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Manchmal versammeln sich die Männer auf dem Dorfplatz. Dort graben sie eine junge Frau ein, nur der Kopf guckt noch heraus. Dann nehmen sie Abstand und versuchen den Kopf des Mädchens zu treffen. Das treiben sie stundenlang. Langweilig finden sie das nicht.
Ein Spiel für Männer. Es wird heute noch gespielt.
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Veröffentlichungsjahr: 2018
Da sah Markus, mein Herr, einen Bauern, der kraftvoll den Getreidesamen auf sein Feld verteilte. Markus blieb stehen. Der Bauer arbeitet ohne Unterlass. Dann kam seine Frau dazu. Sie hatte Brot und Wein mitgebracht. Sie setzten sich ins Gras und aßen und tranken. Danach nahmen sie sich in den Arm. Beide kicherten und verschwanden hinter einem Busch. Für mich war dies ein schönes Bild von Liebe und Frieden. So sollte es immer auf der Welt sein. Aber mein Herr Markus hatte etwas ganz anderes gesehen und machte daraus eine seiner typischen Geschichten. So erzählt er von einem Bauern, der Getreide sät. Das meiste wirft er aber nicht auf den Acker, sondern auf den Weg, dann auf die Felsen, und in die Dornen.“[1] Denn die Frommen sehen in dieser Welt nur Versager.
[1] Diese Geschichte im Original können Sie lesen in: Die Bibel, Einheitsübersetzung, Katholisches Bibelwerk, Evangelium des Markus, S. 1165ff
Am See von Galiläa gab es ein kleines Dorf, dessen Namen ich vergessen habe. Es lag malerisch zwischen grünen Hügeln, die Felder waren fruchtbar. Sie waren ergiebig und gut zu bearbeiten. Die Olivenhaine spendeten Schatten im Sommer. Die Weinstöcke lieferten einen guten Wein, der sehr beliebt war. Das war aber nicht alles. Der See war fischreich und hatte sauberes Wasser. Als Fischer und Bauern konnten die Menschen hier gut leben. Eigentlich war es ein Paradies. Die Leute hätten glücklich leben können,
aber sie waren fromm ….......
Dort lebte Markus. Er war Fischer. Aber er hatte keine Zeit, um seine Netze regelmäßig auszuwerfen. Kaum ging die Sonne auf, stand er auf, aß und trank hastig etwas und setzte sich an seinen Tisch. Dort ordnete er seine vielen Papyrusrollen und breitet leere Rollen aus und beschrieb die Blätter von den Papyruspflanzen sorgfältig. Das war nicht einfach. Dazu benutzte er ein Schreibrohr, eine Art Pinsel, mit der er in Schwarz sorgfältig die Wörter malte. Das was ihm nicht passieren durfte, war, sich zu verschreiben. Dann war das Blatt verdorben. Er musste es vollständig wieder reinigen, denn die Papyrusrollen waren teuer.
Er schrieb nicht irgendwelche Alltagsbriefe, Rechnungen oder Lagerlisten, sondern eine Geschichte – davon war er überzeugt – im Auftrage Gottes. Es war die Lebensgeschichte eines jüdischen Predigers[1]. Dazu hatte er viele Rollen gesammelt. In seinem Haus gab es viele davon, ein riesiges Durcheinander. Auf jeder Rolle war nur ein „Schnipsel“ aus dem Leben des Predigers. Markus musste Ordnung schaffen, um daraus eine Geschichte zu machen. Das forderte viel Zeit und Fantasie. Eines war ihm klar, wenn er Leser und Zuhörer finden wollte, musste seine Geschichte eine Pointe haben. Im Moment wusste er noch nicht welche. Ach, da gab es noch jemandem in seinem Hause, den Hund Soschua. Er war ihm zugelaufen und sehr gelehrig. Er war ein Rüde. Das hatte den Vorteil, dass Markus keinen Nachwuchs befürchten musste. Um die Rasse machte man sich damals noch keine Gedanken. Er spitzte ständig die Ohren und war von brennender Neugier. Aber eines wusste Markus nicht, sein Hund konnte lesen. Deswegen trieb sich Soschua auch ständig im Hause herum. Die Papyrusrollen hatten es ihm angetan. Mit seinen Pfoten breitete er die Rollen sorgfältig aus, und zwar so vorsichtig, dass Markus davon nichts merkte. Soschua beschädigte keine einzige dieser empfindlichen Rollen. Ihn interessierten vor allem die Rollen in den Krügen unter dem Tisch. Wenn Markus der Inhalt einer Rolle nicht passte, steckte er diese mit einem unwilligen Grunzen in einen der Krüge, die unter seinem Tisch standen.
Um eine Geschichte zu verstehen, ist es oft interessanter zu wissen, was dem Autor nicht passte. Manchmal konnte sich Soschua ein inneres Grinsen nicht verkneifen. Aber Soschua las nicht nur, er hatte auch eine Freundin, sie hieß Schula. Sie war etwas kleiner als er und hatte ein schwarz - weißes Fell. Alle Rüden im Dorf schwärmten für sie. Aber nur Soschua mochte sie. Sie waren ein glückliches Paar und genossen alle Freuden, die die Natur ihnen schenkte. Da waren sie anders als die frommen Menschen im Dorf. Die Sache mit Mann und Frau war für sie ein großes Problem. Vor allem die Mädchen und Frauen wurden von den Männern schwer bewacht. Sie sahen es nicht gerne, wenn sie das Haus verließen, vor allem ohne älteren Bruder. Kam ein Mädchen alleine ins Haus gehuscht, empfing sie der Vater mit den Worten: „Wer viel ausgeht, bringt viel Schmutz mit nach Hause“. Das galt natürlich nicht für die Männer. Wenn sie nicht arbeiteten, trafen sie sich in einem schön gestalteten großen Lehmhaus und rauchten dort und führten gewichtige Reden. Der reichlich fließende Wein beflügelte ihre Worte.
So erzählte einmal ein Mann, dass er seine Tochter verprügelt habe, weil sie zum zweiten Mal alleine ausgegangen sei. Das unterlegte er noch mit dem weisen Spruch: „Wen der Vater liebt, den schlägt er“. Hatte ein Mann seine Frau derbe verdroschen, war es ein Zeichen der Liebe: „Wohin der Mann schlägt, da wachsen Rosen“.
Wenn gerade dieser letzte Spruch stimmen würde, dann bestünden in unserem Dorf viele Frauen nur noch aus Rosen.
Besonders ein Wort spielte eine besondere Rolle bei den Männern, was Schula und Soschua überhaupt nicht deuten konnten: „Keusch“. Dieses Merkmal sollten die Mädchen und Frauen haben, nicht die Männer. Soviel kriegten Schula und Soschua aber noch mit, sprachen die frommen Männer einer Frau diese Eigenschaft ab, wurde es für die Frau lebensgefährlich.
Liebe Leserin und lieber Leser,
Auch ich als Autor weiß nicht so recht, was „keusch“ heute bedeutet. Vielleicht mailen[2] Sie mir mal die Bedeutung dieses Wortes.
Achtung, liebe Weiblichkeit, seien Sie auch heute noch vorsichtig, wenn Sie öffentlich etwas dazu sagen. Unter Frommen hat dieses Wort bis heute noch die tödliche Wirkung einer Granate.
[1] Die Geschichte von Markus im Original können Sie im folgenden Buch nachlesen: Die Bibel Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Gesamtausgabe, Stuttgart 2016, S.1161ff
[2]Meine E-Mail – Adresse: [email protected]
Heute war ein schöner Tag, es war 70 n.Chr. Die Sonne schien, es ging ein leichter Wind. Viele Gerüche erfüllten die Luft. Auf dem Dorfplatz hatte sich ein Pulk von Menschen in unserem Dorf gebildet.
Wo Menschen sind, fällt vielleicht etwas für mich zu fressen ab, dachte Soschua. Also nichts wie hin. Ah nee, da predigt wieder einer. Da gibt es nichts zu fressen. Sicherlich streiten sie sich hinterher wieder stundenlang.
Vorsicht, da kommt Uri. Der wirft immer mit Steinen. Gestern erst hat er mich getroffen, das tut ganz schön weh. Er hat die linke Hand voller Steine und starrt auf eine bestimmte Stelle. Da ist er abgelenkt, ich traue mich mal näher ran. Jetzt höre ich das Fauchen einer Schlange. Uri bei seiner Lieblingsbeschäftigung, Schlangen tot zu werfen. Was das für einen Sinn hat, weiß ich nicht. Er bringt ja das Tier nicht seiner Mutter, damit sie es brät oder kocht. Er lässt das tote Tier einfach liegen. Uri hat das Steinewerfen wohl von den Erwachsenen. Manchmal versammeln sich die Männer auf dem Dorfplatz. Dort graben sie eine junge Frau ein, nur der Kopf guckt noch heraus. Dann nehmen sie Abstand und versuchen den Kopf des Mädchens zu treffen. Das treiben sie stundenlang. Langweilig finden sie das nicht. Was das Ganze soll, weiß ich nicht. Uri lässt mir zumindest eine Chance, ich kann blitzschnell weglaufen. Trotzdem werde ich ihn eines Tages ins Bein beißen, wenn er am Seeufer schläft.
Hier ist nichts mehr los, also ab zu meiner Freundin Schula. Ah, da ist sie ja. Meine clevere Freundin hat mal wieder einen Knochen stibitzt.