Questmaster (Die Kalandaha Chroniken Buch #2): LitRPG-Serie - Jens Forwick - E-Book

Questmaster (Die Kalandaha Chroniken Buch #2): LitRPG-Serie E-Book

Jens Forwick

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Beschreibung

Rok und seine Gefährten machen sich auf den Weg zu einem alten Schlachtfeld. Sie haben gehört, dass sie dort jede Menge EP, Glanz und Gloria abräumen können. Genau das, was sie brauchen, um ihre Level massiv zu erhöhen und im Spiel voranzukommen. Doch die Reise wird beschwerlicher, als sie sich das vorgestellt haben. Vor allem winken ihnen ständig Quests zu, die erfüllt werden wollen. So vergeuden sie viel Zeit damit, zu questen – so zumindest empfindet Rok es nach einer Weile. Er avanciert eher unfreiwillig und zunehmend schlechter gelaunt zum Questmaster. Dabei bleibt die wichtige Frage, warum die größte Gilde des Landes eine Stadt nach der anderen niederbrennt, zunächst unbeantwortet…

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Inhaltsverzeichnis

Rennen

Gernedrin. Oder auch nicht.

Zwergenraid und anderer Schwachsinn

Hügeljagd

Einfache Mobs

Ein wenig Reise. Und anderer Kram.

Zivilisation

Kaffeepause

Kaiserliche Landstraße

Katzburg

Hafenromantik

Katzen. Und andere Monster.

Steppenmarsch

Plündern will gelernt sein

Viel Rumhängen. Aber nicht nur.

Miring

Ein wenig Arbeit

Unerwartete Gesellschaft

Legendärer Dungeon

Etwas wärmer

Rausschmiss

Wandern mit Beschäftigung

Das Kaiserreich von seiner besten Seite

Soloplayer

Noch ein wenig Ambrien

Hohe Burg

Der ambrische Adel

In die weite Welt

Verflucht noch mal

Paradies!

Paradiese gibt es nicht

Über den Autor

Jens Forwick

Die Kalandaha Chroniken

Buch 2

Questmaster

Magic Dome Books

Questmaster

Die Kalandaha Chroniken Buch 2

Copyright © Jens Forwick, 2022

Covergestaltung © Ivan Khivrenko 2022

Designer: Vladimir Manyukhin

Lektor: Youndercover Autorenservice

Erschienen 2022 bei Magic Dome Books

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00

Praha 9 Czech Republic IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

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Rennen

„DIESE STADT MUSS BRENNEN!“, befahl Bruder Dekonstruktor.

Daraufhin wirkte der Großmeister des Feuers, der neben ihm in Bereitschaft stand, den zum Maximum gelevelten Grad-8-Spell.

Es hatte eine Vorbereitungszeit von vier Stunden benötigt, diesen winzigen Feuerball zu casten. Ein Funke nur, so sah es aus, der über die Stadtmauer flog und auf dem Marktplatz einschlug. Von einem Funken wurde er dann zu etwas anderem ...

* * *

Ich erwachte von Geschrei, das nach und nach in meinen Schlaf eingesickert und immer lauter geworden war. Am Abend hatten wir Erzbarts Rückkehr gefeiert, feuchtfröhlich, mit viel Gelächter, doch ich fühlte mich fit. Abgesehen davon, dass es mir zu warm war.

Sollte der Sommer ein Comeback feiern? Nach dem Regen in den letzten Tagen hielt ich das für eher unwahrscheinlich.

Ich hievte meinen Körper aus dem Bett und ging zum Fenster. Regnete es noch? Ich meinte, ein Prasseln zu vernehmen. Der Blick hinaus enthüllte jedoch ein gänzlich anderes Szenario.

Ach du Scheiße! Die fucking Stadt brennt!

An allen Ecken und Enden flackerten Brände. Wogen von Feuer schienen das Stadtzentrum in rasender Geschwindigkeit aufzufressen. Jedes Haus, das ich von hier aus sehen konnte, brannte wie Zunder. Der Geruch von Rauch, verbranntem Holz, schmelzendem Stein und ... brennendem Fleisch drang in meine Nase.

Mein noch etwas schläfriger Verstand brauchte ein paar Sekunden, um die Situation vollständig zu erfassen. Dann schüttelte ich meine Morgenträgheit ab, zog hastig meine Rüstung an und rief, so laut ich konnte, nach den anderen.

Wir mussten so schnell wie möglich hier raus – und aus der Stadt. Wir hatten eine Chance, oder auch zwei, wenn man in Betracht zog, dass der Rosenhof nicht so weit von der Stadtmauer entfernt lag. Ich tendierte allerdings mehr zu der Lösung, die mir zuerst in den Sinn gekommen war. Die würde sich deutlich schneller und ungestörter gestalten. Denn zur Stadtmauer würde gerade jeder rennen, der sich aus seinem Haus hatte retten können.

Während die Flammen an der Hauswand des Rosenhofes emporzüngelten, sprang ich zum Ausgang, riss meine Zimmertür auf und wäre dabei fast mit Kiran zusammengestoßen, der schon in voller Rüstung vor meiner Tür stand. Er guckte fragend. Der Typ war echt unglaublich.

Drei Sekunden später stürzte Penk halb angezogen aus seinem Zimmer. Im Bett hinter ihm lag eine verwirrt schauende „Freundin“ der Wirtin.

Pech gehabt, Kleine, dich kann ich nicht mitnehmen.

Ich deutete auf Erzbarts Tür. Penk nickte, rannte hin und warf sich dabei sein Kettenhemd über. Ein Blick nach links zeigte mir Alcanara, die gerade auf den Flur trat, makellos wie immer. Aus dem Zimmer des Zwergs drang Gepolter, gefolgt von Flüchen.

Das übertönte fast Alcanaras Stimme, die seelenruhig flötete: „Die Stadt brennt.“ Ihr Gesichtsausdruck wirkte dabei eher neugierig.

Dir ist schon klar, dass wir hier gleich alle gegrillt werden, Süße?

„Wir müssten längst hier weg sein! Penk, wo bleibt ihr?“, brüllte ich.

Penk und Erzbart stolperten auf den Flur. Der Zwerg trug nur Kette, die Plattenrüstung klemmte unter seinen Armen. Er buffte uns rasch, während er lautstark auf Zwergisch fluchte.

„Und los!“ Ich lief den anderen voran die Treppe hinunter.

Als ich die Hintertür aufriss, erwartete mich ein Inferno. Das Feuer schien im Zentrum der Stadt ausgebrochen zu sein und fraß sich mit beängstigender Geschwindigkeit nach außen. Übernatürlich schnell, so viel konnte ich sagen.

Der Hinterausgang lag grob in Richtung Stadtmauer, unsere Herberge befand sich glücklicherweise im äußeren Stadtring, sonst wären wir bereits gegrillt.

Ich rannte los, meine Gruppe folgte dicht hinter mir. Ich musste auf den Langsamsten achten ... Ach, Shit, das bin ja ich! Ich rannte schneller.

Glücklicherweise war man mit Ausdauer 15 – gebufft 18 – gar nicht mehr so langsam. Außerdem wollte ich nicht zur Stadtmauer, denn das hätten wir wahrscheinlich eh nicht mehr geschafft, bevor die gigantische Feuerwelle, die gerade die Innenstadt aufgefressen hatte, uns erreichte.

Der war der Regen scheißegal, so viel konnte der Graf gar nicht flennen ...

Wir zischten um drei Ecken, über die Kreuzung, wurden bei den nächsten zwei Ecken kaum langsamer, die Flammen ständig im Nacken. Kirans Umhang fing sogar einmal kurz Feuer, er konnte ihn aber löschen, während er weiterrannte. Dann hatten wir mein Ziel erreicht: Gullydeckel Nummer 17, meinen bevorzugten Rattenjagdeingang.

Penk riss den Deckel hoch und Erzbart sprang einfach rein, gefolgt von Kiran. Sie kamen beide mit 75 % TP unten an. Es ging schon recht tief runter, und den Scheiße-Fluss gab es ja nicht mehr. Die Scheiße war rattenquestgebunden gewesen, und somit brav verschwunden, nachdem ich die Quest abgefrühstückt hatte.

Penk sprang. Auch er kam mit 75 % Leben unten an – das sollte ich auch hinbekommen. Alcanara schwang sich jedoch auf die Leiter und kletterte geschwind hinab. Das war klug, ein Aufschlag würde sie vermutlich critten, und die Zeit für einen „Critheal“ hatten wir nicht. Leider hatten wir auch nicht die Zeit, darauf zu warten, bis sie unten ankam. Ein Blick über meine Schulter zeigte mir die Feuerwelle, die uns in wenigen Sekunden erreicht haben würde.

Ich sprang ins Loch, rutschte die Leiter hinunter und riss die Elfe mit. Dabei drehte ich mich so, dass sie auf mich fiel, als wir unten ankamen. Nach dem unvermeidlich folgenden Aufschlag hatte ich noch 60 % TP und sie 80. Alcanara war mit voller Wucht auf meinem Bein gelandet.

Das tat jetzt scheißweh, fühlte sich aber nicht gebrochen an. Insofern biss ich die Zähne zusammen, raffte mich auf, zog sie hoch und orientierte mich heute mal nach rechts. Alcanara nickte mir zu und folgte mir.

Ich kannte mich hier unten gut aus, auch wenn ich die Questkarte mangels Kartografie-Skill nicht hatte behalten können. Ich war hier jedoch fast eine Woche lang herumgerannt und hatte Intelligenz 20 – ich brauchte keine Karte. Obwohl die Situation damals deutlich beschissener gewesen war. Jedenfalls auf die Umgebung bezogen. Meine Erinnerung reichte mir vollkommen aus, um mich hier zurechtzufinden. Ich wusste auch, wo es hier rausging – auf meiner Erkundung hatte ich den Abflusstunnel gefunden, der außerhalb der Stadt mündete.

Also rannten wir in diese Richtung. Wir kamen gut voran, denn die Gänge waren meistens trocken und boten genug Platz. Allerdings wurde es beständig wärmer, und auch das Atmen fiel mir immer schwerer. Langsam füllten sich die Tunnel mit Rauch. Wir rannten trotzdem weiter, immer weiter.

Es folgten heiße, ätzende ein, zwei Minuten. Kiran zog Alcanara mit, Penk mich. Erzbart weigerte sich stoisch, seine beinahe glühende Rüstung loszulassen. Seine Hände schlugen Blasen, was er schlichtweg ignorierte.

Das war fast zu viel für mich. Wenn Penk mich nicht einfach mitgeschleppt hätte, wäre ich vermutlich da unten gestorben. Dann wurde es langsam besser. Wir mussten die Stadtmauer passiert haben.

Wir liefen noch einen guten Kilometer weiter, ich mittlerweile wieder auf meinen eigenen Füßen. Es war zwar immer noch sehr warm, aber wir konnten atmen und auch rennen.

Als wir dem Ausgang näher kamen, bemerkte ich Bewegungen vor uns. Es sah fast aus, als würde da etwas vor uns wegrennen. Ich hatte aber gerade Besseres zu tun, als mir darum Gedanken zu machen - Mich lockte vielmehr der Tageslichtschimmer, den ich nicht weit vor uns ausmachen konnte. Da war der Ausgang, gleich um die Kurve herum. Noch während ich ein Handzeichen nach hinten machte, um den anderen mitzuteilen, dass wir am Ziel wären, wurde ich von einem Licht am Ende des Tunnels geblendet.

WOW. Scheiße, das war ein Feuerball!

Im ausklingenden Flammeneffekt konnte ich Bewegung erkennen, gleich am Ausgang unseres Tunnels. Jemand oder etwas schien dort zu kämpfen, und warf offensichtlich mit Feuer um sich. Ich bremste hart ab, Kiran lief in mich hinein.

„Sag doch was Mann!“, beschwerte er sich halblaut.

Ich bedeutete ihm, dass er die Klappe halten sollte. Hier mussten wir etwas langsamer machen. Das ging ihm eine Sekunde später wohl auch auf, da Feuerbälle definitiv ein gutes Argument für „langsamer machen“ waren, doch mehr konnte er wegen seiner fehlenden Dunkelheitssicht nicht erkennen.

Die anderen gesellten sich schnaufend zu uns und setzten sich zum „Reggen“, nachdem ich ihnen flüsternd berichtet hatte, dass der Ausgang offensichtlich blockiert wurde.

„Stumpf durchbrechen?“, fragte Erzbart und machte Anstalten, seine noch viel zu heiße Rüstung anzulegen. Seine verbrannten Hände ignorierte er dabei nach wie vor. Auch Kiran schaute fragend.

Ich zog einen Heiltrank hervor und nahm diesen zu mir. „Wartet mal“, meinte ich und orientierte mich wieder zur Kurve, hinter der wir in Deckung gegangen waren.

Während die anderen regenerierten, ging ich in den „Stealth“, schlich gute 20 Meter weiter und streckte die Nase vor.

Oh, oh ...

Meine Dunkelheitssicht hätte ich gar nicht benötigt, da das Geschehen am Tunnelende und die Szene dahinter vom Sonnenlicht bestens beleuchtet wurde. Dort drängte sich ein gutes Hundert:

Große RVAG. Level 20.

Sie versuchten verzweifelt, an einer Reihe Typen in Plattenpanzern vorbeizukommen, die den Ausgang blockierten. Mit wenig Erfolg, wie die mindestens drei Dutzend Rattenleichen vor den Plattenträgern deutlich zeigten.

Hinter den schwer Gerüsteten stand ein Magier und bereitete gerade den nächsten Feuerball vor. Ein Kleriker neben dem „Caster“ und zwei Bogenschützen, die etwas erhöht links und rechts von den beiden standen, komplettierten die fette „Fullgroup“, die hier gemütlich Ratten schlachtete. Das waren Profis.

Die Gepanzerten führten alle einen Zweihänder und richteten mit diesen Waffen Verwüstung unter den Ratten an. Das wirkte fast so krass wie Penks Zerfetzer, nur, dass die Herrschaften da vorne keine Abklingzeiten beachten mussten. Und schon explodierte der nächste Feuerball, der bestimmt noch mal vier oder fünf von den Viechern verbrannte. Währenddessen sah ich goldene Flügel, die sich für fünf Sekunden über den Rüstungsträgern entfalteten. Ein „Groupheal“? Das vermutete ich jedenfalls.

Diese Gruppe machte den Ausgang vollkommen dicht. Was wollten die hier?

Die Frage konnte ich allerdings getrost als nebensächlich abtun, denn entscheidender war, dass wir hier durchmussten, und zwar zügig.

Gut, dass die RVAGs offenbar nichts von Rubba gehalten hatten und außerhalb der Stadt lebten. Wobei ... vermutlich waren sie wegen meiner Rattennemesis-Ehrung ausgezogen, immerhin befanden wir uns hier außerhalb der Stadtmauern. Und gerade zogen sie wahrscheinlich wieder um. Stressig für die armen Viecher. Sie taten mir allerdings nicht wirklich leid, ich konnte mich noch sehr gut an den „Ratking“ erinnern. Ich fand es vielmehr ausgezeichnet, dass es offensichtlich leichte „Umzugsschwierigkeiten“ gab, und die Damen und Herren Vorstadt-RVAGs somit zur Hand waren. Für den Plan, der spontan in meinem Kopf entstanden war, konnte ich sie gut gebrauchen.

Hinter mir entstand Bewegung, meine Gruppe hatte sich offensichtlich ausgeruht. Ich lugte über die Schulter. Gehetzt wirkende Gesichter warfen mir fragende Blicke zu.

„Rennfertig?“, raunte ich.

Alle hoben den Daumen. Selbst Erzbart, der seine Plattenrüstung verpackt hatte und den Rucksack nun auf den Schultern trug. In Kette war er einfach schneller.

„Fertigmachen“, befahl ich. „Sobald ich aus dem Stealth gehe, rennt ihr los.“

Dann tarnte ich mich und schlich näher an den Ausgang. Schön mittig hinter die Ratten wollte ich gelangen, das klappte hervorragend. Es wuselten sicherlich noch 100 Stück oder mehr hier vorne herum, das sollte für meinen Fluchtplan locker ausreichen.

Nachdem ich eine gute Position gefunden hatte, keine sieben Meter hinter den RVAGs, enttarnte ich. Was nun folgte, lässt sich am besten mit „PANIK!“ beschreiben.

Alle „Rättchen“ stürzten sich augenblicklich mit all ihrer Kraft auf die gepanzerten Krieger. Der Rattenhaufen hatte nun eine klare Agenda: Alles ist besser als dieser Typ da hinter uns!

Wenn man in einer Sechser-Reihe stand, allesamt gut gerüstet, einen Zweihänder zur Hand hatte, Magier, Schützen und Heiler hinter einem arbeiteten, war es egal, wie viele Ratten kamen. Man killte sie einfach schön der Reihe nach.

Wenn sie allerdings alle auf einmal anrannten, sämtliche Vorsicht vergaßen, ihnen die langen, scharfen Schwerter vor ihnen völlig egal waren, dann hatte man ein Problem.

Grob hundert pitbullgroße, fette RVAGs auf einmal – zusammengerechnet machte das gut 4 Tonnen Ratten, die sich nun mit all ihrer Kraft rattenschnell nach vorne bewegten.

Um so etwas halten zu können, brauchte man „Standhaft 3“. So fett schienen die Typen allerdings nicht zu sein - sie hielten sich vielleicht drei Sekunden, was lediglich auf „Standhaft 1“ schließen ließ. Dann wurde die Reihe Plattenpanzer einfach umgelegt.

4 Tonnen Ratten waren zwar keine Tonne Stahl, hatten aber eine ähnliche Durchschlagskraft. Wir rannten, was unsere Beine hergaben, dem jetzt deutlich freieren Tunnelende entgegen, den unsere unfreiwillige Vorhut freundicherweise für uns geräumt hatte.

Der Ausgang wurde sogar noch freier, denn kurz bevor wir ihn erreichten, wurde der Magier von den vorbeihetzenden Ratten quasi nebenbei in der Luft zerfetzt. Das waren immerhin noch RVAGs – ein Maul voll Futter nahmen die immer mit, auch wenn sie gerade panisch wegrannten.

Die Bogenschützen entdeckte ich auch nicht mehr, die mussten entweder ebenso unter die Horde gekommen sein oder sie hatten es geschafft, in Deckung zu gehen.

Die Panzerreihe lag, wie gesagt, hilflos auf dem Boden. Die waren alle noch ganz gut am Start, aber in Vollrüstung auf dem Rücken zu liegen, während erst pitbullgroße Ratten und dann Leute über dich drüber rannten, förderte nicht gerade die Kampfbereitschaft.

Der Kleriker war stabiler und hielt sich über seine Heilgebete am Leben. Er trug auch eine Kettenrüstung, da hielt sich die Größe der rausgebissenen Fleischbrocken einigermaßen in Grenzen. Das konnte er wegheilen, zu mehr kam er aber nicht. Dem Magier, der neben ihm zerrissen wurde, konnte er nicht helfen, da er zu viel mit sich selbst zu tun hatte. Er bemerkte uns, zum Inspizieren kam er jedoch nicht.

Ich schon:

Mark Vennder. Ordenskleriker. Level 31. Purify. Gesegnet.

Dann waren wir auch schon an ihnen vorbei. Wir rannten, so schnell wir konnten, in den nahen Wald - die RVAGs spritzten dabei vor uns auseinander.

Das Rennen ging mir jetzt schon auf die Nerven, es sollte aber noch viel schlimmer werden, denn Alcanara führte. Diesmal hielt sie sich nicht zurück, sondern drückte im Gegenteil aufs Tempo. Das bedeutete, dass wir anderen die nächsten zwei Stunden mehr oder weniger atemlos hinter ihr her hetzten.

Am fortgeschrittenen Morgen hatte sie dann endlich Gnade mit uns. Sie stoppte und gestattete uns eine Pause – dazu brach sie einfach zusammen, tat das aber mit Stil. Kein Wunder, wir waren alle völlig erledigt, lagen auf dem Waldboden und schnappten nach Luft.

Die „Kind der Natur“-Eigenschaft unserer Rangerin war wieder angesprungen. Wir hatten es wohl weit genug von der Stadt weg geschafft, sodass diese wieder voll funktionierte, und sie hatte uns ein verstecktes Plätzchen gesucht. So viel bekam ich noch mit, während ich verzweifelt versuchte, meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen und nicht zu kotzen. Gute zwei Stunden lang Rennen – das hätte ich früher nie im Leben gepackt. Gesegnet sei meine neue Ausdauer samt Ausrüstungsboni und „Durchhalten“-Skill. Und natürlich Erzbarts Buffs.

* * *

„Bruder Dekonstruktor. Fünf sind entkommen. Durch die Kanalisation. Sie haben eine Ablenkung benutzt. Es ist nicht die Schuld der Schwester Takticus. Die Stadt ist niedergebrannt, die Burg geschliffen. Der Raid ist beendet.“

„FINDET DIE ENTKOMMENEN UND VERBRENNT SIE!“

* * *

Als Erster kam Erzbart wieder zu sich, etwa eine Viertelstunde nach unserem gemeinschaftlichen Zusammenbruch. Er erneuerte unsere Buffs und sah sich um. „Bissel grün, was, Elfi?“, beschwerte er sich und spuckte aus.

Alcanara blieb unbeeindruckt. „Wir sind im Wald, Zwerg.“ Reden konnte sie noch. Wenn auch mit geschlossenen Augen auf dem Rücken liegend, was sogar ziemlich gut aussah.

Wir lagen in so etwas wie einer Dickung, mit einer kleinen Lichtung in der Mitte. Ja, es war überall ziemlich grün, da hatte Erzbart schon recht. Aber es war auch gut geschützt. Laut der Elfe sollten wir hier vorerst in Sicherheit sein. Allerdings spürte sie nur natürliche Gefahren. Falls die Purify-Penner Jagd auf uns machen sollten, bekäme sie das nicht mit.

Wer zum Teufel waren die überhaupt?

Das wusste keiner aus der Gruppe.

Was aber klar war: Der werte Bruder Vennder – man nennt Kleriker doch Bruder, oder? – hatte mit seinem Trupp die Kanalisation abgeriegelt. Es war ihnen dabei offensichtlich nicht um die Ratten gegangen, sondern darum, das zu verhindern, was wir uns gelungen war: eine Flucht aus der Stadt durch den äußeren Kanalausgang.

Auf dass auch ja alle Leute in der Stadt verbrannten.

Und ich hatte immer gedacht, dass Kleriker eine „gute“ Gesinnung haben müssten ...

Unterm Strich stand für uns alle jedenfalls fest: Wir wollten denen definitiv nicht noch einmal über den Weg laufen.

Diesbezüglich sah es gut aus. Selbst wenn sie einen Ranger oder Scout oder was auch immer hätten, ohne „Kind der Natur“ würde es schwer für sie werden, uns zu finden. Und wie eingeschränkt verfügbar diese Eigenschaft war, wusste ich ja nur zu gut. Im Normalfall ärgerte ich mich darüber – gerade kam es mir sehr entgegen. Wir konnten uns also fürs Erste einigermaßen sicher fühlen.

Allmählich erholten sich alle wieder. Und es hatten auch alle geschnallt, was gerade passiert war. Erzbart nicht auf Anhieb, aber es dauerte nur ein paar Minuten, dann war auch er im Bild.

„Das ist ja ’ne Riesenschweinerei. Mitten im Kaiserreich! Was glauben die, wer sie sind?“

Er sprach aus, was wir alle mehr oder weniger dachten. Die Typen von Purify hatten eine mittelgroße Stadt mit rund 10.000 Einwohnern abgefackelt! Mit ziemlicher Sicherheit mittels extrem mächtiger Magie.

Ob es so etwas wie eine „Menschentod“-Ehrung gab? Na ja, wenn, dann bei dieser Aktion wahrscheinlich eher nicht. Das würde ein fetter Raid gewesen sein, vermutlich hatte es nicht mal für die „Menschenfinder“-Ehrung für jeden Beteiligten gereicht.

Superkrass, einfach so ’ne Stadt abfackeln ...

Penk blieb erstaunlich locker. Wolderan in Flammen schien nicht so ein Problem für ihn zu sein. Das fand ich etwas komisch. Warum nahm er es so locker, wenn gerade seine Heimatstadt niedergebrannt worden war? Das musste ich ihn später mal fragen, gerade war vielleicht nicht der beste Zeitpunkt für so etwas.

Was mich aber interessieren würde: Hatten die auch die Burg niedergebrannt? Inklusive des ansässigen Grafens? Die Anlage hatte gut ausgesehen, massiv und bestens gepflegt – so was hatte häufig „Protections“ gegen magische Angriffe. Sollte die noch stehen, wurde sie wahrscheinlich gerade belagert.

Die Frage: „Was läuft hier?“, drängte sich fordernd in mein Bewusstsein, ich konnte sie mir jedoch selbst beantworten: „Auf jeden Fall nix für fünf Anfang-Level-20er.“ Wir sollten uns echt verpissen.

Sobald wir uns alle erholt hatten, taten wir das dann auch und brachen in Richtung Gerneburg auf, einer Stadt etwas weiter in Richtung Norden. Dort gäbe es wohl ein Portal – Alcanara wollte bei ihrem Bruder nachfragen, was hier los war. Von so einer Nummer hatte der bestimmt gehört.

Nun folgte die „angenehme“ Tätigkeit, einen halben Tag lang durch den Wald zu jagen, um weiter Abstand zu Wolderan zu gewinnen. Die Rangerin lief diesmal nicht so schnell wie zuvor, anstrengend war es trotzdem. Wir unterhielten uns kaum, jeder hing seinen Gedanken nach, und außerdem brauchten wir die Luft zum Laufen.

Am Nachmittag hatten wir bereits ein gutes Stück Weg zurückgelegt und pausierten auf einem Hügel. In der Ferne schlängelte sich eine große, schwarze Rauchsäule gen Himmel. War das alles, was von Wolderan übriggeblieben war?

Der Wind trug den Geruch von verbranntem Fleisch mit sich, nicht stark, aber durchaus bemerkbar. Es roch etwas nach Hühnchen ... Menschenfleisch sollte nach Hühnchen schmecken, hatte ich mal irgendwo gelesen.

Ich blickte in die Runde.

Zuerst blieb mein Blick an Penk hängen. Ein muskelbepackter Riesentyp in Kettenrüstung mit mittlerweile kurzen, schwarzen Haaren. Sein Bastardschwert hing wie immer griffbereit über seinem Rücken. Man sah ihm die Anstrengung an, aber ansonsten war er weiterhin ungerührt. Ich konnte keine Emotionen in seinem kantigen Gesicht erkennen. Als ob es ihn einen Scheiß interessierte. Er kaute an einem Stück Trockenfleisch herum, bemerkte meinen Blick und guckte fragend hoch. Ich winkte ab, daraufhin kaute er weiter.

Neben ihm saß Erzbart auf einem Baumstamm. Ein praktisches Zwergen-Paket mit braunem Rauschebart und gewaltigen Augenbrauen, der gerade an seiner Plattenrüstung herumwerkte und dabei die ganze Zeit leise auf Zwergisch vor sich hin meckerte. Mein Freund mochte zwar eine ganz schön harte Schale haben, aber im Herzen war er ein weiches Zwergenbaby. Jedenfalls, sofern man mal das Herz unter den Lagen von Stahl zu sehen bekam. Und wirklich weich waren Zwergenbabys wohl auch nicht. Durch ihre Rassenbegabungen waren sie allesamt „Harte Kerle“ und „Harte Mädels“.

Erzbart war jedenfalls richtig angepisst. Er redete zwar ständig von lächerlichen Menschenbauten und beschissener Schmiedequalität, aber wenn er ein hungerndes Kind am Straßenrand sah, warf er ihm immer ein paar Kupfer zu. Oder auch schon mal ein Silberstück.

Obwohl er Zwergisch sprach, konnte sein Meckern sogar teilweise verstehen. Einmal schnappte ich sogar einen ganzen Satz auf. „10.000 Leute abfackeln ... Für so was ziehen ganze Zwergenkönigreiche in den Krieg!“ Erzbart wollte einen Brief an seinen Bergkönig schreiben. Einen Brief, an dem der Postbote ganz schön zu schleppen hätte.

So hart die Welt auch sein mochte, in der ich hier gelandet war, Genozid in diesem Ausmaß – Ratten zählten nicht! – mochten sie auch hier nicht so wirklich. Zumindest Zwerge taten das nicht, und als ich später mal nachfragte, erfuhr ich, dass das im Prinzip allen so ging. Es gab einfach zu wenige Typen und zu viele Monster.

UNGLAUBLICH! Du hast mittlerweile so viel zwergisches Gemecker und Flüche gehört, dass du den Skill „Zwergisch“ auf Level 1 geschenkt bekommst. Du scheinst die richtigen Freunde zu haben!

Ah, deshalb verstand ich ihn teilweise. Nett vom System – Hirn? –, aber wenn das gesamte Zwergengemecker, das ich mir bislang hatte anhören müssen, das Kriterium für diesen Freebie war, dann war Level 1 ein Witz.

Mein Blick wanderte weiter zu Alcanara, unserem „Magermodel“. Gekleidet in einen eng anliegenden Schlangenlederdress, einen schicken Epic-Bogen über ihrer Schulter, richtete sie gerade ein paar Büsche zum Zwecke der Tarnung und zeigt ansonsten keinerlei Regung. Ihrem feingeschnittenen Gesicht konnte ich nichts entnehmen. Sie hätte auch eine Eisprinzessin sein können. Ich war gut im Einschätzen von Menschen, aber bei Elfen hatte ich Schwierigkeiten. Die Gesichtszüge waren bei denen ganz anders.

Ich hatte schon länger die Vermutung, dass die Elfe ganz schön hart drauf war, wenn es um den Tod ging, aber so eine Nummer müsste doch auch bei ihr zu irgendeiner Regung führen. Aber da war nichts, wirklich gar nichts zu sehen bei ihr, und sie hatte auch nichts dazu gesagt. Als wenn es sie überhaupt nichts anginge.

Schließlich war da noch Kiran. Unser Neuzugang, ein kräftiger Kerl in seinem Schuppenpanzer. Der spielte die ganze Zeit an seinem Schwert herum und schaute mich mit seinen braunen Augen an. Er wartete offenbar nur darauf, dass der Boss etwas sagte, so was wie: „Purify machen wir platt“, oder: „So sieht der Plan aus.“ Und der fucking Boss war ich.

Das sollte man jetzt nicht falsch verstehen. Kiran war kein klassischer Gefolgsmann. Im Gegenteil, er war ziemlich schlau und hatte viel Erfahrung mit methodischem Vorgehen. Er hatte allerdings sehr schnell gemerkt, dass ich unter Stress deutlich kreativer und auch taktischer denken konnte als er, deshalb akzeptierte er mich als Anführer. Wenn er allerdings Zeit hatte, war er ein besserer Planer als ich, das glaubte ich jedenfalls. Ich mochte Pläne, aber ewig lange Planerei fand ich immer langweilig.

Wenn ich ihm diese Zeit jetzt gab, würde er einen Krieg gegen Purify planen und sich dabei umbringen. Das hielt ich für eine absolute scheiß Idee.

Ich selbst? Fuck Wolderan. Das war eine sehr krasse Nummer gewesen, klar, aber hey, das hier war ein Spiel. Ich hatte schon mal einen „Triple-Armageddon“ gesehen, das war in „Clan Strike“ gewesen, einem PVP-basierten MMORPG. Eine ganze Großstadt haben die da gesteinigt, mit Hunderttausenden von Toten. Das hier fühlte sich ähnlich an.

Damals hatte es allerdings nicht nach Hühnchen gerochen.

Wie auch immer, mein Problem war vielmehr: Hatten wir eine Übergilde am Arsch oder nicht?

Vielleicht sollte ich mal was sagen.

Ich räusperte mich und hatte sogleich die allgemeine Aufmerksamkeit. „Keine verdammte Chance, Leute. Der ‚Cleric‘ war schon auf Level 31, und das da vor dem Ausgang wird nicht die Elite gewesen sein. Abgang liegt an, und zwar volles Programm. Wir können froh sein, wenn die uns nicht blacklisten. Ich glaube aber nicht, dass sie zum Inspizieren gekommen sind, insofern sollte es einigermaßen save sein.“ Ich sprach mit leiser Stimme, es konnten mich aber alle hören.

Alcanara antwortete mir mit einem Blick, frei nach dem Motto: „Natürlich sind wir save, ich führe im Wald.“

Das mein’ ich doch gar nicht, Süße. Und du weißt das auch, du bist nämlich genauso schlau wie ich.

Von Penk bekam ich einen Daumen hoch. Wie immer.

Erzbart nörgelte wie üblich. Aber auch er wusste, wann wir keine Chance hatten, er ließ uns lediglich alle wissen, dass sein König es schon richten würde. Darauf vertraute er.

Als Letztes kam dann das Problem – in Form von Kiran.

„Wir machen nichts? Ist das dein Ernst?“ Sein Gesichtsausdruck wirkte, als ob ich ihm gerade eine rein gehauen hätte. War halt immer scheiße mit den ehrenhaften Typen.

Ich hatte nichts für Kiran. Wir waren fünf Leute, Lowlevel, gegen eine Gilde, die aus dem Handgelenk eine Stadt abgefackelt hatte, deren Müllbeseitungstrupps uns zum Frühstück verspeisen konnten.

„Was willst du machen, Mann? Die einzige Idee, die ich habe, ist, mal eben 40 oder 50 Level zu machen, ‘ne Armee aufzustellen und dann einen netten, kleinen Krieg zu führen.“ Ich schüttelte den Kopf. Aber was sollte ich sagen?

Seine Antwort kam etwas überraschend für mich. „Dann machen wir das“, meinte er und nickte zufrieden. Vielleicht nicht unbedingt zufrieden, aber er hatte offenbar, was er brauchte, um jetzt und hier nicht durchzudrehen.

Ich hatte stattdessen das Gefühl, mir gerade ein Problem eingehandelt zu haben, aber für den Moment gab Kiran Ruhe. Sonst hatte keiner etwas zu sagen, daher ging es fünf Minuten später weiter.

Unsere Elfe führte uns durch den Wald, wo wir weiterhin sicher waren. Nichts passierte, und wir entspannten uns ein wenig beim Laufen.

Der Herbstwald hatte was – leuchtende Farben, schönes Wetter -, doch niemand war in der Stimmung, ihn zu bewundern. Trotz des sauberen Abgangs und dem abklingenden Adrenalin waren wir alle gerade ein bisschen paranoid.

Was wir aber zwangsläufig längerfristig bewundern konnten: Erzbart in seinem neuen Panzer. Den hatte er auf dem Hügel angezogen, und das sah beeindruckend aus. Eine fette Zwergenplattenrüstung trug mein Kumpel jetzt, sie war Level 25 und extrem stabil – man sah meinen Freund unter all dem Metall fast gar nicht mehr.

Über seinem gesamten Körper und der darunter getragenen Kettenrüstung lagen nun verschiedenartig geformte Metallplatten, die sich an einigen Stellen überlappten und den darin steckenden Zwergen vollständig in Stahl einpackten. Es gab keine Öffnung, selbst in den Sehschlitzen waren kleine Gitter eingearbeitet, damit ihm niemand einen Dolch ins Auge rammen konnte. Sein Hammer am Gürtel, ein neuer Schild und eine Zweihandaxt für Zwerge über dem Rücken komplettierten das Bild eines Kriegerzwergs, wie man ihn sich vorstellte. Zudem trug er noch die epischen Stiefel aus dem Snarra-Dungeon. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass Erzbart Priester war, hätte ich das nie geglaubt.

Er hatte sogar schon erste Eigenschaften für den „anständigen“ Zwergenkrieger: „Mann aus Eisen“ und „Starker Mann“ – das machte ihn nun deutlich härter im Kampf. Ein Tank war geboren. Er musste noch ein bisschen wachsen, aber für den „Hausgebrauch“ machte er sich schon ganz gut.

Während der Wanderung bekam Penk auch sein Schwert. „Ist ganz nett geworden“, kommentierte Erzbart das leicht bläulich schimmernde Stück Hochklassestahl, das er unserem Söldner mit einem stolzen Grinsen überreichte.

Name: Ganz Nett

Klasse: Speziell

Art: Einhand- / Zweihand-Nahkampfwaffe

Level: 20

Benutzbarkeit: Angelegter Skill: Bastardschwert

Haltbarkeit: 80

Schaden: 38-54 / 46-72

Bonus: ST +1

Eigenschaften: Skill: Bastardschwert +2

Erzbarts alte Rüstung sollte Penk in Gerneburg angepasst werden, damit wäre der Deal meines Kumpels mit dem Mann dann erledigt. Der Zwerg hatte sie im Rucksack dabei, er hatte auch schon etwas vorgearbeitet. „Das wird nicht lang’ dauern, deine Schultern sind ja fast so breit wie meine.“

Penk nahm das Schwert und freute sich. „Das ist ja cooles Teil! Danke, Mann!“ Er machte einige Probeschwünge und grinste breit. „Das mit den Schultern müssen wir aber mal nachgucken irgendwann. Wenn du keine Rüstung trägst. Ich glaub’ nämlich, meine sind breiter!“

Penk war ein wenig geknickt gewesen, dass er seinen „Zahn“ verloren hatte, der sich in der Herberge im Abstellraum befunden hatte, aber angesichts des feinen Schwertes, das Erzbart ihm soeben ausgehändigt hatte, war das alte Ding wohl schnell vergessen.

Er vergoss echt keine Träne um Wolderan, den Zahn hatte er aber vermisst. Unser Penk war echt ein bisschen merkwürdig.

Eine Tartsche hatte Erzbart noch gleich mitgemacht. „Normales Teil“, nannte er die.

Name: Erzbarts Untertasse

Klasse: Sehr gut

Art: Kleiner Schild

Level: 20

Benutzbarkeit: Angelegter Skill: Schild

Haltbarkeit: 80

Panzerung: 40

Bonus: Skill: Schild +1

Eigenschaften: Hart

Penk fand sie gut und bedankte sich überschwänglich. Das fand ich auch angebracht, immerhin war die Tartsche kein Teil des Deals gewesen und Erzbart schenkte sie ihm gerade.

Da wir gerade bei Erzbart waren: Ein Zwerg im Plattenpanzer mit Riesenrucksack samt Zweihandaxt auf den Schultern war nicht besonders gut dazu geeignet, durch einen Wald zu rennen. Mein Kumpel ließ uns das auch die ganze Zeit wissen – er beschwerte sich in einer Tour. „Diese blöden Wurzeln! Bleibt man immer hängen!“, „Kannst du nicht aufpassen, Elfi, den Ast hab’ ich gerad’ voll ins Visier gekriegt!“ oder: „Das doofe Moos! Sackt man ständig ein! Können die hier keine Straße bauen?“

Dabei hatte er es gar nicht so schwer, denn selbst für ihn fand Alcanara Wege. Wobei das mit dem Ast im Visier definitiv Absicht gewesen war, da war ich mir sicher. Ich meinte, sie leicht schmunzeln gesehen zu haben.

Wir kamen also gut voran. Das war auch angebracht, denn wir wollten so schnell wie möglich nach Gerneburg. Die Rangerin wies uns den Weg, und wir blieben einfach an ihr dran. Man könnte es als „Waldwandern auf unangenehm“ bezeichnen, aber dafür waren wir wirklich schnell unterwegs – im Elfentempo halt. Wenn Alcanara sonst mit uns im Wald unterwegs war, war das für sie eher Schlendern.

Wir waren uns aber einig, dass wir das nicht noch einmal so machen würden, denn am dritten Tag ging das Zwergengemecker wirklich jedem auf die Nerven. Dafür erreichten wir Gerneburg in „Hochgeschwindigkeit“.

Gernedrin. Oder auch nicht.

DIE STADT ENTPUPPTE SICH als Festung. Selbst Erzbart nickte anerkennend. „Mal nich’ so ‘n mickriges Menschending.“ Wir fanden keine Anlage mit Nebengebäuden vor, so wie in Wolderan, sondern ein großes, dickes, massives Ding von Burg. Sie wirkte wie ein Block aus Stein, mitten in der Landschaft.

Darum herum gab es einen sogenannten „Stadtring“, der offensichtlich lediglich Dienstleistungen für die Burg bereitstellte, und in dem wohl recht viel Handel betrieben wurde. Hierbei handelte es sich um Dutzende von Fachwerkhäusern, die zumeist Wirtschaftsgebäude und Läden waren. Die Bürger der Stadt wohnten offenbar alle in der Burg, was ich ganz schön komisch fand. Das musste doch super eng in dem Kasten sein, mit den ganzen Leuten.

Dementsprechend dünn war der Stadtring. Hierher kam man wohl nur zum Arbeiten, oder vielleicht mal auf ein Bier. Ein paar auswärtige Händler wohnten offensichtlich auch dort, aber der Ring hatte keine wirkliche Mauer, sondern eher so eine anderthalb Meter hohe Pro-Forma-Umfriedung, an der ein paar Wachen entlang patrouillierten. Sicherheit war anders, und direkt dahinter in Burgform zu finden. Das mochte der Grund sein, warum sich alle in die Festung quetschten, ich hätte aber einfach mal eine Stadtmauer gebaut.

Die Mauern der Burg waren mindestens 30 Meter hoch und die davon eingefriedete Fläche umfasste mehrere Fußballfelder. Das war eine Stadt innerhalb von Mauern, ohne wirkliche Häuser. Ich hielt das für echt strange, und Alcanara gefiel es überhaupt nicht. „In diese Burg setze ich keinen Fuß, wenn es nicht unbedingt sein muss!“

Erzbart schüttelte den Kopf. „Stell dich nicht so an, Elfi, der Stein tut dir nix.“

Auch hier sollten etwa 10.000 Leute leben, was ich kaum glauben konnte. Das war aber wohl tatsächlich die relative Standardgröße für mittlere kaiserliche Städte, erzählte Kiran, der zum Questen schon in einigen gewesen war.

Ich musste ihn bei Gelegenheit mal fragen, ob er früher ins Spiel gekommen war als ich. Es wirkte so, er kannte sich deutlich besser aus als ich.

Zum Glück unserer Elfe mussten wir aber gar nicht in die Burg. Wir wollten nur Informationen einholen und Penks Rüstung anpassen – danach würden wir entscheiden, wie es weitergehen sollte. Dafür sollte der Stadtring vollkommen ausreichen.

Vielleicht würde ich die Eyfa-Quest mal in den Raum werfen, sobald wir mit allem fertig wären. Wenn ich das vorschlug, wäre Kiran auf jeden Fall mein neuer bester Freund. Aber eigentlich hatte ich keine Lust auf eine ewige Quest.

Es gab kein Tor in der Öffnung der Mauerumfriedung, und die beiden Wachen sahen uns nur desinteressiert an, als wir an ihnen vorbei marschierten. Wir nickten ihnen zu und suchten uns eine Herberge.

Offensichtlich mussten Gäste in Gerneburg außerhalb der Burg unterkommen, was den einen oder anderen Gastwirt angezogen hatte, sodass es ein wenig Auswahl gab. Ich hätte unsere Schlafgelegenheit gern ein wenig genauer ausgesucht, aber der Zwerg wollte unbedingt in „Die dicke Sau“, sobald er das Tavernenschild erspäht hatte. Der Laden sah nicht so schlecht aus, also wehrte sich keiner, und zwei Minuten später konnten wir eine gemütliche Bierkelleratmosphäre genießen.

Die Möbel hier waren alt, aber gepflegt, es hingen ein paar Eberköpfe an den Wänden, zwei Saufedern gleich daneben und eine schwere Armbrust über der Theke.

Hier mochte jemand Wildschweinjagd.

Wir suchten uns einen Tisch, was sich nicht schwierig gestaltete, da von den fünf vorhandenen nur zwei besetzt waren.

Der von Benutzung glatt geschliffene, eher unscheinbare, aber offensichtlich stabile Stuhl knarrte etwas, als Erzbart sich in seiner Rüstung draufsetzte. Nachdem klar war, dass mein Kumpel nicht gleich durch die Sitzfläche brechen würde, sah ich mich weiter um.

Eine lange Bar zog sich über die Wand an einer Seite des Raumes, nur unterbrochen durch eine Tür nach hinten und die Treppe nach oben. Das obligatorische Bierfass befand sich auf der Bar, die Humpen sauber daneben aufgereiht. Alles hatte man schön mit altem Holz vertäfelt. Etwas dunkel fand ich es hier drin, zumal es nur wenige, recht kleine Fenster gab, aber für die Gemütlichkeit war das eher förderlich. Es roch lecker aus Richtung Küche.

Am Tisch neben uns saßen vier Handwerker, aufgrund der Hämmer an ihren Gürteln vermutlich Zimmermänner, die sich den Schweinebraten des Hauses schmecken ließen. Am zweiten Tisch hatten sich drei Typen in Kettenrüstung niedergelassen, die sich ebenfalls einem Schweinebraten widmeten. Sie waren mit Schwertern bewaffnet, und an der Wand lehnten drei Speere. Ich nahm an, dass sie Wachen waren, die dienstfrei hatten.

Wir entspannten uns. Die letzten Tage hatten uns ganz schön geschlaucht, daher freuten wir uns, mal „runterkommen“ zu können. Nach den Seufzern der Erleichterung bemerkte Erzbart: „Penk und ich sind morgen inner Schmiede. Was macht ihr?“

Er hatte schon bestellt und wartete ungeduldig aufs Bier, das von dem viel zu jungen Schankmädchen gezapft wurde. Die Kleine war höchstens 13.

Die Elfe antwortete als Erste. „Ich muss vermutlich doch einmal kurz in die Burg, denn dort steht der Magierturm, und ohne kann ich nicht porten. Ich will definitiv wissen, was da los war. Ich werde spätestens abends zurück sein.“ Wir hatten uns darauf geeinigt, Wolderan in der Öffentlichkeit nicht zu erwähnen, also blieb sie allgemein.

„Wird dich nicht umbringen. Stein beißt nicht. Oder nur selten und dann nur Elfen“, kommentierte Erzbart.

Alcanara funkelte ihn böse an.

Kiran klinkte sich ein: „Wenn‘s dazu ‘ne Quest gibt, bring sie mit. Ich schau mich derweil mal in der Stadt um.“ Der Mann klang erschöpft. Die Waldwanderung hatte ihm mit am wenigsten Spaß gemacht, denn Kiran war mehr für Wege und Straßen zu haben, ähnlich wie Erzbart.

Ich nickte das alles ab und gab meinen Senf dazu: „Okay. Ich häng’ ’n bissel rum.“

Bevor die anderen zu sehr kichern oder die Augen rollen konnten, kam das Bier.

* * *

„Bruder Dekonstruktor, wir haben keine Möglichkeit. Der vor Ort befindliche Bruder Operantus konnte sie nicht inspizieren. Sie sind in den Wald entkommen und haben einen Elfen dabei. Entsprechende Counter-Ressourcen befanden sich nicht vor Ort. Das Orakel sagt zudem, dass bei dieser Gruppe die gegenteilige Energie vorherherrscht. Stark. Wir können sicher sein, dass sie nicht infiziert sind. Ich werde die Suche abbrechen lassen.“

Bruder Dekonstruktor schwieg. Alles, was nicht mit Zerstörung oder Tod zu tun hatte, war nicht seine Aufgabe.

* * *

Falls es einen Rumhängen-Skill gab, würde ich den irgendwann als Freebie bekommen, da war ich mir sicher.

Ich mochte die Dicke Sau nicht so besonders. Klar, das Essen war gut, das Bier auch, die Preise waren okay ... Aber hier lungerte ständig die Stadtwache herum. Offenbar gab es in diesem Laden den besten Braten der Stadt zu wachlohnfreundlichen Preisen.

Besagte Wachen interessierten sich zwar einen Scheiß für uns, frei nach dem Motto: „Dienst ist Dienst, Futtern ist Futtern“, aber so wirklich entspannen konnte ich hier nicht. Lag das an meiner Rogue-Klasse? Ich fühlte mich durch ihre Anwesenheit immer ein wenig bedroht, obwohl es eigentlich keinen Grund dafür gab.

Die Zimmer waren auch nichts Besonderes. Sauber geschrubbt, sicher, aber die Matratzen fühlten sich durchgelegen an, und an der restlichen Einrichtung hatte man gespart. Dieser Laden lebte klar von seinem Schweinebraten - Den konnte man noch nicht mal klassifizieren, so gut war der. Ein Inspizieren dieses Traums in Bratenform brachte nur:

Wildschweinbraten von Hartmut.

Er schien schon etwas Besonderes zu sein, aber abgesehen davon, dass er unglaublich lecker schmeckte, konnte ich nichts feststellen. Gut, dass wir nicht lange hier sein würden. Braten war nicht alles, egal, wie gut er schmeckte.

Was meine Paranoia anging, war ich wieder runtergekommen. Vier Tage lang durch den Wald zu hetzen und dann in eine Stadt zu kommen, ohne dass weit und breit etwas von dieser komischen Gilde zu sehen war, hatte geholfen.

Wir machten uns wohl alle noch Gedanken um die Wolderan-Sache – vielleicht abgesehen von Penk –, aber wir redeten nicht mehr darüber.

Was gab es auch zu sagen? Bevor Alcanara nicht mit Infos wiederkam, wäre alles nur Spekulation.

Also hing ich rum und grübelte. Meist über das beliebte Thema, wer hier das System „rulte“, warum Kiran und ich hier waren …

Es kam wie üblich nichts dabei heraus.

Die Qualität meiner Laune war also eher bescheiden, als Penk und Erzbart nachmittags aus der Schmiede wiederkamen. Penk trug nun eine komplette, doppellagige Zwergenkettenrüstung. Der Mann hatte zwar nicht den Rüstungsskill, um das so locker tragen zu können wie Erzbart, dafür allerdings Stärke 20, mit Rüstungs- und Schwertboni sogar 24. Er machte das einfach über Kraft. Und er war echt gut drauf. Klar, Penk begann langsam in der Oberklasse mitzuspielen, also bei uns. Ich hüstelte leicht bei diesem Gedanken, aber auch nur leicht!

Erzbart hatte wie immer sauber gearbeitet, Penk sah echt gut aus. Noch in Wolderan hatte er sich die Haare schneiden lassen, und er ging nun auch regelmäßig baden. Aus dem verwahrlosten Söldner, der mit zwielichtigen Adligen rumhing, wurde langsam ein ernstzunehmender Krieger.

Das Einzige, was mich nach wie vor wunderte, war, dass er die Zerstörung von Wolderan noch immer nicht mit einem Wort erwähnt hatte. Auch über seine Tante hatte er nicht gesprochen, kein einziges Wort der Empörung, keine Rachegelüste, nichts. Stattdessen freute er sich über die Rüstung.

Darauf musste ich ihn irgendwann mal ansprechen. Aber noch nicht jetzt.

Kiran war schon früher „heimgekommen“ und hatte auch was zu erzählen.

„Die meisten Quests gibt in der Burg“, ließ er uns wissen und sah nicht glücklich aus. „Das ist eine Gildenanlage, der örtliche Baron ist der Gildenvorsteher. Die sind ganz schön unfreundlich da. Man kommt nur mit Grund in die Burg, und Quests annehmen ist keiner.“ Man konnte seinem Tonfall entnehmen, dass er das anders sah, aber reingekommen war er offenbar trotzdem nicht.

Er hatte aber irgendeine Puzzlequest aufgetrieben und saß dementsprechend nun am Nebentisch und puzzelte. Vier Stadtwachen beim Schweinebraten, noch einen Tisch weiter, komplettierten das Bild. Alcanara war noch nicht wieder da.

Die Jungs hatte gerade Platz genommen, da ertönte auch schon der Zwergenbass: „So, wir hätten’s dann. Was machen mer jetzt?“

Erzbart sah sehr zufrieden aus. Gute Arbeit machte ihm immer gute Laune.

Außerdem hatte er nun auch keine Schulden mehr.

„Erst mal auf Alcanara warten“, erwiderte ich. „Ich hab’ da noch so ein, zwei interessante Sachen auf Lager, aber ich will wissen, ob wir mit den Purify-Arschlöchern noch Stress bekommen.“

Ich ging nicht davon aus. Unser Abgang war zu sauber gewesen. Aber wenn eine große Gilde einen erst mal auf dem Kieker hatte, war man besser gründlich.

„Die Karte?“, fragte mein Kumpel daraufhin. Er sah mal wieder verdächtig unbeteiligt aus, wie immer, wenn es um das Ding ging.

„Wenn wir einen finden, der sie lesen und die Klappe halten kann, ja. ‘Ne nette, kleine Schatzsuche wär’ genau das Richtige für Geldbeutel und Stimmung, denk’ ich.“ Eine Schatzsuche bedeutete ein Plus im Geldbeutel. Eine Unique Quest hingegen bedeutete Stress. Also erwähnte ich die Eyfa-Quest, die mit dem Herz zusammenhing, das ich noch mit mir herumschleppte, besser nicht.

Penk nickte das ab. Ein Daumen hoch kam von Kiran, der neben uns weiterpuzzelte.

Erzbart wirkte nachdenklich. „Könnte krass werden, so ’n Ancient-Ding. Ist eher was für’n großen Raid, würd’ ich sagen.“

Ich wunderte mich etwas. „Weißt du da was drüber?“

Mein Kumpel nickte. „Über die Ancient selbst nicht. Niemand weiß da viel, außer ein paar Gelehrten und gelegentlich Priestern oder Magiern. Sie sind halt uralt.“ Das hätte ich mir denken können. „Es gibt aber hier und da ‘n paar Ruinen von denen, und manchmal auch ‘n paar Ruinen mehr.“

Die Ancient waren offensichtlich so was wie die Maya bei uns. Meine Karte, die ich damals bei der Lootverteilung vorm Epic Dungeon abgegriffen hatte, führte genau dorthin: zu einer ihrer Ruinen.

„Das sind immer fette Locations, Level 50 aufwärts“, erzählte Erzbart. Die Beute darin konnte man wohl nur als „traumhaft“ bezeichnen. „Kein Kleinkram, auch quasi keine Items, außer ganz, ganz seltenen echten Über-Teilen“, schwärmte mein Freund uns vor. Dafür gäbe es magische Gegenstände, die man in den Charakter integrieren könnte und die superkrasse Funktionen besitzen sollten. Ein Talentpunkt oder eine Technik war ein Standard-Drop beim Zwischenboss. Der Bossloot bestand aus besonderen Eigenschaften oder vielleicht einer Begabung. Sogar Ober- und Superbosse sollte es da ab und zu geben, die droppten dann ganze Spezialisierungen oder Charakterklassen, die man mal eben für lau zwischendurch nehmen konnte.

„Und das Beste ist, Ancient-Zeug hat keine Level- und Klassenbeschränkungen! Das kann jeder benutzen oder in den Char integrieren!“ Erzbart war sehr begeistert. Nicht zu Unrecht – die Sache klang super.

Allerdings hatte sie einen Haken: Als kleine Gruppe reichte einem an so einem Spot selbst Level 50+ nicht aus. Man würde von den Geistern der Ancient einfach „gezergt“. Die sollten wohl super EP geben, aber es wären viele, sie wären hart und die meisten hätten sogar Elite-Status. Mit weniger als 40 Mann, inklusive Priestern und Paladinen, wäre da nichts zu machen.

Da war Erzbart sich sicher, aber er hatte eine Lösung für dieses Problem parat. „Der Kovar-Tempel würde uns ’ne Gruppe Priester und Paladine stellen. Alle Level 50+. Für die dritte Wahl beim Loot. Der Steinbeißerclan stellt ’ne komplette Kampfgruppe. 80 Kriegerzwerge, keiner unter Level 40.“ Er sprach sehr gewichtig. Das kannte ich so gar nicht von ihm, außer wenn es um seinen Gott ging.

„Mit Tundera Steinbeißer als Raidleaderin“, fuhr er fort. „Die hat’s drauf. Sie will aber die erste Wahl haben. Du bekommst die zweite, wir alles ab der vierten, bis jeder was hat. Wenn genug da ist, kriegen die Steinbeißer den Rest. Ist aber nicht mehr viel zu erwarten. Ancient-Drops sind oberfett, aber nicht zahlreich. Ist sogar die Frage, ob bei uns jeder was abkriegt, das denke ich aber schon.“

Erzbart sah mich nach diesen Ausführungen erwartungsvoll an. Mein Freund hatte schon den einen oder anderen Gedanken an meine Karte verschwendet. Offenbar etwa zehnmal so viele wie ich.

Was mir an diesen Gedanken nicht gefiel: Die Nummer klang unterm Strich nach einer ewig geilen Location, von der ich die Hälfte abgeben musste. Das fand ich so gar nicht geil.

Das sagte ich ihm auch, aber er schmunzelte nur.

„Jungchen, so was ist was für die großen Gilden. Oder Clans. Nich’ für ’ne Abenteurergruppe wie uns. Wir kommen da nicht mal in die Nähe auf unserem Level. Die Steinbeißer würden uns da durchziehen, Powerlevelsession mäßig. Und ich find’, dafür kriegen wir gut ab.“

Er hatte recht. Es schmeckte mir aber immer noch nicht so wirklich.

Alcanaras Rückkehr unterbrach schließlich unser Gespräch. Wie immer im Superlook schlenderte sie mit nachdenklichem Gesicht durch die Eingangstür und hielt auf unserem Tisch zu. Sie setzte sich zu uns und blickte ernst in die Runde. Das kannte ich so gar nicht von ihr. Alle sahen sie fragend an. Selbst Kiran ließ sein Puzzle für einen Moment Puzzle sein und kam rüber.

„Hey, Alcanara, alles gut?“

Sie nickte, immer noch nachdenklich. „Ja, alles gut. Ich weiß, wer Purify ist, und warum sie getan haben, was sie getan haben.“ Jetzt wurde aus unseren neugierigen Blicken ein erwartungsvolles Anstarren. „Sie nennen sich auch ‚Die Lichtbringer‘. Eine Gilde des Guten. Paladine, Priester, Kleriker, Ritter, was ihr wollt. Sie sind mit der Göttin des Lichts verbandelt. Die Untoten im Kaiserreich halten sich in Grenzen, nicht wahr?“

Die Frage war rethorisch gemeint, da sie sie sogleich selbst beantwortete: „Das liegt an Purify. Größtenteils zumindest. Allerbester Ruf, immer einen Lolli für die Kleinen dabei. Wo die auftauchen, geht das Böse stiften. Und nun hat der Kaiser sie beauftragt, eine Seuche auszumerzen, so habe ich das jedenfalls verstanden. Wolderan war bislang der Höhepunkt dieser Operation, davor brannten nur Dörfer und zwei kleine Städte. Die AKA schaut tatenlos zu. Auch wenn mein Bruder gehört hat, dass es ihnen nicht gefällt.“

Die AKA war die „Ambrisch Kaiserliche Armee“. Die bestand aus Berufssoldaten, Level 30+, und war ein professioneller Haufen. Man musste sie sich ein wenig wie die Legionen des alten Roms vorstellen. Penk wollte sich ihnen eventuell anschließen, sobald er weit genug aufgestiegen war. Unterhalb von Level 30 nahmen sie niemanden auf.

Die Elfe war aber noch nicht fertig. „Wie auch immer, mein Bruder sagte, dass Purify sich zurückgezogen hat, nachdem sie die Burganlage gründlich geschleift und jeden in Wolderan dem Feuer überantwortet haben. Sie haben sich ein wenig in der Gegend umgesehen, ja, aber es gab keine groß angelegten Suchaktionen nach uns.“

Das klang gut. Wie es aussah, hatten wir keinen Stress mit dieser Übergilde, auch wenn Wolderan echt die Arschkarte hatte. Wenigstens sollte sich die Sache mit dem Liebeskummer des Grafen nun gründlich erledigt haben.

Manchmal bin ich echt ’ne miese Sau. Aber hey, ist doch so, oder?

Ich schaute zu Kiran hinüber, der mir gewichtig zunickte. Das Thema war für ihn längst noch nicht gegessen, aber offensichtlich etwas, was wir uns für später aufheben würden. Damit konnte ich leben. Er ging wieder puzzeln, und ich räusperte mich. „Okay, wir sind also sauber. Bock auf Zwergenraid?“

Alcanaras Gesichtsausdruck definierte jegliche Vorstellungen von Entsetzen neu. „Hast du den Verstand verloren?“, flötete sie mit deutlichen Misstönen. „War ich zu schnell im Wald, und das war schädlich für deine Denkprozesse? Wie kommst du darauf, dass ich auch nur im Entferntesten auf die Idee kommen würde, an so etwas teilzunehmen? Ich ertrage unseren wandelnden Metallhaufen hier, weil er wirklich sehr praktisch ist, aber ein Raid mit Unmengen Zwergen? Auf keinen Fall!“

Ich lächelte. Damit hatte ich gerechnet. Und auch einen Plan.

„Ach, ich dachte, dass du vielleicht Lust auf ‚Ancient-Drops‘ hast. Und auf EP für zwei bis vier Level, während wir uns die holen. Du kannst dich an die Karte aus dem Snarra-Dungeon erinnern? Die ist unser Ticket für genau so eine Nummer. Low-Levelgruppe wird von Highlevelzwergen gepowerlevelt und kassiert dafür die Hälfte der Drops aus einer der dicksten Locations weit und breit. Ich war davon ausgegangen, dass dich das interessiert, aber wenn du nicht magst ...“

Ich hatte mich um die Angelegenheit „drum herumgewickelt“. Der Plan schmeckte mir immer noch nicht so richtig und hatte mir vorgenommen, nachzuverhandeln, aber grundsätzlich klang die Sache einfach zu gut, um sie sausen zu lassen. Ich hätte die Elfe nur gern dabeigehabt. Irgendwie hatte ich mich an sie gewöhnt.

Das Entsetzen der Rangerin ließ ein klein wenig nach. „Du weißt, wie du mich ködern kannst, junger Mensch, doch so einfach ist das nicht. Es wird mich foltern, wenn schon nicht physisch, dann auf jeden Fall psychisch. Nur für Level und vielleicht einen Drop tue ich mir diese Qualen nicht an.“ Sie warf ihre Haare zurück und setzte einen ablehnenden Gesichtsausdruck auf.

Die wird besser im Posen ...

„Vierte Wahl. Das ist ein mindestens ein Talentpunkt, Alcanara, wenn nicht sogar eine gute Eigenschaft oder eine Begabung.“ Ich sah sie fest an.

Nun verengten sich ihre Augen zu Schlitzen. „Menschen! Ich hätte mich niemals auf sie einlassen sollen! Ihr könnt so verdammt überzeugend sein!“

Warum erkenne ich immer, wenn sie „post“, kann sie aber trotzdem nur schlecht einschätzen?

„Heißt das jetzt Ja?“, fragte ich locker und nahm einen Schluck Bier.

„Natürlich heißt das Ja. Wenn ich mir das entgehen lasse, kann ich auch gleich wieder nach Hause porten. Wegen so etwas bin ich in der Welt, und du weißt das genau! Aber muss es denn unbedingt mit Zwergen sein?“ Sie schnaubte und sah zu Erzbart. „Dann muss ich ständig eine Nasenklammer tragen und die ganze Zeit auf das Ungeziefer aufpassen, das deine Leute immer mit sich herumschleppen!“

Mein Kumpel lachte nur.

Elfen.

Der zwergische Plan sah vor, dass Erzbart einen Brief schreiben würde und den dann via Magegilde zu den Steinbeißern befördern ließe. So was war bezahlbar, und die Steinbeißer trugen das „Porto“. Dann sollte zügig jemand aus der Clanführung samt eines Kartografens hier auftauchen, um mit uns die Einzelheiten zu besprechen. Wenn der Brief gleich noch rausging, wären die Typen wahrscheinlich schon heute Abend oder spätestens morgen da.

Das klang nicht schlecht für mich, insofern machten wir es so. Zehn Minuten später machte sich mein Freund auf den Weg zum Magierturm in der Burg.

Die Rangerin lehnte sich zurück, als der Zwerg die Taverne verließ. Sie hatte nach wie vor einen etwas angewiderten Gesichtsausdruck aufgesetzt, das war aber wieder ihr Posen-Skill. „Wenn ich das zu Hause erzähle, lassen sie mich nie wieder raus“, flötete sie missmutig. „Mein Bruder darf nichts davon erfahren, das müsst ihr mir versprechen!“

Wir alle nickten eifrig, worauf sie seufzte und sich weiter beschwerte. „Davon kann ich in 700 oder 800 Jahren meinen Enkeln erzählen. Eine Elfe bei einem Zwergenraid. Unglaublich. Und ich mache sogar freiwillig mit!“ Sie schüttelte den Kopf. „Was tut frau nicht alles für Level 30! Ach, übrigens, Kiran, ich habe dir etwas mitgebracht. Von meinem Bruder.“

Kiran schaute interessiert vom Bier auf. Er war schon vor einigen Minuten mit seinem Puzzle fertig geworden, das daraufhin verschwunden war. Offensichtlich hatte er die Quest abgeschlossen und die EP eingesackt.

Alcanara legte einen leuchtenden, grünen Edelstein vor ihm auf den Tisch und machte eine auffordernde Geste. Kiran griff zu und lächelte. Der Edelstein zerbröselte, und der Champion las sich etwas durch.

„Schaut mal“, sagte er eine knappe Minute später und warf uns einen Prompt zu:

Kiran der Unglaubliche lädt dich ein, ihn auf einer Quest zu begleiten:

QUESTALARM! ER braucht Zeug!

Questtyp: Normal!

Questart: Suchen und Sammeln!

Questschwierigkeit: Hart!

ER braucht ständig alles mögliche Zeug. Du sollst etwas davon sammeln. Dieses Mal: Das Auge eines Basilisken!

Erfolgsbedingung: Das Auge des Basilisken wird zur Magier-Gilde gebracht.

Bonus für erfolgreiche Quest: Erfahrung. Gold. Weitere Quests.

Strafe für nicht erfolgreiche Quest: Der Tod?

Strafe für Nichtannahme: ER wird es nicht mögen.

Zeitrahmen: Keiner

Nimmst du an?

JA / NEIN

Wir sollen einen Basilisken jagen? Können die einen nicht blind machen? Das kannte ich noch aus meinen Pen-and-Paper-Zeiten. Und wer war ER? Die Nummer kam mir ein bisschen fischig vor.

„Nicht doch lieber Zwergenraid?“, bemerkte ich lakonisch, nachdem ich den Prompt fertiggelesen hatte.

Zwergenraid und anderer Schwachsinn

KENNT IHR DEN KLASSISCHEN HUNDEBLICK? Also diese Bettelfresse, die die Viecher aufsetzen, wenn sie was zu futtern haben wollen?

Kiran konnte das deutlich besser als jeder Hund, dem ich in meinem Leben begegnet war. Er sagte nichts, er schaute uns nur mit diesem Blick an.

Penk knickte als Erster ein. Er sah weg und räusperte sich. „Wo is’n das? Können wir ja schnell vorher machen, wenns nich’ zu weit weg is’.“

Damit war die Sache gelaufen. Kiran hatte eine Map und – wie sollte es anders sein? – wir würden gerade mal vier Stunden Fußweg zum Questspot brauchen. Gleich in der hinter der Burg gelegenen Hügellandschaft sollte das Monster sitzen. Es war überhaupt kein Problem, hinzukommen.

Ich seufzte. Ich mochte questen nicht so gern, und diese Quest war mir suspekt. Alcanaras Bruder gab ihr einen Stein für Kiran mit ... Klar, sie würde von unserem Meisterquester erzählt haben, aber warum arbeitete ihr Bruder, der ja ein unglaublich fetter Elfenmagier zu sein schien, mit einem Typen, der sich ER nannte?

Außerdem kam mir der Ton der Quest so vor, als ob dieser ER ein paar Untergebene durch die Gegend scheuchen wollte. „Du sollst etwas davon sammeln ...“ Als ob wir seine Angestellten wären. Das war ich aber definitiv nicht, und es war mir scheißegal, ob der es nicht mochte, wenn ich die Quest nicht annahm.

Aber viel zu sagen hatte ich nicht mehr dazu, da meine halbe Gruppe schon die Jagd plante.

Ich fügte mich in mein Schicksal und wandte mich an Alcanara. „Was ist das für ’ne Nummer? Wer ist ER?“

Sie zog die Stirn kraus.

Oh, krass, das können Elfen ja doch.

„Wer das ist, weiß ich nicht“, erwiderte sie, „aber er arbeitet eng mit meinem Bruder zusammen. Ich habe schon das ein oder andere Mal von IHM gehört. Und die Quest ist das, was sie zu sein scheint. Basilisk killen, Auge mitnehmen, abgeben, kassieren. Mein Bruder ist zwar ziemlich abgehoben, aber er weiß, dass ich dabei bin, und er ist auch niemand, der Leute einfach so ins Verderben rennen lässt. Ich glaube eher, dass Tyriel eine Liste von Dingen hat, die ER braucht, und gerade ist die Gelegenheit günstig, der Basilisk nebenan und es sind Leute vor Ort, denen man vertrauen kann. Wir nämlich. Das wird hart, das wird es immer, wenn mein Bruder mitspielt, aber es sollte durchaus machbar sein. Erblindungsschutztränke sollten wir uns allerdings trotzdem kaufen.“

Na gut, es schien sich um keine allzu schwierige Aufgabe zu handeln. Außerdem kam ich aus der Nummer ohnehin nicht mehr raus.

„Okay. Meinetwegen. Wenn‘s denn sein muss.“ Ich sah dabei mit Sicherheit nur leicht angepisst aus.

Kiran grinste erfreut, das war ja klar. Doch auch Penk lächelte – der langweilte sich wohl. Etwas bremsen musste ich die Jungs aber, immerhin hatten wir Verpflichtungen.

„Wir warten aber vorher noch auf die Zwerge. Wenn die direkt loslegen wollen, dann machen wir erst den Zwergenraid. Ein paar Level mehr, ehe wir uns mit dem Basilisken anlegen, können bestimmt auch nicht schaden. Falls die noch Zeit brauchen, gehen wir erst jagen.“

Das fanden die anderen okay.

Wir hatten beim Zwergenraid ja schon mehr oder weniger zugesagt. Stünde morgen der Clanchef der Steinbeißer „raidbereit“ vor uns, und wir sagten: „Ach nö, wir müssen erst mal questen“, käme das sicherlich nicht besonders gut an. Außerdem würde Erzbart mir dann vermutlich den Kopf abreißen. Apropos Erzbart – der ließ sich ganz schön viel Zeit, es wurde schon dunkel.

Ich nahm die Basiliskenquest an und begutachtete die Map. Wir würden tatsächlich höchstens drei oder vier Stunden bis zu dem Hügel brauchen, in dem der Basilisk seine Höhle hatte. Es wirkte echt nicht kompliziert. Basilisk plätten, Auge einsammeln, abgeben, kassieren. Genau wie Alcanara gesagt hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---