Reise in den Süden - Erdmann Kühn - E-Book

Reise in den Süden E-Book

Erdmann Kühn

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Beschreibung

Bilder und Impressionen von einer Reise in den Süden im unmöglichen Jahr 2020. Jahrelang hat er davon geträumt: Alleine unterwegs in den Süden, ohne feste Route, ohne Zeitbegrenzung. Sich einfach treiben lassen. Die Welt anhalten, den Moment genießen. Aber alles läuft völlig anders als gedacht. Der erste Versuch muss nach einer Woche abgebrochen werden. Beim zweiten Anlauf ändert sich die Reiseroute und wird dann immer wieder neu angepasst. So wie es Ilija Trojanow vorhergesagt hat: Wer genau das erlebt, was er erwartet hat, der war nicht wirklich auf Reisen. Überwältigt und glücklich von Eindrücken und Begegnungen, die man nicht planen kann, kehrt der Reisende zurück und möchte ein kleines bisschen von diesem Glück weitergeben.

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Erdmann Kühn ist in Berlin geboren und aufgewachsen und hat in Köln Kunst und Musik studiert. Er lebt im Rheinland als Musiker und Chorleiter, er singt, komponiert, arrangiert und schreibt.

Neben „Jascheks Reise“ sind von Erdmann Kühn erschienen: „Himmel und Erde – Vaters Tagebücher 1926 – 1946“, „Dörte – Chronik einer Liebe“, „Am Tag, als er sein Spiegelbild grüßte – Ein Lehrer verschwindet“ und die drei Bücher der Friedel-Trilogie „Der Junge auf der Schaukel“, „Abschied von Berlin“ und „Mein Kopf, der ist ein Zimmer“.

Inhalt

Prelude

Vive la Trance

Bella Italia

Mezzogiorno

Sicilia

Ritorno

Ich bin unterwegs nach Süden

und will weiter bis ans Meer ...

Hannes Wader

Ich geh heut in ein andres Land,

ich kenn‘ es gut, es ist mir unbekannt.

Elster Silberflug

Reisen ist fatal für Vorurteile,

Bigotterie und Engstirnigkeit.

Mark Twain

Es gibt keine fremden Länder.

Nur der Reisende ist ein Fremder.

Robert L. Stevenson

Der wahre Reisende hat keinen festgelegten Weg,

noch will er ans Ziel.

Lao-Tse

Prelude

Schon so lang habe ich davon geträumt. Nach so vielen Jahren an der Schule rückt die Pensionierung immer näher und damit der alte Traum vom Reisen. Reisen, die nicht gebucht und nicht vorgeplant werden. Reisen, die kein festes Ende haben und jederzeit die Richtung wechseln können. Reisen ohne „Das musst du unbedingt gesehen haben!“ Reisen ohne genaues Ziel, mit genügend Raum und Zeit für Überraschungen und Begegnungen.

Ich bin in meinem Leben gerne und viel gereist. Die eindrucksvollsten Momente waren oft die gänzlich ungeplanten und überraschenden. Wenn man nicht genau weiß, wo man auskommen und übernachten wird. Unvergesslich die Übernachtung im Zelt auf einer irischen Bullenwiese oder bei Mickey, einem mindestens 80-jährigen Farmer auf der Klappliege in seinem Wohnwagen unter dem Bild vom Papst. Meine Fahrten als Student mit der blau angestrichenen Kastenente mit Schaumstoffmatratze durch England, Wales und Schottland. Ich träume davon, so oder so ähnlich noch einmal durch die Welt zu ziehen.

In meinen letzten Jahren an der Schule mache ich brav meinen Job, auch wenn es manchmal an meine Grenzen geht. Zu Hause träume ich von der großen Reise und schaue mich im Internet nach geeigneten Fahrzeugen um. In Südamerika kann man tatsächlich noch eine Reise-Kastenente mieten, aber ich will ja in Europa bleiben. Viel größer als eine Kastenente soll mein Reisemobil nicht sein. Es soll Schlafplatz für ein oder zwei Leute bieten, aber die Außenmaße eines normalen Autos nicht überschreiten. Kein Campingbus mit Klo und Dusche, auch auf eine ausfahrbare Satellitenschüssel kann ich prima verzichten. Nach dem Studium unzähliger, mich zunehmend verwirrenden Selbstbauanleitungen für Berlingos und Caddys stelle ich mir die Frage: Schaff ich das wirklich alleine?

Als Antwort finde ich meinen Mini-Camper in Bayern, schon fertig ausgebaut mit allem, was ich brauche: Schnell und unkompliziert ausziehbares Sofa mit zwei Metern Länge, darunter Staufächer und eine Kühl-Schublade. Ein kleines Spülbecken mit Wasserkanistern und einklappbarem Tischchen. Unter dem Fahrersitz eine zweite Batterie, auf dem Dach ein Solar-Panel. Unter dem Beifahrersitz eine Standheizung für kalte Nächte. Eine Schiebetür mit Klappfenster und Verdunkelung. Der Innenraum komplett flauschig isoliert, an der Decke kleine Licht-Spots, an der „Küchenwand“ USB-Stecker zum Aufladen von Handys, Lautsprechern, Kopfhörern, Camping- und Fahrradleuchten.

Die ersten, die das neue Campingmobil erfolgreich auf Reisetauglichkeit prüfen, sind meine beiden erwachsenen Kinder, die damit zum Mittsommer nach Schweden fahren. In den Sommerferien besteht es dann auch mit Bravour den ersten Tauglichkeitstest für Ehepaare, allerdings nur, wenn man nachts mit 1,20 Meter Bettbreite zurechtkommt. Schön kuschelig ist es allemal.

In der folgenden Zeit vervollständigt sich meine Ausstattung für die Soloreise nach und nach. Es ist nicht viel, was man gegenüber einer Reise zu zweit einsparen kann, besonders, wenn man lange unterwegs sein will und mit größeren Temperaturschwankungen rechnen muss. Auch die Richtung, in die es gehen soll, konkretisiert sich: in den Süden. Am liebsten erst einmal über Frankreich und Spanien nach Portugal, auf den Spuren einer Reise, die ich vor fast vierzig Jahren alleine, ohne Auto und Zelt unternommen habe.

Ende Januar werde ich pensioniert, im Februar räume ich auf und besuche alte Freunde in Deutschland, die ich lange nicht gesehen habe. Im März geht es dann endlich los, erst einmal an den Bodensee, um die Familie meiner Schwester zu besuchen. Wir machen einen Tagesausflug zum immer neu faszinierenden Rheinfall bei Schaffhausen. Während ich ganz dicht am tosenden Wasser stehe und mir die Gischt ins Gesicht spritzt, merke ich einmal wieder, dass es stets die Flüsse und Ufer sind, die mich magisch anziehen.

Von dort geht es weiter, erst auf der deutschen, später auf der Schweizer Seite am Rhein entlang und dann in die Berge Richtung Schweizer Jura. Im Grenzstädtchen Le Locle suche ich nach Erinnerungsstücken an eine Reise, die ich als Fünfjähriger mit meiner Tante dorthin gemacht habe. Aber all das Idyllische, die Gerüche von Heu, die braunen Kühe und Almwiesen finde ich natürlich nicht in der Stadt, die mir viel größer und hässlicher erscheint als damals. Wo der Bauernhof lag, weiß ich leider nicht, irgendwo oben in den Jurabergen. Aber als ich in Le Locle vor dem Straßencafé sitze, genieße ich meinen ersten original französischen Café, die Sonne, die französische Sprache, die für mich immer nach Urlaub, Sonne, guter Laune und gutem Essen klingt.

Und schon bin ich auf der französischen Seite des Jura, suche einige kleine Campingplätze auf, die aber noch geschlossen sind. Die Temperaturen sind tagsüber annehmbar, wenn die Märzsonne herauskommt, aber nachts ist es in den Bergen noch ziemlich schattig. So stelle ich mich in Pont d‘Ain ans Flussufer des Ain und schlafe für die erste Reiseübernachtung im Freien ganz ordentlich. Auf der kurvenreichen Berg- und Talfahrt über Gap und Sisteron gibt es immer wieder wunderschöne Ausblicke in die schon frühlingsgrünen Täler und auf die hohen Berge in der Ferne, die noch ihr winterliches Schneekleid tragen.