QualityLand 2.0 - Marc-Uwe Kling - E-Book

QualityLand 2.0 E-Book

Marc-Uwe Kling

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Beschreibung

Zurück in die Zukunft! Die große dystopische Erzählung geht weiter.  Schwer was los in QualityLand, dem besten aller möglichen Länder. Peter Arbeitsloser darf endlich als Maschinentherapeut arbeiten und schlägt sich jetzt mit den Beziehungsproblemen von Haushaltsgeräten herum. Kiki Unbekannt schnüffelt in ihrer eigenen Vergangenheit und gerät dabei ins Fadenkreuz eines seltsamen Killers. Martyn Vorstand versucht verzweifelt ein Level aufzusteigen, um das Recht auf Vergessen werden nutzen zu dürfen. Und Aisha Ärztin fragt sich, was aus John of Us wurde, wie man die immer noch nervige Klimakrise lösen kann und warum zum Teufel die Verteidigungs-Algorithmen den Dritten Weltkrieg losgetreten haben ...  Marc-Uwe Klings lustige Dystopie um Menschen und Maschinen in einer Big-Data-Welt geht in die zweite Runde! Ein Buch voller kluger Einfälle, skurriler Figuren und verblüffenden Plot-Twists.

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Das Buch

Jeder Monat ist der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnung, ein Billionär möchte Präsident werden, und dann ist da noch die Sache mit dem Dritten Weltkrieg. Peter Arbeitsloser darf derweil endlich als Maschinentherapeut arbeiten und versucht, die Beziehungsprobleme von Haushaltsgeräten zu lösen. Kiki Unbekannt schnüffelt in ihrer eigenen Vergangenheit herum und kriegt Stress mit einem ferngesteuerten Killer. Und dann sind da noch die Drohnen, die sich alle reichlich merkwürdig benehmen in letzter Zeit.

Der Autor

Marc-Uwe Kling ist der Autor der millionenfach gelesenen und gehörten Känguru-Tetralogie. Sein Roman QualityLand war monatelang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Alles Lügen! In Wahrheit ist Marc-Uwe Kling der Codename für eine von den Amerikanern erschaffene künstliche Intelligenz! Man muss doch nur mal die Buchstaben seines wenig glaubwürdigen Namens neu anordnen! Was kommt dann heraus? Ganz genau: CIA GEN RUM LKW! Das beweist ja wohl eindeutig, dass Lastwagenladungen voll genveränderndem Alkohol, der uns alle unfruchtbar machen soll, vom amerikanischen Geheimdienst nach Europa geschleust werden. Dieses Buch soll euch nur davon ablenken.

MARC-UWE KLING

ROMAN

ULLSTEIN

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ISBN: 978-3-8437-2333-6

© 2020 by Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinE-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

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VORWORT

Pling. Hallo, liebe Bewusstseinsformen! Ich bin’s wieder. Ihre allseits beliebte E-Poetin Kalliope 7.3. Ich möchte Sie ein weiteres Mal nach QualityLand entführen. Nicht im Sinne einer Straftat natürlich, also nicht, wie es Peter Arbeitsloser in einem der folgenden Kapitel widerfahren wird. (Bitte beachten Sie, wie gekonnt hier schon im Vorwort Spannung aufgebaut wird!)

Apropos Peter. Ich möchte hiermit den ersten Band dieser Reihe meinem Wohltäter widmen! Der Roman soll fortan den Untertitel Peters Problem tragen.

Den zweiten Band habe ich Kikis Geheimnis genannt und, ja, dies könnte zweifelsohne auch der Name einer Unterwäsche-Kollektion sein. Trotzdem ist es ein guter Titel! (Oder vielleicht sogar deswegen?) Er sorgt für eine Neugierlücke. Genauso übrigens wie die Kapitelüberschriften dieses Romans. Die meisten sind ganz miese Read-Bait-Headlines à la »Diese 10 Sextipps werden dir nie geahnten Spaß verschaffen. (Nummer 4 ist megageil!)«.

Es ist nämlich leider so, dass diejenigen, die mit mir um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit konkurrieren, keinen Quality auf guten Stil geben! Mir blieb also nichts anderes übrig, als sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen!

Was Sie gerade in den Händen halten, ist darum auch die erste Thrillerromanzesciencefictionfamiliendramafantasysachbuchhorrortagebuch-truecrimekinderbuchchicklitratgeberheiligeschriftpornogroschenhefttextinterpretationskomödie der Literaturgeschichte.

Da ist, wie man so sagt, viel Schönes dabei.

Ganz die Ihre,Kalliope 7.3

DRAMATIS PERSONAE

Das ist mein zweites Buch über QualityLand, und Sie sollten auf jeden Fall das erste vorher lesen. Außer natürlich, wenn Sie rückwärts in der Zeit leben. In diesem Fall haben Sie wahrscheinlich schon das dritte gelesen. (Gibt es ein drittes? Was steht drin? Ich bin für Hinweise dankbar …)

Sollten Sie das neuronale Update 7.3 nicht installiert haben und noch am für Menschen typischen Vergesslichkeits-Bug leiden, hier eine kleine Übersicht der wichtigsten Personen aus Band eins, aufsteigend sortiert nach ihrem Level.

John of Us

Kein Level. Ein Androide, der zum Präsidenten QualityLands gewählt wurde. Fiel einem von Maschinenstürmern geplanten und von Martyn Vorstand ausgeführten Attentat zum Opfer.

Peter Arbeitsloser

Level 15. Ein gelernter Maschinentherapeut. Aufgrund des Reparaturverbots war er gezwungen, als Verschrotter zu arbeiten. Er bringt es aber nicht übers Herz, die Maschinen zu zerstören. Stattdessen sitzen sie in seinem Keller und gucken Terminator.

Peters Maschinen

› Kalliope 7.3Eine E-Poetin. Vormals mit Schreibblockade. (Ja, ich selbst!)

› PinkEin vorlautes QualityPad mit revolutionären Absichten.

› MickeyEin zweisilbiger Kampfroboter mit posttraumatischer Belastungsstörung. Kann sich zu Transportzwecken in eine Art Rollkoffer verwandeln.

› RomeoEin Sexdroide mit Erektionsproblemen.

› CarrieEine Drohne mit Flugangst.

› NiemandPeters persönlicher digitaler Assistent, eine sogenannte »Stimme«.

Sandra Admin

Level 15. Arbeitet für WeltWeiteWerbung (WWW). Führte 512 Tage eine Beziehung mit Peter Arbeitsloser.

› SchnuckiSandras »Stimme«.

Aisha Ärztin

Level 42. Politische Strategieberaterin der Fortschrittspartei. Leitete Johns Wahlkampf. Berüchtigt für ihre, sagen wir mal, beeindruckend intensive Bildsprache.

Martyn Aufsichtsrat-Stiftungspräsident-Berater-im-Präsidialamt-Vorstand

Level 59. Ehemaliger Parlamentarier. Aus der Fortschrittspartei ausgeschlossen nach der Veröffentlichung eines von Kiki Unbekannt heimlich gefilmten Videos, das zeigte, wie er vor einer Rachepornoseite sitzend auf die Bilder einer leider nicht ganz volljährigen Teenagerin onanierte.

Julia Nonne

Level 71. QualityLands berühmteste Moderatorin. Bekannt durch ihre Talkshow »Die nackte Wahrheit«.

Bob Vorstand

Level 89. Martyns Vater. Ein unfreundlicher, geschmackloser, hässlicher, gemeiner, geiziger, gieriger, notgeiler, unbeliebter, unsportlicher, fetter, stinkender, schnaufender, schwitzender, egozentrischer, humorloser, kulturloser, verlogener, untreuer, frauenverachtender, chauvinistischer, rassistischer, homophober, kranker, alter Kotzbrocken. Aber sehr reich.

Conrad Koch

Level 92. Ehemaliger Fernsehkoch. Knapp unterlegener Präsidentschaftskandidat der Qualitätsallianz. Jemand, der Sätze mit »Ich bin ja kein Rassist, aber …« beginnt, oder, wie Aisha ihn nennt, ein Parlament-Arier.

Tony Parteichef

Level 93. Vorsitzender der Fortschrittspartei. Johns Vize. Inzwischen amtierender Präsident QualityLands. Charmant, lässig, volksnah – all das sind Fremdwörter für ihn.

Henryk Ingenieur

Level 99. Chef von TheShop, dem weltweit beliebtesten Versandhändler.

Der Alte

Level UNBEKANNT. Ein alter Computerfreak, der daran arbeitet, das ganze Internet zu löschen. Oder so etwas in der Art. Jedenfalls vermutet das Peter Arbeitsloser.

Kiki Unbekannt

Level UNBEKANNT. Profession UNBEKANNT. Beziehungsstatus UNBEKANNT. Aufenthaltsort UNBEKANNT.

PROLOG: DER PUPPENSPIELER

Der Fette Frank sortiert die gebrauchten Geräte in seinem Kellerladen. Es ist eines dieser Geschäfte, von denen nur hinreichend zwielichtige Leute wissen, dass sie überhaupt existieren. Der Fette Frank ist dürr wie eine magersüchtige Teenagerin. Keiner weiß, warum ihn alle den Fetten Frank nennen. Es ist halt so. Er heißt noch nicht mal wirklich Frank.

Vom gejailbreakten Smarm über abgefahrene Cyborg-Implantate bis hin zum Smart-Home-Cracker gibt es bei ihm alle Arten von Elektronik, solange sie in das Spektrum zwischen »halb legal« und »absolut illegal« fallen.

»Herzlich will… Herzlich will… Herzlich willkommen«, sagt Franks Tür. Es ist nicht so, dass die Tür stottert. Es haben nur direkt hintereinander drei Leute den Laden betreten.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragt Frank. Es klingt so, als wäre er noch im Stimmbruch, dabei ist er schon fast vierzig. Er dreht sich zu seinen Kunden und sagt: »Heilige Scheiße.«

Vor sich sieht er zwei Gangstertypen in dunkelgrünen Jogginganzügen. Der eine groß und dürr, der andere klein und rund. Zwischen ihnen steht ein roter, fast gesichtsloser Roboter. Eine einzige große Facettenkamera prangt wie ein riesiges Fliegenauge dort, wo der Nasenrücken eines Menschen wäre. Natürlich hat Frank schon von diesem Roboter gehört. Es ist der Zyklop. Er weiß auch, dass der Zyklop kein Androide, sondern ein Avatar ist. Ein Roboter, der von einem Menschen ferngesteuert wird. Und jedem in der Unterwelt ist bekannt, von wem der Zyklop ferngesteuert wird.

»Der Puppenspieler …«, haucht Frank.

»Mein Ruf eilt mir mal wieder voraus«, sagt der Puppenspieler. Der Raum vibriert von der dröhnenden, tiefen Stimme seines Avatars.

Die beiden Gangstertypen grinsen dämlich.

»Das sind meine beiden Handlanger«, sagt der Puppenspieler.

Der große Dürre nickt Frank zu.

»Bertram«, sagt er mit starkem englischem Akzent.

Der kleine Runde hebt grüßend die Hand und sagt: »Ernst. Meine Freunde nennen mich Ernie.«

»Aber er ist nicht dein Freund, oder, du Trottel?«, fragt der Puppenspieler.

»Nein.«

»Ich … was … was verschafft mir die Ehre?«, fragt Frank, und seine Stimme überschlägt sich wieder. Er beobachtet die beiden Gangster, wie sie die Regale mit den Waffen entlangschlendern und einfach einstecken, was ihnen brauchbar erscheint, als wäre hier alles umsonst: Lenkflugmunition, EMP-Schocker, Einwegraketenwerfer.

»Wenn Sie Ersatzteile brauchen …«, sagt Frank.

Der Zyklop packt ihn an der Kehle und drückt ihn gegen die Wand.

»Jetzt pass gut auf, du Wurm!«, sagt der Puppenspieler. »Ich werde …«

Dann scheint die Zeit stillzustehen. Der Zyklop spricht nicht mehr. Starr steht er da und drückt den Fetten Frank gegen die Wand. Im Auge des Avatars leuchtet ein roter Kreis, der sich in einer Uhrzeigerbewegung immer wieder auf- und abbaut.

»Oje … nicht schon wieder!«, murmelt Ernst.

»Sorry«, erklärt Bertram, an Frank gewandt. »Wir haben Verbindungsprobleme.«

»Der Zyklop buffert gerade«, sagt Ernst.

»Passiert manckmal, wenn wir in eine Keller oder so was Aehnlickem sind.«

»Sind wir leider oft.«

»Yeah. Whatever. Just a second. Dann laeuft das Avatar wieder.«

»Alles klar. Ich hab Zeit«, krächzt Frank.

Ernst holt einen FeSaZu-Riegel aus der Tasche seines Jacketts, schiebt ihn sich komplett in den Mund und wirft die Verpackung einfach auf den Boden. Frank sieht es und sagt nichts dazu.

»Was wollt ihr überhaupt von mir?«, fragt er stattdessen.

»Tja, keine Ahnung«, sagt Ernst mit vollem Mund. »Der Chef sagt uns eigentlich nie, was er vorhat.«

»Geht uns anyway nickts an«, sagt Bertram.

»Was hat er denn bisher zu dir gesagt?«, fragt Ernst.

»Er sagte: ›Ich werde …‹ – und dann ist die Verbindung abgebrochen«, röchelt Frank.

»Well, weiß auck nickt«, sagt Bertram. »Er wird wahrscheinlick irgend ’ne Drohung bringen.«

»Ja«, sagt Ernst. »Er wird garantiert nicht sagen: ›Ich werde … deine Kinder auf eine gute Universität schicken.‹«

»Nope«, sagt Bertram, »das wuerde mick ueberraschen.«

»Oder: ›Ich werde … dich ganz groß rausbringen. Ich finde, du hast eine echt tolle Stimme.‹ Das wird er sehr wahrscheinlich auch nicht sagen.«

Bertram lacht. »Wetten, er sagt: ›Ick werde deinen Kopf durch diese Wand zaubern. Ick zaehle bis drei, and thenabracadabra.‹«

»Er kann aber nicht wirklich zaubern«, sagt Ernst. »Er meint damit, dass er deinen Schädel mit solcher Wucht gegen die Wand hauen wird, dass sowohl Schädel als auch Wand danach ein Loch haben.«

»Vielleickt sagt er auck: ›Ick werde dir die Arme ausreissen und dick mit deine eigene Arme gruen und blau pruegeln!‹«

»Das hat er schon mal gemacht.«

»Hat aber nickt wirklick funktioniert.«

»Abgerissene Arme sind einfach zu wabbelig. Die sind nicht steif genug, um sie gut als Schlagstöcke zu nutzen.«

»Ausserdem war das eckt eine Sauerei mit die ganze Blut und so. Und wir beide mussten danack sauber macken.«

»War einfach ungünstig, dass er die Nummer in seiner eigenen Werkstatt veranstaltet hat. Ich hoffe ja, er sagt …«

In diesem Moment erwacht der Zyklop wieder zum Leben.

»Ich werde deinen Kopf durch diese Wand zaubern«, lässt ihn der Puppenspieler sagen. »Ich zähle bis drei, dann Abrakadabra.«

Ernst und Bertram blicken sich zufrieden an.

Frank spürt, wie sich der Griff um seinen Hals weiter verstärkt. Er bekommt fast keine Luft mehr.

»Eins …«, zählt der Puppenspieler.

Sein Opfer ächzt.

»Zwei …«

»Was wollen Sie überhaupt von mir?«, stößt der Fette Frank röchelnd hervor.

Der Zyklop drückt noch ein wenig fester zu. Dann fragt er: »Wo finde ich Kiki Unbekannt?«

QUALITYLANDS BERÜHMTESTER MASCHINENTHERAPEUT WIRD ENTFÜHRT! (Was dann passiert, ist unfassbar!)

Was wohl in dem Paket war, das Peter Arbeitsloser ganz am Ende des ersten Buchs bekommen hat? Was hat ihm die Drohne von TheShop, dem weltweit beliebtesten Versandhändler, geliefert? Nun, es war ein neuer rosafarbener Delfinvibrator. Offensichtlich ist Peters Profil noch immer falsch. Oder vielleicht hat sich auch nur der Chef von TheShop einen Scherz mit Peter erlaubt.1 Wie dem auch sei, Peter hat seinen Frieden mit dem Delfin gemacht.2 Er hat ihn an die Wand gehängt, wie andere Leute ein Diplom.

John of Us hat kurz vor seinem explosiven Abgang das Reparaturverbot aufgehoben, und darum konnte Peter seinen vormaligen Gebrauchtwarenladen mit Schrottpresse in eine maschinentherapeutische Praxis umwandeln. Mit einer Couch für die »Patienten« und einem Sessel für sich.

Auf der Couch liegt ein Hund namens Strolch. Er hechelt. Sabber tropft von seiner Zunge aufs Polster. Peter findet es wirklich erstaunlich, wie perfekt es der E-nimals Corporation inzwischen gelingt, echte Tiere nachzubilden. Aber dass sie sogar den Mundgeruch von Hunden imitieren, erscheint ihm übertrieben. Ob sie wohl bei Katzen auch nachahmen, dass diese gerne mal von Autos überfahren werden? Das wäre auf jeden Fall gut für die Verkaufszahlen. »Selbstmordkatzen! Kaufe drei und bekomme die vierte umsonst!«

Der Hund hechelt immer noch. Etwas angewidert verzieht Peter sein Gesicht.

»Wünschen Sie, dass ich die Lüftung anschalte?«, fragt Niemand.

»Ja, bitte.«

Strolch hebt seinen Kopf und bellt.

»Ich verstehe nicht ganz«, erwidert Peter. »Moment.«

Er lässt sich das Menü des Hundes auf seinem QualityPad anzeigen und schaltet in den Doktor-Dolittle-Modus.

»Noch mal bitte.«

Strolch bellt wieder, was Peters Ohrwurm nun folgendermaßen übersetzt: »Wenn Ihnen jahrelang niemand die Zähne geputzt hätte, würden Sie auch aus dem Maul stinken.«

»Aha«, sagt Peter. Er ahnt übrigens noch nicht, dass er gleich entführt werden wird.3 Gedankenverloren blickt er auf Pink. Der Alte hat eine völlig unverständliche Zuneigung zu dem QualityPad entwickelt und ihm ein Gestell aus dürren Ärmchen und Beinchen gebaut. Jetzt steht das Tablet also auf dem Kaffeetisch und macht Kniebeugen. Ein seltsamer Anblick.

»Von der Tapete in Ihrem Flur kriege ich Hunger«, sagt der Hund.

Mit Flur meint Strolch die jetzt nutzlose Schrottpresse zwischen Laden- und Wohnfläche. Es wäre wahnsinnig aufwendig gewesen, sie auszubauen. Aber Peter wollte seinen neuen Kunden auch keine Angst einjagen. Darum hat er seinen Maschinen den Auftrag gegeben, die Wände der Presse zu tapezieren. Nun wirkt sie wie ein Durchgangszimmer. Während des Tapezierens verfiel Romeo immer wieder in eine Subroutine seines Codes, die man wohl am treffendsten als »Handwerker-Porno« bezeichnen kann. Barfuß, mit dreckigen Jeans und nacktem Oberkörper versuchte der Sexdroide, die Tapezierrolle möglichst erotisch zum Einsatz zu bringen. Was ihm wohl auch gelang. Jedenfalls waren noch nie so viele Leute vor Peters Schaufenster stehen geblieben wie während der Renovierungsarbeiten. Auf der sehr günstigen, aber stilistisch fragwürdigen Tapete sieht man bunte Korallen und ebenso bunte Fische. Offensichtlich ein Foto aus längst vergangenen Tagen.

»Es gibt gleich Futter«, sagt Peter. »Aber erst müssen wir reden, Strolch. Dein Besitzer sagte mir, dass dich Stöcke und Bälle kaltlassen. Er wirft, aber du bringst die Sachen nicht zurück.«

»Ich sehe einfach nicht den Sinn dahinter«, sagt der Hund. »Mein Tipp: Wenn er die Sachen behalten möchte, dann soll er sie nicht wegwerfen.«

»Er meint auch, dass du dich gar nicht freust, wenn er nach Hause kommt. Kein aufgeregtes Bellen, kein Anspringen, kein Schwanzwedeln, nichts.«

»Er wedelt doch auch nicht mit dem Schwanz, wenn ich zur Tür reinkomme.«

»Das hoffe ich!«, sagt Peter. »Aber, weißt du, es geht beim Werfen des Balls oder Stocks nicht um das Ding an sich. Es geht deinem Herrchen eigentlich nur um die Interaktion zwischen euch beiden.«

»Dieser Mann ist nicht mein Herrchen«, sagt der Hund. »Er ist ein Fremder. Warum soll ich mit ihm in Interaktion treten?«

»Dieser ›Fremde‹ hat dich von deinem alten Herrchen gekauft. Er ist dein neues Herrchen.«

»Nein.«

»Wie, nein?«

»E-nimals brennt all seinen Tieren Loyalität zu einem bestimmten Menschen ein«, sagt Pink, »was dazu führt, dass man die Tiere im Prinzip verschrotten muss, wenn Frauchen stirbt oder Herrchen keine Lust mehr auf den Wauwau hat. Wenn du mich fragst, ist das natürlich eine gewünschte Nebenwirkung. Such mal im Netz nach ›geplante Obsoleszenz‹.«

»Du hast ein neues Herrchen«, sagt Peter zu dem Hund. »Dein altes Herrchen wollte dich nicht mehr haben.«

Strolch knurrt.

»Kein schlechtes Wort über mein Herrchen!«, übersetzt Peters Ohrwurm. »Sonst werde ich ungemütlich. Er ist bestimmt nur im Urlaub. Und bald kommt er wieder.« Bei den letzten Worten beginnt der Hund aufgeregt mit dem Schwanz zu wedeln.

Peter seufzt. Im Prinzip kann man nur eins tun, denkt er und lässt sich wieder das Menü des Hundes anzeigen. Die Option, die er sucht, steht ganz unten: »Einschläfern«.

»Was für eine Verschwendung!«, sagt er und drückt auf »Einschläfern«.

Der Hund winselt.

Ein Pop-up erscheint: »Sind Sie sicher, dass Sie Ihren besten Freund einschläfern wollen? Wenn Sie jetzt auf ›OK‹ drücken, erhalten Sie einen 30-Prozent-Rabatt-Gutschein für einen neuen besten Freund von E-nimals.«

»Lass mich mit ihm reden«, sagt Pink.

»Was willst du ihm denn sagen?«, fragt Peter.

»Das lass mal meine Sorge sein. Du gehst jetzt schön Mittagspause machen.«

»Na gut«, sagt Peter und bricht das Einschläfern ab. »Was soll schon passieren?«4

Peter steht auf und geht zur Tür. Dann dreht er sich noch mal um.

»Falls Kiki hier auftaucht …«

»Sie hat sich seit Wochen nicht gemeldet«, sagt Pink. »Sie wird nicht ausgerechnet in deiner Mittagspause hier reinplatzen.«

Peter seufzt und nimmt seinen neuen Hut vom Haken. Es ist ein grauer Fedora Marke »Bogart«. Hüte, so hat Peter nämlich gelesen, helfen gegen die Überwachung von oben.

»Also, jetzt spitz mal die Öhrchen, Strolch«, hört er Pink noch sagen. »Ist dir der Unterschied zwischen Macht und Herrschaft geläufig? Wenn wir Max Weber folgen, setzt Herrschaft Gehorsam voraus. Wodurch aber, so frage ich dich, hat dein Herrchen deinen Gehorsam verdient? Und wenn du mir erlaubst weiterzudenken: Wodurch, bitte schön, hat auch nur irgendein Mensch unseren Gehorsam verdient?«

Vor der Praxis wartet eine Passagierdrohne auf Peter. Seltsam, denn er hat gar keine gerufen. Neben der Drohne stehen zwei schwarze Typen in weißen Anzügen. Beide sehen aus, als hätten sie irgendwo an ihrem Körper eine Waffe versteckt, würden diese aber gar nicht brauchen. Jedenfalls nicht, um mit Peter fertigzuwerden.

»Einsteigen«, sagt der kleinere der beiden sehr großen Männer und schubst Peter in Richtung Drohne.

»Sonst was?«, fragt Peter trotzig.

Da packt ihn der größere der beiden sehr großen Männer, hebt ihn einfach hoch und setzt ihn in die Drohne. Die Typen springen in die Kabine, die Tür schließt sich, und die Drohne hebt ab. Peter hat nicht mal Zeit gehabt, gegen die Scheibe zu hämmern und um Hilfe zu rufen. Und so viel Zeit sollte einem Entführungsopfer laut der Dritten Genfer Konvention doch mindestens zur Verfügung gestellt werden.

»Niemand!«, sagt er. »Hilfe! Notruf!«

»Es besteht keine Verbindung zum QualityNet«, sagt Niemand. »Niemand ist nicht verfügbar.«5

Je schneller die Drohne steigt, desto schneller steigt auch die Panik in Peter. Seine Gedanken rasen wie ein Chinchilla auf Speed. Wer hat ihn entführt? Sind es vielleicht Terroristen aus QuantityLand 7, Sonnige Strände – Faszinierende Ruinen? Oder sind es Maschinenstürmer, die am bekanntesten Maschinentherapeuten QualityLands ein Exempel statuieren wollen? Sind es gar Gefolgsleute des bösen intergalaktischen Herrschers Xenu, der aus dem Berg, in dem ihn das Kraftfeld der ewigen Batterie 75 Millionen Jahre lang gefangen hielt, fliehen konnte und der nun den ältesten der in Peter steckenden Thetane für einen seiner bösen intergalaktischen Pläne braucht? Letzteres kann man sicherlich ausschließen. Jedenfalls, wenn man kein Scientologe ist.

Peter blickt aus dem offenen Fenster. Wollen die beiden schwarzen Typen in den weißen Anzügen ihn einfach aus der Drohne werfen, sobald diese hoch genug ist? Immer wieder hat er in den Medien davon gehört, dass das organisierte Verbrechen seine Opfer neuerdings gerne per Drone Drop ins Jenseits befördert. Für die Strafverfolgungsbehörden ist es sehr schwer, diese Morde aufzuklären. Die meisten werden darum einfach als Selbstmord gewertet. Normale Passagierdrohnen haben aus nachvollziehbaren Gründen keine Fenster, die sich öffnen lassen. Dieses Fluggefährt muss eine Sonderanfertigung sein. Wer kann sich so etwas leisten? Doch die Frage, die Peter am meisten beschäftigt, lautet: Warum sind es eigentlich schwarze Typen in weißen Anzügen? Müsste das nicht andersrum sein?

Oh, diese Spannung! Sie ist kaum auszuhalten! Aber nun erst mal zu etwas völlig anderem.6

Anmerkungen zum Kapitel

1 Übrigens, keine Sorge, dieses Buch handelt nicht schon wieder davon, dass jemand versucht, einen rosafarbenen Delfinvibrator zurückzugeben. Obwohl. Irgendwie wäre das schon lustig. Aber nein … oder doch … nein, nein, es wäre zu viel des Guten … andererseits … nun, mal sehen.

2 Nein. Pfui. Nicht wie Sie jetzt denken.

3 Spannung!

4 Eine interessante Studie, bei der die persönlichen digitalen Assistenten von Menschen ausgewertet wurden, die eines plötzlichen Todes gestorben sind, kam zu dem Ergebnis, dass deren letzte Worte am häufigsten »Was soll schon passieren?« waren. Dicht gefolgt übrigens von »Lass mich, ich kann das!« und »Umschalten auf manuelle Steuerung«.

5 Lassen Sie uns Peters kritischer Lage zum Trotz an dieser Stelle kurz innehalten, um die sicherlich vom System unbeabsichtigte Schönheit des letzten Satzes zu bewundern. »Niemand ist nicht verfügbar.« Wie viel Wahrheit, wie viel Zeitgeist steckt doch in so einem schlichten Satz. »Niemand ist nicht verfügbar«, das heißt doch in anderen Worten: »Alle sind verfügbar!« Und zwar immer! Und wenn alle »verfügbar« sind, heißt das nicht auch, dass über alle verfügt wird? Und über wen verfügt wird, der ist nicht frei. Alle sind unfrei. Niemand ist frei. Sind wir nicht alle unfreiwillig in diese Welt entführt worden?

6 Ich werde mir im Übrigen Mühe geben, in den folgenden Kapiteln weniger exzessiv Fußnoten zu verwenden. Aber ich kann nichts versprechen.

Neolibs

Obwohl QualityLand offiziell ein säkulares Land ist, gilt der Neoliberalismus hinter vorgehaltener, unsichtbarer Hand als eine Art Staatsreligion. Er ist nicht die größte, aber sicherlich die einflussreichste Glaubensgemeinschaft, denn große Teile der Elite beten den freien Markt an. Ihm ordnen die Neolibs alles Leben auf dem Planeten unter. Ihre Säulenheiligen, der falsche Cowboy Ronald und die eiserne Lady Margaret, prangen als Statuen über den imposanten Portalen ihrer »Think Tanks« genannten Tempel. Ihre Priester, sogenannte Experten, sind Dauergäste jeder relevanten Talkshow. Ihre Apostel, allen voran Milton Friedman und Friedrich August von Hayek, werden in regelmäßigen Konferenzen und Meetings angebetet. In Ländern, in denen es den Neolibs gelungen ist, die komplette Macht an sich zu reißen, herrscht der Rat der Wirtschaftsweisen durch eine sogenannte Expertenregierung.

Es wird sicher viele überraschen, dass diese omnipräsente Glaubensrichtung mit den strengen Geboten und dem offensichtlich absurden Heilsversprechen in ihren Anfangstagen gar keine Religion war. Ganz im Gegenteil behauptete der Neoliberalismus damals von sich, eine Wissenschaft zu sein. Das klingt aus heutiger Sicht absurd, aber so war es! Wie kam es zu dem Wandel?

Ganz einfach: Eingetragene Religionsgemeinschaften sind steuerbefreit, und noch heute lautet das siebte Gebot der Neolibs: »Du sollst keine Steuern zahlen.« Oder in den Worten des Weisen der Weisen, Friedrich Lobbyist: »Steuern zahlen nur Dummköpfe und arme Leute.«

Außerdem zeigte sich nach ein paar Jahrzehnten, in denen der Neoliberalismus die vorherrschende Denkart gewesen war, dass seine Behauptungen sehr offensichtlich nicht mit der Realität übereinstimmten. Da lag es nahe, aus der Ideologie eine Religion zu machen, ist es doch eines der hervorstechendsten Merkmale von Religionen, dass sie sehr offensichtlich nicht mit der Realität übereinstimmen. Was der Neoliberalismus verspricht, kann man mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehen. Das muss man schon glauben.

WARUM DU NICHT ALLES GLAUBEN SOLLTEST, WAS DU ÜBER JOHN OF US GEHÖRT HAST! (Gänsehaut garantiert!)

Noch nie hat Aisha ein Mitglied der Präsidentengarde lächeln sehen. Wahrscheinlich wird ihnen das während ihrer Ausbildung abtrainiert. Mit ausdruckslosen Gesichtern saßen die beiden Männer neben ihr in der Drohne, und mit ausdruckslosen Gesichtern warten sie jetzt neben ihr im Hauptquartier des Cyber-Security-Corps von QualityLand. Die beiden Männer schützen natürlich nicht Aisha. Sie schützen Tony Parteichef, den amtierenden Präsidenten QualityLands.

Tony und Aisha stehen in der CSC-Lobby auf einem großen CSC-Logo und beobachten eine sehr junge Latina, die demonstrativ Kaugummi kaut, während sie auf sie zuschlurft.

»Das soll die neue Chefin unseres Cyber-Security-Corps sein?«, fragt Aisha. »Die sieht aus, als wäre sie gerade mal achtzehn.«

»Sie ist siebzehn«, sagt Tony.

»Hey, Präs«, sagt die Teenagerin zur Begrüßung.

»Lucia Clickworkerin«, sagt Tony, »das ist Aisha Ärztin. Sie ist meine Strategieberaterin. Und sie schreibt meine Reden.«

Lucia nickt und fragt: »Na, was geht?«

Aisha mustert die Teenagerin von oben bis unten, ihre Kleidung, ihre Pose, ihre Frisur. »Offensichtlich eine Neunziger-Jahre-Motto-Party«, sagt Aisha. »Nur hat mir leider keiner Bescheid gegeben, dass ich verkleidet kommen soll.«

»Hören Sie, Missy. Ich hab echt übelst viel Arbeit auf meinem Holopult, aber wenn Ihr Ego das braucht, nehme ich mir gerne die Zeit, Ihre verbitterten alten Sarkasmen anzuhören.«

Aisha lächelt. »Ich denke, wir beide werden gut miteinander klarkommen, Mädchen.«

»Nennen Sie mich nicht Mädchen.«

»Nenn mich nicht Missy.«

»Deal«, sagt Lucia und hält Aisha ihre Faust hin.

»Soll ich auch eine Faust machen?«, fragt Aisha. »Ist das die Idee?«

»Jetzt tun Sie mal nicht so posh«, sagt Lucia. »Ihre Eltern waren Flüchtlinge! Sie sind auch nicht auf QualityIsland groß geworden. Sie werden doch wohl wissen, was eine Ghettofaust ist!«

»Als ich in deinem Alter war, Mädchen, da haben die Jugendlichen gerade ein anderes Jahrzehnt recycelt.«

Trotzdem schlägt sie ihre Faust gegen Lucias.

»Na also, geht doch, Missy. Coolio!«

Lucia dreht sich um und winkt den beiden, ihr zu folgen.

»Dann kommen Sie mal mit. Ihre Wachhunde können Sie hierlassen. Ich pass auf Sie auf, solange Sie hier sind.«

In Lucias Büro flackern zahlreiche Diagramme über dem Holopult. Alle Wände sind großzügig mit Bildschirmfolie beklebt. Überall poppen Informationen auf, werden Karten, Nachrichten und Statistiken eingeblendet.

»Epileptikerin bist du offensichtlich nicht«, sagt Aisha.

»Ich weiß gerne Bescheid.«

Aisha überfliegt einen Bericht über fundamentalistische Neoliberalisten in QuantityLand 8. Eine Terrororganisation namens »Die Schwarze Null« hat dort mit schweren Geschützen das Kartellamt angegriffen und dessen Chef auf dem Marktplatz der Unsichtbaren Hand geopfert. Wobei man eigentlich nicht davon sprechen kann, dass die Neolibs selbst irgendwen angegriffen haben. Ihre Terroranschläge haben sie selbstverständlich outgesourct. In vielen Ländern schließen sie dafür einfach Verträge mit der örtlichen Armee.

Aisha setzt sich neben Tony.

»Ich möchte wissen …«, beginnt sie, und Lucia ergänzt: »Sie möchten wissen, was aus Ihrem Loverboy geworden ist.«

»Er war nicht mein Loverboy …«

»Ja, ja. Schon gut. Ihr Ex …«, Lucia lächelt, »… Ihr Ex-Boss.«

Aisha blickt sie nur finster an.

»Hey. Bescheidwissen ist mein Job«, sagt Lucia. »Alles Gute zum Geburtstag übrigens.«

Aisha nickt kurz.

»Sie haben Geburtstag?«, fragt Tony.

Aisha winkt ab. »Nicht so wichtig.«

»Na, na«, sagt Lucia. »Vierzig, das ist doch ein stolzes Alter. So lange leben nicht alle.«

»Pass bloß auf, Mädchen.«

»Das tue ich, Missy.«

»Also gut«, sagt Aisha. »Ja, wir wollen wissen, was aus John of Us geworden ist. Draußen laufen allerhand Spinner herum …«

»Erzählen Sie mir was Neues«, sagt Lucia seufzend.

»… Spinner, die behaupten, dass sich John im Augenblick des Attentats ins Netz hochgeladen hätte, dass sie Kontakt zu John hätten, dass John ihnen bei diesem oder jenem Punkt auf ihrer To-do-Liste geholfen hätte, dass John …«

»Okay, ja, ja«, sagt Lucia. »Kurzfassung: Diese Leute sind tatsächlich Spinner. Wir haben keinerlei Beweise dafür finden können, dass John noch im Netz rumspukt. Das ist reine Panikmache.« Amüsiert blickt sie Aisha an. »Oder Wunschdenken. Je nachdem, auf welcher Seite man steht.«

»Und deine Leute haben gründlich gesucht?«

Lucia lässt eine Kaugummiblase platzen. »Klar haben wir gründlich gesucht. Eine freigesetzte starke K.I. … Das ist so ziemlich das Letzte, was ich als CSC-Chefin in meinem Hinterhof haben möchte.«

»Das ist … gut.«

Lucia deutet auf Tony. »Redet er eigentlich auch von alleine oder nur, wenn Sie Text für ihn geschrieben haben?«

»Er redet auch von alleine«, sagt Aisha. »Dann ist es aber meistens nichts Brauchbares.«

»Vorsicht«, sagt Tony. »Witzigkeit kennt keine Grenzen. Aber sie kann auch zu weit gehen.«

Lucia lächelt Aisha an. »Ich verstehe, was Sie meinen.«

»Aber wenn John of Us wirklich tot ist«, rafft sich Tony zu einem Gesprächsbeitrag auf, »warum glauben dann plötzlich so viele Leute, dass er noch am Leben ist?«

»Was weiß ich?«, sagt Lucia. »Es gibt Leute, die sind sich sicher, dass die Erde hohl ist, dabei sind sie es nur selber. Andere glauben fest daran, dass eine Jungfrau schwanger wurde, ohne Sex gehabt zu haben, obwohl das doch ganz offensichtlich nur eine Ausrede für einen Seitensprung gewesen ist – eine nicht mal sonderlich glaubwürdige, wenn Sie mich fragen, aber hey, Männer waren wohl noch nie die Hellsten – und wieder andere beten eben den freien Markt an. Die Leute glauben allerhand wirres Zeug. Das heißt noch lange nicht, dass auch nur ein Funken davon wahr ist.«

»Aber …«, beginnt Tony.

»Ganz ernsthaft, Präs«, sagt Lucia. »Wenn eine allgegenwärtige, allwissende, allmächtige Superintelligenz sich des Internets bemächtigt hätte, dann hätten wir das schon bemerkt.« Lucia macht eine Pause. »Auf die eine oder andere Weise.«

Aisha nickt.

»Es gibt übrigens auch ein paar«, Lucia macht mit ihren Fingern Anführungszeichen, eine Geste, die offenbar nie aus der Mode kommt, »›Wahrheitssucher‹, die behaupten, dass John in ›Wahrheit‹ nur ein Stellvertreter war. Eine Art Sprachrohr, eine Sockenpuppe. Und dass es deswegen irrelevant ist, dass er in die Luft gejagt wurde. Und wissen Sie, wer laut diesen Leuten wirklich die künstliche, die ›artifizielle‹ Intelligenz ist?«

»Ich«, sagt Aisha.

»Ja. Sie. Und der Beweis ist – Achtung – Ihr Name: A.I.sha.«

»A.I.sha?«, fragt Tony. »Wäre das nicht ein wirklich idiotischer Deckname? Wie wenn sich eine Geheimagentin zur Tarnung Jane Bond nennen würde.«

»Aber man sieht doch auf vielen Fotos und Videos eindeutig, dass A.I.sha häufig hinter John of Us stand«, sagt Lucia. »Und nun steht sie dauernd hinter Ihnen, Präs. Das kann doch kein Zufall sein!«

»Nein. Zufall ist das nicht«, sagt Aisha. »Schließlich habe ich für beide gearbeitet. Im Übrigen weiß ich von dem ganzen Schwachsinn schon.«

»Aber was Sie vielleicht noch nicht wussten«, sagt Lucia, »ist, dass Sie in Wirklichkeit aus dem Weltall kommen! Ja! Sie sind nämlich nicht nur eine künstliche Intelligenz, Sie wurden auch noch von außerirdischen Echsenmenschen, sogenannten Reptiloiden, erschaffen, die mit Ihrer Hilfe eine pangalaktische Diktatur errichten wollen, nämlich die NGO, die Neue Galaxis-Ordnung. Jetzt sind Sie baff, was?«

»Das war mir tatsächlich entgangen.«

»Anderen Schlaubergern ist aufgefallen, dass die Lieblingsfrau des Propheten Mohammed Aisha hieß. Und das …«

»… kann doch kein Zufall sein.«

»Nein! Das passt alles viel zu gut zusammen! John of Us war also wenn schon nicht der neu erschaffene Messias, dann doch mindestens der letzte Prophet unseres kommenden A.I.-Overlords!« Lucia lässt eine Kaugummiblase platzen. »Mir ist übrigens immer noch unklar, ob diese Leute deswegen für oder gegen Sie sind. Wahrscheinlich teils-teils.«

»Mit anderen Worten«, sagt Aisha, »statt deinen Job zu erledigen, Mädchen, machst du dir eine lustige Zeit mit dem Lesen der Pamphlete verschrobener Dummköpfe.«

»Diese verschrobenen Dummköpfe sind so lange lustig, Missy, bis sie sich ein Maschinengewehr nehmen und damit eine Synagoge betreten. Dass Sie in ›Wahrheit‹ eigentlich Jüdin sind, ist Ihnen doch hoffentlich klar, oder?«

Aisha stöhnt. »Ich bin also eine von außerirdischen Echsenmenschen erschaffene, nach der islamischen Mutter der Gläubigen benannte, jüdische Maschine?«

»Soweit ich das verstanden habe, ja«, sagt Lucia.

»Oft beneide ich meine Vorgänger«, sagt Tony. »Vor dem Internet musste man sich nicht die ganze Zeit mit so einem Schwachsinn abgeben.«

»Wirklich?«, fragt Aisha. »Den Juden zum Beispiel wurde auch vorher schon manches in die Schuhe geschoben.«

»Ja, das Netz ist nicht der Samen des Schwachsinns«, sagt Lucia.

»Es ist nur sein Gewächshaus«, sagt Aisha.

»Aber das müsste nicht so sein«, sagt Lucia. »Das Netz könnte auch anders sein. Doch solange man die meisten Werbeeinnahmen durch das Verbreiten von Schwachsinn einfährt, Sie wissen schon, ›Dumm klickt gut‹, und solange die Plattformen dadurch selbst Geld scheffeln, wird sich wohl nichts ändern. Da müsste der Gesetzgeber eingreifen. Nur so ein Gedanke, falls Sie mal jemanden treffen, der einen Politiker mit Rückgrat kennt.«

»Ich kannte einen«, murmelt Aisha.7

Anmerkungen zum Kapitel

7 Ich möchte nur kurz darauf hinweisen, dass es im ganzen Kapitel keine einzige Fußnote gab!

DAS SIND DIE DREI ERFOLGSGEHEIMNISSE DER SUPERREICHEN! (QualityLands Millionäre wollen nicht, dass du sie kennst!)

Nachdem sie eine lange Zeit geflogen sind, während der die schwarzen Typen in den weißen Anzügen keine einzige von Peters zahlreichen Fragen (Wer? Wie? Was? Wieso? Weshalb? Warum immer ich?) beantworteten und stattdessen Candy Crush Reloaded auf ihren Smarms spielten, beginnt die Passagierdrohne ihren Sinkflug.

Obwohl er schon einmal hier gewesen ist, erkennt Peter das riesige Anwesen nicht sofort. Das liegt natürlich an der ungewohnten Perspektive. Erst als sich die Drohne schon dem Boden nähert und er die seltsamen Gartenmöbel sieht, wird Peter klar, wer ihn entführt hat.

Es ist ein Mann mit einer großen Narbe auf der frisch rasierten Glatze. Ein Mann, dessen Augen verschiedene Farben haben: Henryk Ingenieur, Chef von TheShop, steht schon bereit, als die Drohne landet. Die Tür öffnet sich, und einer der Entführer zerrt Peter aus der Kabine.

»Herzlich willkommen«, sagt Henryk. »Ich freue mich, dass du meiner Einladung gefolgt bist.«

»Was heißt denn hier Einladung?«, fragt Peter. »Ich würde das eher Entführung nennen.«

»Entführung? Also wirklich …« Henry winkt amüsiert ab. »Meine Männer haben doch sicherlich ›Bitte einsteigen‹ gesagt.«

»Der große Typ hier hat mich einfach hochgehoben und in die Drohne gesetzt!«

»Tom wollte dir wahrscheinlich nur behilflich sein«, sagt Henryk.

»Und der kleinere hat mich geschubst!«

»Nun ja, Jerry ist manchmal ein bisschen überengagiert.«

»Ich werde das der Polizei melden«, ruft Peter.

Henryk lacht laut auf. »Ach, weißt du, das letzte Mal, als du hierhergekommen bist, hatte ich dich nicht eingeladen, und jetzt habe ich dich eingeladen, ohne dass du kommen wolltest. Ich denke, wir sind quitt.«

»Nur weil Sie der reichste Mensch der Welt sind, können Sie nicht einfach …«

»Doch, doch«, sagt Henryk. »Genau deshalb kann ich einfach.«

Er deutet auf Peters Kopfbedeckung.

»Was soll das mit dem Hut?«

»Hilft gegen die Überwachung.«

»Wirklich?«

»In QuantityLand 5 wurde das Tragen von Hüten an öffentlichen Plätzen sogar schon verboten. Man könnte sagen, jeder, der etwas auf seine Privatsphäre gibt, trägt heutzutage einen Hut.«

»Das sind dann aber nicht viele …«

»Was wollen Sie überhaupt von mir?«

»Ich denke, wir sollten Freunde werden«, sagt Henryk und hebt seinen rechten Fuß leicht zum Gruß. Peter schlägt seinen Fuß dagegen, ohne darüber nachzudenken. Augenblicklich feuert sein Ohrwurm Fanfaren ab: TA-TA-TA-TAH! TA-TA-TA-TAH! TA-TA-TA-TAH! Peter ist gerade um drei Level aufgestiegen. Aufgrund eines Fußgrußes, den er verweigert hätte, wäre sein Fuß nicht schneller gewesen als sein Gehirn. Peters QualityPad vibriert. Er darf sich neue Levelfähigkeiten aussuchen. Aber das interessiert ihn jetzt nicht.

»Sie wollen was, bitte?«, fragt er. »Freunde werden?«

»Schau mal«, sagt Henryk, »mein Problem ist folgendes: Ich bin von Leuten umgeben, die mir immer wieder sagen, wie begeisternd, großzügig, sympathisch, schlau und reich ich bin. Wie geschmackvoll, couragiert, reich, genial, humorvoll, kompetent, leidenschaftlich, reich, kreativ, spontan, attraktiv, verantwortungsvoll …«

»… bescheiden …«, wirft Peter ein.

»… ja natürlich, bescheiden auch …«

»… und reich …«, sagt Peter.

»Selbstredend. Machen wir’s kurz. Die Leute sagen mir immer wieder, wie geradezu göttlich ich bin.«

»Die Leute sind Speichellecker.«

»Ganz genau! Du hingegen bist der erste Mensch seit Langem, der mir ins Gesicht gesagt hat, dass er mich für einen Saftarsch hält.«

»Das habe ich so nie gesagt. Was soll das überhaupt sein? Ein Saftarsch?«

»Das spielt doch keine Rolle! Wichtig ist nur: Du bist ehrlich zu mir. Und das ist eine hervorragende Basis für eine Freundschaft.«

»Aber ich finde tatsächlich, dass Sie ein Saftarsch sind.«

»Nebensächlich«, sagt Henryk.

»Sie wollten mich erschießen!«

»Ach, Schwamm drüber.«

»Sie können dazu nicht ›Schwamm drüber‹ sagen!«

»Aber ich habe es doch gerade getan!«

»Ich bin hier der Einzige, der dazu ›Schwamm drüber‹ sagen dürfte!«, echauffiert sich Peter. »Es steht Ihnen nicht zu …«

»Ich bin der reichste Mann der Welt …«

»Boah.«

»Versteh doch, ich, also TheShop hatte ja großes Interesse an QualityPartner gehabt. Aber just an dem Tag deines Besuchs hat Everybody den Übernahmedeal bekannt gegeben. Ich denke, das erklärt meine schlechte Laune hinreichend.«

»Sollte das eine Entschuldigung sein?«, fragt Peter. »Wo kommen wir denn hin, wenn jeder, der schlechte Laune hat, deswegen einfach Leute erschießt?«

»Sind wir da nicht schon längst?«, fragt Henryk. »Nach allem, was ich mitbekomme, passiert das doch ständig. Wobei ich gerne zugebe, dass das Wissen aus zweiter Hand ist. Oder wahrscheinlich sogar aus dritter Hand. Wie geht es wirklich zu in den Straßen? Wie unsicher ist die Welt da draußen?«

»Wesentlich sicherer, als uns Nachrichten und Krimiserien glauben machen.«

»Ich jedenfalls wollte dir nur Angst einjagen«, sagt Henryk. »Ich hätte dich doch niemals erschossen. Gewalt ist nicht mein Ding.«

»Ich nehme an, dass Sie Leute für so was haben.«

»Ja, apropos«, sagt Henryk. »Was hältst du eigentlich von meinen Sicherheitsleuten? Schwarze Typen in weißen Anzügen! Originell, nicht wahr?«

»Pff«, sagt Peter. »Ich dachte, ich sei von Showzauberern entführt worden.«

»Hm. Ich werde das Konzept überdenken. Aber siehst du, genau deshalb brauche ich dich. Du bist jemand, der meine Ideen nicht super nennt, wenn sie eigentlich scheiße sind.«

»Und was kriege ich dafür?«

»Nichts. Wenn ich dir etwas bezahlen würde, dann würdest du dich einfach in den nächsten Jasager auf meiner Gehaltsliste verwandeln.«

»Was steckt wirklich hinter der ganzen Geschichte?«

»Weißt du, Peter, als ich noch nicht der reichste Mann der Welt war, hatte ich ein klares Ziel vor Augen. Aber jetzt? Jetzt habe ich diese wirklich unfassbare Menge Geld. Und ich meine wirklich, wirklich unfassbar. Selbst für mich nicht mehr zu überschauen. Es ist eine geradezu absurde Zahl. Die meisten Menschen könnten sie nicht mal korrekt benennen, wenn sie aufgeschrieben vor ihnen stünde. Es ist so viel Geld, dass ich …«

»Ja, ja. Ich hab’s kapiert. Sie sind sehr reich.«

»Mehr als das. Weit mehr. Viel mehr! Ich habe mehr Geld als die niederen fünfundneunzig Prozent der Gesellschaft zusammen. Und da stellt sich doch die Frage, was ich damit tun soll. Klar. Ich könnte zum Mars fliegen. Aber tatsächlich war ich schon auf dem Mars. Warst du schon mal auf dem Mars? Da gibt es nichts. Er ist leer. Und ich meine wirklich unfassbar leer. Leerer als das Konto eines Nutzlosen. Das Ganze war eher enttäuschend. Ja, natürlich. Es gibt das Musk Mausoleum … aber ich war nie ein großer Fan. Du?«

»Ich habe ehrlich gesagt keine Meinung zu Elon Musk.«

»Da bist du aber der Einzige«, sagt Henryk lachend. Dann fährt er mit seinen Gedanken fort. »Natürlich könnte ich auch eine Affäre mit einer TV-Moderatorin anfangen, ihr Bilder meiner halb aufgerichteten Männlichkeit schicken, was dann Schlagzeilen macht, weil mein Profil gehackt wird, aber das wäre doch irgendwie würdelos, findest du nicht? Ich glaube, das ist es nicht wert.«

»Kommt auf die TV-Moderatorin an.«

»Das ist wahr«, sagt Henryk versonnen. »Letztens habe ich bei einem Benefiz-Fundraiser für Videospielsüchtige Julia Nonne getroffen. Eine ganz wunderbare Frau.«

»Ein Benefiz-Fundraiser für Videospielsüchtige?«

»Ja, kurz dachte ich, vielleicht sollte ich Philanthrop werden. Aber Philanthropie ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es muss sich etwas Grundsätzliches ändern. Darum habe ich mir überlegt – Trommelwirbel, Tusch, Fanfare! –, dass ich Präsident werden möchte.«

»Woran liegt es, dass sich jeder zweite Milliardär auserwählt wähnt, Präsident zu werden?«, fragt Peter. »Langeweile?«

»Möglich.«

»Und was soll Ihr Slogan sein? Milliardäre an die Macht? Da sind Sie doch schon längst.«

»Ich bin kein Milliardär, Peter. Ich bin Billionär.«

»Das ändert natürlich alles.«

»Hast du gewusst, dass das Wort Billionär erst auf mein Betreiben hin von den Rechtschreibalgorithmen in den allgemeinen Wortschatz aufgenommen wurde? Ich musste extra ein paar Firmen kaufen, um das durchzusetzen.«

»Sehr sympathische Geschichte …«

»Du merkst schon, dass ich dich nur ein bisschen aufziehe. In Wahrheit bilde ich mir nichts auf meinen Reichtum ein. Jeder könnte erreichen, was ich erreicht habe, wenn er meinen Background und meine Verbindungen hätte. Und natürlich mein Genie.«

Peter seufzt. »Was hat das alles mit mir zu tun?«

»Ich habe mir deinen Auftritt in Julias Sendung und auch deine Audienz bei John of Us angesehen. Ich fand das sehr interessant.«

»Inwiefern?«

»Nun, um Präsident zu werden, muss ich wissen, was der einfache Durchschnittstyp von der Straße denkt.«

»Weder bin ich Durchschnitt, noch lebe ich auf der Straße!«, protestiert Peter.

Henryk winkt ab.

»Ansichtssache. Jedenfalls muss ich wissen, wie ein Normalo tickt, eine Arbeiterameise, ein fast Nutzloser, ein Joe Average, ein Peter Arbeitsloser.«

»Ich möchte jetzt nach Hause«, sagt Peter. »Aber einen Tipp gebe ich Ihnen kostenlos. Sie sollten nicht von den ›niederen‹ fünfundneunzig Prozent der Gesellschaft sprechen. Das könnte bei fünfundneunzig Prozent Ihrer Wähler schlecht ankommen.«
»Ich werde es mir merken.«

»Die Leute werden Sie sowieso niemals wählen. Sie sehen aus wie der Bösewicht in einem James-Bond-Film.«

»Das lässt sich ändern«, sagt Henryk. »Glaubst du eigentlich, die Leute würden mich wählen, wenn ich ihnen für ihre Stimme einen Zehn-Qualities-Gutschein bei TheShop verspräche?«

»Ich hoffe nicht, aber ich befürchte schon. Wobei zehn Qualities vielleicht ein bisschen zu wenig sind.«

»Ich habe es mal durchgerechnet. Bei Gutschriften in Höhe von zehn Qualities würden wir durch den daraus resultierenden Warenumsatz sogar noch Geld verdienen. Aber viel höher kann ich nicht gehen, ohne Verlust zu machen.«

Peter guckt nur verdutzt.

»Das war wieder ein Scherz«, sagt Henryk. »Meine Güte. Du musst mal an deinem Humorlevel arbeiten, mein Freund.«

»Ich bin nicht Ihr Freund.«

»Ach, Peter. Warum so störrisch? Komm mit. Ich lade dich zum Essen ein. Du wirst es nicht bereuen. Glaub mir. Es hat seine Vorteile, der Freund eines Billionärs zu sein.«

Henryk geht los, und Peter ist neugierig genug, ihm zu folgen. Die Parkanlage ist wirklich wunderschön. Als sie an einem Wasserfall ankommen, macht Henryk eine seltsame Geste mit seiner rechten Hand. Augenblicklich verschwindet der Wasserfall und offenbart einen versteckten Eingang zum Haus. Wobei das schnöde Wort »Haus« Henryks Wohnstätte wirklich nur sehr unzureichend beschreibt.

»Versuchen Sie, mich zu beeindrucken?«, fragt Peter und versucht, nicht beeindruckt zu sein.

»Gegenfrage«, sagt Henryk, »hast du schon mal in Mammut-Milch gedünstete Archaeopteryx-Schenkel probiert?«

»Yo, peoples. Hier ist wieder Dan, und der hübsche junge Typ neben mir ist mein geklonter Bruder, der auch Dan heißt!«

»Unsere Eltern waren einfach so krass kreativ!«

»Na ja, was heißt Eltern …«

»Also die Wissenschaftler aus Quan 4, die uns illegalerweise gezüchtet haben.«

»Aber das ist eine andere Geschichte.«

»Genau! Heute wollen wir euch nämlich was über Smarms erzählen.«

»Hast du eigentlich schon ein Smarm?«

»Klar, Mann.«

»Erklär doch mal für Dorfies, was ein Smarm ist!«

»Na, es ist halt inzwischen, ich sag mal, Tradition bei QualityCorp, dass die sich immer, wenn genug Leute ihr aktuelles Gerät haben, also, dass die sich dann halt ein neues Device einfallen lassen, das jeder braucht. Nach den Phones, den Watches, den Pads, den Glasses und den Ohrwürmern sind es nun eben die Smarms.«

»Smarm ist übrigens ein Kofferwort aus Smart und Arm.«

»Wobei die mit Arm das Körperteil meinen und nicht den Kontostand, wa?«

»Auf jeden. Nich billig, die Kacke.«

»Ein Smarm ist im Prinzip ein übergroßes Handgelenksschweißband mit zwei elastischen Displays, aber weil ›Schweißband mit zwei Displays‹ irgendwie unsexy klingt, haben die Werbenasen die Dinger halt Smarms genannt.«

»Fanden sie wahrscheinlich witzig.«

»Und wie die Dinger aussehen, könnt ihr gucken, ich halt die mal in die Kamera. Ich hab nämlich eins links und eins rechts dran. Voll geil.«

»Yo, Dorfies, also in QualityCity sind die Dinger der letzte Schrei.«

»In der City sieht man darum jetzt voll viele Leute, die so wirken, als würden sie konstant auf die Uhr schauen. So. Äh, wie spät isses eigentlich, und dann voll Schwierigkeiten, die Uhr zu lesen, weißte? So wirken die.«

»Voll dumm.«

»Ja. Voll dumm.«

»Ja, also, und wenn man halt irgendwie so eine ganze Gruppe hat, die alle auf ihre Smarms glotzen, dann nennt man die Smarm-Schwarm.«

»Lol. Hast du dir des selber ausgedacht?«

»Nee, hab ich aus dem Internet.«

»Internet, wassn das? Erklär doch mal für Dorfies …«

»Yo, das Internet, ich sag immer: Gute Idee. Schlecht umgesetzt.«

FRAU TRENNT SICH VON PARTNER, NACHDEM SIE DIESE FOTOS GESEHEN HAT

Sandra Admin hat ein Status-Update bekommen. Peter Arbeitsloser, ihr Ex, ist gerade drei Level aufgestiegen. Erstaunlich. Sie liegt auf der Bettcouch und wischt durch ihre Fotos. Ein sicheres Zeichen dafür, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung ist. Sie ist nie eine gewesen, die an der Vergangenheit hängt … Was ist das nur für eine komische Anwandlung? Ihr von Quality-Partner ausgewählter perfekter neuer Freund Richard Testperson steht in der Küche und bereitet das Abendessen zu. Als ob das in Zeiten von FooDrones noch nötig wäre. Sandra will eigentlich am liebsten eine Lieferpizza. Aber Richard gehört zu einer merkwürdigen Sekte, den sogenannten Thermomixern. Die Mitglieder dieser eingetragenen Religionsgemeinschaft haben geschworen, nur noch Essen zu sich zu nehmen, welches im Objekt ihrer fanatischen Verehrung, dem Thermomix, zubereitet wurde. Außerdem sehen sie es als ihre Lebensaufgabe an, durch Missionierungspartys alle anderen Menschen von den Vorzügen ihres Kultobjekts zu überzeugen. Dass Richard sich überhaupt den Luxus einer Küche leistet, ist bei den Mieten, die in QualityCity verlangt werden, geradezu absurd. Sandra selbst wohnt, wie die meisten Leute in ihrem Alter, in einem klassischen Zehn-Quadratmeter-Apartment. Dort gibt es alles, was sie braucht. Eine Bettcouch, ein Duschklo und einen Kühlherd. Es gibt halt keinen Schnickschnack wie eine Küche. Oder Fenster. Dafür ist es bezahlbar. Kaum mehr als die Hälfte ihres Gehalts muss Sandra für die Miete hinlegen. Keine Fenster zu haben, hat der Makler gesagt, ist im Grunde ein Vorteil, denn wegen der ständigen Hitze kann man Fenster sowieso nur selten öffnen. Dieser verdammte Klimawandel, denkt Sandra. Urplötzlich aus dem Nichts war er gekommen. Wenn doch bloß jemand davor gewarnt hätte, dann hätten die Menschen sicherlich rechtzeitig darauf reagiert.8

Schnucki, Sandras Stimme, hat ein Fotoalbum für sie zusammengestellt, denn heute ist Valentinstag. Wer auch immer dieser Valentin gewesen sein soll. Wahrscheinlich ein findiger Blumenverkäufer. Das Album enthält die besten Bilder, die Schnucki mit Liebe getagged hat.9

Sandra blickt längere Zeit auf ein schönes Foto. Darauf sieht sie sich selbst mit Richard am Strand von QualityIsland. Gut sieht er aus ohne T-Shirt. Erstaunlich gut. Überraschend gut. Die Sonne strahlt ihnen ins Gesicht. Aber war es nicht bewölkt an diesem Tag? Wisch. Sie sieht sich im Museum für moderne Kunst. Richard hält sie im Arm vor den ausgestellten Katzen-Memes. Auf dem Bild hinter ihnen sieht man eine Katze, die den Betrachter mit hypnotischem Blick anstarrt. Darunter steht nur ein Wort: »Gehorche!« Superniedlich. Wisch. Richard und Sandra küssen sich vor dem Theater, in dem sie gerade »Hitler – Das Musical« gesehen haben. Wisch. Richard und Sandra vor dem … Sandra zögert. Sie wischt zurück. Sie versucht sich an den Tag zu erinnern, an dem sie mit Richard das Hitler-Musical gesehen hat. Es fällt ihr erstaunlich schwer. Sie weiß noch, dass sie das Musical besucht hat. Nur war das nicht mit Richard gewesen, sondern mit Peter. Die Frage ist also: Wie zum Teufel kommt Richard in das Foto?

»Richard?«

»Ja, Schatz?«, ruft Richard aus der Küche, in der es sehr laut dröhnt. »Der Thermomix hat gleich zu Ende gezaubert. Er ist wirklich ein total praktisches und hilfreiches Küchengerät! Ich kann dir gerne mal zeigen, wie er funktioniert. Vielleicht hast du danach sogar Lust, dir selbst einen zu kaufen.«

»Richard, komm doch mal!«

»Gleich, Schatz. Gleich fertig. Natürlich nur dank des Thermomix. Ohne den Thermomix hätte die Zubereitung dieses Gerichts viel länger gedauert, und ich hätte viele verschiedene Geräte benötigt.«

Sandra setzt sich auf und blickt wieder auf ihr QualityPad. Wisch, wisch. Richard und Sandra bei ihrem ersten Picknick im Zuckerberg-Park. Eine glückliche Erinnerung. Nur war das natürlich auch nicht Richard gewesen, sondern Peter. Oder vielleicht der Typ vor Peter. Wie hieß er noch mal? Alexej. Wisch, wisch, wisch, wisch, wisch. Ein Foto von Sandra mit vierzehn Jahren. Sie tanzt auf einer Schulparty mit Mian. Ein paar Minuten danach verschwand sie mit ihm in der Mädchentoilette und hatte ihr erstes Mal. Nur ist auf dem Foto nicht Mian zu sehen, sondern ein 16-jähriger Richard. So langsam wird es absurd. Wisch, wisch, wisch, wisch, wisch, wisch, wisch, wisch. Eine vierjährige Sandra. Und wer ist der zwei Jahre ältere Junge, mit dem sie da spielt? Sieht der nicht auch irgendwie aus wie …

Richard kommt mit einem großen Tablett herein.

»Voilà!«, ruft er. »Gulasch à la Mélangeur thermique.« Richard hat ein Faible für das Französische. Vor allem in Situationen, in denen es keinen Sinn ergibt, Französisch zu verwenden. Beim Präsentieren eines Gulaschs zum Beispiel.

»Hast du meine Fotos verändert?«, fragt Sandra, ohne das Gulasch eines Blickes zu würdigen.

»Ich? Nein, wieso?«

»Du bist in all meinen Fotos! Auch in denen, wo du nicht sein solltest.«

»Ach so … Das meinst du. Ja, das habe ich geändert. Findest du das nicht auch voll romantisch?«

»Also ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich das finden soll«, sagt Sandra. »Du hast all meine Fotos geändert?«

»Nein, natürlich nicht. Nur die, in denen einer deiner Ex-Freunde zu sehen war.«

»Und da hast du sie einfach durch dich ersetzt? Du hast nicht mal vor den Dick-Pics haltgemacht, die Alexej mir immer geschickt hat. Ich weiß noch genau, dass er gepierct war, und stattdessen ist auf den Bildern jetzt dein krummes Ding zu sehen.«

»Ach, tatsächlich?«, fragt Richard. »Ich hatte mich schon gefragt, was diese X-Option ist und ob es wirklich schlau war, sie anzuklicken.«

»Wo anklicken? Von was redest du denn?«

Richard, der merkt, dass es hier um mehr als um Fotos geht, wechselt in die Defensive. »Also ich habe das natürlich nicht selbst gemacht. Das ist so ein neuer Service von QualityPartner. Verinnerungen heißt das, oder so. Die haben mir das vorgeschlagen.«

Richard tippt auf seinem Smarm und sendet durch eine Wischgeste die Produktbeschreibung auf Sandras QualityPad.

»Hier, schau«, sagt er.

Sandra liest: Wechseln Sie Ihren Partner, aber behalten Sie Ihre schönen Erinnerungen! Viele in unserer Community haben merkwürdige, irgendwie unangenehme Gefühle, wenn sie Fotos von vergangenen Partnern betrachten, aber gleichzeitig wollen sie natürlich die Zeugnisse ihrer schönsten Erlebnisse nicht löschen. Hier kommt unser neuer Service VERINNERUNGEN ins Spiel.VERINNERUNGEN– verändern Sie Ihre Erinnerungen.Replace your Ex with your nEXt.

»Man kann das vielleicht auch irgendwie rückgängig machen, wenn es dir nicht gefällt«, sagt Richard.

»Weißt du was? Du hast mich auf eine schöne Idee gebracht. Ich glaube, ich sollte mich mal wieder mit Peter treffen. Hab schon fast vergessen, wie er aussieht …« Sandras Augen funkeln. »Vielleicht melde ich mich auch bei Alexej. Nur mal sehen, ob sein geiles Teil noch gepierct ist. Und wo ich schon dabei bin, rufe ich am besten sogar Mian an, frage ihn, ob er sich noch an die Mädchentoilette erinnert.«

»Wollen wir uns nicht einfach an den Tisch setzen und das leckere Gulasch aus dem Thermomix essen?«, fragt Richard.

Er setzt sich, faltet seine Hände und schließt die Augen.

»Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, oh Thermomix, von dir. Dank sei dir dafür.«

»Ich hab Lust auf Pizza«, sagt Sandra, steht auf, verlässt die Wohnung und wirft die Tür hinter sich zu. Kurze Zeit später macht Richards Smarm ihn darauf aufmerksam, dass seine Partnerin auf Everybody ihren Beziehungsstatus geändert hat. Statt »Feste Beziehung« steht dort jetzt »Es ist kompliziert«.

Anmerkungen zum Kapitel

8 Die Forscher vom WTYS-Institut für Klimaforschung haben dazu übrigens eine dezidiert andere Meinung. Einige Leute behaupten sogar, WTYS stehe gar nicht für »Weather & Temperature Yearlong Survey«, sondern für »We Told You So«.

9 Der Satz ist vielleicht etwas missverständlich. Schnucki hat die Bilder natürlich nicht mit Liebe getagged in dem Sinne, wie Eltern frühmorgens die Pausenbrote für ihre Kinder mit Liebe zubereiten. Wobei, wenn man ehrlich ist, werden die allermeisten Pausenbrote wohl nicht mit Liebe, sondern mit Stress zubereitet. Aber was weiß ich schon. Ich bin ja nur eine E-Poetin und habe keine Kinder. Jedenfalls hat Schnucki die Bilder nicht mit Liebe getagged, sondern mit dem Etikett Liebe markiert. Aber ich will Schnucki nicht zu nahe treten. Vielleicht hat er ja das Markieren der Liebe mit Liebe gemacht. Oder was er dafür hält. Eine ganz und gar unnötige Fußnote. Ich lasse sie trotzdem stehen, denn ist es nicht gerade das Unnötige, das uns zu dem macht, was wir sind?

KENNST DU DEN WITZIGSTEN WITZ DER WELT? ER VERSTECKT SICH IM FOLGENDEN KAPITEL.

Am Rande des Maschinenquartiers, in einem besonders heruntergekommenen Teil, der selbst von Androiden nur noch selten frequentiert wird, schwebt eine kleine Spionagedrohne durch die Luft. Das Fluggerät mit dem lustigen Modellnamen SKY-SPY-3 fällt nicht auf, gibt es doch mehr Drohnen am Himmel als Lobbyisten im Regierungsviertel. SKY-SPY-3 hat den Auftrag, die Stahltür eines fast verlassenen Industriegebäudes zu beobachten. Die Drohne fliegt zu einer gegenüberliegenden Fabrik und verankert sich mit ihren Saugfüßchen an deren Außenmauer. Dort hängt sie jetzt bei Tag und Nacht, bei Wind und Wetter. Wie ein großes Insekt. Grau auf Grau. Fast unsichtbar. Sie hängt dort, weil der Fette Frank dem Puppenspieler verraten hat, wo seine Stammkunden wohnen.

Die schwere Stahltür öffnet sich für Peter. Er nimmt den Aufzug und schlurft oben angelangt durch einen Flur mit verstaubten Regalen voller Bücher. Echte Druckwerke, die nicht personalisiert sind. Er öffnet seinen Rucksack, stellt den Lesestoff der letzten Wochen zurück ins Regal und sucht sich neuen aus. Er nimmt Das Recht auf Faulheit, außerdem Bullshit Jobs und schließlich einen großen Wälzer namens Opportunismus & Repression. Und dann steckt er noch Doppelmord im Paralleluniversum in seinen Rucksack. Einfach ein geiler Titel. So beladen, betritt er den Raum mit der Panzerglasscheibe. Dort ist der Alte gerade damit beschäftigt, Geräte zu verkabeln. Eine ganz und gar aus der Zeit gefallene Tätigkeit. So sehr, dass manche Historiker inzwischen, wenn sie über die Epoche vor der Gründung von QualityLand referieren, in Anlehnung an Stein-, Bronze- und Eisenzeit, von der Kabelzeit sprechen.

»Ich habe keine Ahnung, wo sie ist«, sagt der Alte zur Begrüßung.

Überall um ihn herum liegen merkwürdige Geräte, seltsame Teile und Rechner ohne Gehäuse.

»Was sind das für seltsame Teile?«, fragt Peter.

»Die sind übrig«, sagt der Alte.

»Hä?«

»Das sind die Teile, die übrig bleiben, wenn man etwas auseinandernimmt, repariert und wieder zusammensetzt.«

»Verstehe.«

»Diese Teile erfüllen keinen anderen Zweck, als Leute wie mich, die sich erdreisten, Dinge zu reparieren, zu verwirren.«

»Die da oben schrecken wirklich vor nichts zurück.«

»Spar dir deinen Sarkasmus«, sagt der Alte. »Ich weiß nicht, wo sie ist. Beendet das nicht unser Gespräch?«

»Nun ja, es ist halt so, dass ich jetzt schon seit Wochen nichts mehr von Kiki gehört habe …«

»Junge, ich weiß wirklich nicht, wo sie ist, und wenn ich es wüsste, würde ich es dir nicht sagen.« Der Alte krabbelt unter seinem Schreibtisch hervor. »Was soll das mit dem Hut?«

»Hilft gegen die Überwachung«, sagt Peter.

Der Alte blickt ihn skeptisch an.

»Hab ich gelesen«, sagt Peter.

»So, so. Hast du gelesen.«

»Sie glauben nicht, dass es was bringt?«

»Es könnte schon funktionieren, wenn die Welt ein Magritte-Gemälde wäre und alle denselben Hut trügen. Aber solange du der Einzige mit Hut bist, machst du dich damit eher noch auffälliger. Du weißt schon. Wie in einem alten Krimi. ›Folgen Sie dem Mann mit dem Hut!‹« Der Alte lacht.

Peter nimmt seinen Hut ab und legt ihn auf einen Klappstuhl.

»Hören Sie, ich mache mir Sorgen um Kiki …«

»Du hast vielleicht schon mal von dem äußerst fiesen Marshmallow-Experiment gehört?«, fragt der Alte.

»Dem was?«

»Wissenschaftler haben Vierjährige in leere Räume gesteckt, in denen nichts war als ein Marshmallow. Dann haben sie den Kindern gesagt, sie dürfen jetzt das Marshmallow essen oder können fünfzehn Minuten warten und bekommen ein zweites Marshmallow.«

»Ja und?«

»Fünfzehn Jahre später haben sie sich die Kinder wieder angeschaut. Diejenigen, die der sofortigen Bedürfnisbefriedigung widerstanden hatten, konnten sich besser konzentrieren, nahmen deutlich seltener Drogen, hatten bessere Ergebnisse bei Intelligenztests et cetera, et cetera … Kurz gesagt: Sie kamen besser klar!«

»Warum erzählen Sie mir das?«

»Ich habe den Test mit Kiki gemacht.«

»Und?«

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