Resozialisierung durch Soziale Arbeit - Heinz Cornel - E-Book

Resozialisierung durch Soziale Arbeit E-Book

Heinz Cornel

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Beschreibung

Resozialisierung ist Ziel und Auftrag der Sozialen Arbeit z.B. im Strafvollzug, in der Bewährungshilfe und in der Freien Straffälligenhilfe. Um dieses Ziel - die Reintegration in die Gesellschaft - zu erreichen, sind spezifische Kenntnisse und Kompetenzen sowie ethische Grundsätze und kriminalpolitische Orientierung notwendig. Das Buch zeigt, wie Fachkräfte der Sozialen Arbeit in enger Zusammenarbeit mit ihren Klientinnen und Klienten erfolgreich resozialisieren können. Neben der Auseinandersetzung mit dem Begriff, den Problemlagen und Handlungsmethoden werden institutionsbezogene Hilfearten vorgestellt. Das Lehr- und Lernbuch bietet dazu ein facettenreiches Fallbeispiel und ermöglicht so den Transfer des Wissens in die Praxis.

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Der Autor

Dr. Heinz Cornel ist Jurist, Sozialpädagoge und Kriminologe und war von 1988 bis 2019 Professor für Jugendrecht, Strafrecht und Kriminologie an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Dort leitet er seit 2006 und auch weiterhin die wissenschaftliche Weiterbildung. Vorher war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Rechtswissenschaften der Goethe-Universität und am Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main sowie Leiter der soziotherapeutischen Abteilung des DFG-Projekts »Soziotherapie mit Delinquenten« am Sigmund Freud Institut, in dessen Rahmen er nach vielen Jahren ehrenamtlicher Straffälligenhilfe fünf Jahre mit haftentlassenen mehrfach vorbestraften Männern in einem offenen stationären therapeutischen Setting arbeitete. Von 2009 bis 2015 war er Präsident des DBH-Fachverbands für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik, vormals Deutsche Bewährungshilfe, und seit mehr als 30 Jahren ist er Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen in Berlin.

Seine Forschungen beschäftigen sich vornehmlich mit Kriminologie, Strafvollzug, Kriminalpolitik, Gewaltprävention, Resozialisierung sowie Alternativen zur Freiheitsstrafe. Er ist Mitherausgeber und Redaktionsmitglied der Fachzeitschrift ›Neue Kriminalpolitik‹, der Gesetzessammlung ›Recht der Resozialisierung‹ (sechs Auflagen) und des ›Handbuchs Resozialisierung‹ (vier Auflagen) sowie Mitautor des Diskussionsentwurfs für ein Landesresozialisierungsgesetz.

Heinz Cornel

Resozialisierung durch Soziale Arbeit

Ein Lehrbuch für Studium und Praxis

Verlag W. Kohlhammer

 

 

 

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-036044-0

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-036045-7

epub:     ISBN 978-3-17-036046-4

mobi:     ISBN 978-3-17-036047-1

Vorwort

 

 

 

 

Verstreute Beiträge zur Resozialisierung gibt es viele in den einschlägigen Fachzeitschriften, und im Handbuch Resozialisierung, dessen Mitherausgeber ich von Beginn an über vier Auflagen bin, sind wichtige Aspekte in 35 Beiträgen auf mehr als 700 Seiten sehr grundlegend zusammengefasst.1 Dieses neue Lehrbuch für Studium und Praxis soll durch das systematische Behandeln von 15 Themen der »Resozialisierung durch Soziale Arbeit« aus einer Feder und seinem praxisnahen didaktischen Aufbau eine andere Qualität gewinnen. Neben Sozialarbeiter_innen können sich auch Jurist_innen und Psycholog_innen für den Beitrag der Sozialen Arbeit zur Resozialisierung interessieren.

Das Lehrbuch will zugleich ein Lernbuch sein und ist deshalb in 15 Lektionen mit Praxisbezug und vertiefenden Literaturhinweisen gegliedert. Jede dieser Lektionen im Umfang von etwa sieben bis fünfzehn Seiten ist in etwa ein bis zwei Stunden zu lesen oder mit einem Workload von zwei bis drei Stunden zu bearbeiten. Dieser Aufbau erscheint mir nach mehr als 35 Jahren Erfahrung in der Lehre zu Themen der Resozialisierung an verschiedenen Hochschulen auf Bachelor und Masterniveau und in der Weiterbildung als besonders geeignet für den Studienbetrieb.

Die einzelnen Lektionen erörtern die jeweiligen Fragestellungen auf dem aktuellen Niveau der konzeptionellen Entwicklung, des theoretischen Diskurses, des kriminologischen Erkenntnisstandes einschließlich entsprechender Daten zur deutschen Kriminalpolitik und der Praxis. Die Anzahl der Lektionen und deren Umfang sowie die Ausrichtung auf den Kompetenzerwerb ermöglichen eine Verwendung im Studium. Aber auch für die Praxis ist ein gezieltes Nachschlagen für spezifische Arbeitsfelder gut möglich.

 

Berlin im Januar 2020Heinz Cornel

1        Cornel/Kawamura-Reindl/Sonnen 2018.

Inhalt

 

 

 

 

Vorwort

Einleitung

Lektion 1:    Was bedeutet Resozialisierung in welchen kriminalpolitischen Kontexten?

Lektion 2:    Mit welcher Zielsetzung und zu wessen Nutzen sollte Resozialisierung betrieben werden?

Lektion 3:    Welche besondere Bedeutung hat die Soziale Arbeit für die Resozialisierung?

Lektion 4:    Welche Haltungen und Handlungsmethoden benötigt die Soziale Arbeit im Kontext der Resozialisierung?

Lektion 5:    Welche besonderen Probleme ergeben sich daraus, wenn Soziale Arbeit zur Resozialisierung in Zwangskontexten stattfindet?

Lektion 6:    Welche Rolle spielen fehlende (materielle) Ressourcen, soziale und persönliche Kompetenzen und Probleme des Übergangs bei der Resozialisierung?

Fallgeschichte

Lektion 7:    Welche Rechtsgrundlagen sind für die Soziale Arbeit im Kontext der Resozialisierung von Bedeutung?

Lektion 8:    Wie kann Soziale Arbeit direkt nach Bekanntwerden einer Straftat und bei drohender Inhaftierung zur Resozialisierung beitragen?

Lektion 9:    Wie wirkt Soziale Arbeit resozialisierend durch die Soziale Hilfe im Strafvollzug und in der Untersuchungshaft?

Lektion 10:  Welche Aufgaben zur Resozialisierung müssen in der Bewährungshilfe geleistet werden und wie sind diese zu organisieren?

Lektion 11:  Welche Bedeutung für die Resozialisierung kommt der Freien Straffälligenhilfe zu?

Lektion 12:  Inwieweit geht es auch bei Mediation im Strafverfahren und insbesondere dem Täter-Opfer-Ausgleich um Resozialisierung?

Lektion 13:  Welche jugendspezifischen Kompetenzen brauchen die Fachkräfte der Sozialen Arbeit für Resozialisierungsprozesse?

Lektion 14:  Welche genderspezifischen und interkulturellen Kompetenzen brauchen die Fachkräfte der Sozialen Arbeit für Resozialisierungsprozesse?

Lektion 15:  Wie könnte eine Perspektive der Resozialisierung durch Soziale Arbeit aussehen, in der nicht das Strafen und die Freiheitsstrafe im Mittelpunkt stehen?

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Einleitung

 

 

 

 

Resozialisierung durch Soziale Arbeit ist eng verbunden mit spezifischen Arbeitsfeldern wie z. B. der Jugendhilfe im Strafverfahren, der Bewährungshilfe, der Gerichtshilfe, der Sozialen Hilfe im Strafvollzug und der Freien Straffälligenhilfe. So sehr diese Verortung naheliegt und möglicherweise auch eine erste Orientierung gibt, so sehr beinhaltet sie auch in zweifacher Weise eine unzulässige Beschränkung: Delinquenz ist zum einen in allen Lebensbereichen anzutreffen, weil sie alltäglich ist, und deshalb haben auch Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen außerhalb der oben genannten spezifischen Arbeitsfelder, beispielsweise in der offenen Jugendarbeit und Heimerziehung, in der Schule und Suchtberatung, mit Delinquenz zu tun, möglicherweise einen kriminal- oder gewaltpräventiven Auftrag und mit Resozialisierung zu tun. Zum zweiten aber ist Resozialisierung nicht zu leisten ohne intensive Vernetzung aller Sozialer Dienste, Institutionen und Leistungsträger. Verbindliche Kooperationen können und müssen Stigmatisierungen, Ausgrenzungen und strafendem Einschluss entgegenwirken, denn Delinquenz ist keine Eigenschaft einer gesellschaftlichen Minderheit, sondern Produkt einer gesellschaftlichen Zuschreibung. Die Profession der Sozialen Arbeit muss sich ihrer eigenen Rolle in diesem Kriminalisierungsprozess klar werden – auch diesem Ziel soll dieses Lehrbuch dienen. Zu diesem Zweck werden zunächst Begriff und Zielsetzung der Resozialisierung erörtert, dann das Verhältnis zur Sozialen Arbeit unter unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und schließlich unterschiedliche Institutionen, Handlungsmethoden und Hilfearten zum Thema gemacht. Die letzten Lektionen beschäftigen sich mit spezifischen Lebenswelten und Kompetenzen sowie arbeitsfeld- und zielgruppenübergreifenden Aspekten.

Beginnend mit Lektion 6 wird anhand einer Fallgeschichte versucht, Lebenslagen und Lebenswelten straffällig gewordener Menschen darzustellen, um so das Hilfesystem, die Hilfemöglichkeiten der sozialen Arbeit, rechtliche Grundlagen mit den vorhandenen Institutionen und das methodische Vorgehen besser verständlich zu machen. Diese Fallgeschichte soll Übungen hinsichtlich verschiedener Institutionen und Hilfeleistungen ermöglichen und richtet ihren Fokus auf die Resozialisierung durch Soziale Arbeit. Es sei schon hier darauf hingewiesen, dass diese Fallkonstellationen mit einem Hilfebedarf zur Resozialisierung durch Soziale Arbeit weder internationale Verbrechen und Wirtschaftskriminalität mit viel größeren Schäden ignorieren noch die Tatsache, dass ein bedeutender Anteil der Delinquenz unentdeckt im Dunkelfeld bleibt. Die Fallübung mit ihren spezifischen Ausprägungen folgt allein didaktischen Überlegungen.

Lektion 1:   Was bedeutet Resozialisierung in welchen kriminalpolitischen Kontexten?

 

 

 

 

Der Begriff der Resozialisierung wird inzwischen seit mehr als hundert Jahren im Kontext des Strafvollzugs und der Straffälligenhilfe verwendet2, wenn es um die Wiedereingliederung straffällig gewordener Menschen geht. Noch bevor die Definition vertiefend in ihrer Genese betrachtet wird, sollen kurz die unterschiedlichen Mutmaßungen über den Anlass einer solchen Wiedereingliederung erörtert werden. Stellt eine Straftat selbst den Täter oder die Täterin außerhalb der Gesellschaft, so dass eine Wiedereingliederung notwendig ist? Ist das gegebenenfalls bei jeder Straftat so, also auch bei einem Bagatelldelikt oder einem Steuerdelikt eines sozial ansonsten unauffälligen Managers? Das wäre insofern erstaunlich, als schon der französische Soziologe Emile Durkheim vor 120 Jahren feststellte, dass Kriminalität ein normales Phänomen darstellt3, und die kriminologische Dunkelfeldforschung viele Male erwiesen hat, dass mehr als 80 % aller Menschen bereits Straftaten begangen haben. Müssen diese danach alle resozialisiert bzw. wieder eingegliedert werden? Oder müssen nur die resozialisiert werden, deren Delinquenz als Folge ihrer sozialen Lebenslage oder persönlichen Probleme, biografischen Benachteiligungen und mangelnden sozialen Kompetenzen gesehen wird? Wer erkennt solche möglichen Ursachen und wer sollte die Konsequenzen festlegen? Die Gerichte sind für solche Entscheidungen wenig kompetent und haben auch mit der Schuldfeststellung und Festlegung der Sanktion eine andere Aufgabe, wenngleich sie gem. § 46 StGB »die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind«, berücksichtigen müssen. Möglicherweise ist auch die Wiedereingliederung vor allem deshalb nötig, weil die Stigmatisierung, Kriminalisierung, Bestrafung und das Einsperren des_der Delinquent_in diese_n aus der Gesellschaft ausgegliedert und ausgegrenzt haben. Dann wäre der Anlass und der Grund der Resozialisierung vor allem die vorangegangene Reaktion auf das strafbare Verhalten, mit klaren Konsequenzen für eine rationale Kriminalpolitik. Schon zu Beginn der Klärung des Begriffs der Resozialisierung zeigt sich, wie eng dieser mit den Vorstellungen von den Kriminalitätsursachen und Strategien sozialer Kontrolle verbunden ist.

Der Begriff Resozialisierung ist entgegen dem ersten Anschein weniger ein Fachbegriff mit klar definierter Bedeutung als vielmehr Synonym für ein ganzes Programm, das in verschiedenen Ausprägungen bezogen auf den Strafvollzug, aber auch im Zuge verschiedener in den letzten hundert Jahren entstandener ambulanter sozialer Hilfen und Unterstützungsformen als Reaktion auf Delinquenz die so genannte gerechte Vergeltung4 ersetzt hat, ersetzen will oder auch nur als Substitut jener Straflegitimation fungiert.5 Aus den zwei Wortbestandteilen »Re« und »Sozialisierung« allein wird man auf die Bedeutung nicht schließen können. Das aus dem lateinischen kommende Präfix ›Re‹ deutet darauf hin, dass etwas zurückgeführt oder wiederhergestellt werden soll, aber der Ursprung des zweiten Wortteils ist nicht eindeutig geklärt, obwohl dies für die Bedeutung selbst von Belang sein kann: Sozialisierung kann sich einfach auf die Gesellschaft beziehen, so dass mit Resozialisierung die Wiedereingliederung in die Gesellschaft oder die Rückführung in die Gesellschaft gemeint ist. Man kann den Wortteil ›Sozialisierung‹ aber auch als aus der Sozialisationstheorie abgeleitet begreifen, als einen Prozess, in dem mehr oder weniger intentional gelernt wird. Dieser Bezug auf die Sozialisation darf aber nicht zu zwei Fehlern verleiten: Zum einen sind straffällig gewordene Menschen nicht unsozialisiert, sondern hatten gegebenenfalls in ihrem Sozialisationsprozess nur eingeschränkte Möglichkeiten, soziale Kompetenzen zu erwerben. Ein nicht-sozialisierter Mensch ist nicht lebensfähig und nur als konstruiertes stigmatisierendes Feindbild denkbar.6 Zum Zweiten darf die Anlehnung an die primäre und sekundäre Sozialisation in der Kindheit und Jugend nicht dazu führen, dass man sich in der Methodik, hinsichtlich der Partizipation und den Vorstellungen von Macht und Autonomie bei der Resozialisierung an einer solchen Parallele orientiert.

Wiedereingliederung in die Gesellschaft betrifft das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft. Dies bedeutet aber nicht, dass im Prozess der Resozialisierung allein das Individuum sich verändern muss und wird. Konzepte der Resozialisierung sind also per se nicht individuumszentriert7 – ob sich die Gesellschaft mit ihren Institutionen vor allem ändern muss, weil die straffällig gewordene Person die Norm kaum einhalten konnte oder die Sanktion diesen Menschen ausschloss, oder ob es vor allem um Änderungen und Lernprozesse beim Individuum geht – darüber sagt die Konzeption der Resozialisierung nichts aus. Häufig wird es um einen Prozess gehen, bei dem sich das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft dadurch ändert, dass sich beide bewegen und verändern. Deshalb basiert das kriminalpolitische Programm der Resozialisierung auch nicht ausschließlich auf ätiologischen Kriminalitätstheorien, die die Ursachen der Delinquenz personenbezogen ergründen wollen, sondern nimmt im Gegenteil auch die Prozesse der Kriminalisierung und Instanzen der sozialen Kontrolle in den Blick. Diese Aspekte werden in diesem Buch immer wieder eine Rolle spielen.

Will man die Inhalte des Begriffs der Resozialisierung konkretisieren, so wird das nur unter Bezug auf den kriminalpolitischen Kontext gelingen. Es mag zunächst trivial erscheinen festzustellen, dass – neben den oben genannten Bezugnahmen auf kriminologische Annahmen zu den Delinquenzursachen – die Inhalte auch davon abhängen, ob man den Begriff der Resozialisierung auf inhaftierte Personen, von Haft bedrohte Personen, haftentlassene Personen oder solche bezieht, die nur zu Geldstrafen verurteilt wurden oder deren Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Tatsächlich aber findet man in der (frühen) Literatur zur Resozialisierung Quellen, die sich ausschließlich auf Gefangene beziehen,8 während neuere Definitionen einen umfassenden Begriff der Resozialisierung haben, die nicht Institutionen gebunden sich allein auf Justizvollzugsanstalten, Gefangene und Haftentlassene beziehen, sondern denen es um umfassende Integration und Teilhabe aller straffällig gewordenen Menschen geht.9 So wird der Begriff der Resozialisierung auch in diesem Lehrbuch verstanden.10

In der Geschichte des Strafrechts, der sozialen Kontrolle und Kriminalpolitik hat es in den letzten Jahrhunderten eine Reihe von Begriffen gegeben, die entweder dem der Resozialisierung gleichgesetzt wurden, ihm vorangingen oder ihn ersetzen sollten. In früheren Jahrhunderten sprach man von Besserung, ein moralisch stark besetzter und wohl auch überheblicher Begriff, zumal sich die nicht straffällig gewordenen Menschen dadurch zugleich als die schon besseren definierten. Immerhin aber war das kriminalpolitische Ziel der Besserung eines, das der reinen Vergeltung, der Abschreckung und dem Unschädlichmachen entgegengesetzt wurde.11 Im frühen 20. Jahrhundert wurde als Alternative dazu der Begriff der Erziehung auch im Kontext von Strafrecht und Strafvollzug verwendet,12 wie er von der Jugendgerichtsbewegung für Jugendliche üblich war. Dies hat sich aber nicht durchgesetzt, weil es nicht die Aufgabe eines Staates sein kann, seine volljährigen mündigen Staatsbürger_innen zu erziehen. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Begriffe Ersatzsozialisation13, (soziale) Integration14, Rehabilitation15 oder Nachsozialisation16 vereinzelt genutzt, die sich aber ebenfalls nicht durchsetzten.

Deshalb verwende auch ich in Kenntnis der Kritik an seinen Unschärfen den Begriff der Resozialisierung17 und werde in diesem Lehrbuch zum einen durch die Beschreibung konkreter Arbeitsweisen und Konzeptionen der Resozialisierung als auch durch die Definition des Kontextes hinsichtlich Strafrecht, sozialer Kontrolle und (eingeschränkter) Freiwilligkeit (Lekt. 5) versuchen, dem Begriff zusätzlich Konturen zu geben.

Damit sich der Leser und die Leserin ein Bild von den Inhalten der Resozialisierung machen können, sollen im Folgenden konkret einige Aspekte genannt werden:

•  Beratung im Kontext von Delinquenz in allen Phasen von der (eventuell noch unentdeckten) Deliktsbegehung, über polizeiliche Vorladungen und drohende Untersuchungshaft, von Möglichkeiten der Ratenzahlung bei Geldstrafen oder der Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen bis hin zu Beratungen während der Inhaftierung, zur Vorbereitung der Haftentlassung oder danach. In diesen Beratungen kann es um ganz verschiedene Aspekte gehen, von persönlichen Problemen über Chancen und Möglichkeiten zur Integration bis zum Verhalten bei Stigmatisierungen und Ausgrenzungen.

•  Motivation straffällig gewordener Menschen, um sich selbst um die eigene Lebenslagenverbesserung, Integration und das Ergreifen von Chancen zu bemühen (Hilfe zur Selbsthilfe), weil die im Lebenslauf und insbesondere im Kontext von Straffälligkeit erlebte Ausgrenzung, Stigmatisierung und Perspektivlosigkeit häufig zur Resignation führen und so tatsächlich vorhandene Hilfen nicht genutzt werden.

•  Unterstützung bei der Gestaltung vonÜbergängen (Lekt. 6), weil straffällig gewordene Menschen in ihrer Biografie häufig schwierige mit Krisen verbundene Übergänge erlebt haben und weil Inhaftierungen und Haftentlassungen problematische, oft nicht gut planbare Übergänge darstellen.

•  MaterielleHilfen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich einer gesicherten langfristigen Wohnung. Dazu wird es häufig nötig sein, den Klienten oder die Klientin bei der Wahrnehmung sozialrechtlicher Ansprüche zu unterstützen.

•  Unterstützung zur Teilnahme amBerufsleben, insbesondere hinsichtlich der Suche und Wahrnehmung von Arbeits-, Bildungs- und Ausbildungsangeboten.

•  Unterstützung bei der Herstellung sozialer Kontakte u. a. auch im Freizeitbereich, zumal Freizeitverhalten und soziale Kontakte im delinquenznahen Milieu die Legalbewährung erschweren können.

•  Vermittlung an kompetente Unterstützungsressourcen beispielsweise im Kontext von Sucht und Verschuldung. Diese Problemlagen müssen nichts direkt oder ursächlich mit der Delinquenz zu tun haben, oft ist aber der Zugang zum Regelhilfesystem für straffällig gewordene Menschen schwieriger – nicht nur bei Inhaftierung.

•  Persönliche Hilfen,Unterstützung und Begleitung in Krisensituationen, die dazu gegebenenfalls frühzeitig sensibel wahrgenommen werden müssen, ohne dass sich die Hilfe aufdrängt.

•  Unterstützung bei der Übernahme von Verantwortung für eigenes Verhalten als Voraussetzung der Verhaltensänderung beispielsweise nach Delikten im Kontext von häuslicher Gewalt, Kindesmissbrauch und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

•  Unterstützung bei dem Erwerb von mehr Selbstsicherheit, Solidarität, Konflikt- und Bindungsfähigkeit sowie Frustrationstoleranz, um im Alltag handlungsfähig zu bleiben und Vor- und Nachteile unterschiedlicher Verhaltensalternativen abwägen und entsprechend handeln zu können. Solche persönlichen und sozialen Kompetenzen müssen dabei immer im Kontext der spezifischen Biografie und der gesellschaftlichen Anforderungen gesehen werden.

•  Gesellschaftliche Bemühungen, Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit für mehr Toleranz gegenüber Personen mit abweichendem Verhalten, Delinquenz und für Randgruppen-Integration sowie Entstigmatisierung.

Es versteht sich von selbst, dass all diese Elemente nur dann Resozialisierungshilfen sind, wenn es dafür einen Bedarf gibt und der Klient oder die Klientin eine solche Hilfe will. Auf die darüberhinausgehenden kontrollierenden Aspekte im Kontext der Resozialisierung, deren Institutionen und dort tätigen Fachkräfte wird in den Lektionen 5 sowie 8 bis 11 ausführlich eingegangen. Die Aufzählung macht auch deutlich, dass es bei den Hilfen zur Resozialisierung häufig darum geht, vor allem Stigmatisierungen und (soziale) Ausgrenzungen zu vermeiden oder zu vermindern. Gut verstandene Wiedereingliederungshilfen, die die Ursachen der Kriminalisierung, die Institutionen sozialer Kontrolle und die Methoden der Sozialen Arbeit kennen, versuchen früh genug, der Desintegration entgegenzuwirken und schwierige Phasen und Krisen zu überbrücken, so dass der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglichst wenig entgegensteht. Das mag dem klassischen Bild der Resozialisierung »des Verbrechers nach langjährigen Haftstrafen« aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts widersprechen, ist aber einer Kriminologie, die die Instanzen sozialer Kontrolle und Stigmatisierungsprozesse im Blick hat, und dem aktuellen Stand professioneller Sozialer Arbeit geschuldet, die das Individuum nicht als passive_n Hilfeempfänger_in oder gar Objekt einer besserwissenden und moralisch überlegenen Fürsorge sieht. Gleichwohl soll schon in dieser ersten Lektion darauf hingewiesen werden, dass viele Institutionen und Personen, die Hilfen zur Resozialisierung anbieten, Teil des Strafjustizsystems sind, worauf in den folgenden Kapiteln ausführlich eingegangen wird. Gerade deshalb hängt die Bedeutung des Begriffs der Resozialisierung sehr konkret von den jeweiligen kriminalpolitischen Kontexten ab (siehe oben), und von den Fachkräften der Sozialen Arbeit ist diesbezüglich Transparenz hinsichtlich Ihres Auftrags und ihrer Ziele zu verlangen.

Hinweise auf weiterführende und vertiefende Literatur

Cornel, H. (2008): Resozialisierung, in: Maelicke, B. (Hrsg.): Lexikon der Sozialwirtschaft, Baden-Baden, S. 841–842

Cornel, H. (2013): Soziale Gerechtigkeit durch Resozialisierung – Übergänge für Straffällige gestalten statt vermehrter Ausgrenzung und Marginalisierung, in: DBH-Fachverband für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik (Hrsg.), Krise der sozialen Gerechtigkeit – Herausforderung für Kriminalpolitik und Soziale Arbeit mit Straffälligen, Köln, S. 12–35

Cornel, H. (2018a): Begriff der Resozialisierung, in: Cornel, H./Kawamura-Reindl, G./Sonnen, B.-R. (Hrsg.), Resozialisierung. Handbuch, 4. Auflage, Baden-Baden, S. 31–62

Hassemer, W. (1982): Resozialisierung und Rechtsstaat, in: Kriminologisches Journal, S. 161–166

Kawamura-Reindl, G./Schneider, S. (2015): Lehrbuch Soziale Arbeit mit Straffälligen, Weinheim und Basel, S. 67–70

Plemper, B. (1979): Resozialisierung als Emanzipation, in: Bewährungshilfe, S. 137–144

Quensel, S. (1975): Wissenschaftliche Aspekte der Resozialisierung unter Freiheitsentzug, in: Deutsche Akademie für medizinische Fortbildung (Hrsg.), Jugendkriminalität und Resozialisierung, Kongreßbericht, Kassel, S. 52–59

2       Zuerst wurde er von Karl Liebknecht verwendet und später von Hans Ellger in den Fachdiskurs eingeführt; vgl. Liebknecht 1971 (Erstveröffentlichung 1918), S. 395 und Ellger 1922, S. 17 u. 39f.

3       Durkheim 1968 (Erstveröffentlichung 1895).

4       Auf die Straflegitimationen der gerechten Vergeltung im Sinne Kants und Hegels wird in Lektion 2 noch eingegangen werden (Lekt. 2). Aus dem Ziel des Ersatzes ergibt sich nicht notwendigerweise, dass Resozialisierung ihrerseits eine Strafe legitimieren kann – es lassen sich auch andere Konsequenzen des Rechtsbruchs denken und begründen (vgl. dazu auch Lekt. 15). Immerhin geht es aber auch um eine Straflegitimation und einen kriminalpräventiven Zweck.

5       Ob und gegebenenfalls inwieweit tatsächlich Resozialisierung Strafe und Freiheitsentzug legitimieren kann, wird in Lektion 2 ausführlich thematisiert (Lekt. 2).

6       So schon Deimling 1968, S. 251f.

7       So die Kritik von Lamott 1984, S. 22 u. 48f.

8       Deimling 1968, S. 257 und Schüler-Springorum 1969, S. 158.

9       Maelicke 2002, S. 785; Cornel 2008, S. 84; Cornel 2018a, S. 31ff. So auch der Periodische Sicherheitsbericht der Bundesregierung, hrsg. vom Bundesministerium des Innern und Bundesministerium der Justiz, Berlin 2001, S. 36.

10     Zur Geschichte des Begriffs und den Gründen für die steigende Bedeutung in der bundesdeutschen Kriminalpolitik vgl. Cornel 2018a, S. 34ff. Auf die Entwicklung der fachlichen Sozialarbeit und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als wichtige Momente in diesem Prozess wird in den folgenden Lektionen noch eingegangen werden.

11     Grotius 1950, S. 330; Schüler-Springorum 1969, S. 158. Schüler-Springorum weist auf den mitteldeutschen Zusammenhang von ›bessern‹ und ›büßen‹ hin, ein Aspekt, der häufig ausgeblendet bleibt.

12     Radbruch 1952, S. 155.

13     Müller-Dietz 1967, S. 294 und Schüler-Springorum 1969, S. 166.

14     Krebs 1970, S. 156 und Deimling 1968, S. 259.

15     Dies entspricht dem englischen Sprachgebrauch, wird in Deutschland aber ausschließlich im Kontext gesundheitlicher Einschränkungen verwandt.

16     Calliess/Müller-Dietz 2005, § 2 Rn. 1

17     So auch Feest/Lesting 2012, S. 17 und Cornel 2018a, S. 49.

Lektion 2:   Mit welcher Zielsetzung und zu wessen Nutzen sollte Resozialisierung betrieben werden?

 

 

 

 

In der ersten Lektion ging es um die Bedeutung des Begriffs und den Inhalt der Resozialisierung (Lekt. 1), wobei schon darauf hingewiesen wurde, dass diese Inhalte und auch die Arbeitsweisen von den kriminalpolitischen Kontexten abhängen. Dieser Bezug zu Delinquenz, Kriminalpolitik und verschiedenen Institutionen der Strafjustiz macht deutlich, dass Resozialisierung nicht ausschließlich mit dem Ziel eines besseren Lebens der Klienten und Klientinnen betrieben wird, also zur Lebenslagenverbesserung und zum Erwerb weiterer sozialer Kompetenzen, sondern auch der Kriminalprävention dienen soll. Es wird ein zentrales Anliegen dieses Buches sein, einerseits diese doppelte hochkomplexe Zielsetzung zu thematisieren und es als einen professionellen Standard anzusehen, dies nicht aus dem Auge zu verlieren und für den Klienten oder die Klientin transparent zu machen, und andererseits darauf zu bestehen, dass Resozialisierung durch Soziale Arbeit auch wirklich deren Professionsverständnis entsprechend handelt. Darauf wird insbesondere in Lektion 4 eingegangen werden (Lekt. 4).

Im Prozess der Resozialisierung spielen sehr unterschiedliche Interessen eine Rolle. Der Staat, dessen Verbote und Gebote u. a. durch die Strafgesetze normiert werden, fordert vor allem die Einhaltung dieser Gesetze und bezüglich straffällig gewordener Personen die zukünftige Legalbewährung bzw. die Vermeidung der so genannten Rückfälligkeit. Rückfallvermeidung im Sinne von Spezialprävention gilt heute als wesentlicher Strafzweck, woraus allerdings nicht der Umkehrschluss gezogen werden darf, dass die Vermeidung zukünftiger Straftaten durch einen bereits verurteilten Täter oder eine Täterin vornehmlich durch Strafvollstreckung erfolgen muss oder dass diese Zielsetzung die Strafe selbst legitimiert. Dies wird später in dieser Lektion noch erörtert werden.

Nicht nur der Staat und sein Strafrechtssystem haben ein Interesse daran, dass sich Straftaten nicht wiederholen. Der Rechtsfriede in einer Gesellschaft selbst ist ein hohes Gut in dem Sinne, dass die Gesellschaftsmitglieder nicht ständig in der Angst leben, dass ihr Leben, ihre Gesundheit, ihre Freiheit, ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und ihr Eigentum bedroht werden. Und selbstverständlich ist es im Interesse aller potenziellen Opfer von Straftaten, dass diese möglichst nicht geschehen und sich nicht wiederholen. Das Ziel der erfolgreichen Kriminalprävention ist also ein breit geteiltes, wenn man auch differenzieren muss hinsichtlich der verschiedenen Rechtsgüter und konkreten Fallgestaltungen. Daneben gibt es Deliktsbereiche, in denen das bedrohte Rechtsgut und betroffene Opfer kaum zu definieren sind wie z. B. das Betäubungsmittelrecht bzw. Drogenstrafrecht. Immerhin 6551 Strafgefangene und Sicherungsverwahrte (12,9 % von 50.957) waren am 31. März 2018 wegen Betäubungsmittelkriminalität inhaftiert, oft im Kontext eigenen Konsums und eigener Suchtprobleme.18

Auch das Interesse der Täter und Täterinnen selbst an einer Resozialisierung ist komplex. Einerseits hatte sich der Delinquent oder die Delinquentin ja für die Ausführung der Straftat entschieden (wie bewusst das auch immer gewesen sein mag und wie auch immer die Ausgangssituation und Begleitumstände waren), und jegliche Art von Kriminalprävention möchte dazu führen, dass dies nicht erneut geschieht. Manche Delikte bringen Vorteile für den Täter oder die Täterin, auf die in Zukunft verzichtet werden soll. Der gesellschaftliche Konsens über die gewünschte Gültigkeit und Anwendung strafrechtlicher Normen mag je nach Delikt unterschiedlich hoch sein und der Täter oder die Täterin mag diesen Konsens teilen oder nicht – von ihm oder ihr verlangt das Strafgesetz, sich künftig an die Normen zu halten und insoweit sein oder ihr Verhalten zu ändern. Bei der Tötung eines Menschen und dem Kindesmissbrauch ist der gesellschaftliche Konsens hoch,19 die Möglichkeiten der Neutralisierung des Unrechts20 durch den Täter oder die Täterin sind gering und entsprechend vehement und deutlich wird die Forderung nach Verhaltensänderung vorgebracht. Trotz dieser klaren rechtlichen und moralischen Bewertung der Taten, muss festgehalten werden, dass die Vermeidung der Rückfälligkeit vom Täter oder der Täterin etwas verlangt, zu dem er bzw. sie möglicherweise aufgrund eigener Entscheidungen nicht willens oder in der Lage war. Das gilt beispielsweise auch für Straftaten, die zu einem Vermögenszuwachs bei der straffällig gewordenen Person führten. Es mag trivial klingen, aber das Unterlassen solcher Delinquenz führt zu Nachteilen – freilich solchen, die Staat und Gesellschaft fordern, die dem Rechtsfrieden und Zusammenleben der Menschen dienen und durch die Vorteile des Rechteinhabers oder der Rechteinhaberin mehr als aufgewogen werden, wenn dieser nun nicht mehr bestohlen, beraubt oder betrogen wird. Andererseits bringt eine erfolgreiche Resozialisierung im Sinne einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft für die straffällig gewordene Person auch viele Vorteile mit sich. Das beginnt beim Ausbleiben von Stigmatisierungen und Sanktionierungen als ihren nachteiligen Folgen, geht über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und Wohlstand bis zur verbesserten Gesundheit mit weniger Lebensrisiken und Scham, wie sie häufig bei Straftätern und Straftäterinnen festzustellen sind. Neben diesen beiden Aspekten sollte auch beachtet werden, dass Verhaltensänderungen, die oft mit Einstellungsänderungen einhergehen müssen, selbst mit Mühen und Aufwand, manchmal auch mit Kränkungen verbunden sind. Aus all diesen Gründen kann die Einstellung von straffällig gewordenen Menschen bezüglich ihrer eigenen Resozialisierung ambivalent sein.

Niemand darf zur Resozialisierung gezwungen werden – sie ist grundsätzlich freiwillig und eine erzwungene Wiedereingliederung wäre auch nicht Erfolg versprechend.21

»In vielen Veröffentlichungen der letzten Jahre ist statt von Resozialisierung nur noch von Resozialisierungshilfen oder Resozialisierungsangeboten die Rede – Ergebnis einer Sensibilisierung für die Rechte der Kriminalisierten und eines Bemühens um Präzisierung eines Begriffs, die sich auch in der Praxis durchsetzen muss.«22

Dies heißt aber erstens nicht, dass der Staat auf die Einhaltung seiner Normen verzichten wird, wobei es ihm egal sein muss, aus welchen Gründen die Normen befolgt werden. Dies kann eine moralische Überzeugung sein, der Respekt vor den Rechtsnormen oder auch nur die Angst vor Konsequenzen und Sanktionen.

Zweitens bedeutet das auch nicht, dass die notwendige Freiwilligkeit der Mitwirkung an Prozessen der Resozialisierung nicht gleichwohl institutionell durch Zwangskontexte gerahmt wird. Darauf wird in Lektion 5 ausführlich eingegangen (Lekt. 5). Ein_e Gefangene_r muss beispielsweise niemandem im Strafvollzug und auch keinem Mitglied der Strafvollstreckungskammer sagen, wie er_sie nach seiner_ihrer Haftentlassung seine_ihre Schulden bezahlen will, wo er_sie wohnen und was er_sie arbeiten wird. Die Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Strafrestaussetzung zur Bewährung sinkt dadurch aber beträchtlich. Personen, die unter Bewährungsaufsicht stehen, müssen sich entsprechend den Weisungen regelmäßig bei ihrem Bewährungshelfer oder ihrer Bewährungshelferin melden, wenn sie nicht das Risiko eingehen wollen, dass die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wird. Inwieweit sie darüber hinaus im Gespräch an ihrer Resozialisierung mitwirken und ob sie Hilfen annehmen, kann und darf nicht erzwungen werden.

Drittens ist schon hier festzustellen, dass aufgrund der Ambivalenz einerseits und der notwendigen Freiwilligkeit der Annahme von Hilfe und Unterstützung zur Resozialisierung andererseits die Motivierung der Klienten und Klientinnen eine große Rolle spielt. Sie ist Teil des methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit zur Resozialisierung. Darauf wird in den späteren Lektionen noch mehrfach eingegangen werden. Dass der Auftrag der Sozialen Arbeit selbst in ihrem Selbstverständnis, nämlich zur sozialen Gerechtigkeit beizutragen, menschenrechtsorientiert und Lebenslagen verbessernd zu sein, zur Motivation beitragen kann, muss sicher nicht weiter ausgeführt werden, ist aber in späteren Lektionen immer wieder konkret ein Thema.

Zur Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass zur Bearbeitung einer Straftat und zur Herstellung des Rechtsfriedens gegebenenfalls auch Schadenswiedergutmachung und eine Professionelle Opferhilfe gehören, die nach den Bedürfnissen der Opfer deren Sicherheit und Sicherheitsgefühl wiederherstellen und sie bei der Bewältigung der Straftat unterstützen, um weitere Belastungen und insbesondere sekundäre Viktimisierungen zu vermeiden. Dieses wichtige Thema – mit zahlreichen Bezügen zur Täter_innen bezogenen Resozialisierung – kann hier nicht vertieft, soll aber unbedingt den Lesern und Leserinnen anempfohlen werden.23

Im Folgenden soll das Verhältnis von Resozialisierungshilfen, Kriminalprävention und sozialrechtlich normierten Hilfen kurz beleuchtet und vertieft werden. Wenige Jahre nachdem in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts das Paradigma der Resozialisierung immer deutlicher in den Vordergrund des wissenschaftlichen Diskurses und der kriminalpolitischen Debatten rückte, gab es zu Recht Kritik daran, dass es häufig weniger um wirksame Angebote für Resozialisierungshilfen ging und mehr um eine neue Legitimation des Strafens und insbesondere der Freiheitsstrafen. Kritisiert wurde eine Resozialisierungsideologie, die das langfristige Wegsperren von Menschen zu Strafzwecken nun mit der Notwendigkeit von deren Behandlung begründete, ohne diese Notwendigkeit selbst zu erklären und auf Möglichkeiten der Wiedereingliederung einzugehen, die mit weniger Eingriffen in Grundrechte verbunden sind, wie beispielsweise ambulante Hilfen.24

Es ist deshalb deutlich zu unterscheiden zwischen Angeboten zur Resozialisierung, die einen kriminalpräventiven Effekt haben sollen und sich u. a. auch auf Gefangene beziehen können, und einer Ideologie, die die Zielsetzung der Resozialisierung straffällig gewordener Menschen zur Legitimation der Freiheitsstrafe missbraucht. Diese klare analytische Trennung schließt nicht aus, dass die Zeit der Strafvollstreckung für Resozialisierungshilfen genutzt wird. Aber es wäre eine Täuschung, wenn man behauptete, dass sich die Dauer der Freiheitsstrafen und die Gefängnisgebäude mit ihren Sicherungen vor allem an den Erfordernissen der Resozialisierung ausgerichteten.

Auf die Möglichkeiten der neueren Landesstrafvollzugsgesetze, des offenen Vollzugs und der Strafrestaussetzung zur Bewährung wird in den Lektionen 9 und 10 vertiefend eingegangen werden (Lekt. 9; Lekt. 10).

Resozialisierungshilfen können, wie schon in Lektion 1 kurz dargelegt, auf sehr verschiedenen Ebenen Hilfe leisten (Lekt. 1). Der spezialpräventive Zweck in dem oben beschriebenen Sinn begründet dies. Völlig unabhängig davon haben straffällig gewordene Menschen selbstverständlich einen Anspruch auf Soziale Hilfen, Unterstützungsleistungen, Krisenintervention und persönliche Beratung auch dann, wenn dies nicht mit dem Ziel der Wiedereingliederung zu begründen ist bzw. kriminalpräventiv wirkt oder wirken soll. Der Anspruch auf Soziale Hilfen und Soziale Arbeit ist aus der Menschenwürde und dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes abgeleitet und insofern bedarf es nicht einer weiteren Zweckbestimmung.25

Gustav Radbruch, Rechtsphilosoph, Strafrechtslehrer und ehemaliger Reichsjustizminister während der Weimarer Republik (1921–1922 und 1923) forderte als Ziel der strafrechtlichen Entwicklung ein Strafgesetzbuch ohne Strafen und etwas Besseres als das Strafrecht.26 Mit dem kriminalpräventiven Strafzweck der Resozialisierung lässt sich nach dieser Auffassung eine Freiheitsstrafe nicht legitimieren. Auf die Straflegitimationen soll im Folgenden eingegangen werden.

Das Strafrecht und die Freiheitsstrafe wurden im Laufe der Jahrhunderte sehr unterschiedlich begründet und zu legitimieren versucht.27 Wenn es in diesem Kapitel um die Zielsetzungen der Kriminalprävention, also eine Strategie der sozialen Kontrolle durch Resozialisierung geht, dann kann man diesen strafrechtlichen Kontext nicht ignorieren – weder historisch noch (verfassungs-)rechtlich und auch nicht empirisch. Denn wenn eine Maßnahme oder auch ein freiwilliges Angebot der Resozialisierung mit einer kriminalpräventiven Wirkung, mit dem Nutzen für den Rechtsfrieden, den Rechtsgüterschutz und die Vermeidung von Kriminalitätsopfern begründet wird, dann muss eine solche Wirkung auch mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eintreten.

Das Strafrecht selbst ist sich seiner Bedeutung für den Schutz des Rechtsfriedens und wichtiger Rechtsgüter sicher, obwohl der Bezug auf diesem Zweck in der Geschichte des Strafrechts lange Zeit geradezu verpönt war. Die absoluten Straftheorien Kants und Hegels im 19. Jahrhundert, als das deutsche Strafgesetzbuch und seine Vorläufer Gestalt annahmen, leiteten das Recht des Strafens allein metaphysisch ab als Vergeltungsstrafrecht.28 Der Zweckgedanke war ihnen – so führten sie es jedenfalls selbst aus – zuwider oder zumindest nicht strafbegründend. Das Strafrecht müsse dem kategorischen Imperativ folgen und dieser schließe jegliche Nützlichkeitserwägungen aus.29

Nach der Auffassung Kants folgt der Mensch seinem von allen Nützlichkeitsrücksichten gelösten Strafrecht in autonomer und deshalb notwendig freier Entscheidung.30 An anderer Stelle führt er aus, dass der Vollzug der Strafe einen Zweck verfolgen dürfe, die Strafe dürfe aber nicht deshalb verhängt werden.31

Das absolute Strafrecht mit seinem Vergeltungsgedanken verstand sich auch als Schutz vor staatlicher Willkür. Ungleichbehandlung bei gleichem Unrecht und ein Übermaß an staatlicher Reaktion auf Straftaten sollten vermieden werden. Allerdings bezog Kant die Freiheitsrechte nur auf die so genannten Haushaltsvorstände, nicht jedoch auf Frauen, Kinder, Dienstboten und Handwerksgesellen sowie nichteheliche Kinder (auch als Erwachsene), denn sie seien außerhalb des Gesetzes geboren und könnten deshalb nicht dessen Schutz in Anspruch nehmen.32 Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz aller Rechtssubjekte stellen wir uns heute sicher anders vor.

Hegel definiert die Strafe als gewaltsame Weise, durch die »die unrichtige Form der Individualität abgestreift wird.«33 Für ihn willigt der Straftäter allein durch den Bruch des Strafrechts in seine eigene Bestrafung ein.34 Indem er eine Straftat begeht, möchte er auch eine Strafe haben, die als Äquivalent die Straftat vergilt. Für ihn ist eine Straftat die Negation des Rechts und die darauf folgende Strafe die Negation der Negation des Rechts und damit deren Aufhebung.35 Hegel meint, dass noch vor der Berücksichtigung von Strafzwecken wie beispielsweise die Abschreckung oder Besserung der Täter die gerechte Strafe als solche feststehe.36 Wer heute dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und den Menschenrechten verpflichtet ist, wird wohl eher fordern, dass das Zufügen von Leid und Übel durch die Kriminalstrafe einen positiven gesellschaftlichen, unabdingbaren Zweck erfüllen müsse, noch bevor über die gerechte Verteilung solcher Strafen befunden wird.37 Die Frage der Gleichbehandlung ist damit nicht obsolet, sondern spielt im Strafrecht des demokratischen Rechtsstaats eine große Rolle und sei es nur um das Unrecht der Tat und dessen Ausmaß öffentlich festzustellen. Wie könnte man ansonsten beispielsweise die Verurteilung eines 95-jährigen KZ-Aufsehers wegen hundertfachem Mord begründen, der 60 Jahre unauffällig und gesellschaftlich integriert lebte? Resozialisiert muss diese Person nicht werden und dennoch bedarf es eines Urteils, dessen Unwerturteil nicht dadurch geringer ausfällt, weil die Taten erst 50 Jahre später aufgedeckt werden, als bei einem Mittäter.38Die Gesellschaft, das internationale Völkerrecht und insbesondere die Angehörigen der Opfer bedürfen dieser Kenntlichmachung des Unrechts und der Bekräftigung der Auffassung, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter keinen Umständen geduldet werden.

Resozialisierung im Kontext von Kriminalpolitik und Strafrecht muss sich auch heute noch in ihrer Zielsetzung und Begründung mit absoluten Straftheorien auseinandersetzen, die im Strafgesetzbuch und punitiven Einstellungen der Bevölkerung tiefe Spuren hinterlassen haben, zumal sie sich auf uralte archaische Strafbedürfnisse stützen. Egal ob es um die zu ergreifenden Maßnahmen des Jugendstrafrechts gem. § 38 Abs. 2 JGG (Jugendgerichtsgesetz), Angebote zur Resozialisierung im Strafvollzug oder im Rahmen der Bewährungshilfe geht – immer wieder wird den fachlich begründeten Handlungskonzeptionen zur Resozialisierung entgegengehalten, dass dies ja keine Strafen seien, die dem Unrecht der Tat entsprächen. Zur Verunsicherung hinsichtlich des Ziels der Resozialisierung zum Zwecke der Kriminalprävention haben nicht nur alte Strafideologien und sich ständig reproduzierende impulsive archaische Strafwünsche beigetragen, sondern auch so genannte Vereinigungstheorien,39 die suggerieren, man könne zugleich ›gerecht vergelten‹ und spezialpräventiv erziehen, integrieren und resozialisieren. Auf dieses Spannungsverhältnis wird noch weiter eingegangen werden, zumal auch die Tradition der Pädagogik nicht frei ist von Strafen und Zwangswirkungen und deshalb sehr empfänglich war für allerlei Kombinationen und Vermengungen.

In der Geschichte des Strafrechts spielte seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts auch die Generalprävention im Sinne des psychologischen Zwangs40 durch Abschreckung eine große Rolle.41 In den überfüllten Gefängnissen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, in denen es kaum Arbeit gab, viele Gefangene hungerten und krank verstarben und ansonsten eine Kombination von grausamer Disziplinierung (bis zum absoluten Schweigegebot) und religiöser Indoktrination herrschte, wurden Strafen vollstreckt, die vergelten und abschrecken sollten. Strafrechtstheorien, ökonomische Situation und die Verhältnisse in den Gefängnissen passten bestens zusammen.42

Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts hin hatte sich die Wirtschaftssituation verbessert, die Gefängnisse wurden reorganisiert (zunehmend Einzelhaft statt Massenzellen, Anfänge der Separierung junger Strafgefangener von den erwachsenen)43 und spezialpräventive Begründungen der Strafe relativierten das reine Vergeltungsstrafrecht und eine allein auf Abschreckung setzende Generalprävention. Der erste und wichtigste Vertreter dieser Richtung war Franz von Liszt, der Begründer der modernen Strafrechtsschule und damit auch des Jugendstrafrechts. Allerdings war mit Spezialprävention keineswegs nur Erziehung oder Resozialisierung gemeint. Franz von Liszt forderte die Erziehung der Erziehungsfähigen, womit er im Wesentlichen die jungen straffälligen Menschen meinte,44 und die Unschädlichmachung45 der Besserungsunfähigen. Dass eine solche Unterscheidung nicht nur prognostisch unmöglich ist, sondern auch inhuman und missbrauchbar, zeigte spätestens die Kriminalpolitik des Faschismus.

Gleichwohl hat das kriminalpolitische Programm Franz von Liszts und die moderne Strafrechtsschule für eine Neuorientierung im Umgang mit straffällig gewordenen Menschen auch im Sinne der Resozialisierung durch Soziale Arbeit eine große Rolle gespielt. Indem als Ursachen der sozialen Probleme und Delinquenz auch die Schädlichkeit der Vollstreckung von Freiheitsstrafen46 thematisiert wurden, öffnete sich der Horizont der Kriminalpolitik für Alternativen zum Gefängnis, und die empirische Sichtweise bezog Gesellschaftswissenschaften und Erziehungswissenschaften einschließlich der entstehenden Soziale Arbeit mit ein. Zwar waren die ersten Bezugnahmen auf so genannte Verwahrlosungen und Armut noch sehr personenbezogen und forderten kaum Änderungen hinsichtlich der gesellschaftlichen Strukturen, der Verteilung des Reichtums und des Zugangs zu Bildung und Wohlfahrt. Nicht die Armut selbst, die katastrophalen Wohnverhältnisse in den Mietskasernen und die Unterernährung wurden als Problem markiert, sondern die »Unfähigkeit« dies zu ertragen. Die Erfüllung von Bedürfnissen zurückzustellen, sich um Arbeit zu bemühen und regelmäßig zur Arbeit zu erscheinen, wurde als eine Folge mangelnder Erziehung und Verwahrlosung definiert.47 Die aufkommende Jugendgerichtsbewegung folgte Franz von Liszt in seiner Konzentration auf die »besserungsfähigen jungen Straftäter« und dies bedeutete vor allem ein eigenständiges Jugendstrafrecht, Jugendgerichtshilfen bei den Jugendämtern und eigene Jugendstrafvollzugsanstalten. Die so genannte Verwahrlosung wurde als Erziehungsdefizit gesehen und deshalb wurden Konzeptionen der Erziehung im Kontext von (Jugend-)Strafrecht aktuell: im Strafvollzug, aber auch als Alternative dazu in Fürsorgeheimen und auch als Erziehungshilfen. Die Erkenntnisse, die erst auf 12- bis 18-jährige angewandt wurden, weiteten sich in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts schnell auf weitere Altersgruppen aus. Geldstrafen, Gerichtshilfe, Aussetzungen von Strafen zur Bewährung (zunächst auf dem Gnadenweg) wurden eingeführt und es gab die ersten Reformgefängnisse,48 die Erziehung und Resozialisierung als ihr Ziel angaben. Der Faschismus beendete all diese humanitären Fortschritte und ersten Orientierungen auf den Wohlfahrtsstaat, so dass diese in Deutschland erst wieder in den 1950er, vor allem aber in den 1960er und 1970er Jahren aufgenommen wurden.

Neben dem Strafrecht sind für den Rechtsgüterschutz Sozialisation, Wertevermittlung, soziale Bindungen und Beziehungen sicher wichtiger und dennoch wird man nicht bezweifeln können, dass das Strafrecht auch generalpräventive und spezialpräventive Wirkungen erzielen kann. Abschreckung wirkt nicht generell, aber Normverdeutlichung in dem Sinne, dass die Gesellschaft deutlich macht, dass sie delinquente Verhaltensweisen und Interessenverletzungen nicht dulden will und dagegen ihre Machtmittel in Form von Polizei und Strafjustiz einsetzt. Andererseits wissen wir, dass bei Täter_innen in besonderen Lebenskrisen, in spezifischen Situationen beispielsweise auch nach Alkohol- und Drogenkonsum oder aufgrund von Gruppendynamik Generalprävention gerade nicht wirkt, weil andere Wirkungsfaktoren mächtiger sind. Die Androhung und Vollstreckung einer Geldstrafe kann eine tatgeneigte Person von neuen Delikten abhalten oder auch der Einschluss eines Täters oder einer Täterin ein Folgedelikt verhindern. Allerdings darf man nicht die positiven Wirkungen hervorheben, ohne die negativen Nebenfolgen zu beachten: Die Ausgrenzung von Menschen fördert deren Integration in der Regel nicht, Langzeitinhaftierungen führen oft zu Prisonisierungsschäden49, die die Rückfälligkeit nach der Haftentlassung noch wahrscheinlicher macht und der Verlust von Wohnung, Arbeit und sozialer Beziehungen durch eine Inhaftierung verschlechtert die Lebenslage, obwohl die Kriminologie Hilfen zur Lebenslagenverbesserung empfiehlt. Generalpräventive Begründungen der Strafen allein – und sei es als positive Generalprävention zur Normverdeutlichung – können diese aber weder in ihrer Art noch in ihrem Ausmaß begrenzen und sind dadurch auf Bezugnahmen auf andere Straflegitimationen und -definitionen angewiesen. Denn generalpräventive Wirkungen könnte man zum einen auch durch die Bestrafung von Unschuldigen erzielen, wenn die Bevölkerung von dieser Unschuld nichts weiß, und zum anderen könnte versucht werden, mit völlig unverhältnismäßigen Übelszufügungen die Einhaltung von Normen im Bagatellbereich zu erzwingen. Der Bezug auf die generalpräventive Funktion, auf die psychologische Zwangswirkung setzt da keinerlei Grenzen und das widerspricht der Würde des Menschen und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip.

Im Ergebnis ist zu erkennen, dass einerseits alle Strafen, vor allem freiheitsentziehende Strafen, schlecht legitimiert sind, aber andererseits real existieren und von der Verfassung gedeckt sind.50 Resozialisierung im Sinne von Wiedereingliederung in die Gesellschaft kann das Legitimationsdefizit des Strafrechts nicht füllen und sollte das auch nicht versuchen. Denn oft ist eine Wiedereingliederung besonders deshalb notwendig oder besonders schwierig, weil der Strafvollzug den straffällig gewordenen Menschen erst ausgegliedert und ausgegrenzt hat. Resozialisierung ist – auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – also kein unmittelbarer Strafzweck, sondern einerseits ein Vollzugsziel im Sinne der Ausgestaltung der Freiheitsstrafe51 und andererseits ein aus der Würde des Menschen und dem Sozialstaatsprinzip abgeleiteter Anspruch. Auch wenn Resozialisierung häufig im Kontext von Strafrecht und Strafvollzug diskutiert wird und gleichzeitig dem Ziel der Menschenwürde und der sozialen Gerechtigkeit verbunden ist, so rechtfertigt sie selbst nicht das Strafen.52

Daraus folgt zum einen, dass Strafen, auch wenn im Rahmen der Strafvollstreckung resozialisiert werden sollte, einer eigenen Legitimation bedürfen, weil sie Grundrechtseingriffe darstellen, zum zweiten, dass es keinen reinen Verwahrvollzug geben darf, weil über die eigentliche Straflegitimation hinaus der Gefangene einen Anspruch auf Resozialisierungsangebote hat, und zum dritten, dass jenseits aller Straftheorien, stationärer oder ambulanter Strafvollstreckungen der Staat verpflichtet ist, ein wirksames System von Resozialisierungshilfen aufzubauen und anzubieten.

Das verfassungsrechtliche Gebot der Resozialisierung wird jedoch noch nicht überall zur Kenntnis genommen. So bemerkte in der Bundestagsdebatte vom 16. November 2000 der Abgeordnete Joachim Stünker (SPD) mit Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass »das verfassungsrechtliche Gebot der Resozialisierung … keine sozialromantische Spinnerei« sei. Daraufhin führte der Abgeordnete Wolfgang Götzer (CSU) aus: »Es kann ja wohl nicht sein, dass die Justizvollzugsanstalten und letztlich damit der Steuerzahler die Resozialisierung der Gefangenen übernehmen soll.«53

Der norwegische Kriminologe und Abolitionist Nils Christie führt in seinem Buch »Grenzen des Leids« das Prinzip aus, dass niemand – auch nicht ein strafender Staat – einem Menschen mehr Leid zufügen darf, als unerlässlich ist zum Schutz von Rechtsfrieden und Opferinteressen.54 Davon ist unser Strafrechtssystem leider trotz des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit oft weit entfernt. Tucholsky hat das in die Worte gefasst, dass es

»kein staatliches Recht des Strafens (gibt). Es gibt nur das Recht der Gesellschaft, sich gegen Menschen, die ihre Ordnung gefährden, zu sichern. Alles andere ist Sadismus, Klassenkampf, dummdreiste Anmaßung göttlichen Willens, tiefste Ungerechtigkeit.«55

Resozialisierung kann ihren Platz und ihre Methoden finden, um dabei mitzuwirken, dass im Sinne Gustav Radbruchs mit etwas Besserem als Strafen und vor allem Freiheitsstrafen auf Delinquenz reagiert wird.56 Sie kann auch aufgrund der eigenen kriminalpräventiven Zielsetzungen in und durch unterschiedliche Institutionen und Kooperationen angeboten und angestrebt werden. Resozialisierungshilfen können – davon handelt dieses Lehrbuch in vielen Lektionen – im Strafvollzug und in der Bewährungshilfe, im stationären und ambulanten Setting, in geschlossenen und offenen Anstalten, statt jeglicher Inhaftierung und nach der Haftentlassung angeboten werden – unter günstigen und weniger günstigen Voraussetzungen, mit größeren oder kleineren Erfolgschancen hinsichtlich der Integration und der Kriminalprävention.

Resozialisierung während der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nutzt diese Zeit, fördert die persönliche Entwicklung und ist meist verbunden mit humaneren Vollzugsbedingungen als der klassischen Verwahrvollzug – aber sie legitimiert nicht die Freiheitsstrafe, denn straffällig gewordene Menschen werden nicht eingesperrt, um sie zu resozialisieren. Dieses Vollzugsziel spielt weder bei den Strafrahmen im Strafgesetzbuch noch im Strafprozess selbst eine Rolle. Das bestehende Strafrecht muss sich daran messen lassen, ob seine Sanktionen unerlässlich notwendig sind und in Form und Inhalt verhältnismäßig ausgestaltet und angewendet werden. Das gilt es gegebenenfalls für jedes Delikt, jede Begehungsform und jede_n Täter_in in Frage zu stellen und zu überprüfen. Es mag sein, dass es zur Zeit für manche wenige Täter_innen keine Alternative zum Einsperren gibt. Die Gründe dafür liegen aber nicht im Ziel der Resozialisierung. Im Gegenteil: Angebote der Resozialisierung – vor allem durch Soziale Arbeit – können auf vielerlei Wegen und durch unterschiedliche Methoden Freiheitsstrafen entbehrlich machen. Das gilt sowohl für den Einzelfall als auch kriminalpolitisch auf dem Weg der Gesetzesänderungen. Darum geht es in diesem Buch.

Hinweise auf weiterführende und vertiefende Literatur

Cornel, H. (2014a): Geschichte des Strafens und der Straffälligenhilfe, in: Arbeitskreis HochschullehrerInnen Kriminologie/Straffälligenhilfe in der Sozialen Arbeit (Heinz Cornel u. a.) (Hrsg.), Kriminologie und Soziale Arbeit, Weinheim und Basel, S. 31–47

Cornel, H. (2018a): Begriff der Resozialisierung, in: Cornel, H./Kawamura-Reindl, G./Sonnen, B.-R. (Hrsg.), Resozialisierung. Handbuch, 4. Auflage, Baden-Baden, S. 31–62

Cornel, H. (2013): Soziale Gerechtigkeit durch Resozialisierung – Übergänge für Straffällige gestalten statt vermehrter Ausgrenzung und Marginalisierung, in: DBH-Fachverband für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik (Hrsg.), Krise der sozialen Gerechtigkeit – Herausforderung für Kriminalpolitik und Soziale Arbeit mit Straffälligen, Köln, S. 12–35

Hassemer, W. (1982): Resozialisierung und Rechtsstaat, in: Kriminologisches Journal, S. 161–166

Leyendecker, N. A. (2002): (Re-)Sozialisierung und Verfassungsrecht, Berlin

Lüderssen, K. (2015): Resozialisierung, Tat und Schuld, Bonn

18     Statistisches Bundesamt, Strafvollzug – Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen, Fachserie 10, Reihe 4.1, 2018, S. 21.

19     Aber schon im Kriegsfall kann das geplante und organisierte Töten von anderen Menschen vom Staat und einzelnen gesellschaftlichen Gruppen anders gesehen und bewertet werden, und Verhaltensweisen, die heute den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger erfüllen, werden in den Geschichtsbüchern als grandiose Hochzeiten mächtiger Feudalherren geschildert. Umgekehrt wird heute bis auf wenige Außenseiter_innen niemand die Resozialisierung eines Homosexuellen fordern, obwohl noch in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg viele Tausende Männer deshalb inhaftiert waren und diesbezüglich noch heute in manchen Staaten sehr heftig unter Missachtung der Menschenrechte bestraft werden.

20     Sykes/Matza 1968.

21     Cornel 2018a, S. 52; Kaspar 2014, S. 687; Feest 2020, S. 241; Feest/Lesting 2012, S. 16.

22     Cornel 2018e, S. 311 (Herv. im Original).

23     Hartmann, J./ADO e. V. 2010 und Hartmann/Priet 2018.

24     Narr 2009, S. 148 und Feest/Lesting 2012, S. 11f. u. 14ff.

25     Cornel 2016b, S. 223.

26     »Das unendliche Ziel der strafrechtlichen Entwicklung bleibt … das Strafgesetzbuch ohne Strafen, ist nicht die Verbesserung des Strafrechts, sondern der Ersatz des Strafrechts durch Besseres«; Gustav Radbruch 1987 (Erstveröffentlichung 1929), S. 313.

27     Cornel 2014a.

28     Dem entspricht ein Schuldausgleich als legitimierender Zweck einer Sanktion ohne kriminalpräventive Zielsetzung; vgl. Kaspar 2014, S. 134f.; BGH 24, 40, 42.

29     Kant 1968, S. 331 u. S. 363. Tatsächlich schlägt Kant nach dem so genannten Talionsprinzip jeweils Strafen vor, die in Art und Ausmaß dem Delikt entsprechen sollen. Bei Sexualdelikten fordert er jedoch die Kastration – man möchte meinen, dass dabei auf seinem damaligen Stand des Strafrechts und der Empirie durchaus Nützlichkeitserwägungen eine Rolle spielten; a. a. O., S. 363. Wolfgang Naucke meint deshalb, dass sich die metaphysischen Strafbegründungen als schwach erwiesen haben, weil sie von vergänglichen Autoritäten abhängen; Naucke 1982, S. 534. Bruckmann bezeichnet deshalb die Dichotomie zwischen absoluten und relativen Straftheorien zu Recht als irreführend; Bruckmann 2019, S. 105.

30     Kant 1968a, S. 446f.

31     Kant 1968, S. 331.

32     Kant 1968, S. 314 u. 336.

33     Hegel 1971, S. 512.

34     Hegel 1970, S. 192.

35     Hegel 1970, 186. Diese Aufhebung ist allerdings nur als Konstrukt dialektischen Denkens zu sehen. Im sozialen Leben wird man sicher nicht feststellen können, dass die Schuld einer straffällig gewordenen Person durch die Vollstreckung einer Strafe so aufgehoben wird, dass sie dadurch so unbelastet dasteht, wie vor der Straftat. Im Gegenteil: Die Strafvollstreckung – insbesondere einer Freiheitsstrafe – wird noch mehr zur Ausgrenzung beitragen.

36     Hegel 1970, S. 188.

37     Hegel war sich der Relativität der Strafmaßbestimmungen durch die absoluten Straftheorien bewusst; Hegel 1970 S. 366f. Indem er das Strafmaß von der Gefährlichkeit für die bürgerliche Gesellschaft abhängig macht, führt auch er utilitaristische Aspekte ein. Je nachdem könne der Staat »sowohl einen Diebstahl von etlichen Sous oder einer Rübe mit dem Tode als einen Diebstahl, der das Hundert- und Mehrfache von dergleichen Werten beträgt, einer gelinden Strafe belegen«; Hegel 1970, S. 372.

38     Es geht dabei nicht um Vergeltung oder reinen Schuldausgleich, sondern um Tatangemessenheit im Zuge des Rechtsgüterschutzes durch Generalprävention.

39     Liszt 1905a, S. 174ff.; BVerfGE 45, 187, 253; Cornel/Trenczek 2019, S. 124; Kaspar 2014, S. 698ff.

40     Feuerbach 1799, S. 40ff., insb. S. 49.

41     Später kam dazu die Theorie der positiven Generalprävention im Sinne der Normverdeutlichung; vgl. dazu Kaspar 2014, S. 648ff.

42     Wagnitz 1791/1792; Liszt 1888, S. 161; Aschrott 1898, S. 397; Krohne/Uber 1901, S. VIII.

43     Cornel 1984, S. 48f.

44     Liszt 1905a, S. 166f. und Liszt 1905c, S. 397ff.

45     Liszt 1905a, S. 166f. und Liszt 1899, S. 70f.

46     Franz von Liszt stellte fest, dass die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls bei einer Verurteilung zu Freiheitsstrafe höher ist, als wenn man den Täter laufen lasse; Liszt 1905b, S. 339.

47     Cornel 1984, S. 76.

48     Zur Jugendstrafanstalt Hahnöfersand Bondy 1925 und Hermann 1923; zur Jugendstrafanstalt Eisenach Zirker 1924.

49     Vgl. Feest 2020.

50     Kaspar 2014, insb. S. 675 u. 697.

51     Kaspar 2014, S. 682 mit Verweis auf BVerfGE 33, 1, 8.

52     So auch Bruckmann 2019, S. 111.

53     Deutscher Bundestag, Stenografische Berichte, 14. Wahlperiode, 133.Sitzung, S. 12891D u. 12893A.

54     Christie 1986.

55     Tucholsky 1927, S. 619f.

56     Vgl. oben in dieser Lektion und Radbruch (1929) 1987, S. 313.

Lektion 3:   Welche besondere Bedeutung hat die Soziale Arbeit für die Resozialisierung?

 

 

 

 

Der Prozess der Resozialisierung kann durch viele Menschen unterstützt werden – einzelfallbezogen hinsichtlich straffällig gewordener Menschen, strukturell z. B. durch den Aufbau eines bedarfsangemessenen Hilfesystems oder einer Kriminalpolitik, die weniger ausgegrenzt und weniger einschließt, und auch durch Öffentlichkeitsarbeit. Schaut man sich die Resozialisierungsangebote und Resozialisierungshilfen in der direkten Interaktion mit straffällig gewordenen Menschen an,57 dann können daran Psycholog_innen, Rechtsanwält_innen und Verwaltungsfachkräfte in den Arbeitsverwaltungen und Sozialämtern sowie Lehrer_innen beteiligt sein. Auch die Mitarbeitenden des Allgemeinen Vollzugsdiensts oder des Werkdiensts in den Justizvollzugsanstalten haben je nachdem, wie respektvoll und sensibel sie die Gefangenen behandeln, großen Einfluss auf die Resozialisierung. Das gleiche gilt für Kolleg_innen am Arbeitsplatz oder Nachbar_innen nach einer Haftentlassung – sie können (sofern sie überhaupt etwas von der Haftstrafe wissen) ausgrenzend und stigmatisierend die Integration erschweren oder den Resozialisierungsprozess unterstützen.

Ohne die Beiträge all dieser Personen- und Berufsgruppen gering schätzen zu wollen, so kann doch festgestellt werden, dass keine fachliche Profession so mit der Resozialisierung verbunden ist wie die Soziale Arbeit. Das beginnt bereits damit, dass es sicherlich kein Zufall ist, dass im Jahr 1908 die erste Ausbildungsinstitution für die Soziale Arbeit von Alice Salomon gegründet58 und 1918 der Begriff der Resozialisierung erstmals verwandt wurde.59 Es gibt zwischen den zwei Ereignissen keine direkte Verbindung, aber sie haben den gleichen Ursprung: Armut, die damals so genannte Verwahrlosung, Delinquenz und sonstige soziale Probleme wurden nicht mehr vornehmlich als moralische Kategorien gesehen, denen man einerseits mit ideologischen Vorgaben zur Besserung und andererseits mit Unterdrückung und Zwang begegnen müsse. Auch wenn die Soziale Arbeit entsprechend ihrem Ursprung aus Armenfürsorge und geisteswissenschaftlicher Pädagogik noch recht straffreudig war und die Fürsorgeerziehungseinrichtungen der Jugendwohlfahrt in mancherlei Hinsicht Gefängnissen glichen, so machte sich doch ein anderes Menschenbild und Verständnis von der Entwicklungsmöglichkeit der Personen breit, die unter den sozialen Problemen am meisten leiden mussten.