Recoup! Filmfinanzierung – Filmverwertung - Eckhard Wendling - E-Book

Recoup! Filmfinanzierung – Filmverwertung E-Book

Eckhard Wendling

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Beschreibung

Die deutsche Film- und TV-Branche hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Neue Technologien und Workflows wie die digitale Kamera- und Kinoprojektionstechnik konnten sich nahezu flächendeckend durchSetzen. Aber nicht nur die Produktionstechnik hat sich evolutionär weiterentwickelt. Auch alternative Abspielplattformen, Pay-TV- wie Pay-per-View-Optionen und Streaming-Media-Angebote haben den Markt unabänderlich verwandelt und erweitert. Die Anforderungen hinsichtlich Qualität, Technik und Budget an die Filme, die zu wirtschaftlichen Erfolgen werden sollen, stiegen dabei stetig. Um unter diesen gewandelten Herausforderungen langfristig bestehen zu können, müssen die innovativen Technologien in der Filmherstellung ihre Ergänzung in neuen, dem Wandel angepassten Finanzierungs- und Erlösmodellen finden. Eckhard Wendling zeigt aktuelle Möglichkeiten und Entwicklungen auf, unter denen Film- und TV-Produktionen heute und in Zukunft finanzierbar werden. Dazu sollte sich die Vielzahl neuer Verwertungsmöglichkeiten mit einem Mehr an geschäftlichem Risiko und einem Mehr an Erfolgsbeteiligung verbinden. Die klassische Wertschöpfungskette aus Kinopremiere, DVD-Veröffentlichung und Fernsehausstrahlung wird in komplexere Wertschöpfungsnetzwerke überführt, die den Produzenten stärken und finanziell unabhängiger werden lassen. Gefordert sind hier Produzenten, die diese Herausforderungen annehmen, um sich so letztlich sowohl von der öffentlichen Hand, der Filmförderung wie auch von den großen Sendern zu emanzipieren.

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[3]Eckhard Wendling

Recoup! Filmfinanzierung – Filmverwertung

Grundlagen und Beispiele

UVK Verlagsgesellschaft mbH

[4]Praxis Film

Band 66

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISSN 1617-951X

ISBN (eBook) 978-3-86496-081-9

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Dieses eBook ist zitierfähig. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass die Seitenangaben der Druckausgabe des Titels in den Text integriert wurden. Sie finden diese in eckigen Klammern dort, wo die jeweilige Druckseite beginnt. Die Position kann in Einzelfällen inmitten eines Wortes liegen, wenn der Seitenumbruch in der gedruckten Ausgabe ebenfalls genau an dieser Stelle liegt. Es handelt sich dabei nicht um einen Fehler.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2012

Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz

Einbandfoto: © Istockphoto Inc.

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz

Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98

www.uvk.de

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

[5]Inhalt

Über dieses Buch

Über den Autor

1.  Einleitung

2.  Die historische Entwicklung der Film- und Fernsehindustrie

2.1. Die Anfänge einer neuen Industrie

2.1.1   In Deutschland

2.1.2   In Frankreich

2.1.3   In den USA

2.2. Das Kino erobert die Welt – ein neuer Markt entsteht

2.3  Erste Monopole entstehen

2.4  Die US-Entertainmentindustrie beherrscht den Weltmarkt

2.4.1   Die amerikanischen Majors

2.4.2   »Big Five« und »Little Three«, US-Majors und die Independents in Zahlen

2.5  Die europäische Filmindustrie: Überleben am Subventionst(r)opf?

3.  Wirtschaftliche Grundlagen der Filmproduktion

3.1  Filme als Ware und Kulturgut

3.2  Deutscher, europäischer und internationaler Kinofilm

3.3  Kinofilme und ihr Budget

3.4  Chancen und Risiken der Filmherstellung für Kino und TV

Andrea Schütte: Produzieren in Deutschland für die große Kinoleinwand

3.5  Filmfinanzierung als Projektfinanzierung

3.5.1   Unterschiede in der Finanzierung zwischen Kino- und TV-Filmen

3.5.2   Budgets für das deutsche Fernsehprogramm

3.6  Finanzierungsformen von TV-Produktionen

Egon Mayer: Blick zurück in die Zukunft

3.6.1   Finanzierung im Rahmen einer Auftragsproduktion für einen Fernsehfilm oder ein TV-Movie

3.6.2   TV-Auftragsproduktion für einen TV-Sender gegen Festpreis

Dagmar Rosenbauer: Der Auftragsproduzent in der TV-Branche

Robin Honcken: Die Rolle der Studiobetriebe in der deutschen Kino- und TV-Landschaft

3.7  Überblick über die Finanzierungsquellen bei Kinoproduktionen

3.8  Finanzierung im Rahmen von Koproduktionen

[6]3.8.1   TV-Auftragsproduktion mit Koproduktionsanteil

3.8.2   Koproduktion im Rahmen einer deutschen Kinofilmproduktion mit Fördermitteln und Senderbeteiligung

Christoph E. Palmer: »Terms of Trade« zwischen Sendern und Produzenten

3.9  Finanzierungsplan eines Kinofilms mit TV-Beteiligung

3.10 Weitere Finanzierungsbestandteile

3.11 Finanzierung unter Einbeziehung eines Completion Bonds.

3.12 Die Rolle der Banken

3.12.1   »Gap Financing« und »Shortfall Guarantee«

Bernhard Stampfer: Finanzierung von Spielfilmen in Europa

3.13 Finanzierung mit Mitteln der nationalen und internationalen Filmförderungsinstitutionen

3.14 Finanzierung mittels bilateraler Koproduktionsabkommen

4.  Auswertungsfenster und Verwerter, die Rolle von Filmvertrieb und Filmverleih

4.1  Wertschöpfungsketten, »Windowing« und »Versioning«

4.1.1   Auswertungsfenster für deutsche Kinofilme

4.1.2   Übersicht über die verschiedenen Erlöse in der Verwertungskette

4.2  Filmvertrieb – die Rechtelizensierung weltweit

4.2.1   Die Finanzierung mit Mitteln von Vertriebsgarantien

4.2.2   Erlösbeteiligungen und Ausschüttungsproblematik von Vertriebserlösen an die Produzenten

4.3  Kinoverleih

4.3.1   Verleihvorkosten und Erlösverteilung zwischen Produzent und Verleiher

4.3.2   Modelle der Erlösverteilung im Kinoverleih

4.4  Erlösstrukturen im Verwertungsbereich der DVD oder der Blu-ray-DVD

4.5  Erlösmodelle im Bereich von Video-on-Demand und Pay-per-View

Christian Springer: Über die Finanzierung von Kinofilmen …

5.  Aufbau des Kalkulationsschemas eines Kinofilms

5.1  Zuschlagssätze, Handlungskosten und Überschreitungsreserve bei Kinoproduktionen mit Geldern der Filmförderungen

5.2  Producer’s Fee, Regiegage und die Gagensätze der Herstellungsleitung

5.3  Finanzierung und Kalkulationsschema bei Werbefilm und Musikvideo

5.3.1   Markup bei Werbefilmproduktionen

6.  Hauptquellen der Kinofilmfinanzierung, die Filmförderung

6.1  Verschiedene Formen der deutschen Fördersubventionen im Film

6.1.1   Filmförderung mit Referenzmitteln der Filmförderungsanstalt des Bundes

6.2  Finanzierungsplan und Erlösrückführung einer deutschen Kinoproduktion

[7]6.3  Nicht rückzahlbare Zuschüsse der Filmförderinstitutionen

6.4  Europäische Filmförderungsprogramme

6.4.1   Eurimages – European Cinema Support Fund

6.4.2   MEDIA-Programm 2007

6.5  Nationale Filmförderung in Deutschland, Federal Funds

6.6  Die Filmförderungsanstalt der Bundesrepublik Deutschland (FFA)

6.7  Der Beauftragte für Kultur und Medien (BKM)

6.7.1   Förderbereiche des BKM

6.7.2   Grundsätze der Förderentscheidungen

6.7.3   Der Deutsche Filmpreis

6.8  Der Deutsche Filmförderfond (DFFF)

6.8.1   Übersicht über die Aktivitäten des Deutschen Filmförderfonds (DFFF)

6.8.2   Der Ablauf einer DFFF-Förderung

6.8.3   Vergabekriterien

6.8.4   Zuwendungsfähige Herstellungskosten und Auszahlungsmodalitäten

6.9  Das Finanzierungsprogramm der KfW

6.10 Kuratorium junger deutscher Film und weitere nationale Förderinstitutionen

6.11 Regionale Filmförderung in der Bundesrepublik Deutschland

6.11.1   Film- und Medienstiftung NRW

6.11.2   Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF Bayern)

6.11.3   Filmboard Berlin-Brandenburg (Medienboard)

6.11.4   Filmförderung Baden-Württemberg (MFG Filmförderung)

Dieter Krauss: Filmkultur und Filmwirtschaft als Förderkriterien

6.11.5   Mitteldeutsche Medienförderung (MDM), die Film- und Medienförderung von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen

6.11.6   Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH)

6.11.7   nordmedia, die Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen

6.12 Regionalförderungen mit besonderen Schwerpunkten

6.12.1   Filmbüro Bremen

6.12.2   Hessische Filmförderung

6.12.3   HessenInvestFilm

6.12.4   Filmbüro Nordrhein-Westfalen

6.12.5   Kulturelle Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern

6.12.6   Saarland Medien

7.  Klassische und neue, alternative Formen der Finanzierung im TV

7.1  Der deutsche Fernsehmarkt

7.1.1   Pay-TV-Programme

7.1.2   IP-TV

7.1.3   Mobiles TV – ein neues Medium entsteht

7.1.4   Die TV-Werbung im öffentlich-rechtlichen und im privaten Fernsehen

7.2  Merchandising und Licensing

[8]7.3  Sonderrolle der Computergames und die Lizenzvergaben an Computerspiel-Hersteller

7.4  Product Placement

7.4.1   Branded Entertainment

7.4.2   Image Placement

7.5  Zuschaueranrufe als Finanzierungsquelle, telefonische Mehrwertdienste

8.  Neue Formen der Finanzierung: Fundraising, Crowdfunding und Seed Money

8.1  Was ist Crowdfunding?

8.2  Crowdsourcing und Crowdfunding

8.3  Wer engagiert sich im Crowdfunding?

8.4  Welche Summe wird über Crowdfunding finanzierbar?

8.5  Crowdfunding versus Fundraising

8.6  Wie arbeitet das Crowdfunding?

Sarah Nörenberg und Karl-Martin Pold: »Sie nannten ihn Spencer«

8.7  Wie erfolgen die Zahlungen beim Crowdfunding?

8.8  Crowdfunding ohne Plattform

Carl-A. Fechner: »Die 4. Revolution – Energy Autonomy«

8.9. Crowdinvesting, Mikroinvesting und Private Equity

8.10 Seed Money – Unternehmensfinanzierung durch die Möglichkeiten des Schwarms

8.11 Wohin geht die Entwicklung beim Crowdfunding?

9.  Fazit und Ausblick

Anhang

A.   Eigenschaftstest für Spielfilme, Formblatt des DFFF

B.   Adressen

Übersicht über die bundesweiten Filmförderungen

Übersicht über die regionalen Filmförderungen durch die Bundesländer

Adressen von Angeboten des BKM und des Bundes

Verbände / Organisationen

Verleiher

C.   Filminfos und Magazine

D.   Festivals national

E.   Aus- und Weiterbildung

F.   Archive

G.   Internationale Statistik

H.   Literaturangaben und sonstige Quellen

I.    Sonstige Internetlinks

J.    Glossar

[9]Über dieses Buch

»Wenn ein Film Erfolg hat, ist er ein Geschäft. Wenn er keinen Erfolg hat, ist er Kunst.«

Carlo Ponti1 sowie Jean Gabin2 zugeschrieben

Seit nunmehr fast 120 Jahren gehen die Menschen ins Kino. Immer wieder fesseln spannende Stoffe die Zuschauer und sorgen dabei für volle Kassen bei Kinobetreibern, Verleihern und Filmproduzenten. Häufig aber werden auch Filme produziert, die schlimmstenfalls zum finanziellen Desaster für alle Beteiligten führen. Die Anforderungen an erfolgreiche Filme steigen stetig, die handwerkliche Qualität eines Kino- oder Fernsehfilms kostet viel Geld: Technische Innovationen, aber auch die Kosten für Autoren, Regisseure, Schauspieler verschlingen große Budgets. Da sich die Marktchancen der Ware Film im Vorhinein aber bis zuletzt nur schwer bestimmen lassen, und immer nur einige wenige echte Box-Office-Erfolge vielen Flops gegenüberstehen können, ist eine Filmherstellung für den Produzenten immer ein Hochrisikogeschäft. Viele Unwägbarkeiten und selbst Zufälle können darüber entscheiden, ob ein Film letztlich zum Erfolg wird. Umso wichtiger wird daher eine klare Struktur bei der vorausgehenden Finanzierung. Innovative Technologien in der Filmherstellung müssen ihre Ergänzung finden in innovativen Finanzierungs- und Erlösmodellen. Diese überführt die klassische Wertschöpfungskette aus Kinopremiere, DVD-Veröffentlichung und Fernseherstausstrahlung in komplexe Wertschöpfungsnetzwerke, welche dabei helfen, die Filmfinanzierung sowie das spätere Recoupment (den eigentlichen Mittelrückfluss aus der Verwertung) abzusichern.

Dieses Buch möchte die Vielzahl an aktuellen Möglichkeiten und Entwicklungen aufzeigen, mit denen Film- und TV-Produktionen sich finanzieren und recoupen3 lassen. Denn erst durch die Bündelung verschiedener Finanzierungselemente lässt sich die unbedingt notwendige Liquidität für die Produktionsphase sicherstellen. Mit der späteren breiten Ausdifferenzierung der Verwertungsketten wird die Refinanzierung, das Recoupement, zu einer wichtigen Säule für Folgeprojekte und so letztlich zur Unternehmensabsicherung.

[10]Am Ende der aktuellen Entwicklungen von neuen Formen und Wegen in der Finanzierung und Refinanzierung wird sich vielleicht auch die deutsche Produktionslandschaft verändert haben. Mit Glück entsteht ein neuer Produzententyp, der sich vom TV-Auftragsproduzenten klassischer Prägung deutlich unterscheiden wird. Dieser Filmproduzent wird dann verstärkt zu einem Unternehmertyp eher amerikanischer Prägung, mit weit größerem unternehmerischen Risiko und größerer Verantwortung, aber auch mit weit größeren Gewinnaussichten für seine Arbeit.

Eine Vielzahl an zusätzlichen Statements von Branchenkennern im Buch, welche die Produzentensicht, die Sendersicht und die Sicht der Förderinstitutionen aufzeigen, sollen zusätzliche Einblicke geben in ein komplexes Themenfeld rund um die Finanzierung und die Verwertung von Filmen in Deutschland.

Über den Autor

Prof. Eckhard Wendling beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Produktion von Filmen und von Bewegtbildcontent. Nach dem Studium an der Universität der Künste Berlin, arbeitete er einige Jahre als Kundenberater in internationalen Werbeagenturen in Düsseldorf und Hamburg. Anschließend war er als Produktionsleiter und Producer in Film- und TV-Produktionsfirmen in Hamburg, Berlin und London tätig. Seit 2001 unterrichtet Eckhard Wendling an der Hochschule der Medien Stuttgart in der Fakultät »Electronic Media« die Bereiche Produktionsmanagement und Produktionsplanung für elektronische Medien. Seit 2003 leitet er außerdem das Steinbeistransferzentrum für Audiovisuelle Medien an der Hochschule der Medien und geht weiterhin leidenschaftlich gerne ins Kino.

[11]1. Einleitung

Film ist ein Ausdruck der Kunst – in Deutschland oft das Resultat der künstlerischen Interessen und der Fantasie seines Schöpfers. Die Filmkunst wird mal gehätschelt, vielfach öffentlich gefördert, manchmal von Politik und Zuschauern kritisiert, aber selten ganz grundsätzlich in Frage gestellt. Jeder Zuschauer kann sich über Filme leicht seine ganz eigene Meinung bilden, sie beurteilen und kritisieren. Jeder kann Argumente dafür finden, ob er einen Film gut oder schlecht, spannend oder langweilig, notwendig oder überflüssig findet. Filme sind so ein bedeutender Teil unserer Kultur und unserer Identität.

Film ist nur möglich durch Technik, die Filmherstellung ist ein Handwerk. Die Herstellung von Filmen ist höchst komplex, meistens sehr aufwendig und häufig sehr teuer. Benötigt werden, zumindest wenn man eine gewisse Qualität auf der Leinwand oder im TV anstrebt, qualifizierte Mitarbeiter, eine ausreichende Vorbereitungs- und Produktionszeit sowie die notwendigen Finanz- und Sachressourcen.

Film ist aber auch ein Handelsgut, eine Ware die es zu verkaufen gilt. Filme für Kino und TV sind Produkte einer hochspezialisierten Dienstleistungsbranche und ein Wirtschaftsfaktor. Die Filmproduktion steht so neben anderen Dienstleistungen in der Informations- und Unterhaltungsbranche. Die Finanzierung dieser Ware ist aufwendig, der Erfolg schwer vorauszusehen.

Historisch bedingt ist in Europa der Blick auf Film vor allem auf dessen künstlerische Bedeutung gerichtet, erst in zweiter Linie begreift man Film auch als Wirtschaftsgut, als Ware. Speziell in Deutschland wurde diese Sichtweise lange zu einem gesellschaftspolitischen Kampf zwischen Kultur und Kommerz, fast schon zwischen Gut und Böse, instrumentalisiert. Nach dem stark auf wirtschaftlichen Notwendigkeiten basierenden Wiederaufbau der deutschen Filmwirtschaft in den 1950er- und 60er-Jahren entwickelte sich im allgemeinen gesellschaftlichen Aufbruch der 68er-Zeit eine bis in die heutige Zeit hineinreichende Bewertung des deutschen Films als wichtige Kulturtechnik und als unverzichtbares identitätsstiftendes Kulturgut. Der deutsche Film war so immer auch Zankapfel politischer Intensionen und Bewertungen. Generell wurde Filmherstellung aber immer als unabdingbar, als gesellschaftlich wünschenswert4 und somit zwangsläufig als von [12]der öffentlichen Hand förderungswürdiges Gut eingestuft. In den Jahrzehnten nach dem Aufbruch durch den »Neuen Deutschen Film« fanden sich die klischeehaften Rollen auch bald klar verteilt: auf der einen Seite die Regisseure, Filmemacher, die Autorenfilmer, Autoren und Kreativen, immer und einzig ihrer heren Kunst verantwortlich, – und auf der anderen Seite die geldgierigen Produzenten, die willkürlich entscheidenden Fördergremien, die auf den Werbemarkt zielenden TV-Sender, die bremsenden Medienanwälte und quengeligen Finanziers, jederzeit bereit, die Filmkunst dem schnöden Mammon des Kassenerfolgs oder der leidigen Zuschauerquote zu opfern.

Hollywood hatte von Beginn an ein völlig anderes, nämlich ein ganz und gar kapitalistisches Selbstverständnis vom Filmgeschäft. Hier wurde der Begriff »Film« durch den Begriff »Movie« ersetzt: Dem europäischen Begriff der »Filmkunst«, des künstlerischen »Cinémas«, setzten die Studios und Produzenten Hollywoods von Anfang an den Begriff des »Moviebusiness« gegenüber. Das Moviebusiness ist somit in den USA ein ganz gewöhnliches weiteres Dienstleistungsangebot in einer breit aufgestellten US-Entertainmentindustrie. Die Filmindustrie ist hier ein fester Teil der »TIME Branche«, bestehend aus Telekommunikation, Information, Medien und Entertainment. Während in Deutschland immer aufs Neue versucht wurde, die Filmbranche mit innovativen direkten und indirekten Staatshilfen zu unterstützen, ist diese Art der Filmförderung durch die öffentliche Hand in den USA nahezu unbekannt. Findet ein Filmprojekt dort keine Finanzierung auf dem freien Markt, d.h. glaubt kein Investor an den Erfolg der Filmidee und somit an ein rentables Geschäft, dann findet die Filmherstellung erst gar nicht statt.

Anders in Deutschland: Wo wäre der deutsche Film, speziell der aufwendig für das Kino produzierte Stoff, ohne die staatlichen Hilfen und Förderungen und ohne die Beteiligungen durch die TV-Sender? Der deutsche Kinofilm hätte in der jetzigen Form wohl schon vor Jahrzehnten als Wirtschafts- wie Kulturgut aufgehört zu existieren. Deutsche Filme sind Teil einer riesigen Subventionspolitik, zusammen mit all den anderen förderungswürdigen kulturellen Angeboten, z.B. den deutschen Opernhäusern, Theatern, Tanztheatern, Orchestern, Museen, aber auch der Steinkohleförderung, der Stilllegungsprämie für Weinberge, der Schlachtprämie für Milchkühe, der Tabakanbausubvention, den alternativen Energieproduzenten und so weiter. So lobenswert diese staatlichen Fördermaßnahmen im Einzelfall auch sind, so haben langlaufende Subventionssysteme allerdings auch immer einen ungewollten Effekt auf die jeweilige Branche, die sie eigentlich stärken und [13]entwickeln helfen sollen. So verändern sie nach einigen Jahren der Gewöhnung offenbar zwangsläufig die Mentalität bei den Subventionsbegünstigten: Die gewohnten Zahlungen sind schon bald keine mehr mit Dankbarkeit entgegengenommene Unterstützung und Hilfe bei eigenen nimmerwährenden Anstrengungen, sondern sie werden als »mein gutes Recht« angesehen und ganz selbstverständlich bei allen Aktivitäten mehr oder minder fest von vorneherein mit eingeplant. Statt Mut und Vitalität, statt aggressivem Unternehmergeist, wird so über Jahrzehnte auch die Anpassung an die Kriterien der Subventionsvergabe und die Risikominimierung des eigenen Engagements gefördert.

Die Erstellung von Film, oder moderner ausgedrückt von »Bewegtbildcontent« ist dabei aber weiterhin ein riskantes Unterfangen. Der Erfolg ist nicht sicher, immer schwer kalkulierbar und stark abhängig von Unwägbarkeiten in der Finanzierung, Produktion und Verwertung. Beim Kinofilm fangen diese Unwägbarkeiten bei der Jahreszeit an, in der gedreht werden soll, gehen übers aktuelle Tageswetter beim Kinostart, über die gleichzeitig anlaufenden Konkurrenzfilme, bis hin zu dem schwer einschätzbaren, gerade angesagten Publikumsgeschmack. Diesem Publikumsgeschmack muss der Filmproduzent dann aber immer auch schon die paar Jahre voraus sein, die von der Ideenfindung über die Produktion bis zur Fertigstellung eines neuen Filmes vergehen. Jahre, in denen der Publikumsgeschmack unkontrolliert um das eine oder andere Interesse und Thema mäandert, und in denen Konkurrenten das Filmthema vielleicht früher entdecken konnten und als Erste den Markt bedienen.

Mittlerweile hat sich die deutsche Filmbranche verändert. Die ehemals jungen Autorenfilmer des Oberhausener Manifests, die Schöpfer des »Neuen Deutschen Filmes« wurden abgelöst von jungen Pragmatikern, die sich aufmachen, um wieder neue Wege zu gehen: neue Wege in der Themenwahl, der Umsetzung, der Finanzierung und der Verwertung. Die mittlerweile tradierten Ausbildungswege an den deutschen Filmhochschulen und Akademien haben hoch professionellen Nachwuchs an die Entscheidungspositionen in den Filmfirmen gebracht. Nachwuchs, der daran interessiert ist, auch tragfähige Alternativen zu den klassischen Filmfinanzierungen zu entwickeln. Lange Zeit sah man hauptsächlich nur eine Seite der Medaille: Der Produzent suchte nach einer tragfähigen Finanzierung für die Filmidee, um sogleich mit der Filmherstellung, der Produktion beginnen zu können. Finanzierung hieß dabei meist die Bündelung von Filmförderungsgeldern und Senderengagement. Fokussiert wurden häufig alle Anstrengungen allein auf die Chance der Realisierung. Nachrangig wurde dabei die Verwertung, bzw. die Generierung und die Verteilung der Erlösströme aus der Verwertung, das [14]sogenannte Recoupement gesehen. Man wollte den Filmtraum realisieren, sobald die Herstellung gesichtert werden konnte; weiterführende Gedanken, die optimale umfassende Verwertung betreffend, rückten dabei in den Hintergrund. Doch nur eine erfolgreiche Verwertung garantiert das Weiterbestehen des Unternehmens und sichert durch Gewinne die Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft. So gilt es, zukünftig stärker den Blick auf die Erlösströme in der Verwertungphase zu lenken. Die Tätigkeit der Produzenten wird sich verändern müssen, um die einseitige Abhängigkeit von Filmförderung und öffentlich-rechtlichen Sendern zu lösen, und um so langfristig eine wirtschaftlich eigenständigere, weniger von öffentlichen Mitteln abhängige, selbstbewusste Filmbranche entstehen zu lassen. Im Moment gibt es durch die technologische Entwicklung, durch Digitalisierung und Konvergenz der Medien, eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten, denen gemein ist, dass sie höheres geschäftliches Risiko mit einem Mehr an Erfolgsbeteiligung kompensieren. Kein leichter Weg liegt vor den Produzenten, aber vielleicht der einzige langfristig Erfolg Versprechende.

[15]2. Die historische Entwicklung der Film- und Fernsehindustrie

»Filmemachen ist eines der größten und sichersten Geschäfte, die ich kenne. Aber nur für das Finanzamt!«

Carlo Ponti

Die Filmindustrie sowie die sich später daraus entwickelte TV-Industrie nahmen in Europa eine völlig andere Entwicklung als in den USA. Auch die Möglichkeiten und Instrumente der Finanzierung unterscheiden sich elementar voneinander. Die Film- und TV-Branche in Europa und speziell in Deutschland ist charakterisiert durch kleinteilige Unternehmen. Die TV-Programmerstellung erfolgt meist in Rahmen von TV-Auftragsproduktionen. Hierbei gibt ein Sender ein TV-Programm bei einem Produzenten in Auftrag, der zum Festpreis für den beauftragenden Sender produziert. Der Sender kann anschließend das Programm nach seinen speziellen Wünschen und Bedürfnissen universell auswerten, ohne den Auftragsproduzenten dabei weitergehend am Auswertungserlös beteiligen zu müssen. Das US-Film- und TV-Produzentensystem orientiert sich demgegenüber schon immer weitaus stärker an einem unternehmerisch tätigen Produzenten, der mit großem Eigenanteil produziert und die spätere Verwertung kontrolliert. Möglich ist diese Stärke im US-System durch größere Eigenkapitalanteile sowie durch ein weitaus weiteres Verwertungsnetz. Genannt sein sollen hier der englischsprachige Weltmarkt und das spezifische US-System der Zweitverwertung von TVProgrammen im Rahmen der Syndications.5 Diese unterschiedlichen Ausrichtungen werden maßgeblich auch die Zukunft der Entwicklungen beeinflussen, in der Art und Weise wie die innovativen neuen Technologien und Verwertungsformen den Markt verändern werden. In Deutschland liegt der durchschnittliche Anteil nationaler Produktionen bei ca. 20 bis 25 Prozent der gezeigten Filme. Der prozentuale Anteil am gesamten Kinokartenverkauf steigt immer dann erheblich an, wenn einer der »üblichen« Blockbustern von Bully Herbig, Otto oder Til Schweiger ins Kino kommt, und er fällt anschließend genauso zuverlässig wieder ab.6[16]Kritsch betrachtet bleibt der Anteil deutscher Produktionen so über die Jahre betrachtet erstaunlich konstant. Trotz langer intensiver Bemühungen der Politik, der Kultur- und der Wirtschaftsförderung im Filmmetier.

2.1    Die Anfänge einer neuen Industrie

Um 1895 gab es, mehr oder weniger gleichzeitig, in verschiedenen Ländern die ersten Vorführungen von Filmen, von »Bewegten Bildern« oder »Lebenden Photographien«.

2.1.1   In Deutschland

Im deutschen Kaiserreich erfolgte bereits am 1. November 1895 die weltweit erste öffentliche Vorführung vor einem Eintritt zahlenden Publikum im Berliner »Wintergarten«, einem bekannten Varietétheater. Die Gebrüder Max und Emil Skladanowsky experimentierten lange mit Nebelbildern und wandten sich später den fotografischen Bildsequenzen zu. 1894/85 entwickelten sich dazu die notwendigen Techniken. Die erste Kamera nannten sie »Kurbelkiste I«. Dem zur Projektion erforderlichen Vorführapparat gaben die Gebrüder Skladanowsky – wie später ihrer gesamten Kinotechnik – den Namen »das Bioskop«. Sie überließen schließlich die gesamte von ihnen entwickelte Filmtechnik für eine einmalige Gage von 2.500 Reichsmark dem Varieté Wintergarten zur weiteren Auswertung. Das aus kleinen Kurzfilmchen bestehende Programm der Skladanowskys bildete hier die Schlussnummer im üblichen Varietéprogramm, und wurde stets vor einem mit 1.500 Zuschauern ausverkauftem Haus gespielt. Zur breiteren Marktetablierung wie auch zur technischen Weiterentwicklung fehlte den Skladanowskys allerdings das nötige Kapital und vielleicht auch das kaufmännische Geschick. Max Skladanowsky stieg schon 1897 wieder aus dem Geschäft der bewegten Bilder aus. Letztlich war das Bioskop mit seiner noch nicht ausgereiften Technik ein kurzlebiges technologisches Vergnügen, das den rasanten Entwicklungen seiner Konkurrenztechnologien in Frankreich und den USA nicht standhalten konnte.

2.1.2   In Frankreich

Hier entwickelten die Gebrüder Auguste Lumière und Louis Lumière7 ein dem Bioskop der Skladanowskys technisch überlegenes System, das sie erst Projekt »Domitor«, später dann »Cinématographe« nannten. Beim Bioskop wurden die [17]Filmstreifen (in der Frühphase waren diese noch aus Papier) mit Schusterösen aus Messing perforiert und verbunden. Außerdem rasselten bei den Skladanowskys jeweils zwei schwierig zu synchronisierende Filmstreifen mit umständlich abwechselnd montierten Phasenbildern durch den Projektor. Die Gebrüder Lumiére hingegen setzten schon von Anfang an auf Perforationslöcher und eine einstreifige Filmvorführung, bei der die Transportphase der Bilder durch eine Dunkelblende kaschiert wurde. Der Cinématographe, und dies war ein weiteres Erfolgskriterium, diente dabei sowohl zur Aufnahme, als auch zum Kopieren und Vorführen der Filme. Der Cinématographe hatte damit schon alle auch heute noch bestehenden grundsätzlichen technischen Elemente, insbesondere auch einen Vorläufer des u.a. von dem Deutschen Oskar Messter 1896 weiterentwickelten Malteserkreuzes. Dieser raffinierte Greifermechanismus bewirkt, dass das Filmband zur Belichtung, bzw. zur Projektion, kurzzeitig vollkommen stillsteht. Außerdem sorgt eine drehbare Blende dafür, dass während des periodischen Weitertransports des Filmstreifens kein Licht auf Filmfenster fallen kann. Die Familie der Gebrüder Lumière in Lyon waren sehr erfolgreiche und auch kapitalstarke Fotoindustrielle, deren Erfolg maßgeblich auf einem Patent für Gelatine-Trockenplatten basierte. 1894 stellten die Lumière-Brüder bereits 15 Millionen Fotoplatten im Jahr her und hatten über 300 Arbeiter angestellt. Im März 1895 zeigten die Lumières vor einem geschlossenen Publikum in der »Société d’Encouragement à l’Industrie Nationale« eine Fassung des noch heute existenten Films »Sortie de l’usine – Arbeiter verlassen die Lumière-Werke«. Am 28. Dezember 1895 fand dann im »Salon Indien«, einem Saal des Grand Café am Boulevard des Capucines in Paris die erste öffentliche Filmvorführung Frankreichs vor zahlendem Publikum statt. Gezeigt wurden mit dem Cinématographe selbst gedrehte Kurzfilme, darunter dokumentarische Bilder, damals »Aktualitäten« genannt, wie z.B. »Ankunft eines Zuges in La Ciotat«, das Luststück »Der begossene Gärtner« und das vielleicht erste Filmsujet mit einem Vorführtrick »Abbruch einer Mauer«. Die Sequenz, die den Abbruch einer Mauer zeigt, wurde dem verblüfften Publikum hier sowohl vor- wie rückwärts laufend präsentiert. Die Vorführungen der Lumières waren sehr schnell sehr erfolgreich. Jeden Tag wurden von 10 Uhr am Morgen bis 23 Uhr am Abend 18 Vorstellungen gegeben. Diese dauerten jeweils um die 20 Minuten. Der Umsatz dieses absoluten Kuriosums seiner Zeit stieg rasch an. Der Eintrittspreis für ein Programm von sechs bis sieben kurzen Sujets betrug bereits ein Franc. Bei der ersten Vorführung kamen so insgesamt 35 Francs zusammen, innerhalb kürzester Zeit konnte man aber schon 2.500 Francs Umsatz pro Tag erwarten.8 Neben der [18]Herstellung und dem Verkauf ihrer kombinierten Kamera/Projektoren legten die Lumières schon früh eine eigene Bibliothek ihrer selbstgedrehten Filme an, die sie zusammen mit der Technik an Jahrmarktschausteller oder Varietébühnen verkauften. Letztlich erkannten sie so den Wert eines Filmstocks. Trotz des Erfolges verkauften die Brüder Lumière bereits im Jahre 1905 ihre Technologie und die Patente an Charles Pathé, der die Industrialisierung des Kinos in Frankreich vorantrieb. Vielleicht hielten die Lumières das Kino dann doch nur, wie viele ihrer Zeitgenossen, für eine kurzlebige Attraktion für die niederen Stände. Ein großer Fehler, wie sich gezeigt hat!

2.1.3   In den USA

Bereits am 17. Oktober 1888 hatte Thomas Alva Edison in den USA ein Patent auf die Idee für ein Gerät angemeldet, welches »dieselben Dienste für das Auge leisten solle, wie der Phonograph für das Ohr«.9 Auf diesem Patent basierend präsentierte im Jahr 1893 Thomas Edison das von seinem Chefingenieur William Laurie Dickson maßgeblich entwickelte »Kinetoskop«. Die Besonderheit des auf der Weltausstellung in Chicago vorgestellten Vorführgerätes war die individuelle Vorführung einer Filmsequenz für jeweils nur eine zuschauende Person. Die Filmvorführung war für Edison eher als ein persönliches Erlebnis gedacht worden.10 Das Kinetoskop war als eine Art Guckkasten konstruiert, in dem der Zuschauer nach Einwurf eines Pennys eine kurze Filmsequenz in einem Schacht vor seinen Augen ablaufen sah, die nur er alleine genießen konnte. Edison war der Ansicht, dass es finanziell weitaus lohnender wäre, viele seiner Guckkasten-Apparate in den Penny Arcades aufzustellen als nur wenige Projektoren zu verkaufen, die das Bild auf eine Leinwand werfen und es so einem größeren Publikum zugänglich machen sollten. Zu dieser Meinung trug maßgeblich bei, dass der Film oder die Filmkunst zu dieser Zeit nicht urheberrechtlich schutzfähig war. Jeder konnte Kopien kaufen, jeder konnte davon selbst wieder Kopien ziehen und diese dann verkaufen oder den Film einfach selbst nachdrehen, wenn die gekaufte Kopie nach und nach unbrauchbar wurde.11 Die Kinetoscope verbreiteten sich anfänglich schnell und sehr [19]erfolgreich in den USA, zumindest bis der Cinématographe der Lumières, der in Abgrenzung zum Kinetoskop als Guckkasten auch »Kinétoscope de projection« oder »Leinwandkino« genannt wurde, den großen Teich überwand. Interessant ist dabei, dass Edison anfänglich von der Einzelvorführung aus ökonomischer Sicht ebenfalls voll überzeugt war, besonders da er hier die Geräte, die Filme und die Einnahmen durch Zuschauer direkt und unmittelbar unter Kontrolle hatte. Die eigenständige Entwicklung eines Projektors, um die Filme vor größeren Zuschauerzahlen zu präsentieren, schien ihm nicht allzu dringend. Doch als ihm im November 1895 die jungen Erfinder Jenkins und Armat ein Gerät zum Kauf anboten, das sie »Vitaskop« nannten und welches die Projektion seiner Kinetoskopfilme ermöglichte, griff Edison zu. Am 23. April 1896 veranstaltete man mit dem von Edison »Kinetograph« genannten Projektors die erste öffentliche Filmvorführung Amerikas in New York City. Kaum wurde das Kino bekannt und ein Erfolg, begannen in den USA schon die ersten Verteilungs- und Verdrängungsmechanismen zu greifen. So wurden den Lumières in den USA die Verletzung der Einfuhr-Zollbestimmungen vorgeworfen. Schon 1898 verzichteten die Lumières daher auf die eigene Filmproduktion. Sie konzentrierten sich von nun an allein auf die Herstellung von Kameras und Projektoren.

Die Erfindung der Kinematographie am Ende des 19. Jahrhunderts war ein Resultat der durch die wachsende Industrialisierung beeinflussten gesellschaftlichen Prozesse. Kino war anfangs die billigste Unterhaltung für die Industriearbeiter, also für die proletarischen Massen, und damit Unterhaltung für eine rasant wachsende Unterschicht in den boomenden Städten. Das Filmgeschäft war von Anfang an den harten marktwirtschaftlichen Regeln unterworfen, den Zwängen der Ökonomie. Schnell zeichnete sich ab, dass die Geschäftemacher, die Industriellen, die Spekulanten hier die Innovatoren wurden und eben nicht die Erfinder, die Künstler und die Kreativen. Kino war so weit mehr Entertainment und Geschäft als hehre Kunstform.

[20]2.2    Das Kino12 erobert die Welt – ein neuer Markt entsteht

»Thou shalt not bore! Ich habe zehn Gebote. Die ersten neun heißen: Du sollst nicht langweilen! Das zehnte lautet: Du sollst das Recht auf den Endschnitt haben!«13

Billy Wilder14

In den Varietétheatern nahm die Attraktion der dort gezeigten, qualitativ oft minderwertigen Filme nach relativ kurzer Zeit bereits deutlich ab. Die Kinovorführungen verlagerten sich daraufhin auf Jahrmärkte und in Wandertheater. Aber selbst hier war der Markt bald abgeschöpft und Sättigungstendenzen zeichneten sich ab. Die Neuheit der Kinobilder hatte sich abgenutzt. Etwa ab 1905/1906 wurden die oft schäbigen Wanderkinos von provisorisch, häufig in alten Ladenlokalen eingerichteten Kinos abgelöst. In den USA wurden sie »Nickelodeons« genannt – nach dem damals üblichen Eintrittspreis von einem Nickel, von 5 Cent. In Deutschland nannte man diese ersten festen Kinostätten auch »Kintöppe«. Etwa ab 1910 bis weit nach dem Ersten Weltkrieg entstanden durch die Elektrifizierung der Städte viele Lichtspielhäuser als feste Einrichtungen. Diese Kinostätten wurden innerhalb kurzer Zeit immer größer und luxuriöser, ihr Besuch wurde zu einem »Event«, lange bevor man den Begriff benutzte. So sollte endlich auch das zahlungskräftige Publikum, die gebildeteren Schichten für das Kino gewonnen werden. Weltweit entstanden die ersten Kinopaläste, der Größte, die »cathedral of the motion picture« war das Roxy-Theatre, das 1927 in New York eröffnet wurde. Der große Saal des Roxy hatte bereits 6.200 Zuschauerplätze. Dem Präsentationsraum angemessen mussten auch die Filme qualitativ mithalten können. Den gebildeten anspruchsvollen Zuschauern musste man jetzt eine ganz andere Art von Unterhaltung bieten. Längere Filme, epische dramatische Stoffe, aufwendigere Kulissen und bessere Schauspieler sollten dieser Aufgabe gerecht werden. Das Kino war so bereits Ende der Zwanzigerjahre, zumindest in den USA, zu einem festen Bestandteil der rasant wachendenden Entertainmentindustrie geworden.

Aber auch in Deutschland setzte sich schon ab etwa 1907 der Filmverleih als Bindeglied zwischen Produktion und Kinobetreiber durch. Die Kinoverleiher belieferten die rasch anwachsende Zahl der Kinos mit »frischer« Filmware und sorgten so für eine dauerhafte Überlebensfähigkeit der ortsfesten Lichtspieltheater. [21]Die stetige Weiterentwicklung der Filmtheater in Größe und Form, welche bis weit nach dem Ersten Weltkrieg andauerte, spiegelte den wirtschaftlichen Wachstum der Branche und deren konkurrenzlose Stellung innerhalb der Vergnügungsindustrie wider. Das Kino hatte sich endgültig durchgesetzt. Den Produzenten, die über Patente für die Geräteherstellung oder über eine Filmbibliothek verfügten, winkten in kürzester Zeit hohe Profite bei kleinem Kapitaleinsatz.

In Frankreich entstand 1896 das erste europäische Filmatelier durch George Meliès, der als erster Filmkünstler bald für viele Filmproduzenten in verschiedenen Ländern zum Vorbild wurde. Meliès, ein Zauber- und Varietékünstler, verstand es ganz intuitiv, die Grenzen der damaligen Filmtechnik für seine Zauberkunst auszuloten. Seine ersten Filmtricks aus Doppelbelichtung, Zeitraffung, Zeitdehnung, Richtungsumkehr, durch Colorationen, Maskierungen sind bis heute überraschend und poetische Beispiele für die neuen Gestaltungsmöglichkeiten dieses sich entwickelnden und langsam vom Theater emanzipierenden Mediums. George Meliès ist ein gutes Beispiel für die universelle Rolle, die der Filmproduzent damals einnahm: Er war Finanzier, Produzent, Autor, Regisseur, Darsteller und oft auch noch Vorführer seiner Werke in Personalunion. Aber nach einer kurzen, vielleicht zehnjährigen Periode, in denen die Pioniere, Erfinder und Idealisten das Kino bestimmten, folgten schon bald die Finanziers und Geschäftsleute, die im Kino hauptsächlich das ökonomische Potenzial sahen.

Auf der Weltausstellung, die 1900 in Paris stattfand, spielte das Kino eine zentrale Rolle. Viele zukünftige kinematografische Entwicklungen, wie Farbfilm, Tonfilm und Breitwandprojektion wurden bereits vorgeführt. Doch die Zeit war noch nicht reif für Innovationen dieser Art, und es begann zunächst die industrielle Auswertung der ursprünglichen Erfindung. So erlangten in Frankreich Charles Pathé und Leon Gaumont mit ihren Firmen eine Vormachtstellung, mit der sie bis zum Ersten Weltkrieg den gesamten Weltmarkt mit ihren Filmen dominierten. Selbst in den USA war vor 1914 der Anteil allein der Pathéfilme doppelt so groß wie der der US-Filme. Pathé wurde durch eine robuste Geschäftspolitik gegenüber Konkurrenten sowie durch die Einbindung finanzkräftige Partner fast zum Monopolist, der von den Apparaten der Kinotechnik über die Filme bis hin zum Vertrieb und Verleih alles in einer Hand kontrollierte. Zu Anfang produzierten Pathé wie auch Gaumont ihre kurzen Filme/Sujets allerdings noch gezielt für ein Jahrmarktspublikum. Die Firma Pathé Frères war die erste Filmfirma, die ihre Filme schließlich vermietete und somit den Filmverleih begründete. Die Massenproduktion von Filmen führte innerhalb kurzer Zeit dazu, dass die Filmindustrie [22]ein bedeutender Arbeitgeber für eine Vielzahl von Berufen wurde, von Musikern, Bühnenarbeitern, usw. bis hin zu Beschäftigten anderer Branchen, die indirekt durch den Film profitierten, wie die optische oder die chemische Zuliefererindustrie.

2.3    Erste Monopole entstehen

In den USA versuchte Edison seit 1897, über eine Vielzahl von Gerichtsverfahren gegen seine Konkurrenten, die wiederum mit Gegenklagen antworteten, vorzugehen, um eine unangefochtene Monopolstellung zu erreichen. Letztlich verklagte jeder jeden. Insgesamt sollen in diesem Patent-Krieg ab 1897 über 500 Prozesse geführt worden sein. Als Ausweg bot sich dann 1908 die Gründung der MPPC (Motion Picture Patents Company) an, eines Trusts, an dem sich die neun größten Filmproduzenten (Edison, Biograph, Vitagraph und andere US-Firmen sowie auch die Agenturen der französischen Firmen Pathé Frères und Meliès) zusammenschlossen. Der Rohfilmproduzent George Eastman verpflichtete sich, ausschließlich an die MPPC zu liefern, und der Vertrieb der Filme lief im Wesentlichen über die General Film Company, ein Zusammenschluss der Verleihfirmen, mit der umfassende Monopolvereinbarungen getroffen worden waren.

Die Firmen konnten sich so über ihre Patentrechte und die Mitgliedschaft in der MPPC rasch eine marktbeherrschende Stellung verschaffen. Edison verstand es aber zudem, mit der MPPC auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Produzenten zu erschweren. Der Anteil der Europäer fiel so von über 70 Prozent Marktanteil im Jahr 1907 innerhalb eines Jahres auf unter 35 Prozent, und erholte sich seitdem nie mehr. 1912 schlossen sich schließlich mehrere Filmstudios, die ausnahmslos keine Mitglieder der MPPC waren, zu einer Anti-Trust-Initiative zusammen. Diese Studios weigerten sich fortan, an die MPPC Lizenzgebühren für Filmmaterial, Projektoren oder Kameras zu zahlen. Die Begründer dieser »Independents» waren oftmals Einwanderer aus den verschiedensten Berufssparten, die in der riskanten Kinobranche ihr Glück suchten. Unter ihnen fanden sich einige der später mächtigsten Leute der amerikanischen Filmindustrie, wie z.B. Carl Laemmle, der spätere Mitbegründer der I.M.P. (Independent Motion Picture Company), aus der – noch später – die Universal Studios (Universal Film Manufacturing Company) hervorgehen sollte. Außerdem gehörten zu den Independents der Produzent Adolph Zukor, der Begründer der »Famous Players Lasky« und spätere Direktor der »Paramount Pictures«, sowie die vier Warner-Brüder. Unter anderem wegen des besseren Klimas für Dreharbeiten und der großen Entfernung zur [23]etablierten Filmindustrie an der Ostküste, verlagerten die Unabhängigen ihren Standort von New York nach Kalifornien, es entstand Hollywood. Sie begannen dort mit der Produktion auch längerer, aufwendigerer und besserer Filme, die sich von den oft schludrig produzierten zehn bis zwanzig Minuten kurzen Ein- und Zweiakter der Nickelodeons abgrenzten. Ihr Überleben sicherten die Independents entscheidend durch ihre Kreativität, mehr noch als durch gewonnene Prozesse. Eine weitere Neuerung war die Geburt des Starsystems, das bis heute Hollywood prägt. Auch damit konnten sie sich gegen den Trust durchsetzen, der entgegen dem Publikumsgeschmack weiterhin kurze Filme mit nur einem Akt und weitgehend anonymen Darstellern drehte. Die Monopolstellung und die Macht der MPPC gingen durch nachfolgende Gesetzesinitiativen (Anti-Trust-Gesetze) ab 1917 mehr und mehr verloren. Der Trust wurde nach langwierigen Prozessen als illegal erklärt. Die ökonomische Kraft der bis dahin geschaffenen Fakten, der Einfluss der großen Player, der sich bis dahin durch die Teilnahme an der MPPC entwickeln konnte, blieben aber bis heute weitgehend erhalten. Die Spieler haben sich verändert, haben gewechselt oder sich umbenannt. Die Strukturen der Studiobetriebe sind aber bis heute erstaunlich konsequent bestehen geblieben.

2.4    Die US-Entertainmentindustrie beherrscht den Weltmarkt

»Genau wie die ganze Welt Amerika hasst, hasst ganz Amerika Hollywood. Es gibt das tiefsitzende Vorurteil, dass wir alle windige Typen sind, die 10.000 Dollar die Woche abzocken und keine Steuern bezahlen, dass wir alle die hochgewachsenen Bräute bumsen, draußen und drinnen Pools besitzen, Hauslehrer haben, die unsere Kinder im Bäumeklettern unterrichten, dass wir jeder 16 Bedienstete haben und alle einen Maserati fahren. Ja, das ist alles nur zu wahr. Und wenn Ihr vor Neid platzt!«15

Billy Wilder, 1975

Die US-Filmindustrie, namentlich vertreten von den Majors, den großen sieben Studios, versucht seit den Tagen der Trusts den Heimatmarkt wie den Weltmarkt mit ihren Filmangeboten zu kontrollieren. Es gab immer wieder unterschiedliche Versuche der mächtigen US-Firmen, Monopole zu begründen. Gleichzeitig gab es aber immer auch neue Gegenbewegungen, in denen unabhängige Studios und Produzenten versuchen, ihren Anteil am wachsenden Filmgeschäft zu sichern. Der Aufstieg von Hollywood an der Westküste der USA war ein direktes Resultat der frühen Trust-Marktmacht. Hier an der sonnigen Westküste konnte man, weit [24]weg von New York und von den Trusts und deren Kontrollen unabhängig und billig produzieren. Das milde Klima, die abwechslungsreiche Landschaft, lange und sichere Tageslichtzeiten für Dreharbeiten trugen ihren Teil dazu bei, dass Los Angeles zur US-Filmmetropole und später zur Weltfilmhauptstadt werden konnte. Die Bestrebungen der US-amerikanischen Filmindustrie, die einerseits häufig gegeneinander, aber immer gegen ausländische Konkurrenz gemeinsam agierte, führte 1948 zu einer Entscheidung des Obersten Gerichtshof der USA. Er befand mit dem sogenannten »Paramount Decree« die US-Studios für schuldig, durch monopolistische Praktiken den unabhängigen Studios sowie den ausländischen Produzenten den Zugang zum amerikanischen Markt absichtlich zu erschweren. Auslöser waren Beschränkungen, die es nahezu unmöglich machten, dass unabhängig produzierte Filme einen Verleiher oder eine Kinokette finden konnten, die die Filme auswerten wollten. Produktion, Vertrieb und Verleih sowie die Kinoketten selbst waren in der Hand weniger Player, die den Markt unter sich aufgeteilt hatten. Nach diesem »Paramount Decree« mussten sich die Studios zwar von ihren eigenen Kinoketten trennen. Die Wertschöpfungsketten von der Produktion zur Verwertung sollten so aufgebrochen werden. Den Markt in den USA konnten ausländische Akteure trotzdem kaum mehr erobern. Vielmehr waren die US-Unternehmen nun in der Lage, ihre freiwerdenden Kräfte und das freiwerdende Kapital im Export zu bündeln und so mit den US-Produktionen die europäischen Kinomärkte in England, Frankreich und besonders in Deutschland zu dominieren.

2.4.1   Die amerikanischen Majors

»Wenn einer nicht Regie führen, nicht schreiben, nicht komponieren kann, wenn einer überhaupt nichts kann, dann wird er Produzent.«

Billy Wilder

Die US-amerikanischen Produzenten begannen schon früh, die Wertschöpfungskette ihrer Produkte auszubauen und in einer Hand zu behalten. Der erste Schritt dazu war, dass die Produzenten des Contents diesen selbst verwerteten. Dazu gehörte, dass die Studios sehr früh ihre eigenen Vertriebs- und Verleihtöchter gründeten. Später wurden eigene Kinoketten aufgebaut, in denen die eigenen Filme unter quasi geschützten Bedingungen verwertet werden konnten. Konkurrenzprodukten wurde der Zugang verweigert. Diese vertikale Struktur in allen Stufen der Wertschöpfung ist einer der Grundsteine des immensen Erfolges. Obwohl es nach 1948 durch Gerichtsentscheidungen und Anti-Trust-Gesetze verboten wurde, [25]dass Filmstudios eigene Kinoketten in den USA betreiben, konnten die Studios diese Entwicklung sogar noch nach Europa exportieren, um auch hier die Kinoketten zu betreiben, die ihre eigenen Filme direkt an die Zuschauer brachten.

2.4.2   »Big Five« und »Little Three«, US-Majors und die Independents in Zahlen

Während sich in Europa eine sehr kleinteilige Filmbranche etablieren konnte, wird der US-Markt von wenigen großen Studios, den sogenannten »Majors« beherrscht. Sieben Studios sind bis heute für einen Großteil des Filmausstoßes verantwortlich und erzielen um die 90 Prozent der Kasseneinnahmen in den USA und Canada. Das Erfolgsrezept der Studios bestand in der auffälligen vertikalen Integration aller Phasen der Filmherstellung und Verwertung in einer geschlossenen Wertschöpfungskette. Die Studios des Hollywood-Systems waren so spätestens ab 1920 omnipotente Oligopole, die die Entwicklung von Filmstoffen, die Filmproduktion in großen Studiohallenkomplexen, die Verleihstrukturen und die Kinovorführketten ungehindert bis in die 40er-Jahre kontrollierten. Unterstützt wurde diese rasche Entwicklung um die Vorherrschaft der US-Majors durch die europäische Filmwirtschaft, die geschwächt durch die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges in den USA ein Vakuum zurückließ, das die Majors rasch mit eigenen Filmen und Marktmacht füllten. Die Majors gehören auch heute noch größtenteils zu den Studios der Gründergeneration. Obwohl sie ihre Markennamen behalten konnten, sind sie aber alle mittlerweile meist Teil von riesigen Medienoder Mischkonzernen.

Fünf große Firmen, die Majors oder »Big Five«, und drei kleinere Unternehmen, die »Little Three«, gehörten zu dem Oligopol der US-Filmindustrie. Die Majors waren »Paramount Pictures«, »20th Century Fox«, »Metro-Goldwyn-Mayer« (MGM), »Warner Bros.« sowie »Radio Keith Orpheum« (später RKO Pictures). Die »Big Five« kontrollierten den US-Markt rasch mit den größten Filmen und durch die schönsten und größten Filmpaläste. Sie bestritten so ab den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts über 70 Prozent der gesamten Einnahmen an den Kinokassen der USA. Nur in den größten amerikanischen Städten konkurrierten dabei die »Big Five« direkt miteinander. Ansonsten war das Land in Bezirke mit Gebietsschutz aufgeteilt, in denen nur jeweils eine Gesellschaft Kinos unterhielt. Ein von einem unabhängigen Studio produzierter Film, d.h. von einem Studio, das keinen direkten Zugang zu diesen großen Kinos erhielt, konnte niemals ein großer Publikumserfolg werden. Zusätzlich zu den »Big Five« waren die »Columbia Pictures«, »Universal Pictures« und die von den Schauspielern Mary Pickford, [26]Charlie Chaplin und Douglas Fairbanks gegründeteten »United Artists«, als die »Little Three« an dem Machtoligopol beteiligt. Diese großen, dann letztlich acht Studios sorgten in den 1930er- und 1940er-Jahren, dem »Golden Age« des USFilmstudiosystem, für 90 Prozent der amerikanischen Filmproduktionen und versorgten mindestens 60 Prozent des gesamten Weltmarktes mit Kinofilmen.

Über die Jahre haben sich die Anteile der Marktbeherrschung allerdings auch schon mal verschoben. Neue Player sind erschienen, oder die alten Firmen wurden aufgekauft und in Unterhaltungskonglomeraten eingebracht. Sie änderten teils ihre Tätigkeitsschwerpunkte oder ihre Firmennamen. Die ursprüngliche Struktur im Generellen blieb aber unangetastet. Selbst die sogenannten Independents, die jungen Wilden wie Francis Ford Coppola, Steven Spielberg, George Lucas und viele andere, die erstmals in den 70er-, verstärkt dann in den 80er-Jahren mit neuen dramaturgischen Stilen und einem geänderten Selbstverständnis des Regisseurs das »New Hollywood« begründeten, sind Teil des Systems geblieben. Mit ihren neu gegründeten Studios und Produktionsfirmen, wie der »Lucas Film Ltd.« oder der »American Zoetrope« von F.F. Coppola wurden sie über die Jahre wieder assoziierte Subunternehmen, Labels oder Kreativschmieden der altvorderen Majors. Produzenten und Vertriebe wie »Lionsgate«, »Summit Entertainment«,« The Weinstein Company«, oder »DreamWorks SKG« (Spielberg, Katzenbach, Geffen), oder die Animationsschmiede »Pixar« nutzen so die Vertriebsnetze und die Logistik der Großen. Dreamworks- oder Pixarproduktionen werden so z.B. über »Touchstone« vertrieben, ein Unternehmen der Walt-Disney-Gruppe.

Die großen sechs, oder wenn man Dreamworks SKG dazuzählen will, sieben Majors bilden heute oftmals noch zu einem Großteil das finanzielle Rückgrat und die Vertriebe der meist von den Independents konzeptionierten und produzierten Filmprodukte. Die Aktivitäten haben sich so von der Stoffentwicklung und der Projektentwicklung hin zu den Bereichen Finanzierung, Vertrieb, Marketing und Merchandising verlagert.

Marktanteile der modernen »Big Six« 2010 auf dem US-amerikanischen Heimatmarkt, jeweils mit den Tochterunternehmen

Warner Brothers:

20th Century Fox:

Paramount:

Sony/Columbia:

Disney:

Universal:

20,1%

13,8% zzgl. Fox Searchlight 2,3%

13,7% zzgl. Paramount Vantage 0,6%

13,4% zzgl. Sony Classics: 0,5% zzgl. Screen Gems: 0,3%

11,4% zzgl. Miramax: 0,5%

8,5% zzgl. Focus Features: 1,5%

[27]