Reise Know-How KulturSchock Peru - Anette Holzapfel - E-Book

Reise Know-How KulturSchock Peru E-Book

Anette Holzapfel

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Beschreibung

KulturSchock Peru ist der informative Begleiter, um Peru und seine Bewohner besser zu verstehen. Er erklärt die kulturellen Besonderheiten, die Denk- und Verhaltensweisen der Menschen und ermöglicht so die Orientierung im fremden Reisealltag. Unterhaltsam und leicht verständlich werden kulturelle Stolpersteine aus dem Weg geräumt und wird fundiertes Hintergrundwissen zu Geschichte, Gesellschaft, Religion und Traditionen vermittelt. Dazu: Verhaltenstipps A-Z mit vielen Hinweisen für angemessenes Verhalten, Verweise auf ergänzende und unterhaltsame Multimedia-Quellen im Internet, Literaturempfehlungen zur Vertiefung … Ein armes Land mit indianischer Bevölkerung, hohen Bergen und Panflötenmusik: Diese weit verbreiteten Klischees haben mit dem heutigen Andenland und seinen Bewohnern nichts gemein. Menschen aus fünf verschiedenen Kontinenten, die sich teilweise stark vermischt haben, aber auch noch in sehr gespannten Beziehungen miteinander leben, prägen die kulturelle Vielfalt des Landes. Perus Gegensätze faszinieren und schockieren. Modernisierung und Globalisierung verändern die städtische Gesellschaft rasant, während in den armen Gebirgs- und Urwalddörfern die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. ++++ Aus dem Inhalt: - Vielvölkerstaat Peru: Indigene, europäische und asiatische Einwanderer, Afro-Peruaner ... - Religion und Magie: Christentum, Berggötter, Magier, Drogen für spirituelle Visionen ...

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Seitenzahl: 511

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Bienvenidos al Peru!

Willkommen in Peru, einem Land, dessen 7000-jährige Geschichte ebenso abwechslungsreich ist wie seine Landschaften. Von den Wellen des Pazifik, die jedes Surferherz höher schlagen lassen, sind es nur wenige Stunden bis zu den schneebedeckten Gletschern der Anden. Vielfältig sind auch die Vegetation und das Klima. Während die Temperaturen in den Anden schon einmal unter Null Grad Celsius sinken, kann die Hitze im tropischen Regenwald, der sich im Osten an das Hochland anschließt, sogar nachts unerträglich sein. Innerhalb kürzester Zeit gelangt man in unterschiedliche Klimazonen, was wie eine Abfolge der Jahreszeiten im Zeitraffer wirkt. Nahezu alles gedeiht an vielen Orten und man kann eine Vielfalt an Lebensmitteln ganzjährig auf den Märkten kaufen.

Peru gehört zu den Ländern mit der größten Pflanzen- und Tiervielfalt der Erde. 28 der insgesamt 32 Klimatypen weltweit kommen hier vor.

Zur Ernährung der Erdbevölkerung hat Peru einige seiner über 100 Kartoffelsorten beigesteuert, auch Getreide mit hochwertigen Eiweißen wie Amaranth, der in Peru kiwicha heißt, und die „Andenhirsen“ Quinoa und Cañihua. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte 2013 zum „Jahr der Quinoa“, weil die Pflanze mithelfen könne, den Welthunger zu bekämpfen. Der maiz gigante („Riesenmais“), eine der 50 peruanischen Maissorten, wächst nur im „Heiligen Inka-Tal“ bei Cusco. Aromatische Paprikaschoten, in Peru ají genannt, geben den Speisen eine besondere Würze. Seit 4000 Jahren bauen die Peruaner Maniok (yuca) und pallar, die riesige Mondbohne, an. Die Vielfalt der peruanischen Küche haben nicht nur die peruanischen Sterneköche neu entdeckt, Peru wurde für seine Gastronomie auch im Ausland prämiert. Durch erstklassige Restaurants ist Lima zur kulinarischen Hauptstadt Lateinamerikas aufgestiegen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde hier der „Pisco Sour“ erfunden, ein Aperitif aus Traubenbranntwein, Limettensaft, Rohrzuckersirup und Eiweiß, den ein Spritzer Angosturabitter oder eine Messerspitze Zimt verfeinert. Auf Empfängen wird kein „Vin d‘ honneur“, sondern „Pisco de Honor“ serviert.

Die 31 Millionen Peruaner gehören 77 Ethnien an und sprechen 68 verschiedene Sprachen; ihre Vorfahren waren Amerikaner, Europäer, Asiaten, Afrikaner oder Südseebewohner.

Einen Kulturschock erlebt man nicht direkt bei der Ankunft, sondern vielmehr während des Aufenthalts im Land. In den Parks der modernen Stadtviertel von Lima scheint es Wasser im Überfluss zu geben. Wer in einer auf Wüstensand erbauten Hütte am Stadtrand lebt, leidet dagegen permanent unter Wassermangel. Die Wohlhabenden arbeiten in modernen Geschäfts- und Bankenvierteln, treffen sich in renommierten Privatklubs, ihre Söhne und Töchter studieren an privaten Universitäten. Über die Armut in den Gebirgs- und Urwalddörfern wissen sie wenig. Ihrer harten Lebensbedingungen im Hinterland überdrüssig, strömen ehemalige Bauern in Massen nach Lima und werden dort von Alteingesessenen als Bedrohung wahrgenommen.

Die Modernisierung wird immer rasanter. Die Peruaner integrieren sich mit bewundernswertem Geschick in die fortschreitende Globalisierung. Gleichzeitig bewahren sie ihr kulturelles Erbe, das beispielsweise aus rituellen Praktiken und Glaubensvorstellungen aus der Inka- und Vorinkazeit stammt und insbesondere eine Vielfalt an Tänzen, Kostümierung und musikalischen Genres umfasst, die auf dem Kontinent ihres Gleichen sucht. Kein religiöses Fest wird ohne traditionelle Tänze gefeiert. Tanzgruppen begleiten Jesus Christus, die Muttergottes und die Heiligen. Das musikalische Erbe der afrikanischen Sklaven kann man in von Afro-Amerikanern betriebenen Tanzlokalen erleben. Das staatliche Folkloreballett zeigt dem städtischen Publikum moderne Kompositionen traditioneller Tänze. Liebhaber klassischer Musik können Konzerte des Nationalen Symphonieorchesters und mit etwas Glück einen Auftritt des peruanischen Tenors Juan Diego Florez genießen.

Perus Gegensätze faszinieren und schockieren. Die ethnische Vielfalt ist Bereicherung und führt zu spannungsgeladenen Konflikten, die sich teilweise in Protesten und Auseinandersetzungen mit vielen Verletzten und manchmal mit Toten entladen.

Trotz aller Gegensätze fühlen viele Peruaner sich inzwischen als Teil einer Nation und sind stolz auf ihr Land, das Fremden so viel zu bieten hat. Gern laden sie Ausländer zu lokalen Festen oder Familienfeiern ein. Es gibt keine bessere Gelegenheit, das peruanische Lebensgefühl zu spüren, als mit Einheimischen zu trinken, zu essen und zu tanzen. Und es gibt keine bessere Lektion fürs Leben, denn die Peruaner trotzen den Problemen des Alltags mit ausgelassener und ansteckender Lebensfreude.

Nach 20 Jahren Leben und Arbeiten in Peru ist das Land für mich zur zweiten Heimat geworden. Das Umfeld und die Menschen sind mir tief vertraut und Teil meiner Sicht auf die Welt geworden. Es scheint mir aber, dass Menschen aus „entwickelten Ländern“ Peru manchmal vorschnell als „unterentwickelt“ oder „hinterwäldlerisch“ abqualifizieren. Wem es während seiner Reise gelingt, das Land und die Leute nicht von außen mit mitgebrachten Maßstäben zu beurteilen, sondern es von innen heraus und aus der Sicht der Peruaner zu verstehen, der wird anschließend gewiss um vieles reicher sein.

Annette Holzapfel

Inhalt

Verhaltenstipps A–Z

Geschichte

Die ersten Einwanderer und ihre Siedlungsformen

Kulturen vor dem Inkareich

Das Imperium der Inka

Die spanische Eroberung

Die Kolonialzeit

Vom Vizekönigreich zur Republik

Das 20. Jahrhundert und der Indigenismo

Das 21. Jahrhundert – Frauen und Indigene drängen an die Macht

Der „Ort der Erinnerung“ und die „Kommission der Wahrheit“

Völker und Kulturen Perus

Peru – ein Vielvölkerstaat

Urbevölkerung oder Indigene

Identität und Patriotismus

Das Hinterland

Einwanderer aus Europa und Amerika

Juden

Afro-Peruaner

Chinesen und Tusan

Maori

Nisei – die Nachkommen der japanischen Einwander

Araber, Iraner, Pakistanis

Zuwanderer aus deutschsprachigen Ländern

Natur und Umwelt

Landschaften und Klima, Berggötter und „Christkind“

Das Christkind und die Rache der Natur

Umweltschutz und Umweltzerstörung

Koka, geliebte und heilige Pflanze der Anden

Die peruanische Gesellschaft heute

Wirtschaftliche und soziale Unterschiede

Politik und Parteien

Die Guerillabewegungen der 1980er- und 1990er-Jahre

Terrorismus und Bürgerkrieg in der Volkskunst

Gegen das Vergessen

Medien und soziale Netzwerke

Das Bildungssystem

Das Gesundheitssystem

Ethnien, Stereotype, Vorurteile

Lebenswelten

Musik und Tänze

Revolution in der Küche

Deutsche Präsenz

Geschlechter und Familie

Frauen in Peru

Homosexualität

Stationen des Lebens

Religion und Magie

Die Christianisierung Perus

Das Christentum im heutigen Peru

Evangelikale Glaubensgemeinschaften

Die sakrale Welt

Christus in Peru

Die sakrale Bedeutung der Koka: Opfer und Orakel

Drogen für spirituelle Visionen und schamanistische Sitzungen

Magier und traditionelle Priester

Magie im Geschäft

Wirtschaft

Lateinamerikanischer Tiger mit divergierenden Wachstumsideologien

Regionale Produkte für den Export

Baubranche, Tourismus, Banken und Emigration

Armut, Wohlstand und Wirtschaftswachstum

Aufsteigen um jeden Preis – von der Schattenwirtschaft zum Kleinunternehmer

„La empleada“ – die Arbeit im Haushalt als Tor zur Bildung

Kinderarbeit – Ausbeutung oder eine Chance, Armut und Gewalt zu entkommen

Bergbau und Prostitution

Handel mit Koka oder Kokain – der schnelle Weg zu Reichtum

„Sag, ich kann das!“ – Arbeit und Kreativität

Der Alltag von A bis Z

Arbeitsleben

Behörden

Essen und Trinken

Feste und Feiern

Freizeit

Infrastruktur, Transport und Verkehr

Kommunikation

Korruption

Kriminalität

Müll

Polizei

Sprache

Zeit und Ort

Als Fremder in Peru

Das Verhältnis der Peruaner zu Ausländern

Armut und Tourismus

Das Deutschlandbild der Peruaner

Bei Peruanern zu Gast

Anhang

Glossar

Quellenangaben

Literaturtipps

Peru im Internet

Register

Übersichtskarte Peru

Die Autorin

Exkurse zwischendurch

Dilma und Eufronio

Der „Herr der Wunder“ und der „Herr der Erdbeben“

Guanakirma, die blutsaugende Göttin

Yaku Raymi – das Fest des Wassers

Das Wichtigste ist die Bildung

Abseits der Touristenroute

Peruanische Volkstänze an einer Elite-Universität

Der fünfte Sohn wurde auf einem Kartoffelfeld geboren

Die Kinder vor Gefahren schützen

Catalina

Adelina

Die Schreckenskrankheit

Friedhöfe im urbanen Peru

Eine wilde Horde bringt eine neue Religion ins Land der Inka

Santa Rosa de Lima

San Martín de Porres

Die eigentlichen „Besitzer“ des Ackerlandes

„Pariapunko“ – der Wasserspender

Vom Blitz Getroffene

„Pachamama“ – die Mutter Erde

Der Berggott „Wamani“ verkörpert sich im „Scherentänzer“

Der „Herr vom Sternglanzschnee“ und die Eroberung der Kathedrale

Produkte für den Weltmarkt

Eisern sparen und über sich selbst hinauswachsen – Maria

Traditionslokale in Lima: Antigua Taberna Queirolo und El Cordano

Einige Redewendungen

Extrainfos im Buch

ergänzen den Text um anschauliche Zusatzmaterialien, die vom Autor aus der Fülle der Internet-Quellen ausgewählt wurden. Sie können bequem über unsere spezielle Internetseite www.reise-know-how.de/kulturschock/peru17 durch Eingabe der jeweiligen Extrainfo-Nummer (z. B. „#1“) aufgerufen werden.

Verhaltenstipps A–Z

  Adresse: Wer Peruaner zu Hause besucht, braucht eine genaue Wegbeschreibung. Man sollte wissen, wo man abbiegen muss und welche auffallenden Gebäude sich in der Nähe befinden. Das Erdgeschoss gilt in Peru als „erste Etage“ (primer piso). Auch die Apartmentnummer sollte man kennen oder wissen, auf die wievielte Klingel von unten/oben, links/rechts man drücken muss. An den meisten Hauseingängen gibt es keine Namensschilder neben den Klingeln. Damit man notfalls noch einmal anrufen und nachfragen kann, sollte man sich eine Festnetz- oder Mobilfunknummer geben lassen. Es ist gut möglich, dass man die Festnetznummer nicht im Telefonbuch findet. Jedenfalls sollte man nicht darauf vertrauen, auskunftsbereite Nachbarn anzutreffen. Das resultiert keineswegs aus Unhöflichkeit, sondern dient dem Schutz vor Einbrechern. Gibt es in dem Haus einen Hausmeister, weiß dieser in der Regel, wo der Gesuchte wohnt, und er wird es dem Fragenden verraten, wenn der ihm vertrauenswürdig erscheint.

In den Armenvierteln gibt es keine Straßennamen, sondern Häusergruppen, die mit Nummern und Buchstaben bezeichnet werden. Innerhalb dieser Gruppen erhält jeder Block und innerhalb eines Blocks jede Wohnung einen Buchstaben bzw. eine Nummer. Ohne diese Angaben lässt sich eine Familie bei Einwohnerzahlen von 5000 oder 10.000 Bewohnern pro Viertel schwer finden. Klingeln gibt es in den asentamientos humanos nicht. Man ruft oder rasselt mit dem metallischen Türschloss so lange, bis eine Stimme aus dem Innern antwortet.

In den reichen Vierteln, wo Villen sich hinter hohen Mauern verbergen, dient die Gegensprechanlage zur Identifikation des Besuchers. Nur wenn dieser bekannt und angekündigt ist, wird nach einigem Warten – der Weg vom Innern des Hauses bis zum Eingang ist weit – die Pforte geöffnet.

  Ahnen und Vorfahren: An Allerheiligen sowie an Geburts- oder Todestagen versammeln sich die Familien an den Gräbern ihrer Angehörigen. Sowohl im Hochland als auch unter andinen Zuwanderern in Lima ist es üblich, am Grab eines Verstorbenen Koka zu kauen, Schnaps oder Bier zu trinken und einen Friedhofsmusikanten zu engagieren. Gräber von Kindern werden an ihren Geburtstagen mit Luftballons und anderen Lieblingsgegenständen des Kindes geschmückt. Im Hochland fürchten die Bauern sich noch heute vor den in Form von Skeletten oder Knochen noch präsenten Ahnen aus vorchristlicher Zeit, den sogenannten gentiles, denn diese sind in ihren Augen immer noch Besitzer der Felder. Sie können zornig werden und Menschen krank machen und sollten durch Opfergaben beschwichtigt werden. So kann es durchaus vorkommen, dass auch Fremde vor vermeintlichen Aufenthaltsorten von gentiles gewarnt werden.

  Aids: Seit Bekanntwerden der Krankheit führt das Gesundheitsministerium landesweite Aufklärungskampagnen durch. Die Zahl der AIDSKranken steigt zwar weiter, aber nur geringfügig. 2015 gab es 34.836 bekannte Fälle von HIV; Anfang 2017 gab das Gesundheitsministerium die Anzahl mit 35.847 an. Betroffen sind vor allem die 25- bis 30-Jährigen. 70 Prozent leben im Raum Lima-Callao. Ungefähr drei Viertel von ihnen sind Männer. Anders als beispielsweise für Brasilien gibt das Auswärtige Amt für Peru keine Warnung vor einer Infektion heraus. Vor einer Ansteckung sollte man sich in Peru auf dieselbe Weise schützen wie in Deutschland oder anderen Ländern.

  Ansehen und Gesichtsverlust: Wer einen Peruaner offen kritisiert oder bei ihm Schamgefühle provoziert, bringt ihn in eine Situation, in der er sein Ansehen verliert. Selbst wenn kein Dritter dabei ist, wird dieser Gesichtsverlust als so gravierend empfunden, dass eine Beziehung von dauerhaften Ressentiments geprägt sein oder sogar zerstört wird. Anstelle von Kritik können aber behutsame Andeutungen gemacht werden, durch die der andere in der Regel schnell selbst entdeckt, was einen an seinem Verhalten oder seiner Haltung stört.

  Alkohol: Trotz des Anbaus von Weintrauben im eigenen Land trinken Peruaner lieber Bier als Wein. Die Oberschicht trinkt gern Whisky. Ein Glas des Nationalgetränks Pisco Sour gehört als Aperitif zu jedem Empfang. Im Norden von Peru trinkt man zum Essen als Erfrischungsgetränk chicha, ein selbstgebrautes Maisbier mit sehr geringem Alkoholgehalt.

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Am Nationalfeiertag wird mit Pisco Sour angestoßen

Wein wird gelegentlich zum Essen angeboten, oft erst im Anschluss. Peruaner bevorzugen lieblichen oder halbtrockenen Wein. Bei Dorffesten, Geburtstagen, Strandausflügen, Open-Air-Konzerten und Totenfeiern gibt es Bier. Bei traditionellen Festen und in Wochenendkneipen macht eine Bierflasche nach der anderen die Runde, dazu gibt es ein Glas für alle. Man steht oder sitzt im Kreis, schenkt seinem Nachbarn ein und reicht das Glas weiter. In den Andendörfern gibt es auch schon mal selbst hergestellte chicha (Maisbier) und im Amazonastiefland masato (Maniokbier). Dieses Trinken kann sich über einen ganzen Tag und sogar über mehrere Tage hinziehen. Das angebotene alkoholische Getränk abzulehnen, wäre unhöflich und würde von der Gemeinschaft übel genommen. Bei städtischen Familienfeiern oder im Restaurant hingegen ist es inzwischen kein Problem mehr, keinen Alkohol zu trinken.

  Anrede und Hierarchie: In der Küstenregion sind die Mittel- und Oberschicht schnell beim „Du“, auch in Geschäftsbeziehungen. Amtspersonen, Priester und Menschen, die viel älter sind als man selbst, spricht man mit „usted“ an, selbst wenn man von ihnen geduzt wird. Ähnliches gilt für die Beziehung zwischen Vorgesetzten und Angestellten, Professoren und Studenten sowie Ärzten und Patienten. Die asymmetrische Anrede in Abhängigkeitsverhältnissen muss aber nicht mit einer Geringschätzung in Verbindung stehen. Oft artikuliert sich darin eine vertrauensvolle Beziehung. Als Fremder sollte man abwarten, bis das „Du“ einem angeboten wird. Wenn man mit dem Vornamen angesprochen wird, bedeutet dies nicht automatisch ein Duzen. Der Vorname kann in Verbindung mit usted („Sie“) verwendet werden. „Señora“, „Señor“ und bei unverheirateten Frauen jeden Alters „Señorita“ sind übliche Anreden, die ohne den Zusatz des Namens keineswegs unhöflich wirken. In den Anden sind auch „Don“ für Männer und „Doña“ für Frauen in Kombination mit dem Vornamen gebräuchlich. Ärzte und Rechtsanwälte werden generell mit „Doctor“ angeredet, Ingenieure mit „Ingeniero“. Junge Frauen und Männer mit „mi amor“ („meine Liebe“) anzusprechen, ist keineswegs anzüglich, sondern freundlich. Das Gleiche gilt für „flaquita“ („kleine Schlanke“) oder „gordita“ („Dickerchen“). „Gringuita“ ist eine freundliche Anrede, die für junge Frauen aus Europa oder den USA ebenso verwendet wird wie für hellhäutige Peruanerinnen.

  Armut und Bettelei: Armut gehört in Peru zum Alltag. Viele Peruaner sind an die Armut gewöhnt und empfinden ausschließlich das Betteln als störend. Sie verscheuchen Bettelnde, die umso aufdringlicher werden, wenn sie eine Chance wittern, doch ein Almosen zu bekommen. In Peru gibt es keine Sozialhilfe, daher gehen Arme kreativ bei der Sicherung ihres Überlebens vor. Als Türsteher locken sie Passanten in Restaurants oder passen auf parkende Autos auf. Sie singen in Bussen oder verkaufen Bonbons. Dabei weisen sie die Passagiere darauf hin, dass sie sich ja auf ehrliche Weise ihr Geld verdienen, anstatt zu stehlen. Schuhputzer ist ein Männerberuf, den manche ihr ganzes Leben lang ausüben. Schüler verdienen sich mit diesem Job in den Ferien Geld für Schulutensilien und die Einschreibegebühr. Während Schuhputzer in der Regel feste Preise verlangen, bleibt die Höhe des Trinkgelds (propina) für Autowächter den Kunden überlassen. Bei Männern, die an Ampeln ungefragt die Frontscheiben der Autos waschen, sollte man vorsichtig sein; es können auch Diebe sein, die Wertgegenstände im Auto ausspähen.

  Aguantar („Aushalten“, „Durchhalten“) und andere Fähigkeiten: Die indigene Bevölkerung hat durch Jahrhunderte währende menschenunwürdige Lebensbedingungen eine extreme Zähigkeit und ein nahezu grenzenloses Durchhaltevermögen entwickelt. Diese Fähigkeit des aguantar hilft ihr, sich durchzubeißen, Ziele zu verfolgen, ohne aufzugeben und bei der Selbstausbeutung im Arbeitsleben bis an die eigenen Grenzen zu gehen. Dabei spielt der „Raubbau“, der am eigenen Körper betrieben wird, keine Rolle.

Darüber hinaus braucht man in vielen Situationen Durchsetzungsvermögen und Beharrlichkeit. „El que no llora no mama“, pflegt man in Peru zu sagen: „Wer nicht weint, bekommt keine Muttermilch.“ Abgemindert wird der Eindruck übertriebener Beharrlichkeit durch Höflichkeitsfloskeln wie „disculpe“ („Entschuldigen Sie bitte!“) oder „pérmitame“ („Erlauben Sie mir bitte!“). Der spanische Imperativ klingt ohne das Wort bitte genauso höflich wie der deutsche Imperativ mit dem Wort bitte.

Eine gewisse Portion „Gewieftheit“, die man in Peru mit den Adjektiven criollo oder vivo (schlau, gerissen) bezeichnet, ist keineswegs nur negativ besetzt, sondern gilt als eine Fähigkeit, die man braucht, um sich gegen harte Alltagsanforderungen erfolgreich durchzusetzen. Andenbewohner unterstellen der europäischstämmigen Oberschicht eine „kreolische“ Verhaltensweise und sehen darin eine wichtige Voraussetzung für den sozialen Aufstieg und eine Fähigkeit, die es sich anzueignen lohnt.

Während es für Peruaner selbstverständlich ist, immer auf der Hut zu sein und die eigene Umgebung im Blick zu haben, um sich vor Diebstahl zu schützen, spiegeln Vertrauensseligkeit, Unvorsichtigkeit oder gar Wagemut in ihren Augen die Naivität von manchen Fremden wider.

  Ausländer/Touristen: Der Tourismus wird als Beweis für die internationale Bedeutung Perus sowie seines kulturellen und historischen Erbes gewertet. Peruaner sind Fremden gegenüber aufgeschlossen und extrem tolerant. Unkenntnis oder Verstöße gegen einheimische Sitten werden jedem Fremden gern verziehen. Fremde sind willkommen, man hilft ihnen gern, nimmt sie gastfreundlich auf und lädt sie zu traditionellen Feiern ein, manchmal auch, um durch den Kontakt das eigene Ansehen zu steigern. Taufpate eines peruanischen Kindes zu werden, ist eine große Ehre. Aber nicht immer steht dabei die Sympathie im Vordergrund. Manche Eltern haben es nur auf den vermeintlichen Reichtum des Fremden abgesehen.

Bei Eintrittskarten für Sehenswürdigkeiten sowie Tickets für Inlandflüge gibt es leider große Preisunterschiede und mitunter müssen Touristen ein Vielfaches mehr zahlen als Einheimische.

  Baden: Peru hat viele wunderbare Sandstrände, die in den Sommermonaten (Dezember–Februar) ausgiebig genutzt werden. Dabei ist Nacktbaden in Peru generell nicht möglich. Vielerorts empfiehlt es sich auch nicht, weit ins Meer hinauszuschwimmen, weil die Küste rasch sehr steil abfällt und der Sog des Ozeans stark ist. Obwohl es gesetzeswidrig ist, deklarieren wohlhabende Hausbesitzer angrenzende Strandabschnitte gern als „private Strände“. Von sich reden machte die Bucht von Asia, in der sogar den Hausangestellten das Baden verboten wurde. Eine Demonstration, angeführt von der Schauspielerin Gisela Valcarcel, bereitete dieser Regel ein Ende. Seitdem ist der Strand allgemein zugänglich, aber die Bungalowbesitzer sind geschickt genug, Ärmere dennoch auszugrenzen. An anderen Küstenabschnitten beanspruchen Freizeitklubs Strände exklusiv für ihre Mitglieder.

  Begrüßung: Für die Tagesbegrüßung gibt es drei Varianten. Am Morgen sagt man „buenos días“, am Nachmittag „buenas tardes“ und am Abend „buenas noches“ – auch wenn dies in wörtlicher Übersetzung „gute Nacht“ bedeutet. Die anschließenden Fragen nach dem Wohlbefinden – „¿Cómo está?“, „¿Cómo le va?“, „¿Qué tal?“ oder ¿Todo bien?“ können mehrmals wiederholt werden. Wie ausführlich man antwortet, hängt davon ab, wie gut man sich kennt. Kennt man sein Gegenüber noch nicht so lange und nicht so gut, sollte die Antwort eher knapp sein, zum Beispiel „bien“ („gut“), „todo bien“ („alles im grünen Bereich“) oder „todo tranquilo“ („nichts, was beunruhigt“). Kennt man sich jedoch länger und gut, sollte man ausführlich antworten. Wird man nach seiner Familie gefragt, werden Informationen zu den Familienmitgliedern erwartet. Die Antwort muss allerdings nicht allzu ausführlich sein.

  Bekleidung: Aufreizende Kleidung, die viel Haut frei lässt, tragen Frauen in der heißen Jahreszeit gern bei Geburtstagsfeiern, Hochzeiten oder Spaziergängen. Unangebracht ist solche Kleidung jedoch bei offiziellen und geschäftlichen Anlässen, bei denen man eher ein Kostüm oder einen Hosenanzug trägt. Männer tragen in der Firma und bei Feierlichkeiten einen Anzug, im Büro auch Krawatte. Kurze Hosen tragen sie ausschließlich am Strand oder im Freizeitbereich eines Klubs. Bei Familienfeiern oder offiziellen Anlässen könnten die Gastgeber eine kurze Hose als Beleidigung auffassen. Für Frauen der Mittel- und Oberschicht gilt zusätzlich ein absolut gepflegtes Äußeres in der Öffentlichkeit als Muss. Sie lassen sich deshalb regelmäßig in Friseur- und Kosmetiksalons pflegen.

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Frauen in Lima: knappe Kleidung ist durchaus üblich und nichts Besonderes

  Bestechung/Schmiergelder: Bestechung und Schmiergeldzahlungen gibt es – wie überall auf der Welt – in der großen Politik. Im Alltag kann sie in vielen Bereichen vorkommen. Unaufgefordert sollte man als Ausländer kein Schmiergeld anbieten, weil man schwer einschätzen kann, ob man dadurch jemanden beleidigt oder sich gar selbst in Gefahr begibt. Wird man aufgefordert, ein Schmiergeld zu zahlen, kann es unter Umständen günstiger sein, dies dem Bittsteller auszuhändigen (wenn es nicht allzu hoch ist), um weiteren Problemen aus dem Weg zu gehen.

  Bürokratie: Je niedriger die soziale Schicht, desto mühevoller der Aufstieg in der Hierarchie öffentlicher Ämter. Wer aus einfachen Verhältnissen nach oben gelangt ist, spielt manchmal die eigene Machtposition aus, indem er Bittsteller mit unnötigen Sonderauflagen schikaniert. Dieses Verhalten bezeichnet man als joder, was soviel wie „plagen“, „ärgern“, „jemandem absichtlich etwas vermasseln“, unter Umständen auch „völlig kaputt machen“ bedeuten kann. Um dem vorzubeugen, legen manche Peruaner im Zusammenhang mit Ämtern ein unterwürfiges Verhalten an den Tag oder sie engagieren einen sogenannten „Tramitador“, der gegen Bezahlung behördliche Angelegenheiten erledigt (siehe auch den Abschnitt „Behörden“ auf Seite 279).

  Chile: Wenngleich es mit Chile keine offene Feindschaft mehr gibt, lebt die Erfahrung der Erniedrigung durch den gegen Chile verlorenen Krieg in der Erinnerung der Peruaner aller Schichten bis heute fort. An diesen Krieg erinnern wichtige Feiertage sowie Nationalhelden und in den Dörfern der Anden Folkloretänze. In den Schulen lernen die Kinder von ihren Geschichtslehrern, dass bis heute „eine gewisse Feindschaft“ existiere. Immer noch greifen Medien die Schäden auf, die Peru im Krieg durch Chile zugefügt wurden. Besonders bei Fußballspielen flammt die Feindschaft wieder auf. Angesichts chilenischer Investitionen im Einzelhandel beklagen Peruaner den vermeintlichen Wirtschaftsimperialismus des Nachbarlandes. Als die Supermarktkette E.Wong an einen chilenischen Investor verkauft wurde, zog dies heftige Kritik nach sich. Bei dem aus Pisco hergestellten Nationalgetränk Pisco Sour streiten sich Peruaner und Chilenen bis heute, ob der Traubenbranntwein peruanischen oder chilenischen Ursprungs ist.

  Distanzzonen: In der Küstenregion ist der physische Abstand zwischen Personen bei der Begrüßung und Verabschiedung für deutsche Verhältnisse gering. Es kommt rascher zu sichtbaren Sympathiebekundungen. Körperkontakt von Personen gleichen Geschlechts ist unter Freunden ebenso üblich wie im Geschäftsbereich. Bei Geschäftskontakten wird die erste Begrüßung noch mit einem festen Handschlag vollzogen. Beim nächsten Treffen ist ein kräftiger Schlag auf die Schulter oder sogar eine Umarmung von Mann zu Mann möglich. Beides dient dem Ausdruck gegenseitigen Vertrauens. Frauen werden stets zuerst begrüßt, spätestens beim zweiten Mal mit einem Wangenkuss, der erwidert werden sollte. Frauen berühren einander am Oberarm und küssen sich auf die Wangen. Berührungen im Gespräch sind häufig. Angeboten von Nähe sollte man nicht ausweichen, es könnte als Affront wahrgenommen werden. Häufige und liebenswürdige Berührungen bei der Begrüßung und während einer Unterhaltung sind im Amazonastiefland bei Personen verschiedenen Geschlechts durchaus üblich und keineswegs anzüglich gemeint. Im kalten Andenhochland hingegen begrüßt man sich lieber mit Handschlag und kommt sich auch im Verlauf eines Gesprächs körperlich nicht näher als in Deutschland.

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So herzlich sieht die Begrüßung aus, wenn man sich auf der Straße trifft (Amazonastiefland)

  Diebstahl: Dieb zu sein, ist in Peru ein „Beruf“, der sogar innerhalb von Familien weitergegeben wird. Peruanische Diebe beobachten scharf und so entgeht ihnen kaum eine Gelegenheit. Deshalb sollte man noch wachsamer sein als jene, seine Sachen nicht aus den Augen verlieren und keine Wertsachen tragen, die einen Dieb provozieren könnten. Taschendiebe machen sich vor allem das Gedränge auf Märkten, in überfüllten Bussen oder Zügen, in der Nähe von Busstationen oder Bahnhöfen zunutze. Ihr Repertoire an Ablenkungsmanövern scheint unerschöpflich zu sein. Die gängigsten sind das Anrempeln und die Verwicklung in ein Gespräch. Mit Rasierklingen werden Löcher in Handtaschen oder Rucksäcke geschnitten. Häufig sind das schnelle Wegreißen von Taschen oder Wertgegenständen und das anschließende Wegrennen oder aber das sofortige Einsteigen in ein bereitstehendes Diebesauto. Nach Einbruch der Dunkelheit sollte man besonders vorsichtig sein. Einsame Straßen sowie Viertel, die normalerweise nicht von Touristen besucht werden, meidet man am besten. Sofern möglich, sollte man nur eine Kopie des Reisepasses und nicht das Original sowie wenig Geld mitnehmen, es dort verstauen, wo es kein Dieb vermutet, und nicht in der Öffentlichkeit hervorziehen. Seit 50 Jahren gibt es in Peru eine Touristenpolizei. Sie bietet Schutz in Vierteln, in denen Touristen sich aufhalten, sowie bei Festen und Veranstaltungen, an denen Touristen teilnehmen.

  Drogen: Die gängigsten und legalen Drogen sind Zigaretten und alkoholische Getränke. Bei den illegalen Drogen steht Marihuana an erster Stelle, gefolgt von pasta básica (Kokainpaste) und Kokain. Der Handel mit Drogen wird in Peru mit Gefängnis bestraft.

Kokain ist teuer und wird eher von Jugendlichen der Oberschicht konsumiert. Pasta básica ist zwar für weniger Geld zu bekommen, führt aber die Konsumenten rasch in die Beschaffungskriminalität, weil die Droge extrem schnell abhängig macht und der Rausch lediglich 30 bis 70 Sekunden andauert. Schmerzen und Krampfzustände lassen sich nur durch erneuten Konsum unterdrücken, so dass viele Abhängige täglich 100 bis 300-mal konsumieren. Das Kokainsulfat hat kurzzeitig die gleiche Wirkung wie „reines“ Kokain: Stimmungsaufhellung, Euphorie und gesteigerte Aktivität. Die Droge schädigt Gehirn, Herz, Lunge und Leber. Junkies – in Peru fumones genannt – erkennt man an ihrer abgemagerten Figur und ihrem entrückten Gesichtsausdruck. Das Hungergefühl setzt dauerhaft aus. Die Blätter der Kokapflanze, die bei Ritualen gekaut werden, haben dagegen keinerlei berauschende Wirkung. Zur rituellen Verwendung der Kokapflanze siehe auch „Die sakrale Bedeutung der Koka: Opfer und Orakel“ ab Seite 238.

Der San-Pedro-Kaktus (Echinopsis pachanoi), der in der nordperuanischen Küstenregion von traditionellen Heilern, sogenannten curanderos eingesetzt wird, enthält Meskalin und kann Bewusstseinsverzerrungen sowie Veränderungen der Wahrnehmung verursachen, die der Wirkung von LSD sehr ähneln. Fatale Langzeitwirkungen kann die international geächtete Ayahuasca-Liane haben. Wenn sie nicht in einen kulturellen Kontext eingebunden ist, kann sie Psychosen auslösen und eine zu hohe Dosis kann sogar tödlich sein. Nimmt man als Fremder an Ayahuasca-Ritualen im Amazonastiefland teil, so können akute oder Langzeitschäden nicht ausgeschlossen werden. Im Amazonastiefland wird bei Ritualen auch die Engelstrompete (huantuq) verwendet.

Der Handel mit Drogen innerhalb des Landes sowie die Mitnahme ins Ausland enden für Touristen wie Einheimische im Gefängnis, wenn die Straftat entdeckt wird.

  Ehrlichkeit oder Höflichkeit: Auf die Frage, ob es wichtiger ist, dass man ehrlich oder dass man höflich ist, würde mancher Peruaner sicher antworten, dass die Höflichkeit der Ehrlichkeit vorzuziehen ist. Ehrlichkeit oder Offenheit dürfen auf keinen Fall mit einer Direktheit einhergehen, die andere verletzt. Nichts ist so schlimm, wie einem anderen emotionalen Schaden zuzufügen oder seine patriotischen Gefühle zu verletzen. Peruaner sehen es ungern, wenn man ihnen ihre Fehler krass vor Augen führt oder ein nationales Problem ungeschminkt anspricht.

  Einkaufen auf Märkten: Lebensmittelmärkte finden in Peru an sechs oder sieben Wochentagen statt. Oft wird man bereits beim zweiten Einkauf mit „casera“/„casero“ („Stammkundin“/„Stammkunde“) angeredet und darf die Marktfrau mit demselben vertrauensvollen Wort ansprechen. Bei Lebensmitteln gelten Festpreise; Handeln ist hier nicht üblich. Marktfrauen schaffen es, mehrere Kunden gleichzeitig zu bedienen. So verübeln sie es Kunden nicht, wenn sie Fragen stellen oder etwas verlangen, während noch jemand anderes bedient wird. Unüblich ist es, sich in eine Reihe zu stellen und zu warten, bis man drankommt. Besonders günstig kann man auf den städtischen Großmärkten einkaufen, wo Produzenten ihre Waren anbieten. Vorsicht ist bei der Anfahrt geboten, weil solche Märkte sich manchmal in Gegenden befinden, in denen Diebe ihr Unwesen treiben. In Lima gibt es an den Wochenenden Biomärkte (bioferia), auf denen man ökologische Produkte kaufen kann. Auch auf dem Großmarkt von Cusco werden ökologisch angebaute Produkte verkauft.

  Einladungen: Wer ins Restaurant oder Café einlädt, zahlt. Bereits der Vorschlag, ein Café oder Restaurant aufzusuchen, wird als Einladung verstanden, verbunden mit der Erwartung, dass der Vorschlagende zahlt. Treffen sich Bekannte oder Freunde zum gemeinsamen Essen, kann dagegen ein „Kampf“ darum entbrennen, wer die anderen einladen und zahlen „darf“. Wer sichergehen möchte, dass er am Ende tatsächlich der Einladende ist, sollte vorher den Oberkellner unauffällig bitten, ihm die Rechnung zuüberreichen. Eingeladen – auch ins eigene Haus – wird oft kurzfristig und spontan. Freunde, Bekannte und Geschäftspartner werden gern in Klubs eingeladen, die über Cafés und Restaurants verfügen. Liegt eine Einladung lange zurück, sollte noch einmal daran erinnert werden. Bei Einladungen um die Mittagszeit darf man von einer Einladung zum Mittagessen ausgehen. Am Abend muss es sich nicht zwangsläufig um eine cena (ein Abendessen) handeln. Fällt das Wort nicht, werden vielleicht eher selbst zubereitete, landestypische Snacks und Getränke angeboten.

In ländlichen Regionen muss keine Einladung ausgesprochen werden. Freunde und Bekannte werden einfach besucht und falls gerade gekocht wurde, wird jedem Gast ein Teller mit Essen serviert. Es ist nicht üblich, weitere Personen mitzubringen, wenn man eingeladen ist. Möglicherweise reichen auch die Plätze am Tisch nicht aus.

  Erdbeben: Als temblor (Zittern) bezeichnet man in Peru schwache Beben der Stärke 2 oder 3 auf der Richterskala. Meist bemerkt man diese gar nicht. Peruaner sagen, dass die Erde sich entlädt und stärkere Beben verhindert werden. Erdbeben sind sowohl in der Küsten- als auch in der Andenregion theoretisch immer möglich, weil eine seismisch aktive Zone parallel zur Küstenlinie verläuft. Allerdings erreichten seit der spanischen Eroberung vor über 500 Jahren nur 20 Erdbeben eine hohe Magnitude von 7,0 oder mehr. Dabei lagen fast alle Epizentren unter dem Pazifischen Ozean und lösten kleine Tsunamis aus. Erdbeben dauern wenige Sekunden bis Minuten. Wer sich außerhalb von Gebäuden befindet, hat meist die besten Chancen. Man sollte möglichst eine große Freifläche aufsuchen und die Nähe von Häusern meiden. Befindet man sich mitten in einem Gebäude, sind die besten Plätze im Zentrum eines Raumes oder unter einem Türrahmen. Ein stabiler Tisch kann vor herabfallenden Trümmern schützen. Bei den einmal im Jahr stattfindenden Prozessionen zu Ehren der Christuserscheinungen „Senor de los Temblores“ in Cusco und „Senor de los Milagros“ in Lima bringen die Gläubigen ihre Dankbarkeit dafür zum Ausdruck, dass sie verschont blieben und erbitten Gottes Schutz vor zukünftigen Beben.

  Familiennamen: Peruaner haben einen oder zwei Vornamen und grundsätzlich zwei Nachnamen. An erster Stelle steht der erste Nachname des Vaters und an zweiter der der Mutter. Nach der Eheschließung behalten Frauen ihre beiden Zunamen. Kinder heißen also mit erstem Nachnamen immer anders als die Mutter. Problematisch ist es bei unehelichen Kindern. Erkennt ein Mann die Vaterschaft nicht an, bleibt der Mutter nichts anderes übrig, als das Kind mit ihren eigenen beiden Nachnamen (also dem jeweils ersten Nachnamen ihres Vaters sowie dem ihrer Mutter) registrieren zu lassen. Drei Vornamen hintereinander, wie es manchmal in Deutschland vorkommt, gibt es in Peru nicht. Bei Meldeformularen oder sonstigen Arten der Registrierung sollte man darauf achten, dass der dritte Vorname nicht für den ersten Nachnamen gehalten wird. Ansonsten ist man später unauffindbar. Die Nachnamen der reichen, angesehenen und mächtigen Familien der Oberschicht sind in Peru allgemein bekannt. Bis heute haben die Personen mit diesen Namen bei der Vergabe wichtiger Positionen in Wirtschaft oder Politik große Vorteile, weil man einander kennt und vertraut.

  Fotografieren: Die meisten Peruaner lassen sich gern fotografieren und seitdem überall Fotos mit dem Handy gemacht werden, kooperieren viele sogar, wenn sie fotografiert werden. Bei meiner letzten Reise bestanden nicht nur die Stadtpolizistinnen auf der Plaza San Martin in Lima darauf, dass ich sie mehrmals fotografierte, bis ein sehr gelungenes Foto entstand. Vorsichtiger sollte man beim Fotografieren von Angehörigen der Nationalpolizei sein, die sich noch an die Zeit des Terrorismus erinnern, als Sicherheitskräfte fotografiert wurden mit dem Ziel, sie später zu erschießen.

  Geschenke: Wer eingeladen ist, ohne dass bei der Gelegenheit etwas Besonderes gefeiert wird, muss kein Geschenk mitbringen. Selbstverständlich freuen peruanische Gastgeber sich über kleine Geschenke. Immer passend sind Blumen für die Gastgeberin sowie Pralinen, Schokolade, Whisky, Wein oder Pisco. Beim Pisco sollte es sich aber um eine renommierte Marke handeln, die das Zwei- oder Dreifache eines guten Weins kostet. Bücher, silberne Bilderrahmen oder wertvolle Schreibgeräte sind ebenfalls beliebt. Schmuck sollte man nur schenken, wenn man eine Person und ihren Geschmack sehr gut kennt. In Lima kann man kleine Snacks wie Oliven, Salami oder Nüsse mitbringen, eine Torte oder Gebäckteilchen. Auf keinen Fall darf man Messer schenken, da Peruaner überzeugt sind, dies führe zu Streit und zum Ende der Freundschaft. Unüblich ist das Schenken von Kleidungsstücken oder Parfüms. Bei Hochzeiten verschickt das Brautpaar zusammen mit der Einladung die Adresse des Geschäftes/Kaufhauses, in dem eine Liste ausliegt, aus der man sein Geschenk auswählen kann. Bei Taufen kann man kleine Gegenstände aus Silber wie Rahmen für Fotos oder Trinkbecher schenken, zur Kinderkommunion eine Bibel, Armbanduhr, ein wertvolles Schreibgerät oder ein Mobiltelefon. Häufig packt der Empfänger das Geschenk vor den Augen des Schenkenden nicht aus, damit man ihm eventuelles Missfallen nicht vom Gesicht ablesen kann. Sein Missfallen kundzutun, ganz gleich ob gewollt oder ungewollt, gilt als unhöflich und verletzend. Wer Freunde auf dem Land besucht, sollte überlegen, was man dort nicht kaufen kann. Dazu gehören manchmal Obst, frisches oder süßes Brot, Rosinen oder Oliven.

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Die Geranie ist das Geburtstagsgeschenk für den Schwiegersohn (Andendorf)

  Geburtstage: Auf dem Land feiern viele Menschen ihre Geburtstage nicht. In der Stadt beginnt die Feier am Vorabend und man feiert „hinein“. Geburtstagsfeiern beginnen mit selbst zubereiteten, köstlichen Snacks und Getränken, die den sitzenden Gästen gereicht werden. Später tanzt man. Oft wird bis zum Morgengrauen gefeiert. Dabei werden Stereoanlagen voll aufgedreht und manch einer verwendet sogar ein Megaphon, um die Ehefrau zu ehren. Nachbarn, die nicht eingeladen werden, wenn sie nicht zum Freundeskreis gehören, müssen dann eine schlaflose Nacht durchleiden. In den unteren Schichten ist der 15. Geburtstag eines Mädchens von besonderer Bedeutung, weil er den Übergang vom Mädchenzum Frausein symbolisiert. Eine Einladung zur Feier darf man als Ehre werten. Ein Briefumschlag mit Geld wird immer gern gesehen. Kinder erhalten Spielzeug und von ihren Taufpaten die Geburtstagstorte. Kleine Mädchen werden von Taufpaten gern mit Ohrringen oder einem Kleid beschenkt. In ländlichen Regionen wird nicht zum Geburtstag eingeladen. Verwandte und gute Freunde tauchen am frühen Morgen einfach auf. Als Geschenk stecken sie dem Geburtstagskind entweder eine frische Blume an den Hut oder sie bringen an die 50 Eier, Coca Cola und dunkles Bier mit. Man bittet sie in die Küche, wo sie aus geschlagenem Eiweiß, Coca Cola und Bier einen ponche zubereiten, der hervorragend schmeckt. Nach dem Anstoßen wird jedem Gast ein Teller mit warmem Essen serviert.

  Gesprächsthemen: Peruaner unterhalten sich gern und ausführlich über die Familie, die bei manchen Familienfeiern sogar das einzige Thema ist. Weitere beliebte Gesprächsthemen bei privaten und geschäftlichen Treffen sind Freizeit, Kultur und Sehenswürdigkeiten. Über Politik und Kirche zu sprechen, ist zwar nicht verboten, man sollte sich aber mit Kritik zurückhalten, insbesondere wenn man den Standpunkt des anderen nicht kennt. Wer als Ausländer den Drogenhandel oder die Kriminalität anspricht, kann seine Gesprächspartner in ihrem Nationalstolz verletzen, was eine Freundschaft beeinträchtigen oder unmöglich machen könnte.

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An einem Feiertag tauschen Andenbauern beim Kaffee Neuigkeiten aus

  Handeln/Feilschen: Gehandelt wird nicht im Geschäft, sondern ausschließlich auf Kunsthandwerksmärkten Auch dort haben die Händler feste Preise; man kann viele Waren jedoch 10 oder 15 Prozent günstiger bekommen, insbesondere, wenn man am frühen Morgen der erste Käufer ist, der dem Verkäufer nach dem Volksglauben Glück bringt. Man sollte das Feilschen nicht übertreiben, wenn Verkäufer ihre Waren selbst herstellen. Sie neigen dazu, ihre eigene Arbeitszeit nicht in Rechnung zu stellen.

  Hausangestellte: Obwohl sich die Situation der Hausangestellten signifikant verbessert hat, werden sie für deutsches Empfinden immer noch nicht völlig gleichwertig behandelt. Man kann dieses Verhalten der Peruaner ablehnen, wird aber bei peruanischen Gastgebern auf heftigen Widerstand stoßen, wenn man ihren Umgang mit „ihren“ Angestellten in Frage stellt.

  Hexerei: Zauberei, Hexerei oder Liebeszauber sind in vielen Kreisen Bestandteil des Alltags. Ihre Wirkung anzuzweifeln, würde von mangelndem Taktgefühl zeugen. Manche Peruaner nutzen Hexerei zur Erfüllung ihrer Wünsche; andere hoffen, dadurch von schweren Krankheiten geheilt zu werden. Dass sich mit dem Beruf des Heilers (curandero) oder Hexers (brujp) Geld verdienen lässt, beweisen die Anschläge auf Laternenpfählen oder Anzeigen in Boulevardblättern. Auch für die Befriedigung von Rachegelüsten werden Hexer in Anspruch genommen. Die vermeintlichen Opfer solchen Schadenszaubers möchten auch von Fremden ernst genommen werden. Darüber hinaus sind viele Praktiken feste Bestandteile von Zeremonien bei traditionellen Dorffesten. Wird einem Fremden die Teilnahme an einer solchen Zeremonie gestattet, sollte er auf keinen Fall ungefragt Fotos machen.

  Hierarchien/Höhergestellte: Siehe den Verhaltenstipp „Anrede“ auf Seite 16.

  Hochzeit: Ist man zu einer Hochzeit eingeladen, so kann man der Einladungskarte entnehmen, ob man nur zur Messe und dem anschließenden Umtrunk im Pfarrsaal eingeladen ist oder aber auch zur anschließenden Feier. Im letzteren Fall sollte man im auf der Karte angegebenen Geschäft ein Geschenk aus der dort vorliegenden Liste auswählen. Dieses ist in der Regel nicht billig.

  Höhenkrankheit: Der soroche, wie die Höhenkrankheit in Peru heißt, bezeichnet Symptome, die ab 2500 m auftreten können. In Peru liegen viele Ortschaften und Städte auf über 3000 m Höhe, sodass man mit dem soroche rechnen muss, wenn man diese besucht. Die Ursache liegt darin, dass der Luftdruck mit zunehmender Höhe absinkt und damit auch der Sauerstoffgehalt. Das führt zur Verengung der Blutgefäße in der Lunge. Die Sauerstoffaufnahme in der Lunge verringert sich. Der Sauerstoffunterversorgung wirkt keine körpereigene Atemregulation entgegen. Das Auftreten der ersten Symptome ist individuell verschieden und nicht zwangsläufig konstitutionsabhängig; es kann also auch Personen betreffen, die viel Sport treiben. Typische Symptome sind Kopfschmerzen, Müdigkeit, Kreislaufbeschwerden und schneller Pulsschlag. In schlimmeren Fällen kommen starke Atemnot und Herzrasen dazu. Glücklicherweise ist der soroche meistens nicht lebensbedrohlich und die Symptome verschwinden nach einigen Tagen, wenn der Körper sich an die Höhe angepasst hat. Vorbeugen kann man, indem man den Aufstieg in große Höhen auf mehrere Tage verteilt. Vor Ort sollte man nichts Schweres tragen, am ersten Tag keine Wanderung unternehmen, am Abend nichts oder nur wenig essen – die Verdauung ist in der Höhe wesentlich langsamer – und keinen Alkohol trinken.

  Homosexualität: In den Medien, insbesondere im Fernsehen, wird Homosexualität seit Langem offen thematisiert. In Lima gibt es viele Lokale, in denen sich Homosexuelle treffen und in den Parks kann man die Regenbogenfahne wehen sehen. Gewalt gegen Homosexuelle gilt heute als schweres Delikt und wird bestraft. Transsexuelle haben das Recht, ihr Geschlecht und ihren Namen zu ändern, allerdings nicht in offiziellen Dokumenten. Seit 2010 veranstalten Lesben und Schwule in acht peruanischen Städten jedes Jahr Umzüge. An der „Marcha del Orgullo Gay“, die 2011 in Lima stattfand, nahmen auch Politiker teil. Seit Carlos Bruce, der als Minister hohe Ämter bekleidete, als erster Politiker in Peru seine Homosexualität bekannt gab, ist die Öffentlichkeit wesentlich toleranter geworden. Bruce brachte einen Gesetzesvorschlag ein, der gleichgeschlechtlichen Partnern die Ehe ermöglichen sollte. Ehen zwischen Homosexuellen werden in Peru jedoch noch nicht anerkannt. Der öffentliche Austausch von Zärtlichkeiten ist nach wie vor ein Tabu und kann sogar zu gewalttätigen Angriffen führen. Mehr zum Thema im Abschnitt „Homosexualität“ ab Seite 186.

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„Juanes“ (siehe Seite 282) sind eine Spezialität der Küche des Amazonastieflandes

  Hygiene: Der Ausbruch der Cholera im Jahr 1992 hat ein großes Erwachen ausgelöst. Im gesamten Land wurden Aufklärungskampagnen über Ansteckungsrisiken durchgeführt. Dies führte dazu, dass Hygienemaßnahmen wesentlich verbessert wurden. Auf den großen Märkten hat jede Garköchin fließendes Wasser und der Gast kann sich selbst davon überzeugen, dass das Geschirr gut gereinigt wird. Trotzdem werden Hygienevorschriften manchmal nicht beachtet. Auf Wochen- und Tagesmärkten werden beispielsweise Lebensmittel angefasst, die später jemand anders kauft. Deshalb wäscht man in Peru nicht nur das Obst, sondern auch den Käse, bevor man ihn isst. In der Küstenregion sowie im Tiefland kann es vorkommen, dass ein Fliegenansturm auf frisch zubereitetes Essen nicht aufzuhalten ist. Im Hochland kann eine Reihe von Krankheitskeimen nicht überleben. Dort erschweren aber einerseits Wassermangel und Kälte eine optimale Körperhygiene und andererseits ist die Vorstellung verbreitet, eiskaltes Wasser in Verbindung mit niedrigen Außentemperaturen könne zu Erkrankungen führen, deshalb sei es besser, die Hände am Abend nicht damit zu waschen. So haben die Menschen anderer Regionen häufig Vorurteile gegenüber den angeblich schmutzigen Andenbewohnern. Übrigens: Die regelmäßige Entfernung von Bein- und Schamhaaren gilt in Peru als selbstverständlicher Teil der Körperhygiene. Frauen, die dies nicht praktizieren, betrachtet die städtische Mittel- und Oberschicht als ungepflegt oder unsauber.

  Karneval: Im Karnevalsmonat Februar sollte man sich an den Wochenenden nicht über eine ungewollte, plötzliche kalte Dusche wundern. Unaufmerksame werden an den Sonntagen mit einem Eimer Wasser übergossen oder von einem prall mit Wasser gefüllten Luftballon getroffen. Deshalb schließen Peruaner trotz unerträglicher Hitze zu dieser Zeit in den Bussen alle Fenster. In den Anden überraschen die Jecken anstatt mit kaltem Wasser mit farbigem Mehl, das am Gesicht haften bleibt. Beim Tanz um die yunza, den Karnevalsbaum, ist Vorsicht geboten: Eine Axt wandert nämlich von Tanzpaar zu Tanzpaar und wer die yunza fällt, darf die Feier im nächsten Jahr ausrichten. Schneller als man denkt, kann man unter dem Karnevalsbaum „begraben“ liegen.

  Kinder: Die Familie betrachten Peruaner als ihr wichtigstes Gut. Peruaner lieben Kinder, verwöhnen sie und sagen ihnen ständig, wie reizend sie sind. Hat man als Fremder bewundernde Wort für die Schönheit der Kinder, stößt das gewiss auf große Sympathie. Manche für Europäer befremdliche Verhaltensweisen von Kindern der städtischen Mittelund Oberschicht haben ihren Ursprung darin, dass Eltern ihre Kinder gerne in die Obhut von Hausangestellten geben, die einer niedrigeren sozialen Schicht entstammen sowie eine andere ethnische Herkunft haben.

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In den unteren Schichten ist es selbstverständlich, dass Kinder auf ihre kleineren Geschwister aufpassen

  Kinderarbeit: Obwohl das peruanische Gesetz Kinderarbeit verbietet, halten einige Peruaner Kritik von Fremden, die ihr Land ja nicht so gut kennen, für unangebracht. Viele Peruaner sind so sehr an Kinderarbeit gewöhnt, dass sie sie kaum wahrnehmen. Andere sehen in den Kindern vor allem Vertreter vermeintlich rückständiger Ethnien und finden es richtig, dass die Kinder arbeiten, um sich von ihren schlechten Lebensbedingungen zu befreien. Mehr zum Thema ab Seite 261.

  Klischées, Vorurteile und Erwartungshaltungen gegenüber Ausländern: Wer blond ist, weiße Haut hat und blauäugig ist, gilt in Peru als hübscher und begabter und hat schneller Erfolg. Ausländer bringt man – insbesondere im Amazonastiefland – automatisch mit Geld und Reichtum in Verbindung. So gibt es Indigene, die es Ausländern verübeln, wenn sie sie nicht ins Restaurant einladen oder ihnen gar das Fahrgeld bei gemeinsamen Unternehmungen nicht bezahlen. Solche Ausländer sind in ihren Augen schlechte Menschen. Deutsche sind allgemein gut angesehen. Sie gelten als ehrlich, arbeitsam und seriös, aber auch als duros, fríos, dictadores, mandadores, de pocos sentimientos (hart, kalt, diktatorisch, befehlend, gefühlsarm).

  Kommunikation: Aufmerksames Zuhören dürfte alle Erzähler erfreuen. Schweigendes Zuhören ohne kleine Unterbrechungen, Nicken oder Nachhaken zwischendurch kann Peruaner jedoch verunsichern. Sie werden sich fragen, ob ihr Gegenüber ihnen noch folgt. Nicht jede Unterbrechung gilt deshalb als unhöflich, sondern kann ganz im Gegenteil auch als Interessensbekundung gewertet werden. Näheres zum Themenkomplex findet sich auch im Kapitel „Kommunikation“ ab Seite 302.

  Krankheit: Dass man nicht ohne Kranken- und Unfallversicherung reist, dürfte sich von selbst verstehen. Im Krankheitsfall sollte man entweder eine private Arztpraxis oder eine Privatklinik aufsuchen, da die staatlichen Einrichtungen überlaufen sind und die Ärzte oft gar nicht die Kapazitäten haben, alle wartenden Patienten zu behandeln.

  Kreolisch (Criollo): Das Adjektiv criollo bezeichnet kulturelle und Verhaltenselemente, die nicht indigen, sondern teils europäischen und teils afrikanischen Ursprungs sind. „Kreolisch“ können nur Städter sein. Wenn Limenser sich als criollos bezeichnen, bringen sie damit ihre Verbundenheit mit der kreolischen Musik, dem canción criolla (kreolisches Lied, siehe Seite 164), das europäische und afrikanische Musiktraditionen verbindet und der comida criolla, den typischen Gerichten der Küstenregion, zum Ausdruck, ebenso wie eine unbeschwerte Art von Geselligkeit und Raffinesse, die den Menschen im Landesinnern fehlt.

  Kriminalität: siehe das Kapitel „Kriminalität“ ab Seite 307.

  Kritik: Die Ehre des Einzelnen gilt als unantastbar. Jeder hat das Recht, sein Gesicht zu wahren. Deshalb wird Kritik gut verpackt. Das führt dazu, dass Peruaner bei allzu direkt geäußerter Kritik beleidigt sind. Es fällt ihnen schwer, zugefügte Verletzungen zu verzeihen. Manche hegen ihr Ressentiment sogar ein ganzes Leben lang. Unter guten Freunden sind Offenheit und Ehrlichkeit jedoch wichtiger als allzu große Vorsicht beim Kritisieren.

  Kulturelle Missverständnisse: Solche gibt es in Peru wie überall auf der Welt und man kann sie nicht vermeiden. Aber man kann ihnen durch scharfes Beobachten und Fragen vorbeugen. Sich nach den landesüblichen Gepflogenheiten zu erkundigen, ist in Peru immer möglich. Manchmal weisen Peruaner Fremde auch von sich aus auf Besonderheiten hin.

  Kultstätten: Katholische Kirchen werden an wichtigen Feiertagen aufgesucht. Vor Ostern soll jeder Katholik sieben Kirchen besuchen. In der Woche vor Fronleichnam pilgern über 20.000 Menschen aus den umliegenden Dörfern zum Ausangate bis in 4500 m Höhe, wo sowohl der Berggott Apu Ausangate als auch der christliche Senor de Qoyllur Rit’i verehrt wird. In der Küstenregion sollen Menschen vor wenigen Jahren noch an den Huacas, pyramidenartigen religiösen oder administrativen Zentren der Inka- und Vorinkazeit, geheime Opfer gebracht haben.

  Müll: In diesem Bereich ist in den letzten Jahren viel passiert, sowohl im Hinblick auf die Sensibilisierung der Bevölkerung als auch bei der Problemlösung. Vergleicht man Peru mit anderen Schwellenländern, muss das Land als fortschrittlich bezeichnet werden. Dass man Müll nicht auf die Straße wirft, sondern in einen Papierkorb und dass kein Müll im Freien abgeladen wird, lernen die Kinder bereits in der Schule. In den Städten ist die Mülltrennung inzwischen selbstverständlich. (Näheres dazu auch im Abschnitt „Müll“ auf Seite 310).

  Nonverbale Kommunikation: Mimik und Gestik sind ähnlicher als man glaubt und quer über den Erdball zu verstehen. Dennoch unterscheiden sich einige Gesten von den in Deutschland üblichen und sie erfüllen mitunter einen anderen Zweck. Näheres hierzu im Abschnitt „Nonverbale Kommunikation“ ab Seite 305.

  Patriotismus und Lokalpatriotismus: Manch ein Besucher mag sich über die militärisch anmutenden Szenen an den Schulen wundern, wenn montags, freitags, sonntags und an zivilen Feiertagen auf dem Schulhof die Fahne gehisst wird. Dabei werden die Nationalhymne sowie das „Lied zu Ehren der Fahne“ gesungen. Bei solchen Zeremonien stehen die Kinder stramm, aufgestellt nach Klassen rühren sie sich nicht vom Fleck, egal wie lange die Zeremonie dauert. Das Vorbild des herausragenden Helden Colonel Alfonso Ugarte, der im Salpeterkrieg durch seinen Freitod die peruanische Fahne davor bewahrte, in die Hände der chilenischen Feinde zu geraten. Cusco hat eine eigene Hymne, die auf Spanisch und Quechua gesungen wird. Hiermit demonstrieren die alteingesessenen Cusquener Lokalpatriotismus und Ebenbürtigkeit gebenüber der Landeshauptstadt Lima, die ja viel jünger ist als die alte Inka-Metropole.

  Politik: Peru ist eine Demokratie, in der Meinungsfreiheit herrscht und niemand für seine offene Meinungsäußerung verhaftet wird. Wie Peruaner die nicht zu leugnenden gravierenden Menschenrechtsverletzungen der 1980er- und 1990er-Jahre (siehe auch die Abschnitte „Das 20. Jahrhundert und der Indigenismo“ ab Seite 59, „Die Guerillabewegungen der 1980er- und 1990er-Jahre“ ab Seite 128 und insbesondere den Abschnitt „Gegen das Vergessen“ ab Seite 134) werten und wahrnehmen, hängt u. a. von ihrer sozialen Schicht ab sowie davon, inwieweit sie betroffen waren und welcher wirtschaftlichen Interessensgruppe sie angehören. Die Meinung eines Ausländers kann hier leicht auf Ablehnung stoßen oder verletzen. Da viele Peruaner davon ausgehen, dass Außenstehenden wesentliche Informationen der Innenperspektive fehlen, wird deren Urteilsvermögen möglicherweise angezweifelt. Deshalb ist es zu empfehlen, politische Themen mit völlig Fremden besser zu vermeiden, bis man sich besser kennt und die Haltung des Gegenübers besser einschätzen kann.

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Schwester Ana Maria lässt im Schulhof die Fahne hissen, bevor sie der Marienstatue der Schule die Krone aufsetzt

  Privatsphäre: Obwohl die Peruaner der Küstenregion gesellig sind und schnell vertrauensvolle, offene Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen, ist ihnen der Schutz der Privatsphäre – und dazu gehört auch die eigene Wohnung – sehr wichtig. An Türen und neben Klingeln stehen normalerweise keine Familiennamen. Man trifft sich ohnehin lieber in Cafés, Restaurants oder einem Klub. Wird man von einer Person oder Familie nach Hause eingeladen, erhält man eine minutiöse Beschreibung der Anfahrt mit den markanten Gebäuden, der Apartmentnummer und einer Erklärung, welche Klingel zu drücken ist (vgl. den Verhaltenstipp „Adresse“ auf Seite 14). Lebt die Familie in einem wohlhabenden Viertel, wo die Apartmenthäuser rund um die Uhr Wachmänner und Rezeptionisten beschäftigen, erteilen diese nur dann Auskunft, wenn sie vom Wohnungseigentümer entsprechend instruiert wurden. Die Oberschicht lebt in Villen und grenzt sich zusätzlich durch Schlagbäume ab, die nur passieren darf, wer den Namen der Familie nennt und am Eingang einen Ausweis zeigt oder hinterlegt.

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Luxusappartements am Pazifik

  Prostitution: Die wenigsten peruanischen Prostituierten üben ihren Beruf freiwillig aus. Entweder wurden sie mit falschen Versprechen gelockt und wussten nicht, auf welche Arbeit sie sich einlassen, oder sie sahen aus ihrer Armut keinen anderen Ausweg. Der letztendliche Verdienst ermöglicht ihnen dennoch kein würdiges Leben. Prostitution ist in Peru legal. Das Gesetz schreibt dabei ein Mindestalter von 18 Jahren vor. Tatsächlich ist aber die Anzahl der Minderjährigen sehr hoch. Die Prostitution hängt in erster Linie mit Armut und Chancenlosigkeit zusammen. Die meisten Prostituierten arbeiten schattenwirtschaftlich an den Stadträndern von Lima, im Amazonastiefland in Goldsuchersiedlungen oder in Bergbauregionen im Hochland (siehe auch den Abschnitt „Bergbau und Prostitution“ auf Seite 265), in denen viele Männer wochenlang von ihren Familien getrennt arbeiten.

Obwohl peruanische Menschenrechtsorganisationen dem Sextourismus mit Kindern von Anfang an mit Aufklärungskampagnen entgegenzuwirken versuchten, gibt es Touristen, die genau zu diesem Zweck nach Cusco oder ins Amazonastiefland reisen. Mit der Wirtschaftskrise der 1990er-Jahre ist die Zahl der männlichen Prostituierten gestiegen, insbesondere in den armen Stadtvierteln, was beispielsweise in Lima dazu geführt hat, dass weibliche Straßenprostituierte aus reichen Stadtvierteln verdrängt wurden, weil dort Männerstriche entstanden. Eine Minderheit der weiblichen Prostituierten sind Hausfrauen und Frauen in einem Beschäftigungsverhältnis, die dadurch ihre finanzielle Lage aufbessern. Viele Etablissements – prostíbulo oder burdél am häufigsten jedoch casa de cita genannt – verfügen nicht über eine offizielle Genehmigung, sondern werden von Behörden, Gemeinden und der Polizei geduldet, nicht selten gegen Schmiergeldzahlungen. Auch findet Prostitution in Pseudo-Massagesalons, Saunen, Diskotheken mit angeschlossenen Separees, Kneipen, Bars, Klubs oder Hostels statt. Als Ausländer sollte man das Thema nur ansprechen, wenn man bereits ein sehr vertrauensvolles Verhältnis mit seinem Gegenüber aufgebaut hat, denn Sex ist in der peruanischen Gesellschaft immer noch ein weitgehendes Tabu, auch wenn innerhalb von Männergruppen gern damit geprahlt wird.

  Pünktlichkeit oder „hora peruana“: Bei der Einschätzung, ob man so pünktlich wie in Deutschland oder lieber zu spät kommen sollte, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Sofern es sich nicht um geschäftliche Termine, Konferenzen oder Vorstellungsgespräche handelt, darf man als Ausländer 10 bis 15 Minuten später als verabredet kommen, bei privaten Feiern sollte man das sogar tun. Auch Konzerte und Theateraufführungen fangen mitunter später an als angekündigt. Bei Verabredungen mit Peruanern kommt es auf deren Gepflogenheiten an. Während es für manche selbstverständlich ist, pünktlich zu sein, haben andere die Gewohnheit, stets ein wenig zu spät zu kommen. Wird dabei eine halbe Stunde überschritten, halten sie eine Entschuldigung bereit, die nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen muss. Als Ausländer kann man im Zweifel bei der Absprache eines Zeitpunkts fragen, ob en punto gemeint ist.

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Mit dem Leiden und Tod Christi identifiziert sich, wen das Leben hart prüft. Der Gekreuzigte muss für die Gläubigen sichtbar sein.

  Rauchen: Generell rauchen Peruaner weniger als Deutsche. Kettenraucher sind selten. In geschlossenen öffentlich genutzten Räumen, wozu Behörden und Verkehrsmittel gehören, ist das Rauchen verboten. Peru hat 2004 die WHO-Rahmenvereinbarung zur Eindämmung des Tabakkonsums unterzeichnet. In Restaurants gibt es noch immer Rauchbereiche oder Raucherräume, obwohl der Gesetzgeber das verbietet.

  Regen und Regenzeit: In der Küstenregion regnet es so gut wie nie. In Lima fällt in der kalten Jahreszeit (Juni–August) manchmal ein leichter Nieselregen, den die Limenser garúa nennen. In Jahren des El-Niño-Phänomens kann es in einigen Gegenden der Küste zu Starkregen kommen. Im Amazonastiefland ist Regen immer möglich und in den Anden fällt die Regenzeit in die Monate Dezember bis April. In diesen Monaten sollte man nach Möglichkeit nicht in die Anden reisen, da Regionen durch huaykos (Erdrutsche) sowie aufgeweichte oder durch Felsbrocken blockierte Straßen von einem Tag auf den anderen unzugänglich werden können.

  Religion: Die peruanische Verfassung gewährleistet Religionsfreiheit. Sie erkennt aber die katholische Kirche ausdrücklich als wichtiges Element in der kulturellen Entwicklung an. An den Schulen ist nur der katholische Religionsunterricht ein reguläres Fach, von dem Kinder anderer Glaubensgemeinschaften befreit werden können. In allen Schichten gehen Katholiken sonntags zur Messe. Evangelikale Gemeinden, deren Mitgliederzahlen stark anwachsen, kämpfen um ihre Gleichberechtigung. Der Katholizismus manifestiert sich in der Öffentlichkeit insbesondere durch die großen Prozessionen, an denen Tausende Gläubige teilnehmen und die in Städten wie Lima, Cusco und Ayacucho den gesamten Verkehr lahmlegen.

  Sex und Schwangerschaft: Sex vor der Ehe ist in den meisten städtischen Familien verpönt und ein Tabuthema, wird aber praktiziert. Peruanische Männer lassen sich gern umgarnen. Dabei werten sie „Tricks der Frauen“ als positiv. Kommt es zur Schwangerschaft, ist der Druck, den die Familie der Frau auf den Mann ausübt, meist groß. Allerdings zeigt der Druck nur Wirkung, wenn die Frau einer ebenso hohen Schicht angehört wie der Mann. Frauen der unteren Mittelschicht äußern mitunter, man müsse nicht verheiratet sein, um ein Kind zu haben. Diese Einstellung hilft ihnen, wenn sie von einem Ausländer oder einem Mann der Oberschicht schwanger werden, bei dem sie voraussetzen, dass er sie nie heiraten wird. Tener un hijito gringuito („ein hellhäutiges Kind haben“) wird von manchen als eine Ehre betrachtet. Über den Mann, der die Frau dann „sitzen lässt“, wird im sozialen Umfeld der Frau dennoch geredet.

  Souvenirs: In den Städten bieten Produzenten oder Händler Kunsthandwerk an Ständen auf überdachten Märkten, die in Lima Mercado Indio oder Feria Artesanal genannt werden, an. Dort findet man Textilien wie Pullover, Ponchos, Kleider oder Wandbehänge aus Alpaka-, Lama- und Schafswolle, Gefäße aus Silber oder Ton mit traditionellen Ornamenten, Schmuck aus Gold, Silber, Halbedelsteinen und getrockneten Früchten. Apart wirkt Silberschmuck, in den die Urwaldfrucht huayruro eingearbeitet wurde. Skulpturen aus Ton oder Gips werden vor allem in Ayacucho und Cusco hergestellt. Dort gibt es angesehene Künstlerfamilien. Die aus Ayacucho stammenden retablos, Holzkästen mit einer Vielzahl handgearbeiteter Gipsfiguren, erzählen vom Leben im Diesseits und im Jenseits. Je nach Qualität können diese sehr hochpreisig sein. Selbst gebrannte, handbemalte und mit ausgefallenen Ornamenten verzierte Tongefäße in Form von weiblichen Körpern oder wunderschöne Schalen, die Berufstöpferinnen der Völker der Shipibo oder Awajun (Aguaruna) im Amazonastiefland herstellen, können in den indigenen Gemeinden selbst, auf städtischen Märkten sowie auf der Internationalen Gastronomiemesse in Lima gekauft werden. Hochwertige Textilien aus Alpakawolle findet man nicht auf den „Indiomärkten“, sondern in Fachgeschäften, wo die Preise in den letzten Jahren stark angehoben wurden.

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Viele Frauen im Amazonastiefland sind gleichzeitig Hausfrauen, Bäuerinnen oder Händlerinnen und Kunsthandwerkerinnen. Sie stellen Webarbeiten und Töpferwaren für den Eigenbedarf und für Touristen her.

  Statussymbole: Die Auffassung der Peruaner davon, was Status verleiht, ist ohne Kenntnis der Lebenswirklichkeit für Fremde schwer nachvollziehbar. Hohen Status verleihen Familiennamen, teure Privatschulen oder -universitäten. Wenn junge Peruaner sich kennenlernen, lauten die ersten Fragen häufig „Wie heißt du?“, „Welche Schule hast du besucht?“ und „Wo studierst du?“. Die Wohngegend hat Einfluss auf die Arbeitsstelle, die man bekommen kann und die sozialen Kontakte in den Bildungseinrichtungen. Auch das Auto (Geländewagen, BMW, Mercedes) oder die Mitgliedschaft in einem teuren Klub verleihen Status. Dieser Status lässt sich für Fremde kaum erreichen, weshalb sie von bestimmten sozialen Kontakten ausgeschlossen bleiben. Wer einer traditionell wohlhabenden Familie entstammt – mag diese auch verarmt sein – wird gesellschaftlich immer noch höher eingestuft als ein „Neureicher“. Auch die Hautfarbe ist entscheidend. Wer zu Reichtum gelangt, aber die „falsche“ Hautfarbe hat, wird nicht in die alteingesessene Oberschicht aufgenommen.

  Taxi: Eine Taxifahrt kann eine unsichere Angelegenheit sein, wenn man Auto und Fahrer vorher nicht genau in Augenschein nimmt. Taxiunternehmen sind keineswegs sicherer, sie sind nur teurer als die Einzelunternehmer, die man an der Straße anhält. Hält man ein Taxi auf der Straße an, so sollte man darauf achten, dass das Fahrzeug bei der Stadtverwaltung registriert ist. Das erkennt man am Schachbrettmuster und den beiden kleinen rot-weiß-roten Nationalfahnen auf dem Auto. Die Taxis haben keine Taxameter, deshalb sollte man sich vorher nach dem Preis erkundigen (manche Firmen haben Festpreise) und diesen vorher aushandeln. Noch besser ist, Peruaner nach dem Preis für eine bestimmte Strecke zu fragen, denn es gibt Standardpreise, die sich aus der Entfernung in Verbindung mit dem Verkehrsaufkommen zu der jeweiligen Zeit ergeben. Hat man einen vertrauenswürdigen Fahrer ausfindig gemacht, sollte man sich seine Handynummer oder E-Mail-Adresse geben lassen und ihn für die nächste Fahrt wieder buchen.

  Telefonieren: Das Handy ist auch für die Peruaner unerlässlich geworden. Insbesondere im Andenhochland, im Amazonastiefland und in den randstädischen Armenvierteln profitieren die Menschen vom preisgünstigen Telefonieren per Handy. Familienangehörige, die manchmal in weiter Entfernung voneinander arbeiten, können auf diese Weise miteinander kommunizieren. Sein Handy kann man in Supermärkten oder Apotheken gegen Bargeldzahlung aufladen lassen. Wichtig ist, die eigene Nummer sowie den Namen des Anbieters zu kennen. In der Öffentlichkeit mit dem Handy zu telefonieren, ist in Peru weniger unhöflich als in Deutschland. Seit den 1990er-Jahren sind viele private Haushalte an das Festnetz angeschlossen. In privaten Haushalten meldet man sich grundsätzlich nur mit „Alo“ („Hallo“) oder „Hola“ („Hallo“). Auch der Anrufer nennt erst seinen Namen, wenn die Person am anderen Ende fragt „de parte de quien?“ (sinngemäß „wer ruft an?“), und jene teilt erst dann mit, ob die verlangte Person zu sprechen ist. Bei Firmen und Behörden wird der Name des Unternehmens oder Amtes genannt. Der Anrufer sagt zuerst, wen er sprechen möchte und, sobald er danach gefragt wird, seinen Namen. Anschließend wird man entweder durchgestellt oder informiert, wann die entsprechende Person zu sprechen ist. Dies können mitunter kleine Zeitfenster sein. Man sagt dann vom Ansprechpartner: „se hace rogar“ („lässt um sich bitten“). Nicht nur am Telefon nennt man seinen Namen zunächst nicht. Viele Familiennamen stehen in keinem Telefonbuch.

  Termine: An, vor und nach Brückentagen, Weihnachten, Ostern und am Nationalfeiertag (28./29. Juli) vereinbart man am besten keine Termine. Peruaner lehnen Einladungen ungern ab und würden sich vielleicht veranlasst sehen, etwas zu versprechen, was sie nicht halten können, weil diese Tage für die Familie reserviert sind. Liegt eine Vereinbarung lange zurück, sollte man auf jeden Fall noch einmal daran erinnern. Bittet man per Mail um einen Termin, so lautet die Antwort oft, man möge doch anrufen, sobald man absehen könne, wann man verfügbar sei. Peruaner planen lieber kurzfristig als lange im Voraus.

  Toilette/Notdurft:„Presteme su baño!“ („Leihen Sie mir bitte Ihre Toilette!“) bittet man, wenn man bei einer Familie zu Hause ist. Im Lokal fragt man nach los servicios. In den städtischen Armenvierteln sowie in den Dörfern im Andenhochland gibt es private und öffentliche Latrinen. Auch in Lima findet man öffentliche Toiletten. WC-Kabinen werden nur bei großen Events, die im Freien stattfinden, aufgestellt. Wer in den Anden übernachtet, wo es nachts kalt wird, findet unter seinem Bett in der Regel einen Nachttopf.

  Trinkgeld: Der Service ist in Lokalen im Preis inbegriffen. Dennoch ist ein Trinkgeld üblich, wenn man mit dem Service zufrieden war. Manche Peruaner geben circa zehn Prozent, manche nur fünf. Erst wenn man seine Rechnung bezahlt und sein Rückgeld erhalten hat, legt man das Trinkgeld auf den Tisch oder in das Tellerchen oder das Etui, in dem das Rückgeld gebracht wurde.

  Verkehr: Beim Autofahren ist in Peru Durchsetzungsvermögen gefragt. So gilt beim Einfahren in den Kreisverkehr oder beim Wechseln der Spur das Recht des Stärkeren und es ist nicht ungewöhnlich, dass in Staus von rechts überholt wird. Bei Unfällen gilt unter Peruanern immer noch: Der Reiche hat Recht, der Arme Unrecht. Wer als Ausländer einen Unfall verursacht, muss damit rechnen, dass der Geschädigte ihm viel Geld abverlangt und falls es zum Gerichtsverfahren kommt, kann dies die Ausreise gefährden. In Lima verkehren ca. 200.000 Taxis. Dementsprechend günstig ist das Taxifahren. Private Buslinien haben keine festen Haltestellen. Auf der Straße streckt man die Hand aus, damit der vorbeifahrende Bus anhält. Im Bus ruft man „bajan“ („aussteigen“) vor der Straßenkreuzung, an der man aussteigen möchte. Feste Haltestellen haben dagegen die städtischen Busse, in Lima Metropolitano genannt und die Sammeltaxis (colectivos). Zwischen den nördlichsten und südlichsten Siedlungen von Lima verkehrt eine Hochschnellbahn, der tren electrico. Oft herrscht Platzmangel und die Passagiere quetschen sich aneinander. Wer aussteigen möchte, muss sich früh genug zur Tür vorarbeiten. In der Stadt Pucallpa im Amazonastiefland gibt es weder Busse noch Bahnen. Dort ist die Motorrad-Riksha, das mototaxi – auch taxi cholo genannt – mit dem zwei bis drei Personen befördert werden können, das einzige Verkehrsmittel.

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Armenviertel in Lima: der Wassertankwagen versorgt die Menschen vorübergehend mit dem lebenswichtigen Gut

  Vegetarier/Ernährungsvorschriften: In Lima finden Vegetarier ein reichhaltiges Angebot an Restaurants und Gerichten. Schwierig wird es jedoch in den kleineren Städten oder gar in den Dörfern. Wenngleich die meisten Peruaner keine großen Fleischmengen essen, gehört bei fast allen Gerichten immer etwas Fleisch oder Fisch dazu. Unter carne (Fleisch) verstehen Peruaner nur Rind-, Ziegen- und Schweinefleisch. Geflügel gehört nicht dazu, dieses sollte man als Vegetarier bei der Bestellung explizit ausklammern.

  Wasser: Peru gehört zu den Ländern der Erde, denen akute Wasserknappheit droht. Ein sparsamer Umgang damit ist generell angezeigt. In den Städten ist Wasser sehr ungleich verteilt. Während die Menschen in vielen randstädtischen Armensiedlungen nur alle zwei Tage für ein paar Stunden Wasser aus der Leitung bekommen und neu entstandene Siedlungen den Wassertankwagen über lange Zeit überteuertes Wasser abkaufen müssen, ist die Versorgung der großen Hotels sowie der Reichenviertel besonders großzügig. Dort werden Wiesen, Gärten, Parks und Golfanlagen täglich ausgiebig gegossen.

  Zärtlichkeiten: Junge Liebespaare tauschen mangels Rückzugsmöglichkeiten Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit aus, zum Beispiel auf Parkbänken. Wer vorübergeht, schaut höflich weg. Das Händchenhalten in der Öffentlichkeit ist längst kein Problem mehr. Bei Familienfeiern sollte man sich aber nicht vor aller Augen küssen.