Quo - Anja Berger - E-Book

Quo E-Book

Anja Berger

4,7

Beschreibung

Band 2 der "Zwischen Licht und Dunkel" Trilogie Kira hat den Stein der Dunkelheit geweckt und so unwissentlich ein Amt angetreten, das sie zum Mittelpunkt politischer Intrigen macht. Schlimmer noch, ihr Bekenntnis zu Catron bedeutet gleichzeitig Verrat an ihrem Lehrer und Freund Skjaldan. Gerade dessen Vertrauen benötigt sie jedoch unbedingt. Er ist ihre einzige Verbindung nach Quo, dem Ort, den sie erreichen muss, damit sie das Gleichgewicht der magischen Kräfte wiederherstellen kann. Gelingt es ihr nicht, ihn von ihrer Aufrichtigkeit zu überzeugen, droht ein verheerender Krieg. Bei dem Versuch, das Schlimmste zu verhindern, trifft Kira auf einen gefährlichen Gegner, dessen Machtgier alles Erreichte zu zerstören vermag.

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Inhaltsverzeichnis

Was bisher geschah

Dunkelheit

Konsequenzen

Am Hof

Politik

Vertrauen

Vorbereitungen

Begegnung

Kontrollen

Flucht

Hindernisse

Schamanen

Überfahrt

Getrennt

Savraney

Andorans Hof

Nach Quo

Quo

Prüfungen

Unterricht

Gleichgewicht

Dramatis Personae

Was bisher geschah

Für alle neuen Leser:

Natürlich ist es bedeutend schöner, eine Reihe mit dem ersten Band zu beginnen. Das ist in diesem Fall das Buch: »Catron - Die Melodie der Sterne.« Der vorliegende zweite Band beginnt genau dort, wo »Catron« endet - mit Kira beim Stein der Dunkelheit. Wer sich nicht mehr genau erinnert, wie sie dorthin kam, oder wer mit diesem Band in der »Zwischen Licht und Dunkel« Trilogie neu beginnt, für den habe ich hier eine Kurzzusammenfassung erstellt. Alle anderen beginnen einfach in Kapitel 1.

Als die Studentin Kira Sanders einen verzweifelten Hilferuf hinter einer geheimnisvollen Melodie wahrnimmt, hält sie diese zunächst für ein Produkt ihrer Fantasie. Kurz darauf findet sie sich jedoch in einer mittelalterlich anmutenden, halb zerstörten Stadt wieder, die von grauenerregenden Kreaturen, heimgesucht wird.

Zunächst will sie nur zurück nach Hause, lässt sich dann aber überreden zu bleiben und zu helfen. Mit Skjaldan, der es sich zur Aufgabe gemacht

hat, ihre magischen Fähigkeiten auszubilden, begibt sie sich auf die Reise nach Quo, der Schule des Lichts. Doch Skjaldan ist nicht der einzige, der sich für Kira interessiert. Unterwegs werden sie durch Shadar abgefangen, der alles daran setzt, Kira in die konkurrierende magische Schule, Catron, zu holen.

Von Skjaldan getrennt ist Kira bei ihrer Flucht vor Catrons Magiern auf sich allein gestellt, findet aber Hilfe bei einer Gauklertruppe, die sie bei sich versteckt. Ihre Tarnung fliegt bei einem Auftritt der Truppe auf und es gelingt Shadar, Kira nach Catron zu holen. Dort bemüht man sich, ihr die Kraft der Dunkelheit nahe zu bringen, was erst glückt, nachdem sie einige Zeit im dortigen Tempel verbringt. Bei ihrer Aufnahme in die Schule kommt es jedoch zum Eklat, als ein Ratsmitglied von ihr verlangt dem Licht abzuschwören. Kira sieht in dieser Situation keine andere Möglichkeit als den versammelten Magiern die Melodie des Lichts, vorzuspielen, um sie von der Richtigkeit ihres Tuns zu überzeugen. Damit weckt sie unbeabsichtigt den seit vierhundert Jahren in Catron ruhenden

Stein der Dunkelheit, der sie vor eine schwerwiegende Entscheidung stellt. Ist Kira bereit, das Amt des Magiers der Weltenkraft anzunehmen, das seit Jahrhunderten brach liegt? Es wird ihr ermöglichen, die Aufgabe zu lösen, für die sie in diese Welt gerufen wurde, doch es zieht sie auch immer tiefer in den Konflikt der beiden magischen Schulen hinein.

Dunkelheit

Kira

»Wenn sie hören, was ich diesmal vorhabe, kann ich nur hoffen,

dass sie mich nicht auf der Stelle töten.«

Kira Sanders, ehemalige Musikstudentin, angehende Magierin der Weltenkraft, Catron, Aidris

Dunkelheit umschloss sie wie ein Mantel, hüllte sie ein und erfüllte sie mit dem Gefühl von Geborgenheit.

Gleichgewicht ... an diesem Ort fehlte das Licht, doch das trug sie in sich. Deshalb konnte sie überhaupt hier sein. Nicht Licht oder Dunkelheit, beides war nötig, um das Gleichgewicht zu erreichen, das die Welten schützte. Mit dieser Gewissheit ergab alles einen Sinn. Der Ruf Moanirs, der sie in diese Welt gebracht hatte, die Angriffe der Dunklen und ihre Reise mit Skjaldan, dass Shadar sie auf dem Pass abgefangen hatte und ihre anschließende Flucht vor Catrons Rat. Wie groß war ihre Angst vor der Dunkelheit gewesen!

Genauso groß, wie mein Unwissen. Kira seufzte, als sie sich erinnerte, wie der Rat sie im Tempel eingesperrt und mit dem Tod bedroht hatte, damit sie darüber nachdachte. Ob Nouh mit ihrer Antwort zufrieden war? Beinahe hätte Kira laut gelacht, aber hier, beim Stein der Dunkelheit, war nicht der Ort dafür. Zudem wusste sie in keiner Weise, wie der Rat es aufnehmen würde, dass sie den Stein geweckt hatte. Schon gar nicht, was die Magier von den Konsequenzen hielten, die sich daraus ergaben.

Nachdem ich gerade geschworen habe, hier zu lernen, muss ich nach Quo, um den Stein des Lichts zu wecken. Gleichgewicht. Es ist meine Aufgabe, das Gleichgewicht der magischen Kräfte dieser Welt zu richten und ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll!

Kira schloss die Augen. Eine sinnlose Geste, da sie in der alles einhüllenden Dunkelheit ohnehin blind war. Die werden mich diesmal tatsächlich umbringen!

Trotzdem konnte sie nicht einfach in diesem Raum bleiben. Der Rat hatte vorher jeden ihrer Schritte überwacht und sicherlich wartete auch jetzt jemand vor dieser Tür. Sunnaras, Jabin oder Mahir? Das waren die Namen der Ratsmagier, die ihr laut Shadar positiv gegenüberstanden. Diese drei und Shadar selbst.

Was, wenn sie Skjaldan jetzt sofort geistig kontaktierte und ihn bat, sie nach Quo zu holen? Es war möglich, er hatte es bei ihrem letzten Kontakt angeboten, sogar darauf gedrängt. Es würde einiges leichter machen und womöglich konnte der Stein sie vor dem Rat schützen?

Nein. Sie hatte Shadar versprochen, ihren nächsten Kontaktversuch nach Quo mit ihm abzusprechen. Musste er es erfahren? War es möglich, dass der Stein sie abschirmte, ihre Magie vor dem Rat verschleierte? Problemlos, da war sie sich sicher, nur verschöbe so etwas das Gleichgewicht noch weiter.

Kira seufzte und stand auf. Catrons Rat hatte die Melodie der Sterne, das Lied des Lichts gehört. Alle acht Ratsmitglieder waren Zeugen geworden, wie die Töne mit der Melodie der Dunkelheit verschmolzen und sich ergänzten, nicht aufhoben. Das Licht der Sterne und die Dunkelheit hinter ihnen bildeten eine Einheit. Sofern der Rat das erkannt hatte, mussten sie ihr helfen, nach Quo zu kommen.

Es war anstrengend nach der Zeit in der Dunkelheit wieder zu sehen. Kira blinzelte zwischen zusammengepressten Lidern in den Raum.

Ja, der Rat hatte jemanden hier postiert, um auf sie zu warten. Mahir ...

Jetzt, wo sie ihn ansah, ging er ein paar Schritte auf sie zu, blieb jedoch kurz vor ihr stehen. Seine Bewegungen waren nicht so flüssig wie sonst, wirkten zögerlich und beinahe ängstlich. Kira wollte seine Hände greifen um ihn zu begrüßen, doch gerade als sie ihn erreichte, wich er seitlich aus und bedeutete ihr zu folgen.

Zum Glück war es draußen bereits dunkel. Die gleißende Helligkeit der Wüstensonne hätte sie auf keinen Fall ertragen können. Ihr Begleiter sah sich hektisch um und griff nach ihrem Arm. Auch diese Bewegung führte er nicht zu Ende. Als sie ihn ansprechen wollte, nickte er mit dem Kopf zum Ratsturm und überquerte im Laufschritt den Hof. Kira musste rennen, um ihm zu folgen. Erst als sich die Tür zu Sunnaras Bibliothek hinter ihnen schloss, lehnte sich Mahir an eine Wand. Sichtlich erleichtert sah er zu Shadar, Abedin und Sunnaras hinüber, die an einem Tisch saßen.

»Gut … Wir sind hier.«

Seiner Stimme war die Anspannung anzuhören.

»Was ist los, ist etwas passiert?« Kira sah überrascht von einem zum anderen.

Shadar sah sie an und brach in Lachen aus.

»Das …«, er hatte Mühe zu sprechen. »Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts.« Er schüttelte den Kopf und holte mühsam Luft. »Dir ist nicht zufällig aufgefallen, dass du den Stein der Dunkelheit geweckt hast?«

»Shadar!«

Sunnaras lehnte sich zurück. »Bitte beherrsche dich. Mahir, Kira, setzt euch.«

Als sich sein Blick auf Kira richtete, war die Spannung deutlich zu fühlen.

»Dass du den Stein der Dunkelheit geweckt hast, ist in der Tat unerwartet. Ich hoffe, du verstehst, dass wir ein paar Fragen an dich haben?«

»Zum Beispiel, was du nun vorhast zu tun?« Shadar beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf seine Knie.

Sämtliche Blicke ruhten auf ihr. Das war es, was den anderen Angst bereitete? Aber wovor sorgten sie sich? Eigentlich hatte sie angenommen, dass man sich in Catron über diesen Aspekt freute. Immerhin handelte es sich um den Stein der Dunkelheit. Wusste der Rat, dass sie gehen wollte? Es führte kein Weg daran vorbei. Besser sie sprach es gleich aus, als lange damit zu warten.

»Ich muss nach Quo. Der Stein des Lichts …«

Es klirrte. Der Becher, den Mahir in der Hand gehalten hatte, zerbrach auf dem Steinfußboden. Der Tee bildete eine Lache, die niemand wahrzunehmen schien. Alle starrten sie an, als hätten sie einen Geist gesehen und Sunnaras erschrecktes Keuchen war für einen Moment der einzige Laut im Raum.

»Nein, Kira, das …«, er verstummte und starrte sie mit blankem Entsetzen in den Augen an.

Nervös zog sie die Unterlippe zwischen die Zähne.

»Ich weiß, dass ich erst vor wenigen Stunden den Eid geleistet habe, in Catron zu lernen. Das will ich auch, nur jetzt, wo ich meine Aufgabe gefunden habe …«

»Nach Quo zum Stein des Lichts? Das ist gefährlich und es betrifft nicht dich allein. Hast du bedacht, was das bedeutet?« Der Blick, mit dem Shadar sie fixierte war eindringlich.

»Ich weiß.«

Etwa ein Jahr bis Indorain hatte Quent gesagt. Vielleicht ging es mit einem Pferd schneller? Oder mit einem Schiff? »Es ist viel, worum ich bitte, aber falls Ihr Elmaryn und Melian freilassen würdet, könnte ich mit ihnen reisen. Niemand aus Catron ...«

»Was?« Shadar sah sie fassungslos an.

»Ich verspreche später hierher zurückzukehren und zu lernen. Ich schwöre es, wenn nötig, nur zuerst muss ich nach Quo.«

»Kira!«

Sunnaras lehnte sich vor und ergriff ihre Hände. »Das ist Wahnsinn. Erst recht nur mit Melian und Elmaryn.«

Alle sahen sie an. Sunnaras hielt ihre Hände so fest, dass es schmerzte.

»Ich …«

Kira begann und brach gleich wieder ab. Sie musste und würde gehen. Diesmal durfte der Rat sie nicht zurückhalten. Sollte sie Skjaldan bitten? Lieber wollte sie die Erlaubnis des Rates haben.

»Ich weiß seit meinem Kontakt mit dem Stein, dass nicht ich es bin, die die Dunklen besiegen kann, doch ich werde in der Lage sein, sie aufzuhalten. Die Steine können mir die Kraft geben, wenn ich …«

»Die Dunklen. Natürlich!«

Shadars Stimme klang gepresst. Seine Hand krampfte sich um den Saum seiner Robe. »So also!«

Sunnaras sah zu Boden und Mahir legte den Kopf in die Hände. Er wirkte unendlich traurig.

»Die Dunklen«, sagte er leise. »Und dafür bist du bereit nach Quo zu ziehen?«

»Ihr kennt meine Erinnerungen, ihr wisst, was diese Wesen anrichten. Ich kann etwas tun und jetzt weiß ich, was das ist. Warum begreift das niemand?« Kira sah verwirrt von einem zum anderen.

»Was die Dunklen tun, ist nichts dagegen, was du auslösen wirst, sobald du nach Quo ziehst!«

Das Kissen schlitterte über den Boden, als Shadar abrupt aufstand. Er trat vor Kira und fasste sie an den Schultern. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.

»Hast du darüber nachgedacht, was ein Krieg bedeutet? Noch dazu einer unter Magiern?«

Er schüttelte sie. »Wach auf Mädchen, falls du kannst. Du glaubst nicht im Ernst, dass Quo dir den Stein des Lichts auf einem Silbertablett präsentiert? Bitte sehr, Mlyss dei Stian-Kar d’Eartha. Wir haben kein Problem damit, dass Ihr diesen Stein, den wir bisher mit unserem Leben verteidigt haben, zerstören wollt?«

»Krieg? Wieso … Wer will den Stein des Lichtes zerstören?«

Was um alles in der Welt redete Shadar da?

»Du!«

»Ich? Mael Shadar, wovon sprecht Ihr?«

»Du willst nach Quo?«

»Ja«

»Um den Stein des Lichtes zu zerstören?«

»Was? Nein!«

Kira sah Shadar entsetzt an. »Auf keinen Fall! Wie kommt Ihr darauf?«

Hatte Shadar den Verstand verloren?

»Weshalb willst du nach Quo?«

»Ich habe bisher nur den Stein der Dunkelheit geweckt. Meine Aufgabe ist es, über das Gleichgewicht der Kräfte zu wachen. Dunkelheit und Licht. Ich muss den Stein des Lichtes aktivieren. Bis ich das nicht getan habe, ist das Gleichgewicht gestört. Stärker als das vorher der Fall war. Spürt Ihr das nicht?«

Shadar

»Kiras Ideen als politisch unklug zu bezeichnen,

ist eine glatte Untertreibung.«

Shadar von Catron, Ratsmagier der Schule in Catron, Catron, Aidris

Nouh lief mit raschen Schritten im Raum auf und ab, während Eluana am Fenster stand und ihre Nervosität dadurch kundtat, dass sie ihren silbernen Halsreif zwischen den Fingern drehte. An einigen Stellen war das filigrane Schmuckstück bereits verbogen. In der Mitte des Raumes saßen nur Berat, Abedin, Sunnaras und Mahir an dem runden Tisch, alle vier in ein erregtes Gespräch vertieft. Als Berat Shadars Eintreten bemerkte, hob er den Kopf und winkte ihn ungeduldig heran.

»Nach Quo? Das haben wir jetzt davon!«

Nouh hatte die Hand erhoben und deutete auf Shadar. Die Geste hatte etwas so theatralisches, dass Shadar nur mit Mühe ernst bleiben konnte.

»Wir hätten das verhindern müssen, als es noch ging. Licht und Dunkelheit zu verbinden, das ist absurd!« Nouh trat zum Tisch und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

»Hoffentlich ist es nicht zu spät. Wir zwingen sie, ihre Aufgabe niederzulegen und wählen jemanden aus unseren Reihen!«

»Und wer sollte das sein? Du? Ich? Es ist ja nicht so, als hätte bisher niemand versucht, den Stein zu wecken!«

Eluana wandte sich vom Fenster ab.

»Jedes Jahr werden alle Schüler, die ihre Studien in Catron abschließen, im Ritualturm dem Stein vorgestellt. Ich kann mich gut an die Zeremonie erinnern. Wer ist denn in den letzten vierhundert Jahren weitergekommen als bis zur Tür?«

»Ich auf jeden Fall nicht!«

Obwohl er die Stimme gut genug kannte, wandte Shadar sich zum Eingang.

»Jabin, endlich! Was unternehmen wir gegen diese Bedrohung Catrons?« Nouh sprang auf, als wollte er dem Magier seinen Platz anbieten.

»Eine Bedrohung Catrons sehe ich zurzeit nicht. Zumindest nicht durch Kira.« Sunnaras erhob sich kurz und nickte allen Anwesenden zu. »Fangen wir an?«

»Wir dürfen nicht kleinreden, was das Mädchen tut. Ihr Vorhaben komplett zu ignorieren, halte ich für riskant.«

Berat musterte zunächst Sunnaras, danach ließ er seinen Blick über die anderen Anwesenden wandern.

»Ich möchte folgende Frage stellen: Brauchen wir einen Magier der Stian-Kar? Wir sind vierhundert Jahre hervorragend ohne einen solchen ausgekommen. Ist Kira wichtig genug, dass wir uns überhaupt mit ihren Launen beschäftigen müssen?«

»Der Rat wurde von Laon dei Savren als Übergangslösung eingerichtet. Der Magier der Weltenkraft ist immer schon der Führer aller gewesen.«

Abedin sah Berat mit erhobenen Augenbrauen an. »Wir sollten besser darüber nachdenken, wie wir Kira ausbilden, damit sie der Aufgabe gerecht werden kann. Vielleicht ist es ihr möglich, alle die verirrt und geblendet im Licht stehen, auf den richtigen Weg zurückzubringen und Quo aufzulösen.«

»Sie könnte Frieden schaffen.« Mahir lehnte sich in seinem Stuhl vor. »Nach den vierhundert Jahren in Krieg und Spaltung wäre es an der Zeit.«

»In diesem Fall darf sie nicht nach Quo doch dort möchte sie hin.«

Eluana hatte ihren Halsreif wieder umgelegt. »Wie hindern wir sie daran?«

»Ich bezweifle, dass das nötig ist.«

Shadar hielt den Zeitpunkt für gekommen, selbst in das Gespräch einzugreifen.

»Du willst sie gehen lassen?«

Dass Nouh nicht sogleich wieder aufsprang, war alles.

»Ungern. Obwohl ihr Argument, das Gleichgewicht betreffend, beachtet werden muss.«

»Das Gleichgewicht …«

Nouh schnaubte. »Wir wissen nicht, ob sich das richtet, wenn das Mädchen den lichten Stein weckt. Davon abgesehen ist eine Verschiebung zur Dunkelheit zu begrüßen!«

Shadar seufzte. »Diese Verschiebung ermöglicht es den Dunklen zu kommen, wie es scheint.«

»Das sagt Kira!«

»Ich glaube ihr, was diesen Punkt betrifft.«

Shadar schnitt eine erneute Erwiderung Nouhs mit einer raschen Bewegung seiner Hand ab. »Nach Quo sollte sie trotzdem erst einmal nicht. Es ihr jedoch zu verbieten, wird nur Widerstand hervorrufen und wie der ausfällt, ist schwer einzuschätzen. Ich denke, hier kann Quo für uns arbeiten. Ganz bestimmt wird Gran Mael Leandar, Laon dei Savrens Nachfolgerin nicht mit offenen Armen willkommen heißen. Ich wage es sogar vorauszusagen, dass er jeden Kontakt mit ihr strikt ablehnt.«

»Sie sollte aufpassen, dass sie die Ablehnung überlebt!«

Jabin faltete die Hände auf dem Tisch. »Die Antwort auf ihre Anfrage könnte als Angriff ausfallen.«

»Exakt.«

Shadar nickte Jabin zu. »So wird es nötig, dass wir Kira vor Quo schützen. Und sie kann diese Erfahrung selbst machen. Ihr wird Hass und Misstrauen entgegenschlagen. Wir hingegen unterstützen sie als Lehrer und Ratgeber. Wenn sie später ausgebildet nach Quo geht, steht es ihr frei, den Stein des Lichtes zu wecken oder zu vernichten.«

»Und du willst ihr Lehrer sein? Ich halte das für keine gute Idee!« Bevor Nouh zu einer weiteren Tirade ansetzen konnte, hob Shadar die Hand.

»Ich genauso wenig. Zudem möchte ich bezweifeln, dass Kira mich als Lehrer akzeptiert, obwohl ich das durchaus attraktiv fände. Ich schlage Mael Jabin oder Mahir vor. Beide kennen Kira und sie hat begonnen, zu ihnen Vertrauen zu fassen. Das gilt ebenfalls für Sunnaras. Als Führer des Rates sollte er jedoch neutral bleiben.«

Shadar bemerkte aus dem Augenwinkel, wie Sunnaras ihm einen dankbaren Blick zuwarf.

Eluana nickte.

»Das hört sich sinnvoll an.«

Shadar sah zu Abedin herüber. Mit Berats oder Nouhs Zustimmung rechnete er nicht, doch Abedin brauchten sie auf ihrer Seite. Ansonsten würde der Vorschlag keine Mehrheit im Rat erhalten. Zumal er selbst erklärt hatte, dass Sunnaras neutral bleiben sollte. Dann allerdings überraschte ihn Berat, als er sprach. »Sofern Jabin Kiras Ausbildung übernimmt und nicht Mahir, bin ich mit dieser Lösung einverstanden, bitte aber um genaue Beobachtung und Berichte über ihre Fortschritte.«

Er faltete die Hände und sah Mahir entschuldigend an. »An dir hege ich keine Zweifel, eher an dem Mädchen. Sie hat hier schon für zu viel Unruhe gesorgt. Jabin wird das in meinen Augen besser durchschauen. Du willst den Frieden, sagst du, doch einen Frieden mit Quo sehe ich nicht. Die einzige Lösung in meinen Augen ist, dass Quo aufgelöst oder ausgelöscht wird. Diese Rebellen müssen den Stein des Lichtes nach Catron bringen, wo er hingehört. Das sollte unser Ziel sein.«

Das würde in den nächsten vierhundert Jahren nicht geschehen. Shadar hütete sich jedoch, diesen Gedanken laut auszusprechen. Berat kam einfach zu selten aus Catron heraus. Er hatte, soweit es Shadar bekannt war, Aidris niemals verlassen. Quo war nur noch in Berats und möglicherweise Nouhs Kopf ein Rebellennest. Für den Rest der Welt handelte es sich um eine Schule für Magie, die der Anerkennung durch Catron nicht mehr bedurfte. »Würdest du Kira denn unterrichten?«

Sunnaras wandte sich an Jabin, der nickte. Der Ratsbeschluss war gefasst.

Shadar fand Kira im Tempel, wo sie neben Eylas Eldin am Tisch saß, den Kopf in die Hände gestützt. Sie sah auf, als er eintrat.

»Er hat den Kontakt abgelehnt.«

Ihr Gesicht spiegelte ihre Enttäuschung. »Er hat nicht gewartet, was ich sagen wollte, ich konnte nicht einmal etwas sagen …«

Shadars Blick wanderte zu Eldin. Der Priester deutete mit einem kurzen Kopfnicken auf eines der Kissen.

»Er kennt mich. Wir sind zusammen gereist, ich wollte ihm erklären … Ich habe es Euch erklärt!«

Shadar seufzte. Hatte sie versucht, Quo zu kontaktieren? Die Idee, dass sie dort in etwa so willkommen sein würde, wie ein Sandsturm bei einem Gartenfest, war ihr anscheinend nicht gekommen.

»Kira, als Laon dei Savren die Steine schuf, wurde er von seiner Schülerin Vea verraten. Sie stahl den Stein des Lichts und brachte ihn nach Quo. Bei dem Versuch, ihn zurückzuholen, starb er. Quo wurde gegründet, um den Stein vor ihm und allen möglichen Nachfolgern, also vor dir, zu schützen. Erwartest du unter diesen Umständen eine freudige Einladung? Skjaldan muss dich mögen, dass er deinen Kontakt lediglich abgelehnt hat!«

Shadar musste sich zusammenreißen, um sie nicht an den Schultern zu packen und zu schütteln. »Wenn Skjaldan von Quo diesen Kontakt mit einem Angriff beantwortet hätte, wäre niemand da gewesen, um dich zu schützen. Ich will, dass du jeden Kontakt mit dem Rat oder deinem Lehrer absprichst. Jabin wird dich unterrichten. Um dir das zu sagen, bin ich eigentlich hergekommen.«

Kira sah betreten zu Boden.

»Skjaldan würde mich niemals angreifen.«

Shadar schnaubte. »Er wird viel mehr tun, glaub mir. Sobald in Quo Klarheit darüber herrscht, dass du den Stein der Dunkelheit geweckt hast.«

Was jetzt, nach ihrem Kontakt, wahrscheinlich auch Skjaldan bewusst war. »Hast du die Kraft des Steins genutzt, um Mael Skjaldan zu erreichen?«

»Nein. Ich würde damit das Gleichgewicht nur noch mehr stören. Shadar, was kann ich denn tun, um nach Quo zu kommen? Wenn nicht einmal Skjaldan mir zuhört?«

»Schreib ihm. Wir können auch offiziell in Quo nachfragen. Es gibt diplomatische Kontakte nach Indorain, in Andoran wird man uns jedoch eher zuhören. Nachrichten weiterzuleiten ist auch in dieser Welt möglich.«

All das würde wenig nützen, außer Kira zu beruhigen. Das einzige schlagkräftige Argument bildeten die Dunklen. Sobald diese Wesen von Dhravannor aus nach Andoran oder Indorain gelangten, gäbe es mehr offene Ohren für eine Kooperation mit Catron.

»Elmaryn!«

Kiras Ausruf holte Shadar aus seinen Gedanken zurück. Das Mädchen sprang auf und stieß dabei beinahe den Krug um, der auf dem Tisch stand.

»Elmaryn und Melian! Sie müssen mich verstehen. Sie sind hier und ihnen kann ich erklären …«

Nervös wanderte ihr Blick zwischen Shadar und Eldin hin und her. Ihre Sicherheit verflog bereits wieder. »Sie werden mir zuhören, oder?«

»Da sie ihre Zelle nicht verlassen können, bleibt ihnen lediglich die Möglichkeit, sich die Ohren zuzuhalten, um das zu vermeiden.«

Wie würde Kira die zweite Ablehnung ertragen, die unvermeidlich auf sie zukam? Und diesmal eine, von Angesicht zu Angesicht? Elmaryn dei Savraney war bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Er war als Barde sensibel genug für die magischen Energien, dass er wusste, was geschehen war.

Für einen Moment bereute er es, die beiden zusammen untergebracht zu haben. So war es dem Barden möglich, Melian darüber zu informieren, dass Kira den dunklen Stein geweckt hatte.

»Eylas Eldin, darf ich Elmaryn in diesen Tempel bringen? Falls er ein falsches Bild von der Dunkelheit hat, so wie es mir ging?«

»Jeder darf den Tempel betreten. Zwingen solltest du deinen Freund allerdings nicht dazu.«

Kira stand auf. »Ich muss es zumindest versuchen.«

Elmaryn

»Wenn alles verraten wurde, an das du geglaubt hast,

ist der Tod nicht mehr der größte Schrecken.«

Elmaryn von Savraney, wandernder Barde und Spielmann, Catron, Aidris

Die Wand fühlte sich kalt an und der raue Stein drückte unangenehm, in seinen Rücken. Der Schmerz erinnerte daran, am Leben zu sein. Nur zu welchem Zweck? Damit er zusehen konnte, wie alles in Dunkelheit versank?

Als Kira im Kerker das Licht rief, hatte er noch Hoffnung gehabt, doch jetzt, wo der Stein der Dunkelheit erwacht war? Was blieb?

Auf der Treppe wurden Schritte laut. Melian richtete sich auf und lauschte ebenfalls.

»Essen?«, fragte er leise in seine Richtung, »schon?«

Es war nicht lange her, dass man das Frühstück gebracht hatte.

Der Schein einer Fackel wurde an der Gangbiegung sichtbar und eine Gestalt in grauem Kleid erschien. Kira. Vor zwei, oder drei Tagen, hätte ihn das noch gefreut.

»Elmaryn, Melian!«

Kira lächelte und trat ans Gitter. Ein wenig ungelenk fischte sie einen Schlüssel aus der Tasche an ihrem Gürtel und öffnete hastig die Tür. Elmaryn sah auf den Boden. Wenn Kira allein kam und einen Schlüssel besaß, schenkte man ihr in Catron Vertrauen. Angst kroch in ihm herauf.

»Weshalb bist du hier?«

Bei seiner Frage zuckte Kira zusammen und schloss die Augen. Ihre Schultern sackten nach vorn und ihre gesamte Gestalt schien zu schrumpfen. Hatte sie nicht damit gerechnet, dass er es wissen würde? Hatte sie gedacht, dass er nichts spürte, weil er kein Magier war?

»Ich wollte mit euch reden, nur ... nicht hier.«

»Ich will eines wissen, bevor ich rede.«

Elmaryn bemühte sich Härte in seinen Ton zu legen, doch die Stimme, die ihm sonst nie im Stich ließ, tat es jetzt. Seine Angst vor ihrer Antwort war zu groß und trotzdem musste er fragen.

»Hast du den Stein der Dunkelheit geweckt?«

»Elmaryn, ich kann erklären …«

»Ich brauche keine Erklärungen, die Wahrheit reicht.«

Seine Stimme strafte die Worte Lügen, aber Kira bemerkte es nicht. Sie war in ihrer eigenen Angst gefangen. Elmaryn fragte sich wovor.

»Ich …«

Sie suchte verzweifelt nach Worten.

»Ein einfaches Ja oder Nein reicht aus.«

»Ja.«

Elmaryn hörte Melian aufstöhnen, dann spürte er, wie seine Beine nachgaben und er an der Wand herunterglitt.

Nein … weshalb hatte sie nicht Nein sagen können … Welche Hoffnung blieb jetzt …

»Es ist …«

Er hörte, wie sie tiefer in die Zelle trat.

»Geh!«

Seine Verzweiflung gab ihm die Kraft. »Geh und nimm den Schlüssel mit oder wirf ihn weg, es gibt nichts mehr zu reden!«

Er hörte die eigenen Worte wie aus weiter Ferne. Quo kam ihm in den Sinn und Skjaldan. Er musste es ebenfalls bemerkt haben, er würde ...

Das Schluchzen war leise und zuerst nahm Elmaryn es gar nicht wahr. Als ihm klar wurde, dass es Kira war, die weinte, hob er den Kopf. Sie hatte sich neben der Tür zusammengekauert, den Kopf auf den Knien, die Hände über die Ohren gelegt. Wut packte ihn. Wie konnte sie da sitzen und weinen, nachdem sie alles verraten hatte, wofür sie hergekommen war. Moanir, Quo, Skjaldan … Und was erwartete sie von ihm? Dass er sie freudig in die Arme schloss, weil sie die Zellentür aufsperrte? Wollte sie ihn freilassen, damit er mit ansehen konnte, wie Quo fiel? Die Dunklen, als Vorgeschmack auf das, was erst noch kam? Er ballte eine Hand zur Faust. Melian sah zu ihm herüber. Hinter dem Entsetzen lag kalte Entschlossenheit. Was hatte er vor? Es gab nichts mehr zu tun. Selbst wenn sie es aus Catron heraus schafften war alles verloren. Melians Lippen formten Worte. Elmaryn verengte die Augen. ... Sie ist allein ...

Das stimmte. Kira war allein und schenkte in diesem Moment keinem von ihnen Beachtung. Es war Illusion zu glauben, aus Catron entkommen zu können, zu überleben, nachdem der dunkle Stein geweckt war, aber die größte Gefahr für Quo saß hier, vor ihnen. Er straffte sich und richtete sich langsam auf. Melian nickte, die Zähne fest zusammengepresst.

»Ich bin nicht Laon dei Savren.«

Elmaryn erstarrte bei Kiras Worten, Melian schnellte jedoch vorwärts. Der Barde sah direkt in ihr entsetztes Gesicht, als sie aufblickte. Mit einem Angriff hatte Kira nicht gerechnet. Sie hob nicht einmal eine Hand um abzuwehren, doch das war auch nicht nötig. Der Rat hatte vorgesorgt. Melians Körper wurde schlaff und Elmaryn verlor ebenfalls jedes Gefühl für seine Gliedmaßen. Kira war nicht allein. Ein Mann in den schwarzen Robe von Catrons Rat trat auf den Gang. Wie lange mochte er schon dort gestanden haben? Als er sich an Kira wandte, klang seine Stimme überraschend weich, obwohl er die Worte sehr deutlich wählte.

»Reicht das jetzt, Kira oder brauchst du weitere Beweise, dass du im Licht keine Freunde mehr besitzt?«

Kira wurde noch blasser, als sie es vorher gewesen war. Hatte sie wirklich geglaubt, sie würde freundlich empfangen?

»Mael Jabin, wieso ... Das ist ein Irrtum. Melian hätte nie …«

Der Ratsmagier kniete er sich neben Kira und legte seinen Arm um ihre Schultern.

»Belüge dich nicht selbst, was hast du erwartet? Shadar hat dir erzählt, aus welchem Anlass Quo gegründet wurde. Frag Abedin, sofern du weitere Informationen brauchst. Quos Magier schwören, den Stein des Lichts mit ihrem Leben zu verteidigen und sie meinen das ernst. Eine Kostprobe davon hast du gerade erhalten. Glaube mir, Leandar von Quo würde effektiver handeln.«

»Ich bin nicht Laon dei Savren!«

Kira sprach mit erstaunlicher Kraft. Sie sprang auf und schlug mit der Faust gegen die Wand. »Weshalb begreift das niemand?«

Der Ratsmagier wich zurück, als sie gegen die Wand trat.

»Ich will den Stein des Lichtes nicht zerstören. Von mir aus schwöre ich das jetzt und hier. Bei den Stian-Kar oder bei den Göttern, bei was auch immer! Ich will den Stein des Lichts auf keinen Fall vernichten. Ich werde im Gegenteil alles dafür tun, dass das niemals passiert. Täte ich das, die Dunklen wären nichts dagegen.«

Erschöpft lehnte sie den Kopf gegen die Wand. Ihre Stimme verlor die Kraft und Elmaryn konnte die Verzweiflung deutlich darin hören.

»Ich weiß nicht, was sich dieser Verrückte dabei gedacht hat. Eins allerdings wundert mich. Wenn er die Steine geschaffen hat, muss er das gewusst haben!« Sie lehnte sich an die Wand und stützte den Kopf in die Hände.

Elmaryn fühlte, dass die Kontrolle langsam in seinen Körper zurückkehrte.

»Warum?«, hörte er sich fragen, »wie konntest du das tun?«

»Wie ich den Stein wecken konnte?«

Kira wandte sich ihm zu. »Ich hatte das niemals vor. Ich wollte dem Rat klarmachen, was Licht ist. Dass es anders ist, als man hier denkt. Ich wusste ja nicht einmal, dass es die Steine überhaupt gibt. Ich habe vor dem Rat die Melodie der Sterne gespielt, Elmaryn. Der Stein hat geantwortet und mir wurde plötzlich klar, dass sie zusammengehören. Licht und Dunkelheit. Die Trennung von beidem ist sinnlos. Als ich beides verbunden habe, Licht und Dunkelheit, da ist es passiert und ja, ich habe die Aufgabe angenommen. Weil jemand das Gleichgewicht richten muss.«

Die ganze Szene erschien Elmaryn unwirklich wie in einem Traum. Dem Rat klarmachen, was das Licht war? Zwei Melodien? Sprach Kira von einer Melodie für die Dunkelheit? War ihre Sicht schon so verschleiert? Sie musste aufwachen, aber wie?

»Kira, der Grund, weshalb du hergekommen bist, all das hast du verraten. Du hast Skjaldan verraten! Wie konntest du ihm das antun?«

Er sah, wie Kira zusammenzuckte. Ihr Gesicht wurde weiß und für einen Moment schien es, als könne sie sich kaum auf den Beinen halten. Der Magier trat einen Schritt auf sie zu, doch sie hob die Hand und schüttelte den Kopf.

»Es ist kein Verrat, die Dunkelheit …«

»Die Dunkelheit hat dich eingehüllt, deine Sicht ist getrübt. Licht ist es, wofür Skjaldan lebt, ich, wir alle. Das weißt du! Du hast es gerufen, mit mir zusammen gespielt. Dir muss klar sein, was es ist, trotzdem hast du es aufgegeben. Für was? Hat der dunkle Stein dir Macht angeboten?«

Kiras Hand krallte sich in die Mauer, als wollte sie mit bloßer Muskelkraft einen Stein herausbrechen. Als er ihrem Blick begegnete, fuhr er unwillkürlich zurück. So wütend hatte er Kira bisher nicht erlebt.

»Macht?«

Sie spuckte ihm das Wort vor die Füße. »Und ich dachte, du kennst mich. Wenn du wüsstest, wie egal mir Macht ist. War das die einfachste Erklärung, die dir einfällt? Oder die einzige?« Sie stieß sich von der Wand ab und stand jetzt frei im Raum.

»Ich bin hierhergekommen, weil ich eine verzweifelte Stimme in meinem Kopf hatte, die mich bat, zu helfen. Moanir, erinnerst du dich? Ich bin geblieben, weil ich helfen wollte. Ich dachte, ich werde gebraucht. Sobald jemand kommt, der besser für diese Aufgabe geeignet ist, trete ich mit Freuden zurück, glaub mir! Wahrscheinlich bin ich in dieser verdammten Welt aber tatsächlich die Einzige, die etwas tun kann. Die Einzige, der nicht mit vierhundert Jahre alten Vorurteilen jeglicher Verstand aus dem Hirn geprügelt wurde.«

Elmaryn war von Kiras Wutausbruch so gebannt, dass er den zweiten Ratsmagier erst bemerkte, als der sprach. Seine Stimme troff vor Ironie.

»Ich hoffe trotzdem, dass dir die Stian-Kar zumindest ein wenig Macht angeboten haben. Ansonsten wirst du mit deinen Ideen ziemlich schnell untergehen.«

Kira fuhr herum.

»Shadar!«

»Ich habe mich gewundert, weshalb es so lange dauert, bis deine Freunde dir unmissverständlich klargemacht haben, dass sie genau das nicht mehr sind. Dann komme ich hierher und höre erstaunlich klare Worte. Du hattest etwa … ein halbes Jahr Zeit, um diese Vorurteile zu entwickeln? Der Rat musste dich letztendlich im Tempel einsperren, damit du sie überwinden konntest. Gib denen ein wenig mehr Zeit, die ihr Leben in diesem Glauben verbracht haben.«

»Ich habe sie immerhin überwunden! Habt Ihr das in Bezug auf das Licht ebenfalls geschafft?«

Shadar lachte leise.

»Was das Licht betrifft, vielleicht. Was Quos Magier angeht, brauche ich mich nicht auf Vorurteile zu verlassen. Einige davon kenne ich.«

»Kein Magier aus Quo hat mich bisher gegen meinen Willen verschleppt oder mir mit dem Tod gedroht.«

»Warte ab, das kommt noch. Solange es bei einer Drohung bleibt, hast du übrigens Glück gehabt.«

Inzwischen schwang in Shadars Worten keinerlei Ironie mehr mit und auch Kira wurde schlagartig ernst.

Elmaryn sah von einem zum anderen. Was ging hier vor? Was wollte Kira ihm beweisen? Dass sie das Licht weiterhin in sich trug? Er brauchte Klarheit.

»Spiel für mich. Jetzt. Ich möchte das Lied des Lichtes von dir hören.«

Mit Musik konnte sie ihn nicht belügen. Musik zeigte das Wesen der Dinge. Sofern man sich vollkommen hineinbegab. Einen Moment wirkte sie überrascht, dann schien alle Anspannung von ihr abzufallen. Sie lächelte und strich sich mit der Hand über die Stirn.

»Danke, Elmaryn!«, die Erleichterung war ihrer Stimme deutlich anzuhören. »Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen?«

Als sie begann, erkannte Elmaryn die Töne sofort. Das Licht war da. Es war unmöglich, dass sie den Stein der Dunkelheit geweckt hatte. Nicht, wenn sie so spielte, doch weshalb behauptete sie es?

Die Melodie endete. Kira öffnete die Augen und sah ihn an. Sie hatte das Licht nicht verloren.

Als er etwas sagen wollte, hob sie die Hand.

»Warte, das ist erst der Anfang.«

Erneut hob sie die Flöte an die Lippen. Elmaryn lauschte. Was sie nun spielte, war ihm unbekannt. Die Melodie enthielt dieselbe Kraft, wie die vorangegangene. Sie schien ihn zu umhüllen, die Töne klangen weicher, weniger klar. Plötzlich begriff er. Das war Dunkelheit. In keiner Weise das, was er sich darunter vorgestellt hatte. Kira musste etwas Anderes gemeint haben.

»Ich habe mich mit dieser Dunkelheit verbunden.«

Sie sprach ruhig und als er sie ansah, hatte sich ihre Haltung verändert. Nun stand sie aufrechter.

»Ich habe den dunklen Stein geweckt. Licht und Dunkelheit sind eins. Sie gehören zusammen. Sie hätten nie getrennt werden dürfen. Laon dei Savren … Ich weiß nicht, weshalb er die Steine schuf. Klar ist nur, dass ich sie beide brauche, um meine Aufgabe wahrnehmen zu können. Nur so ist es möglich, die Dunklen aufzuhalten. Ich muss nach Quo, aber ich möchte nicht, dass man dort annimmt, ich sei eine Gefahr für den Stein des Lichtes. Glaubst du mir jetzt?«

Glaubte er ihr? Konnte sie ihm etwas vormachen? In der Musik?

»Spiel mit mir!«

Elmaryn brauchte einen Moment, bis er begriff, dass diese Aufforderung an ihn gerichtet war. Kira begann und er fiel ein. Sie wirkte bedeutend sicherer als damals am Feuer. Sie hat die Melodie seitdem öfter gespielt, ging es ihm durch den Kopf. Dann variierte Kira. Es war, als erfinde sie eine zweite Stimme. Die Kraft, die in diesem Spiel lag, überstieg alles, was er bisher gekannt hatte. Er schnappte nach Luft und brach die Konzentration. Dies würde er niemals halten können, selbst wenn er es noch so sehr wünschte. Beide Melodien gemeinsam, das war unbeschreiblich. Einen Moment hatte es sich so angefühlt, als gäbe es keine Grenzen mehr zwischen seinem Körper und dem Rest der Welt. Als sei er eins mit allem.

Kiras Melodie klang einige Takte nach und nun erkannte Elmaryn sie. Dunkelheit.

Konsequenzen

Shadar

»Wenn sich etwas Unmögliches als notwendig herausstellt,

wird Wille zum Wegbereiter.«

Shadar von Quo, Quo, Aidris

»Elmaryn von Savraney ist überzeugt? Sollte man ihr in Quo ebenfalls glauben, ist deine schöne Theorie dahin, Shadar, oder willst du sie nach Quo gehen lassen?«

Eluana stand mit dem Rücken zu ihm an einem der hohen Bogenfenster zum Ratssaal. Jetzt drehte sie sich um und tippte ihm mit einem Finger auf die Brust.

»Offenbar war ihr Flötenspiel überzeugend.« Shadar hob die Schultern.

»Du weißt, dass Nouh diese Tatsache ausnutzen wird?«

»Ich möchte genauso wenig wie er, dass Kira nach Quo geht. Sie ist darauf nicht vorbereitet.«

»Also würde es dir nichts ausmachen, wenn ihr der Rat das offiziell verbietet?«

Shadar seufzte.

»Mir nicht. Kira allerdings wird das so nicht hinnehmen, fürchte ich. Sie will nach Quo und ignoriert hartnäckig jegliche politische Gegebenheit.«

»Für wie gravierend hältst du die Verschiebung des Gleichgewichts?«

Eluana sah ihn direkt an. Seit sie in Catrons Rat berufen worden war, hatte sie sich dadurch hervorgetan, sich selbst eine Meinung zu bilden und diese gut zu begründen. Shadar hoffte, dass der einzige Grund dafür, dass sie ihn jetzt nach seiner Meinung fragte, Interesse war.

»Ich bin besorgt, was die Dunklen betrifft. Ich denke, dass das Gleichgewicht wiederhergestellt werden sollte. Überstürzen dürfen wir das aber nicht. Ich wollte Luan bereits bitten, nach Rhevik zu reiten und den Wächter dort zu fragen.«

Gestern hatte er das tun wollen. Am liebsten wäre er selbst zum Weltentor geritten. Kira machte es jedoch erforderlich, dass er blieb.

»Zum Weltentor?«

Eluana grinste. »Das brauchst du nicht mehr. Den Gang hat dir Nouh abgenommen.«

»Nouh?«

Der Mann musste sich in der Tat Sorgen machen, verließ er doch Catron nur selten. Für einen zweitägigen Ritt war er kaum zu begeistern. Was hatte Nouh gegen Kira? Pflegte er lediglich seinen Starrsinn oder sah er Probleme, die ihm selbst bisher entgangen waren?

»Ich habe ihn geschickt.«

Sunnaras betrat zusammen mit Abedin den Raum.

»Es ist besser, er geht und hört es aus erster Hand. Esyel ist nämlich ernsthaft beunruhigt.«

Also hatte Sunnaras vorher mit dem Wächter gesprochen.

»In dem Fall wird Nouh heute nicht bei der Ratssitzung anwesend sein?«

Eluana lachte und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

»Du hast wohl Hoffnung? Er ist bereits wieder hier. Ich habe ihn gesehen, als ich zum Saal ging.«

Demnach musste Nouh sich transportiert haben. Shadar schmunzelte.

»Da bin ich gespannt, was er zu sagen hat.«

Die Ratssitzung versprach spannend zu werden. Zumal Berat mit einer Miene den Raum betrat, die dem tiefsten Winter in Dhravannors Hochebenen Konkurrenz machte. Möglicherweise hatte das mit den Boten des Khalid zu tun, die am frühen Morgen in Catron eingetroffen waren.

Berat steuerte gleich zum Tisch und setzte sich. Dann ging sein Blick zu Sunnaras.

»Wer fehlt noch?«

Shadar hob die Brauen. Jabin war bei Kira, würde aber bald eintreffen. Der Unterricht lief gut, wenngleich Kira eine eigene Art hatte, mit der Autorität ihres Lehrers umzugehen. Jabins Anweisungen einfach zu befolgen, lag ihr nicht. Sie stellte Fragen und versuchte nicht selten, etwas zu verändern, was Jabin ihr beigebracht hatte. Eigenschaften, mit denen ihr Lehrer nur schlecht klarkam. Er verlangte Gehorsam bei seinen Schülern und Kira kam dem in keiner Weise nach.

Passend zu Shadars Gedanken trat Jabin neben Mahir durch das Haupttor in den Saal. Jetzt fehlte nur noch Nouh. Wenn Eluana ihn in der Schule gesehen hatte, bestand keine Veranlassung, zu spät zu erscheinen. Es sei denn, er wollte seinen Auftritt dramatisch gestalten. Shadar begab sich mit Eluana zum Ratstisch, wo die anderen bereits saßen, als Nouh den Raum durch eine der Seitentürenbetrat und überraschend unauffällig zu seinem Platz strebte. Shadar wollte ihn gerade auf seine Reise ansprechen, als Berat zu sprechen begann:

»Der Khalid teilt uns mit, dass er Berichte über Angriffe der Dunklen in Andoran erhalten hat. Zwei zumindest sind verbürgt. Ihn interessiert, was wir unternehmen werden, um das Land und den Handel zu schützen. Das ist die Kurzversion. Wie verläuft Kiras Unterricht? Ich hoffe, diese lächerliche Idee, sie nach Quo gehen zu lassen, ist damit endgültig vom Tisch.«

Shadar schloss kurz die Augen. So rasch breiteten sich die Dunklen aus? Er hörte Jabin neben sich aufstöhnen.

»Sie begreift zügig, sie ist fähig und sie hat eine Menge Ideen. Disziplin jedoch fehlt ihr vollkommen. Und sie ist nicht schnell genug, um in einem Kampf zu bestehen. Kira ist nicht bereit, sich gegen etwas wie die Dunklen zu stellen.«

»Das heißt, sie muss bleiben?«

Sunnaras sah Jabin fragend an. Der nickte.

»Wenn sie jetzt geht, hat sie keine Chance.«

»Dann spricht nichts dafür, sie nach Quo gehen zu lassen?«

Sunnaras hatte die Frage nicht direkt an Shadar gestellt, trotzdem ruhten alle Blicke auf ihm. Shadar räusperte sich. Offensichtlich war es seine Aufgabe, diese Argumente zu finden.

»Kira sagt, sie vermag die Dunklen nur aufzuhalten, sofern sie den Stein des Lichtes in Quo aktiviert. Wir können zwar an Leandar schreiben, er möge ihn herbringen, doch wie die Antwort darauf ausfallen wird, wissen wir. Was sie allein mit der Hilfe des Steins der Dunkelheit tun kann, weiß ich nicht. Sie will darüber auch nicht nachdenken, da sie eine weitere Verschiebung des Gleichgewichts fürchtet. Was das betrifft, haben wir keine Ahnung, wie es sich auswirken würde. Kira zumindest hat große Angst davor.«

»Möglicherweise zu Recht«

Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden richtete sich auf Nouh.

»Ich war auf Veranlassung von Sunnaras in Rhevik am Weltentor. Esyel, der Wächter dort, macht sich ebenfalls Sorgen. Er möchte Kira am liebsten selbst treffen. Es ist die Frage, ob das erforderlich ist, doch ohne die Störung des Gleichgewichts kämen die Dunklen nicht her, sagt er. Darüber, was geschieht, wenn sich das Gleichgewicht weiter verschiebt, können die Wächter aber lediglich Vermutungen anstellen.«

»Was vermutet Esyel?« Sunnaras lehnte sich etwas nach vorn.

»Er sprach von Ahnungen, das ist für uns irrelevant.«

»Wie sehen diese Ahnungen aus?«

Shadar verlor langsam die Geduld. Was hatte Nouh für Probleme, dass er nicht einfach mit der Sprache herausrückte. »Fürchtet er, dass unsere Welt vernichtet wird oder sorgt er sich darum, dass es im Winter trocken bleibt?«

»Seine Vermutungen gingen von ähnlichen Plagen wie den Dunklen bis hin zu …« Nouh hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Esyel hat heillos übertrieben. Es ist absurd, darüber zu spekulieren, dass unsere Welt in Gefahr sei, nur weil sich das Gleichgewicht ein wenig zugunsten der Dunkelheit verschiebt. Trotzdem sollten wir seine Sorgen ernst nehmen, ohne jedoch gleich etwas zu überstürzen«.

Also hatte Esyel diese Möglichkeit angesprochen und er wollte Kira sehen. Shadar kannte den Weltenwächter gut und wusste, dass er keinesfalls zu Übertreibungen neigte. Von weiteren Plagen wie den Dunklen bis … Was, wenn Kira nach Quo musste? Bisher hatte sich Shadar nicht erlaubt, ernsthaft über diese Frage nachzudenken. Sie brauchten sie hier in Catron. Was würde nötig sein, um Quo zu zwingen, den Stein des Lichtes nach Aidris zu bringen?

»Bringt es uns mehr Klarheit, falls Kira mit Esyel spricht?«

Nouh schüttelte nur den Kopf und winkte mit der Hand ab.

»Wahrscheinlich bringt er das Mädchen nur auf dumme Ideen. Sie nimmt sich ohnehin schon zu wichtig.«

»Wir könnten es versuchen.«

Mahir sah an Nouh vorbei zu Shadar und Sunnaras. »Die Reise nach Rhevik ist ungefährlich. Wir müssen sie nur begleiten. Sofern Mael Jabin dabei ist, kann er ihren Unterricht fortsetzen und sie verliert keine Zeit. Ich hatte bisher nicht das Gefühl, dass Kira sich zu wichtig nimmt.«

»Im Gegenteil.« Jabin schüttelte den Kopf. »Sie nimmt sich nicht wichtig genug. Sie vernachlässigt ihren eigenen Schutz und arbeitet ohne Rücksicht auf sich selbst. Auch hat sie keine

Vorstellung von ihrer Kraft, was natürlich genauso gefährlich ist, wie das andere Extrem. Eine Reise nach Rhevik stellt kein Problem für sie dar.«

Besser Rhevik als Quo.

»Was soll ich dem Khalid also berichten? Seine Boten warten auf

Antwort.« Berat seufzte und musterte die Anwesenden.

Am besten nichts. Es wiederstrebte Shadar, zu viel von Kira preiszugeben. Nicht jetzt schon. Der Khalid kam womöglich auf die Idee, sie an den Hof zu laden. Der Herrscher mischte sich zwar selten in die Belange der magischen Schulen ein, konnte aber über die Magier verfügen und im Fall von Kira ... Mit den Dunklen in Andoran kam er im schlimmsten Fall auf die Idee, ihre Ausbildung an den Hof zu verlegen. Kira danach noch außer Landes zu bringen, war schwierig bis unmöglich.

Das Schweigen am Ratstisch dehnte sich. Schließlich war es Sunnaras, der antwortete.

»Wir müssen ihm berichten, dass Kira existiert. Dazu gab es zu viele Gerüchte und die Wüstenreiter haben unsere Suche unterstützt. Dass der Stein der Dunkelheit geweckt wurde, wird man am Hof bereits wissen. Es ist unmöglich, zu verschweigen, dass Kira das getan hat. Allerdings können wir ihre Bedeutung dabei herunterspielen. Berat? Damit hast du sicher genug Erfahrung.«

Berat schnaubte unwillig und murmelte etwas Unverständliches.

Shadar grinste. Obwohl der Magier sich jetzt unwillig gab, war er hervorragend darin, Informationen derart weiter zu geben, dass bei seinem Gegenüber genau das ankam, was Berat wollte.

»Was wir glauben oder besser, was Kira glaubt gegen die Dunklen ausrichten zu können, werden wir tunlichst nicht erwähnen.«

Sunnaras erhob sich und Shadar nickte zustimmend. Sollte der Herrscher von Aidris auch nur vermuten, Kira sei in der Lage, die Dunklen aufzuhalten, würde er sie keinen Schritt mehr ohne Bewachung tun lassen.

Kira

»Urteile, die aus Angst und Unverständnis gefällt werden - ich glaube,

es gibt nur wenig, was den Verstand effektiver ausschaltet.«

Kira Sanders, Catron, Aidris

Obwohl der Ritt in der Hitze anstrengend war, genoss es Kira doch, die Mauern Catrons verlassen zu können. Zusätzlich zu der Hitze hatte Jabin sie den ganzen Weg über mit Aufgaben geplagt. Skjaldan verhielt sich als Lehrer vollkommen anders. Humorvoller und nicht so darauf bedacht, dass Kira alles aufs Wort genau befolgte. Diesmal sollte sie eine kleine Metallkugel, die Jabin bei sich trug, ständig im Auge behalten. Sobald er fragte, wo sie sich befand, wollte er eine prompte und selbstverständlich zutreffende Antwort. Gerade jetzt wo der sandige Untergrund fester wurde und sich bizarr geformte Felsen aus rötlichem Sandstein daraus erhoben. Die von Wind und Sand abgeschliffenen Formen wirkten hier wie Säulen, dort wie Gesichter und manche erinnerten an kauernde Fabelwesen. Diese dort hinten …

»Wo ist die Kugel, Kira?«

Jabins Kommentar riss sie unsanft aus ihrer Betrachtung. Sie hatte keine Ahnung, ob sie noch in der Tasche steckte, in der er sie nach ihrem letzten Versuch verstaut hatte. Magisch danach zu suchen war verboten, was das betraf, war ihr Lehrer sehr deutlich geworden. Eine Suche schied damit aus, aber einen Fehlversuch wollte sie sich nicht leisten. Zumal Jabin genau wusste, dass sie nicht auf ihn geachtet hatte.

»Nun?«

Er bestand also darauf, dass sie ihre Unachtsamkeit zugab. Sie hasste diese Kleinlichkeit, doch kam sie kaum darum herum, es sei denn ... Jabin hatte ihr die Suche verboten. Nicht den Transport.

Rasch konzentrierte sie sich auf das Bild der kleinen Kugel und ließ sie in ihrer Hand erscheinen.

»Sie ist hier, Mael.«

Shadar, der ein Stück hinter ihnen ritt, brach ungeachtet der versteinerten Miene Jabins in schallendes Gelächter aus. Die entsetzten Gesichter von Luan, Naken und Njall zeigten ihr jedoch, dass sie wieder einmal eine der Grenzen ihres Lehrers überschritten hatte.

»Schön.«

Jabins Stimme hätte inmitten der Hitze Wasser zum Gefrieren bringen können. Er streckte die Hand aus und Kira ließ die Kugel hineinfallen. Prompt griff er in seine Robe und holte eine zweite Kugel daraus hervor.

»Ich sehe, wir können die Anforderung erhöhen.« Er lächelte schmallippig. »Ich werde beide Kugeln ab und an verändern. Du wirst mir sagen, welche Farbe sie haben und wo ich sie aufbewahre.«

Das schloss einen Transport aus. Dafür benötigte sie ein genaues Bild. Kira stöhnte innerlich auf. Jabin hatte wirklich keinen Humor, oder einen, den nur Shadar verstand, denn der grinste und versuchte, ein erneutes Lachen zu unterdrücken. Besser, sie konzentrierte sich jetzt.

Als sie beim Tor ankamen, hatte Kira die Grenzen ihrer Konzentrationsfähigkeit ausgelotet und wollte nichts anderes, als sitzen um einen Moment die Augen zu schließen.

Ein kleiner Mann eilte ihnen entgegen, kaum dass sie abgesessen waren und reichte, wie es Brauch war, das Wasser. Dann wandte er sich ohne Umschweife direkt an Kira.

»Gut, dass du da bist. Ich warte seit vierhundert Jahren darauf, dass du herkommst.«

Trotz ihrer Müdigkeit konnte Kira ein Grinsen nicht unterdrücken.

»Seit exakt vierhundert Jahren oder habt Ihr bereits während Laon dei Savrens Amtszeit gewartet?«

Der Mann lachte.

»Nicht ganz vierhundert. Eher vierzig, doch das ist lange genug! Es ist dringend erforderlich, dass sich wieder jemand des Gleichgewichtes annimmt. Wann wirst du nach Quo aufbrechen oder will dich der Rat nicht gehen lassen?«

»So schnell wie möglich, aber es gibt Probleme. In Quo glaubt mir zurzeit niemand, dass ich in friedlicher Absicht dorthin möchte.«

Der Mann kam drei Schritte auf sie zu, ergriff ihre Hände und sah ihr in die Augen. Er fixierte sie geradezu mit seinem Blick und Kira wurde unbehaglich.

»Du meinst es ernst? Du wirst in Frieden nach Quo aufbrechen, um den Stein des Lichtes zu wecken und nicht zu zerstören?«

Kira musste schlucken, so, wie dieser Mann sie ansah, gelang es ihr nicht zu antworten, daher nickte sie nur.

»Den Göttern sei Dank!«

Er deutete eine leichte Verbeugung in ihre Richtung an und entließ sie aus seinem intensiven Blick. »Ich grüße dich, Kira!

Bisher nicht als Mlyss d’Eartha doch du könntest es werden.« Lächelnd wandte er sich den anderen zu. »Jetzt wo das geklärt ist, will ich euch in mein Haus einladen. Es gibt eine Menge zu besprechen.«

Als Kira ihm folgte, spürte sie Shadars Blick wie eine körperliche Berührung im Nacken. Sie drehte sich zu ihm herum und er, bedeutete ihr kurz zu warten.

»Lass dich nicht zu etwas Unüberlegtem hinreißen«, flüsterte er ihr leise zu. »Vielleicht bekommen wir hier über einige Dinge Klarheit. Überstürzt etwas zu beginnen, hat jedoch noch nie jemandem genützt.«

Berat

»Andere vor geschaffene Tatsachen zu stellen, ist nicht fair, aber effektiv. Wir

brauchen jemanden, der die Richtung vorgibt.«

Berat von Catron, Ratsmagier der Schule, Catron, Aidris

Der Bote saß vor ihm und wartete auf die Information. Berat wusste, was er sagen konnte. Das Interesse fort von Kira auf andere Dinge zu lenken war eine Herausforderung, nachdem Kira den Stein der Dunkelheit geweckt hatte, doch möglich, sofern er den Boten mit ein paar Tricks ablenkte.

Aber war es das, was er wollte? Kira durfte nicht nach Quo. Egal was ein Weltenwächter dazu zu sagen hatte. Wenn sie Laon dei Savrens Erbe antreten sollte, war es erforderlich, dass sie in Catron blieb. In Quo angekrochen zu kommen und darum zu bitten, den Stein des Lichts sehen zu dürfen diente niemandem. Kira schon gar nicht. Sobald der Khalid Interesse an ihr gefasst hatte, würde er dafür sorgen, dass sie blieb. Das Mädchen konnte erstaunlich eigenwillig sein. Der Rat sparte sich durch eine Verfügung des Khalid Arbeit und einige Probleme lösten sich damit von selbst. Interesse auf Kira zu lenken, indem er möglichst wenig verlauten ließ, war einfach. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.

»Es tut mir leid, aber über die Fähigkeiten des Mädchens, das der Rat suchen ließ, können wir noch keine Aussagen treffen.«

Befriedigt registrierte Berat, wie der Bote scharf die Luft einzog.

»Keine? Und was ist mit dem Stein der Dunkelheit.«

»Der Stein der Dunkelheit wurde geweckt.«

»Ist das alles, was Ihr dazu sagen könnt, Mael Berat?«

»Zum jetzigen Zeitpunkt, ja.«

Shadar

»Politik richtet sich leider nicht immer nach Notwendigkeiten.«

Shadar von Catron, Weltentor bei Catron, Aidris

Der Weltenwächter war wütend. Esyel marschierte im Raum auf und ab und gestikulierte dabei so lebhaft, dass Luan, der ihm am nächsten saß, schon mehrfach den Kopf hatte einziehen müssen.

»Politik! Sofern ich eines hasse, ist es Politik, wenn sie die Vernunft und die Notwendigkeit ausbremst.«

Esyel schlug mit der Hand auf den Tisch.

»Da könnte die Welt vergehen, während in den hohen Häusern und Schulen diskutiert wird, wie daraus der größtmögliche Nutzen zu ziehen sei.«

Shadar ließ seinen Blick über die Anwesenden streifen. Kira war sichtlich müde, hielt sich jedoch besser als Naken, der kurz davor stand, am Tisch einzuschlafen. Njall hingegen hörte dem Wächter fasziniert zu und ließ keinerlei Anzeichen von Müdigkeit erkennen. Jabin und Luan lauschten eher skeptisch. Shadar kannte Esyel schon geraume Zeit und immer war der Wächter realistisch gewesen. Überschwänglich, direkt und emotional, doch nie ohne den Blick auf die Tatsachen zu verlieren. Jetzt allerdings …

»Der Rat sollte es möglich machen. So schnell es geht! Dieses Mädchen muss nach Quo. Der Erzmagier dort kann ihr den Eintritt nicht verwehren.«

»Glaubst du nicht, dass sie hier besser aufgehoben ist? Sie hat noch einiges zu lernen und ich bin überzeugt, dass Leandar von Quo sie durchaus aufhalten kann.«

Jabin rieb sich nachdenklich das Kinn. »Die Dunklen sind inzwischen in Indorain und Andoran. Einen Angriff zum jetzigen Zeitpunkt überlebt sie nur mit Glück. Kira ist in Aidris sicherer. Ist es so wichtig, das Gleichgewicht sofort wiederherzustellen?«

Kira sah bei Jabins Einwurf auf. Auf ihrem Gesicht lag grenzenlose Überraschung.

»Was? Natürlich muss das Gleichgewicht wiederhergestellt werden und ja, es eilt!« Sie suchte sichtlich nach Worten und sah zu Shadar herüber, als wollte sie ihn um Beistand ersuchen.

Fassungslosigkeit mischte sich in ihre Züge. »Ihr begreift tatsächlich nicht, oder?«

Esyel schüttelte leicht den Kopf.

»Sie haben keinen Kontakt zu den Steinen, Kira. Sie haben es nicht gesehen, wie du oder ein Wächter es könnte.«

Shadar beugte sich interessiert vor. Hatte Esyel Kontakt zu den Stian-Kar? Davon hatte er nie etwas erwähnt.

»Was haben …«, begann er seine Frage, als er bemerkte, wie Kira sich sammelte. Er konnte ihre Konzentration nahezu körperlich spüren. Auch Jabin sah alarmiert auf. Dann verschwamm das Zimmer um ihn herum und alles wurde schwarz. Was folgte, war ein Gefühl, das Shadar nie vergessen würde. Er war eins mit allem. Er existierte nicht mehr. Aufgelöst, schwerelos ... Wie lange, vermochte er nicht zu sagen. Nur dass er unvermittelt herausgerissen wurde aus der Einheit. Zerrissen. Er hörte sich selbst schreien. Kraft sammelte sich. Erneut verging Zeit. Wie viel er davon bei Bewusstsein verbracht hatte, konnte er nicht sagen, doch irgendwann war die Trennung vollbracht. Shadar wagte kaum sich zu bewegen, aus Angst, etwas zu stören. Er bemerkte überrascht, dass Kira neben ihm stand. Sie reichte ihm die Hand.

»Das Gleichgewicht … siehst du?«

Und er sah. Licht, Dunkel und dahinter das Grauen. Angst packte ihn. Die Kraft, die das Gleichgewicht schuf, spannte sich wie eine Haut um alles. Eine Grenze, ein Schutz. Aber an einigen Stellen war sie dünn geworden und er konnte hindurch sehen …

»Shadar, wir müssen gehen.«

Er starrte auf die dünner werdenden Stellen in der Barriere, die die Welt bewahrte.

»Shadar …«

Etwas rüttelte an seiner Schulter. Er konnte den Blick nicht abwenden.

»Shadar! Komm zurück!«

»Esyel?«

Die Stimme des Wächters. Wieso war er hier? Und wo? Langsam nahm das Zimmer um ihn herum Konturen an. Er versuchte den Kopf zu heben und erneut verschwamm der Raum. Diesmal jedoch blieb er in seinem Körper.

»Kira? Was ist passiert? Wo …?«

Kiras Gesicht tauchte neben dem von Esyel auf. Sie sah erschrocken aus.

»Shadar, es tut mir leid, ich wusste nicht, dass Euch das so viel Kraft kostet. Ich wollte nur zeigen …« Sie brach ab, als ein Stöhnen zu vernehmen war. Jabin! Shadar kämpfte sich mühsam in eine sitzende Position. Weshalb lag er auf dem Boden?

»Jabin?«

Jabin lag ebenfalls lang ausgestreckt auf Esyels Dielen und Naken kniete an seiner Seite. Er reichte ihm gerade einen Becher. Als Jabin seinen Namen vernahm, drehte er langsam den Kopf in Shadars Richtung. Erschöpfung zeichnete seine Züge. Der Magier sah in etwa so aus, wie Shadar sich fühlte.

»Mael Shadar? Esyel sagt, Ihr sollt das trinken …«

Luan erschien, Entsetzen im Gesicht. Er zuckte zurück, als Kira sich ihm näherte.

»Was ist das?«

»Gegen Euren Kopfschmerz ...«

»Gut!«

Shadar wollte den Becher nehmen, aber seine Hand zitterte zu stark. Luan half ihm beim Trinken, während sich Kira im Hintergrund hielt. Trotzdem warf er immer wieder ängstliche Blicke über die Schulter.

»Was hast du getan, Kira?«

Jabins Stimme klang rau.

»Wo waren wir und … was war das?«

»Ich wollte, dass ihr das Gleichgewicht seht. Damit ihr begreift, worum es geht. Der Stein hat es mir gezeigt, ich dachte, er könnte es genauso gut euch zeigen.«

Shadar schnappte nach Luft und verschluckte sich fast an dem Tee.

»Das war ein Gespräch mit den Stian-Kar?«

»Nur mit dem dunklen Stein.«

Shadar hörte Jabin leise fluchen. Das dürfte doch nicht wahr sein! Lachen stieg in ihm hoch und er stützte den Kopf in die Hände, um es zu unterdrücken. Erfolglos.

»Kira, ist dir nie der Gedanke gekommen, dass es einen Grund gibt, weshalb außer dir bisher niemand mit dem Stein gesprochen hat? Seit vierhundert Jahren?«, presste er mühsam zwischen den Lachern heraus.

»Moanir hat es getan, mit dem Stein des Lichts.«

»Im Gegensatz zu Moanir haben wir Glück gehabt, was Jabin? Wir leben noch!«

Njall

»Mit Kira ist das ein wenig wie mit den Jungen von Fleckenkatzen.

Sie wirken tapsig und niedlich, man hat keine Angst vor ihnen. Erst wenn

sie zubeißen, und sei es nur im Spiel, und dir auf einmal die Hand fehlt...«

Njall, Weltentor bei Catron, Aidris

Er war der erste im Esszimmer von Esyels Haus und wunderte sich nicht darüber. Was Shadar und Jabin anging, so hatten beide am Abend vorher Hilfe gebraucht, um zu ihren Betten zu gelangen. Auch Kira war müde gewesen. Was Luan und Naken anging, die beiden würden sich garantiert niemals aus ihren Zimmern wagen, bevor ihre Lehrer aufstanden. Allein schon, weil die Angst vor Kira viel zu groß war. Nach dem gestrigen Abend konnte Njall das sogar verstehen. Obwohl sie nur Shadar und Jabin in ihre Magie eingeschlossen hatte, war die Kraft sehr deutlich geworden. Immer noch kroch ihm eine Gänsehaut über den Rücken, sobald er daran dachte.

Das Geschirr war bereits gesäubert und fortgeräumt worden. Njall überlegte, was es zu tun gab. Er brauchte jetzt eine Arbeit, die ihn ablenkte. Bestimmt hatte Esyel nichts dagegen, wenn er sich im Stall nützlich machte.

Als er die Tür öffnete, sah er Kira. Sie lag auf einem Haufen Stroh, neben sich eine Mistgabel und einen halb gefüllten Karren. Sie schlief tief genug, ihn nicht zu bemerken. Das Bild vertrieb seine Angst. Er musste lachen.

»Was tust du hier?«

Kira fuhr hoch. Stroh hing in ihren Haaren und für einen Moment sah sie Njall vollkommen verwirrt an. Nur langsam begriff sie, wo sie sich befand. Ihr Gesicht wurde erst blass, dann flammend rot.

»Ich konnte nicht schlafen. Ich hatte Angst, dass Jabin oder Shadar etwas passiert ist, aber ich wollte doch auch nicht zu ihnen gehen.

Ich glaube, Naken oder Luan hätten mich umgebracht, sobald ich die Tür geöffnet hätte. Irgendetwas musste ich tun.«

Njall unterdrückte mit Mühe ein Kichern.

»Gut! Lass uns das fertigmachen, bevor die anderen wach werden.«

»Du hast keine Angst vor mir?«

»Gestern schon!«

Njall sah zu Kira hinüber, die verbissen Mist schaufelte. »Weißt du eigentlich, wie viel Kraft du hast?«

»Weniger als Jabin oder Shadar.«

Njall schnaubte.

»Soll das ein Witz sein? Sie hatten keine Chance gegen dich und Jabin hat versucht, sich zu wehren. Ich wette, das ist dir nicht einmal aufgefallen. Bei den Göttern, die beiden sind Ratsmagier!«

Kira setzte die Forke ab.

»Hast du immer noch Angst vor mir?«

Njall überlegte einen Moment. Hatte er?

»Nein. Trotzdem möchte ich dich um etwas bitten.«

Kira sah ihn fragend an.

»Sofern du das wiederholen willst, warne mich vor!«

»Vielleicht auch die, die deine Magie betrifft.«

Esyel stand in der Tür des Stalles und nickte beiden zu. »Diesen Anblick werde ich mir merken. Die kommende Mlyss d’Eartha, Führerin der Magier dieser Welt mistet zusammen mit einem Schüler meinen Stall aus. Das gibt Mut für die Zukunft.«

Kira

»Sie haben ernsthaft Angst vor mir?«

Kira Sanders, Weltentor bei Catron, Aidris

Als sie mit Njall das Esszimmer betrat, lief sie beinahe in Luan hinein, der mit einem entsetzten Schrei zurücksprang. Kurz darauf hörte sie Shadars leises Lachen.

»Keine Sorge, Junge, Kira würde nie absichtlich jemandem etwas antun, habe ich recht?«

»Unabsichtlich reicht mir!«

Luan wich einen weiteren Schritt zurück.

»Es tut mir leid!«

Kira war erleichtert, dass es Shadar offensichtlich gut ging. Wenn er schon wieder Witze machte … »Wie geht es Jabin?«

»Der überzeugt Naken davon, dass er sich hertrauen kann.«

Kira stöhnte.

»Shadar, das … es braucht niemand Angst vor mir haben!« Sie wandte sich an Luan. »Es gibt keinen Grund, dir oder Naken etwas zu tun.«

»Oh, der junge Mann ist da anderer Meinung.«

Shadar warf seinem Schüler einen Blick zu, den Kira schwer deuten konnte. Luan allerdings schien noch mehr in sich zusammenzufallen, als er das ohnehin der Fall war.

Kira schüttelte den Kopf.

»Du hast mir doch nie etwas getan und Naken genauso wenig.

Wieso sollte ich euch schaden wollen?«

Luan vermied es, sie anzusehen.

»Ich … In Radost Amron … als ich dich befragt habe.« Luan stockte, sprach nach einer kurzen Pause jedoch weiter. »Naken hat dich in Aidris gesucht.«

Radost Amron. Kira sah zu Shadars Schüler hinüber, der auf seine Füße starrte. Wenn sie das Bild des Mannes, der sie in der Stadt unter dem Berg verhört hatte, jetzt mit dem Luan in Einklang brachte, der vor ihr stand …

»In Radost Amron hatte ich mindestens genauso viel Angst vor dir, wie du gerade vor mir.«

Sie musste unwillkürlich grinsen.

»Davon abgesehen fand ich die Methode, mit der Shadar mich nach Catron geholt hat, bedeutend schlimmer. Ihn habe ich nicht umgebracht, als ich das konnte.«

»Noch nicht!«

Shadar sah zu ihr hinüber und schüttelte den Kopf. »Hast du im Stall geschlafen?«, fragte er mit einem Grinsen.

Als sie sich mit der Hand durch die Haare fuhr, ertastete sie Stroh.