicht jeder depressive Affekt eine psychogene Reaktion auf die bedrohliche Krankheit ist, sondern durch Tumorgewebe vermittelte immunpathologische Veränderungen ebenso Depressivität, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit verursachen können« (Ehlert und von Kähnel 2011, S. 4). Auch das durch proinflammatorische Zytokine wie Interleukin-6 ausgelöste sog. »Sickness-Behaviour« ähnelt sehr der Fatigue-Symptomatik oder einer depressiven Symptomatik (Schubert 2015). Sickness-Behaviour-Symptome sind beispielsweise Rückzugsverhalten, kognitive Dysfunktion, Erschöpfung, depressive Verstimmung, Ängstlichkeit. »Heute weiß man, dass sickness behavior eine immunologisch vermittelte, strategische Anpassungsleistung des Organismus ist« (Schubert 2015, S. 93).

»Das Tumorgeschehen beeinflusst in reziproker Weise die Funktion des Gehirns, was zu Sickness Behavior, Tagesmüdigkeit und Depression führen kann. Es kann ein Circulus vitiosus der Tumorprogression entstehen« (Straub und Schedlowski 2022, S. 13).

Eine Krebserkrankung ist mit vielen belastenden, oft sogar traumatischen Erfahrungen verbunden. Dies betrifft nicht nur die Diagnose, sondern auch die verschiedenen Phasen der medizinischen Behandlung. Selbst nach erfolgreicher Behandlung bleibt oft die Progredienzangst neben möglichen negativen gesundheitlichen, finanziellen und sozialen Folgen der Erkrankung für lange Zeit bestehen. Derartige Situationen sind in der Regel mit einer vermehrten Aktivierung des Angst-/Stresssystems verbunden.

Viele Menschen mit einer Krebserkrankung versuchen, auch im Alltag jeglichen Stress zu vermeiden, weil sie befürchten, dass Stress negative Auswirkungen auf ihre Krebserkrankung haben könnte. Allein diese Befürchtung und das daraus resultierende Vermeidungsverhalten kann wiederum ein Auslöser für Stress sein. Stress ist grundsätzlich nicht negativ, moderat und kurzfristig kann er sogar eine positive, anregende Wirkung auf das Immunsystem haben.

»Immer, wenn ich mich am Arbeitsplatz über eine Kollegin oder über meinen Chef ärgere oder über das unfreundliche Verhalten eines Kunden, bekomme ich Angst, dass sich dies negativ auf meine Krebserkrankung auswirkt. Ich versuche dann, möglichst allen Stress zu vermeiden, weil ich gehört habe, dass durch Stress vielleicht der Krebs zurückkommt oder Metastasen bildet. Es fällt mir aber schwer, mich in solchen Situationen nicht mehr aufzuregen, wozu Freundinnen mir dann raten, ich bin einfach zu emotional. Hinterher bekomme ich dann Schuldgefühle und denke, dass ich dadurch meinen Krebs wieder selbst herbeiführe. Ich überlege schon zu kündigen, um diesen Stress nicht mehr zu haben.«(48-jährige Frau, zwei Jahre nach ihrer Brustkrebs-Diagnose).

Nur wenn es sich um eine langandauernde belastende oder als unentrinnbar wahrgenommene Situation handelt, bei der das Stresssystem chronisch überaktiv ist, kann das natürliche, fein abgestimmte Stressregulations-System letztlich aus dem Gleichgewicht geraten mit möglichen negativen Folgen auch für den Krankheitsverlauf. Zu negativen Wirkungen von chronischem Stress auf das Immunsystem gibt es seit Jahrzehnten viele Studien (z. B. Kiecolt-Glaser et al. 1986). Stressinduzierte Beeinträchtigungen können in vielfältiger Weise auch das Tumorwachstum und die Metastasierung beeinflussen (Antoni und Lutgendorf 2011; Isermann 2010). Dabei spielen Prozesse wie Tumorangiogenese, Tumorzellmigration und -invasion, Immunüberwachung des Tumors und Inflammation eine Rolle.

Das Immunsystem steht in engem funktionalem Zusammenhang mit dem Nervensystem und dem endokrinen System, diese Systeme beeinflussen und regulieren sich wechselseitig. Durch Angst/Stress werden zwei Systeme aktiviert, zunächst das sympatho-adrenomedulläre System (SAM). Dadurch wird u. a. die Ausschüttung der Katecholamine Noradrenalin und Adrenalin bewirkt mit den bekannten Folgen, besonders dem Anstieg von Herzrate und Blutdruck. Diese sehr rasche, in Sekundenbruchteilen einsetzende Reaktion, die oft erfolgt, bevor wir eine Gefahrensituation bewusst wahrgenommen haben, kann überlebenswichtig sein, z. B. um schnell zu flüchten oder zu kämpfen.

Das zweite, langsamere System, ist die HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, auch »Stressachse« genannt). Durch deren Aktivierung wird letztlich das Glukokortikoid Kortisol, auch »Stresshormon« genannt, aus der Nebennierenrinde ausgeschüttet. Kortisol wirkt allerdings durch fein abgestimmte Rückkoppelungsprozesse letztlich auch wieder als »Stressbremse«.

Eine chronische »Überflutung« durch Glukokortikoide und Katecholamine beeinträchtigt nicht nur höhere kognitive Funktionen, besonders die des Hippocampus und des Präfrontalen Kortex, sie kann auch in vielfältiger Weise die Krebserkrankung beeinflussen v. a. durch Hemmung des Immunsystems und durch die Förderung inflammatorischer Prozesse. In den letzten Jahren gibt es zunehmend differenzierte Studien zur Wirkung dieser Mechanismen etwa auf DNA-Schädigung, Metastasierung, Tumor-Angiogenese, Zellwachstum oder Apoptose (Dai et al. 2020; Roche et al. 2023).

Auch zeigen Untersuchungen eine Reaktivierung residualer »schlafender« Tumorzellen unter der Wirkung von Stresshormonen (Noradrenalin und Kortisol). Die Reduktion der Stresshormone durch ß-Blocker konnte diese Reaktivierung verhindern (Perego et al. 2020). Die protektive Wirkung von ß-Blockern, die die Wirkung speziell von Adrenalin und Noradrenalin hemmen, auf die Tumorprogression wurde bereits vielfach nachgewiesen. Inzwischen werden diese Erkenntnisse in Studien mit Krebspatient:innen umgesetzt. In einer großen retrospektiven Studie hatten Ovarialkarzinom-Patientinnen, die regulär Blocker erhielten, eine hochsignifikant höhere Überlebenszeit. Dieser Effekt zeigte sich aber nur bei einem nicht-selektiven ß-Blocker wie Propanolol (Watkins et al. 2015). In einer prospektiven Studie hatten Brustkrebs-Patientinnen, die sieben Tage präoperativ ß-Blocker (Propranolol) erhielten, signifikant niedrige Werte von Biomarkern für Metastasen (Hiller et al. 2020).

»Die bidirektionalen Konnektoren zwischen Gehirn und Immunsystem sind mittlerweile gut bekannt. Sie dienen der Gefahrenabwehr und Energiebereitstellung. Sie werden durch das egoistische Gehirn und das egoistische Immunsystem dominiert. Im Kontext des Tumorgeschehens können dieselben Reaktionspfade durch den egoistischen Tumor aktiviert werden. Für die systemische Aktivierung spielt die Inflammation im Tumor oder sensible nozizeptive Nervenfasern im und um den Tumor eine Rolle. Sie sind dann auf direkte oder indirekte Weise an der Tumorprogression beteiligt, indem sie tumorproliferativ, immunsuppressiv und energiebereitstellend sind.

Ein typisches Beispiel für einen Konnektor ist das sympathische Nervensystem, das auf vielfache Weise die Tumorprogression und Tumormetastasierung unterstützen kann. Stress fördert eindeutig die Tumorprogression, was durch eine Hemmung sympathischer Einflüsse unterbunden werden kann. Betablocker-Studien (β2) zeigen den epidemiologischen Zusammenhang zwischen Sympathikushemmung und Verminderung der Tumorprogression.« (Straub und Schedlowski 2022, S. 13)

Was ist die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen für die psychoonkologische Praxis? Obwohl diese Forschungsergebnisse noch relativ neu sind und bezüglich der genauen Mechanismen noch erforscht werden, können sie wichtige Hinweise geben. Chronischer, langandauernder Stress, der als unbeeinflussbar erlebt wird, kann sich negativ auf den Verlauf einer Krebserkrankung auswirken. Bezüglich der Krebsgenese jedoch sind diese Ergebnisse noch mit Vorsicht zu sehen, da bei der Krebsentstehung, auch abhängig von der Krebsart, sehr viele Faktoren eine Rolle spielen und die genaue Entstehung von Krebs in großen Teilen noch unklar ist.

Chronischer oder traumatischer Stress oder extreme Gefühle von Angst und Hilflosigkeit spielen in der Psychoonkologie nicht nur wegen möglicher Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf eine Rolle. Entscheidend ist, dass es zu Blockaden in der Informationsverarbeitung kommen kann. Aus der Traumatherapie wissen wir, dass bei starker Aktivierung der Angstzentren, vornehmlich der Amygdala im limbischen System, die auch als »Feuermelder« des Gehirns bezeichnet wird, die angemessene Weiterverarbeitung in »höheren« Regionen wie dem Hippocampus und dem Präfrontalen Kortex gestört wird. Wir handeln dann »kopflos«, können nicht auf unser gesamtes Erfahrungswissen zurückgreifen, weder angemessene Entscheidungen treffen noch differenzierte Bewältigungsstrategien entwickeln (Isermann und Diegelmann 2022).

Das erste Ziel in der psychoonkologischen Begleitung von Menschen, die von starker Angst »überflutet« sind, muss es folglich sein, das Angstsystem herunterzuregulieren, vereinfacht gesagt, die Amygdala »abzukühlen« und damit für ein funktionsfähiges Gehirn zu sorgen. Erst in dem »window of tolerance« (Siegel 1999) können dann Interventionen greifen, die den Blick wieder weiten und den Zugang zu individuellen Ressourcen öffnen und letztlich die Resilienz stärken. Die in diesem Buch vorgestellten Interventionen zur Resilienzstärkung könnten somit auch das Immunsystem und den Krankheitsverlauf beeinflussen.

Zusammenfassung: Stress und Krebs

1.

Die Psychoneuroimmunologie hat in den letzten Jahrzehnten viele wichtige Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen psychischen Faktoren und Funktionen des Immunsystems und des endokrinen Systems erbracht.

2.

Auch Krebszellen können durch das Immunsystem erkannt und bekämpft werden. Solche Forschungsergebnisse haben bereits Eingang in die Krebsbehandlung, etwa in Form von Immuntherapien, gefunden.

3.

Zur generellen Wirkung von Stress auf die Krebsgenese gibt es bisher noch keine eindeutigen Belege.

4.

Angst- und Stresssymptome sind grundsätzlich nicht negativ, sie können auf mögliche Gefahren hinweisen und sogar kurzfristig Immunreaktionen stärken.

5.

Erst, wenn die Angst-/Stressreaktionen lang anhalten oder gar chronisch werden, können die fein abgestimmten Prozesse »entgleisen«, was möglicherweise negative Folgen für den Verlauf einer Krebserkrankung und sogar für das Überleben haben kann.

6.

Für die psychoonkologische Behandlung von Patient:innen, die anhaltend hohe Angst-/Stresssymptome zeigen, ist es deshalb zentral, zunächst gezielt auf diese Symptomatik zu fokussieren.

7.

Dabei spielen ressourcenfokussierte Interventionen eine besondere Rolle, die das Stresssystem herunterregulieren, den Blick wieder weiten, Bewertungen verändern, das Selbstwirksamkeitsgefühl und insgesamt die Resilienz stärken.

1.3 TRUST: ein integrativer resilienzorientierter Ansatz

»Das Arbeiten mit den TRUST-Interventionen erweitert meinen therapeutischen Handwerkskasten, besonders auch in der psychoonkologischen Arbeit. Es ist verblüffend, dass selbst kleine Übungen die Handlungssicherheit von Patient:innen in unterschiedlichen Belastungssituationen der medizinischen Behandlung stärken und dadurch ein subjektives Gefühl von Kontrolle im Umgang mit der Krebserkrankung zurückgewonnen wird. Insgesamt erlebe ich in meiner psychoonkologischen Arbeit durch die Ressourcenorientierung einen beruflichen und auch persönlichen Zuwachs an Resilienz.«(39-jährige Psychologische Psychotherapeutin und Psychoonkologin im Konsiliardienst)

TRUST (Techniken Ressourcenfokussierter Und Symbolhafter Traumabearbeitung) ist ein schulenübergreifender und methodenintegrativer Ansatz, der darauf zielt, die Resilienz explizit zu fördern. TRUST steht als Akronym für die Wurzeln der Entstehungsgeschichte aus der Traumatherapie und für die Bedeutung von Vertrauen für das ressourcenorientierte Vorgehen (Diegelmann 2010, 2018; Diegelmann und Isermann 2011; Diegelmann et al. 2020). Eine Besonderheit von TRUST ist die explizite Nutzung der Bilateralen Stimulation (BLS) zur Ressourcenstärkung, einem Element aus der Traumatherapie mit EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) (Shapiro 2018).

Ressourcen- und resilienzorientierte Ansätze gewinnen in der Psychotherapie und Psychoonkologie immer mehr an Bedeutung (Bonnano et al. 2010; Breitbart 2022; Cloitre und Schmidt 2015; Grawe 2004; Reddemann 2001, 2004; Sachsse 2004). Entsprechend wächst auch der Bedarf an gezielten Interventionen und an kreativen Tools. Besonders neurobiologische Erkenntnisse und die biologischen Grundlagen von Stress- und Traumareaktionen ermöglichen inzwischen mehr Einblicke in die Wirkungsweisen psychologischer Interventionen.

Diese Ansätze berücksichtigt das TRUST-Konzept (Diegelmann 2018, Diegelmann und Isermann 2011, Diegelmann et al. 2020). Grundlegend waren dabei Erfahrungen aus der jahrzehntelangen psychotherapeutischen Arbeit, speziell mit traumatisierten Menschen und mit lebensbedrohlich erkrankten Menschen. Es zeigt sich, dass ressourcenorientierte Interventionen der Psychotraumatherapie und neurobiologische Prinzipien einschließlich der Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie wertvolle Impulse für die Arbeit mit an Krebs erkrankten Menschen geben.

Menschen mit einer Krebsdiagnose müssen während der medizinischen Behandlung fortlaufend mit Ereignissen klarkommen, die von unangenehmen Emotionen und Erfahrungen begleitet sind. Hierbei ist es wichtig sich klarzumachen, dass es nicht unbedingt die Ereignisse an sich sind, welche die belastenden Gefühle auslösen. Es hat viel mit der Bewertung der Ereignisse zu tun.

Theoretische Basis

Die theoretische Basis von TRUST bilden überwiegend die Forschungsergebnisse der Psychotraumatherapie, der Salutogenese, der Resilienzforschung, der Positiven Psychologie und der neurobiologischen Forschung. Die sich daraus ergebenden Interventionen sind auf der Basis der Kognitiven Verhaltenstherapie und vor allem der Psychotraumatherapie entwickelt worden. Zu den erwähnten Ansätzen der Grundlagen von TRUST gibt es zunehmend mehr wissenschaftliche Evidenz (Antonovsky 1997; Cloitre und Schmidt 2015; Fredrickson 1998, 2001, 2009; Heßler und Fiedler 2019; Howick et al. 2018; Joyce et al. 2018; Kölsch 2022; Seiler und Jennewein 2019; Shapiro 2018). Dieses theoretische Fundament bildet die Grundlage für eine therapeutische Haltung, die flexible, situationsangepasste Vorgehensweisen ermöglicht.

Bei TRUST geht es in allen Phasen der psychotherapeutischen Behandlung um:

·

die Stärkung der Affektregulationskompetenz

·

den gezielten Einsatz von ressourcenfördernden Imaginationen,

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die ressourcenfokussierte kognitive Arbeit an dysfunktionalen Überzeugungen,

·

die gezielte kreative Arbeit mit Symbolen und Metaphern sowie

·

körperbezogene Interventionen.

Das Resilienz-Stressbewältigungsmodell (RSB) (