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Zentren für Lehrerbildung und Schools of Education gehören spätestens seit dem "Gründungsboom" (Roer 2020, 34) zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu einem festen Teil der ersten Phase der Lehrerbildung. Zwar ist in den letzten Jahren eine Zunahme von Studien zu den Zentren festzustellen (Vgl. Böttcher/Blasberg, 2015; Rischke et al. 2015; Roer 2020), doch bestehen vor allem hinsichtlich der Rahmenvorgaben und Binnenstrukturen noch stets Forschungsdesiderata. Das Ziel dieser Arbeit ist jene Desiderata zu schließen und den status quo zu erfassen. Mithilfe der typenbildenden qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2016) werden zunächst die Rahmenvorgaben sprich die Hochschulgesetze und Lehrausbildungsgesetze der Länder typologisiert und ganzheitlich in Form einer Landeskarte abgebildet. Anschließend werden durch die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse (Vgl. Ebd.) die Hauptkategorien Zusammensetzung und Organisation, Institutionalisierung, Funktionen und Befugnisse erstellt. Jene werden zunächst auf die Rahmenvorgaben und anschließend auf die Binnenstrukturen, erhoben durch die Satzungen und Ordnungen der Zentren, appliziert. Dadurch wird eine Spiegelung der Rahmenvorgaben auf die Binnenstrukturen evoziert. Das zentrale Resultat der Abschlussarbeit ist, dass die in dieser aber auch in vorangegangenen Studien erhobene Uneinheitlichkeit der Binnenstrukturen der Zentren (Vgl. Hilligus 2005; Böttcher/Blasberg 2015; Roer 2020) ihren Ursprung in der Heterogenität der Rahmenvorgaben hat. Der Nutzen der Arbeit liegt in einer erstmaligen bundesweiten graphischen Darstellung der Rahmenvorgaben und in der Konsolidierung von im Diskurs bereits vorliegenden Thesen.
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Impulse sind Antriebe, Anstöße und Anregungen. Als Denkanstöße sind sie im hochschulischen (Arbeits)Alltag auf vielfältige Weise Ausgangspunkt und zugleich Gegenstand von Wissenschaft. Daraus resultierende Forschungsvorhaben sind zumeist vorerst exklusiv Wissenschaftler*innen vorbehalten.
Leider viel zu selten – hier sei aus der Perspektive der Erziehungswissenschaft gesprochen – wird die Lehre als Forschungsraum verstanden. Gemeint ist damit keineswegs, dass die Studierenden in den Lehrveranstaltungen zu Probanden von Studien werden oder diese evaluieren. Intendiert sind ebenfalls keine Praxisseminare, die z. B. im Rahmen von Lehr-Lern-Laboren den Professionalisierungsprozess von Lehramtsstudierenden forcieren und deren Selbstwirksamkeitsüberzeugungen steigern wollen. Ohne Zweifel haben die skizzierten Settings alle ihre Berechtigung, verbinden die für die Hochschulen elementaren Sphären der Forschung und Lehre jedoch nicht ganzheitlich, weil die Forschung als Prozess nicht im Seminarkonzept inhärent ist, sondern zum spezifischen Inhalt (z. B. Publikationen) wird oder als Additum angesehen werden muss.
Dazu konträr stehen jene Lehrformate, in denen Forschung und Lehre verschmelzen und die Studierenden zu Forschenden werden. Ohne Frage muss der Gehalt studentischer Forschung anders bewertet werden als wissenschaftliche Forschung. Studierende sind Forschungsnovizen, die das Forschen erlernen müssen. Dennoch können aus studentischer Forschung Impulse hervorgehen. Für Dozierende ist die hochschuldidaktische Gestaltung von „Forschungsseminaren“ eine polyvalente Herausforderung, gilt es doch eine wissenschafts-theoretische und methodologische Basis zu schaffen und die (Forschungs)Interessen aller Teilnehmenden zu berücksichtigen. Das Anliegen stößt zudem nicht selten auf administrative Hürden, da solche Formate nicht immer mit Studienordnungen kompatibel sind. Studentische Abschlussarbeiten – in Zeiten der Internationalisierung des Studiums vor allem Bachelor- und Masterarbeiten – haben das Potential, ausgehend von den Interessen der Studierenden zu kleinen Forschungsvorhaben zu werden. Die Studierenden bearbeiten über einen Zeitraum von mehreren Monaten selbstständig eine Fragestellung und erschließen sich Forschungsmethoden und Diskurse mit dem Ziel, ihre Ergebnisse in einen Kontext zu stellen. Dabei behandeln sie Themen, die für wissenschaftliche Forschung zu partikular sind. Nicht selten wird mit ihnen neues Wissen generiert, aus dem sich wiederum Möglichkeiten für sich anschließende wissenschaftliche Forschung ergeben können oder die Abschlussarbeiten sind bereits die Weiterentwicklung eines vorausgegangenen Studienprojektes aus dem Praxissemester.
Die Reihe Erziehungswissenschaftliche Impulse setzt es sich zum Ziel, exzeptioneller studentischer Forschung ein Forum zu bieten. Anker sind neben der Bedeutung des Gegenstandes und der gewählten Herangehensweise auch Anerkennung und Wertschätzung der Leistung. Dabei sollen die veröffentlichten Arbeiten auch als Impuls, das heißt als Anregung verstanden werden, die erwähnten partikularen Themen aufzugreifen und weitere Forschung (vor-)an-zutreiben.
Münster, im Sommer 2021
Patrick Gollub
1. Einleitung
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Der Entstehungszusammenhang der Zentren für Lehrerbildung
2.2 Die Strukturreformen des Hochschulwesens in den 1990er und 2000er Jahren
2.3 Der Strukturdiskurs zu den Zentren der Lehrerbildung
2.3.1 Erfahrungen der Modellversuche und deren Auswirkungen auf den Diskurs
2.3.2 Der Strukturdiskurs in den Empfehlungen der Terhart-Kommission
2.3.3 Die ruhige Periode des Diskurses
2.3.4 Die Bestandsaufnahme fünf Jahre nach den Empfehlungen
2.3.5 Die zweite Phase der Bestandsaufnahme
2.3.6 Die aktuellen diskursiven Entwicklungen und Tendenzen
3. Forschungsziel und -ansatz
3.1 Teil I: Rahmenvorgaben
3.2 Teil II: Binnenstrukturen
4. Dokumentenanalyse
5. Forschungsmethodik
5.1 Teil I: Rahmenvorgaben
5.2 Teil II: Binnenstrukturen
6. Stichprobe
7. Ergebnisdarstellung
7.1 Teil I: Rahmenvorgaben
7.1.1 Typologie
7.1.2 Hauptkategorie Institutionalisierung
7.1.3 Hauptkategorie Zusammensetzung & Organisation
7.2 Teil II: Binnenstrukturen
7.2.1 Hauptkategorie Institutionalisierung
7.1.2 Hauptkategorie Zusammensetzung
7.1.3 Hauptkategorie Organisation
7.1.4 Hauptkategorie Evaluation undQualitätsmanagement
7.1.5 Subkategorie Organisation: Aufgaben und Funktionen der Organe
8. Ergebnisdiskussion
8.1 Teil I: Rahmenvorgaben
8.2 Teil II: Binnenstrukturen
9. Methodendiskussion
9.1 Teil I: Rahmenvorgaben
9.2 Teil II: Binnenstrukturen
10. Fazit/Ausblick
11. Literaturverzeichnis
11.1 Monographien und Sammelbände
11.2 Wissenschaftliche Vorträge
11.3 Online-Quellen
11.4 Gesetzestexte
11.5 Satzungen/Ordnungen der Zentren
12 Anhang
12.1 Anhang I: Tabellenverzeichnis
12.1.1 Tabelle 1: Ablauf der typenbildenden qualitativen Inhaltsanalyse
12.1.2 Tabelle 2: Ablauf der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse
12.1.3 Tabelle 3: Darstellung des Merkmalsraumes und Beschreibung der Typologie
12.1.4 Tabelle 4: Explizite Zuordnung der Einzelfälle zu den gebildeten Typen
12.1.5 Tabelle 5: tabellarische Darstellung der Hauptkategorie Institutionalisierung.
12.1.6 Tabelle 6: tabellarische Darstellung der Hauptkategorie Organisation.
12.1.7 Tabelle 7: Geordnete Liste der gebildeten Subtypen: strategische/steuernde Aufgaben & Funktionen
12.1.8 Tabelle 8: Geordnete Liste der gebildeten Subtypen: administrative Aufgaben & Funktionen
12.1.9 Tabelle 9: Geordnete Liste der gebildeten Subtypen: kommunikative/koordinierende Aufgaben und Funktionen
12.2 Anhang II: Abbildungsverzeichnis:
12.2.1 Abbildung 1: Landkarte auf Basis „natürlicher Gruppen“
12.2.2 Abbildung 2: Landkarte auf Basis „natürlicher Gruppen“ ergänzt mit Typologie
12.2.3 Abbildung 3: Diagramm der Subkategorien
[...] so vertreten wir die These, dass die heutige Lehrerbildung – trotz einiger Fortschritte – den wachsenden Anforderungen an den Lehrerberuf nicht gerecht wird und ihren gesellschaftlichen Auftrag einer professionsbezogenen Vorbereitung nicht oder nur unzureichend erfüllt. (Schubarth 2017, 128)
Die aktuelle Entwicklung der Lehrerbildung1 in Deutschland wurde von Wilfried Schubarth unter Mitarbeit von Wolfgang Böttcher, Ewald Terhart und Peter Tremp in sieben Thesen zusammengefasst. Das Fazit bleibt, wie an der skizzierten These deutlich erkennbar, ernüchternd. Was zunächst als frappierend erscheint, ist unter Berücksichtigung früherer Diskussionen, beinahe als diskursive Konstante zu bezeichnen. Denn die Kritik an der Lehrerbildung ist so alt wie die Lehrerbildung selbst (Vgl. Merzyn 2004). Die letzte Periode, in welcher diese zunehmend in Frage gestellt wurde, ist nun bereits über zwanzig Jahre her. Als Zäsur mag hierfür der Pisa-Schock gelten, welcher die Probleme des gesamten Bildungssystems und damit auch der Lehrerbildung an die breite Öffentlichkeit trug. Innerhalb des bildungswissenschaftlichen Diskurses wurden die Probleme der Lehrerbildung jedoch bereits in den 1990er Jahren ausführlich diskutiert (Vgl. Blömeke et al. 1999; Blömeke 2000a; Bayer et al. 2000). Zu diesem Zeitpunkt bestand weitestgehend der Konsens, dass die Einrichtung von Zentren für Lehrerbildung2 eine adäquate Reaktion auf die Probleme der Lehrerbildung zu sein scheint. Hieraus resultierte ein “Gründungsboom” (Roer 2020, 34) von Zentren für Lehrerbildung und mittlerweile sind diese beinahe an jeder Hochschule anzufinden, welche Lehramtsstudiengänge anbietet (Vgl. Rischke et al. 2015). Galten jene damals noch als “Retter in der Not” (Blömeke 2000a, 251), so stehen sie aktuell im Fokus der Kritik. So heißt es in These 4 von Schubarth “Die Lehrerbildung hat an Universitäten keinen zentralen Ort. Die Zersplitterung der Lehrerbildung lässt sich auch durch die Schaffung von Zentren für Lehrerbildung nicht auflösen” (Schubarth 2017, 130). Die anfangs noch breit angelegte Euphorie über die Zentren für Lehrerbildung scheint zunehmend abzuflachen.
Ein Grund hierfür liegt in jüngeren Studien zu diesen Einrichtungen. Hier ist insbesondere die Studie “Strategisch aufgestellt und professionell organisiert? Eine explorative Studie zu Strukturen und Status der Lehrerbildung” zu nennen, in welcher unter Anderem in Frage gestellt wird, ob die Zentren die von ihnen erwartete Neuerung der Lehrerbildung evozieren können (Böttcher/Blasberg 2015a, 21). Eins ist deutlich: die Zentren für Lehrerbildung stehen auf dem Prüfstand und werden immer breiter diskutiert. Dies spiegelt auch die zunehmende Anzahl an Studien zu diesem Themengebiet in den letzten Jahren wider. Freilich stellen Zentren für Lehrerbildung bis hierhin noch ein relativ unerforschtes Gebiet dar, doch in den letzten fünf Jahren wurden neben der Studie von Böttcher und Blasberg zwei weitere groß angelegte Studien zu den Zentren publiziert. Hier sind einerseits die Studie „Form follows function?! - Strukturen für eine professionelle Lehrerbildung“ (Rischke et al. 2015) und andererseits „Die Ausgestaltung der Zentren für Lehrerbildung in Nordrhein-Westfalen. Ergebnisse einer landesweiten Dokumentenanalyse“ (Roer 2020) zu nennen. Prinzipiell lassen sich auf diesem Gebiet zwei verschiedene Richtungen an Studien eruieren: Wirkungsstudien, die die Wirkung der Zentren messen und steigern wollen, und Diversifizierungsstudien, die die strukturelle Vielfalt der Zentren erfassen wollen (Vgl. Ebd., 42-58). Während die Zentren zu Beginn noch überwiegend durch Diversifizierungsstudien, wie etwa „Zentren für Lehrerbildung in der BRD“ (Hilligus 2005) oder „Lehrerbildungszentren in Deutschland“ (Wilke 2005), untersucht wurden, ist mit der Studie von Böttcher und Blasberg aktuell ein Trend zu Wirkungsstudien zu verzeichnen. Dem aktuellen Trend entgegen handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine Diversifizierungsstudie. Es soll sonach nicht die Wirkung der Zentren analysiert und bewertet werden, sondern die Zentren sollen hinsichtlich der Rahmenvorgaben und der Binnenstrukturen strukturell erfasst und beschrieben werden, um so den Status quo darzustellen. Die Struktur der Arbeit soll im Folgenden dargestellt werden.
Da mit den Rahmenvorgaben und den Binnenstrukturen sowohl die Makroebene als auch die Mikroebene der Zentren untersucht werden soll, ist ein breit angelegter theoretischer Rahmen und damit ein möglichst holistischer Blick obligatorisch. Hierin sollen die Strukturen der Zentren zunächst aus historischer Perspektive kontextualisiert werden. Das bedeutet konkret, dass zuerst der Entstehungszusammenhang der Zentren für Lehrerbildung skizziert werden soll. In diesem soll einerseits ein kurzer Überblick über die Geschichte der Lehrerbildung und die Entwicklungen der Lehrerbildung innerhalb der 1990er und 2000er Jahre gegeben werden. Andererseits sollen auch die Strukturreformen des Hochschulwesens in den 1990er und 2000er Jahren aufgegriffen werden, da auch diese, wie später noch ausgeführt werden soll, einen Einfluss auf die Entstehung der Zentren für Lehrerbildung und deren Strukturen hatten. Mit dem Entstehungszusammenhang soll neben der Kontextualisierung insbesondere das Fundament für das anschließende Kapitel des Diskurses zu den Strukturen der Zentren für Lehrerbildung3 gelegt werden.
Bis hierhin wurde der Diskurs zu den Zentren für Lehrerbildung in erster Linie als Gesamtdiskurs dargestellt und nicht in einzelne Diskursstränge segmentiert. Dies führt zu einem sehr unstrukturierten Diskurs, welches auf Dauer in einem „Wuchern der Diskurse“ (Bublitz et al. 1999) enden würde. Deshalb soll in dieser Arbeit der Versuch gemacht werden, die einzelnen Diskursstränge voneinander zu trennen und diese zu systematisieren. In diesem Zuge soll der Strukturdiskurs kreiert werden, indem die unterschiedlichen Studien, Aufsätze und Monographien etc., die sich mit den Strukturen der Zentren befasst haben, chronologisch und mit einem Fokus auf Interdependenzen zusammengetragen werden. Als Ausgangspunkt für diesen Ansatz ist der Tagungsband des 9. Bundeskongresses der Zentren für Lehrerbildung zu interpretieren, in welchem die Strukturen der Zentren für Lehrerbildung strikt von den Aufgaben der Zentren getrennt wurden (Retzlaff-Fürst et al. 2016). Hierdurch können zwei Diskursstränge ausgemacht werden. Diese Arbeit reduziert sich auf den ersteren, wenngleich die Aufgaben der Zentren teilweise implizit mitbehandelt werden.
Auf Basis des theoretischen Rahmens und insbesondere des Strukturdiskurses soll dann der Ansatz für den empirischen Teil dieser Arbeit entwickelt werden. Die Fragestellungen, Annahmen und auch die Methodik werden sonach aus dem Diskurs heraus generiert. Der empirische Teil gliedert sich in folgende Kapitel: Forschungsziel, Forschungsmethodik, Stichprobe und Ergebnisdarstellung. Im Anschluss daran sollen in der Diskussion die Ergebnisse des empirischen Teils in Bezug zu dem theoretischen Rahmen gesetzt werden, und die dafür verwendete Methodik diskutiert werden. Zuletzt sollen im Fazit die zentralen Ergebnisse der Arbeit skizziert und ein Ausblick gewährt werden.
1 In dieser Arbeit wird im Sinne der geschlechtergerechten Sprache das generische Maskulinum verwendet. Die weibliche Form ist sonach immer implizit mitzulesen. Wörtliche Zitate verbleiben in ihrer ursprünglichen Form.
2 In dieser Arbeit sollen die Begriffe Zentren für Lehrerbildung und School of Education synonym verwendet werden. Der Grund liegt in der fehlenden Trennschärfe dieser Begriffe (Vgl. Roer 2020, 18-21).
3 Im Laufe der Arbeit wird der Diskurs zu den Strukturen der Zentren für Lehrerbildung regelmäßig als Strukturdiskurs abgekürzt.
Um den Entstehungszusammenhang der Zentren für Lehrerbildung nachvollziehen zu können, soll nun zunächst ein kurzer Überblick zur Geschichte der Lehrerbildung in Deutschland angeführt werden.
Da Reformen des Schulsystems notwendigerweise auch Reformen der Lehrerbildung evozieren, ist die Herausbildung der Institution Schule im 17./18. Jahrhundert als Beginn der Lehrerbildung in Deutschland zu charakterisieren (Vgl. Blömeke 2009, 483). In diesem Prozess entstanden in Analogie zu einem niederen und höheren Schulwesen zwei unterschiedliche Formen der Lehrerausbildung. Einerseits eine staatlich geregelte, und damit gegen kirchlichen Einfluss gefeite Gymnasiallehrerausbildung an Universitäten, welche auf ein berufliches Leitbild des Philologen als Fachgelehrten abzielte. Andererseits eine, an konfessionelle Einrichtungen gebundene, Volksschullehrerausbildung, welche ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Seminaren stattfand (Vgl. Blömeke 2000a, 252).
Während die Gymnasiallehrausbildung sich durch fehlende praktische und pädagogische Anteile charakterisierte, mangelte es Volksschullehrern im 19. Jahrhundert an akademischer Ausbildung (Vgl. Walke/Offenberg 2013, 34). So wurde erstere ab 1890 durch eine zweite Phase, dem Referendariat, ergänzt, erfuhr aber seitdem kaum Veränderung (Vgl. Blömeke 2000a, 484). Die Volkschullehrerausbildung (und spätere Grund-, Haupt-, Real-, Sonderschullehrerausbildung) hingegen veränderte sich beständig: zunächst verlagerte sich die Ausbildung von Seminaren auf pädagogische Akademien, welche in der NS-Zeit in „Hochschulen für Lehrerbildung“ umgewandelt wurden und nach 1945 in pädagogischen Hochschulen resultierten (Vgl. Blankertz 1992).
Da die pädagogischen Hochschulen dem Desiderat der akademischen Ausbildung nicht hinreichend gerecht wurden, wurden diese in den 1980er Jahren durch das „Zusammenführungsgesetz“ in die Universität integriert und eo ipso aufgelöst.4 Dies führte zu einer wissenschaftlichen Aufwertung der nichtgymnasialen Lehramtsstudiengänge und demonstrierte die Akademisierung der Lehrerbildung (Konrad 2007, 104, zitiert nach Walke/Offenberg 2013, 34). Ferner sollte jene Zusammenführung einen wichtigen Schritt zum Umgang mit der immer „[…] komplexer werdenden Gesellschaft mit erhöhten Anforderungen an die Schule und damit auch an die Lehrerinnen und Lehrer“ (Blömeke 2000a, 252) darstellen.
Obschon die Zusammenführung elementare Probleme der Lehrerbildung zu lösen schien, begann ab den 1990er Jahren ein weiterer Reformdiskurs. Dieser Reformdiskurs entstand indes nicht ausschließlich durch Probleme, die in der Lehrerbildung festgestellt wurden, sondern er wurde ebenso durch externe Entwicklungen beeinflusst. So zeichneten sich einerseits mit der „Krise der Universitäten“ (Stölting/Schimank 2001), der Stagnation von Reformen im Hochschulwesen der 1980er (Vgl. Krücken 2005, 27), der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und der europäischen Integration mit dem damit verbundenem Bologna-Prozess monumentale Universitätsreformen ab. Andererseits führten volkswirtschaftliche Bedenken unter dem Chiffre Bildungskatastrophe, aber auch Werte- und Bildungsreformen zu einem Reformklima, welches sich auf den Diskurs zu Reformen in der Lehrerbildung auswirkte (Vgl. Walke/Offenberg 2013, 10-12). Exemplarisch hierfür scheint die Einleitung von Manfred Bayer et al.
Die Schwere der Erkrankung bestimmt die Schärfe der Medizin. „Im Kern verrottet?“ „Fünf vor zwölf an Deutschlands Universitäten“ – was Peter Glotz (1996) im Blick auf diese feststellt, wieweit gilt es auch für deren Teilbereich, die universitäre Lehrerausbildung? (2000, 7)
Zugleich dekuvrierte das Anwachsen der Studierendenzahlen zu Beginn der 1990er die Reformbedürftigkeit der Lehrerbildung, da Mängel in Ausbildungsorganisation und -inhalten deutlich wurden (Vgl. Blömeke et al. 1999, 9). Dies führte unter anderem dazu, dass in NRW im Auftrag der Ministerien für Kultus, für Wissenschaft und Forschung und der Landesrektorenkonferenz eine Evaluation der Lehrerausbildung an den Hochschulen, welche Probleme und Defizite der Lehrerbildung skizzieren sollten, initiiert wurde. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Lehrerausbildung an den befragten Hochschulen als intransparent und wenig koordiniert darstellen würde (Vgl. Ebd., 10).
Als Reaktion darauf beschlossen die nordrhein-westfälischen Ministerien für Kultur, Wissenschaft und Forschung Querstrukturen an Universitäten in Form von Zentren für Lehrerbildung zu fördern. Jene Zentren sollten die eruierten Defizite durch überfachliche Koordination und Organisation der Lehrausbildung in Form von Kooperation mit den bestehenden Einrichtungen nivellieren. Die Förderung manifestierte sich in erster Instanz durch einen Erlass für einen Modellversuch „Zentren für Lehrerbildung“ im Jahr 1994, welcher bis zum 30.12.1999 anlief. Nach diesem Erlass folgten zunächst Modellversuche von errichteten Zentren an der Universität Paderborn, der Universität Dortmund, der Bergischen Universität-GH Wuppertal und an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, später kamen noch die Universitäten Bochum und Siegen hinzu (Vgl. Ebd., 10-11). Die Relevanz dieser „Pionierzentren“ soll im Verlaufe des Strukturdiskurses noch aufgegriffen werden, deutlich scheint aber, dass der Modellversuch als Erfolg verbucht wurde. So sollten nach dem Modellversuch eine dauerhafte Einrichtung von Zentren an den Hochschulen für Lehrerausbildung in NRW und zudem eine Verankerung im Hochschulgesetz erfolgen (Vgl. Blömeke et al. 1999, 11).
Pionierarbeit leisteten die Zentren in NRW bei weiteren Evaluationen der Lehrerausbildung, welche die zuvor skizzierten Erkenntnisse akzentuieren konnten. Als ein Kernproblem wurde dabei die fehlende Integration der einzelnen Studienanteile eruiert: sowohl einzelne Unterrichtsfächer wie Erziehungswissenschaft, als auch einzelne Teilbereiche wie Fachwissenschaft und Fachdidaktik, ebenso wie die schulpraktischen Studien standen isoliert nebeneinander. Zudem stellte sich heraus, dass gerade die fachwissenschaftlichen Studienanteile nicht speziell auf die Lehramtsstudierenden ausgerichtet waren. Eng daran gebunden ist die Problematik der Verknüpfung von Theorie und Praxis, die von den schulpraktischen Studien generiert werden sollte, und immer wieder als defizitär beschrieben wurde (Vgl. Blömeke 2000a, 253).
Durch diese Erkenntnisse wurde das Bewusstsein für die Reformbedürftigkeit der Lehrerausbildung noch einmal geschärft und der Diskurs zu Reformen angeregt. So machte auch die Sachverständigenkommission „Lehrerausbildung“ der Gemeinsamen Kommission für die Studienreform im Land Nordrhein-Westfalen auf die Defizite der universitären Lehrerausbildung aufmerksam und forderte 1996 den Aufbau einer umfassenden außeruniversitär eingerichteten Institution, die alle Aufgaben in der Lehrerausbildung und Fortbildung integrieren würde (Vgl. Gemeinsame Kommission für die Studienreform Nordrhein-Westfalen 1996, 108). Ein vergleichbares Modell entwarf die Kommission „Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft“, welche explizit Zentren für Lehrerbildung für die zweite Ausbildungsphase, sprich außeruniversitär eingerichtet, forderten (Vgl. Bildungskommission NRW 1995, 108). Dem gegenüber standen Diskursteilnehmer, wie etwa die Hochschulrektorenkonferenz, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft oder auch die DGfE-Kommissionen, welche äquivalent zum Modellversuch, Zentren für Lehrerbildung an den Universitäten etablieren wollten. Diese sollten hingegen mit je unterschiedlichen Organisationsstrukturen und Aufgaben aber einheitlich wissenschaftlichen Charakter eingerichtet werden, während bei den Modellversuchen der wissenschaftliche Charakter noch nicht im Mittelpunkt stand.
In den DGfE-Kommissionen heißt es etwa
Die Zentren bilden Organisationsstrukturen quer