Rezipientenforschung - Helena Bilandzic - E-Book

Rezipientenforschung E-Book

Helena Bilandzic

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Beschreibung

Die Rezipientenforschung wird hier in drei größere Themenbereiche untergliedert: Zunächst geht es um die Mediennutzungsforschung, in deren Rahmen gängige Erhebungsverfahren, Kennwerte und Ergebnisse der Leser-, Hörer-, Zuschauer- und Internet-User-Forschung dargestellt werden. Es folgt ein Kapitel über die Medienrezeptionsforschung. Darin werden Aspekte der Selektionsforschung, Rezeptionsqualität, der Einbettung von Medienrezeption in Kultur und Alltag sowie der Verarbeitung von Medieninformationen erörtert. Schließlich stehen Medienwirkungen im Fokus: Wirkungen auf Einstellungen, Verhalten, Wissen, Wertvorstellungen und Weltbilder.

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Helena Bilandzic Friederike Koschel Nina Springer Heinz Pürer

Rezipientenforschung

UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/Lucius · München

Prof. Dr. Helena Bilandzic lehrt Kommunikationswissenschaft an der Universität Augsburg. Dr. Nina Springer ist und Dr. Friederike Koschel war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität München. Prof. Dr. Heinz Pürer lehrte 1986–2012 dort Kommunikationswissenschaft.

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.

Im Buch werden nur die männlichen Formen verwendet. Selbstverständlich sind die weiblichen Formen jeweils mit gemeint.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016

Einband: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandfoto: Twin Design/Shutterstock.com Satz: Klose Textmanagement, Berlin eBook-Produktion: Pustet, Regensburg

UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98www.uvk.de

UTB-Nr. 4552ISBN 978-3-8463-4299-2 (EPUB) ISBN 978-3-8252-4299-2 (Print)

Vorwort

In seinem 2003 erstmals publizierten sowie 2014 umfassend überarbeiteten und erweiterten Lehrbuch »Publizistik- und Kommunikationswissenschaft« hat Heinz Pürer, teils unter Mitwirkung weiterer Autoren, das Lehr- und Forschungsfeld dieser Disziplin inhaltlich strukturiert und umfassend aufbereitet. Es erscheint nun – neu konfektioniert und überarbeitet – auch in Teilbänden.

Der vorliegende Band enthält, wie sein Titel sagt, den Abschnitt über das große Feld der Rezeptions- und Rezipientenforschung. Nach einem Überblick über die großen Markt-Media-Studien der klassischen Bereiche Print, Rundfunk, Fernsehen und Internet sowie einer Detailbetrachtung der seit 50 Jahren regelmäßig durchgeführten »ARD/ZDF-Studie Massenkommunikation«, werden aktuelle Nutzungsdaten (Stand: Ende 2015) für die einzelnen Mediengattungen getrennt aufbereitet. Im Anschluss vermittelt ein großer Abschnitt zur akademischen Rezeptions- und Wirkungsforschung Einblick in die Theorien des Fachs; dazu gehören die Forschungsfelder der Selektions- und Motivforschung, der Rezeptionsqualität und der Medienrezeption im Kontext von Kultur und Alltag, sowie Theorien der Informationsverarbeitung und des großen Bereichs der Medienwirkungen. Während die angewandte Mediaforschung v. a. auf die Ermittlung von Werbeträger- und Werbemittelkontaktchancen abzielt, um damit die Preissetzung für geschaltete Werbebotschaften zu bestimmen, ist die akademische Wissenschaft vor allem daran interessiert, Daten zu Mediennutzungsgewohnheiten (durch die dargestellten Theorien) zu erklären.

An seinem Ende enthält der Band neben dem Verzeichnis der verwendeten Quellen auch eine Liste der Internetadressen ausgewählter Institutionen sowie Publikationen, denen aktuelle Daten zur Mediennutzung bzw. zu den Reichweiten bundesdeutscher Medien entnommen werden können. Es sei vor allem auf die jeweiligen Glossar- oder FAQ-Bereiche der Internetauftritte großer Markt-Media-Studien verwiesen, die üblicherweise gut gepflegt sind. Hier können detailliertere, vertiefende und jeweils aktuelle Informationen zu den Markt-Media-Studien nachgeschlagen werden. Gerade bei der Fertigstellung dieses Teilbandes wurde wieder einmal deutlich, dass es infolge der zunehmenden Medienkonvergenz auf dem Gebiet der Media-/Reichweitenforschung zu raschen Entwicklungen, Modifizierungen und Anpassungen kommt. Der vorliegende Band enthält daher auch aktualisierte Darstellungen der Studien und Mediennutzungsdaten.

Weitere Teilbände sind wichtigen Grundbegriffen des Faches, der Kommunikator- bzw. Journalismusforschung, der Medienforschung und den Medienstrukturen in Deutschland, der Kommu-nikationswissenschaft als interdisziplinärer Sozialwissenschaft so-wie ihren empirischen Methoden gewidmet. Die Bände erscheinen auch als E-Books. Mit diesem Publikationsprogramm sollen Interessenten angesprochen werden, die sich ein Teilgebiet der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft einführend erschließen wollen.

Wir danken Herrn Rüdiger Steiner, Verlagslektor von UVK, für die gute Zusammenarbeit bei der Entstehung dieses Buches. Auch der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e. V. sei gedankt für einen prüfenden Blick auf die Kennwerte der Leser- und Hörerschafts- sowie der Zuschauer- und Internetnutzerforschung.

Augsburg und München,

Juli 2016

Helena Bilandzic Friederike Koschel Nina Springer Heinz Pürer

Einführung

Mit Medienrezeption bezeichnet man im Allgemeinen jenen Vorgang, bei dem sich ein Mensch mit einer publizistisch vermittelten Aussage auseinandersetzt. Erfasst wird damit also der Akt konsumierender Mediennutzung, insbesondere der klassischen Massenmedien Tageszeitung und Rundfunk, von der die Inhalte produzierende Mediennutzung im Zeitalter des ›Mitmachnetzes‹ begrifflich zu trennen ist (vgl. Springer/Pürer/Eichhorn 2014). Die rezeptive Auseinandersetzung mit Medieninhalten kann von recht unterschiedlicher Qualität sein. Sie kann von einem flüchtigen Überfliegen der Medienbotschaft über die Nutzung als Hintergrundkulisse bis hin zu einer eingehenden Auseinandersetzung reichen, in deren Verlauf die Medienbotschaft verstanden und in den Wissensbestand des Rezipienten (also des Lesers, Hörers, Zuschauers und Users) integriert wird. Rezeptionsforschung kann eine konkrete Medienbotschaft und eine bestimmte Rezeptionssituation in den Blick nehmen, etwa wenn die Anmutung formaler und inhaltlicher Merkmale der Botschaft oder die Verständlichkeit der Information untersucht wird. Beforscht wird aber auch die Nutzung ganzer Medien oder Gattungen unabhängig von einzelnen Situationen. Dabei werden z.B. Phänomene fokussiert wie die Motive der Fernseh- oder Internetnutzung, das Image von Tageszeitungen oder die Umstände, das Ausmaß und die Intensität der Nutzung einzelner Radiosender.

Wie der Begriff »Medienrezeption« ist auch der des »Rezipienten« weit gefasst: Minimalkriterium ist der flüchtige Kontakt mit der Medienbotschaft, etwa das Anlesen eines Zeitungsartikels, das Nebenbeihören eines Radiosenders oder das nur teilweise Mitverfolgen einer TV-Sendung. Was unter einem Rezipienten zu verstehen ist, wird in der Medienforschung von Fall zu Fall und je nach Forschungsinteresse pragmatisch definiert; die content-produzierenden Personen werden zur Abgrenzung auch mit anderen Begriffen wie Partizipienten oder Produser gefasst (vgl. Springer/Pürer/Eichhorn 2014).

Dabei sollte jedoch kein falscher Eindruck entstehen: Mit Rezipieren ist jedenfalls nicht »das Empfangen von Aussagen durch einen passiv ›rezipierenden‹ Empfänger« gemeint (Maletzke 1998, S.55). Eine solche Vorstellung gilt als überholt. Der Empfänger im Prozess der Massenkommunikation greift aktiv in diesen Prozess ein: »[E]r wählt aus, prüft, verwirft; und oft setzt er den Medieninhalten auch Widerstand entgegen. Dieses Konzept vom aktiven Rezipienten hat die Lehre von der Massenkommunikation grundlegend verändert« (ebd.). Rezipienten im Prozess öffentlicher Kommunikation sind also Personen, die sich originärpublizistisch oder massenmedial vermittelten Inhalten mehr oder weniger bewusst zuwenden und im Kontext dieser Zuwendung die vermittelten Botschaften wahrnehmen, verstehen und darauf reagieren (vgl. Kap. 2 und 3).

Die Summe der Empfänger publizistischer Aussagen bezeichnet man allgemein als Publikum, wobei grundsätzlich zwischen Präsenzpublikum und dispersem Publikum zu unterscheiden ist. Ein Präsenzpublikum ist zur gleichen Zeit und am gleichen Ort versammelt, um sich der gleichen Kommunikation auszusetzen. Beispiele hierfür sind: das Kinopublikum in einer bestimmten Vorstellung; die Zuhörer einer öffentlichen Rede bei einer (Partei-)Versammlung oder bei einer Demonstration auf der Straße; durchaus auch die Teilnehmer an einem Gottesdienst, die einer Predigt folgen; oder etwa auch die Besucher einer Theateraufführung. Ein disperses Publikum hingegen hat ausschließlich die Zuwendung zu ein und demselben Medieninhalt gemeinsam. Örtlich und zeitlich sind die Rezipierenden voneinander getrennt, und auch die jeweiligen Empfangs-, Motivations- und Situationsbedingungen können sich stark unterscheiden. Ein disperses Publikum bzw. disperse Publika können sein: die Leser einer konkreten Zeitung oder Zeitschrift, die das Medium zu einem von ihnen selbst bestimmten Zeitpunkt (beim Frühstück oder am Abend, in der Straßenbahn auch über Smartphone oder Tablet-PC) lesen; die Hörer eines Radioprogramms, die dieses Programm an einem von ihnen bestimmten Ort (zu Hause, im Auto, beim Joggen etc.) hören; oder die an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Situationen sich befindenden Zuschauer einer Fernsehsendung, die das Programm z.B. alleine, mit einem Partner, im Kreis der Familie etc. nutzen. Mediatheken im Internet ermöglichen den Abruf und damit die Nutzung von Hörfunk- und Fernsehsendungen auch zeitversetzt zum Ausstrahlungszeitpunkt. Ein disperses Publikum stellen daher ebenso Onlineuser dar, die zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten aus unterschiedlichen Motiven auf Webangebote zugreifen. Im Sammelbegriff werden die Publika der Massenkommunikation auch mit dem Begriff Öffentlichkeit bezeichnet (vgl. Pürer 2014, Kap. 3.2).

Das Forschungsfeld Rezipientenforschung lässt sich grosso modo in drei größere Forschungsfelder unterteilen:

in die

Media

forschung, die in aller Regel das quantitative Ausmaß der Nutzung eines oder mehrer Medien ermittelt (Reichweitenforschung; Kap. 1);

in die

Rezeptions

forschung, die Motive und Erwartungen, Gewohnheiten und Modi, Ausmaß und Intensität etc. der Mediennutzung zu ergründen versucht (Kap. 2); sowie

schließlich in die Medien

wirkungs

forschung, die sich mit den unterschiedlichen und vielfältigen individuellen und sozialen Folgen von Massenkommunikation befasst (Kap. 3). Diese drei Felder sollen nachfolgend im Einzelnen umrissen werden.

1     Mediaforschung / Reichweitenforschung

Nina Springer, Helena Bilandzic und Heinz Pürer

Die Mediaforschung dient dazu, Daten über Publika und Nutzungshäufigkeiten von Medien zu ermitteln. In erster Linie sind dies die Reichweiten von Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk- bzw. Fernsehprogrammen und Onlineangeboten sowie die Zusammensetzung der Publika hinsichtlich ihrer soziodemografischen Struktur nach Alter, formaler Bildung, Geschlecht, Einkommen, Beruf etc. In Deutschland werden dazu laufend Untersuchungen von Medienunternehmen und der werbungtreibenden Wirtschaft mit den unterschiedlichsten Methoden und Schwerpunkten durchgeführt. Diese Daten sind in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung (vgl. Siegert 1993, S.123ff; Angermann/Diem/Pürer 1996, S.467; Meyen 2004, S. 53ff; Frey-Vor/Siegert/Stiehler 2008, S. 33ff):

Sie dienen der werbungtreibenden Wirtschaft für die Entwicklung von

Streuplänen für Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen, Hörfunk- und Fernsehspots sowie Werbung

in Onlinemedien. Dabei geht es v.

a. darum, diese Planung so zu optimieren, dass Werbung möglichst präzise an die anvisierten Zielgruppen eines Produkts herangeführt wird und sog.

Streuverluste vermieden werden.

Sie kommen den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen, den Hörfunk- und Fernsehveranstaltern sowie den Anbietern von Onlinemedien für die Festlegung von Preisen für Anzeigenwerbung in Printmedien, für Werbespots in Hörfunk und Fernsehen sowie für Werbebanner und andere Werbeformen im WWW zugute. Gleichzeitig haben sie Bedeutung als Marketing-Instrument und für Service-Leistungen für die werbungtreibende Wirtschaft: Sie geben Auskunft darüber, welche Publika mit Werbebotschaften erreicht werden.

Sie sind für die Medienschaffenden (wie Journalisten und Programmplaner) wichtig, um sich zumindest ein grobes Bild über das Publikum machen und die Daten für die inhaltliche und formale Optimierung ihres Medienproduktes verwenden zu können. Insofern sind die Daten auch ein Indikator für den Publikumserfolg eines Medienprodukts und dienen damit der Erfolgskontrolle.

Nicht zuletzt profitieren aber auch akademische Forscher z.

B. im Bereich Medien- und Kommunikationswissenschaft, Sozio-logie, Bildungsforschung und Pädagogik von den Daten der Mediaforschung, die ihnen wertvolle Basisdaten zu Lese-, Hör-, Seh- und Nutzungsgewohnheiten, deren Entwicklungen, Veränderungen und Trends liefert.

Reichweiten und Kontakthäufigkeiten können freilich keine Aussagen über die Intensität der Mediennutzung oder gar über ihre Wirkung bei den Nutzern machen. Nicht selten geht die Mediaforschung daher über die Ermittlung bloßer Nutzungs- und Strukturdaten hinaus. So werden in vielen Studien auch Wünsche, Erwartungen und Interessen des Publikums erhoben, ebenso die Anmutung einzelner Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften, von Sendungen in Hörfunk und Fernsehen sowie über das Image von Medienprodukten. Mediaforschung für diesen Zweck wird dann als redaktionelle Publikumsforschung bezeichnet, die nicht zuletzt auch dem redaktionellen Marketing zugute kommt (vgl. Pürer 2014, Kap. 4.1.3.2). Dahinter steckt dann allerdings auch die Idee eines nicht ganz zweckfreien »Audiencemaking[s]«: Mit diesem Begriff lassen sich die Versuche der Medienorganisationen bzw. ihrer Forschungs- und Marketingabteilungen beschreiben, die dispersen Empfänger der (Werbe-)Botschaften »als messbare Publika zu konstruieren und so unter die den jeweiligen institutionellen Interessen entsprechende Kontrolle zu bringen« (Hasebrink 2008, S.513; vgl. auch Ang 1991; Ettema/Whitney 1994; Kiefer 1999).

Für die einzelnen Medien existieren je eigene Forschungszweige, für die sich jeweils spezifische Forschungsmethoden und Standardstudien entwickelt haben. Insgesamt können dabei drei Typen von Studien unterschieden werden, und zwar:

traditionelle

Reichweitenanalysen

,

die versuchen, den Anteil der Bevölkerung zu bestimmen, der eine Publikation nutzt;

(v.

a. bei auflagenkleineren Printmedien)

Nutzerschaftsanalysen

z.

B. in Form von Abonnentenbefragungen mit dem Ziel der Bestimmung von deren Werbewert; und

Typologien

, die Zielgruppen oder Nutzer nach anderen als sozio-demografischen Merkmalen beschreiben und diese zu homogenen Gruppen nach persönlichen Einstellungen, Konsumverhalten oder Mediennutzung gruppieren.

Diese finden sich in unterschiedlicher Weise in den nachfolgend im Einzelnen beschriebenen Studien zur Leserschafts-, Hörer-, Fernseh- sowie zur Userforschung im Internet wieder.

Da alle Medien gleichermaßen etwas über ihr Publikum in Erfahrung bringen wollen, aber auch zunehmend um die knappe Aufmerksamkeit des Publikums konkurrieren und die werbungtreibende Wirtschaft auch Interesse an vergleichbaren Daten hat, haben sich in vielen Ländern (so auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz) Medienbetriebe zusammengeschlossen, um gemeinsame Studien zu betreiben. Beispiel für einen solchen Zusammenschluss ist die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. (agma), die sich als größte Werbeträgeranalyse in Deutschland präsentiert. Die meisten anderen Markt-Media-Studien orientieren sich am methodischem Vorgehen bzw. an den Messverfahren der agma, deren Kennwerte in der Mediaforschung ›Währungen‹ darstellen, da sie von allen Marktpartnern anerkannt werden. Die agma wird von rund 230 Unternehmen aus der Medien- und Werbewirtschaft getragen. Mittlerweile müssen Daten zu so vielen Medien erhoben werden, dass eine Abfrage aller in Deutschland verfügbaren Medien den Befragten nicht mehr zuzumuten ist. Daher wird seit 1987 an Stelle einer sog. »Single-Source-Erhebung« (alle Befragten werden zur Nutzung aller interessierenden Medien befragt) eine sog. »Multiple-Source-Erhebung« angewandt. Die Arbeitsgemeinschaft publiziert eine jeweils eigene Media-Analyse (MA) für »Internet«, »Radio«, »Plakat«, »Tageszeitung« und »Zeitschriften/Wochenzeitungen« (zu denen neben »Supplements« auch »Lesezirkel« und »Kino« gezählt werden); die Daten der einzelnen Erhebungstranchen werden, ergänzt um die Daten des AGF/GfK-Fernsehpanels, für die MA Intermedia PLuS fusioniert (vgl. agma 2015a, b, g). Im Folgenden sollen die wichtigsten Verfahren der Leserschaftsforschung (Zeitung und Zeitschrift), Hörerschaftsforschung (Radio), Zuschauerforschung (Fernsehen) sowie der Nutzer-Forschung (Internet) in groben Zügen dargestellt und relevante Kennwerte der Mediaforschung erklärt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele der Untersuchungen inzwischen Daten für verschiedene Medien ausweisen, wie es beim Partnerschaftsmodell der MA Intermedia PLuS der Fall ist. Zum heutigen Zeitpunkt (Stand: 2016) zeitigt die Gliederung entlang einzelner Gattungen noch eine sinnvolle Struktur. Die konvergierende Medienlandschaft wird jedoch eine Umstellung von medienbasierten auf inhaltsbasierte Messungen erforderlich machen; wie sich das auf die Stuktur der Mediaforschung auswirken wird, bleibt abzuwarten. Darüber hinaus werden die Kennwerte der Mediaforschung, teils zumindest, im Zuge der Ausdifferenzierung des methodisch-statistischen Vorgehens seitens der agma regelmäßig nachjustiert. Dies auch mit Blick auf das Erfordernis, die ermittelten Reichweiten für einzelne Medien fusionieren und crossmediale Gesamt-reichweiten ausweisen zu können. Eine aktuell gehaltene Darstellung der Kennwerte kann daher auch dem agma-Glossar online entnommen werden (agma 2015j), auf dem die Beschreibung der Kennwerte in den folgenden Kapiteln in großen Teilen beruht. Als weitere intermediär vergleichende Studie wird die »Langzeitstudie Massenkommunikation« aufgrund ihrer Bedeutung für die Dokumentation des Mediennutzungs- und Bewertungsverhaltens seit den 1960er-Jahren in einem eigenen Abschnitt vorgestellt (vgl. Kap. 1.5).

1.1    Leserschaftsforschung

Für die Leserschaftsforschung kann in Deutschland auf die nachfolgend genannten und methodisch sich unterscheidenden Studien und Datenquellen verwiesen werden:

Die IVW

Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) verfolgt bereits seit 1949 das Ziel, vergleichbare und objektiv erhobene Daten über die Verbreitung von Werbeträgern zu beschaffen und bereitzustellen. Die IVW führt keine eigentlichen Leserschaftsstudien durch, sondern veröffent-licht stichprobenartig überprüfte durchschnittliche Quartalsauflagen (IVW-Listen) von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen sowie (seit 1997) Zugriffe der User auf Internetangebote. Die IVW gibt also beispielsweise bekannt, wie viele Exemplare eines Printerzeugnisses gedruckt (Druckauflage), verbreitet (verbreitete Auflage) sowie – im Abonnement oder Einzelverkauf – tatsächlich abgesetzt wurden (Verkaufsauflage). Seit dem zweiten Quartal 2012 werden dazu auch E-Paper-Verkäufe gezählt. Darüber hinaus erhebt, prüft und veröffentlicht die IVW seit 2014 auch Daten zu ›Paid Content‹. Das geschieht über die Erfassung von Nutzungsrechten, die von den Nutzern für Web-Inhalte, Apps und App-Inhalte erworben wurden. Ausgewiesen werden die tagesdurchschnittlichen Nutzungsrechte (tNR) pro Monat (vgl. IVW 2015b). Diesen Angaben kann man nicht entnehmen, wie viele Leser oder Mitleser etwa eine Zeitung oder Zeitschrift (oder ihre Apps, E-Paper und browser-basierten Angebote) hat und welche Merkmale die Leserschaft trägt. Werbeplaner können an den Daten der IVW aber bemessen, was sie eine Anzeige bezogen auf 1.000 Käufer (nicht Leser!) einer Zeitung oder Zeitschrift kostet (sog. Tausenderpreis) (vgl. IVW 2015a, 2012; Unger et al. 2013, S. 89f).

Die Media-Analyse (MA Pressemedien und MA Tageszeitungen)

Seit 1954 veröffentlicht die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. (agma) Daten zur Printmediennutzung in Deutschland. Die MA-Berichte basieren auf zwei etwa je sechs Monate umfassenden Erhebungszeiträumen (sog. Wellen). In diesen werden von beauftragten Marktforschungsunternehmen jeweils rund 19.500 Interviews geführt. Ein Bericht enthält folglich die Antworten von 39.000 Befragten – immer aus der Welle, die bereits im vorangegangenen Bericht verwendet wurde sowie aus der Welle, die neu erhoben und zum ersten Mal analysiert wurde (»rollierendes System«, agma 2015c). Die Länge der Erhebungszeiträume soll saisonale Effekte der Mediennutzung ausgleichen. Zum Einsatz kommen seit 2012 nur noch Computer Assisted Self Interviews (CASI), bei denen die Befragten nach einer Einweisung durch Interviewer ihre Antworten auf einem Laptop per Touchscreen selbst eingeben. Diese werden aus der deutschsprachigen Wohnbevölkerung ab 14 Jahren (die also auch in Deutschland lebende Ausländer einschließt) nach einer Zufallsstichprobe mithilfe des Adress-Random-Verfahrens gezogen (vgl. agma 2015d, e; Möhring/Schlütz 2010, S. 33f).Zur Bestimmung der Grundgesamtheit (sowie als Hochrechnungsbasis für die Auswertung der erhobenen Daten) dienen Volkszählungsdaten. Mit Gedächtnisstützen wie Titelkarten, die Logos von Zeitungen und Zeitschriften zeigen, werden Bekanntheit und Nutzung von Printmedien abgefragt. Den Befragten werden zur Entlastung der Interviews jedoch nur zwei Drittel der Titelkarten vorgelegt (für die Tageszeitungen z.B. im Schnitt 15 Karten) und die Angaben im Anschluss fusioniert (»Titelsplit«). Insgesamt erheben die MA Pressemedien (für Zeitschriften, Wochenzeitungen, Supplements, Kino und Lesezirkel) bzw. die MA Tageszeitungen in Deutschland Daten zu rund 180 Zeitschriften und Wochenzeitungen (inkl. Supplements), 650 (regional-variierenden) Tageszeitungsausgaben sowie zu etwa 40 Titeln der konfessionellen Presse (vgl. agma 2015f, h). Parallel zur CASI-Befragung wird seit 2013 auch ein Hand-Scan-Gerät (»MediaScan«) eingesetzt, um die zeitbasierte Zeitschriften- und Zeitungsnutzung zu messen (vgl. agma 2015d). Erfasst werden in einem Zeitraum von zwei Wochen Informationen zu genutzten Titeln und Ausgaben, zu Lesezeitpunkten, Lesedauer und Lesemenge der Probanden (vgl. agma 2015j, Stichwort MediaScan; siehe auch den Abschnitt zu Kennwerten der Leserschaftsforschung unten).

Die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA)

Ursprünglich mit Vorgängern der Media-Analyse verbunden, veranstaltet das Institut für Demoskopie in Allensbach (Bodensee) wegen methodischer Differenzen seit 1959 eine eigene jährliche Befragung zu Mediennutzung und Konsumgewohnheiten. Im Unterschied zur Media-Analyse stellt die AWA eine Single-Source-Erhebung dar; ihr liegt auch keine Random-Stichprobe, sondern eine Quotenstichprobe auf Basis des (Mikro-)Zensus zu Grunde (vgl. Kauermann/Küchenhoff 2011, S. 9). Die Ergebnisse der AWA fußen auf der mündlich-persönlichen Befragung von über 25.000 Personen bundesweit. Die Studie wird, wie die Erhebung der Media-Analysen, in zwei jeweils etwa sechs Monate langen Wellen durchgeführt. Grundgesamtheit ist ebenfalls die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren in Privathaushalten. Abgefragt werden an die 240 Printmedien aus allen Bereichen, darunter auch Special-Interest-Titel und Zielgruppenzeitschriften (hinzu kommen noch elf öffentlich-rechtliche und private TV-Sender, Radio- und Internetnutzung, Kinobesuche und Kontaktchancen durch Plakat- und Außenwerbung sowie Werbung im öffentlichen Nahverkehr). Im Vergleich zur Media-Analyse erhebt die AWA aber mehr Daten zum generellen Konsumverhalten der Befragten. Die Besonderheit der Studie liegt v.a. in der Beschreibung der Faktoren für den Kauf und Konsum von Produkten sowie in der Einschätzung der Marktpotenziale von Produkten. Mediazielgruppen können auf Basis der AWA-Daten »über soziodemografische oder marktspezifische Konsummerkmale, aber auch über psychografische und kommunikationstypologische Merkmale wie Lebensstil und Wertemuster oder Innovationsneigung und Meinungsführerschaft« bestimmt werden (AWA 2015a; vgl. auch AWA 2015b; Schneller 2012; Meyen 2004, S. 86ff).

»best for planning« (b4p)

Seit 2012/13 geht die sog. VerbraucherAnalyse der Medienhäuser Bauer und Springer (vgl. VA 2012a, b) gemeinsam mit der »Typologie der Wünsche« der Hubert Burda Media (vgl. mds 2015) in der Markt-Media-Studie »best for planning« (b4p) auf. Neben diesen drei Medienhäusern sind noch Gruner + Jahr sowie Funke an der b4p beteiligt. Grundgesamtheit, Stichprobe und Feldmodell entsprechen der MA Pressemedien, für die Studie 2015 wurden über 30.000 zufällig ausgewählte Personen befragt (vgl. b4p 2015a). Die b4p »fühlt sich weitestgehend dem Single-Source-Prinzip verpflichtet« (ebd.) und weist neben den überregionalen Tageszeitungen über 180 Zeitschriftentitel sowie 64 Belegungseinheiten von regionalen Tageszeitungen aus (dazu noch alle MA-Radiosender, zehn TV-Sender, Plakat, Kino und »einige kleinere Medien«; b4p 2015b). Für crossmediale Analysen – z. B. die Zusammenfassung der Daten von Print-, Online-, mobilen Angeboten und Apps zu einer Medienmarke – werden Mediennutzungsdaten ergänzend auch technisch gemessen (b4p 2015c). Medienreichweiten werden dabei nach Möglichkeit »an die währungsgebenden Studien der ag.ma (in einigen Fällen an die AWA) angepasst« (b4p 2015c). Zudem erhebt auch die b4p Interessen, Motivation, Einstellungen und Bedürfnisse der Verbraucher, um deren Einfluss auf das Konsum- und Mediennutzungsverhalten zu bestimmen. Hierfür stellt die b4p verschiedene demografische, psychografische und marktbezogene Zielgruppen-Modelle zur Verfügung (b4p 2015c; b4p.media/menschen).

Spezielle Zielgruppenuntersuchungen

Es gibt des Weiteren Studien, die spezielle Zielgruppen befragen. Dies ist etwa erforderlich, wenn deren Fallzahl bei herkömmlichen Untersuchungen zu klein ausfällt oder eine spezielle Auswahl von Publikationen abgefragt wird. Beispiele hierfür sind die BrigitteKommunikationsAnalyse, die speziell Frauen in den Blick nimmt, die KidsVerbraucherAnalyse (KidsVA) sowie die JIM-Studie (JIM ist das Akronym für Jugend, Information, [Multi-]Media), die Leseranalyse Entscheidungsträger (LAE) oder die Leseranalyse Medizinischer Fachzeitschriften (LA-MED). Eine Übersicht mit Kurzsteckbriefen einiger hier dargestellter Studien liefert die Webseite mds-mediaplanung.de, die von der Axel Springer SE verantwortet wird.

Kennwerte der Leserschaftsforschung

In der Reichweiten- und Leserschaftsforschung gibt es Kennwerte, anhand derer es möglich ist, Mediaplanung vorzunehmen und Zielgruppen zu bestimmen. Einige der wichtigsten sind (vgl. agma 2015g, j, k; Esch/Feess/Sjurts o. A.; Pürer/Raabe 2007, S. 311f; Hess 1996, S. 121ff):

Die Leser:

alle Personen, die eine Ausgabe einer Zeitung oder Zeitschrift schon mal ›gelesen, durchgeblättert oder angesehen‹ haben (so die agma). Aus dieser Formulierung (»… gelesen, geblättert oder angesehen«) geht hervor, dass es bei Nutzungsstudien oftmals gar nicht so sehr um das wirkliche Lesen, sondern nur um Kontakte geht, insbesondere um mögliche Kontakte des Lesers mit Anzeigen. Es handelt sich also eher um ein »weiches« Leser-Kriterium.

Struktur der Leserschaft:

Leser-Struktur-Analysen geben Aufschluss über bestimmte, meist soziodemografische Merkmale der Leserschaft wie Alter, Bildung, Geschlecht, Einkommen, Nutzung anderer Medien etc. Aus der Struktur der Leserschaft kann man ersehen, wie die Nutzerschaft eines Printmediums charakterisiert ist und welche Kaufkraft sie hat.

Reichweite:

Sie bringt zum Ausdruck, wie viele Personen mit einer durchschnittlichen Ausgabe eines Titels Kontakt hatten. Die national verbreitete Bild-Zeitung z. B., mit ihren 27 Regionalausgaben die auflagenstärkste Straßenverkaufszeitung Deutschlands, erreicht gemeinsam mit der B.Z. (und inkl. verkaufter E-Paper) gemäß IVW III/2015 wochentags (= montags bis samstags) eine Verkaufsauflage von rund 2,1 Mio. Exemplaren. Als sog. Belegungseinheit kommen die Titel zusammen gemäß Media-Analyse 2015 (Presse II) auf eine bundesweite Reichweite von 10,35 Mio. Lesern, das entspricht 15 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung über 14 Jahre. Bei nicht national verbreiteten Blättern etwa – und dies sind in Deutschland die weit überwiegende Mehrzahl der Tageszeitungen – ist es nur sinnvoll, die Reichweite für das jeweilige (Haupt-)Verbreitungsgebiet einer Tageszeitung (samt allen ihren Ausgaben) anzugeben. Folgende Reichweitenmaße sind für Werbetreibende von Belang: Die

Einzelreichweite

gibt die Reichweite einer Werbeschaltung in einem Werbeträger an (z. B. durch den Leser pro Ausgabe, s. u.). Wird einmal zeitgleich in mehreren Medien inseriert, so wird die

Nettoreichweite

berechnet. Diese entspricht der Anzahl der Personen, die mindestens einmal Kontakt mit der Anzeige hatten. Jede Person zählt dabei nur einmal, unabhängig von der tatsächlichen Kontakthäufigkeit – daher ist die Nettoreichweite immer kleiner als die aufaddierten Einzelreichweiten (=

Bruttoreichweite

). Berechnet man hingegen die Reichweite einer Mehrfachbelegung (also der Werbeschaltung in mehreren Ausgaben eines Werbeträgers hintereinander), so spricht man von

kumulierter Reichweite

.

Kombinierte Reichweiten

werden dementsprechend von mehreren Schaltungen in mehreren Werbeträgern erreicht.

Mit

Lesehäufigkeit

bzw.

-frequenz

wird (unabhängig von Lesedauer und -Intensität) angegeben, wie viele Ausgaben einer Zeitung oder Zeitschrift innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls von einem Leser genutzt wurden.

Der Kennwert

Leser pro Nummer (LpN)

bildet die Gesamtzahl der ermittelten Leser eines Printprodukts in einem Erscheinungsintervall ab und wird mittels Befragung erhoben. Dabei wird nicht nach der Nutzung einer bestimmten Ausgabe gefragt, sondern nach der Nutzung irgendeiner Ausgabe im Erscheinungsintervall (bei Tageszeitungen ein Tag, bei wöchentlich erscheinenden Periodika sieben Tage, bei Monatszeitschriften vier Wochen). Der Grund für dieses Verfahren liegt darin, dass es zu aufwändig wäre, eine bestimme Ausgabe nachzuverfolgen, da eine Ausgabe i. d. R. länger als nur innerhalb eines Erscheinungsintervalls gelesen wird. So werden v. a. Wochenzeitungen, Illustrierte und Zeitschriften auch über Lesezirkel vertrieben und liegen daher oftmals weit länger als nur ein Erscheinungsintervall auf. Zur Mediaplanung wird aus diesem Kennwert der

Leser pro Ausgabe

(s. u.) berechnet.

Der Kennwert

Leser pro Ausgabe (LpA)

gibt Auskunft über die durchschnittliche Größe der Leserschaft und wird per »Segmentationsverfahren« aus den LpN-Angaben berechnet. Aus diesen Angaben kann mithilfe eines komplexen Rechenverfahrens für jeden Printtitel und Befragten, der zum weitesten Leserkreis (s. u.) gehört, eine individuelle

Lese- bzw. Nutzungswahrscheinlichkeit

(=

p-Wert

) ermittelt werden (vgl. den Eintrag Segmentation im Glossar auf der agma-Webseite). Die Reichweite LpA eines Titels entspricht dann der durchschnittlichen Nutzungswahrscheinlichkeit des Titels multipliziert mit 100. Die Höhen beider Reichweiten LpA und LpN sind in ihren Summen identisch, durch den p-Wert lassen sich jedoch auch Werbeträger-Kontaktchancen in ausgewählten Zielgruppen bestimmen.

Der Kennwert

Leser pro Exemplar (LpE)

bestimmt die Anzahl der Personen, die durchschnittlich ein Exemplar eines Titels lesen (also Käufer und alle Mitleser). Auch dieser Kennwert wird rechnerisch ermittelt: Dazu wird die hochgerechnete Reichweite LpA durch die verbreitete Auflage dividiert.

Zum

weitesten Leserkreis (WLK)

gehören alle Personen, die mindestens eine Ausgabe innerhalb der letzten zwölf Erscheinungsintervalle gelesen, durchgeblättert oder angesehen haben. Die Zahl zwölf kommt hier ins Spiel, weil es auch monatlich erscheinende Periodika gibt, deren Nutzung übers Jahr gesehen erfasst wird. Sie kann entsprechend auf Medien mit anderem Erscheinungsrhythmus übertragen werden: Für Tageszeitungen z. B. umfasst das Intervall 14 Tage, da in 14 Tagen von einer Tageszeitung – die jeweils von montags bis samstags verkauft wird – insgesamt zwölf Ausgaben erscheinen.

Der

Kernleser

ist ein regelmäßiger Leser, für den eine Nutzungswahrscheinlichkeit (= p-Wert) von 0,83 bis 1,0 berechnet wurde. Geringere Wahrscheinlichkeiten weisen

häufige Leser

(0,59 bis 0,82),

Gelegenheitsleser

(0,42–0,58),

seltene Leser

(0,25–0,41) und

ganz seltene Leser

(0,01–0,24) auf.

Der Kennwert

Leser pro werbungführende Seite (LpwS)

bringt die Wahrscheinlichkeit des (mindestens kurzen Blick-)Kontaktes eines Lesers mit einer werbungführenden Seite einer Ausgabe zum Ausdruck. Als werbeführend gilt eine Seite, wenn mindestens 25 Prozent ihrer Fläche mit Anzeigen belegt ist, Rubrikanzeigen werden dabei allerdings nicht berücksichtigt. Seit 2015 wird der LpwS mittels MediaScan erhoben; dabei scannen Probanden die von ihnen genutzten Ausgaben. Das Verfahren (das im folgenden Abschnitt näher erläutert wird) ermöglicht die Ausweisung zusätzlicher Leistungswerte, die im Glossar der agma unter dem Stichwort

MediaScan

nachgeschlagen werden können.

Der

Tausend-Kontakt-Preis

TKP gibt an, wie viel es kostet, 1.000 Kontakte in einer Zielgruppe mit einer Werbebotschaft zu erreichen. Hierzu wird der Preis der Werbeschaltung durch ein Reichweiten-Maß (s. o.) geteilt und mit Tausend multipliziert. Der Kennwert erlaubt einen einfachen und schnellen Vergleich konkurrierender Titel bzw. den Vergleich über verschiedene Mediengattungen hinweg. Daher ist er für Werbeplaner wichtig, um finanzielle Werbemittel möglichst günstig einzusetzen.

Methodische Probleme

Bei allen Studien, in denen die Befragung als Methode angewandt wird, ergeben sich ähnliche Probleme: Befragte sollen ihr eigenes Medienverhalten rekonstruieren und dem Interviewer vermitteln. Manchmal sind sie dazu aber nicht oder nur in eingeschränktem Ausmaß in der Lage (z.B. überfordert die Frage nach der Häufigkeit des Lesens in den letzten zwölf Monaten nicht selten ihr Gedächtnis), oder sie wollen ihr tatsächliches Medienverhalten nicht offenbaren. So kann z.B. die Frage nach der Lektüre einer weniger renommierten Publikation beim Befragten ein Antwortverhalten auslösen, das von »sozialer Erwünschtheit« geprägt ist: Es wird dann eine Antwort gegeben, von der angenommen wird, dass sie bei anderen Menschen – und damit auch beim Interviewer – auf Akzeptanz stößt (vgl. Schnell/Hill/Esser 2008, S.355f; vgl. Springer/Koschel/Fahr/Pürer 2014).

Zudem kann mit herkömmlichen Befragungen zur Zeitungs- und Zeitschriftennutzung eine sehr wichtige Art der Information nicht erhoben werden, nämlich: welche und wie viele Seiten einer bestimmten Publikation tatsächlich gelesen bzw. welche Anzeigen beachtet werden. Das gilt ebenso für die IVW-Kennwerte, die den bloßen Kauf einer Publikation bemessen, obwohl die Kontaktqualität bei einem Printmedium vom Durchblättern und flüchtigen Überfliegen bis hin zum mehrfachen, gründlichen Lesen reichen kann. Um Angaben über die Kontaktqualität zu erhalten, muss daher Zusatzforschung betrieben werden. Das geschieht meist über die Erhebung weiterer Daten wie etwa der Aufgeschlossenheit gegenüber Werbung (die etwas über die Bereitschaft zur Beachtung von Werbung anzeigt), über das Produktinteresse sowie über die Bindung an eine Publikation. Diese wiederum kann ermittelt werden, indem der Leser z. B. gefragt wird, ob er sich bemüht, jede Ausgabe zu bekommen oder auch ob er die Publikation vermissen würde, wenn er sie längere Zeit nicht erhalten könnte (vgl. Koschnick 2003, S. 1521f; Schulz 1997). Auch kommen Copytests für einzelne Ausgaben in Frage: Beim Copytest gehen Interviewer eine Ausgabe der getesteten Publikation mit dem Befragten Seite für Seite durch; die Befragten sollen jeweils angeben, welche Inhalte sie auf Grund der Lektüre wiedererkennen. Dabei hängen die Ergebnisse klar von der Gedächtnisleistung der Teilnehmer ab (vgl. Hess 1996, S. 68ff; Frey-Vor/Siegert/Stiehler 2008, S. 135f). Die AGMA erfragt die Lesemenge bei Zeitungen und Zeitschriften inzwischen nicht mehr per Copytest, sondern misst diese per »MediaScan«-Verfahren (s. o.; vgl. Schwegler 2012; agma 2012, 2015d). Auf Basis der MediaScan-Daten werden seit 2015 neben der Anzahl der Heftkontakte mit einer durchschnittlichen Ausgabe (= Pick-up), beispielsweise auch die Kontakte pro Ausgabe (= Werbeträgerkontakt) und die Kontakte pro werbungführender Seite (= Werbemittelkontakt) zusätzlich berechnet und ausgewiesen (vgl. agma 2015j, Stichwort MediaScan). Ein solches Verfahren zur Ermittlung der Kontaktqualität ist bereits 2004 vom Schweizer Medienberater Carlo Imboden entwickelt worden: der Readerscan (auch »ReaderScan«). Mit einem elektronischen Stift markieren (scannen) ausgewählte Leser während der Lektüre, was sie gerade lesen bzw. wo sie ausgestiegen sind. Die Daten werden anschließend an ein Rechenzentrum übermittelt und dort ausgewertet. Die Redaktion erhält die Auswertung am Tag nach der Veröffentlichung in Form einer Lesequote (ähnlich wie bei der elektronischen Quotenermittlung beim Fernsehen) und erfährt, »welche Artikel in welcher Reihenfolge und bis zu welcher Zeile gelesen wurden« (NDR o. A.; zitiert nach Pürer/Raabe 2007, S. 313). Allerdings ist das Verfahren nicht ohne Kritik geblieben. Ein wesentlicher Punkt ist, dass die Messung nicht – wie etwa bei der Quotenermittlung für das Fernsehen – passiv im Hintergrund abläuft, sondern aktive Teilnahmebereitschaft voraussetzt, an der die Leser nach einer Zeit die Lust verlieren können (vgl. Wiegand 2007). Anstelle einer Messung über Selbstauskünfte (Befragung oder Scan-Erhebung) lässt sich das Mediennutzungsverhalten auch über Beobachtungen erfassen. Bei Blickregistrierungsgeräten z. B. übernimmt ein Apparat die Aufzeichnung des rezeptiven Sehverhaltens. Eyetracking-Apparate zeichnen den Blickverlauf einer Versuchsperson beim Lesen bzw. Betrachten einer Publikation auf und können so Aufschluss darüber geben, bei welchen Beiträgen und Anzeigen der Leser wie lange verweilt und folglich darüber aufklären, welche Aufmachung »ins Auge sticht« und welche nicht. Die Erhebungssituation von Eye-Tracking-Studien ist (ähnlich wie beim Readerscan) ziemlich, aber doch nicht vollständig natürlich (vgl. Duchowski 2007; Geise 2011).

1.2    Hörerschaftsforschung