Rodica - S.C. Keidner - E-Book

Rodica E-Book

S.C. Keidner

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Beschreibung

Fantasy Romance in einer fiktiven mittelalterlichen Welt ... Rodica verliebt sich in Maksim, den Erben des Fürsten D'Aryun. Ablehnung und Gewalt schlagen ihrer Liebe entgegen, ist sie doch ein Mensch, eine Sklavin, und er ein Vampir. Schon glaubt Rodica, sie habe das Schlimmste überstanden, als sie feststellt, dass sie ein Kind von Maksim erwartet. Ein Kind, das nach den Gesetzen der Vampire nicht leben darf ... Vorgeschichte zu "Unvergängliches Blut" (ISBN 978-3-7427-8205-2) für alle, die mehr über Rodicas und Maksims Liebe erfahren möchten. Die Geschichte kann auch für sich gelesen werden, hat dann aber ein offenes Ende.

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S.C. Keidner

Rodica

Prequel zu Unvergängliches Blut

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Impressum neobooks

Prolog

Sie mussten sich beeilen. Schon krochen die Morgennebel durch die Schlucht, griffen mit trüben Fingern nach den hohen Tannen und zogen die Abhänge hinauf. Das Licht des neuen Tages war düster, grau, verschleiert von den Wolken, die in den Gipfeln hingen. Nicht mehr lang und die Sonnenstrahlen würden sich ihren Weg durch die geisterhaften Schwaden bahnen. Sie hofften, bis dahin hinter den schützenden Mauern der Festung zu sein.

Das durch den Nebel dringende Geräusch war schwach. Zuerst dachte Maksim, ein Rehkitz riefe nach seiner Mutter. Er zügelte sein Pferd, das so kurz vor dem heimischen Stall nur widerwillig stehen blieb.

Auch Vidar hörte es. »Was ist das?«

Maksim lauschte. Das Geräusch, ein heiseres Wimmern, kam aus dem Dickicht zu ihrer Rechten. Nein, das war kein Reh. Ohne zu zögern, sprang er zu Boden. »Ich sehe nach.«

»Nein, nicht, dass ‒«, begann Vidar.

Maksim stapfte in das Dornengebüsch und Vidar stieg leise vor sich hinfluchend ab, um ihm mit gezogenem Schwert zu folgen, ihre Reittiere und die Packpferde auf dem schlammigen Pfad zurücklassend.

Der Tau auf den Gräsern durchnässte ihre Hosenbeine. Die Zweige, die sie zur Seite schoben, knackten und Dornen rissen an ihren schweren Reiseumhängen. Das Wimmern hörte abrupt auf. Genauso unvermittelt blieben sie stehen. Im niedergetrampelten Gras einer Lichtung saß ein kleines Mädchen, vielleicht vier oder fünf Winter alt. Sein braunes Haar hing ihm in wirren Strähnen ins schmutzige Gesicht, auf dem Tränen helle Bahnen hinterlassen hatten. Sein Kleidchen aus ungefärbter Wolle war verdreckt. Das Kind kauerte neben den Leichen einer Frau und eines Mannes. Die Frau lag auf dem Rücken. Ihr Kleid war zerfetzt und ihr Hals eine einzige blutige Wunde. Die Augen starrten blicklos in den Nebel. Der Mann war seitlich ausgestreckt, sein Hals nahezu durchtrennt und die Handgelenke zerrissen. Eine Hand krallte sich in ein Reisebündel.

Maksim sog scharf die Luft ein. Die bleiche Haut und die Verletzungen zeigten überdeutlich, was diesen Menschen geschehen war.

»Tod und Teufel«, knurrte Vidar und steckte sein Schwert ein.

Maksim nickte finster und ging vor dem Kind in die Hocke. Es sah ihn aus großen blauen Augen unverwandt an. Er wollte sich nicht vorstellen, was die Kleine erlebt haben musste. Wahrscheinlich hatten ihre Eltern versucht, das Qanicengebirge, das Land der Vampirstämme, zu durchqueren, um in die Städte der Menschen im Norden zu gelangen. Diejenigen, die diese Wanderung auf sich nahmen, glaubten, dass eine Reise durch die Berge bei Tageslicht leidlich sicher war und sie sich des Nachts nur gut verstecken mussten, um den Vampiren zu entgehen. Es war ein fataler Irrtum. Das Kind hatte Glück, dass es noch lebte. Vielleicht war es von seinen Eltern im Dickicht versteckt worden oder seinen Jägern eine zu magere Beute gewesen.

Er streckte die Hand aus. »Wie heißt du?«

Sie antwortete nicht. Erst als er ihr Ärmchen berührte, schluchzte sie leise und kroch ein Stück zurück.

Maksim seufzte. Sie erkannte, was er war. Wenn er sprach, konnte sie seine Fangzähne sehen. »Ich tue dir nichts. Ich heiße Maksim und das hier ist Vidar. Wie ist dein Name?«

Das Mädchen schluckte und ließ ihn nicht aus den Augen.

»Dir passiert nichts«, versprach er. »Ich werde dafür sorgen, dass man die Mörder deiner Eltern bestraft.«

Vidar kniete neben den Toten nieder. »Kann sein, dass Wajaren das zu verantworten haben.« Wajaren, die Geißel der Berge, waren von den Vampirstämmen Verstoßene, die sich als Räuber, Söldner und Sklavenjäger betätigten. Maksim runzelte die Stirn. Seinen Vater, den Fürsten D’Aryun, würde es interessieren zu hören, dass sich Wajaren auf seinem Land herumtrieben. »Wir nehmen die Leichen mit zur Festung. Die Sonne geht bald auf. Wir haben nicht genug Zeit, um sie hier zu begraben.«

»Ich bringe sie zu den Pferden.« Vidar hob die tote Frau hoch und verschwand mit seiner Last im Nebel.

Das Mädchen verfolgte ihn mit den Augen, bis er nicht mehr zu sehen war.

»Wir werden dich mitnehmen«, sagte Maksim. »Du hast von uns nichts zu befürchten.«

Sie starrte ihn an.

»Wie heißt du?«, versuchte er es wieder.

Ihre Unterlippe zitterte.

Vidar kam zurück und hievte sich den Leichnam des Mannes über die Schulter.

Das Mädchen stand auf, den Blick fest auf ihren toten Vater gerichtet, und wollte ihm folgen.

Maksim erhob sich.

Sie zuckte zusammen und starrte zu ihm hoch. Er streckte ihr die Hand entgegen, dieses Mal vorsichtiger als beim ersten Versuch. »Komm. Wir reiten zusammen zur Festung. Und nehmen deine Eltern mit.«

Sie sah wieder in die Richtung, in die Vidar gegangen war. Dann ergriff sie zögernd seine Hand.

Maksim tat einen Schritt, dann noch einen. Das Mädchen folgte ihm und stolperte über Grasbüschel. Er hielt sie fest aber sanft.

Als sie am Pfad ankamen, hatte Vidar die Leichen auf den Packpferden festgeschnürt und sich auf seinen Fuchs geschwungen. »Es wird Zeit«, meinte er mit einem Blick in das Grau des Nebels, das sich zusehends zu lichten begann.

Maksim nickte und sagte zu dem Kind: »Du wirst bei mir auf dem Pferd reiten, in Ordnung?«

Sie musterte ihn und streckte ihre freie Hand, berührte sein Pferd, einen wendigen Rappen, am Bein. Das Tier senkte seinen Kopf und roch mit einem leisen Schnauben an ihrer Hand.

»Er heißt Perun«, sagte Maksim.

Das Mädchen streichelte vorsichtig Peruns weiche Nüstern.

»Willst du auf ihm reiten?«

Sie nickte scheu.

Maksim fasste sie um ihre Mitte und setzte sie in den Sattel. Dann schwang er sich hinter ihr auf den Hengst. Sie wandte sich um und sah ihn mit großen Augen an, als er einen Arm um sie legte, um sie zu halten. Perun trabte an. Vidar folgte mit den beiden Packpferden.

»Perun mag dich«, erklärte Maksim lächelnd. »Sonst würde er dich nicht auf sich reiten lassen.«

Sie drehte sich nach vorne und flüsterte etwas.

»Was hast du gesagt?«

»Ich mag Perun auch«, sagte sie mit dünnem Stimmchen.

»Das ist schön. Wenn wir auf der Festung sind, dann kannst du helfen, ihn zu füttern.«

Sie schwieg.

»Verrätst du mir jetzt deinen Namen?«

»Rodica«, sagte die Kleine leise. »Ich heiße Rodica.«

Kapitel 1

In all der Zeit, diesen dreizehn Wintern, seit sie von Maksim hierhergebracht worden war, hatte sie die Festung nicht verlassen. Nicht, dass sie den Wunsch danach verspürte. Wie alle Sklaven auf D’Aryun fühlte sie sich innerhalb der dicken Mauern sicher. Draußen, da lagen die Berge mit ihren Gefahren. Es gab Lawinen, Steinschläge, Sklavenjäger, Räuber, Bären, Wölfe. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Ihre Eltern waren den Wajaren zum Opfer gefallen. Sie hatte nur vage Erinnerungen an sie, meinte, sich langer Wanderungen durch Wälder zu entsinnen sowie Ausblicken von felsigen Höhen über grenzenlose Ebenen, auf denen hohe grün und blau schimmernde Gräser im Wind tanzten. Und einer Nacht, in der der Regen herunterprasselte und die von Todesschreien erfüllt war.

Rodica zwängte sich zwischen zwei Zinnen der Wehrmauer, um einen besseren Blick auf die Felsen und, weit unten, den von Wäldern umgebenen See zu erhaschen. Der Mond warf ein fahles Licht auf das Wasser, das kalte Böen in Wellen ans Ufer trieben. Auf dem zur Festung führenden Weg konnte sie nichts erkennen. Er lag im Dunkel der Felsen.

Enttäuscht schob sie sich zurück. Maksim, der junge Herr, wie sie sich pflichtschuldig berichtigte, wurde heute Nacht zurückerwartet. Er war vor vier Wintern zu einem der Stämme im Osten gereist, um seine Kriegerausbildung zu vollenden, und seitdem nicht mehr auf der Festung gewesen.

Sie freute sich, ihn wiederzusehen und seine Geschichten zu hören. Schon häufig war sie mit ihm in Gedanken durch die Berge geritten, hatte Schlachten gekämpft, war als Späher unterwegs gewesen. Was er wohl jetzt zu berichten wusste?

Ungeduldig spähte sie in die Dunkelheit. Sie stand neben dem Torhaus. Rechts von ihr verlief die aus dem dunklen Stein des Gebirges erbaute Wehrmauer in einem lang gezogenen Bogen um den mit Kalksteinen gepflasterten Hof. Vier Türme überragten die anderen Gebäude und ermöglichten einen weiten Blick in die Berge. Im hinteren Teil des Hofs schmiegte sich der große Wohntrakt mit Küche, Brunnen und Waschhaus an die Mauer. Die Stallungen und Werkstätten schlossen sich an das Torhaus an. Neben den Ställen lagen die von einem niedrigen Steinwall umgebenen Gärten der Festung. Vor dem Wall befand sich der Kampfplatz der Krieger, von dem das Klirren aufeinanderprallender Schwertklingen zu ihr wehte.

Ein Pferd wieherte in der Düsternis der Felsen unter ihr. Eines seiner Artgenossen in den Stallungen antwortete ihm.

»Da sind sie!«, sagte sie aufgeregt und lehnte sich weit zwischen den Zinnen hinaus.

»Vorsicht, Mädel«, knurrte der Wachposten, ein bärbeißiger Riese mit einem zotteligen Vollbart. »Nicht, dass du runterfällst.«

»Red’ keinen Unsinn, Warin«, entgegnete sie. »Hast du das Pferd nicht gehört?«

»Gehört und gesehen.« Warin grinste. »Und jetzt ab mit dir! Sag denen unten im Hof, dass der junge Herr gleich da sein wird.«

»Jawohl, großer Wächter!«, erwiderte sie zackig. Warins Lachen hallte ihr nach, als sie die steinernen Stufen, die neben dem Torhaus in den Hof führten, hinunterlief. Eine tiefe Freundschaft verband sie, seit Rodica vor vielen Wintern zum ersten Mal die Mauern erklettert hatte.

»Maksim ist gleich da!«, verkündete sie den Kriegern und einigen Sklaven, die das Pflaster ausbesserten.

»Das heißt: Der junge Herr ist gleich da!« Emese, die mit einem leeren Korb in der Hand über den Hof geeilt kam, schüttelte den Kopf. Auf ihr faltiges Gesicht, umrahmt von lockigen grauen Haaren, legte sich ein kummervoller Ausdruck. »Warst du etwa wieder oben auf der Mauer?«

»Ich wollte nur sehen, wann Maks .... der junge Herr kommt.«

Emese seufzte. »Ist ja schon gut. Aber nicht, dass du mir noch von der Mauer fällst.«

Rodica hängte sich bei ihr ein. »Du musst dich nicht ängstigen. Mir passiert schon nichts.«

Emese hatte sie aufgezogen und machte sich ständig Sorgen, was zugegebenermaßen nicht ganz unberechtigt war. Zu gern kletterte Rodica auf Mauern, um die Aussicht von dort zu genießen, oder verkroch sich, wenn sie allein sein wollte, in den nasskalten Gängen der Verliese, in denen es nach Moder und fauligem Wasser roch.

»Du bist so ungestüm! Das wird eines Tages noch dein Tod sein!«

»Das wird es nicht. Ich ... Maksim!«

Hufe klapperten auf dem Kopfsteinpflaster. Fünf Krieger ritten durch das Tor in den Hof, an ihrer Spitze Maksim, der junge Herr. Schlank und kräftig mit kurz geschorenem braunen Haar und schwarzen Augen, sprang er von seinem Pferd und warf einem der Stallburschen die Zügel zu.

Eigentlich wollte sie ihm freudestrahlend entgegenlaufen. Doch eine plötzliche Befangenheit hielt sie zurück. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er, nun ja, jung gewesen. Nun waren seine Schultern breiter, die Arme kräftiger. Es gab nichts Knabenhaftes mehr an ihm. Vor ihr stand ein Mann mit dem Blick eines Kriegers, wachsam und konzentriert.

Vidar, der Schwertmeister, trat auf Maksim zu. Sie fassten sich gegenseitig an den Ellenbogen und zogen sich in eine Umarmung. »Willkommen zurück, Maksim. Es tut gut, dich zu sehen.«

»Und dich, Vidar!«

Emese, die Älteste der Sklaven, knickste. »Willkommen zurück, junger Herr.«

»Vielen Dank, Emese. Wie geht es Vazha?«

Vazha war Emeses Sohn. »Danke, gut, junger Herr. Er begleitet den Herrn zum Treffen der Stammesfürsten. Wir erwarten sie in einigen Nächten zurück.«

Maksim nickte. »Ja, Vater hat mir eine Nachricht geschickt.« Er wandte sich an die Bewohner der Festung, die sich eilig versammelt hatten. »Danke, dass ihr mich willkommen heißt. Ich freue mich, wieder unter euch zu sein.«

Die Männer und Frauen, Vampire und Menschen, murmelten einen Gruß.

Maksims Augen wanderten über sie und blieben an Rodica hängen, musterten sie eingehend. Sie fühlte Hitze in ihre Wangen steigen.

»Du bist doch nicht etwa die kleine Rodica?«

»Willkommen zurück, junger Herr.« Sie verzog das Gesicht. »So klein bin ich nicht mehr.«

»Das sehe ich.« Er lächelte sie an. »Vielen Dank für dein Willkommen, Rodica.«

Sein Blick ruhte auf ihr, bis Emese sagte: »Wir haben in der Halle eingedeckt. Und die Blutsklaven erwarten Euch.«

»Vielen Dank, Emese. Wir werden erst einmal etwas essen.« Er nickte seinen Begleitern zu und gemeinsam gingen sie in den Wohntrakt, in dessen Erdgeschoss die Halle lag. Vidar und die Krieger schlossen sich ihnen an.

Rodica starrte hinter ihm her. Sie stellte sich die absurde Frage, wie es wäre, von diesen starken Armen gehalten zu werden. Hör auf, solchen Unsinn zu denken, wies sie sich rasch zurecht und folgte ihrer Ziehmutter, um die Gartenbeete in Erwartung des Winterschnees mit Stroh abzudecken.

Kapitel 2

Es tat gut, zu Hause zu sein.

Aufatmend sank Maksim in den mit Schaffellen ausgelegten Sessel, in der Hand einen Becher mit Wein, und sah dem Spiel der Flammen im Kamin zu. Sein Gemach war mit einer Kommode und einem Tisch mit eisernen Beinen, um den sich Holzstühle gruppierten, ausgestattet. Das Bett stand an der hinteren Wand, daneben ein Waschtisch. Auf dem Steinfußboden lagen dicke Teppiche aus Wolle. Die Wände waren weiß verputzt. An ihnen hingen einige Gemälde, Ansichten der Festung, die ein künstlerisch begabter Vorfahr geschaffen hatte.

Seine Gedanken wanderten zu den Erlebnissen bei den Arrajk’ag und zu Inam, der Tochter des Stammesfürsten Zelinkan. Sie hatten sich dem körperlichen Vergnügen den ganzen Sommer hingegeben. Er war nicht ihre einzige Eroberung. Zelinkans Krieger hatten ihm von ihr berichtet und Inam gab freimütig zu, dass ihr mit nur einem Mann langweilig würde. Zelinkan, der um die Umtriebe seiner Tochter wusste, versuchte seit geraumer Zeit, ihr einen standesgemäßen Gefährten zu verschaffen, doch sie wollte keinen der Männer, die er vorschlug. »Er versteht nicht, dass ich keinen Gefährten möchte!«, hatte sie sich einmal bei Maksim beschwert.

»Bleib standhaft! Ich verstehe dich. Ich möchte auch keine Gefährtin.«

Sie hatte gelacht und gesagt »Da sind wir uns ja einig!«, bevor sich ihre Lippen um seine Männlichkeit schlossen und er dieses Thema sehr schnell vergaß.

Ja, auch wenn er Inams Leib vermisste, gerade in einer kalten Nacht wie dieser, war es gut, wieder zu Hause zu sein, den altbekannten Weg am See entlang und den Berg hinauf zu nehmen, all die Krieger, Wächter und Sklaven wiederzusehen.

Die kleine Rodica. Er konnte kaum glauben, dass diese schöne junge Frau das schlaksige Mädchen sein sollte, das er vor vier Wintern zuletzt gesehen hatte. Oder das verstörte Kind, das Vidar und er an jenem schicksalhaften Regentag nach D’Aryun gebracht hatten. Sie hatte ihre Scheu damals rasch verloren und war ihm wie ein Welpe überallhin gefolgt, erfuhr eine Nähe zur Fürstenfamilie wie sonst kein Sklave. Er, zu der Zeit ein Knappe von vierzehn Wintern und stolz darauf, ihr Leben gerettet zu haben, hatte ihre Heldenverehrung genossen. Inzwischen hatte er Schlachten geschlagen und genug getötet, um zu wissen, dass es kein Heldentum gab.

Er nahm einen Schluck Wein. Ob sie schon Blutsklavin geworden war? Vater sah sie dafür vor, aber es war Usus bei den D’Aryun, dass nur Erwachsene Blutdienst leisteten. Sie musste jetzt siebzehn oder achtzehn Winter alt sein, also fast erwachsen. Natürlich wusste sie, was Vater mit ihr plante und hatte erlebt, wie Vampire sich nährten, was bei den D’Aryun über das Handgelenk und niemals am Hals erfolgte. Vater behandelte die Sklaven streng, aber gerecht, und verlangte, dass sie ihre Aufgaben gewissenhaft erledigten. Sie fürchteten die Vampire nicht. Bei anderen Stämmen kam es vor, dass Sklaven schlecht behandelt wurden. Vater duldete so etwas nicht.

Maksim sprang auf und begann, rastlos im Raum umherzugehen. Der Aufenthalt bei den Arrajk’ag hatte ihm viele neue Ideen vermittelt. Zelinkan schwebte das Ende des Blutsklaventums vor. Er verwies auf den uralten Brauch der Blutdienerschaft, menschliche Familien, die gegen Bezahlung mit den Vampiren lebten und sie mit Blut versorgten. Das war, bevor einige der ärmeren Stämme auf die Idee kamen, Menschen zu versklaven. Wozu für Blut zahlen, wenn man es sich einfach nehmen konnte? Mit der Sklaverei setzte die Flucht der Menschen aus den Bergen ein. Die anderen Stämme wurden gezwungen, ebenfalls zu Sklavenhaltern zu werden, um den Zugang zu Blut nicht zu verlieren. Es war ein Teufelskreis, der dazu führte, dass es immer weniger Menschen im Gebirge gab. Sie flohen in die Städte, wohin ihnen die Vampire nicht folgen konnten, ohne von der Sonne verbrannt zu werden. Die Berge wurden im Westen und Norden von den Grasländern umschlossen, die man durchqueren musste, um zu den Städten der Menschen zu gelangen. Unterschlüpfe wie Höhlen gab es in den Grasländern nicht und so waren sie ein unüberwindbares Hindernis für die Stämme. Die Vampire richteten ihr Augenmerk daher auf das Niemandsland zwischen der Westflanke des Gebirges und den Grasländern, wo es Dörfer und Weiler der Menschen gab. Aber es war mehr als fraglich, ob die Menschen dortblieben, wenn die Vampire sie jagten und versklavten.

Wie man es auch drehte und wendete, würde den Vampiren das Menschenblut ausgehen, es sei denn, sie schafften die Sklaverei ab und streckten den Menschen die Hand der Freundschaft entgegen. Taten sie dies nicht, hätte es katastrophale Folgen: Ein Gebirge voller Vampire, alle auf der verzweifelten Suche nach Blut, um ihre Unsterblichkeit zu erhalten. Ihr Organismus verlangte danach, zwang sie, es zu trinken. Bekamen sie es nicht, wurden sie wahnsinnig und starben qualvoll.