Q6 - Das ambulante Quartiershaus - Udo Winter Beratung u. Konzeptentwicklung für Altenhilfeeinrichtungen - E-Book
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Beschreibung

Selbstständig bleiben, so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung wohnen: Das ist Wunsch und Wille vieler Senioren. diese Erwartungen erfüllen Quartierszentren, die attraktiven Wohnraum je nach Bedarf mit Pflege und Betreuung kombinieren. Erfahren Sie als leitungskraft, warum es sich für Sie lohnt, Quartiershäuser zu entwickeln. Lesen Sie, was Sie über die Planung, Umsetzung und den erfolgreichen Betrieb von Quartiershäusern wissen müssen. Die Autoren sind im Projektaufbau von Quartierszentren erfahren und geben ihr Expertenwissen zu Themen wie Baukosten, Wirtschaftlichkeit oder bau- und heimrechtlichen Fragen weiter. Ein so wichtiges wie unentbehrliches Buch für Leitungskräfte aus Ambulanten Diensten und Sozialverbänden, für Planer und Investoren, die bei Investitions- und Organisationsentscheidungen zukunftsgerecht planen wollen.

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Marco Kelle – Udo Winter

Q6 – das ambulante Quartiershaus

Wohnen und Pflege neu vernetzen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sämtliche Angaben und Darstellungen in diesem Buch entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens und sind bestmöglich aufbereitet.

Der Verlag und der Autor können jedoch trotzdem keine Haftung für Schäden übernehmen, die im Zusammenhang mit Inhalten dieses Buches entstehen.

© VINCENTZ NETWORK, Hannover 2020

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Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Druck: Gutenberg Beuys Feindruckerei GmbH, Langenhagen

Foto Titelseite: Adobe Stock – Alexander Limbach, Adobe Stock – wooster (Composing)

Satz: Heidrun Herschel, Wunstorf

E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net

E-Book ISBN 978-3-7486-0301-6

Marco Kelle – Udo Winter

Q6 – das ambulante Quartiershaus

Wohnen und Pflege neu vernetzen

Inhalt

1 Vorwort

2 Gründe für die Änderung der Angebotsstruktur

2.1 Demografische Entwicklung

2.2 Lebenslage älterer Menschen

2.2.1 Rentenniveau

2.2.2 Haushaltsgröße

2.2.3 Veränderung Bedarfs- und Bedürfnislage Älterer

2.3 Gesetzliche Veränderungen

3 Konzeption von ambulanten Quartiershäusern

3.1 Wohnen und Pflege im Alter – Notwendigkeit von Quartiershäusern

3.2 Definition von ambulanten Quartiershäusern – Vernetzung der Wohn- und Pflegeangebote

3.3 Versorgungsstrukturen auf dem Lande

3.4 Bestandteile eines ambulanten Quartiershauses

3.4.1 Seniorenwohnungen/Betreutes Wohnen

3.4.2 Begegnungsstätten/Mietertreff

3.4.3 Ambulanter Pflegestützpunkt

3.4.4 Tagespflege

3.4.5 Nachtpflege/Pflegepension

3.4.6 Ambulant betreute Wohngemeinschaften

4 Rechtliche Grundlagen

4.1 Leistungsrechtliche Grundlagen

4.2 Heimrechtliche Grundlagen

4.3 Baurechtliche Grundlagen

4.4 Verordnungen, Normen und Richtlinien

5 Projektentwicklung

5.1 Vorbereitungsphase/Initiierung durch den Bauherrn

5.2 Planungsphase

5.3 Ausführungsphase

5.4 Betriebsphase

5.5 Projektentwicklung im Überblick

6 Planerische Grundlagen

6.1 Raumprogramme der Wohnformen

6.1.1 Seniorenwohnungen

Exkurs: Barrierefrei vs. Flächeneffizienz

Exkurs: Erschließungsformen

6.1.2 Begegnungsstätte/Mietertreff

6.1.3 Ambulanter Pflegestützpunkt

6.1.4 Tagespflege

6.1.5 Nachtpflege

6.1.6 Pflegepension

6.2 Flächensynergien in Quartiershäusern

6.3 Bautechnische Grundlagen

6.3.1 Barrierefreiheit

6.3.2 Brandschutz

6.3.3 Alltagsunterstützung durch technische Assistenzlösungen (AAL)

6.4 Innenraumgestaltung - Licht und Farbe

6.5 Außenraumgestaltung - Gärten für Senioren

7 Baukosten und Wirtschaftlichkeit

7.1 Grundlagen und Begriffe

7.2 Beeinflussbarkeit der Baukosten

7.3 Kosten kennwerte

7.4 Finanzierung der Gesamtkosten (Erstellungskosten)

7.5 Refinanzierung der Gesamtkosten (Erstellungskosten)

7.5.1 Refinanzierung von teilstationären Einrichtungen

7.5.2 Refinanzierung von Betreuten Wohnungen

7.6 Exemplarische Wirtschaftlichkeitsberechnung eines ambulanten Quartiershauses

7.7 Wirtschaftlicher Betrieb eines ambulanten Quartiershauses

7.7.1 Konzeptionelle Ausrichtung

7.7.2 Quartiersmanagement

8 Vertragliche Regelungen in ambulanten Quartiershäusern

8.1 Seniorenwohnungen

8.2 Tagespflege

8.3 Ambulante Pflege

8.4 Haushaltsnahe Dienstleistungen

8.5 Zusammenfassung notwendiger Verträge in ambulanten Quartiershäusern

9 Ausblick

10 Praxisbeispiele

11 Anlagen

Anlage 1 Heimrechtliche Regelung Betreutes Wohnen

Anlage 2 Heimrechtliche Gesetze

Anlage 3 Übersicht über die Sonderbautatbestände in Bezug auf die Wohnformen im Alter in den einzelnen Bundesländern

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Quellenverzeichnis

Normenverzeichnis

Die Autoren

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Buch-Code: AH1175

1 Vorwort

Quartiershäuser sind ein Schlagwort der Gegenwart. Der Wandel der Erwartungen an das Wohnen und die Pflege im Alter ist allgegenwärtig. Die Akzeptanz einer vollstationären Versorgung unter den Senioren ist so gering wie nie. Diverse Studien kommen zu dem Schluss, dass die Devise

„So lange wie möglich selbständig in der

vertrauten häuslichen Umgebung wohnen“

auch der tatsächlichen Erwartungshaltung der Senioren entspricht. Aber nicht nur diese subjektive Veränderung der Lebenssituation älterer Menschen, sondern auch die objektiven Veränderungen der gesellschaftlichen Struktur, der Demografie sowie die Versorgungssteuerung des Bundes bewirken Veränderungen in der Angebotsarchitektur für das Wohnen im Alter, sodass eine starke Ausdifferenzierung der gesamten Wohnlandschaft im Alter zu verzeichnen ist.

Es existiert bereits eine Vielzahl von Projekten und Ansätzen. Hierbei handelt es sich oftmals um verschiedene Angebote für Senioren, die nebeneinander existieren. Es fehlt aber häufig die notwendige Konzeption und Vernetzung der verschiedenen Angebotskomponenten. Daher stoßen viele Wohn- und Pflegekonzepte jenseits der vollstationären Versorgung in ein Vakuum.

Quartiershäuser als Vernetzung verschiedener Wohn- und Pflegeangebote im Alter bieten sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum die Möglichkeit, attraktiven Wohnraum und umfassende Betreuung und Pflege zu kombinieren.

Auf der Grundlage der Erfahrungen der Autoren soll dieses Buch einen Überblick über die grundlegende Konzeption von ambulanten Quartierslösungen geben. Es stellt die Einzelkomponenten eines ambulanten Quartiershauses inhaltlich dar, erläutert sowohl bau- als auch heimrechtliche sowie planerische Grundlagen. Es werden unterschiedliche Raumkonzepte und besonders für die neue Generation der Wohnkonzepte interessante Systeme und Dienstleistungen, welche das alltägliche Leben älterer Menschen unterstützen (Ambient Assistend Living), vorgestellt.

Neben der konzeptionellen Darstellung ist die Finanzierung, die Refinanzierung und der Betrieb von Quartiershäusern ein wichtiger Punkt für deren Wirtschaftlichkeit.

Der Anspruch der Autoren bei der Erstellung dieses Buchs war es, eine Handlungsempfehlung für Leitungskräfte sozialer Träger (ambulanter Pflegedienste und soziale Verbände) und Planer zu erstellen. Daher sind die einzelnen Kapitel so angelegt, dass sie in sich abgeschlossen und damit auch losgelöst voneinander lesbar sind. Sie können dieses Buch sowohl klassisch von der ersten bis zur letzten Seite lesen, aber auch punktuell je nach individueller Fragestellung.

2 Gründe für die Änderung der Angebotsstruktur

Der strukturelle Wandel der Gesellschaft, die sich verändernde subjektive und objektive Lebenslage älterer Menschen, erfordern schon jetzt und besonders in den nächsten Jahren neue Wohn- und Pflegekonzepte.

2.1 Demografische Entwicklung

Zum strukturellen Wandel zählt insbesondere der allgemein bekannte demografische Wandel. Die Bevölkerungsstruktur wird sich bis 2060 gravierend verändern. Von 2020 bis 2060 wird die Gesamtbevölkerung um 6,95 Mio. von 83,450 auf 76,500 Mio. Einwohner sinken. Davon betroffen ist besonders die Altersgruppe der unter 65-Jährigen. Der Anteil der über 65-Jährigen wird im gleichen Zeitraum um 5,346 Mio. von 18,324 auf 23,670 Mio. Einwohner steigen. Das bedeutet, dass der prozentuale Anteil der über 65-Jährigen von 2020 bis 2060 von durchschnittlich 23 % auf 34 % steigen wird. Allerdings gibt es hierbei Unterschiede in den Regionen.

Abb. 1: Entwicklung des prozentualen Anteiles der Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung

Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Bevölkerung Deutschlands bis 2060, Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, Variante 2 (2018=100)

Von der Alterung betroffen ist insbesondere der ländliche Raum. Der Grund liegt in der Abwanderung jüngerer Menschen aus den strukturschwachen und ländlichen Räumen. „In Ostdeutschland hat zudem der Geburteneinbruch nach 1989 dazu beigetragen, dass heute in vielen Gebieten die Bevölkerung vergleichsweise alt ist. Den im Vergleich aller deutschen Kreise höchsten Anteil über 65-Jähriger wies 2017 mit über 31 Prozent die Stadt Suhl in Thüringen auf, gefolgt von der Stadt Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt und zahlreichen ostdeutschen Landkreisen. In Westdeutschland hatte der niedersächsische Landkreis Lüchow-Dannenberg mit rund 28 Prozent den höchsten Anteil älterer Menschen über 65 Jahre.

Abb. 2: prozentuale Bevölkerungsentwicklung 2012 – 2030

Quelle: Bertelsmann Stiftung: Wegweiser Kommune

In einigen Regionen ist der hohe Seniorenanteil jedoch nicht nur auf den Fortzug junger Menschen, sondern auch auf den Zuzug älterer Menschen zurückzuführen. Dazu zählt zum Beispiel die Stadt Baden-Baden in Baden-Württemberg (26,2 %), die aktiv um ältere, möglichst einkommensstarke Menschen wirbt. Auch landschaftlich attraktive Gebiete mit senioren-freundlichen Angeboten und einer Infrastruktur wie der norddeutsche Landkreis Ostholstein (27,3 %) und der bayerische Landkreis Garmisch-Partenkirchen (25 %) sind für Rentner ein attraktiver Wohnstandort.

Einen geringen Anteil älterer Einwohner haben vor allem für jüngere Zuwanderer attraktive Kreise, also viele Großstädte und wirtschaftlich starke Räume. Aber auch eine relativ hohe Geburtenrate, wie sie insbesondere im Nordwesten Deutschlands zu beobachten ist, kann den Seniorenanteil niedrig halten. Die niedrigsten Anteile verzeichneten 2017 mit unter 16 Prozent die hessische Stadt Frankfurt am Main, der bayerische Landkreis Freising sowie der Landkreis Vechta in Niedersachsen. Weniger als jeder sechste Einwohner ist dort über 65 Jahre alt“.1

– Bis 2060 wird die Anzahl der über 65-Jährigen um 5,611 Mio. steigen.

– Von 2020 bis 2060 wird der Anteil der über 65-Jährigen von 23 % auf 34 % steigen.

– Der Anteil der jüngeren Bevölkerung im ländlichen Raum wird kontinuierlich abnehmen bei gleichzeitiger Zunahme der über 65-Jährigen.

– Flexible Wohn- und Betreuungsangebote für ältere und pflegebedürftige Menschen werden auch in den nächsten 40 Jahren nachgefragt.

2.2 Lebenslage älterer Menschen

2.2.1 Rentenniveau

Die Mehrheit der derzeitigen Rentnergeneration verfügt über ein hohes Rentenniveau und oftmals über zusätzliches Vermögen. Das wird bei der zukünftigen Rentnergeneration ab 2025 nicht mehr selbstverständlich sein. Laut einer Prognos-Untersuchung aus dem Jahr 20162 werden in den kommenden 25 Jahren die Löhne real steigen. Reformbedingt werden die Renten allerdings nicht mit der Lohnentwicklung schritthalten, so dass die Altersbezüge 2040 – gemessen an den vorherigen Einkommen – niedriger ausfallen als heute. Die politische Diskussion darüber und eine weitere Reform der Renten ist derzeit bereits im Gange. Insgesamt sind bei den zukünftigen Rentengenerationen deutliche Einbußen zu erwarten, u. a. auch aufgrund durchbrochener Erwerbskarrieren, durch längere oder häufige Phasen der Arbeitslosigkeit. Die Altersarmut, besonders bei Alleinerziehenden und Geringverdienern, ist schon seit Jahren Thema in der Öffentlichkeit.

2.2.2 Haushaltsgröße

Die Zunahme der älteren Generation, die steigende Lebenserwartung und bessere Lebensqualität im höheren Alter verändert die Lebenssituation der alten Generation. Immer mehr Ältere leben im eigenen Haushalt. Die Anzahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte nimmt kontinuierlich zu. Diese Entwicklung wird dadurch unterstützt, dass aufgrund der Arbeitsmarktsituation Familien weit verstreut leben. Das Zusammenleben im größeren Familienverband an einem Ort ist damit eher die Ausnahme, nicht mehr die Regel.

Abb. 3: Entwicklung der Privathaushalte nach Haushaltsgrößen bis 2035 in 1000 (Stand 2016)

Quelle: statistischem Bundesamt (Destatis) 2017; Ergebnisse der Haushaltsvorausberechnung, S. 7

2.2.3 Veränderung Bedarfs- und Bedürfnislage Älterer

Die Bedürfnislage der Menschen über 60 Jahre ändert sich kontinuierlich. Bedingt durch eine immer besser werdende medizinische Versorgung bzw. Ernährung, verbesserte Arbeitsbedingungen und den in den letzten Jahren gestiegenen materiellen Wohlstand steigt die Lebenserwartung.

Mit zunehmendem Alter beeinflusst die Wohnsituation die Lebensqualität und Autonomie der Menschen. Mehrere Studien der letzten 20 Jahren weisen auf die zunehmende Bedeutsamkeit der Wohnsituation im Alter hin (Spangenberg 2013; Wahl 2007; Oswald 2002). Mit zunehmendem Alter schränkt sich der Aktivitätsradius des Einzelnen auf das Wohnumfeld ein (Baltes 1996). Daher ist die Lebensqualität im Alter eng mit der Qualität des Wohnens verbunden. Gerade im höheren Alter verbringen Menschen einen Großteil ihres Alltags im unmittelbaren Wohnbereich. Über drei Viertel der Tageszeit halten sie sich zu Hause auf und 80% der Tagesaktivitäten finden dort statt (Oswald 2002). Aus diesem Grund wirken sich objektive Wohnbedingungen und subjektives Wohnerleben maßgeblich auf Lebenszufriedenheit und Selbständigkeit aus3.

Allerdings darf der Aspekt der Pflegebedürftigkeit nicht unterschätzt werden. Geht man davon aus, dass die Zeitspanne des Alters von 60 bis über 90 Lebensjahre geht, so steigt die Wahrscheinlichkeit, mit zunehmendem Altem pflegebedürftig zu werden. Von insgesamt 3,3 Millionen Pflegebedürftigen (2017) waren 2,7 Millionen Pflegebedürftige älter als 60 Jahre und 1,7 Millionen Pflegebedürftige über 80 Jahre alt4. Die Wahrscheinlichkeit, in der Lebensspanne von 60 bis über 80 Jahre pflegebedürftig zu werden, ist sehr groß. Der Anteil steigt bei den 60 bis 69jähren von 3.14 % auf 33.10 % der Altersgruppe der 80 Jahre und Älteren.

Abb. 4: Anteil der Pflegebedürftigen der Altersklassen 60 bis >80 Jahre [ %]

Quelle: Eigene Berechnung nach Angaben des Statistisches Bundesamt 2018

Pflegebedürftigkeit und Versorgung im Alter spielen für die Mehrheit der Älteren eine große Rolle. In fast allen Untersuchungen der letzten Jahre lautet der Wunsch des Großteils der Bevölkerung, bei Hilfe- und Pflegebedürftigkeit möglichst in der eigenen Häuslichkeit zu verbleiben.

Eine Versorgung in stationären Pflegeheimen ist für die Mehrheit der Älteren keine Option. Der freiwillige Umzug in ein Pflegeheim ist für viele undenkbar. Eine stationäre Unterbringung kommt nur dann infrage, wenn alle anderen Optionen, in den eigenen vier Wänden zu verbleiben, nicht mehr möglich sind.

Schon 2008 wurde in einer Untersuchung der TNS Emnid-Studie festgestellt, dass, wenn die Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist, 84 % der Befragten gerne ein eigenes Appartement mit pflegerischer Betreuung beziehen würden5. Hierzu zählen in erster Linie das Betreute Wohnen bzw. Servicewohnen.

Die Anforderungen Älterer an externe Wohnformen sind sehr hoch. Laut der Bertelsmann Stiftung zählen zu den Grundbedürfnissen externer Wohnformen vorrangig folgende Faktoren6:

– die Sicherstellung von Hilfe- und Betreuungsmöglichkeiten,

– die Funktionsgerechtigkeit, die Sicherheit und der Schutz innerhalb der Wohnung, und im häuslichen/städtischen Wohnumfeld,

– der Erhalt von Eigenständigkeit,

– der Erhalt von Selbstbestimmung,

– der Erhalt von Kontinuität im täglichen Ablauf,

– der Erhalt vorhandener Kommunikations- und Kontaktmöglichkeiten,

– die Bezahlbarkeit des altersgerechten Wohnraumes.

Im Hinblick auf künftige wohnungs- und städtebaupolitische Erfordernisse im Wohnumfeld werden insbesondere folgende „Demografie sensible“ Bereiche an Bedeutung gewinnen:

– Erreichbarkeit von Infrastruktureinrichtungen, wie z. B. Einkaufsmöglichkeiten, Arztpraxen, Apotheken, Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel

– Verbundenheit mit dem Stadtteil und soziale Integration.

2.3 Gesetzliche Veränderungen

In den letzten Jahren wurde das PflegeVG mehrfach reformiert. Schrittweise wurden seit 2013 insbesondere die Leistungen der ambulanten und teilstationären Versorgung sowie der Betreuung demenziell Erkrankter erhöht. Besonders die Einführung eines eigenständigen Budgets der Tages- und Nachtpflege im Pflegestärkungsgesetz I (PSG I) führte dazu, dass die Zahl der Tagespflegeeinrichtungen in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist. Tagespflegen tragen wesentlich zur ambulanten Versorgung Pflegebedürftiger bei.

Abb. 5: Reformen des Pflegeversicherungsgesetzes seit 1995

Quelle: eigene Darstellung der Autoren; Stand: August 2019

1Demographie Portal des Bundes und der Länder: Zahlen und Fakten; Alterung regional unterschiedlich weit fortgeschritten, https://www.demografieportal.de/SharedDocs/Informieren/DE/ZahlenFakten/Aeltere-Bevoelkerung.html

2vgl. Prognos AG: Rentenperspektiven 2040, 2016

3vgl. Kuhlmeyer J., Schwinger G.: Pflege-Report 2015; Schattauer GmbH 2015

4vgl. Bundesministerium für Gesundheit (31.12.2017)

5vgl. TNS Emnid: Die Pflegesituation in Deutschland – die Sicht der Betroffenen. Bundesweite TNS Emnid-Studie im Auftrag der Marseille-Kliniken AG. Bielefeld 2008.

6vgl. Bertelsmann Stifzung: Wohnen und Lebensführung

3 Konzeption von ambulanten Quartiershäusern

3.1 Wohnen und Pflege im Alter – Notwendigkeit von Quartiershäusern

Vielfältige Untersuchungen belegen, dass sich

– die Struktur der Bevölkerung ändert7,

– die Bedürfnisse der Älteren ändern und

– die gesetzliche Finanzierung besonders Pflegebedürftiger kontinuierlich im Wandel befindet.

Um den Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden, benötigen wir neue und flexible Konzepte zur Versorgung der immer älter werdenden Generation.

Was wir zukünftig vermehrt benötigen, sind tragfähige ambulante Versorgungskonzepte. Konkret werden Konzepte benötigt, die die Heterogenität des Bedarfs und der Lebenslagen der älteren Bevölkerung berücksichtigen und eine umfassende, wohnortnahe Versorgung und Pflege zugänglich machen. Entsprechende Konzepte sollten zudem generell der Prämisse „ambulant vor stationär“ folgen und auf den Erhalt von Autonomie und Teilhabe zielen.

Die bisherigen ambulanten und teilstationären Pflegeangebote sind quantitativ ausreichend, um hilfe- und pflegebedürftige Menschen in der eigenen Häuslichkeit ansatzweise zu versorgen. Um einerseits die Bedürfnisse älterer Menschen zu erfüllen und andererseits den steigenden Hilfe- und Unterstützungsbedarf aufgrund des demografischen Wandels auch finanziell bewältigen zu können, müssen die Strukturen vor Ort durch den Ansatz der Quartiersentwicklung ausgebaut werden.

Das beschränkt sich nicht nur auf das Betreute Wohnen bzw. Servicewohnen. Neben der ambulanten Pflege in der eigenen Häuslichkeit hat sich in den letzten 30 Jahren das Betreute Wohnen bzw. Servicewohnen als eine auf den ersten Blick interessante Alternative zur vollstationären Pflege entwickelt. Laut einer Studie des KDA8 wurde beim Betreuten Wohnen zu Beginn das Thema Pflege nicht konsequent berücksichtigt. Zielgruppe waren bisher überwiegend ältere Menschen, die noch zur selbstständigen Haushaltsführung in der Lage waren.

Gemäß den Ergebnissen dieser Studie haben viele der 3.338 Mieter in 146 untersuchten Betreuten Wohnanlagen einen erheblichen Pflegebedarfs. „Rund ein Viertel der Bewohnerschaft weist den Pflegegrad 3 – 5 auf. 6,3 % der Bewohnerschaft sind schwerstpflegebedürftig und verfügen über den Pflegegrad 4 und 59.“ Die Konsequenz ist, dass ein nicht unerheblicher Anteil pflegebedürftiger Älterer, entgegen ihren Wünschen und Vorstellungen, in ein Pflegeheim umsiedeln muss. Um all die Anforderungen einer qualitativen ambulanten Versorgung zu erfüllen, bedarf es einer konzeptionellen und baulichen Weiterentwicklung von vernetzten ambulanten Wohn- und Pflegezentren.

3.2 Definition von ambulanten Quartiershäusern – Vernetzung der Wohn- und Pflegeangebote

Das Quartier bezeichnet dabei den Stadtteil und die Gemeinde, deren Bevölkerung durch eine gemeinsame Identität und eine soziale Interaktion gekennzeichnet ist.

Abb. 6: Prinzipien der KDA-Quartiershäuser

Quelle: eigene Darstellung nach Michell-Auli: Die 5. Generation: KDA-Quartiershäuser

Schon 2011 wies das Kuratorium für Altershilfe (KDA) auf die Notwendigkeit des Aufbaus von Quartiershäusern hin10. In der 5. Generation der KDA-Quartiershäuser wurde der Leitgedanke der Normalität weiterentwickelt und um die Prinzipien „Leben in Privatheit“ und „Leben in der Öffentlichkeit“ ergänzt11. Die für die vollstationäre Pflege geforderten Prinzipien lassen sich heute auch auf ambulant geführte Wohn- und Pflegequartiere übertragen. Es ist an der Zeit, die schon 2011 entwickelten Forderungen fachlich und architektonisch auf die neue Generation der ambulanten Quartiershäusern zu übertragen. Um ein ambulantes Quartiershaus erfolgreich zu implementieren, sind u. a. folgende Kriterien zu erfüllen12:

– Aufbau einer tragenden sozialen Infrastruktur (Aufbau von Nachbarschaftsarbeit),

– Schaffung generationsgerechter räumlicher Infrastruktur (Bereitstellung von Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten),

– Schaffung „bedarfsgerechter Wohnangebote“,

– Aufbau bedarfsgerechter Dienstleistungsangebote (Pflege und Betreuung, Soziales, Kultur und haushaltsnahe Dienstleistungen),

– Angebote an wohnortnaher Beratung und Begleitung.

3.3 Versorgungsstrukturen auf dem Lande

Der Aufbau von ambulanten Quartiershäusern unterscheidet sich zwischen dem städtischen und ländlichen Raum erheblich. Während in den Städten ambulante Wohn- und Pflegeangebote kontinuierlich zunehmen, ist die Versorgung im ländlichen Raum noch unzulänglich, obwohl gerade in vielen ländlichen Regionen die Zahl alter und pflegebedürftiger Menschen in den nächsten Jahren überproportional steigen wird. Ländliche Regionen werden leider noch immer in vielen Bereichen benachteiligt. Sie müssen bereits jetzt und auch zukünftig als Brennpunkte des demografischen Wandels besonders betrachtet werden.

Viele ländliche Regionen sind aufgrund ihrer Infrastruktur – d. h. schlechte Verkehrsanbindungen, geringe Angebotsdichte an kulturellen und sozialen Einrichtungen, oftmals fehlende Lebensmittelläden und rückläufige Hausarztdichte – in vielen Versorgungsbereichen benachteiligt. Die Anfahrt in größere Kommunen ist für ältere, immobile und hilfebedürftige Menschen beschwerlich. Im Kapitel „Sozialräumliche Ungleichheiten im Kontext ländlicher Räume“13 des „Siebten Altenberichts des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ wurde mittels Untersuchungen festgestellt, dass „die mangelhafte Ausstattung des ländlichen Raumes mit (infrastrukturgebundenen) Freizeiteinrichtungen […] nicht generell zu stärkerer Fernorientierung [führt]. Vielmehr besteht im ländlichen Raum eine starke Ortsgebundenheit“14. Es droht deshalb der Ausschluss einer zunehmenden Anzahl älterer und insbesondere hochaltriger Menschen von Infrastruktureinrichtungen und aus dem gesellschaftlichen Leben, insbesondere dann, wenn sie fehlende Infrastrukturen nicht mithilfe eigener finanzieller Mittel kompensieren können.

Die Ungleichheiten zwischen Stadt und Land betreffen auch den Bereich der Pflege. Es gibt zwar im ländlichen Raum und in den sogenannten Mittelzentren ambulante und vollstationäre Pflegeangebote. In kleinen Kommunen (unter 5.000 Einwohner) fehlt es jedoch an vernetzten, abgestuften Wohn- und Pflegeangeboten.