Rhetorische Deeskalation - Fritz Hücker - E-Book

Rhetorische Deeskalation E-Book

Fritz Hücker

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Beschreibung

In jeder Situation richtig reagieren Das Buch bietet eine Handlungsorientierung zur rhetorischen Deeskalation für Einsatzkräfte in Ausbildung und Praxis. Es vermittelt Kenntnisse über die verschiedenen Konfliktfelder, zum Verhalten von Menschen in unterschiedlichen Situationen, zum Entstehen von Eskalation und zur Wirkung von Stress. Darüber hinaus zeigt der Autor auf, welche Kompetenzen die Polizeibeamten zur Bewältigung der Konfliktsituationen benötigen: Einfühlungsvermögen, Kontrolle der Emotionen und Flexibilität im Verhalten, Toleranz, Kritikfähigkeit, Kompromissbereitschaft, Teamfähigkeit und Kooperationsfähigkeit. In der Neuauflage sind insbesondere grundlegende Ausführungen (wie Erklärungsansätze zum Verhalten) gestrafft und Handlungskonzepte zur deeskalativen Gesprächsführung neu bearbeitet worden. Theorie, Rollenspiel und praktische Anwendung Zu den behandelten Themen zählen u.a.: – Erklärungsansätze für menschliches Verhalten – Konflikte – Eskalation – Eskalationspotenzial im Einsatz – Grundbefähigungen für Einsatzkräfte zum Umgang mit Menschen – Deeskalative Teambefähigung – Mentale Vorbereitung auf Einsätze – Deeskalation im Polizeieinsatz – Konzepte für Einsatzkräfte – Konzeptionelles Handeln – Handlungs- und Gesprächsführungskonzepte – Ausbildung – Exemplarische Trainings Rollenspiele und Toleranz-Trainings runden das Buch ab. So geschult, gelingt es – professionell, insbesondere mit fachlich-praktischer, kommunikativer, rhetorischer und sozialer Einsatzkompetenz – polizeiliche Alltagsprobleme zu lösen. Konfliktsituationen im Polizeidienst Die Kompetenzen und Konzepte zur rhetorischen Deeskalation müssen sich an den praxisbezogenen Konfliktfeldern des Polizeiberufes orientieren. Zu diesen zählen beispielsweise das Durchsetzen von Maßnahmen bei Widerstandshandlungen sowie verschiedene Konfliktkonstellationen, u.a. mit Betrunkenen, Randalierern, Skinheads, ausgelassenen jungen Menschen oder Schaulustigen.

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Rhetorische Deeskalation

Deeskalatives Einsatzmanagement Stress- und Konfliktmanagement im Polizeieinsatz

Fritz Hücker

Leitender Kriminaldirektor a.D. Vormals Professor und Rektor der Niedersächsischen Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Hildesheim und Dekan Fachbereich Polizei

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

4. Auflage, 2017

Print ISBN 978-3-415-05822-4 E-ISBN 978-3-415-05828-6

© 1990 Richard Boorberg Verlag

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © Volkmar Gorke – Fotolia

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresdenwww.boorberg.de

[4|5]Vorwort zur 4. Auflage

Der Bürger hat eine hohe Erwartungshaltung an den Staat entwickelt. Er erwartet, über die rechtlichen und fachlichen Kompetenzen hinaus, ein anspruchsvolles, angemessenes Handeln und eine ihm verträgliche (soziale) Art und Weise des Einschreitens.

Praktische Handlungskompetenzen, soziale Kompetenzen, Persönlichkeits- und Konfliktkompetenzen gelten als Schlüsselqualifikationen1 für den Polizeiberuf. Hinzu kommt, dass für polizeiliches Handeln von der Rechtsprechung im Versammlungsbereich die Verpflichtung zum deeskalativen Verhalten entwickelt worden ist und darüber hinaus deeskalatives Verhalten auch beim Einschreiten der Polizeikräfte in anderen Aufgabenfeldern zur beruflichen Professionalität erwartet wird.

Deeskalation ist aber nicht als selbstständige Einsatzaufgabe zu verstehen, sondern immer im Zusammenhang mit Einsatzmaßnahmen zu praktizieren.

Neben Kenntnissen

zu Konfliktfeldern, zum Verhalten von Menschen in unterschiedlichen Situationen, zum Entstehen von Eskalation, zur Wirkung von Stress,

sind als persönliche Kompetenzen

insbesondere Einfühlungsvermögen, Kontrolle der Emotionen und Flexibilität im Verhalten, Toleranz, Kritikfähigkeit, Kompromissbereitschaft, Teamfähigkeit und Kooperationsfähigkeit zu entwickeln.

Mit diesem Buch wird für Einsatzkräfte eine Handlungsorientierung zur Ausbildung und insbesondere zur rhetorischen Deeskalation im Einsatz dargestellt.

Ein Schwerpunkt wird dabei auf rhetorische Fähigkeiten und Deeskalationskompetenzen gelegt.

[5|6]Zum Aufbau des Werkes:

In den Kapiteln 1 und 2 werden grundlegende Erklärungsansätze zum menschlichen Verhalten sowie einsatzbezogene Kenntnisse zur Eskalation dargestellt.

Die Kapitel 3 und 4 beschreiben persönliche Kompetenzen und Teamkompetenzen für ein professionelles und deeskalatives Verhalten im Polizeieinsatz.

Die zur Förderung der Einsatz- und Konfliktkompetenzen für einen Polizeieinsatz sinnvollen Deeskalationskonzepte stellen die Kapitel 5, 6 und 7 vor.

In Kapitel 8 werden Ausbildungskonzepte zum Teamtraining empfohlen.

1 Vgl. Hücker, Deutsches Polizeiblatt, Heft 1/2005.

Inhaltsverzeichnis

Rhetorische Deeskalation im Polizeieinsatz

1. Erklärungsansätze für menschliches Verhalten

1.1 Erklärung mit Menschenkenntnis und wissenschaftlichen Theorien

1.2 Vorurteile – Populismus – Sündenböcke – Feindbilder

1.3 Erklärungsansätze von Aggression oder Gewalt im Einsatzgeschehen

1.3.1 Aggressions-Frustrations-Hypothese

1.3.2 Personen mit rationalen Störungen – Alkohol – Drogen – Geisteskrankheiten

1.4 Veranstaltungsbezogene Gruppenaktionen

1.4.1 Interaktionistische Missverständnisse bei Gruppenprozessen

1.5 Panik/Hysterie im Katastropheneinsatz

1.6 Kommunikationstheorien

1.6.1 Kommunikationsquadrat – Vier-Ohren-Modell

1.6.2 Kommunikationspsychologische Axiome von Watzlawick

2. Konflikte – Eskalation – Eskalationspotenzial im Einsatz

2.1 Konflikte – Definitionen

2.1.1 Einfluss von Konflikten auf das Verhalten

2.2 Eskalation – Definitionen

2.2.1 Zirkuläre Interaktion – Konfliktspiralen – Eskalationstreppen

2.2.2 Modell einer gegenseitigen Aufschaukelung im Polizeieinsatz

2.3 Eskalationspotenzial im Einsatz

2.3.1 Verhaltensweisen Betroffener gegenüber Polizeikräften

2.3.2 Unprofessionelle Verhaltensweisen von Polizeikräften Betroffenen gegenüber

2.4 Emotionalität als Eskalationsfaktor

2.4.1 Ungünstige Emotionalität

2.4.2 Empörung über Betroffene und Personifizierung eines Konfliktes

2.4.2.1 Modell einer emotionalen Eskalation

2.5 Kommunikative Problemfelder mit Eskalationspotenzial

2.5.1 Unbewusste emotionale Selbst- und Fremdaufschaukelung

2.5.2 Sympathie-/Antipathie-Effekte – Halo-Effekt

2.5.3 Primacy- und Last-Effekt

2.5.4 Selbsterfüllende Prophezeiung

2.6 Unsoziale und unethische Selbsttäuschung

2.6.1 Unsoziale Selbstdefinition des Erlaubten

2.6.2 Relativierung des Unerlaubten

2.7 Zur Konfliktlösung im Dienstbereich – Konflikt-/Eskalationsmodell zum Verhalten von Konfliktbeteiligten

3. Grundbefähigungen für Einsatzkräfte zum Umgang mit Menschen

3.1 Persönliche Grundbefähigungen

3.1.1 Berufliche Grundstabilität – Stabilisierendes Gedankenmanagement

3.1.2 Selbstkompetenz – berufliches Selbstvertrauen

3.1.3 Widersprüchliches ertragen können – Ambiguitätstoleranz

3.1.4 Leitgedanken zum Umgang mit Menschen

3.2 Soziale Fähigkeiten – Soziale Handlungskompetenz

3.2.1 Sensibilität anderen Menschen gegenüber

3.3 Empathie und Perspektivenwechsel – Einfühlungsvermögen

3.4 Kenntnisse zur Körpersprache und zur Wirkung des ersten Eindrucks

3.4.1 Zur Wirkung der Körpersprache

3.4.2 Zur Deutung der Körpersprache im Polizeieinsatz

3.5 Kenntnisse zu Distanzzonen und Revieren

3.5.1 Vier allgemeine Distanzzonen

3.5.2 Reviere

3.5.3 Sinnvolle Distanzzonen im Polizeieinsatz

3.5.3.1 Gesprächsdistanz

3.5.3.2 Trittdistanz in Konfliktkonstellationen

3.5.3.3 Steinwurfdistanz

3.6 Rhetorische Grundbefähigungen

3.6.1 Sach- und Gefühlsbotschaften – Wirkung der Sprache

3.6.2 Rhetorische Standards

3.6.2.1 Grundbedingungen eines angenehmen Gesprächsklimas

3.6.2.2 Frage- und Antwort-Techniken

3.6.3 Diskursive Gesprächstechniken

3.6.4 Problemfelder einer Ich-Argumentation

3.6.5 Rhetorischer Giftschrank – rhetorische Todsünden

3.6.6 Rhetorische Sonderaspekte – Lautsprecher und Pressekontakte

3.7 Emotionale und ethische Grundstabilität

3.7.1 Fördern der emotionalen Grundstabilität

3.7.1.1 Selbststabilisierung mit Akzeptanzaspekten

3.7.1.2 Dienstliche Konzepte

3.7.2 Fördern der ethischen Grundstabilität

3.7.2.1 Ethisches Leitbild zum werteorientierten Verhalten und Handeln

3.7.2.2 Fördern einer ethischen Konfliktstabilität mit Sinnsprüchen

3.7.3 Toleranz – Intoleranz – Ethischer Giftschrank

3.7.4 Zur interkulturellen Kompetenz

3.8 Stressmanagement – Stressoren und Konzepte

3.8.1 Situatives Selbstmanagement für Einsatzkräfte

3.8.2 Konzepte für die Freizeit und zur längerfristigen Stressbeeinflussung

4. Deeskalative Teambefähigung

4.1 Zur Teamorganisation – vorrangig eine Führungsaufgabe

4.2 Zur Teambildung – nicht nur eine Führungsaufgabe

4.3 Zur Teamarbeit – Anforderungen nach Einsatzphasen

4.4 Zum Teamklima – soziales und ethisches Teammanagement

4.5 Zur taktischen Organisation eines Einsatzteams: „L“-Stellung und Funktionsteilung

4.6 Eskalationspotenzial beim Teamhandeln

5. Mentale Vorbereitung auf Einsätze

5.1 Mentale Vorbereitung auf Aufgaben im täglichen Dienst

5.1.1 Zur Streifentätigkeit

5.1.2 Zur Aufnahme von Verkehrsunfällen

5.1.3 Kontrollmaßnahmen zur Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten

5.1.4 Zu Verfolgungsfahrten – Zur Wiederergreifung nach Flucht

5.1.4.1 Zu Einsatzfahrten mit Blaulicht und Martinshorn

5.1.5 Zur Festnahme und zur Durchsuchung Festgenommener

5.1.6 Gezogene Waffe zur Eigensicherung

5.1.7 Zur Vorbereitung auf Familienstreitigkeiten

5.2 Mentale Vorbereitung auf unfriedliche Demonstrationsereignisse

5.3 Mentale Vorbereitung auf Gewalt bei Fußballspielen

5.4 Mentale Vorbereitung auf Massenschlägereien – Diskothekenprügeleien

5.4.1 Rechtlicher Exkurs: Befugnisse privater Sicherheitskräfte – Türsteher vor Diskotheken

5.5 Mentale Vorbereitung auf Großveranstaltungen und Panikvorsorge

5.6 Zur Nachbereitung eines Einsatzes – Selbst- und Teamanalyse

6. Deeskalation im Polizeieinsatz – Konzepte für Einsatzkräfte

6.1 Antizipation – auf Konflikte und Eskalationen vorbereitet sein

6.1.1 Antizipationsprozesse im Einsatz

6.1.2 Eskalationspotenzial bei Antizipationsdefiziten

6.2 Emotionale Selbststabilisierung und Selbstbeherrschung

6.2.1 Selbstreflexion

6.2.1.1 Stresssignale des Körpers wahrnehmen

6.2.1.2 Erkennen von Denken in eskalationsfördernden Kategorien

6.2.1.3 Erkennen unethischer Emotionalität

6.2.2 Selbstkorrektur

6.2.2.1 Affektiv-psychische Selbstbeeinflussung

6.2.2.2 Selbstbeeinflussung mit „Auch wenn-Denken“

6.2.2.3 Dickes Fell – Überhören können – Gekonnt kontern

6.2.2.4 Rechtliche Stabilisierung und Korrektur

6.2.2.5 STOP-Akronym als handlungsleitende Selbstintervention

6.2.3 Konzeptionelles Handeln zum Fördern der Handlungsstabilität

6.3 Rhetorische Deeskalation – Konzepte

6.3.1 Rhetorikkonzepte für die Erstkontaktphase mit Betroffenen

6.3.1.1 Höfliche Begrüßung als deeskalative Einstiegskommunikation

6.3.1.2 Deeskalativ wirkende Sachrhetorik

6.3.2 Konfliktrhetorik – Konzepte

6.3.2.1 „W-Frage-Technik“ und „Alle?“-Gegenfrage

6.3.2.2 Empathie-Rhetorik – Technik des einfühlsamen Verstehens

6.3.2.3 Vernunftappell

6.3.2.4 Maßnahmenbegleitende Rhetorik – Offenheit

6.3.2.5 Rhetorische Trenn-Techniken

6.3.2.6 Verständigung – Verhandeln – Kompromiss – Möglichkeiten und Probleme

6.4 Zur „Übergriffsgefahr“ im Polizeieinsatz

6.4.1 Probleme für Einsatzkräfte

6.4.2 Zur Missdeutungsgefahr des Störerverhaltens

6.4.3 Zur Gefahr eines emotionalen Gegenschlags

6.4.4 Zur Gefahr einer „härteren Gangart“

7. Konzeptionelles Handeln – Handlungs- und Gesprächsführungskonzepte kompakt

7.1 Zum konzeptionellen Handeln

7.1.1 Konzeptionelles Handeln ist auch eine Kompetenzbotschaft

7.1.2 Gefühlsbotschaften sind mitentscheidend

7.1.3 Grundmodell für konzeptionelles Handeln

7.2 START-Konzept – für die Erstkontaktphase mit Betroffenen

7.2.1 3-W-Fragen-Konzept zur rechtlichen Versachlichung und Stabilisierung

7.2.2 Zur Höflichkeitsrhetorik

7.2.3 Zur Antizipation möglicher Verhaltensweisen Betroffener

7.2.4 Zur deeskalativen Erstrhetorik in der Anhaltephase

7.2.5 Zu Verständnissignalen

7.2.6 Gefährliche Schlichtkonzepte

7.2.6.1 Probleme durch undifferenziertes Duzen

7.2.6.2 Selektion vom Äußeren – soziale und ethische Giftküche

7.3 KORREKT-Konzept für Kontrollmaßnahmen

7.3.1 Zu konzeptionellen Kontrollstandards

7.3.2 Zur Orientierung an sozialen und ethischen Menschenbildern

7.3.3 Zu den Rhetorikkonzepten

7.3.4 Zu den rechtlichen Anforderungen

7.3.5 Zur emotionalen Selbstbeeinflussung

7.3.6 Zu kommunikativen – nonverbalen – Aspekten

7.3.7 Gesichtsverlustaspekte bei Kontrollmaßnahmen kennen

7.3.8 Zur höflichen Verabschiedung

7.4 TEAM-Konzept – Deeskalative Handlungs- und Interventionskonzepte für ein Einsatzteam

7.4.1 Taktische Regelungen – Konzepte für das Zusammenwirken

7.4.2 Entscheidungskompetenzen

7.4.3 Auf Konflitkonstellationen mental und antizipatorisch vorbereitet sein

7.4.4 Kollegiale Intervention bei einer „Übergriffsgefahr“ im Teameinsatz

7.5 Cool und CLEVER-Konzept – für Gesprächskonstellationen mit Eskalationspotenzial

7.5.1 Streitgesprächskonzepte – Rhetorik beim Abstreiten, Relativieren

7.5.2 Verhaltenskonzept und Rhetorik bei Provokationen und Beleidigungen

7.5.3 Verhaltenskonzept und Rhetorik bei Wiederergreifen nach Flucht

7.5.4 Verhaltenskonzept und Rhetorik bei Weigerungshaltungen

7.5.5 Verhaltenskonzept und Rhetorik bei Angriffen, aktivem Widerstand oder Gewalt

7.5.6 Eigenes Verhalten nach dem Ankündigen einer Beschwerde

8. Ausbildung – Exemplarische Trainings

8.1 Fördern von Basiskompetenzen

8.2 Fördern der Einsatz- und Konfliktkompetenzen für ein Einsatzteam – Exemplarische Einsatztrainings

8.2.1 Ansprechen eines Verkehrsteilnehmers nach selbst festgestellter OWi

8.2.2 Streit um die Zeche in einer Gastwirtschaft

8.2.3 Vom Kaufhausdetektiv festgehaltener Ladendieb

8.2.4 Einsatztrainings im Teameinsatz zur Rechtmäßigkeit von Zwangsmaßnahmen

8.2.5 Konflikt-Trainings: Ankündigen einer Beschwerde durch den Betroffenen

8.2.6 Zu den Trainigsstrukturen und methodischen Aspekten

8.2.6.1 Rollenspiele und Szenarien

8.2.6.2 Beobachtungs- und Bewertungsbögen

8.3 Toleranz-Trainings

8.3.1 Ethisches Argumentationstraining – Stammtisch für Toleranz

8.3.2 Historische Vergewisserung und Inakzeptanz antisemitischer Attacken

8.4 Fördern von Nachhaltigkeit

9. Ausblick

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Rhetorische Deeskalation im Polizeieinsatz

Eine deeskalative Einsatzkompetenz realisiert sich in aller Regel in der Gesprächsführung mit Betroffenen. Aber mit einer rhetorischen Kompetenz allein ist eine deeskalative Wirkung nicht zu erreichen.

Für ein deeskalatives Handeln der Einsatzkräfte sind die nachfolgenden Kompetenzen erforderlich:

Kenntnisse zum Verhalten und zu Konflikten mit Eskalationspotenzial.

Persönliche und teambezogene deeskalative Grundbefähigungen.

Deeskalative Einsatzkompetenzen zur mentalen Vorbereitung auf Einsätze.

Konflikt- und Einsatzkompetenzen zur Antizipation, rhetorischen Deeskalation und zur emotionalen Selbstbeherrschung.

Deeskalationskompetenzen – Übersicht:

Kenntnisse

Erklärung von Verhalten – Theorien

Konflikte – Eskolalation

Grundbefähigungen zur Deeskalation

Persönliche Kompetenzen

Teamkompetenzen

Einsatz und Konfliktkompetenzen

Mentale Vorbereitung auf Einsätze

Konfliktkompetenz

Antizipation

Rhetorische Deeskalation

Emotionale Selbstbeherrschung

Konzeptionelles Handeln Handlungskonzepte für

den Erstkontakt

die Maßnahmenphase

Persönliche Nachbereitung eines Einsatzes

Ausbildung – Trainings

Konzeptionelles Handeln im Hinblick auf Gesprächsführungskonzepte für den Erstkontakt mit Betroffenen und in der Maßnahmenphase eines Einsatzes.

Persönliche Einsatznachbereitung im Hinblick auf eigenes Einsatzverhalten.

Diesbezügliche Ausbildung und Trainings.

[16|17]1. Erklärungsansätze für menschliches Verhalten

Polizeiliches Handeln ist im Wesentlichen geprägt von Kontakten mit Menschen. Dabei darf sich der Blick aber nicht verengen auf Kontakte mit Straftätern und deren Verhaltensweisen. Es gibt auch Kontakte mit einer Vielzahl anderer Personen und deren differenzierten Handlungsweisen, wie z. B. Zeugen, Opfer von Straftaten, Beteiligte an Verkehrsunfällen oder Hilfesuchende, die wiederum ein fachlich differenziertes Handeln der Polizeikräfte bedingen.

Mit grundlegenden Erklärungen zum Verhalten von Menschen kann für polizeiliche Standardaufgaben eine gewisse Vorhersehbarkeit von Verhaltensaspekten ermöglicht und damit eine grundlegende Einsatzstabilität der Einsatzkräfte gewährleistet werden.

Die nachfolgenden Erklärungen zum Verhalten von Menschen werden hierzu unter dem Aspekt einer polizeilichen Relevanz und insbesondere hinsichtlich möglicher Eskalationsaspekte im Polizeieinsatz skizziert.

1.1 Erklärung mit Menschenkenntnis und wissenschaftlichen Theorien

Zum grundsätzlichen Verständnis für das Verhalten von Menschen werden Erläuterungen zur Menschenkenntnis und in Kurzform wissenschaftliche Erklärungsansätze vorangestellt. Daran anknüpfend bzw. damit verbunden werden die für einen Polizeieinsatz bedeutsamen Verhaltensweisen hinsichtlich von Eskalationspotenzial und Gewalthandlungen erläutert.

Es gibt aber keine Patentrezepte, um Verhalten vorherzusagen; so können z. B. Betrunkene sich sowohl aggressiv als auch höflich verhalten, Jugendliche können durchaus wie Erwachsene handeln und Erwachsene wie Jugendliche.

Menschenkenntnis:

Zur Erklärung des Verhaltens von Menschen ist – allgemein formuliert – Menschenkenntnis erforderlich. Hierunter wird die Fähigkeit verstanden, das Verhalten von Menschen einschätzen zu können. Im Polizeieinsatz wird diesbezüglich eine objektive Verhaltens- bzw. Gefahrenprognose erforderlich.

[17|18]Aber Alltagsweisheiten sind hierzu untauglich, denn im Hinblick auf eine professionelle Handlungskompetenz ist es nicht akzeptabel, sich ein Urteil über Personen mit Alltagsweisheiten oder Verallgemeinerungen zu bilden. Ebenfalls ist es nicht ausreichend, sich lediglich auf seine Intuition zu verlassen. Kritisch zu sehen sind in diesem Sinne auch vorgefasste Meinungen zu bestimmten Personen oder Gruppen. Derartige Bewertungsaspekte sind subjektiv, lückenhaft und beinhalten häufig Fehleinschätzungen.

Grundlegend ist festzustellen, dass Menschen sich in konkreten Situationen wegen einer individuellen anlage- oder entwicklungsbedingten Persönlichkeit sehr unterschiedlich verhalten können. Das Verhalten kann auch, abhängig vom jeweiligen Anlass, auf unterschiedlichen Motiven beruhen und von der jeweiligen Situation, z. B. aus Gesichtsverlustaspekten, beeinflusst werden. So können Menschen in vergleichbaren Situationen z. B. beherrscht sein, uneinsichtig argumentieren oder aggressiv handeln.

Für Einsatzaufgaben ist es ebenso wenig hilfreich, sich an verallgemeinernden oder charakterisierenden Typisierungen, wie egoistisch, cholerisch, hilfsbereit, weltoffen etc., zu orientieren. Auch eine Selektion vom Äußeren verbietet sich, zum einen wegen der Irrtumsmöglichkeit, zum anderen wegen der damit verbundenen Gefahr einer unsozialen oder unethischen Fremdeinschätzung.

Zum Erklären von Verhalten sind daher über allgemeine Menschenkenntnis hinausgehende Kenntnisse erforderlich. Dazu ist eine eigene Werteorientierung sowie eine objektive Beobachtung und Bewertung unerlässlich. In diesem Sinne kann auch ein mögliches Verhalten aufgrund von Erfahrungen erahnt werden.

Wissenschaftliche Theorien:

Menschliche Verhaltensformen lassen sich grundlegend mit wissenschaftlichen Theorien, z. B. aus dem jeweiligen Entwicklungsstand, erklären. Folgende Theorien sind zu nennen:

Nach Maslow wird durch Motivation zunächst die Erfüllung in einer ersten Stufe angestrebt, danach erfolgt eine Orientierung zur nächsthöheren Stufe.

Hiermit werden auf der Basis von Beweggründen zum Handeln (Maslow) Verhaltensweisen von Menschen erklärt.

[19|20]Entwicklungspsychologie – Sozialisations- und Wertedefizite:

Sozialisationsdefizite:

Konkreter und für die Praxis relevanter ist die Betrachtung entwicklungsspezifischer Stadien eines Menschen. Beim jugendlichen Straftäter können entwicklungs- und erziehungspsychologische Kenntnisse bezüglich der Stadien Kind, Jugendlicher, Heranwachsender altersbedingte Defizite hinsichtlich seiner Einsichtsfähigkeit erklärbar machen. Reife und Verantwortung können ggf. noch nicht ausgeprägt sein. So sieht auch das Strafrecht eine differenzierte Verantwortung gemäß der Einsichtsfähigkeit von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden vor. Im Zivilrecht wird das mit entsprechenden Regelungen zur Geschäfts- und Deliktsfähigkeit ebenfalls berücksichtigt.

Wertedefizite: Defizite hinsichtlich eines ethischen Menschenbildes

und zur Toleranz lassen sich auf Erziehungs- und Wertedefizite, auf einfaches Denken sowie auf ein verqueres Weltbild zurückführen. Häufig gehen damit eine unsoziale und unethische Moral einher. Die typischen Erscheinungsformen sind unsoziale Egoismen und Vorurteile gegenüber sozial Schwachen, anderen Kulturen, Religionen, Ethnien, ggf. in populistischer, extremistischer oder antisemitischer Ausprägung.

Das „Produkt“ dieser Entwicklung (Sozialisation) ist eine Persönlichkeit mit individuellen Charaktermerkmalen, Verhaltensweisen und einem spezifischen Bildungsniveau.

Diese Faktoren sind durch Einsatzbeamte nicht beeinflussbar. Man kann sich aber auf sie einstellen und beim eigenen Handeln berücksichtigen (= Was kann erwartet werden?).

1.2 Vorurteile – Populismus – Sündenböcke – Feindbilder

Ein bedeutendes Problemfeld zum Verhalten können Vorurteile darstellen, da sie ein Vergreifen im Ton oder ein unangemessen hartes Handeln „legitimieren“ können. Vorurteile und ihre Erscheinungsformen sind daher detailliert zu erläutern und die Inakzeptanz ist aufzuzeigen. Die folgende Erläuterung soll auch zur Selbsterkenntnis und insbesondere dazu beitragen, bei vorurteilshaften Witzen, Sprüchen im Dienstbereich, sich distanzieren und ggf. aufklärend intervenieren zu können. Denn sonst kann sich ggf. diese „Haltung“ im nächsten Einsatz unbewusst auswirken.

[20|21]Vorurteile:

„Als Vorurteile gelten auf subjektiven Ursachen basierende Annahmen, die fälschlich für objektive Gründe des Verstandes gehalten werden“ (nach I. Kant).

Vorurteile beinhalten im Wesentlichen abwertende Einstellungen (= weniger wert) gegenüber anderen Personen, z. B. auf sozialer Ebene gegenüber Obdachlosen, Behinderten, auf ethischer Ebene gegenüber wenigen Ethnien, Religionen.

Vorurteile, so die wissenschaftliche Erkenntnis, sitzen tief und fest und ein Vorurteil kommt selten allein. Das bedeutet, wer z. B. Vorurteile gegenüber sozial Schwachen hat, hat oft auch Vorurteile gegenüber Ausländern oder Juden. Das heißt, dass es Aufklärer schwer haben, Vorurteile aufzuhellen. Das grundlegende Problem zur Aufklärung vorurteilsbehafteter Personen besteht darin, dass diese glauben, Recht mit ihrer Ansicht zu haben.

Allgemeine Vorurteile – Verallgemeinerungen – Typisierung:

Allein aufgrund allgemeiner Vorurteile kann eine Fehleinschätzung begründet und das eigene Verhalten beeinflusst werden. So wird z. B. angenommen, dass schlanke Menschen belastbar und kleinere Menschen leichter beeinflussbar sind. Große Menschen hingegen sollen überzeugend wirken. Unpassende Bekleidung, Tattoos etc. werden auch als ungepflegt oder bedrohlich empfunden.

Das geht häufig einher mit negativ wertenden Verallgemeinerungen, wie: „Alle sind …!“ und mit einer unsozialen oder unethischen „Typisierung“ anderer Menschen. Erkennbar ist eine soziale Geringschätzung an einer abwertenden Sprache, z. B. Penner statt Obdachloser.

Unsoziale und unethische Vorurteile – Antisemitismus:

Unsoziale und unethische Vorurteile sind gekennzeichnet durch eine Zuschreibung negativer Eigenschaften gegenüber sozialen Randgruppen, anderen Kulturen, Religionen, Ethnien. Extreme Formen sind Rassismus, Antisemitismus, Hass.

Die Empörung oder Ablehnung ist häufig eingebettet in populistische Attitüden, Stammtischgerede und unethische Witze. Dazu sind auch Relativierungen anzutreffen, z. B. sei alles nur Spaß, nicht so schlimm und Viele würden so denken.

[21|22]Sündenbock-Mechanismen:

Dabei werden Vorurteile gegenüber anderen Personen mit Schuldzuweisungen kombiniert. Typische Formen sind „Ausländer haben Schuld“ für Probleme am Arbeitsmarkt. Damit wird i. a. R. neben einem Schlichtdenken auch ein Ablenken von eigenem Versagen angenommen.

Populismus:

Hierbei handelt es sich meist um sog. „Stammtischgerede.“ Typisch ist eine demagogische Dramatisierung in Form von: „Das Boot ist voll“ i. V. m. Patentrezepten wie „Ausländer raus“.

Intoleranz:

Sie beinhaltet eine Ablehnung anderer Kulturen, Religionen, Ethnien oder sozial schwacher Personen. Sie beruht meist auf Wertedefiziten. Übliche Formen sind negative Verallgemeinerungen. Verhärtete Formen (auch Feindbilder) können auch zum Extremismus führen.

Feindbilder:

Feindbilder sind Vorurteilen zuzuordnen. Sie können das Verhalten beeinflussen und zum Entstehen von Eskalationen beitragen. Feindbilder können auf politischen oder persönlichen Ablehnungen von Personen und deren Verhaltensweisen oder auf unsozialen oder unethischen Einstellungen (z. B. Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus) beruhen. Dabei wird eine Gegensätzlichkeit als Abzulehnendes oder sogar zu Bekämpfendes eingeordnet.

Die in der politischen Terminologie anzutreffenden Begrifflichkeiten wie z. B. Rechts- oder Linksextremismus, rechte/linke Gewalt, Islamismus, Salafismus, Antisemitismus werden in aller Regel mit einer gesellschaftlichen Abgrenzungs- oder Ächtungsaussage verknüpft. Mit Begriffen wie „Kampf gegen …“ kann eine Ablehnung zusätzlich gestützt werden.

Weitere Problemaspekte:

Auch bei der Bezeichnung tatverdächtiger Personen können Vorurteile wirken. So kann mit Begriffen wie „kriminell“, „Mörder“ auch ein Werturteil einhergehen, z. B. weniger wert, weil kriminell. In Verbindung mit ethnischen Aspekten, wenn der Täter Ausländer ist, kann sich diese Wirkung noch verstärken.

In all diesen Fällen ist eine Rückbesinnung auf die Menschenbildaspekte in Form sozialer und ethischer Selbstbeeinflussung erforderlich, um eine ver[22|23]meintlich „emotional erlaubte“, aber „unethisch legitimierte“ Fehlentscheidung zu verhindern.

1.3 Erklärungsansätze von Aggression oder Gewalt im Einsatzgeschehen

Nachfolgende Erklärungsansätze können das gewaltorientierte Verhalten Betroffener im Einsatz erklärbar machen.

1.3.1 Aggressions-Frustrations-Hypothese

Eskalation in Form von Aggression im Einsatzgeschehen kann auch durch Frustration erklärt werden. Frustration bezeichnet die Verhinderung eigener Absichten. Wenn z. B. die Polizei in Form von Absperrungen die beabsichtigten Handlungen der Störer verhindert, wird nach der Frustrations-Aggressions-Hypothese angenommen, dass diese Absichten dann aggressiv oder gewaltorientiert durchgesetzt werden.

Dabei überlagern ungünstige oder unsoziale Emotionen wie Empörung, Wut die Ratio und rechtfertigen aus der Sicht des Handelnden die Gewalt.

1.3.2 Personen mit rationalen Störungen – Alkohol – Drogen – Geisteskrankheiten

Besondere Eskalationsbedingungen können bestehen, wenn Personen rationalen Aspekten nicht mehr zugänglich sind. Das ist insbesondere der Fall bei

Störungen der Ratio

bzw.

der Vernunft durch den Einfluss von Drogen, Alkohol:

Es gibt kein spezifisches Erscheinungsbild. Verminderte Verantwortung und spontane Reaktionen sind möglich. Typisch sind auch Heiterkeit oder Aggression, Müdigkeit oder übersteigerte Aktivität.

Geisteskrankheiten (Psychosen):

Ein in sich widersprüchliches Verhalten mit irrationalen Gedankengängen, ggf. mit starker Kräfteentwicklung, ist insbesondere bei der Schizophrenie anzutreffen. Andere Formen von Geisteskrankheiten sind Epilepsie (Fallsucht mit Krampfanfällen) und manisch-depressives Irresein (wechselndes Stimmungsbild). Von der Polizei kann die Ursache derartiger Verhaltensweisen aber häufig nur vermutetet werden.

[23|24]1.4 Veranstaltungsbezogene Gruppenaktionen

Aktionen von Gruppen – insbesondere bei Veranstaltungen und im Demonstrationsgeschehen – bergen ein hohes Eskalationspotenzial in sich.

Zur Erklärung des Verhaltens hinsichtlich von gewaltorientierten Gruppenprozessen, auch um erfolgreich deeskalativ intervenieren zu können, sind folgende (gruppenpsychologische) Grundkenntnisse erforderlich:

Typische Formen oder Motive einer Gruppenbildung: Substitution (Gruppe ersetzt z. B. für den Einzelnen die Familie), Kompensation (Fähigkeiten der Gruppe gleichen eigene Schwächen aus), Konformität (Gruppe hat gleiche Ansichten, Ziele).

Typische Gruppenstrukturen und Gruppenregeln: Macht und Gehorsamsansprüche. Gelegentlich werden dazu Mutproben erwartet.

Kennzeichen unsozialen Verhaltens in Gruppen oder Cliquen:

Polemisierung:

Hierdurch werden „Gemeinsamkeiten“ für die agierende Gruppe durch überzogene Pointierung von Ängsten, Feindbildern, Horrorszenarien geschaffen.

Anonymisierung:

Hierdurch erzeugt das „handelnde Kollektiv“ eine Verschiebung von Schuld und Verantwortung sozusagen auf alle.

Nivellierung:

Das handelnde Kollektiv nivelliert Handelnde zu „Überzeugten“; man wird mitgerissen.

Solidarisierung:

Das Agieren anderer erzeugt in der Menge „Ansteckungs-Aspekte“ zum Mitmachen.

Imponiergehabe

gegenüber „Führer/Gruppe“: Das zeigt Respekt oder Unterwerfung.

Gruppendruck:

Durch die agierende Gruppe werden bisher Passive mobilisiert, bisher Unentschlossene fühlen sich aktiviert oder verpflichtet.

Dabei geht das individuelle Verantwortungsgefühl Einzelner verloren. Zusätzlich verstärken Gesichtsverlustaspekte vor der Gruppe i. V. m. einem Feiglings-Denken oder Petze-Tabu den Handlungsdruck zum Mitmachen.

1.4.1 Interaktionistische Missverständnisse bei Gruppenprozessen

Missverständnisse bei Gruppenprozessen können zu beiderseitigen Fehlinterpretationen von Ereignissen und Erscheinungen führen, z. B. durch

Fehlinterpretation

von

Ritualen

der Protestgruppen

durch die Polizei,

von Schutzbekleidung der Polizei

durch Protestgruppen,

von Äußerungen anwesender VIP.

[24|25]

Frontbildung:

Bedingt durch einsatzbezogene Anforderungen steht man sich in „Fronten“ gegenüber und „enthüllt“ so, aus der Sicht bestimmter Protestgruppen, vermeintliche Macht- oder Ohnmachtsaspekte.

Emotionalität:

Ängste, Vorurteile, Feindbilder u. a. werden situativ, optisch, akustisch bestätigt, verstärkt und beeinflussen das Denken u. U. negativ.

Barrierebildung:

Eine Person oder Gruppe (hier: die Polizei) – so die Argumentation bestimmter Gruppen – verhindert durch ihre Anwesenheit das Ziel dieser Protestgruppen. Die Polizei wird dann als Gegner gesehen und bildet so ein neues Protestziel oder Ersatzziel.

Subjektives Empfinden:

Eigenes Denken, eigene emotionale Befindlichkeit überlagern die rationale Bewertung einer Situation mit der Gefahr der Fehlinterpretation auf beiden Seiten.

1.5 Panik/Hysterie im Katastropheneinsatz

Als Panik/Hysterie bezeichnet man unkontrolliertes Verhalten von Gruppen/Mengen in Verbindung mit Angstfaktoren. Das kann insbesondere bei Bränden oder Katastrophen, z. B. bei Räumungen nach einer Bombendrohung sowie bei Musikveranstaltungen2, relevant werden. Gedränge an engen Zugangsstellen (sog. Flaschenhals) gilt als Früherkennungsfaktor. Eine aufgeheizte Grundstimmung der Besucher und/oder fehlgeleitete Besucherströme gelten als weitere Panikfaktoren. Dazu gilt, dass Panik „ansteckend“ wirkt, d. h., dass sich z. B. ein Fluchtverhalten auf andere überträgt.

1.6 Kommunikationstheorien

In der zwischenmenschlichen Kommunikation werden Nachrichten zwischen einem Sender und einem Empfänger ausgetauscht – und damit auch Verhalten beeinflusst.

Hierzu sind das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun und die Axiome von Watzlawick darzustellen.

[25|26]1.6.1 Kommunikationsquadrat – Vier-Ohren-Modell

Kurzerläuterung zum Kommunikationsquadrat oder „Vier-Ohren-Modell“ von Friedemann Schulz von Thun:3

Die Nachrichten bei einer zwischenmenschlichen Kommunikation enthalten mehr als nur die Sachbotschaften. Denn in einem Kommunikationsprozess, z. B. bei einem Gespräch, ist der Sender auf vierfache Weise wirksam.

Das heißt, dass jede Äußerung gleichzeitig vier Botschaften an den Empfänger enthält:

Eine Sachbotschaft (worüber ich informiere).

Eine Selbstkundgabe (was ich von mir zu erkennen gebe).

Einen Beziehungshinweis (was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe).

Einen Appell (was ich bei dir erreichen möchte).

Psychologisch gesehen sind dann z. B. in einer Gesprächssituation auf beiden Seiten 4 Münder und 4 Ohren beteiligt.

Zur Sachebene: Hier geht es um Daten, Fakten und Sachverhalte, über die der Sender den Empfänger informiert, die z. B. die Grundlage einer polizeilichen Verfügung sind. Dabei ist auch die Relevanz eines Themas, weiterer [26|27]Klärungsbedarf und insbesondere der Wahrheitsgehalt der Nachricht von Bedeutung. Um Missverständnisse, Missdeutungen oder Fehlinterpretationen und diesbezügliche Diskussionen zu vermeiden, gilt es für den Sender, den Sachverhalt klar und verständlich an den Empfänger (Sachohr) zu vermitteln.

Zur Selbstkundgabe oder Selbstoffenbarung:

Was ich bei Sachinformationen von mir selbst kundgebe