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Sie wissen genau, wann Sie Ihre nächste Rede halten müssen? Weil Sie den Termin mit Sorge entgegensehen? Wenn auch Sie den Satz "Ich muss eine Rede halten" noch nicht in "Ich darf eine Rede halten" umgewandelt haben, dann brauchen Sie dieses Buch! Hier geht es nicht um mühsames Antrainieren von Gestik, Gedächtnisakrobatik oder anderen Schauspielereien. Nein, auf amüsante und verständliche Art vermittelt hier ein Praktiker alles, was Sie brauchen; ein klein wenig Technik, ein paar simple Tricks, etwas Psychologie. Sie werden sehen - schon Ihre nächste Rede wird nicht nur ein Erfolg, sondern ein stressfreies Vergnügen, das Sie süchtig machen wird.
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Seitenzahl: 270
Veröffentlichungsjahr: 2003
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
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Nachdruck 2012 © 2003 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096
© 2003 by Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter, Frankfurt/Wien
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Umschlaggestaltung: Redline GmbH Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN Print 978-3-86881-420-0 ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-110-2
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unterwww.redline-verlag.deBeachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.muenchner-verlagsgruppe.de
Einführung
Katze, Kerze, Feuerwehr Was dieses Buch bewirken soll
Wir hier oben, ihr da unten Warum Sie Reden halten sollten
Steuerung-C und Steuerung-V Warum Sie ein Manuskript verwenden sollten
Vor der Rede
Geboren in Castrop-Rauxel Über Tagungsprogramme und Vortragstitel
Stummfilm und Pantomime Der Veranstalter und Sie
Obst und Gemüse Die Tücken des Tagungsorts
Das Orakel von Bergneustadt Der Tagungsleiter und die Anmoderation
Willkommen im Club Die Sekunden „davor“
Die Rede
Horror vacui Über den Inhalt und die Form
Datum, Stempel, Unterschrift Der Redeanfang und seine Funktion
Endlich zu Ende und alle sind froh Über den Schluss und den Applaus
Nächster Halt: Hauptbahnhof Der gegliederte Hauptteil
Sozusagen absolut Die vermeidbaren Fallen
Aufbewahren Sie kaltes Blut Ironie, Satire und Sarkasmus
Die Schule des Lebens Wie Sie Ihre Rede witzig machen
Trennt seinen Abfall nicht Die Tücken von Powerpoint
Sagen Sie mal „Butterbrot“ Von Sprechlesen und Kopfsenkwinkeln
Nach der Rede
Von Sokrates und Sherlock Holmes Die Diskussion nach Ihrer Rede
Mitten im Weg Die Kontakte nach dem Vortrag
Ganz rechts außen Die erfolgreiche Podiumsdiskussion
Schlummerndes Kapital Die Presse und das Internet
Sorge dich nicht, rede Ein Fazit
Checklisten
Es regnete in Strömen. Das ist für Cannes in dieser Jahreszeit ungewöhnlich, und so hatte niemand einen Schirm dabei. Ich lief quer über die Croisette, auf der die Autos ungebremst durch Pfützen brausten. Leicht durchnässt erreichte ich das „Palais des Festivals“. Mein Ziel war das „Auditorium A“, in dem in ein paar Minuten die Eröffnungsrede zur größten Fernsehmesse Europas stattfinden sollte. Die Rolltreppe zur Konferenzebene war schon gut gefüllt und vor dem Vortragssaal hatten sich lange Schlangen gebildet. Ich glaubte zunächst, dass der Raum noch nicht geöffnet sei und stahl mich an den Wartenden vorbei. Doch an der Tür war Schluss. „Der Saal ist überfüllt“, wiederholten zwei junge Hostessen immer wieder, „gehen Sie in einen der anderen Säle. Dort wird die Rede per Video übertragen.“ Ich wurde unruhig. Wegen dieser Veranstaltung war ich extra an die Côte d’Azur gereist; sollte man mir jetzt den Zutritt verweigern? Ich ärgerte mich darüber, dass ich nach dem Essen noch auf das Soufflé gewartet hatte. Das Soufflé dauert dreißig Minuten und genau die fehlten mir jetzt. Aber dann besann ich mich auf die entscheidenden französischen Vokabeln, die ich brauchte, um doch noch Einlass zu erhalten. „Ecoutez“, sagte ich freundlich, „hören Sie“, und: „Ich verstehe ja, dass der Saal voll ist. Aber Sie sollten mich reinlassen. Ich bin der Redner.“
So eine Geschichte vergisst man im Leben nie. Ich werde sie wohl eines Tages noch meinen Enkeln erzählen. „Damals“, werde ich sagen, „damals hat der Opa eine Rede vor zwölfhundert Leuten gehalten. Die wurde in vier Säle übertragen. Und auf der Straße haben mir die Menschen am Abend zugerufen: „Das war eine tolle Rede!“ Ja, das werde ich erzählen und dabei in meiner Strickjacke verstohlen nach einem Taschentuch suchen. Nun habe ich auf absehbare Zeit noch gar keine Enkel, die ich mit dieser Geschichte belästigen könnte. Deswegen habe ich mir Sie als Opfer ausgesucht.
Früher war ich eher schüchtern. In der Schule kam es vor, dass ich bei einer Frage puterrot wurde, verlegen zur Decke schaute und keinen ganzen Satz zustande bekam. Das waren beste Voraussetzungen, um für das Amt des Schülersprechers zu kandidieren. Nachdem ich die Wahl gewonnen hatte, besuchte ich in einer Bildungsstätte das Seminar „Rhetorik für Schülervertreter“. Die Dozenten machten geduldig Übungen mit mir. Sie gaben mir Stichworte wie „Katze, Kerze, Feuerwehr“, die ich notieren und zur Grundlage spontaner Vorträge machen sollte. Nach einer Woche intensiven Trainings hatte ich zweihundert Karteikarten und fünf Filzstifte verbraucht. Meine Lehrer hatten ganze Arbeit geleistet. Statt puterrot wurde ich nun kreidebleich. Statt der Decke hatte ich nun die Vorhänge im Visier. Und statt halber Sätze artikulierte ich nun solche ohne Ende. Die Dozenten meinten, ich müsse wohl noch mal wiederkommen. Später habe ich noch viele Rhetorik-Seminare besucht, Karteikarten beschrieben und Filzstifte verbraucht. Doch reden gelernt habe ich damit nicht.
Anders wurde es, als ich während meines Studiums das Angebot erhielt, Assistent im Deutschen Bundestag zu werden. Mein Arbeitgeber war der Abgeordnete Professor Hans Hugo Klein. Er hatte die Angewohnheit, jedes Wort einer Rede sorgfältig zu formulieren und mit bewundernswerter Ruhe in kleinen Buchstaben handschriftlich zu Papier zu bringen. Das zahlte sich aus; Kleins Vorträge wurden sehr geschätzt und er bekam eine Redeanfrage nach der anderen. Ich wurde zuerst mit Recherchen und Zulieferungen, nach kurzer Zeit aber schon mit dem Verfassen ganzer Vorträge beauftragt. Manchmal sprang ich sogar für meinen Chef ein und so bekam ich nach und nach Übung darin, Reden zu halten. So sprach ich dann zur Befruchtung außerhalb des Mutterleibs und zum Abbau von Manganknollen vom Tiefseeboden. Eigentlich war es mir egal, worüber ich sprach – die Faszination, im Mittelpunkt zu stehen, hatte mich voll erfasst. Daher wurde mir auch meine Tätigkeit als Ghostwriter langsam lästig. Eines Tages sollte ich für Helmut Kohl eine Rede zur Pressepolitik schreiben. Ich entledigte mich dieser Aufgabe, indem ich sie, ohne Kohls Wissen, an den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger delegierte. Letzterer war für diese Ehre so dankbar, dass er mir später einen Job anbot. Ersterer hat es nie rausgekriegt.
Zu jener Zeit endete meine Errötungs- und Erbleichungsphase. Denn bei Klein hatte ich gelernt, nicht so sehr auf rhetorische Finessen wie Gestik, Mimik und scheinbare Spontaneität beim Vortrag zu achten, sondern den Schwerpunkt auf die exakte Vorbereitung des Auftritts zu legen, inhaltlich, textlich und organisatorisch. Auch Klein war nicht von Geburt an ein charismatischer Redner, sondern „nur“ ein fleißiger Formulierer, der genau wusste, wovon er sprach, die Macht der Worte konsequent nutzte und nichts dem Zufall überließ. Selten war er im ersten Anlauf zufrieden; oft waren seine Notizen mit Zahlen übersät, mit denen er die Reihenfolge seiner Gedanken optimierte und seine Sekretärin angesichts der fliegenklecksgroßen Regieanweisungen zur Verzweiflung trieb. Er war noch nicht einmal besonders eloquent oder witzig; er schrieb seine Reden einfach nur so, dass jeder alles verstand und den Saal mit der Erkenntnis verließ, eine nützliche halbe Stunde verbracht zu haben.
Meine so „abgeschauten“ rhetorischen Fähigkeiten führten dazu, dass ich immer öfter eingeladen wurde, Vorträge zu halten. Die meisten davon waren erfolgreich und zogen weitere Engagements nach sich, denn Veranstalter von Tagungen und Kongressen gehen gerne den sicheren Weg und scheuen das Risiko. Oft wurde ich sogar gebeten, „die gleiche Rede“ noch einmal zu halten, natürlich vor anderem Publikum. Zwar war auch viel Zufall dabei. In Cannes zum Beispiel, ich hatte dies bereits erwähnt, regnete es an jenem Tag; bei Sonnenschein wären die meisten Kongressteilnehmer wohl in den Strandcafés geblieben. Aber letztlich war mein Aufstieg als Redner vorprogrammiert, weil ich konsequent Methoden verwendete, die das Gelingen meiner Vorträge geradezu garantierten.
Wann immer das Gespräch in meinem Bekanntenkreis auf das Thema „Reden“ kommt, höre ich Sätze wie „Da bist du zu beneiden“, oder „Ich wünschte, ich könnte so gut reden wie du.“ Meine Antwort darauf ist immer die Gleiche: Wenn ich das kann, dann könnt ihr das auch. Ihr müsst nur ein paar Grundregeln beachten, bei der Vorbereitung, beim Vortrag selbst und auch bei der Nachbereitung. Wenn ihr so konsequent vorgeht, dann werdet ihr sogar Spaß am Reden bekommen. Doch richtig überzeugt sind meine Bekannten noch nicht. Sie meinen, man könne kein erfolgreicher Redner werden, sondern müsse es von Geburt an sein. Sicher hätte ich, so scherzen sie manchmal, schon im Kreißsaal Ansprachen gehalten. Also beschloss ich, alle Zweifel zu zerstreuen und dieses Buch zu schreiben.
Es hat zum Ziel, Sie in kurzer Zeit in die Lage zu versetzen, Reden nicht mehr zu fürchten, sondern sich auf sie zu freuen, mit ihnen Ruhm und Ehre zu erwerben und so Ihre Selbstsicherheit, Ihren Bekanntheitsgrad und Ihre Karriere zu fördern. Um dies zu erreichen, werden wir auch über viele Aspekte sprechen, die gar nichts mit „Reden“ im Sinne des Artikulierens von Worten zu tun haben, sondern eher mit „Regie führen“ in eigener Sache. Denn Ihr Erfolg als Redner hängt maßgeblich davon ab, wie Sie Ihren „Auftritt“ vorbereiten, wie Sie vorteilhafte Rahmenbedingungen schaffen und wie Sie mit dem Veranstalter und Ihrem Publikum umgehen. Daher geht dieses Buch auch weit über die klassischen Themengebiete der Rhetorik hinaus. Es beginnt lange vor und endet lange nach Ihrem Vortrag. Denn das „davor“ und das „danach“, Ihre Strategie und Ihre Dramaturgie, sind für das Gelingen Ihrer Rede entscheidend.
Zwar werden wir auch über die zehn, zwanzig oder dreißig Minuten sprechen, die Sie im Vortragssaal verbringen. Aber meine diesbezüglichen Ratschläge werden nicht sehr niveauvoll sein. Sie werden lernen, auf die Stufen am Podium zu achten, weil Sie das Rednerpult sonst nicht auf-, sondern waagerecht erreichen. Sie werden den Tipp bekommen, das drahtlose Ansteckmikrofon, das man Ihnen lange vor dem Vortrag an die Krawatte geklemmt hat, beim Aufsuchen der Toilette noch einmal abzuschalten. Und Sie werden erfahren, dass Sie den Satz „Ich freue mich, heute bei Ihnen in Oberursel zu sein“ nur dann aussprechen sollten, wenn Sie auch wirklich in Oberursel sind. Sie merken schon: Ich beabsichtige nicht, Sie in filigrane Details lehrbuchmäßiger Rhetorik einzuführen. Sie werden nichts über neue Atemtechniken lesen, nichts über beeindruckende Gesten und nichts über besonders erfreuliche Gesichtsausdrücke. Weil Sie nämlich, so vermute ich jedenfalls, nicht Schauspieler oder Zirkusclown werden, sondern nur eine Rede halten wollen. Allzu oft mündet der Versuch, Rhetorik-Theorie umzusetzen, in grotesken Darbietungen. Mancher der reinen Lehre folgende Redner sieht aus, als leide er unter spastischen Lähmungen, Gesichtskrämpfen und Atemnot. Nein, ich möchte, dass Sie auch bei Ihren Reden so bleiben, wie Sie sind. Kein bisschen anders, kein bisschen verstellt.
Aber ich will, dass Sie Ihren Auftritt gut vorbereiten, die Wirkungen Ihres Vortrags im Voraus planen und Ihre Worte sorgsam wählen. Dazu werden Sie in diesem Buch viele Hinweise und Anregungen finden. Sie stammen alle aus der Praxis und sind erfolgreich erprobt. Auch die Redebeispiele sind nicht erfunden, sondern Teile realer (meist eigener) Vorträge (wodurch sich der inhaltliche Bezug zu den Medien erklärt). Auch insofern unterscheidet sich dieses Buch von vielen anderen: Wir sprechen nicht über Rede-Konstrukte, sondern über realistische Situationen. Daher analysieren wir hier auch keine literarischen Vorlagen. Denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass Sie bei einem Ihrer Vorträge einmal sagen werden „Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann.“ Sie sind nicht Antonius, Ihre Zuhörer nicht römische Mitbürger und Caesar kannten Sie wahrscheinlich auch nicht persönlich.
Nun aber los. Wir beginnen mit der Übung Katze, Kerze, Feuerwehr. Nein, natürlich nicht. Nie käme ich auf die Idee, Sie so sinnlos zu quälen.
Am Anfang müssen wir erst einmal feststellen, ob Sie überhaupt zur Zielgruppe gehören. Machen wir doch so einen Test wie in den Frauenzeitschriften. Die erste Frage lautet: Sind Sie ein charismatischer Redner, Liebling aller Konferenzveranstalter, mit mehr als zehn Rede-Auftritten im Monat, der donnernden Applaus kassiert sowie beeindruckend hohe Honorare? Wenn ja, lesen Sie bitte nicht weiter, klappen Sie das Buch zu und verkaufen Sie es im Internet – aus zweiter Hand ist es ja auch noch was wert. Wenn Sie diese Frage hingegen mit „nein“ beantwortet haben, dann gehören Sie zu einer der beiden Gattungen von Menschen, für die dieses Buch geschrieben ist. Sehen wir mal, zu welcher.
Frage Nummer 2: Wissen Sie, ohne in den Terminkalender zu schauen, wann Sie demnächst eine Rede, eine Ansprache, einen Vortrag oder eine Präsentation halten müssen? Ja? Der Grund dafür ist nicht schwer zu erraten. Sie wissen es, weil es Ihnen Sorgen bereitet. Denn eigentlich sind Sie ja „kein guter Redner“. Eigentlich sind Sie ja immer froh, wenn es vorüber ist. Und am liebsten hätten Sie es, wenn der Kelch an Ihnen vorbei ginge. Zwar gehören Sie damit zu jenen, die sich der Pflicht, öffentlich etwas kundgeben zu müssen, ungeachtet ihrer dagegen vorhandenen Abneigung heroisch unterziehen, ähnlich denen, die trotz Flugangst fliegen und trotz Klaustrophobie enge Aufzüge besteigen. Dennoch müssen wir etwas dagegen tun. Und zwar erstens, weil man Ihnen diese Mischung aus Unsicherheit und Unbehagen anmerkt. Zweitens, weil Sie mit Ihren Reden ganz offensichtlich zu wenig bewirken, denn sonst würden Sie sie längst als Chance und nicht mehr als Belastung begreifen. Und drittens, weil das Leben viel zu kurz und kompliziert ist, um sich wegen „so etwas“ Sorgen zu machen. Wir müssen also dazu beitragen, dass Ihnen der Satz „Ich muss eine Rede halten“ gar nicht mehr in den Sinn kommt. Wir werden ihn durch „Ich darf eine Rede halten“ ersetzen. Wir werden Ihre Ängste, Ihre Nervosität und Ihr Lampenfieber auf Null reduzieren und dazu beitragen, dass Ihr Auftritt um ein Vielfaches effektiver, eindrucksvoller und wirksamer wird.
Jetzt gibt es noch eine dritte Möglichkeit. Sie sind kein Gewohnheits-Redner, deswegen haben Sie Frage 1 verneint. Sie sind auch kein gelegentlicher Redner, deswegen passte Frage 2 auf Sie nicht. Dann können Sie nur noch professioneller Nicht-Redner sein. Nicht-Redner sind jene, die das Mikrofon scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Viele Angehörige dieser Gruppe besuchen zwar eifrig Kongresse, Veranstaltungen, Symposien und Podiumsdiskussionen, verfügen über ein großes Fachwissen und wären, was meist in Pausengesprächen deutlich wird, mühelos in der Lage, zu den Themen der Konferenz ausführlich Stellung zu nehmen. Aber den Quantensprung vom Teilnehmer zum Referenten vollziehen sie nicht. „Das ist nichts für mich“, hört man sie oft sagen, und „Ich will mich nicht in den Vordergrund drängen“, und „In meiner Branche kommt es nicht auf Worte an, sondern auf Taten“. Sie sagen es, als wären sie beim Geheimdienst beschäftigt oder Steuerflüchtling, Mafiaboss und Drogendealer. Natürlich sind sie das nicht, und deswegen gibt es auch gar keinen Grund für ihr Wirken im Verborgenen, ihr Abtauchen in die Anonymität und ihr Dasein als rhetorischer Underdog.
Nicht-Redner haben sich eingebildet, dass sie nicht reden können. Das aber ist großer Unsinn. Abends im Kreis ihrer Familie erzählen sie anschaulich, was tagsüber im Büro passiert ist. Beim Mittagessen plaudern sie ohne jede Hemmung mit Kunden oder Kollegen über das Geschäft. Aber sie glauben, für öffentliche Auftritte müsse man ein besonderes Talent haben oder speziell geschult sein. Doch die ganze Kunst besteht darin, den Mund aufzumachen und Worte zu artikulieren. Fangen wir schon mal an. Machen Sie bitte den Mund auf und sagen Sie „Meine Damen und Herren!“ Sehen Sie? So einfach ist das. Na gut, ein wenig mehr als das wird man schon von Ihnen am Rednerpult erwarten. Aber das schaffen Sie. Lesen Sie nur einfach weiter.
Hiermit endet unser Test. In den Frauenzeitschriften erfahren Sie an dieser Stelle meist noch etwas Geistreiches. Daran mangelt es hier. Beschränken wir uns daher auf eine Kurzfassung, was dieses Buch erreichen will. Es macht aus Rednern gute Redner und aus Nicht-Rednern Redner.
Aber warum eigentlich? Warum ist es so wichtig, Reden zu halten? Dafür gibt es eine Menge Gründe. Teilen wir sie ein in altruistische, egoistische und finanzielle. Altruistisch gesehen ist das Preisgeben von Wissen, Meinungen und Einschätzungen für unsere Demokratie und unsere Wirtschaft essentiell. Auch Sie hatten mindestens einen Lehrer oder Lehrmeister, wahrscheinlich sogar viele davon, die ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht für sich behalten, sondern an Sie weitergegeben haben. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft, in denen jeder „sein“ Spezialgebiet hat, letztlich aber nur im Zusammenwirken mit anderen weiter kommt, ist die Mitteilung des Gelernten, Erforschten und Erfahrenen notwendige Voraussetzung für Fortschritt. Wenn wir also nicht im Stillstand erstarren wollen, müssen wir miteinander reden. Dies funktioniert nicht einseitig. Sollten Sie sich auf den Standpunkt stellen, es reiche für Ihr Fortkommen bereits aus, anderen zuzuhören, wäre das reichlich eigensinnig und würde bald dazu führen, dass kaum noch jemand sein Wissen weitergibt.
Deswegen sollten Sie auch Einladungen von Schulen, Universitäten, Akademien und Bildungszentren annehmen. Wenn Sie wollen, dass der Nachwuchs praxisnah und nicht nur theoretisch ausgebildet wird, müssen Sie Ihren Beitrag dazu leisten. Damals, als Sie in Ihrer Ausbildung waren, wären Sie auch froh gewesen, so viel wie möglich von Praktikern zu erfahren. Solche altruistisch motivierten Auftritte, mit denen Sie scheinbar nur anderen Gutes tun, haben übrigens durchaus positive Nebenwirkungen für Sie selbst. Zum einen nehmen Sie sich dadurch zwangsweise die Zeit, über das, was Sie täglich machen, mal wieder nachzudenken. Sie werden merken, dass Ihnen beim Entwerfen der Gedankengänge Ihres Vortrags so manches einfällt, was Ihnen im Tagesgeschäft nicht in den Sinn gekommen wäre. Die Vorbereitung einer Rede hat damit einen ähnlichen Effekt wie etwa die Erstellung eines ausführlichen Vermerks. Ich habe immer wieder erlebt, dass meine Mitarbeiter Projekte und Vorschläge viel genauer und kritischer durchdachten, wenn ich sie aufforderte, das Ganze erst einmal auf einigen Seiten zu Papier zu bringen, anstatt sofort in mein Büro zu stürmen und ihre Ideen atemlos vorzutragen. Der zweite Aspekt besteht darin, dass Sie insbesondere von jungem Publikum kritische und manchmal sogar naive Fragen hören werden, die Ihnen aufgrund der Verinnerlichung Ihres Geschäfts gar nicht eingefallen wären. Die Besucher von Kursen, Seminaren und Kolloquien sind meist ideale Sparringspartner und so manche Geschäftsidee wurde schon in Schulungsräumen geboren.
In der Regel werden Sie Reden allerdings nicht aus altruistischen, sondern aus egoistischen Gründen halten. Dies ist völlig legitim. Mit dem Versuch, ein bestimmtes Interesse durchzusetzen, drängen Sie sich keineswegs unberechtigt in den Vordergrund, sondern verhalten sich geradezu idealtypisch. Nur die Summe der Egoismen bringt Gerechtigkeit. Unser Staat, unsere Gesellschaft, unser Rechtswesen und unsere Wirtschaft basieren auf dem Ausgleich unterschiedlicher Interessen. Der Verzicht auf ihre Einbringung ist nicht Ausdruck vornehmer Bescheidenheit, sondern führt zur Diktatur der Vorlauten. Es wäre daher geradezu fatal, wenn Sie, nur weil Sie nicht gerne Reden halten, anderen das Feld überließen. Es gibt auch keine Alternativen dazu. Ihr so sorgfältig und dramatisch formulierter Brief an den Vereinsvorsitzenden wird in der entscheidenden Versammlung von eloquenten Wortmeldungen überdeckt; nur wenn Sie dort auch auftreten und Ihre Argumente vortragen, können Sie Ihr Ziel erreichen. Ihre Unterschriftensammlung für die neue Ampelanlage vor dem Kindergarten ist völlig wirkungslos, wenn Sie in der damit erreichten Bürgerversammlung nicht auch das Wort ergreifen und die lokalen Politiker überzeugen. Ein ans Gericht gesandter Schriftsatz ist nichts wert, wenn er nicht mit einem pointierten Plädoyer bekräftigt wird. Auch viele Entscheidungen im Bundestag wären anders gefallen, wenn es nicht eindrucksvolle Reden gegeben hätte; denken Sie nur an die Abstimmung über die Hauptstadt-Frage. In all diesen Fällen ist die Rede unverzichtbares Mittel zur Verfolgung von Interessen und durch nichts ersetzbar.
Ich schreibe dies alles nicht nur aus Überzeugung, sondern auch, um dem Argument vorzubeugen, dieses Buch plädiere für die rücksichtslose Durchsetzung eigener Ziele zu Lasten anderer. Das tut es nicht, selbst wenn es eine Reihe von Hinweisen enthält, wie Sie sich mit Reden Vorteile verschaffen können. Es basiert vielmehr auf der festen Überzeugung, dass der Diskurs unverzichtbares Element sowohl unserer Demokratie wie auch unseres Wirtschaftslebens ist. Ich möchte, dass Sie diese Rolle wahrnehmen, diese Chancen nutzen und das, was Sie wissen, erfahren und gelernt haben, auch nutzbringend umsetzen.
Natürlich gibt es auch profane egoistische Gründe, warum Sie Reden halten sollten. Einer der wichtigsten Gründe ist, dass Sie durch einen Vortrag bekannt werden. Diese Bekanntheit hat eine unmittelbare und eine mittelbare Wirkung. Unmittelbar führt Ihre Bekanntheit dazu, dass Sie nach Ihrem Auftritt mühelos Kontakte knüpfen können. Meist brauchen Sie dazu gar keine Initiative zu entwickeln. Sie werden feststellen, dass viele Teilnehmer „automatisch“ auf Sie zukommen und Zusatzfragen stellen, Meinungen austauschen oder Geschäftsbeziehungen einleiten wollen. Oft verlassen Zuhörer, wenn gerade keine Pause vorgesehen ist, sogar mit Ihnen zusammen den Saal, um Sie draußen vor der Tür abzupassen. Wir kommen später noch einmal ausführlicher zu der Frage, wie Sie dies konsequent ausnutzen. Aber auch wenn Sie von sich aus bestimmte – etwa auf der Teilnehmerliste vorher identifizierte – Personen ansprechen wollen, wird Ihnen das nach Ihrer Rede leicht gelingen. Die Erfahrung zeigt, dass Sie sich dem Betreffenden einfach auf ein paar Meter Entfernung nähern müssen und schon beginnt er das Gespräch mit Ihnen. Das ist die „magnetische“ Wirkung von Reden. Gut testen können Sie dieses – psychologische, nicht physikalische – Phänomen, wenn nach Ihrem Vortrag das Mittagessen stattfindet. Gehen Sie mal an einen Tisch, an dem noch ein Platz frei ist, und fragen Sie, ob Sie sich dort hinsetzen dürfen. Sie werden immer auf freudige Zustimmung stoßen; die Teilnehmer brechen dann oft ihre begonnenen Gespräche ab und wenden sich sofort Ihnen zu. Das hat etwas mit der Hierarchie zu tun, die durch den Vortrag zwischen den Zuhörern und Ihnen entstanden ist. Auch wenn das Rednerpult nicht erhöht aufgestellt war, waren Sie dennoch „oben“ und die Teilnehmer „unten“. Nun begeben Sie sich – geradezu jovial und leutselig – an diesen Tisch und beenden damit scheinbar das Gefälle. In Wirklichkeit aber hält diese Wirkung noch eine ganze Zeit an und die Besucher der Tagung sehen Sie nach wie vor als eine Art „Star“. Erst sehr viel später, frühestens ein bis zwei Stunden nach Ihrem Referat, verpufft dieser Star-Effekt; dann sind Sie wieder ein „normaler“ Teilnehmer geworden und sollten langsam an Ihre Abreise denken.
Das „Oben-Unten-Phänomen“ bringt Ihnen aber nicht nur den Vorteil, mit Zuhörern leichter und vor allem viel schneller Kontakt zu bekommen. Alle anderen Referenten, und mögen sie auch noch so berühmt und sachverständig sein, stehen mit Ihnen nun auf einer Ebene. Sie sind durch Ihre „Redner“-Eigenschaft in den elitären Kreis der „Oberen“ aufgenommen worden. Natürlich sitzen Sie mit Ihren Mit-Referenten bei der Vorabend-Feier an einem Tisch, teilen den gleichen Vorbereitungsraum, sind mit ihnen, wenn ein Fotograf anwesend ist, auf dem gleichen Bild. Dieser Aspekt der Interaktion mit den Mit-Referenten ist von großer Bedeutung – meist bekommen Sie zu ihnen noch bessere und nützlichere Beziehungen als zu den Teilnehmern. Sie werden feststellen, dass auch Ihre Mitstreiter an dieser Innenbeziehung interessiert sind und sie sogar nach außen (in Richtung auf die im Plenum Sitzenden) hervorheben. Dies geschieht durch Kleinigkeiten wie Scherzen, Flüstern und Köpfe-Zusammenstecken auf dem Podium, intensives Begrüßen und Verabschieden und auch die gegenseitige persönliche Ansprache („Wie Herr Meier bereits gesagt hat …“). Es entsteht unter den Referenten eine Art Kastendenken, eine Seilschaft. Ähnliche Phänomene kennt man aus dem Showgeschäft, wo Schauspieler, die sich noch nie im Leben begegnet sind, gleich zum „Du“ und zu einer merkwürdigen Innigkeit übergehen.
Diesen Effekt, der schnell zu vertraulichen und nützlichen Gesprächen führen wird, können Sie nun noch auf die Spitze treiben, wenn es Ihnen gelingt, nicht nur ebenso wie die anderen „Referent“ oder ebenso wie die anderen „Podiumsteilnehmer“ zu sein, sondern in diesem Rahmen noch eine abermals herausgehobene Rolle zu spielen. Dies kann in Einzelfällen die Rolle des Diskussionsleiters sein; dann müssen Sie aber schon richtig gut sein, um diesen „Primus-inter-pares“- (Erster unter Gleichen-) Effekt zu nutzen (wir kommen darauf zurück). Besser geht es, wenn Sie vom Veranstalter mit einem „Impulsreferat“ betraut worden sind oder einen Vortrag halten und anschließend eine Podiumsdiskussion mit Ihrer Beteiligung stattfindet. Wie auch immer: Ob als „Erster unter Gleichen“ oder „Gleicher unter Gleichen“ werden Sie stets zur Elite gehören, einer Elite, die sich deutlich vom „Volk“ abgrenzt und unter sich freundschaftliche Beziehungen pflegt.
Neben dieser unmittelbaren gibt es noch eine mittelbare Bekanntheits-Wirkung. Sie besteht zum Beispiel darin, dass anwesende Journalisten Sie ansprechen, sich Ihre Visitenkarte geben lassen und Sie demnächst einmal interviewen oder Ihnen Raum in ihren Publikationen geben. Oder beispielsweise darin, dass ein Teilnehmer eine ähnliche Veranstaltung plant und Sie auch dorthin als Referent einladen möchte. Auch ist ein Vortrag eine gute, in vielen Fällen sogar die einzige Möglichkeit, von sich aus an die Presse zu gehen. Vielleicht hätten Sie manches ja schon gerne vorher mal der Öffentlichkeit mitgeteilt. Aber das geht nicht, wenn Sie in Ihrem Büro sitzen bleiben und von der Pressestelle Ihres Unternehmens erwarten, „einfach so“ etwas zu verbreiten. Ihre Meinung als solche ist eben kein Ereignis. Das Ereignis schaffen Sie nun durch den Vortrag in Verbindung mit der Veranstaltung. Auch „kommerzielle“ Konferenzen, also solche von Veranstaltern wie Euroforum, Management Circle und anderen, können Sie durchaus für Ihre Pressearbeit nutzen. „… Dies erklärte der Geschäftsführer der Rheinischen Baustoff AG, Franz Meier, heute beim Euroforum-Baustoffhandelkongress in Mainz“ ist durchaus eine gute Formulierung, die Sie – bei entsprechend inhaltsreichen Aussagen – in die Presse bringt, ohne dass die Meldung schon wegen Anlasslosigkeit in den Papierkorb wandern müsste.
Ihre steigende Bekanntheit wird Ihnen nicht nur helfen, Kontakte zu knüpfen und in die Presse zu kommen. Sie führt Sie auch in die Namenslisten von Personalberatern, die letztlich ja irgendwann einmal etwas von Ihnen gehört haben müssen, um Sie eines Tages ansprechen und Ihnen einen neuen Job anbieten zu können. Dies gilt um so mehr, als Sie durch den Aufstieg in den „Zirkel“ der Referenten eben ja nicht nur Reden halten, sondern auch bald mal einen Artikel schreiben und damit in Publikationen und im Internet präsent sein werden.
Sie sollten diese Möglichkeiten nicht verachten und auch Ihre Auftritte nicht auf irgendwann verschieben. Kommunizieren Sie in guten Zeiten! Sollten Sie einmal einer Fusion oder Rationalisierung zum Opfer gefallen sein und Ihre Bekanntheit nicht vorher aufgebaut haben, wird Ihnen niemand mehr ein Forum geben. Haben Sie aber in guten Zeiten (durchaus ja auch mit Hilfe des Renommees Ihrer Firma und unter Nutzung Ihrer Funktionsbezeichnung) einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht, wird man Sie auch weiterhin bitten, Vorträge zu halten, obwohl Sie nun (vorübergehend) kein Unternehmen mehr vertreten und keinen beeindruckenden Titel haben.
Es gibt auch noch ganz handfeste kommerzielle Gründe, warum Sie bei einer Tagung Referent sein sollten und nicht nur Teilnehmer. Viele Ihrer Zuhörer sind potentielle Kunden. Mit Ihrem Vortrag haben Sie die einmalige Chance, ihnen die Vorteile Ihres Produkts oder Ihrer Dienstleistung – Zeit und Reisekosten sparend – zu vermitteln, ohne sie nacheinander aufsuchen zu müssen. Auch bei Kongressen, die Messen begleiten, führen Vorträge oft dazu, dass Sie Teilnehmer an Ihren Messestand locken können. Selbst wenn Sie das nicht ausdrücklich tun, werden Sie feststellen, dass so mancher in der Messehalle zielstrebig auf Sie zugeht und mit Ihnen das Gespräch sucht. Ihre (nicht-redenden) Kollegen werden übrigens eine ganze Zeit lang meinen, Sie hätten ja unendlich viele Kontakte und seien ein ganz wichtiger Vertriebsmitarbeiter. Erst langsam wird ihnen dämmern, dass Sie diese Kontakte mit einem Schlag aufgebaut haben und nicht durch lange Fleißarbeit. Verkaufspsychologisch ist es natürlich von großem Vorteil, wenn potentielle Kunden auf Sie zukommen und Sie diese nicht erst ansprechen müssen. Diese ganzen Vorteile sollten Sie nutzen und höllisch aufpassen, dass Ihr Konkurrent nicht solche Möglichkeiten einseitig in Anspruch nimmt.
Messe-begleitende Rede-Auftritte haben meiner Meinung nach eine viel bessere Kosten-Nutzen-Relation als das wortlose Sponsoring von Tagungsmappen, die Verteilung von Logo-bestückten Umhängetaschen oder die Erwähnung auf Plakaten und Transparenten. Zwar führen solche Maßnahmen zur Steigerung des Bekanntheitsgrades Ihrer Firma oder Marke; ins (Verkaufs-) Gespräch kommen Sie damit aber noch lange nicht. Deswegen rate ich Ihnen, solche Marketingaktionen immer mit der Bedingung zu verknüpfen, auf den begleitenden Tagungen sprechen zu dürfen. Noch viel mehr als bei Ausstellungs-begleitenden Kongressen gilt dies für Kongress-begleitende Ausstellungen. Sie müssen schon ziemlich verrückt sein, viel Geld für einen Stand in der Vorhalle auszugeben, ohne an die Teilnehmer das Wort richten zu dürfen. Freilich darf dies nicht bedeuten, dass Sie dann im Vortragssaal hemmungslos Werbung machen. Auch sollten Sie das so „erkaufte“ Vortragsrecht nicht zu quälenden Produktvorführungen missbrauchen. Neulich war ich bei einer Tagung, bei der ein Redner offenkundig nur deswegen sprechen durfte, weil seine Firma den anschließenden Cocktail-Empfang sponsorte. Sein ziemlich unverständliches und viel zu langes Referat war für alle im Raum eine Qual, auch für den Redner selbst, der während seines Vortrags mehrfach aufstöhnte und sich die Stirn trocken tupfte. Ich habe die Teilnehmer bewundert, die tapfer ausharrten, hauptsächlich wohl um ein schlechtes Gewissen beim Genuss der später gereichten Pina Coladas und Bloody Marys zu vermeiden.
Kommen wir abschließend zu den finanziellen Gründen, warum Sie Reden halten sollten. Ich merke, Sie sitzen bereits aufrecht im Sessel und haben hohe Erwartungen an diesen Absatz. Lehnen Sie sich bitte wieder zurück; ich muss Sie wahrscheinlich enttäuschen. Nur die wenigsten Veranstalter sind nämlich in der Lage, für Reden Honorare zu zahlen. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden, ob Sie das akzeptieren. Ich empfehle Ihnen folgende Differenzierung: Sprechen Sie eindeutig „für die Firma“, stellen Sie also Produkte Ihres Unternehmens dar und hoffen auf auftragsanbahnende Kontakte, sollten Sie die Reise als Dienstreise abrechnen und kein Honorar erbitten. Auch deswegen, weil Sie ansonsten Gefahr laufen, dass Ihnen Ihr Chef eines Tages vorwirft, trotz üppiger Bezahlung ein „Nebeneinkommen“ zu kassieren. Erhalten Sie dennoch ein Honorar, sollten Sie einmal die in Ihrem Unternehmen geltenden Regelungen konsultieren; manche Firmen verlangen, dass solche Honorare abgeführt werden. Sind Sie eher als „Branchenexperte“ engagiert, sollten Sie nach dem Veranstalter differenzieren. Kommerzielle Konferenzveranstalter sollten mindestens die Reisekosten erstatten (Flug Economy Class, bei langen Flügen Business Class, plus angemessenes Hotel). Dabei gehen Sie nicht wirklich „honorarlos“ aus. Immerhin können Sie als Referent an der gesamten Tagung kostenlos teilnehmen, was vor allem bei mehreren Tausend Euro teuren Konferenzen nicht zu verachten ist. Manchmal dürfen Sie noch einen Kollegen mitbringen, der dann auch keinen Eintrittspreis (oder nur das halbe Entgelt) zahlt. Oft gibt es Gutscheine für andere Tagungen des gleichen Veranstalters. Auch können Sie in diesen Fällen zumindest noch ein wenig profitieren, wenn Sie Ihre Reise kreativ planen. Vor einiger Zeit wurde ich eingeladen, an einem Dienstag in Genf einen Vortrag zu halten. Ich stellte fest, dass das Ticket für einen Hinflug am Montag und Rückflug am Dienstag sehr teuer war. Reiste man hingegen schon am Samstag an, war der (Economy-) Flug so preiswert, dass die zusätzlichen Übernachtungen abgedeckt waren. Der Konferenzveranstalter finanzierte somit meinen Kurzurlaub in Genf und gab damit nicht mehr Geld aus als er geplant hatte. Solche „Deals“ sind also durchaus möglich.
Bei Veranstaltungen, die von ganz normalen Unternehmen durchgeführt werden, sollten Sie sich allerdings nicht ohne Honorar abspeisen lassen. Solche Veranstaltungen dienen meist der Kundenbindung oder -gewinnung und es ist überhaupt nicht einzusehen, warum Sie hier als Samariter tätig werden sollen. Ich empfehle Ihnen, Ihre Honorarforderung individuell anzupassen. So spielen die Bedeutung Ihres Beitrags (sind Sie einziger Redner, Festredner, Hauptredner?), seine Länge (ist es nur ein Kurzbeitrag oder füllt der Veranstalter damit eine ganze Stunde?), die Art der Zusammenkunft (handelt es sich um eine regelmäßige Seminarveranstaltung oder einen einmal jährlich stattfindenen Kongress?) und die Finanzkraft des Unternehmens (ist es ein Start-up, ein mittelständisches Unternehmen oder ein Großkonzern?) eine Rolle. Die Kombination „Großes Unternehmen, seltene Veranstaltung, viele Teilnehmer, lange Rede“ ist ideale Voraussetzung für eine Honorarforderung zwischen 1.500 und 3.500 Euro. In weniger idealen Fällen sollten Sie Ihren Vorschlag weise nach unten abstufen, den Betrag von 250 Euro aber nicht unterschreiten. Fragen Sie also zunächst immer die Parameter der Veranstaltung ab.
Noch ein paar weitere Tipps: Warten Sie nicht auf ein Vergütungsangebot des Veranstalters. Es wird schlechter ausfallen als Sie erwarten. Meist nicht aus Absicht, sondern weil „gelegentlichen“ Veranstaltern der Maßstab fehlt. Unterbreiten Sie Ihre Honorarforderung telefonisch, um die Reaktion Ihres Gesprächspartners mitzubekommen. Liegen Sie zu hoch, können Sie immer noch etwas nachgeben; sagt Ihr Gesprächspartner „Das ist ja überhaupt kein Problem“, können Sie vielleicht sogar noch mehr herausholen. Zum Beispiel durch ein nachgeschobenes „Sie wollen doch das Manuskript nicht irgendwo abdrucken?“. Genau das wollen Veranstalter aber oft. Sie erbitten anschließend die Rede-Manuskripte, um sie in Festschriften, Verbandszeitschriften, Büchern oder dem Internet zu veröffentlichen. In diesem Fall ist die Rede für Sie praktisch „verbrannt“ und Sie können sie kein zweites Mal halten; also: Anlass für ein höheres Honorar. Schließlich: Lassen Sie Ihre Teilnahme bis zur Klärung der Honorarfrage offen. Ich behaupte zum Beispiel erst einmal, an diesem Tag eigentlich schon eine andere Verpflichtung zu haben (selbst wenn die Veranstaltung erst in anderthalb Jahren stattfindet). Das macht es leichter, scheiternde Honorargespräche ohne Gesichtsverlust zu beenden. Wenn Sie sich einig geworden sind, halten Sie alles in einer E-Mail fest – auch, in welcher Klasse Sie fliegen und wie viele Übernachtungen Sie benötigen. Lediglich Taxikosten und Flughafen-Parkgebühren brauchen Sie nicht zu erwähnen; sie sind automatische Folge Ihrer Flug- oder Bahn-Anreise. Lassen Sie sich das alles schriftlich oder per E-Mail bestätigen. Sie sollten auch eine Regelung für den Fall der kurzfristigen Absage der Tagung treffen. Ich lege beispielsweise fest, dass dann das halbe Honorar zu zahlen ist, es sei denn, die Veranstaltung wird lediglich um nicht mehr als drei Monate verschoben. Dies ist keineswegs übertrieben: Allzu oft habe ich es erlebt, dass insbesondere kleinere Kongressveranstalter mit englisch klingenden Namen noch fünf Tage vor dem Termin drängen, man müsse doch jetzt endlich mal seine Präsentation einsenden und zwei Tage später mangels Teilnehmer-Zuspruchs absagen.
Ob Sie nun aus altruistischen, egoistischen oder finanziellen Gründen sprechen: Wichtig ist, dass Sie dieses so enorm wirksame Kommunikationsmittel überhaupt nutzen. Denn es bringt sie „von unten nach oben“. Das kann momentan sein, aber auch dauerhaft. Es wäre schlimm, wenn Sie diese Chance verpassen würden. Deswegen überwinden Sie bitte Ihre Abneigung, Ihr Unbehagen, Ihr Unwohlsein. Wenn Sie demnächst einen Anruf bekommen und jemand Sie fragt, ob Sie Lust hätten zu einem Referat, einem Vortrag, einer Präsentation, einer Moderation oder der Teilnahme an einer Podiumsdiskussion: Werfen Sie einen Blick auf Ihr Bücherregal. Dort steht es doch, auf dem Cover dieses Buches, klar und deutlich geschrieben, als Erinnerung, Appell und Aufruf: Sorge dich nicht, rede!
Wir kommen nun zu dem Kapitel, das dieses Buch umstritten machen wird. Umstritten bei all denen, die Ihnen nach wie vor beizubringen versuchen, Karteikarten und Filzstifte zu verwenden, die Ihnen vormachen, eine gute Rede sei eine spontan formulierte, die behaupten, Sie müssten Ihre Worte im Moment Ihres Auftritts wählen. Ich sage hingegen: Tun Sie das nicht! Verwenden Sie ein Manuskript!
Das ist übrigens nicht wörtlich zu nehmen. Manuskript heißt „mit der Hand geschrieben“. Nein, Sie müssen nicht in kleiner Schrift fliegenklecksgroße Buchstaben zu Papier bringen. Sie können ganz einfach Ihren Computer benutzen. Diese modernen Schreibapparate sind ja nicht nur segensreich, wenn es um das Entwerfen und Korrigieren eines Textes geht. Die vielleicht praktischste Einrichtung an ihnen ist das, was Gewohnheits-Redner untereinander augenzwinkernd „Steuerung-C und Steuerung-V“ nennen. Sie könnten auch „Cut and Paste“ sagen oder schlicht „Kopieren und Einfügen“, aber das könnte ein Teilnehmer möglicherweise mitbekommen und verstehen. „Ich höre, Herr Kollege, Sie haben schon wieder eine neue Rede gehalten.“ – „Na ja, es war eher Steuerung-C und Steuerung-V.“ Es folgen wissendes Insider-Lachen, Schulterklopfen und Respekt. Dieser Kollege hat offensichtlich Talent. Er „recycelt“ seine Reden. Bestimmt veröffentlicht er sie demnächst noch in einem Buch.
Damit haben wir zwar schon einen der zahlreichen Gründe genannt,