Ratgeber Instabile Kopfgelenke - Simone Theisen-Diether - E-Book

Ratgeber Instabile Kopfgelenke E-Book

Simone Theisen-Diether

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Kopfschmerzen, Erschöpfung, Augenprobleme, Schwindel, Ohrenrauschen, Schluckbeschwerden, kognitive Einschränkungen oder ein völlig aus dem Gleichgewicht geratenes Vegetatives Nervensystem sind nur einige der Symptome einer Kopfgelenksinstabiltät, die zu massiven Einschränkungen im Alltags- und Berufsleben führen können. Eine Schädigung im Bereich der oberen Halswirbelsäule, am sogenannten kraniozervikalen Übergang, hat das Potential, einen wahren Symptomregenbogen zu entfachen. Häufig sind diese Beschwerden diffus und passen auf den ersten Blick gar nicht zusammen, sodass Ärzte sie oftmals keinem bestimmten Krankheitsbild zuordnen können. Entsprechend schwer ist es, angemessene Hilfe zu erhalten. Von der Problematik instabiler Kopfgelenke sind viel mehr Menschen betroffen als man denkt. Ein längst vergessener Sturz, ein vermeintlich harmloser Auffahrunfall oder eine Operation in Vollnarkose sind nur einige mögliche Ursachen, die diese empfindliche Region des menschlichen Körpers schädigen können. Viele dieser Betroffenen haben Ihre Erfahrungen mit Simone Theisen-Diether geteilt und so die Möglichkeit geschaffen, eine Sammlung von Ratschlägen aus erster Hand zu veröffentlichen. Welche diagnostischen Methoden sind aus Sicht der Betroffenen sinnvoll? Welche Behandlungsmethoden haben sich als hilfreich herausgestellt? Und wie geht man mit einer chronischen Erkrankung um? Diesen Fragen widmet sich der "Ratgeber Instabile Kopfgelenke". Darüber hinaus beinhaltet das Buch eine Auflistung von hilfreichen Adressen und Ansprechpartnern sowie einige Fachbeiträge aus den Bereichen Sozialrecht, Verhaltenstherapie und Ernährung.

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Seitenzahl: 263

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„To all my doubters, thank you very much,

because you guys have also pushed me.“

Usain Bolt

jamaikanische Sprintlegende

Simone Theisen-Diether

RATGEBERINSTABILE KOPFGELENKE

Der Knacks im Nacken:

Symptome / Diagnose / Hilfe

© 2022 Simone Theisen-Diether

Autorin: Simone Theisen-Diether

Umschlag, Illustration: Ramona Scheifler

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland

ISBN Paperback: 978-3-347-70439-8

ISBN Hardcover: 978-3-347-70440-4

ISBN e-Book: 978-3-347-70441-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Persönliche Worte

Was ist eine Kopfgelenksinstabilität?

Symptomregenbogen

Ursachen und Auslöser

Diagnose-Dschungel

Was hilft? - Was hilft nicht?

Stolpersteine

Tipps und Tricks querbeet

Ratgeber Spezial

Ein Weg durch das Labyrinth?

Hilfreiche Adressen und Ansprechpartner

Haftungsablehnung

Dieses Buch habe ich nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Es kann als Orientierungshilfe für Menschen mit dem Krankheitsbild Kopfgelenksinstabilität (Genickinstabilität, Instabilität der oberen Halswirbelsäule) dienen.

Ich verfüge über keine medizinische Ausbildung. Der Text ist auf der Basis von selbst Erlebtem und den Erfahrungen anderer Erkrankter entstanden. Die genannten Ratschläge sind nicht ungeprüft auf andere übertragbar und nicht verallgemeinerbar; sie können und sollen in keinem Fall als ärztliche Beratung gesehen werden und eine Diagnose oder Behandlung ersetzen.

Die nachfolgend enthaltenen Informationen sollen daher niemals als alleinige Quelle für gesundheitsbezogene Entscheidungen verwendet werden.

Dieser Ratgeber enthält unter anderem Namen und Bezeichnungen von Produkten, Ärzten, Therapeuten, Internetseiten und Büchern. Alle Nennungen erfolgen unentgeltlich und auch ohne sonstige Vorteile. Sie dienen ausschließlich der Bereitstellung von Informationen und sind als reine Vorschläge zur Selbsthilfe zu verstehen.

Persönliche Worte

Lange habe ich gedacht, ich sei so eine Art „medizinischer Sonderfall“. Selbst nachdem endlich eine Diagnose vorlag und sich die Problematik schlüssig erklären ließ, konnte ich mir kaum vorstellen, dass es in Deutschland noch viele Menschen mit ähnlichen Beschwerden geben würde. Davon müsste man doch schon mal etwas gehört oder gelesen haben. Egal, wem ich von meinem instabilen Genick erzählte, ich sah staunende und – ehrlich gesagt – auch ungläubige Gesichter. Nach unzähligen falschen Diagnosen und fehlgeschlagenen Behandlungsansätzen war ich naturgemäß skeptisch geworden. So hatte ich es nicht nur bei einer Arztmeinung belassen und in weitere Untersuchungen investiert, die das Krankheitsbild objektivieren konnten, bis es keine Zweifel mehr gab und ich absolut sicher war. Sicher zwar, aber irgendwie auch alleine. Es fehlten Gleichgesinnte, um sich auszutauschen. Im Jahr 2016 entschied ich mich dann, mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Nachdem mein Buch „Wackelköpfchen“ erschienen war, erkannte ich sehr schnell, dass ich kein „medizinischer Sonderfall“ war, sondern tatsächlich eine von vielen. Wer hätte das gedacht?

Auch im sechsten Jahr nach „Wackelköpfchen“ erreichen mich noch regelmäßig Anfragen anderer Betroffener, die Ratschläge rund um das Thema „Kopfgelenksinstabilität bzw. instabile Halswirbel-säule“ wünschen. Auffällig ist, dass es sich zumeist um die gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Anliegen dreht. Neben Fragen nach passenden Ärzten geht es oft auch um banale Dinge des Alltags wie: „Welches Kopfkissen benutzt du?“ Andere haben Angst vor der Diagnose und fragen: „Wie gehst du mit der Krankheit um?“ Die Frage nach der richtigen Untersuchungsmethode ist ebenso wichtig wie die Frage danach, was Linderung verschafft. So gut, wie es mir als medizinischer Laie möglich ist, beantworte ich diese Fragen, kann aber natürlich immer nur für mich sprechen. Das zeigt eigentlich auch schon ein Kernproblem: Das Leben mit einer instabilen Halswirbelsäule ist geprägt von Versuch und Irrtum. Leider gibt es keine Blaupause für die passende Behandlung oder das richtige Verhalten. Instabilität ist nicht gleich Instabilität. Es gibt keine Laborparameter, wonach man eine bestimmte Dosierung an Medikamenten verschreibt und auch keine Standardbehandlung, wie Ruhigstellen, Eingipsen oder Mobilisieren. Jeder Mensch mit instabiler Halswirbelsäule muss seine eigenen Erfahrungen machen; oftmals dauert es Jahre, bis man grob herausgefunden hat, was hilft, was wirkungslos ist und was vielleicht sogar schadet. Man muss es schlicht und ergreifend ausprobieren. Das ist ein unschöner Prozess, da Fehler oftmals massive Auswirkungen haben.

Hilfe ist schwer zu bekommen. Rechtlich, finanziell und vor allem medizinisch. Menschen mit instabilen Kopfgelenken werden vom System alleine gelassen. Wenn ich nach 17 Jahren mit instabilen Kopfgelenken eine Erkenntnis gewonnen habe, dann ist es diese: Du musst dir selbst helfen, es macht kein anderer. Jahr für Jahr geht ins Land und an den Umständen für die Betroffenen ändert sich nichts. In einem Anflug von Frustration habe ich im Frühjahr 2021 einen Text auf meiner Homepage veröffentlicht. Der Inhalt hat weiterhin Gültigkeit, weshalb ich ihn an dieser Stelle leicht verkürzt einfügen möchte.

Wenn niemand etwas von deiner Krankheit wissen will!

Ich mache sie ja wirklich gerne und mit Hingabe, die Aufmerksamkeitsarbeit zum Thema „Instabilitäten der oberen Halswirbelsäule“. Aber manchmal fühle ich mich wie in einer Parallelwelt gefangen. Solange ich mich mit Gleichgesinnten, verständnisvollen Ärzten, Physiotherapeuten und anderen Betroffenen unterhalte, ist alles in Ordnung. Es gibt großes gegenseitiges Verständnis, gute Therapie- und Diagnosetipps werden ausgetauscht, es wird sich untereinander Mut zugesprochen und alle sind sich sicher, dass wir es irgendwann schaffen werden, Anerkennung für unser Krankheitsbild zu finden, wenn wir nur laut genug darauf aufmerksam machen. Viele sind es inzwischen, nicht nur in Deutschland, auch in Österreich, die die ständige Ablehnung, das Negieren von instabilen Kopfgelenken, nicht mehr hinnehmen möchten. Patienten schließen sich in Foren oder Online-Selbsthilfegruppen zusammen, die herausragende Website www.schleudertrauma-selbsthilfe.at gibt Betroffenen die Möglichkeit, ihre Erlebnisse zu erzählen und unter www.holy-shit-i-am-sick.de finden sich wertvolle Tipps rund um Ursachen, Diagnostik und Therapie bei instabiler HWS.

Welch ein Kontrast erwartet mich, wenn ich diese Blase verlasse. Gerade in Corona Zeiten ist die „Bubble“ ja ein geflügeltes Wort geworden. Außerhalb der Instabilitäts-Bubble sieht die Welt für uns Betroffene leider ganz anders aus. Kurz gesagt: Es gibt unser Krankheitsbild offensichtlich nicht. Das ist natürlich Quatsch, aber genauso wird es leider vermittelt. Es scheint niemanden zu geben, der über Instabilitäten der oberen Halswirbelsäule berichten möchte. Was habe ich nicht alles versucht? Mit Ausnahme der Rhein-Zeitung und Blick aktuell - zwei regionalen Zeitungen -, die über meine Arbeit und meine Bücher berichtet haben und Mitgliederzeitschriften von Patientenvereinigungen, hagelte es nur Ablehnungen. Wobei, wenn es wenigstens mal Ablehnungen gewesen wären. Heute scheint es die Norm zu sein, gar nicht mehr zu reagieren. Vielleicht bin ich altmodisch, aber ich finde das unanständig. Mit viel Glück erhält man eine automatisierte Eingangsbestätigung. Oft noch nicht mal das. Da macht es überhaupt keinen Unterschied, ob man Zeitungen anschreibt, Magazine, Fernsehformate, Medizinreporter, Medienverlage oder Buch-handlungen. Nix! Ich schreibe schon immer extra dazu, dass meine Bücher ein non-profit Projekt sind. Ich erkläre, dass es um Awareness geht, also darum, Bewusstsein für ein vernachlässigtes Krankheitsbild zu schaffen und biete an, Kontakte zu anderen Betroffenen herzustellen. Alles umsonst, kein Interesse. So muss ich das Schweigen letztlich ja deuten. Eine Buchhandlung reagierte mit den Worten, dass man schließlich Geld verdienen müsse und wenn das nicht mein Ziel sei, käme eine Lesung nicht in Frage. Ich habe dann gar nicht mehr erklärt, dass ich sehr wohl Bücher verkaufen möchte, nur eben das Geld nicht selber einsacken werde. Da sitzt man dann vor dem Computer und würde am liebsten den Kopf schütteln, wäre dies nicht für ein Wackelköpfchen eine denkbar schlechte Idee. Sogar einen Agenten, einen Werbefachmann habe ich beauftragt. Auch er scheint gegen Windmühlen zu kämpfen und kann praktisch nix für mich bzw. uns „Instabilies“ tun. Ich könnte hier eine endlose Liste von erfolglosen Versuchen auflisten, meine Bücher oder zumindest das Thema in die Medien zu bekommen. Aber das würde nur noch mehr frustrieren. Tatsächlich habe ich sogar aufgehört, mir meine Anfragen aufzuschreiben, da ich es leid war, nach einiger Zeit dahinter zu vermerken, dass keine Rückmeldung kam. Man könnte das Problem jetzt Corona in die Schuhe schieben. Schaut man sich die Medienlandschaft an, gibt es offensichtlich kein anderes Thema mehr. Aber Überraschung: Keine der anderen Krankheiten sind durch Corona verschwunden und sie haben es verdammt nochmal verdient, dass sie auch beachtet werden. Bei aller globalen Tragweite der Pandemie kann doch trotzdem nicht alles andere vergessen werden. Das wirft ein ganz schlechtes Bild auf den deutschen Journalismus. Aber ehrlich gesagt, so einfach will ich es mir gar nicht machen. Es liegt nicht an Corona, vielleicht ein kleines bisschen, aber nicht zum überwiegenden Teil. Ich habe im Text eines anderen Instabilie folgenden Satz gelesen: „Das Thema ist kompliziert und unsexy, es langweilt.“ Wahrscheinlich hat er Recht. Natürlich sehe ich das nicht so, aber der Eindruck wird mir auch vermittelt, wenn ich darüber sprechen möchte; kaum jemand hört länger als fünf Minuten zu. Aber sollen wir jetzt einen Kalender rausgeben: „Sexy Instabilies mit Halskrause“? Das kann kaum die Lösung sein. Ich werde sarkastisch. Das zeigt letztlich nur meine Hilflosigkeit und Frustration. Wir Betroffenen werden alleine gelassen, an allen Fronten…

Kurz nach Veröffentlichung dieses Textes erhielt ich eine Anfrage des SWR Rheinland-Pfalz. Die damals laufende Bundestagspetition hatte anscheinend Aufmerksamkeit geweckt und die persönlichen Verbindungen einer Betroffenen zu einer Redakteurin taten das Übrige dazu. Instabile Kopfgelenke sollten einen Platz in der Landesschau erhalten. Das war sie, die Möglichkeit, auf die ich ewig gewartet hatte. Endlich breite mediale Aufmerksamkeit für unser Thema. Viel Vorbereitungszeit hatte ich nicht, es sollte schnell gedreht werden. Wie das dann so ist, war ich natürlich just in dieser Zeit in bescheidener Verfassung. Die monatelange Aufmerksamkeitsarbeit rund um die Bundestagspetition hatte meine ohnehin schon nur spärlich vorhandene Energie ziemlich aufgebraucht. Eine anstrengende Zeit lag hinter mir und eigentlich wollte ich mich eine Weile zurückziehen und wieder Kräfte sammeln. Aber wer sagt denn „nein“ zu so einer Gelegenheit, also wurden nochmals die letzten Reserven aktiviert. Das Kamerateam war stundenlang da und ich funktionierte irgendwie auf Autopilot. Wie lange ich anschließend gebraucht habe, um zu regenerieren, behalte ich lieber für mich. Ich hätte Romane erzählen können, aber das gab natürlich die Sendezeit von einigen Minuten nicht her. Daher konnte ich leider lange nicht alle Informationen unterbringen, die notwendig gewesen wären, um die Problematik instabiler Kopfgelenke ordentlich darzulegen. Dennoch war es ein Erfolg, dachte ich, da die Sendung nun im Archiv des SWR vorlag und bei weiteren Recherchen ähnlicher Art zur Verfügung stehen würde. Doch selbst eine TV-Reportage verpuffte. Genau zwei Anfragen von Zuschauern erreichten mich im Nachgang. Weitere Presseanfragen blieben leider ganz aus.

Noch ein Wort zur Bundestagspetition: Es ging um die Bereitstellung finanzieller Mittel für Grundlagenforschung auf dem Gebiet von Instabilitäten der oberen Halswirbelsäule. Dafür habe ich die Geschichten von 36 Betroffenen zusammengetragen, gebunden und gemeinsam mit dem Petitionstext eingereicht. Stolze 2.246 Unterschriften haben wir gesammelt. Für eine Nischen-Krankheit gar nicht schlecht, sollte man meinen. Seitdem ist nichts weiter geschehen. Nach Abschluss der Mitzeichnungsfrist hat der Petitionsausschuss nur noch einmal vor der Sommerpause getagt. So schnell steht natürlich keine Petition auf der Tagesordnung. Dann kam im Herbst 2021 die Bundestagswahl und der Petitionsausschuss wurde neu konstituiert. Nun heißt es warten, bis unsere Petition auf der Tagesordnung landet. Aktuell befindet sich die Petition noch in der Prüfung. Ob sich daraus etwas ergibt: Ungewiss.

Stand heute ist es so, dass Menschen mit instabilen Kopfgelenken alleine gelassen werden, egal, was man versucht. Die einzigen verlässlichen Quellen gegenseitiger Unterstützung - neben wenigen Ärzten - sind Gruppen in den sozialen Medien, Foren und Websites Betroffener. Gleichgesinnte, die sich hilfreiche Tipps geben. Ich bin mir sehr sicher, dass diese gegenseitige Hilfestellung schon viele Betroffene aus tiefen Tälern geholt haben. Leider gibt es tragische Fälle, die keinen anderen Ausweg mehr wussten und den Freitod gewählt haben. Jedes Schicksal dieser Menschen, die aus Verzweiflung über ihre Krankheit, wegen fehlender Hilfe und aufgrund drohender finanzieller und existenzieller Perspektivlosigkeit freiwillig aus dem Leben scheiden, erschüttert die Gemeinschaft und führt knallhart das Versagen des Systems vor Augen. Ich hatte selbst etwas näheren Kontakt mit zwei Menschen, die keinen anderen Ausweg für sich sahen. So etwas macht sehr nachdenklich und es macht auch wütend.

Da aber Wut bekanntlich kein guter Berater ist, macht es mehr Sinn, die Frustration beiseite zu schieben und positiv zu bleiben. Man muss ausloten, welche Maßnahmen dem Thema „instabile Kopfgelenke“ am meisten dienen. Vor diesem Hintergrund habe ich beschlossen, meinen Fokus zu verändern. Die reine Aufmerksamkeitsarbeit soll nicht mehr im Vordergrund meiner Arbeit stehen. Meine leider nur reduziert vorhandene Energie möchte ich nicht mehr für das Schreiben von E-Mails an Redaktionen von Gesundheitsmagazinen einsetzen oder dafür, politische Vertreter von der Wichtigkeit einer Grundlagenforschung überzeugen zu wollen. Das bedeutet natürlich nicht, dass diese Art der Aufmerksamkeitsarbeit nicht wichtig ist. Ganz im Gegenteil: Sie muss unbedingt fortgeführt werden. Aber vielleicht müssen hier frische Kräfte ran, neue Ideen und Strategien müssen entwickelt werden. Darauf werde ich gegen Ende des Buches nochmal zurückkommen. Aktuell habe ich das Gefühl, „mein Pulver verschossen zu haben“. Daher habe ich mir vorgenommen, mich hauptsächlich auf „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu konzentrieren. Mit diesen Überlegungen entstand die Idee für diesen Ratgeber, von „Instabilies für Instabilies“ sozusagen. Wer, wenn nicht wir, weiß am besten, wie man ein Leben mit instabilen Kopfgelenken gestaltet, welche Maßnahmen helfen, welche schaden und welche Fallstricke es zu überwinden gibt? Die Antworten aus einem Fragebogen fließen ebenso in die nachfolgenden Kapitel ein wie die Auswertungen von etwa 60 Patientengeschichten und die Erfahrungen aus zahlreichen persönlichen Kontakten. Natürlich kann auch dieser Ratgeber keine Blaupause für jeden erdenklichen Fall sein, aber die Bündelung von Wissen sollte möglichst viel Hilfestellung ermöglichen. Während meiner früheren Tätigkeit in der Verwaltung kam der Begriff der „interkommunalen Zusammenarbeit“ in Mode. Damit wollte man Wissen und Ressourcen bündeln und am Ende bessere Angebote erzielen. Im übertragenen Sinne und im besten Fall sollte dies auch dieser Ratgeber können. Ein Leitfaden, der den Weg durch das Labyrinth der instabilen Kopfgelenke weist.

Was ist eine Kopfgelenksinstabilität?

Ich vermute, dass die meisten Leserinnen und Leser bereits erkannt haben, dass der Ursprung ihrer Probleme an der oberen Halswirbelsäule zu finden ist. Daher sind ihnen die anatomischen Besonderheiten dieser Region garantiert schon bekannt. Aber für diejenigen, die sich zum ersten Mal mit der Thematik beschäftigen, möchte ich zu Beginn einen kurzen Überblick über die Anatomie der menschlichen Halswirbelsäule geben. Das ist zwar trockene Materie, macht es aber einfacher, später verwendete Begriffe einzuordnen.

Die Halswirbelsäule ist der beweglichste Teil der Wirbelsäule, was leider aber auch dazu führt, dass sie anfälliger ist für Störungen und Verletzungen. Auffällig ist, dass die Halswirbelsäule muskel- und bandgeführt ist, wodurch sie sich von dem restlichen Teil der Wirbelsäule unterscheidet. Evolutionsbiologisch ist dies zur freien Orientierung des Kopfes und der Sinnesorgane im Raum erforderlich [1]. Die Halswirbelsäule wird unterteilt in die klassische Halswirbelsäule (Wirbelkörper C3 – C7) und den Kopfgelenksbereich (C1, C2 und C2/3), auch obere HWS genannt. Der Kopfgelenksbereich wiederum ist aufgeteilt in das obere und das untere Kopfgelenk.

Das obere Kopfgelenk besteht aus dem ersten Halswirbel Atlas (C1) und den Gelenkflächen des Hinterhauptbeines. Hier sitzt der Schädel mit einem Gewicht von bis zu 7 kg. Der Atlas erhielt seinen Namen von dem Titanen Atlas aus der griechischen Mythologie. Dieser musste die Last des Himmelsgewölbes auf seinen Schultern tragen, so wie der Atlas hier den Kopf zu tragen hat. Der Atlas ist das sogenannte Nickgelenk („Ja-Gelenk“) und gleichzeitig ein Sperrgelenk für Rotation. Bezeichnet wird dieses erste Gelenk der Halswirbelsäule als Atlantookzipitalgelenk. Der Atlas besitzt als einziger Wirbel keine Wirbelkörper. Dafür besitzt dieser Wirbel rechts und links sogenannte Auftreibungen. Die Atlantookzipitalgelenke (C0/C1) werden primär statisch belastet.

Der Axis, auch C2 genannt, bildet das untere Kopfgelenk (= Atlantoaxialgelenk). Der Axis hat einen vorne in den Atlas hineinragenden Zahn, den Dens axis. Dieses zweite Halswirbelsäulengelenk ermöglicht Drehbewegungen um je 45°. Es ist das Rotationsgelenk („Nein-Gelenk“). Seitneigungen, Vor- und Rückwärtsbeugungen sind nur im geringen Umfang möglich. Die Atlantoaxialgelenke (C1/2) werden vor allem dynamisch beansprucht.

Zum Kopfgelenksbereich gehört auch das dritte Halswirbelsäulengelenk (C2/3). Dieses ermöglicht deutliche Neigungen zu den Seiten, sowie Vor- und Rückwärtsbeugungen des Kopfes [2].

Dieser Übergangsbereich zwischen Kopf und Hals, bestehend aus der knöchernen Schädelbasis und den beiden ersten Halswirbeln, wird auch als kraniozervikaler Übergang (KZÜ) bezeichnet (engl. Cranio Cervical Junction, CCJ). Dieser Begriff setzt sich zusammen aus den Wörtern „cranium“, was so viel bedeutet wie Kopf/Schädel und „cervical“, also zum Hals gehörend.

Die Beweglichkeit der einzelnen Kopfgelenke für sich ist nicht besonders ausgeprägt, das Zusammenspiel beider Kopfgelenke und der übrigen Halswirbel ermöglicht jedoch das große Beweglichkeitsausmaß der Kopfbewegung. Die Stabilität der Verbindung zwischen dem 1. und 2. Halswirbel, dem oberen und unteren Kopfgelenk und dem Kopf wird durch einen straffen Bandapparat gewährleistet [3].

Der Bandapparat soll vermeiden, dass unkontrollierte Streck-, Beuge- und Drehbewegungen das Rückenmark verletzen. Die wichtigsten Bänder (Ligamente) im Bereich der Kopfgelenke sind die Flügelbänder (Ligamenta alaria) und das Querband (Ligamentum transversum atlantis) [4]. Letzteres ist zwischen den beiden Auftreibungen des Atlas gespannt. Es ist dafür verantwortlich, den Dens axis in seiner Position zu halten und zu verhindern, dass sich der Dens axis gegen das Rückenmark neigt. Die Flügelbänder haben vor allem Brems- und Haltefunktion. Sie sollen ein übermäßiges Drehen und Kippen im unteren Kopfgelenk verhindern.

Im Kopfgelenksbereich finden sich Vernetzungen von cervicalen, vegetativen Nerven und den Hirnnerven. Dort befinden sich das Atemzentrum und die Vertebralarterien, die das Kleinhirn, die Seh- und Hörzentren, den Hirnstamm, das Innenohr und den hinteren Teil des Hippocampus (Teil des Gehirns, der für Gedächtnis und Lernen zuständig ist) versorgen. Die obere Halswirbelsäule stellt die beweglichste und gleichzeitig eine extrem sensible Region des menschlichen Organismus dar. Hier werden motorische Abläufe der Kopf-, Rumpf-, Extremitäten-, Augen-, Kau-, Schlund-, Kehlkopf- und Zungenmuskulatur koordiniert [5].

Da der Hals eine so sensible Stelle des Körpers ist, kann sich im Prinzip jeder noch so kleine Unfall auf das Genick auswirken. Zum Beispiel kann bei einem Sturz die Kopfbewegung so heftig sein, dass sich die Genickgelenke weiter bewegen, als sie es von Natur aus tun sollten. Und das kann zu kleinen oder auch größeren Rissen in den stabilisierenden Flügelbändern am Axis führen und Schäden der übrigen Bänder, der Gelenkknorpel oder Verreißen der umliegenden stabilisierenden Muskulatur auslösen. Dann wird die Halswirbelsäule instabil [6]. Das hat Folgen. Büßen zum Beispiel die stabilisierenden Bänder ihre Festigkeit ein, wird eine übermäßige Bewegung der Wirbel ermöglicht. Bekommt beispielsweise der Dens axis zu viel Spielraum, beginnt er zu „tanzen“, woraus die Bezeichnung des „Dancing Dens“ entstanden ist. Die wichtigen Blutbahnen und Nervenstränge und die benachbarten Regionen des Gehirns können durch unnatürliche Bewegungen der Wirbel gedrückt oder gerieben werden. Dadurch können viele verschiedene Symptome wie beispielsweise Schwindel, Übelkeit, Taubheitsempfindungen oder Sehprobleme auftreten. Durch wiederholtes Gegenstoßen an die Nerven können diese ständig gereizt sein, es kommt zu Entzündungen in dieser Region mit vielen negativen Auswirkungen [7].

Nicht selten entwickeln Menschen mit Schädigungen im Bereich der Kopfgelenke auch eine sekundäre Mitochondriopathie. Im Gegensatz zur primären, also angeborenen Mitochondriopathie handelt es sich bei der sekundären Mitochondriopathie um eine erworbene Form. Die sekundäre mitochondriale Dysfunktion kann beispielsweise sekundär zu nachteiligen Faktoren erworben werden, die oxidativen Stress verursachen. Sie kennen den Begriff „Mitochondrien“ bestimmt noch aus dem Biologieunterricht. Demnach lautet die gängigste Definition: „Mitochondrien – die Kraftwerke unserer Zellen“. Mitochondrien sind kleine, bakterienähnliche Zellorganellen. Jede Zelle enthält zwischen 100 und 2000 solcher Mitochondrien, die in Form von ATP (Adenosintriphosphat) jene Grundenergie liefern, die eine Muskelzelle fähig macht, Kraft zu entwickeln, eine Drüsenzelle befähigt, Hormone herzustellen oder eine Nervenzelle, Informationen weiterzuleiten [8]. Als Energielieferanten sind die Mitochondrien also von enormer Bedeutung für unseren Organismus. Mitochondrien sind aufgrund ihrer Multitasking-Eigenschaften die wichtigsten Organellen in der Zelle. Neben der ATP-Produktion erfüllen Mitochondrien auch andere lebenswichtige Funktionen wie die Erzeugung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), Antioxidantien, Apoptose (programmierter Zelltod geschädigter oder funktionsunfähiger Zellen), Signal- und Hormonwirkungen [9]. Welche Vorgänge lösen nun aber bei einer Instabilität eine Beeinträchtigung der Mitochondrienfunktion aus? Hierzu möchte ich auf folgende Erläuterung verweisen:

Werden die Nerven im Halsbereich häufig durch falsche Reize beeinflusst, werden die Stoffwechselwege beeinträchtigt und Abläufe in Gang gesetzt, die nicht mehr zu stoppen sind. Das wiederholte mechanische Reiben der falsch stehenden Halswirbel an den Nerven kann u.a. auch zu Entzündungen führen. Ein wichtiger Bestandteil einer Entzündungsreaktion ist das Stickstoffmonoxid, auch genannt NO. Wenn durch immer wieder auftretende Reizungen Dauerentzündungen entstehen kommt es auch fortwährend zur Bildung von NO. Befinden sich große Mengen NO im Körper, erhalten die Zellen zu wenig Energie. Das liegt daran, dass viele Enzyme, die für die energieproduzierenden Vorgänge in den Mitochondrien notwendig sind, von NO blockiert werden. Dadurch steht nicht nur zu wenig Energie zur Verfügung, sondern auch der Stoffwechsel in den Mitochondrien läuft völlig falsch. Es kommt zu einer Mitochondrienzerstörung. Diesen Ablauf nennt man Mitochondriopathie [10].

Das bedeutete also, dass es durch die Instabilität im Bereich der Kopfgelenke zu Nervenreizungen kommt, die letztendlich einen chronischen Entzündungsprozess in Gang setzen. Dadurch kommt es zu einer andauernden Bildung von Stickstoffmonoxid und die energieproduzierenden Vorgänge in den Mitochondrien werden gestört. Kurzum, fehlt es dann aufgrund eines „Knacks im Nacken“ fortwährend an Energie.

Funktionsstörungen der Mitochondrien sind von immenser klinischer Bedeutung, da der Hauptenergiebedarf des Körpers durch Mitochondrien gedeckt wird. Energiemangel aufgrund einer Funktionsstörung der mitochondrialen Atmungskette führt zu einem breiten Spektrum klinischer Präsentationen. Obwohl jedes Organ betroffen sein kann, leiden Organe mit hohem Energiebedarf wie Gehirn, Herz, Augen, Muskeln, Magen-Darm-Trakt am meisten und produzieren unterschiedliche klinische Symptome [11].

In Abgrenzung zu der Kopfgelenksinstabilität, die dieser Ratgeber behandelt, soll eine rheumatoide Arthritis am kraniozervikalen Übergang nicht unerwähnt bleiben. Die rheumatoide Arthritis ist eine Autoimmunkrankheit und kann auch die Halswirbelsäule befallen und hier zu strukturellen Veränderungen bis hin zu einer Instabilität führen. Ihre Ursache ist nicht abschließend geklärt und verschiedene auslösende Faktoren sowie genetische Faktoren werden ihr zugesprochen. Es gibt medikamentöse Therapieoptionen; in schweren Fällen erfolgt eine operative Stabilisierung der betroffenen Abschnitte [12, 13].

Eine Kopfgelenksinstabilität – oft auch Genickinstabilität genannt – ist eine komplexe Angelegenheit. Alleine schon aufgrund chronischer Reizungen von Hirnnerven kann es zu einem wahren Symptomregenbogen kommen, der von den meisten Ärzten kaum einem klaren Krankheitsbild zuzuordnen ist. Es scheint, als müsse der Patient mindestens 3-4 unterschiedliche Krankheiten haben, so vielfältig sind die Beschwerden. Welche Wege man am besten einschlägt, um dennoch ohne große Umwege zu einer eindeutigen Diagnose zu gelangen, versucht ein späteres Kapitel aufzuzeigen. Aber werfen wir zunächst einen Blick auf die Symptome und Auslöser.

Symptomregenbogen

Hat man eine Genickinstabilität, kommt man zumeist nicht mit dem einen, einfach zu benennenden Symptom aus. Es entwickelt sich fast immer eine ganze Liste an Symptomen. Diese Liste wirkt auf den neutralen Zuhörer wenig schlüssig und ziemlich zusammenhangslos. Wer würde bei Sätzen wie „Ich muss nachts ständig zur Toilette“ oder „Ich habe Schwierigkeiten, Abstände richtig einzuschätzen“, an die Halswirbelsäule denken?

In einem Fachaufsatz habe ich folgende Ausführungen gefunden: „Durch die vielfältigen muskulären, neuronalen und funktionellen Verknüpfungen der HWS zum Kauapparat, durch Projektionen in den Hirnstamm, durch die Head’schen Zonen, die schmerzbestimmende Gammaschleife des Rückenmarkes („spinales Gedächtnis”) können bunte klinische Bilder bei Störungen der HWS auftreten. Leitsymptome sind dabei Schmerz (mit Projektionen in das Ohr, die Kiefergelenksregion, den Hinterkopf u. a.), Unsicherheitsgefühl, Globusgefühl (Fremdkörpergefühl im Hals) und Störungen der Sensorik (Hören und Sehen)“ [14]. Das trifft es eigentlich schon ganz gut - wobei ich „Head’sche Zone“ erst einmal nachschlagen musste (so werden Hautbezirke bezeichnet, die mittels Nerven eine Verbindung zu bestimmten Organen haben) [15] - allerdings müsste man die Liste der Leitsymptome noch erweitern.

Auch der von mir sehr bewunderte Orthopäde und Sportmediziner Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt hat sich zur Besonderheit der Wirbelsäule geäußert: „Oft kann ich die Wirbelsäule als den Ursprungsort des Leidens ausmachen. Denn sie ist nicht nur eine wichtige Schaltzentrale, sondern auch einer der größten Schwachpunkte des menschlichen Körpers. Hier finde ich gereizte, entzündete oder gar eingeklemmte Nerven infolge einer Fehlstellung eines Wirbels, deren Auswirkung sich zum Beispiel erst einen halben Meter entfernt bemerkbar macht. Ich stoße auf blockierte Wirbel, die keine Rückenschmerzen, sondern Fußschmerzen verursachen.“ [16]. Die obere Halswirbelsäule als spezieller Bestandteil der Wirbelsäule ist dabei ganz besonders geeignet, vielfältige Symptome zu erzeugen. Hierzu eine weitere Aussage von Dr. Müller-Wohlfahrt: „Eine immer größere Bedeutung in meiner Sprechstunde erlangt auch die Beratung und Behandlung bei Kopfschmerzen, Migräne, Drehschwindel sowie Tinnitus, deren Ursprung oft in Schäden oder Störungen im Bereich der oberen Halswirbelsäule begründet liegen.“ [17].

Bevor ich hier im Detail auf die von Betroffenen genannten Beschwerden eingehe, ist es mir wichtig zu betonen, dass nicht jeder Mensch mit einer Genickinstabilität automatisch alle diese Beschwerden hat. Die nachfolgenden Erläuterungen sind nicht als absolut oder alternativlos zu verstehen. Wie bei jeder Krankheit, gibt es auch bei Instabilitäten leichte, mittlere und schwerere Verläufe. Bei einer sog. Mikroinstabilität werden Sie mit weniger stark ausgeprägten Beschwerden zu tun haben, als in Fällen von Bandrupturen. Manches bleibt irreversibel, anderes kann durch gezielte Therapiemethoden verbessert werden. Die individuelle körperliche Verfassung, genetische Faktoren oder frühere Verletzungen: Vieles kann Einfluss auf Ihre Symptome haben. Wenn Sie noch ganz zu Beginn Ihrer Reise durch das Labyrinth der instabilen Kopfgelenke stehen, ist es sicher hilfreich, wenn Sie erkennen, dass Sie mit Ihren merkwürdigen Symptomkombinationen nicht alleine sind. Als Laie fehlt mir leider die medizinische Expertise, um alle Gründe und Zusammenhänge (anatomisch, biochemisch usw.) für das Auftreten verschiedenster und oftmals unlogisch erscheinender Beschwerden zu erklären. Um diese Lücke auszufüllen, finden Sie am Ende des Buches eine Auflistung von – meiner Auffassung nach – gut verständlichen Fachbüchern.

Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen Symptomen, die durch eine Genickinstabilität unmittelbar verursacht werden und Krankheiten, die aufgrund der Instabilität zusätzlich erworben wurden. Bei der Auswertung der Fragebogen zu diesen Punkten wurde jedoch deutlich, dass die Grenzen verschwimmen, sodass eine klare Aufteilung manchmal schwer ist. Da dieses Kapitel in erster Linie als Orientierungshilfe dienen soll, um die eigenen Beschwerden einzuordnen, habe ich mich dafür entschieden, keine Unterscheidung zwischen „unmittelbar verursacht“ und „zusätzlich erworben“ zu machen, sondern stattdessen eine Einteilung nach Oberbegriffen vorzunehmen.

Die Aufteilung der Beschwerden – eingeteilt nach Oberbegriffen – sieht wie folgt aus:

Schauen wir uns nachfolgend an, was unter den Nennungen im Einzelnen zu verstehen ist.

KOPF/HALS BETREFFEND

Im Grunde wenig verwunderlich entfällt auf die Angabe „Beschwerden, die den Kopf bzw. den Hals betreffen“ der größte Anteil. Was verbirgt sich im Detail dahinter? Schmerzen im Nacken und in der Halswirbelsäule sowie Kopfschmerzen werden am häufigsten genannt. Es wird insbesondere von Hinterkopfschmerzen berichtet, die als brennend oder ziehend bezeichnet werden oder auch von dumpfen Schmerzen am Hinterkopf. Zum Teil wird in diesem Zusammenhang geschildert, dass der Hinterkopf und die Halswirbelsäule sehr berührungsempfindlich sind. Vereinzelt wird auch eine Migräne entwickelt. Gleich nach Schmerzen steht das Problem der „Benommenheit im Kopf“ an zweiter Stelle. Ich kenne diesen Zustand leider auch sehr gut. Um irgendwie zu erklären, wie sich das anfühlt, habe ich es mit einem Dampfkessel mit Überdruck verglichen. Auf einem der Fragebogen habe ich eine andere, in meinen Augen auch sehr passende Definition gefunden: „So, als wäre ich nicht anwesend.“ Genauso fühlt es sich an. Der Kopf ist irgendwie „zu“ und man hat das Gefühl, nicht richtig da zu sein. Hierzu passen auch die Symptome „Kopfdruck“, „Druckgefühl auf den Halswirbeln“ und „Rauschen im Kopf“. Manche schildern auch ein Klammergefühl um die Augen oder um die Stirn, so als wäre man in einem Schraubstock eingeklemmt.

Rotations- und Bewegungseinschränkungen von Kopf und Hals werden benannt ebenso wie das Gefühl, den Kopf nicht halten zu können. Ein gesunder Mensch – also zumindest gesund in Bezug auf die Halswirbelsäule – wird sich wahrscheinlich keine Gedanken darüber machen, ob er seinen Kopf halten kann. Das geschieht einfach automatisch. Für Menschen mit instabilen Kopfgelenken hat diese Frage durchaus mehr Gewicht, im sprichwörtlichen und auch im tatsächlichen Sinne. Das führt dazu, dass man manchmal Liegepausen zur Entlastung einbauen muss. Typisch ist auch ein Knirschen bei Kopfbewegungen. In etwa so, als wenn bei einem Schraubglas Sand zwischen Deckel und Glas wäre.

UNVERTRÄGLICHKEITEN/INTOLERANZEN

Etwas überraschend entfällt der zweitgrößte Anteil der Nennungen von Symptomen auf die Kategorie Unverträglichkeiten und Intoleranzen. Obwohl ich mich hier auch selbst wiederfinde, hat es mich doch erstaunt, dass diese Kategorie einen so großen Stellenwert einnimmt. Das zeigt, wie wichtig es ist, so viele Betroffene wie möglich zu hören, um eine statistisch sinnvolle Aussage treffen zu können. Hier haben wir es überwiegend mit den vorab bereits erwähnten aufgrund der Instabilität „erworbenen Problemen“ zu tun. Wärme-, Licht- und Lärmintoleranz, sowie eine Geruchsempfindlichkeit oder Überempfindlichkeiten gegen äußere Reize werden vermehrt genannt. Es fällt auf, dass Zucker nicht mehr vertragen wird, ebenso Alkohol; einige entwickeln Laktose- und/oder Fruktoseunverträglichkeiten, Glutenunverträglichkeiten oder auch eine Histaminintoleranz. Insgesamt wird eine allgemeine Zunahme von Allergien berichtet. Vereinzelt haben Betroffene auch mit MCS (Multiple Chemikaliensensibilität) zu kämpfen. Im Detail möchte ich kurz etwas zur Histaminintoleranz sagen. Mit diesem Problem hatte ich auch eine ganze Weile zu kämpfen. Mein Körper reagierte plötzlich auf den Verzehr von Erdbeeren, Spinat, Himbeeren, gereiftem Käse und noch einer Reihe anderer Dinge mit sehr unangenehmen Juckreiz. Ein Phänomen, das ich vorher nicht kannte, denn mit Allergien hatte ich nie zu tun. Was ich besonders hinterhältig fand, war das zeitversetzte Auftreten des Juckreizes. Manchmal dauerte es Stunden nach dem Verzehr eines „falschen“ Lebensmittels, bis das Jucken einsetzte. Das machte es anfangs sehr schwer, überhaupt den Grund zu finden. In den Griff bekommen habe ich es über die Sanierung meines Darms. Seit dieser mit ausreichend Probiotika und Präbiotika [18] versorgt ist, ist die Intoleranz praktisch verschwunden. Menschen mit instabiler Halswirbelsäule entwickeln häufig auch Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt, wie Sie später noch lesen werden. Auch die vermehrte Ausschüttung von Histamin aufgrund gereizter Hirnnerven ist hier ein Thema. Heute achte ich nur noch darauf, nicht mehrere Tage hintereinander besonders histaminhaltige Lebensmittel zu essen und grundsätzlich überwiegend frische Produkte zu verzehren. Sollte ich eine Untersuchung mit Kontrastmittel benötigen, würde ich trotz aller Besserung, vorsichtshalber darauf hinweisen, dass ich empfindlich auf Histamin reagieren könnte, da einiges dafür spricht, dass die Hauptursache der Kontrastmittelunverträglichkeit eine Histaminfreisetzung ist bzw. die Unmöglichkeit, dass freigesetzte Histamin abzubauen [19].

AUGEN

Beschwerden, die die Augen betreffen, haben wahrscheinlich fast jeden Menschen mit instabilen Kopfgelenken bereits ein- bis zweimal zum Augenarzt geführt, um dann dort zu erfahren, dass eigentlich alles in Ordnung ist. Eine Genickinstabilität macht sehr diffuse Augenprobleme. Das liegt insbesondere daran, dass die Anzahl der Mitochondrien in den Zellen der Netzhaut im Innenauge sehr hoch ist. Die Netzhaut hat die höchste Mitochondriendichte aller Körperorgane [20]. Die Augen brauchen daher sehr viel Energie, und wenn dort die Mitochondrien blockiert sind, kann sich dies mittel- und langfristig schwerwiegend auf das Sehvermögen auswirken. Zudem sind die Augen über den Sehnerv organisch auf kurzem Wege mit dem Gehirn (welches ebenfalls sehr viel Energie benötigt) und dem Hirnnervensystem verbunden. Energiedefizite im Gehirn und dessen Folgen sind so oft auch sehr direkt am Auge spürbar [21].

Die häufigsten Angaben zum Oberbegriff „Augen“ sind Sehstörungen, Augenflimmern, sog. Mouches Volantes (fliegende Mücken), schwankende Sehstärke (was es nicht leicht macht, eine Brille anzupassen), schnelle Ermüdung der Augen und geschwollene Augen. Hinzu kommt bei vielen Betroffenen eine erworbene Lichtempfindlichkeit. Das kann ich absolut bestätigen. Auch von mir gibt es fast nur Fotos mit Sonnenbrille. Probleme gibt es des Öfteren auch dabei, Abstände richtig einzuschätzen und/oder Geschwindigkeiten. Aus eigener Erfahrung möchte ich noch ergänzen, dass es zum Teil schwierig ist, ein Bild scharf zu stellen; manchmal erscheinen graue Flecken im Bild. Es kann zu einer Verschlechterung des Sehens in der Dämmerung und bei Nacht kommen, was dazu führt, dass man eine Unsicherheit entwickelt, sich im Dunkeln zu bewegen. Das sind vertebragene – also von der Wirbelsäule ausgehende - Augenstörungen, die einen tatsächlich beeinträchtigen, die aber nur schwierig zu beschreiben und wahrscheinlich von Augenärzten noch schwieriger festzustellen sind.

Darüber hinaus gibt es allerdings auch Symptome bzw. Erkrankungen, die sich eindeutig augenärztlich feststellen lassen. Dazu zählen das Sicca-Syndrom (trockene Augen), Gesichtsfeldausfälle und auch Glaukom. Der Begriff Glaukom (Grüner Star) fasst verschiedene Augenerkrankungen zusammen, bei denen