Redeflüssigkeit und Dolmetschqualität - Sylvi Rennert - E-Book

Redeflüssigkeit und Dolmetschqualität E-Book

Sylvi Rennert

0,0

Beschreibung

Dolmetschqualität ist ein komplexes Thema, das sich im Spannungsfeld zwischen den Anforderungen und Erwartungen von NutzerInnen wie DolmetscherInnen und der subjektiven Einschätzung des Publikums bewegt. Eine Dolmetschung soll so gut verständlich sein wie das Original, in der Realität orientieren sich NutzerInnen aber häufig am Höreindruck und beurteilen Dolmetschungen eher nach prosodischen als nach inhaltlichen Faktoren. Diese Studie untersucht den Einfluss von Redeflüssigkeit auf die zwei Qualitätsaspekte der kognitiven Wirkungsäquivalenz und der subjektiven Bewertung durch das Publikum. Aufbauend auf einer theoretischen Betrachtung verschiedener Qualitätsaspekte und deren Operationalisierung sowie der Komponenten von Redeflüssigkeit wird die Entwicklung des Versuchsdesigns und -materials eingehend beschrieben. Im Experiment zeigt sich, dass eine weniger flüssige Dolmetschung zwar gleich gut verstanden wird wie eine flüssige, das Publikum aber glaubt, sie schlechter verstanden zu haben.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 272

Veröffentlichungsjahr: 2019

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sylvi Rennert

Redeflüssigkeit und Dolmetschqualität

Wirkung und Bewertung

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

 

 

© 2019 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.narr.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

ISBN 978-3-8233-8281-2 (Print)

ISBN 978-3-8233-0115-8 (ePub)

Inhalt

1 Einführung2 Begriffsbestimmung2.1 Qualität2.1.1 Qualität für wen?2.1.2 Zur Definition des Qualitätsbegriffes2.1.3 Operationalisierung des Qualitätsbegriffs2.2 Redeflüssigkeit2.2.1 Problematik der Definition2.2.2 Flüssigkeit als Funktion temporaler Variablen3 Flüssigkeit in der Dolmetschwissenschaft: Ein Forschungsüberblick3.1 Flüssigkeitsmerkmale in Ausgangs- und Zieltext3.1.1 Alexieva (1988)3.1.2 Pöchhacker (1997)3.1.3 Cecot (2001)3.1.4 Tissi (2000)3.1.5 Ahrens (2004)3.2 Flüssigkeit in der Qualitätsforschung: Erwartungen und Bewertungen3.2.1 Erwartungen und Bewertungen: Qualitätskriterien aus Sicht von DolmetscherInnen und NutzerInnen3.2.2 Experimentelle Qualitätsstudien: Erhebung von Erwartungen und Bewertungen unter kontrollierten Bedingungen3.2.3 Methodische Überlegungen zu Bewertungen und Erwartungserhebungen3.3 Messung der kognitiven Wirkung: Die Verständlichkeit von Dolmetschleistungen3.3.1 Shlesinger (1994)3.3.2 Grübl (2010)3.3.3 Lenglet (2015)4 Versuch: Einfluss der Redeflüssigkeit auf die Dolmetschqualität4.1 Forschungsfragen4.2 Forschungsdesign4.3 Versuchspersonen4.3.1 Auswahl der Versuchspersonen4.3.2 Parallelisierung und Randomisierung4.4 Ausgangstext4.5 Versuchsmaterial4.5.1 Vorüberlegungen zum Versuchsmaterial4.5.2 Erstellung und Beschreibung der Dolmetschung4.5.3 Analyse und Annotation des Ausgangsmaterials4.5.4 Bearbeitung des Materials4.5.5 Validierung des Versuchsmaterials4.5.6 Erstellung der flüssigen Version DF4.5.7 Erstellung der unflüssigen Version DU4.6 Fragebogen4.6.1 Fragebogendesign4.6.2 Teil A4.6.3 Teil B4.6.4 Scoring und Kodierung4.7 Setting und Versuchsablauf5 Ergebnisse5.1 Versuchspersonen5.2 Gesamtscore (Hörverständnistest)5.2.1 Einflussfaktor Muttersprache5.2.2 Einflussfaktor Geschlecht5.2.3 Einflussfaktor Alter5.2.4 Einflussfaktor Tag des Versuchs5.2.5 Einflussfaktor Hintergrundwissen5.2.6 Einflussfaktor Erfahrung mit Dolmetschungen5.3 Subjektive Bewertung5.3.1 Redeflüssigkeit (Frage 14)5.3.2 Intonation (Frage 15)5.3.3 Wiedergabe des Inhalts (Frage 13)5.3.4 Gesamtbeurteilungsscore5.3.5 Subjektives Verständnis (Frage 12)6 Diskussion und Schlussfolgerungen6.1 Forschungsfragen und Antworten6.2 Kritische Fragen zur Methode und Inferenzierbarkeit6.2.1 Gedächtnis6.2.2 Versuchspersonen6.3 Schlussfolgerungen6.3.1 Bedeutung von Flüssigkeit beim Dolmetschen in der Praxis6.3.2 Bedeutung für die Dolmetschdidaktik6.3.3 Bedeutung für die WissenschaftBibliografieAnhangTranskription Versuchsmaterial flüssigTranskription Versuchsmaterial unflüssigInstruktionenTeil 1 (vor Abspielen des Videos)Teil 2 (nach Abspielen des Videos)

1Einführung

Wie in vielen anderen Bereichen auch ist das Schlagwort Qualität in der Dolmetschwissenschaft heute allgegenwärtig. Die Frage danach, was Qualität ist und wie man diese beeinflussen und garantieren bzw. womöglich sogar als Norm festhalten kann, beschäftigt diese Disziplin seit Jahrzehnten. Umso mehr verwundert es, dass viele der – oft sehr unterschiedlichen – Definitionen nicht näher darauf eingehen, wie diese Qualität zu messen sei. Trotz aller Heterogenität der Definitionen findet sich jedoch ein Grundsatz in der dolmetschwissenschaftlichen Literatur immer wieder, den bereits die Pioniere des Konferenzdolmetschens und der Dolmetschwissenschaft betonten: die Wichtigkeit des gleichen Inhalts bzw. der gleichen kognitiven Wirkung von Ausgangs- und Zieltext (AT, ZT) auf das Publikum. Diese Forderung, die oft auch als „Verständlichkeit“ der Dolmetschung ausgedrückt wird, findet sich sowohl in theoretischen als auch in praxisorientierten Werken zum Dolmetschen und ist wohl eines der wenigen Prinzipien, mit dem alle übereinstimmen; gleichzeitig wird sie aber selten als Qualitätsdefinition operationalisiert. Es ist zwar nicht möglich, den Verstehensprozess selbst zu beobachten, das kognitive Endergebnis (Verständnis der ZuhörerInnen) kann aber über Hörverständnistests gemessen werden, um so einen Einblick in die kognitive Wirkung bzw. Verständlichkeit als Eigenschaft der Dolmetschung zu erhalten. Hörverständnistests wurden bislang in der Untersuchung lautsprachlicher Dolmetschungen jedoch nur selten eingesetzt.

Die vorliegende Studie soll einen Beitrag zur systematischen Erforschung von Qualitätsparametern in der Dolmetschwissenschaft leisten. Das hierin beschriebene Forschungsvorhaben wurde im Rahmen des vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderten Projekts „Qualität beim Simultandolmetschen (QuaSI)“ unter der Leitung von A.o. Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz Pöchhacker am Zentrum für Translationswissenschaft (ZTW) der Universität Wien umgesetzt. QuaSI wurde von 2008 bis 2010 am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien durchgeführt und bestand aus vier Teilprojekten, die sich mit verschiedenen Aspekten der Dolmetschqualität beschäftigten: einer Fragebogenstudie zum Qualitäts- und Rollenverständnis von KonferenzdolmetscherInnen (Zwischenberger 2013) sowie drei Experimenten, in denen die Verständlichkeit von Dolmetschen vs. Englisch als Lingua Franca (Reithofer 2014), der Einfluss von Intonation auf die kognitive Wirkung einer Dolmetschung (Holub 2010) sowie der Einfluss von Redeflüssigkeit auf die kognitive Wirkung (Rennert 2010, 2013, vorliegende Arbeit) untersucht wurden.

Qualität als gleiche kognitive Wirkung, gemessen mittels Hörverständnistests, ist der zentrale Ansatz, der der vorliegenden Arbeit zu Grunde liegt; gleichzeitig wird aber auch die beim Dolmetschen – wie bei anderen Dienstleistungen – so wichtige subjektive KundInnenperspektive nicht vernachlässigt. Diese beiden Perspektiven werden hier verbunden, indem untersucht wird, ob Redeflüssigkeit einen Einfluss auf die kognitive Wirkung einer Dolmetschung einerseits und die subjektive Wahrnehmung der Dolmetschqualität durch die Zuhörer andererseits hat. Dieser im Zuge des QuaSI-Projekts entwickelte Forschungsansatz liegt auch den anderen QuaSI-Experimenten (Holub 2010, Reithofer 2014) zu Grunde.

In der vorliegenden Arbeit wird ein detailliertes Bild der Qualität aus NutzerInnensicht und der Qualität aus DolmetscherInnensicht gezeichnet. Daraus ergibt sich einerseits das obengenannte Verständnis von Qualität als gleicher kognitiver Wirkung, die sowohl von NutzerInnen als auch DolmetscherInnen und DolmetschwissenschaftlerInnen gefordert wird, und andererseits die subjektive Wahrnehmung der Dolmetschqualität durch die KundInnen, die individuell variiert. Die Auswirkungen von Redeflüssigkeit sowohl auf die mittels Hörverständnistest gemessene kognitive Wirkung als auch die subjektive Bewertung der Dolmetschung durch das Publikum werden empirisch untersucht.

Dazu werden in Kapitel 2 zunächst die für die Arbeit zentralen Begriffe definiert: In 2.1 werden verschiedene Qualitätsbegriffe und -perspektiven besprochen und Qualität als Wirkungsäquivalenz definiert. In Abschnitt 2.2 wird nach einem Überblick über verschiedene Definitionen von Redeflüssigkeit diese als Funktion temporaler Variablen bestimmt und die konstituierenden Variablen werden im Detail beschrieben.

Aufbauend darauf bietet Kapitel 3 einen Überblick über den Forschungsstand zur Redeflüssigkeit in der Dolmetschwissenschaft. Dabei wird ein Bogen von Untersuchungen und Experimenten, die sich mit der Verteilung von Flüssigkeitsmerkmalen in AT und ZT befassen, über Erhebungen von Qualitätserwartungen und Beurteilungsexperimente bis hin zur Erforschung der kognitiven Wirkung gespannt. Die in Kapitel 2 angesprochenen Unterschiede zwischen Qualitätserwartungen und Beurteilungen einerseits und Unterschiede in den Erwartungen und Beurteilungen verschiedener Zielgruppen andererseits werden hier anhand von Forschungsergebnissen illustriert und die verwendeten Forschungsmethoden werden kritisch beleuchtet.

Diese Methodendiskussion bildet die Grundlage für den empirischen Teil, der ab Kapitel 4 im Detail beschrieben wird. Im Anschluss an die Forschungsfragen in Abschnitt 4.1 wird in Abschnitt 4.2 das im Rahmen des QuaSI-Projekts entwickelte Forschungsdesign beschrieben. Beim Design wurde Wert darauf gelegt, so viele Faktoren wie möglich zu kontrollieren, gleichzeitig aber den Eindruck einer echten Dolmetschung zu erwecken. Daher wurde eine realistische Dolmetschsituation simuliert, indem am Versuchsort zwei mobile Dolmetschkabinen aufgestellt wurden und die ProbandInnen wie bei einer realen Simultandolmetschung Kopfhörer bekamen. Über diese wurden zwei verschiedene im Vorfeld manipulierte Versuchstexte eingespielt, was den ProbandInnen aber nicht bewusst war, da in jeder der Kabinen eine Dolmetscherin saß, die eine der Versionen nachsprach. Danach wurden die ProbandInnen gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, der aus einem Hörverständnistest, einigen subjektiven Bewertungsfragen sowie Fragen zur Erfassung von Hintergrundvariablen bestand. Die Wahl der Versuchspersonen und deren Randomisierung wird in Abschnitt 4.3 beschrieben, die Wahl des Ausgangstextes für den Versuch in Abschnitt 4.4. Um das oben erwähnte Versuchsmaterial zu erhalten, wurde eigens für dieses Projekt eine Methode zur apparativen Manipulation von Redeflüssigkeit entwickelt, die es ermöglicht, zwei bis auf die Redeflüssigkeit identische Versionen einer Dolmetschung zu erzeugen. Diese Methode und die Veränderungen, die beim Erstellen des Versuchsmaterials vorgenommen wurden, werden in Abschnitt 4.5 ausführlich beschrieben. Der Fragebogen und dessen Erstellung werden in Abschnitt 4.6 besprochen. Abschnitt 4.7 schließlich beschreibt das Setting und den Ablauf des Versuchs.

Die Ergebnisse des Versuchs werden in Kapitel 5 vorgestellt. Nach einer detaillierten Beschreibung der Versuchspersonen in Abschnitt 5.1 werden in Abschnitt 5.2 die Ergebnisse des Hörverständnistests beschrieben. Diese Ergebnisse werden anhand verschiedener unabhängiger Variablen analysiert, um festzustellen, ob der Grad der Redeflüssigkeit oder andere Faktoren einen Einfluss auf die kognitive Wirkung des Versuchsmaterials hatten. In 5.3 werden die Ergebnisse der subjektiven Beurteilungen im Detail ausgewertet und den Ergebnissen des Hörverständnistests gegenübergestellt. So kann festgestellt werden, ob ein Zusammenhang zwischen den Ergebnissen des Hörverständnistests und der Einschätzung der Flüssigkeit und Intonation des Versuchsmaterials, der subjektiven Bewertung der Leistung der Dolmetscherin bzw. der Einschätzung des eigenen Verständnisses besteht.

In Kapitel 6 schließlich werden in 6.1 die gestellten Forschungsfragen beantwortet. Nach einer Betrachtung der methodischen Einschränkungen des Versuchs in 6.2 werden in 6.3 aus den Ergebnissen Schlussfolgerungen für Forschung, Praxis und Lehre gezogen.

Insgesamt zielt diese Arbeit darauf ab, einen Beitrag zur Erforschung der Dolmetschqualität zu leisten und dabei erstmals unter Ausschluss aller Störvariablen zu untersuchen, welche Rolle Redeflüssigkeit dabei tatsächlich spielt.

2Begriffsbestimmung

In diesem Kapitel sollen die für die vorliegende Arbeit zentralen Begriffe Qualität und Redeflüssigkeit definiert werden, was bei Begriffen, die beide von verschiedenen ForscherInnen wiederholt als „elusive“ bezeichnet wurden, keine leichte Aufgabe ist.

In den folgenden Abschnitten werden die Problematik der Definition sowie unterschiedliche Ansätze und Perspektiven beleuchtet und es wird dargelegt, wie die dieser Arbeit zugrundeliegenden Definitionen von Qualität als Wirkungsäquivalenz und Flüssigkeit als Funktion temporaler Variablen zustande kommen. Als erstes wird in Abschnitt 2.1 der Begriff der Qualität definiert. Dazu wird zunächst in 2.1.1 besprochen, aus wessen Perspektive die Qualität von Dienstleistungen im Allgemeinen und Dolmetschleistungen im Besonderen zu definieren ist. Darauf folgt in 2.1.2 ein Überblick über Qualitätsdefinitionen und 2.1.3 schließlich widmet sich der Operationalisierung der Qualitätsbegriffe für die Forschung. Anschließend wird in Abschnitt 2.2 die Redeflüssigkeit definiert, wobei auch hier zunächst in 2.2.1 ein Überblick über Definitionen geboten wird. In 2.2.2 werden die wichtigsten temporalen Variablen, aus denen sich Redeflüssigkeit nach der gewählten Definition zusammensetzt, beschrieben: Pausen, Unflüssigkeiten und Sprechgeschwindigkeit ist jeweils ein eigener Abschnitt gewidmet.

Aufbauend auf diesen Definitionen bietet Kapitel 3 einen Überblick über den Stand der Forschung zur Redeflüssigkeit beim Dolmetschen und die Qualitätsforschung in der Dolmetschwissenschaft, wobei vor allem die Überscheidungen dieser beiden Gebiete beleuchtet werden.

2.1Qualität

Obwohl sich die Translationswissenschaft seit gut drei Jahrzehnten mit dem Thema Dolmetschqualität auseinandersetzt, gibt es dafür keine einheitliche Definition – und wie Garzone (2003: 23) feststellt, hat sich diese Schwierigkeit im Laufe der Zeit durch das Hinzukommen neuer, ganzheitlicher Betrachtungsweisen der Dolmetschsituation als Hypertext oder als Ergebnis der Interaktion vieler externer Faktoren sogar erhöht (vgl. Pöchhacker 1994a, Kalina 2009, Grbić 2015). Gerade in dieser erweiterten Betrachtungsweise liegt jedoch auch der m.E. vielversprechendste Ansatz zur Beantwortung der Frage nach Dolmetschqualität.

Lange Zeit galt Qualität in der Dolmetschwissenschaft als „that elusive something which everyone recognizes but no one can successfully define“ (AIIC 1982: 1), wobei sich in der Folge zeigen wird, dass der erste Teil dieses Zitates – dass jeder Qualität erkennen könne – nicht unbedingt für alle Beteiligten gleichermaßen gilt. In einem im AIIC-Mitteilungsblatt Communicate! veröffentlichten Artikel fasst Kahane (2000) unter Bezugnahme auf Shlesinger (1997: 123), die Qualität als „an elusive concept, if ever there was one“ bezeichnet hatte, die Problematik treffend zusammen:

The amazing thing is that there is no such consensus. Granted, users and interpreters agree on certain quality criteria, but significant differences remain as to nuances, and especially as to the very essence of the elusive concept of quality; quality for whom, assessed in what manner? (Kahane 2000: 1)

Pöchhacker (2013: 34) hält dagegen, dass Qualität weniger „elusive“ als vielmehr komplex und mehrdimensional sei und daher naturgemäß mehr als eine Definition zulasse. Grbić bezeichnet Qualität als „fuzzy concept“, das aufgrund der zahlreichen unabhängigen Variablen nur schwer exakt zu definieren sei (Grbić 2008: 238). Die Sichtweise von Qualität als komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren wird u.a. auch von Collados Aís et al. (2007, 2011) und Kalina (2004, 2005, 2009) vertreten. Damit stellt sich die Frage nach den Kriterien und der Perspektive, die einer solchen Definition zugrunde liegen sollen, die bereits Shlesinger (1997: 123) stellt: „Quality according to what criteria? Quality for whom?“ Diese Frage ist allerdings nicht auf den Bereich der Dolmetschwissenschaft beschränkt, sondern stellt sich auch im Zusammenhang mit anderen Dienstleistungen. Im nächsten Abschnitt wird daher zunächst besprochen, aus wessen Sicht Qualität definiert werden kann oder soll, bevor in 2.1.2 auf Definitionen und Qualitätskriterien und in 2.1.3 auf deren Operationalisierung eingegangen wird.

2.1.1Qualität für wen?

DolmetscherInnen und DolmetschnutzerInnen haben oft unterschiedliche Vorstellungen von Qualität (siehe 3.2.1), weshalb sich beim Versuch, diese zu definieren, die Frage stellt, wer bestimmen soll, was Qualität ist. Sind es die DolmetscherInnen als ExpertInnen, aber eben auch DienstleisterInnen? Oder sind es die RezipientInnen des Zieltextes (ZT) als NutzerInnen bzw. KundInnen, die RednerInnen, deren Ausgangstext (AT) verdolmetscht wird und die somit auch KundInnen sind, oder gar KonferenzveranstalterInnen als eigentliche AuftraggeberInnen? Darüber herrscht bei weitem keine Einigkeit. Chiaro & Nocella (2004) stellen fest:

… there appears to be little harmony concerning which perspective to take when undertaking research: whether it is best to explore the success of an interpretation from the perspective of the interpreter or from that of the user is a debateable issue. Ideally, of course, both standpoints should be considered simultaneously … (Chiaro & Nocella 2004: 279)

Wie einleitend erwähnt ist die Schwierigkeit der Definition des Qualitätsbegriffes nicht auf die Translationswissenschaft beschränkt; auch in vielen anderen Bereichen – vor allem im Dienstleistungssektor – gibt es kein allgemein akzeptiertes Qualitätsverständnis, wie Bruhn (2016: 29) feststellt. Bei Dienstleistungen gibt es dabei laut Bruhn (2016: 29f.) zwei zentrale Ansätze, nämlich den produkt- und den kundenbezogenen Qualitätsbegriff. Beim produktbezogenen Qualitätsbegriff steht die Qualität als Summe oder Niveau vorhandener Eigenschaften im Vordergrund, wobei Bruhn diese Kriterien als objektiv bezeichnet aber auch einräumt, dass diese Kriterien im Dienstleistungsbereich schwer beobachtbar sind. Der kundenbezogene Qualitätsbegriff hingegen bezieht sich auf die „Wahrnehmung der Produkteigenschaften bzw. Leistungen durch den Kunden“ (Bruhn 2016: 29), was bedeutet, dass hier keine rein objektive, sondern vielmehr eine weitgehend subjektive Bewertung der aus KundInnenperspektive wichtigen Qualitätsmerkmale stattfindet. Die Anforderungen aus Kundensicht können sich dabei auf Potenzial, Prozess und Ergebnis der Dienstleistung beziehen. (Bruhn 2016: 30) Bei der Dienstleistung Dolmetschung könnten sich die Erwartungen beispielsweise auf verfügbare Sprachen und Dolmetschtechnik (Potenzial), angenehme und flüssige Vortragsweise, Akzent, inhaltlich korrekte und gut verständliche Dolmetschung (Prozess) sowie geglückte Kommunikation (Ergebnis) beziehen (für weitere Erwartungen von NutzerInnen siehe 3.2.1).

Zu Problemen kommt es vor allem dann, wenn die beiden Perspektiven stark auseinandergehen (Bruhn 2016: 29f.). Allerdings macht Bruhn (2016: 30) auch darauf aufmerksam, dass trotz der Bedeutung, die die KundInnenperspektive im Dienstleistungsbereich hat, die Qualitätskriterien nicht einseitig aus KundInnensicht festgelegt werden dürfen, sondern auch die Unternehmensperspektive berücksichtigt werden muss.

Bruhn spricht sich daher für eine Kombination der beiden aus und definiert den Begriff der Dienstleistungsqualität wie folgt:

Dienstleistungsqualität ist die Fähigkeit eines Anbieters, die Beschaffenheit einer primär intangiblen und der Kundenbeteiligung bedürfenden Leistung gemäß den Kundenerwartungen auf einem bestimmten Anforderungsniveau zu erstellen. Sie bestimmt sich aus der Summe der Eigenschaften bzw. Merkmale der Dienstleistung, bestimmten Anforderungen gerecht zu werden. (Bruhn 2016: 32)

Ein absoluter Qualitätsbegriff, der Qualität als Maß der Güte einer Leistung angibt (Bruhn 2016: 30), sei im Dienstleistungssektor nicht zielführend, da die Erwartungen an das Leistungsniveau aus Sicht des Leistungsempfängers, also der KundIn, festgelegt werden, womit subjektive und auch relative Einzelanforderungen ins Spiel kommen; vielmehr sei bei der Messung der Dienstleistungsqualität die Verknüpfung der beiden Qualitätsperspektiven sinnvoll (Bruhn 2016: 32). Schließlich nützt es wenig, wenn die Dienstleistung aus DienstleisterInnensicht von hoher Qualität ist, wenn die KundInnen dies nicht so sehen. (Bruhn 2016: 30ff.) Die wahrgenommene Dienstleistungsqualität wird durch die Erwartungen an die Dienstleistung einerseits und die gelieferte und wahrgenommene Dienstleistung andererseits bestimmt, wobei die Wahrnehmung individuell unterschiedlich sein kann (Bruhn 2016: 34).

Auf die Dienstleistung Dolmetschen umgelegt würde dies bedeuten, dass bei der Bestimmung von Dolmetschqualität sowohl die Perspektive der DienstleisterInnen (der DolmetscherInnen) als auch jene der KundInnen (ZT-RezipientInnen und andere obengenannte KundInnengruppen) berücksichtigt werden sollten. Diese klaffen aber nicht nur, wie erwähnt, häufig weit auseinander; auch innerhalb dieser beiden Gruppen herrscht keine Einigkeit über die zu verwendenden Kriterien. Deshalb kann beim Dolmetschen auch bei der produktbezogenen Perspektive (Bruhn 2016: 29) nicht von tatsächlich objektiven Kriterien die Rede sein. Gleichzeitig stellen DolmetscherInnen oft in Frage, ob KundInnen Dolmetschqualität (dabei meist im Sinne von inhaltlicher Richtigkeit und AT-Treue verstanden) überhaupt beurteilen könnten. Dies spiegelt sich auch in der etwas polemischen Frage von Shlesinger (1997: 126) wider: „Do our clients know what’s good for them?“ Grbić weist darauf hin, dass KundInnenorientierung wichtig sei, warnt aber davor, den KundInnen zu viel zuzumuten oder sich an einer idealen KundIn zu orientieren (Grbić 2008: 248). Déjean Le Féal hingegen ist der Meinung, dass neben Zielen wie dem gleichen Inhalt und der gleichen kognitiven Wirkung (vgl. 2.1.2) auch solche NutzerInnenerwartungen, die DolmetscherInnen oft nicht so wichtig seien, erfüllt werden sollten, etwa eine angenehme Stimme oder das Vermeiden von Pausen in der Dolmetschung, die nicht im Original vorhanden sind und die von ZuhörerInnen als Informationsverlust interpretiert werden können: „Rightly or wrongly, they assume that any such silence reflects a loss of information.“ (Déjean Le Féal 1990: 155) Damit führt sie die DolmetscherInnenperspektive mit jener der RezipientInnen zusammen und stellt fest: „Although we may not share their views on the last point, we should take their wishes into account insofar as possible. Indeed, our ultimate goal must obviously be to satisfy our audience.“ (Déjean Le Féal 1990: 155)

Der produktbezogene Qualitätsbegriff soll auch in der vorliegenden Arbeit verwendet werden, wobei hier „Produkt“ nicht im Sinne einer Aufnahme oder Transkription der Dolmetschung verstanden wird, sondern im Sinne des Ergebnisses, wie es weiter oben auch bei den KundInnenanforderungen dargestellt wurde. Für die vorliegende Arbeit wird „Verständlichkeit“ als Produkteigenschaft aufgefasst, die sowohl aus NutzerInnensicht als auch aus dolmetschwissenschaftlicher Sicht gefordert wird (vgl. 2.1.2). Verständlichkeit unterscheidet sich begrifflich vom Verstehensprozess als NutzerInnenleistung. Obwohl dieser produktbezogene Qualitätsbegriff nicht als objektiv angesehen werden kann, ist zumindest die Messung der kognitiven Wirkung möglich (vgl. 2.1.3). Die Produkteigenschaft der Verständlichkeit und inhaltlichen Richtigkeit wird auch von KundInnen gefordert, weshalb in diesem Fall der produktbezogene Qualitätsbegriff DienstleisterInnen- und KundInnenerwartungen in sich vereint. Im Gegensatz zu anderen Dienstleistungen ist es KundInnen bei Dolmetschungen üblicherweise nicht möglich, die gelieferte Leistung zu beurteilen, sondern es wird lediglich die wahrgenommene Leistung beurteilt. Daher soll hier statt des kundInnenbezogenen Qualitätsbegriffs von der subjektiven Bewertung bzw. Wahrnehmung durch die NutzerInnen gesprochen werden.

Im nächsten Abschnitt soll nun die für diese Arbeit herangezogene produktbezogene Qualitätsdefinition erarbeitet werden, die dann im Experiment (ab Kapitel 4) gemeinsam mit der subjektiven Bewertung durch die KundInnen untersucht und mit ihr verglichen wird.

2.1.2Zur Definition des Qualitätsbegriffes

Trotz der obengenannten Einschränkungen haben verschiedene PraktikerInnen und ForscherInnen den Versuch unternommen, Dolmetschqualität zu definieren. Einen Überblick über die verschiedenen Qualitätsansätze in Ausbildung, Praxis und Forschung bietet Grbić (2008). Alle hier zu besprechen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, daher soll in diesem Abschnitt eine kleine Auswahl der Ansätze vorgestellt werden und gezeigt werden, wie die für die vorliegende Arbeit verwendete Definition von Qualität als kognitive Wirkungsäquivalenz zustande kommt. Für eine ausführliche Darstellung des Qualitätsbegriffs im Allgemeinen und von Qualitätskonzepten in der Dolmetschwissenschaft im Speziellen sei an dieser Stelle auf Zwischenberger (2013) verwiesen.

Geschichtlich hat sich die Qualitätsforschung im Bereich der Dolmetschwissenschaft von der rein textuellen Ebene, bei der Transkriptionen von Dolmetschungen auf von den ForscherInnen selbst bestimmte Fehlerkategorien hin untersucht wurden (Barik 1973, Gerver [1969]/2000), über die Erhebung von Erwartungen von DolmetscherInnen und NutzerInnen sowie Bewertungen von Dolmetschleistungen (z.B. Bühler 1986, Kurz 1989, 1993, Vuorikoski 1993, 1998; siehe 3.2.1) hin zu einer ganzheitlichen Betrachtung der Dolmetschung in ihrem jeweiligen situativen Kontext entwickelt (z.B. Kalina 2004, 2005, 2009, Pöchhacker 1994a, 1994b, 2001, 2012, 2013, Viezzi 1996, 1999). Ein großer Teil der Qualitätsstudien enthält dabei keine Definition von Qualität im engeren Sinne, sondern versucht sich über eine Reihe von Qualitätskriterien an den Begriff der Qualität heranzuarbeiten (vgl. Mack & Cattaruzza 1995: 37). Dies ist, wie Garzone (2003: 23) feststellt, vor allem auf die Komplexität der Materie und die daraus resultierende Schwierigkeit einer eindeutigen Definition zurückzuführen.

Neben dem textbasierten Vergleich von AT und ZT wie bei Barik (1973) und Gerver ([1969]/2000) kommen in der Qualitätsforschung in der Dolmetschwissenschaft vor allem Erwartungserhebungen, Beurteilungen von Dolmetschungen durch verschiedene Zielgruppen sowie Messungen der Verständlichkeit des ZT zum Einsatz. Vor allem bei der Untersuchung lautsprachlicher Dolmetschungen sind Erwartungserhebungen und Bewertungen am häufigsten. Bei diesen wird meist eine Reihe von Qualitätskriterien verwendet. Dabei gibt es zwar Variationen in Umfang und Nomenklatur, allgemein herrscht aber Einigkeit darüber, dass neben der inhaltlichen Korrektheit und Vollständigkeit (Treue zum Original) verschiedene sprachliche (z.B. Terminologie, Stil, Präzision des Ausdrucks) und außersprachliche (z.B. Akzent, Intonation, Flüssigkeit) Faktoren eine Rolle spielen. (z.B. Bühler 1986, Kurz 1989, 1993, Moser 1995, Collados Aís et al. 2007, Zwischenberger 2013; für einen Forschungsüberblick siehe 3.2).

Wie genau diese Kriterien zu definieren sind und wie sie zusammenwirken, wird allerdings selten näher ausgeführt. Häufig sind Studien zu finden, in denen Kriterien von verschiedenen NutzerInnengruppen oder auch DolmetscherInnen nach ihrer Wichtigkeit bewertet werden oder Dolmetschungen nach diesen Kriterien beurteilt werden. Grundsätzlich zeigt sich dabei, dass unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Vorstellungen von Qualität haben. So sind DolmetscherInnen andere Aspekte wichtig als NutzerInnen, und auch unterschiedliche NutzerInnengruppen legen auf unterschiedliche Merkmale Wert. Hinzu kommt häufig eine Diskrepanz zwischen den Qualitätsmerkmalen, die bei a priori-Befragungen als wichtig bezeichnet werden, und jenen, die bei einer Bewertung einer tatsächlichen Dolmetschung als relevant empfunden werden. Dies liegt zum Teil daran, dass zumindest NutzerInnen wohl oft nur eine recht abstrakte Vorstellung davon haben, was ihnen bei einer Dolmetschung wichtig ist, und bei der Bewertung einer konkreten Dolmetschung oft auf ganz andere Faktoren Wert legen, kann teilweise aber auch darauf zurückzuführen sein, dass in den Befragungsbögen abstrakte oder schwer greifbare Begriffe wie „Qualität“ oder „Redeflüssigkeit“ nicht definiert werden und daher nicht sichergestellt werden kann, dass tatsächlich alle Befragten bei der Beantwortung von derselben Definition ausgehen (vgl. Collados Aís 2015: 337f.). Schließlich kommen mögliche unterbewusste Einflussfaktoren hinzu, z.B. der erste Eindruck der NutzerInnen, der Auswirkungen auf die Bewertung der Dolmetschung haben kann (vgl. García Becerra 2011), sodass z.B. eine unflüssige Dolmetschung womöglich als inhaltlich schlechter eingeschätzt wird als eine inhaltlich identische flüssige Dolmetschung (vgl. Garzone 2003). Auf diese und andere methodische Schwierigkeiten wird in 3.2.3 näher eingegangen.

Trotz all dieser Einschränkungen lässt sich allerdings feststellen, dass sowohl DolmetscherInnen als auch RezipientInnen die Übereinstimmung des ZT mit dem AT als wichtigstes Merkmal betrachten. Dieses Merkmal wird wahlweise als „accuracy“, „fidelity“ oder auch „sense consistency with the original“ bezeichnet, grundsätzlich ist damit aber stets gemeint, dass der Zieltext den Ausgangstext möglichst getreu wiedergeben soll. Ebenfalls häufig genannt wird „clarity“, was sich eher auf die Kohärenz und Nachvollziehbarkeit des ZT bezieht (Pöchhacker 2001: 413). Merkmale, die sich auf die sprachliche Form, prosodische Elemente und außersprachliche Faktoren beziehen, werden im Vergleich zu den inhaltsbezogenen Merkmalen meist als weniger wichtig eingeordnet, unter diesen wird jedoch der Redeflüssigkeit meist die bei weitem höchste Wichtigkeit eingeräumt (vgl. Collados Aís 2015: 337, Pradas Macías 2015: 166).

Neben der Literatur zu Qualitätsparametern gibt es auch eine Reihe von Qualitätsmodellen und -definitionen, die von einem eher holistischen Ansatz ausgehen, bei dem nicht nur Merkmale des Zieltextes, sondern auch Merkmale des Ausgangstextes sowie externe, kontextabhängige Faktoren wie Vorbereitung, Publikum oder Dolmetschsituation zur Qualität beitragen.

So schlägt Kopczyński (1994: 189f.) vor, bei Dolmetschungen zwischen sprachlicher und pragmatischer Qualität zu unterscheiden. Die sprachliche Qualität sieht er dabei als „a set of rigid standards of equivalence in content and form between the spoken messages in L1 and L2“ (Kopczyński 1994: 189), während in der pragmatischen Sichtweise Qualität keine absolute Größe sein könne, da sie durch kontextabhängige Variablen wie die RednerIn, die ZuhörerInnen, deren Intentionen und die Dolmetschsituation beeinflusst werde. Moser-Mercer (1996) prägt den Begriff „optimum quality“, den sie wie folgt definiert:

Optimum quality in professional interpreting implies that an interpreter provides a complete and accurate rendition of the original that does not distort the original message and tries to capture any and all extralinguistic information that the speaker might have provided subject to the constraints imposed by certain external conditions. (…) Optimum quality is the quality an interpreter can provide if external conditions are appropriate. (Moser-Mercer 1996: 44)

In beiden Fällen wird externen Faktoren ein Platz eingeräumt, weder Moser-Mercer (1996) noch Kopczyński (1994) definieren dabei allerdings, was eine vollständige, korrekte oder treue Dolmetschung im Detail ausmacht. Zudem sieht Moser-Mercer Fehlerkategorien für die Bewertung von Dolmetschqualität als unabdingbar an (1996: 51).

Mack & Cattaruzza (1995) gehen von einer eher rezipientInnenorientierten Sichtweise aus, bei der Qualität als die Erfüllung von NutzerInnenerwartungen betrachtet wird:

As is the case for many other products or services, quality of conference interpretation could be defined as the interpreter’s capability to perform the function offered or required. An important aspect of quality would thus be the degree to which customers’ needs are met. (Mack & Cattaruzza 1995: 38)

Auch laut Kurz (2001) sollte für DolmetscherInnen als DienstleisterInnen die Erfüllung der KundInnenerwartungen im Vordergrund stehen, wobei sie aber auch betont, dass im Fall von falschen Vorstellungen der KundInnen die DolmetscherInnen diese informieren können und sollen.

Eine Kombination aus RezipientInnen- und RednerInnenorientierung wird bei Shlesinger (1997) als mögliches Qualitätsmaß besprochen, allerdings durchaus kritisch. So wird darauf hingewiesen, dass ZuhörerInnen allein die Qualität einer Dolmetschung nicht beurteilen könnten, da sie einerseits den AT nicht verstehen, andererseits (wie bereits oben erwähnt) keine homogenen Erwartungen haben. Zudem merkt sie unter Bezugnahme auf Viezzi an: „quality is a feature of an interpreter’s performance even when nobody is listening“ (Shlesinger 1997: 127).

Kalina (2004, 2005, 2009) wendet sich von der ausschließlich rezipientInnenorientierten Perspektive ab, da Dolmetschqualität ihrer Ansicht nach „nicht allein das ist, was von Zuhörern als solche wahrgenommen wird“ (Kalina 2009: 172). Vielmehr gilt für sie ein prozessorientierter Ansatz, in dem Qualität „der gelungene Einsatz von Dolmetschstrategien zur Lösung von Problemen im Verstehensvorgang, zur Erreichung translatorischer Lösungen und zur erfolgreichen Produktion des ZT“ ist (Kalina 2009: 171). Dabei ist für sie nicht die DolmetscherIn allein für Qualität zuständig (Kalina 2004: 6). Vielmehr ist Qualität beim Dolmetschen ihrer Ansicht nach von einer Vielzahl von Faktoren wie Erfordernissen und Präferenzen der KommunikationsteilnehmerInnen, der Situation, der Qualität des AT und der Vortragsweise der RednerIn abhängig, sodass man nicht von einer festgelegten Qualitätsnorm sprechen könne, die immer erreichbar sei, sondern die Definition von Qualität stets an die Bedingungen der jeweiligen Dolmetschsituation geknüpft sei (Kalina 2009: 177).

Ähnlich sehen es Chiaro & Nocella (2004), die zum Abschluss ihrer Erhebung von Qualitätskriterien unter DolmetscherInnen feststellen, dass sich zwar einige Kriterien festmachen ließen, die die Grundlage für eine Qualitätsdefinition darstellen könnten, diese Kriterien aber nicht allein von den DolmetscherInnen beeinflusst werden könnten:

There appears to be an element of uncontrollability inherent to the interpretative process that is obviously linked to the ‘speaker-interpreter-environment’ triad. This triad, according to us, appears to generate both technical and personal difficulties as well as variables that are highly dependent on the context of the situation. None of these elements are easy to postulate a priori. In conclusion, the absence of quality standards that characterises the work of professional interpreters appears to be linked to the uniqueness of the interpreting process itself. (Chiaro & Nocella 2004: 291)

Die Bedingungen, unter denen eine Dolmetschung entsteht, sind auch für Garzone (2003) für die Qualitätsdefinition von Bedeutung. Für sie muss die Beurteilung von Qualität durch die ZT-ProduzentInnen und RezipientInnen stets ein Kompromiss zwischen der Vorstellung einer „idealen“ Dolmetschqualität und den realistischeren Erwartungen, die unter den tatsächlichen Bedingungen angemessen sind, bleiben (Garzone 2003: 24). Sie stellt fest:

Of course, in professional practice interpreters try to live up to those ideal quality standards, but in general they work in a situation of continuous emergency due to severe time constraints, to cognitive overload (…). Thus, in order to meet the best possible quality standards the interpreter’s behaviour has to incorporate a whole range of emergency procedures: ultimately, the quality of a SI performance is the result of a compromise between abstract standards and the constraints imposed by the real conditions under which it is performed. (Garzone 2003: 24f.)

Eine produktorientierte Betrachtungsweise der Dolmetschung als „Text“, der sowohl akustische als auch visuelle Elemente enthält und als Ganzes eingebettet in ein Verständnis der Konferenz als Hypertext betrachtet werden sollte, findet sich bei Pöchhacker (1994a, 1994b), der sich für eine sorgfältige Dokumentation nicht nur der Dolmetschung sondern auch der Begleitumstände zur Beurteilung einer „quality under the circumstances“ (Pöchhacker 1994b: 242) ausspricht. Wie Moser-Mercer (1996) und Kalina (2009) sieht er Qualität also nicht als absolute Größe, sondern als von den jeweiligen Bedingungen beeinflusst.

Viezzi (1996, 1999) stellt ein Qualitätsmodell auf, in dem Qualität als der Erfüllungsgrad der vier Ziele equivalenza, accuratezza, adeguatezza und fruibilità definiert ist (Viezzi 1996: 79). Dabei betont er, dass unter equivalenza (Äquivalenz) nicht eine völlige Übereinstimmung zu verstehen sei, sondern vielmehr die Gleichwertigkeit zweier unterschiedlicher Elemente. Er verortet sie auch nicht auf der rein sprachlichen Ebene, sondern vielmehr im Bereich der kommunikativen Funktion, der soziokommunikativen Werte und der globalen Bedeutung des Textes. Das Ziel der Äquivalenz ist demnach die Produktion eines ZT, der die gleiche kommunikative Wirkung hat wie der AT und der zur Kultur der Zielsprache im gleichen Verhältnis steht wie der AT zur Kultur der Ausgangssprache. (Viezzi 1999: 146f.) Das Ziel der Äquivalenz ist eng mit den anderen drei verbunden: accuratezza (Präzision) bezieht sich auf die sprachliche Ebene, wobei auch hier keine absolute Übereinstimmung postuliert wird, adeguatezza (Angemessenheit) bezieht sich auf notwendige Anpassungen an die Zielkultur sowie das Sprachregister, und fruibilità (Verwertbarkeit) zielt darauf ab, den Zieltext für die RezipientInnen so gut verwertbar bzw. verständlich zu machen wie möglich, wozu neben einer klaren Ausdrucksweise auch prosodische Merkmale wie Intonation, Pausen, Stimmqualität, Häsitationen und Selbstkorrekturen zählen. (Viezzi 1999: 147–150)

Déjean Le Féal (1990) ist der Meinung, dass eine professionelle Dolmetschung den gleichen kognitiven Inhalt und die gleiche Wirkung auf die ZuhörerInnen haben sollte wie der Ausgangstext:

What our listeners receive through their earphones should produce the same effect on them as the original speech does on the speaker’s audience. It should have the same cognitive content and be presented with equal clarity and precision in the same type of language. Its language and oratory quality should be at least on the same level as that of the original speech, if not better, given that we are professional communicators, while many speakers are not, and sometimes even have to express themselves in languages other than their own. (Déjean Le Féal 1990: 155)

Sowohl Déjean Le Féal (1990) als auch Kalina (2009) sprechen sich für den Vergleich der Wirkung auf AT- und ZT-RezipientInnen aus, was in 2.1.3 näher ausgeführt wird.

Bereits Jean Herbert (1952) legte großen Wert auf die gleiche Wirkung und den gleichen Inhalt von AT und ZT: Die zentrale und unmittelbare Aufgabe von DolmetscherInnen bestand für ihn darin, „to enable his audience to know accurately what the speaker intended to convey, and to make on the audience the impression which the speaker wishes to be made“ (Herbert 1952: 23).

Ähnlich, wenn auch ohne Hinweis auf die Wirkung, formuliert es Seleskovitch (1988), die schreibt:

Ziel des Dolmetschers ist es, seinen Zuhörern die Aussage absolut getreulich weiterzuvermitteln, das heisst, sie ihnen ebenso gut verständlich zu machen, wie sie von denen verstanden worden ist, die sich den Redner im Original anhören. (Seleskovitch 1988: 101)

Auch Vuorikoski ist der Meinung, die Dolmetschung solle den ZuhörerInnen einen Eindruck der Rede vermitteln „which is equal to the one they would have created had they been listening to the original speech directly“ (Vuorikoski 2004: 71), analysiert dies aber über einen Vergleich des AT und ZT. Sie schlägt eine Neuformulierung der oben zitierten Qualitätserwartung von Déjean Le Féal vor:

What the listeners receive through interpreters should convey the same arguments as expressed by the speaker. The genre, register, and illocutionary point should remain the same. In other words, the speaker’s logos, pathos and ethos should be conveyed to the listeners. (Vuorikoski 2004: 250)

Das Prinzip der gleichen kommunikativen bzw. kognitiven Wirkung sieht auch Pöchhacker (2012: 23) als Qualitätsanspruch für Dolmetschungen. Bereits 1997 fordert Pöchhacker die Untersuchung des kognitiven Endergebnisses der Dolmetschung als Instrument der Qualitätsbeurteilung (Shlesinger 1997: 130). Gerade aufgrund der großen Bandbreite von Einsatzbereichen und Situationen spricht er sich gegen eine rein sprachliche Betrachtung von Qualität aus:

(T)he concept of quality cannot be pinned down to some linguistic substrate but must be viewed also at the level of its communicative effect and impact on the interaction within particular situational and institutional constraints. (Pöchhacker 2001: 421)