Romantic Summer: Weil Liebe alles ist - Danielle A. Patricks - E-Book

Romantic Summer: Weil Liebe alles ist E-Book

Danielle A. Patricks

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Beschreibung

Funkelstein - wo Träume wahr werden und die Liebe wohnt! Gisela hilft Jakob bei der Renovierung seines alten Hauses. Sie liebt ihn, seit sie ihm das erste Mal begegnet war. Sehnlich wünscht sie sich, mehr als nur eine Freundin zu sein. Leider verhält sich Jakob ihr gegenüber sehr reserviert. Und dabei kann sie doch die Anziehung zwischen ihnen spüren! Oder, bildet sie sich das nur ein? Jakob, der wegen eines Mankos von seiner ehemaligen Liebe verlassen wurde, hat sich geschworen, keine Frau mehr in sein Leben zu lassen. Ob er diesem Vorsatz treu bleiben kann? Gisela geht ihm sehr nahe, aber er ist felsenfest davon überzeugt, dass sie jemand Besseren als ihn verdient hat… Ob es für die beiden einen romantischen Sommer in Funkelstein geben wird?

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Romantic Summer

Weil Liebe alles ist

Band 3

Liebesroman

von

Kapitelübersicht

Herzlich willkommen in Funkelstein,

wo die Liebe wohnt!

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Epilog

Deutsche Erstveröffentlichung Juni 2022

All rights reserved

Copyright © 2022 Danielle A. Patricks

E-mail: [email protected]

https://www.herzgeschichten.net/

Auflage 1, Juni 2022

Lektorat und Korrektorat:

Lisa Diletta, Lotte R. Wöss, Sandra Pulletz, Ingrid Fuchs

Covergestaltung: @Michael Troy/MT DESIGN Bildnachweis:

©soxwhite, www.123RF.com

©nblxer, www.123RF.com

Die Handlung und darin vorkommenden Personen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder auch bereits verstorbenen Personen oder realen Ereignissen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Die in diesem Buch erwähnten Markennamen und Warenzeichen sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Alle Rechte vorbehalten.

Klappentext

Gisela hilft Jakob bei der Renovierung seines alten Hauses. Sie liebt ihn, seit sie ihm das erste Mal begegnet war. Sehnlich wünscht sie sich, mehr als nur eine Freundin zu sein. Leider verhält sich Jakob ihr gegenüber sehr reserviert. Und dabei kann sie doch die Anziehung zwischen ihnen spüren! Oder, bildet sie sich das nur ein?

Jakob, der wegen eines Mankos von seiner ehemaligen Liebe verlassen wurde, hat sich geschworen, keine Frau mehr in sein Leben zu lassen. Ob er diesem Vorsatz treu bleiben kann? Gisela geht ihm sehr nahe, aber er ist felsenfest davon überzeugt, dass sie jemand Besseren als ihn verdient hat…

Ob es für die beiden einen romantischen Sommer in Funkelstein geben wird?

Eine besondere Herzgeschichte mit berührenden Momenten, Verwirrungen, viel Gefühl und einer großen Portion Liebe

Erst die Liebe lässt Herzen aufblühen,

ein Lächeln auf Gesichter zaubern und

die Augen erstrahlen

Danielle A. Patricks

Herzlich willkommen in Funkelstein,

wo die Liebe wohnt!

Der berühmte Weihnachtsort ist mittlerweile auch im Sommer ein Urlaubsmagnet.

Hier verschwindet der Schnee meist erst Ende April oder sogar in manchen Jahren erst im Mai. Diese Region ist bekannt für ihre Narzissenblüte, die hier später, wenn sie anderswo bereits vorbei ist, die Almwiesen in eine wunderbare Blütenpracht verwandelt.

Die Urlaubsgäste können ausgedehnte Spaziergänge unternehmen, rund um den Funkelsteiner See lädt die Promenade mit ihren vielen Sitzbänken zum Verweilen ein. Anziehungsmagnet ist hier im Besonderen die berühmte

„Herzerlbank“.

Auch Alpaka-Wanderungen können gebucht werden. Schwierige Klettertouren für sportliche Bergfexe sind ebenso beliebt.

Aber vor allem laden zahlreiche Veranstaltungen und Feste in den Sommermonaten zum Feiern ein.

Pfingstfest, Sonnwendfeuer, Seefest

Und vieles mehr …

Aber das Liebenswürdigste hier sind die Bewohner.

Hilfsbereitschaft, Freundschaft und Liebe erfüllen den Ort.

Und die geheimnisvolle Waldfee heilt mit ihren Salben, Tinkturen, Tees und ihrem sechsten Sinn.

Kapitel 1

Gisela

Unsanft riss das Läuten des Weckers Gisela aus dem Schlaf. Vorsichtig öffnete sie zuerst das eine, dann das andere Auge. Dunkelheit und Kälte umgaben sie. Angewidert schloss sie die Augen wieder, zog die Bettdecke über den Kopf und schlüpfte tiefer in die kuschelige Wärme. Neuerlich drang der unangenehme Klingelton an ihre Ohren. Er nervte! Widerwillig schlug Gisela die Decke zurück und tastete im Dunkeln nach dem Verursacher des Lärms. Sie drückte die Weckfunktion weg. Endlich! Ruhe!

Um Himmelswillen! Wie Schuppen fiel es ihr plötzlich von den Augen! Pfeilschnell saß sie kerzengerade im Bett. Die Erinnerung, warum sie zu so einer unchristlichen Uhrzeit aufstehen musste, hatte es endlich geschafft, ihre müden Gehirnzellen aufzurütteln. Heute war ihr erster Arbeitstag bei Jakob! Das Bauernhaus, das er voriges Jahr Ignatz Bernhard abgekauft hatte, weil dieser in die Seniorenresidenz gezogen war, bedurfte einer Renovierung. Sie sollte das Ganze managen, aber auch selbst Hand anlegen. Ha! Es war ein reines Freundschaftsangebot von Jakob gewesen. Ob sie dafür geeignet wäre oder nicht, wussten weder er noch sie. Erfahrung darin konnte sie keine vorweisen. Aber er selbst lebte derzeit noch in Graz und benötigte eine Vertrauensperson vor Ort, wie er es formuliert hatte. Es ehrte sie zwar, dass er sie als „Vertrauensperson“ sah. Das reichte ihr jedoch nicht, wie sie sich eingestand. Ihre Gefühle wollten da nicht mitspielen. Sie wäre gerne mehr für ihn gewesen, viel mehr sogar.

Seinen Plan, bis spätestens März hierherzuziehen und auch den Firmensitz nach Funkelstein in das neue Anwesen zu verlegen, fand sie äußerst ambitioniert. In dieser Gegend lag noch Schnee, wenn an anderen Orten bereits der Frühling seine ersten Blumenboten schickte. Aber ihr sollte es recht sein, musste sie sich doch eingestehen, dass sie sich auf diese neue Herausforderung riesig freute.

Den Job im Supermarkt Fröschl hatte sie kurz vor Weihnachten hingeschmissen. Diese Arbeit hatte ihr einfach keinen Spaß mehr gemacht. Ständig sollte sie Sonderschichten schieben, während andere Kolleginnen frei bekamen, wann immer sie wollten. Alle dort nahmen einfach an, weil sie Single war, hätte sie sowieso Zeit. Sie musste weder für eine Familie ein Fest mit Christbaum, Geschenken und gutem Essen vorbereiten, noch irgendwelche Familienbesuche absolvieren. Giselas Familienangehörige lebten weit entfernt.

Wieder kam ihr die Galle hoch! Noch jetzt lief ihr die Gänsehaut den Rücken hinab. Aus Frust sollte man solche schwerwiegenden Entscheidungen nicht treffen. Eine späte Einsicht. So knapp vor Weihnachten zu kündigen, war eine bekloppte Idee gewesen. Ja! Aber auf ihre Freundin Hanna war Verlass, sie ließ sie in ihrem kleinen Laden, dem Wollstadl, mithelfen. Und als Jakob von ihrem Problem hörte, engagierte er sie ebenfalls kurzerhand. Sie sollte vor Ort sein, wenn die professionelle Baufirma, die den Auftrag erteilt bekommen würde, mit den Arbeiten begann. Es störte sie nicht, sie freute sich auf die neue Herausforderung.

Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett. Sie lief ins Badezimmer. Dort schaltete sie den Wärmestrahler ein und schlüpfte aus dem Pyjama. In der Dusche drehte sie die Temperatur des Wassers auf achtunddreißig Grad Celsius und hoffte, dass sich ihr Körper erwärmte und die dämlichen Gedanken mit in den Ausguss rannen. Weit gefehlt! Sie hielt den Kopf extra lange unter die Brause, schamponierte ihr Haar und wusch es aus. Jakob geisterte nach wie vor in ihrem Hirn herum! Abtrocknen, anziehen und Tee trinken, orderte sie stumm die Befehle an sich selbst. Sonst hätte sie noch stundenlang weitersinniert. Sie würde diesem Prachtexemplar von Mann sowieso bald gegenüberstehen.

In der winzigen Kochnische füllte sie den Wasserkocher und schaltete ihn ein. Während er aufheizte, fischte sie einen Teebeutel aus der Lade und gab ihn in eine Tasse, die sie aus dem Schrank holte. Sie übergoss ihn mit dem kochenden Wasser. Während ihr Tee zog, eilte sie ins Badezimmer, um die Haare zu föhnen.

Gisela stand vor dem Spiegel, betrachtete ihr Gesicht und seufzte. Ob sie Jakob nicht gefiel? Ihr Haar jedenfalls benötigte einen Schnitt. Von Natur aus hatte es einen schönen Kupferton, der allerdings im Winter etwas an Glanz verlor. Sie trug ja auch häufig eine warme Wollmütze. Bei der sibirischen Kälte kein Wunder. Sie fuhr mit den Fingern durch die frisch getrockneten Locken. Ein farblicher Aufheller würde sicherlich mehr Schimmer verleihen. Außerdem wirkte sie im Laufe eines Tages zunehmend unfrisiert, da ihr gewelltes Haar seinen eigenen Willen zu haben schien. Demnächst stand also ein Friseurbesuch an. Sie schüttelte den Kopf. Jakob! Jakob! Jakob! Keine Ahnung, ob sie ihm danach gefallen würde.

Sie holte ihren Tee, trank ihn rasch in großen Schlucken. Die Zeit drängte. Ein ausgiebiges Frühstück war keine Option mehr. Gisela war einfach zu aufgeregt, ihr Magen rebellierte und sie verspürte ein flaues Gefühl. Deshalb griff sie nach ihrer Zahnbürste. Während sie sich mit dem Putzen ihrer Zähne beschäftigte, wurde ihr bewusst, dass sie in wenigen Minuten das erste Mal mit Jakob allein sein würde, seit sie sich kannten.

Sie wollte ihn überraschen und auf dem Weg zu seinem Anwesen beim Café Fröhlich etwas Süßes besorgen. Mit den jetzigen Betreibern Julie und Raphael war sie gut befreundet. Für ihren Chef Jakob - wie das klang - wollte sie ein Stück Funkelsteiner Torte mitnehmen, die er so liebte.

Diese Köstlichkeit bestand aus einem Schoko-Biskuitteig, Stracchiatella-Vanillecreme, mit Schokosplittern drin und obendrauf befand sich eine Art Gelee aus Granatapfelsirup. Bestreut war das Ganze mit frischen Granatapfelkernen und jedes Stück wurde mit einem Schoko-Gitter als Deko zusätzlich verziert. Einfach himmlisch! Ihr lief beim reinen Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen.

Rasch schlüpfte sie in die gefütterten Pelzstiefel und die Winterjacke. Die Mütze aus Alpakawolle, ein Geschenk von Hanna, folgte. Warm eingepackt schnappte sie sich die Autoschlüssel und die Handtasche und beeilte sich, die Treppen hinunterzulaufen.

Jakobs auffälliger SUV stand am Straßenrand, etwas abseits des alten Hauses, dessen Fassade zu zwei Drittel mit Holz vertäfelt war, das durch die lange Zeit seines Bestehens dunkel und verwittert aussah. Trotz der Entfernung wirkte der Wagen vor diesem Ambiente in einer eigentümlichen Weise fehl am Platz. Sie parkte hinter dem SUV und stieg aus ihrem Suzuki Swift. Niemand hatte den Weg zum Haus freigeschaufelt, deshalb musste sie durch den hohen Schnee stapfen. Da die schwere Holztür einen Spalt offenstand, schlüpfte Gisela ins Innere und bibberte. Da war es gleich frostig wie draußen.

„Hallo, Jakob? Bist du hier?“ Gisela lauschte. „Jakob!“, rief sie noch einmal eine Spur lauter.

„Hi, ich bin heroben“, hallte seine Stimme aus dem Stockwerk über ihr. Gisela stieg die steile Treppe hinauf, auf der die Zeit merklich ihre Spuren hinterlassen hatte. Die Holzstufen waren mit tiefen Kratzern und Schrammen versehen und bei jedem Tritt knarrten sie.

„Guten Morgen, Jakob.“

„Guten Morgen, Gisela, ich freue mich, dich zu sehen, und pünktlich bist du auch. Es ist ziemlich ungemütlich“, stellte er entschuldigend fest. Er stand am oberen Treppenabsatz. Die Hände in die Hosentaschen gesteckt, wirkte er auf sie nun doch etwas verunsichert.

„Ja, es ist saukalt, draußen wie herinnen. Gehen wir in die Küche, dort können wir zumindest den Ofen einheizen“, schlug sie vor. Jakob folgte ihr die Treppen hinunter.

Um den Tischherd, wie man ihn in dieser Gegend häufig in Bauernhäusern antraf, in der Stube befeuern zu können, mussten sie zuerst Holzscheite holen. Ignatz, der alte Bauer und Vorbesitzer, hatte sie sorgfältig im Freien unter dem Dach an der Hauswand aufgeschichtet.

„Kannst du das?“, wollte Jakob wissen. Er rieb seine Hände aneinander.

„Was meinst du?“

„Na, das Einheizen. Ich kann es nämlich nicht, befürchte ich.“

„Oh, das. Kein Problem, mit solchen Öfen bin ich aufgewachsen“, gab Gisela lachend Auskunft. „Bei meiner Großmutter stand ein Tischherd in der Küche. Sie hatte damit geheizt und gekocht. In unserem Ort gibt es immer noch etliche Haushalte mit derartigen Öfen.“

Jakob rieb sich weiterhin die kalten Hände. „Na, dann zeig mal, was du draufhast“, forderte er sie offensichtlich fröstelnd auf.

Gisela, die sich bereits vor den Ofen gekniet hatte, begann Späne, die danebengelegen hatten, in die offene Ofentür zu schieben. Dann folgte Zeitungspapier, das ebenfalls dort gesammelt worden war. „Ignatz hat gut vorgesorgt“, meinte sie und legte nun größere Holzscheite darauf. Schließlich zündete sie das Ganze mit dem Feuerzeug an. „Jetzt heißt es warten, ob es anbrennt. Hast du schon etwas gefrühstückt?“ Sie sah Jakob fragend an. Er schüttelte den Kopf.

„Frühstück nein, Kaffee ja, weil ich verschlafen habe“, gestand er kleinlaut.

„Schau, am Tisch in der Verpackung ist ein Stück Funkelsteiner Torte für dich. Leider habe ich nicht daran gedacht, auch Kaffee oder Tee mitzubringen.“

„Oh, super, mir knurrt eh schon der Magen.“ Er nahm das Tortenstück aus der Box. „Hm, Kuchengabeln wird es hier wohl keine geben“, rätselte er.

Gisela stand auf und öffnete einige Laden des Küchenschrankes. Sie wurde fündig. Es waren zwar keine Kuchengabeln vorhanden, aber anderes Besteck. Sie reichte Jakob einen Teelöffel. Sie holte sich nun den Schokomuffin aus der Tüte, den sie für sich mitgenommen hatte, und biss gleich genüsslich hinein. Im Ofen knisterte es mittlerweile. Ein gutes Zeichen. Gisela schob noch einige Scheite nach und schloss das Türchen.

„Was meinst du, habe ich mit dem Kauf einen Blödsinn gemacht und das Geld hinausgeschmissen?“ Jakob wirkte im Moment tatsächlich hoffnungslos. Der erfolgreiche Jakob Berner von der Unternehmensberatungsfirma Berner, die mittlerweile Berner & Hochruck hieß, weil sein Freund Lukas Hochruck seit Anfang des Jahres sein offizieller Partner war, stellte ihr so eine gewichtige Frage.

„Wie kommst du darauf? Gefällt es dir nicht mehr?“

„Na ja, es sieht ja auf den ersten Blick schön aus, das Haus meine ich. Aber jetzt? Es ist kalt, saukalt. In den Zimmern fehlt jegliche Heizmöglichkeit. Keine Zentralheizung wie ich es gewohnt bin. Außerdem riecht es modrig hier drinnen. Merkst du das auch?“ Er zuckte mit den Schultern und steckte sich ein Stück Funkelsteiner Torte in den Mund. „Die Torte ist einfach ein Gedicht“, schwärmte er, „ich liebe diesen leicht säuerlichen Geschmack der Granatapfelkerne kombiniert mit der Süße der Schokolade.“ Er schloss für einen kurzen Moment genussvoll die Augen.

„Jakob, das ist ein altes Haus, das hast du beim Kauf gewusst. Aber trotzdem ist dein Geld gut angelegt. Der modrige Geruch kommt von der Feuchtigkeit, die sich eingeschlichen hat, weil niemand mehr geheizt hat. Früher hat man eben keine Zentralheizung gehabt, sondern nur in ausgewählten Zimmern kleine Öfen zum Befeuern aufgestellt. Meist haben sich die Menschen sowieso in der Stube, die die Küche mit einschließt, aufgehalten. Warte kurz, bald wirst du merken, wie warm es hier wird. So ein Holzofen verbreitet einen angenehmen wunderbaren Geruch. Wie hast du dir die Renovierung überhaupt vorgestellt? Hast du schon Angebote eingeholt?“ Ihre Frage kam Gisela, sobald die Worte ihren Mund verlassen hatten, reichlich dämlich vor, aber sie wollte das Gespräch nicht abreißen lassen.

„Durchaus, die Aufträge für die Angebote sind verschickt und nun warte ich noch auf die Antworten. Kennst du vielleicht auch eine Baufirma hier in der Nähe?“

„In Kainisch, ein Nachbarort, ist die Firma BAU MIT UNS angesiedelt. Soweit ich weiß, sind sie nicht ganz günstig, arbeiten aber gut und verlässlich.“ Gisela unterstrich ihre Aussage mit dem Daumen nach oben. „Und in Funkelstein gibt es die Bautischlerei von Siegmar Flink, der auch perfekte Möbel fertigt. Das ist Fredls Neffe. Der Kiosk und die Stände des Weihnachtsmarkts stammen von ihm.“

„Okay, kannst du mir die Adressen geben? Dann frage ich auch dort gleich mal an.“ Jakob schob sich wieder genüsslich ein Stück Funkelsteiner Torte in den Mund. Abermals schloss er die Augen. Gisela hätte wohl stundenlang sein entspanntes Gesicht beäugen können. Leider musste sie sich zusammenreißen. Schnell blickte sie an ihm vorbei und aus dem Fenster.

„Und was sind meine Aufgaben?“ Jetzt sah Gisela ihn fragend an. „Irgendwie bin ich noch nicht schlau aus deiner Anstellung geworden. Aber bitte nicht falsch verstehen. Ich bin dir überaus dankbar, allerdings sollst du mich ja nicht umsonst bezahlen.“

„Heute hast du mir schon sehr geholfen, indem du hier für Wärme gesorgt hast. Ich wäre am liebsten gleich wieder davongelaufen, als ich die Nase hier hereingesteckt habe“, gestand Jakob. Mit seinem verzweifelten Blick wirkte er auf Gisela wie ein kleiner Welpe, der gerade etwas Schlimmes angestellt hatte, und nicht wie der erfolgreiche Geschäftsmann, als den sie ihn kennengelernt hatte. Nichts lieber hätte sie in diesem Augenblick getan, als ihn in die Arme zu nehmen. Leider traute sie sich nicht. Dieser Mann schien eine unsichtbare Barriere um sich aufgebaut zu haben, zumindest für sie. Mittlerweile waren sie beste Freunde, ja! Aber zu ihrem Leidwesen, nicht mehr. Dabei könnte alles so schön sein, wenn … Giselas Gedanken trifteten zu dem Zeitpunkt ab, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Es war …

„Ob es in diesem Haus auch eine Schneeschaufel gibt?“ Jakobs Stimme holte sie zurück ins Hier und Jetzt. „Wir müssten wohl zuerst draußen den Platz freiräumen, damit wir unsere Autos von der Straße wegstellen können.“

„Allerdings“, bestätigte Gisela schnell. Puh, das war knapp gewesen, gut dass Jakob keine Gedanken lesen konnte. „Komm, wir suchen im Schuppen, wo Ignatz seine Gerätschaften abgestellt hat,“ schlug sie daher vor, glücklich über die Ablenkung.

Gemeinsam gingen sie ins Freie. Sie staunten nicht schlecht, als ein Traktor mit einem Schneepflug in den Hof einbog. Markus Kuppelbauer stellte den Motor ab.

„Griaß eich! Jakob, wenn ich nicht irre. Du bist also der neue Besitzer des Scheidenhofs?“

„Jep, der bin ich.“

„Braucht ihr Hilfe? Soll ich hier mal die Einfahrt freischieben? Eure Autos blockieren die Fahrbahn.“

„Hallo Markus, dich schickt der Himmel“, begrüßte ihn Gisela. „Da wären wir dir sehr verbunden. Wir wollten soeben nach Schneeschaufeln suchen.“

„Geht etwas zur Seite“, befahl Markus, startete sein Gefährt und begann mit der Arbeit. In kurzer Zeit war ein großer Platz freigeräumt. Markus winkte ihnen zu, bevor er wieder auf die Straße fuhr und seine Arbeit dort fortsetzte.

Gisela und Jakob stellten ihre Wägen zuerst in den Hof. Dann ging Jakob in Richtung Schuppen voraus.

„Komm, wir schauen uns mal um, damit wir wissen, was alles vorhanden ist, sollten wir wieder eine Schaufel benötigen.“

Gisela stapfte hinter ihm her.

Die Holztür ließ sich nur mit großer Kraftanstrengung öffnen. Sie war durch Nässe und Kälte verzogen und angefroren. Mit aller Wucht stemmte sich Jakob dagegen, bis sie nachgab und mit einem Ruck aufflog. Er hatte Glück, dass er nicht hinfiel. Im Inneren lagen dicke Staubschichten auf einem alten Pflug, einer Getreidemühle und einigen Fässern, die ungeordnet abgestellt worden waren. Von der Decke und an den Holzwänden hingen massenhaft Spinnweben. Gisela ekelte sich, sie mochte keine Spinnen. In einer Ecke lehnten Heugabeln und Rechen. Tatsächlich fanden sie auch eine Schneeschaufel. Aber ob man mit dem alten schweren Ding noch Schnee schippern konnte, bezweifelte Gisela. Ob des vielen Staubes bekam sie einen Niesanfall. Schnell lief sie hinaus und holte kräftig Luft. Gefolgt von Jakob, der es ihr nachmachte.

„Ich befürchte, wir müssen erst einmal alles sortieren, was auf den Müll soll und was noch Verwendung findet“, überlegte Jakob laut. „Vorher können die Arbeiten hier gar nicht starten. Es ist alles vollgeräumt. Ignatz wollte anscheinend nichts wegwerfen. Bereits im Haus ist mir aufgefallen, dass manche Räume mit altem Gerümpel vollgestopft sind.“

„Na dann weiß ich ja schon, wofür du mich die nächsten Wochen bezahlst.“ Gisela grinste ihn amüsiert an. Das war wohl eher Galgenhumor, gestand sie sich ein. Ihr graute jetzt schon davor, in den alten Sachen herumzustöbern. Aber sogar Spinnen, Käfer und sonstige Krabbeltiere, massenhaft Staub und verdorbene Überreste waren besser, als sich im Supermarkt von den Kunden unfreundlich anschnauzen zu lassen oder Überstunden zu schieben. „Wo willst du eigentlich mit dem Ausräumen beginnen? Im Haus oder in den Nebengebäuden?“

„Schon im Haus. Damit ich so rasch wie möglich einziehen kann, um vor Ort die Umbauarbeiten beaufsichtigen zu können. Und dich möchte ich entlasten. Allein wirst du es nicht schaffen. Außerdem habe ich nicht vor, dich nur als Entrümplerin einzuteilen. Komm, gehen wir wieder in die Stube. Hoffentlich ist es dort mittlerweile etwas wärmer.“ Jakob rieb sich schon wieder die Hände.

Gisela trottete erneut hinter ihm her. Die Hitze des Feuers aus dem Tischherd hatte sich wohlig auf den Raum ausgebreitet. Es war wirklich gemütlich. Sie setzten sich an den großen Eichentisch. Jakob zog aus einer schwarzen Aktentasche, die er schon vorher irgendwann abgelegt haben musste, einen Block und einen Kugelschreiber.

„Erst einmal planen wir das Grobkonzept, wo wir anfangen und welche Arbeiten am dringendsten sind. Was meinst du, wo sollten wir beginnen?“

„Was brauchst du beim Einziehen ins Haus am ehesten? Sanitäranlagen – Badezimmer und WC, Schlafzimmer und die Stube. Alle anderen Räume haben Zeit.“ Gisela zählte wie zur Bestätigung des Gesagten mit den Fingern mit. Jakob grinste sie breit an.

„Na dann“, er schrieb alles der Reihe nach auf. „So, und nun gehen wir in die besagten Räume und schauen, was raus muss.“ Er blickte auf die Uhr. „Wir haben noch eine Stunde Zeit, dann warten Lukas und Hanna beim Kirchenwirt auf uns. Ups, ich habe dich noch gar nicht gefragt, ob du mitkommen möchtest.“

„Passt schon, bin gerne mit von der Partie.“ Sie würde sicher nicht freiwillig darauf verzichten, länger in seiner Nähe sein zu können. Und vielleicht allein essen? Was glaubte er denn? Gisela wunderte sich, dass Hanna ihr nichts vom Treffen beim Kirchenwirt erzählt hatte. Sie hatten doch erst gestern miteinander telefoniert.

Es war wie immer, wenn sie sich trafen, sie waren zu viert. Wieder einmal bemerkte Gisela leidvoll, wie sehr sie sich über eine persönliche Einladung, nur sie beide, gefreut hätte. Jakob und sie!

Seit Hanna sie beide vor zwei Monaten in ihrem Laden miteinander bekanntgemacht hatte, war es um sie geschehen gewesen. Liebe auf den ersten Blick! Niemals hätte sie gedacht, dass es das tatsächlich gab. Zuerst hatte sie das Gefühl, dass es ihm ähnlich ergangen war. Aber da täuschte sie sich allem Anschein nach.

Irgendwie ließ sie sich immer auf die falschen Männer ein. Erst vor einem Jahr hatte sie ihren damaligen Freund in die Wüste geschickt, weil Treue für ihn ein Fremdwort gewesen war. Der Schmerz und die Kränkung saßen noch tief in ihrem Herzen. Allen, sogar Hanna, verschwieg sie, wie sehr sie darunter litt. Eigentlich wollte sie Single bleiben, für immer und ewig, den Männern den Rücken zukehren. Und dann war Jakob vor ihr gestanden!

Er hatte sofort einen Wirbel der Gefühle in ihr ausgelöst. Wow, der Mann strahlte etwas Magisches aus. Er hatte ihr auf Anhieb gefallen. Sein dunkles Haar trug er kurz geschnitten, wobei ihm ein frecher Schopf in die Stirn fiel. Mit seiner Größe von geschätzten ein Meter fünfundachtzig überragte er sie um einen ganzen Kopf. Sie musste zu ihm hochschauen. Am meisten faszinierten sie seine grau-schimmernden Augen, sie wirkten auf sie versonnen, nachdenklich, prüfend. Nur wenn er lachte, begannen sie zu strahlen. Seine Lippen waren von einem gepflegten Vollbart umgeben. Zu gerne hätte sie diesen mit ihren Händen berührt, darüber gestreichelt.

Jakob verhielt sich ihr gegenüber zwar freundlich und manchmal flirtete er sogar mit ihr. Dennoch waren sie sich in all dieser Zeit nicht nähergekommen. Jakob verhielt sich immer irgendwie distanziert. Mehr als zu einem Begrüßungskuss auf die Wange, war es bis dato nicht gekommen. Aber weshalb? Was war der Grund dafür? Sie konnte die gegenseitige Anziehung spüren, sie war manchmal zum Greifen nah. Es knisterte zwischen ihnen so heftig, dass die Funken sprühten. Und doch schien Jakob eine innere Mauer aufgezogen zu haben.

Sogar Hanna fragte sie immer wieder, ob Jakob und sie nun endlich zueinandergefunden hätten und ein Paar wären.

Kapitel 2

Jakob

Der Kirchenwirt war wie jeden Tag zur Mittagszeit gut besucht. Nur einzelne Plätze waren nicht besetzt. Am Stammtisch unterhielt sich Bürgermeister Hochruck mit einigen Gemeindebediensteten. Sie grüßten freundlich zu ihnen herüber. Ein paar Tische weiter erblickte Jakob seine Freunde und steuerte auf sie zu. Gisela folgte ihm.

„Griaß eich.“ Jakob zog seine Jacke aus und hängte sie über den Stuhl, auf dem er gleich Platz nahm. Gisela machte es ihm nach.

„Habt ihr schon bestellt?“, wollte Gisela wissen.

„Nein, wir haben auf euch gewartet.“ Hanna strahlte Gisela an. Kaum hatte sie ausgesprochen, trat Traude, die Kellnerin, an den Tisch. Alle entschieden sich fürs Tagesmenü. Jakob verlangte ein Krügerl Bier und Gisela einen heißen Zitronentee. Schnell eilte Traude wieder davon.

„Und was habt ihr gemacht?“ Lukas blickte sie abwechselnd an.

„Nur Bestandsaufnahme“, meinte Jakob. „Also, ich bin seit heute tatsächlich verunsichert, was den Hauskauf anbelangt.“ Er heftete seinen Blick auf Lukas’ Gesicht. „Es ist bedeutend mehr herzurichten, als ich zuerst angenommen hatte. Das Haus hat keine Heizung! Nur den Ofen in der Küche. Und es ist so wahnsinnig viel zu entrümpeln. Jeder Raum ist mit irgendwelchem Zeug vollgestopft. Es scheint, als hätte Ignatz alles gehortet. In meiner damaligen Euphorie hatte ich dies alles nicht registriert.“

„Verzweifle jetzt nicht. Du hast ja noch uns“, tröstete Lukas ihn. Er blickte zu Hanna. „Ich helfe dir auf jeden Fall und ich glaube, auch Hanna ist mit von der Partie.“

Die Angesprochene nickte heftig.

„Oh ja, natürlich helfe ich auch sehr gerne. Das kann ich mir sicherlich einteilen. Mama übernimmt bestimmt zwischendurch den Wollstadl.“

„Toll“, jubelte Gisela. „Da hätte ich auch gleich eine Idee. Wir trennen die Spreu vom Weizen, sozusagen. Was nicht mehr benötigt wird, weil kaputt, kommt auf den Müll. Dann sortieren wir alles, was Jakob behalten möchte, von dem, was er nicht braucht. Das verkaufen wir. Wir veranstalten einen Flohmarkt direkt am Hof! Was sagt ihr dazu?“

„Hey, grandiose Idee!“, lobte Jakob.

Traude servierte zuerst die Getränke und etwas später das Essen. Jakob bemerkte, dass sein Magen kräftig knurrte, und schob sich mit Appetit eine Gabel mit Kartoffeln in den Mund. Die Welt sah für ihn nun wieder etwas tröstlicher aus. Nach dem Rundgang im Haus war ihm die Freude daran schlichtweg vergangen. Was hatte er sich dabei nur gedacht? Aber jetzt, wo Lukas und die beiden Mädels ihm ihre Hilfe zugesichert hatten, war er einigermaßen beruhigt. Sein Traum von den eigenen vier Wänden rückte nun wieder ein Stück näher. Ja, schon klar, nach dem Kauf gehörte ihm das Gebäude bereits. Aber es war kein Zuhause, in dem er sich hätte vorstellen können, zu wohnen. Nicht einmal eine Heizung! Wie hatte er dies übersehen können? Allein beim Gedanken an heute Morgen wurde ihm übel. Pure Verzweiflung war in ihm hochgekrochen. Kalt! Eiskalt! Jeder Raum, den er betrat, war so frostig, dass er fast Eiszapfen an seinen Haaren wachsen spürte. Und erst der Geruch! Modrig und feucht. Er konnte es nicht einmal genau beschreiben. Vor Ekel schüttelte es ihn sogar jetzt. Am liebsten wäre er geflüchtet.

Wie hatte er aufgeatmet, als er Giselas Stimme gehört hatte. Sie war tatsächlich gekommen. Ja, schon klar, sie war eine Freundin und ab heute sogar seine Angestellte. Trotzdem hatte er bis zuletzt daran gezweifelt, ob sie diese Art von Arbeit auch annehmen würde. Und wie sie sich sofort einbrachte, imponierte ihm. Sogar das Einheizen beherrschte sie. Allein dafür hätte er sie am liebsten in seine Arme gezogen und ihr einen dicken Kuss auf ihre sinnlichen Lippen gedrückt. Als Hannas Freundin war sie für ihn tabu und für ein Techtelmechtel definitiv zu schade. Er schielte verstohlen zu ihr. Sie unterhielt sich gerade mit Hanna. Jakob trank einen Schluck von seinem kühlen Blonden. Er musste die aufkeimende Hitze hinunterschlucken. Gisela hatte ihm sofort gefallen. Und wie! Aber er musste sich zurückhalten. Er durfte es nicht zulassen, dass sie sich näherkamen, auch wenn er spüren konnte, dass sie wohl ähnlich wie er empfand. Es half nichts! Schon Ilona hatte ihn damals wegen seines Handicaps verlassen und ihm an den Kopf geworfen, dass sie sich ihr Leben nicht versauen ließe. Das Loch, das sie in sein Herz gerissen hatte, klaffte noch immer in seiner Brust. Schwer schluckte er. Lange hatte er gebraucht, um Ilona zu verzeihen und sie innerlich ziehen zu lassen. Sie hatte ja recht! Dennoch hatte es verdammt wehgetan.

Nicht einmal seinem Freund Lukas konnte er von seinem allergrößten Problem erzählen, weil er sich dafür schämte. Wobei er sich vorstellen könnte, dass Lukas Verständnis dafür aufbringen würde. Schließlich hatte auch sein Freund einiges an Schwerem hinter sich, vor allem sein Burnout im letzten Jahr hatte ihn an den Rand der Verzweiflung gebracht. Was war er doch bloß für eine Niete als Mann! Bei diesen Gedanken blieb ihm beinahe das köstliche Essen im Hals stecken.

„Geht es dir nicht gut?“ Lukas’ Stimme holte ihn zurück.

„Du bist leichenblass!“, stellte sein Freund fest. Sein besorgter Blick sprach Bände.

„Nein, alles okay“, stotterte Jakob betreten. Er räusperte sich. „War nur in Erinnerungen abgeschweift. Alles wieder im Lot.“ Er versuchte zu lächeln. Ganz gelang es ihm nicht, die Mundwinkel nach oben zu ziehen. Er hob sein Glas und prostete den anderen zu. Seine Freunde machten es ihm nach.

Nach dem Essen bezahlten sie und brachen gemeinsam zu Jakobs Anwesen auf. Lukas wollte sich ein Bild machen, nachdem Jakob so resigniert reagiert hatte. Während Jakob und Lukas die Räumlichkeiten besichtigen wollten, beschlossen Gisela und Hanna, in der warmen Küche zu bleiben und dort das Geschirr ins Visier zu nehmen. Außerdem kannte Hanna das Haus, weil sie früher mit ihrem Vater öfter bei Ignatz gewesen war. Sie wollten mit dem Aussortieren gleich anfangen.

„Die Sanitärräume muss ich so schnell wie möglich sanieren lassen. Der Reinlichste war Ignatz nicht.“ Jakob zog die Mundwinkel betont nach unten.

Lukas lachte auf. „Sei nicht so kleinlich. Ignatz ist ein alter Mann und die letzte Zeit war ihm das ganze Haus einfach zu viel. Sonst hätte er es nicht verkauft.“

„Ich weiß.“

Lukas klopfte Jakob auf die Schulter. „Was ist los mit dir? Du bist so nachdenklich. Ist mir auch schon im Gasthaus aufgefallen. Hast du endlich Gisela auf ein Date eingeladen? Hat sie etwa abgelehnt?“

„Lukas! Nein! Hör damit auf, mich mit Gisela verkuppeln zu wollen. Ich habe dir bereits hunderte Male gesagt, dass ich nicht der Richtige für sie bin. Ich täte ihr nicht gut. Begreif das bitte.“

„Mensch, das werde ich nie begreifen“, schimpfte Lukas. „Du bist mein bester Freund und mein Partner. Ich spüre, wie es zwischen euch brodelt. Da knistert es doch gewaltig. Außerdem bin ich mir sicher, dass Gisela nur darauf wartet. Und du sprichst in Rätseln. Wenn du sie nicht ausstehen könntest, wäre alles klar. Aber du verzehrst dich nach ihr. Streite es nicht ab. Ich sehe es dir an. Und übrigens Hanna auch. Fredl, du weißt schon, der Kioskbesitzer, hat Hanna sogar darauf angesprochen, dass Gisela und du ein schönes Paar abgeben würdet.“

„Pah! Lasst mich in Ruhe. Ich gebe ja zu, dass mir Gisela besser gefällt, als mir lieb ist. Trotz allem habe ich triftige Gründe, die ich dir, mein Freund, nicht auf die Nase binden kann und will. Es ist meine Sache! So, und nun wechseln wir bitte das Thema.“ Jakob drehte sich um und verließ den Waschraum, denn als Badezimmer konnte man ihn nicht bezeichnen. Eine in die Jahre gekommene Waschmaschine, ein schmutziges Waschbecken, eine verdreckte Dusche und ein alter Schrank befanden sich darin. Beige Fliesen mit allen möglichen Flecken bekleckert, bedeckten den Boden und die Hälfte der Wände. Das Übrige war ockerfarben gestrichen. Jakob wusste nicht, was ihn mehr abschreckte, die hässliche Farbe oder der Schmutz. Vor dem Kauf hatte er auf derartige Details nicht geachtet. War er nun einfach kleinlich in diesen Dingen geworden? Er fand nicht. Aber nun rückte immer mehr ans Tageslicht, was geändert werden musste. Und wie viel Arbeit noch vor ihm lag.

„Jakob, sei jetzt nicht eingeschnappt. Es ist mir zwar unverständlich, welche Gründe du einer offensichtlichen Liebe vorschiebst. Hoffentlich verrennst du dich da mal nicht. Ich denke, ewig wartet Gisela auch nicht.“

Jakob wehrte Lukas’ Worte mit einer unwirschen Handbewegung ab. Er marschierte voraus. Lukas trottete hinter ihm her. Nun besahen sie sich im Erdgeschoss den nächsten Raum, der anscheinend nur als Abstellkammer genutzt wurde.

„Das wäre ein schönes Wohnzimmer. Die großen Fensterflächen lassen sicherlich viel Licht in den Raum, wenn sie erst einmal gereinigt wurden.“

„Ja, allerdings. Schade um das Zimmer.“ Als sie weiter in den Raum hineingingen, bemerkten sie hinter einem losen Bretterstapel versteckt, einen offenen Kamin. Gemeinsam begannen sie, die einzelnen Bretter weg zu schichten.

„Wow“, staunte Lukas. „Das ist ja ein Juwel! So etwas sieht man schon selten. Klar, er gehört saniert, bevor man ihn befeuern kann. Aber ich stelle mir gerade eben nichts Schöneres vor, als vor einem offenen Kamin zu sitzen, das Feuer prasseln zu hören, die einzigartige wohlige Wärme zu spüren. Ein gutes Glas Wein und ein interessantes Buch oder noch besser, eine liebe Frau in den Armen zu halten.“

„Du bist ja ein richtiger Romantiker, Lukas. Von der Seite kenne ich dich noch gar nicht!“ Jakob setzte ein breites Grinsen auf und stupste seinen Freund leicht in die Rippen.

„Komm, lass uns zu den Mädels in die warme Stube gehen, mir steigt die Kälte bereits in die Knochen.“ Dieses Mal ließ Jakob seinem Freund den Vortritt. Die ersten Bilder formten sich in seinem Kopf, wie er das neue Wohnzimmer gestalten und einrichten könnte. Jetzt kam die Zuversicht langsam wieder zurück. Den offenen Kamin wollte er auf jeden Fall belassen. Er würde gleich morgen den hiesigen Rauchfangkehrermeister anrufen. Er sollte den Kamin auf seine Dichtheit überprüfen. Freudig rieb er sich die kalten Hände, das war bereits eine Gewohnheitsgeste geworden, wie er feststellte.

In der Stube herrschte ein noch größeres Chaos als bereits zuvor. Jakob hätte nicht gedacht, dass dies noch möglich wäre. Aber Gisela und Hanna hatten alles, was sich in den alten Kästen und Schränken befunden hatte, also vorrangig Kochgeschirr, Porzellan und Besteck, ausgeräumt und auf den übergroßen Holztisch gestellt. Das Einzige, das Jakob hier drinnen gefiel, von den beiden Damen mal abgesehen, war die Wärme.

„Ist da etwas Brauchbares dabei?“, fragte er Gisela. Skeptisch inspizierte er die Gegenstände.

„Nun ja, beim Kochgeschirr, wie Pfannen, Töpfe und dergleichen sind wir am Aussortieren. Beim Porzellan kommt es auf deinen Geschmack an. Wenn du lieber Neues kaufen möchtest, geben wir dieses zum Flohmarkt. Es sind sowieso nur Einzelstücke und kein komplettes Service. Die Kaffeehäferl sind aus Keramik und die Teller sind billiges Porzellan. Aber diese Kredenz musst du unbedingt behalten.“ Gisela strich sanft über das antike Möbelstück.

„Was? Das schäbige alte Ding? Das ist nicht dein Ernst?“

Gisela warf ihm einen schockierten Blick zu.

Er zuckte mit der Schulter.

„Die ist doch grottenhässlich. Diese dunkelbraune Farbe ist so überhaupt nicht mein Geschmack.“

„Ja, die Farbe ist hässlich. Da stimme ich dir zu. Die gehört heruntergeschliffen. Ich weiß nicht, was darunter noch alles an Schandtaten hervorkommt. Bitte, lass mich diesen Schrank renovieren. In solchen Dingen bin ich ausnahmsweise gut. Und – Vintage-Look und Shabby-Chic sind wieder angesagt.“ Auf Giselas Gesicht breitete sich ein breites Grinsen aus und mit ihrem Blick hätte sie alles Eis der Welt zum Schmelzen gebracht. Wie könnte er da Nein sagen?

„Gut, du hast mich überredet. Das alte Ding gehört dir.“

„Nein, Jakob, du sollst sie mir nicht schenken, ich hätte sowieso keinen Platz dafür in meiner winzigen Wohnung. Ich möchte die Kredenz nur wieder in ihren ursprünglichen Zustand bringen. Und dann wirst du sehen, wie sie den Raum hier bereichern wird.“

„Okay, wir entscheiden, was damit passieren soll, wenn du sie aufgepeppt hast“, entschied Jakob. So ganz konnte er sich nicht vorstellen, dass dieser unansehnliche Schrank was Besonderes sein sollte. „Und die anderen Kästen und der Tischherd kommen raus, oder?“

„Die Kästen ja, die sind wurmstichig und modrig. Den Tischherd würde ich an deiner Stelle auf jeden Fall behalten. Dem Herd fehlt nichts, außer einer intensiven Reinigung. Das bekomme ich hin“, zeigte sich Gisela zuversichtlich. „Außerdem ist der Herd Gold wert, wenn es zu Stromausfällen kommt. Das passiert in dieser Gegend schon mal. Dann kannst du trotzdem einheizen und sogar kochen. Und die neuen Geräte, die es am Markt gibt, haben leider nicht mehr diese Qualität wie dieses Prachtexemplar. Der Tisch ist aus Vollholz, den kann man abschleifen und einlassen, dann sieht er wieder wie neu aus.“

„Wenn du das sagst. Ich vertraue dir blind.“ Jakob zog seine Mundwinkel nun auch nach oben. Langsam begann ihm die Sache Spaß zu machen. Vor allem Gisela erstaunte ihn wieder aufs Neue. So engagiert kannte er sie bislang nicht.

Kapitel 3

Gisela

Die ersten Wochen verstrichen. Täglich arbeitete Gisela allein in dem großen Haus. Jakob und Lukas waren dran, einen Großauftrag an Land zu ziehen, und hatten nun alle Hände voll zu tun. Wenn sie diesen Auftrag bekommen würden, bräuchten sie sich, um die Zukunft keine Sorgen mehr zu machen, hatte Jakob verraten. Er hatte ihr für das Haus die gesamte Vollmacht erteilt. Sie sollte schalten und walten, wie sie es für notwendig und richtig hielt. Nun stand sie im Obergeschoss. Die Räume im unteren Bereich hatte sie bereits durchgeackert. Sie hatte geräumt und sortiert und die Möbel von einer Seite zur anderen geschoben. Was sie selbst tragen konnte, hatte sie in einen anderen Raum geschleppt, der erst ganz am Schluss mit dem Sanieren dran wäre. Hier sammelte sie die Gegenstände und Kleinmöbel, die sie beim Flohmarkt verkaufen wollten. Zum Glück bekam sie von Jakob einen elektrischen Heizstrahler, den sie aufstellte, wo sie gerade mit Arbeiten beschäftigt war. So fror sie wenigstens nicht allzu sehr. Die Außentemperaturen lagen noch ständig unter fünf Grad Celsius. Wie es Gisela schien, wollte Frau Holle heuer anscheinend gar nicht mehr mit Betten ausschütteln aufhören, so viel, wie es die letzten Tage wieder geschneit hatte. Weniger fleißig war Ignatz gewesen, was natürlich auch auf sein hohes Alter zurückzuführen war. Jedenfalls schüttelte es Gisela immer wieder aufs Neue, bei all dem Schmutz, der sich angesammelt hatte. Für eine Reinigungsfrau war Ignatz wohl zu geizig gewesen und selbst zu schwach, um sauber zu halten. Gisela würgte es vor Ekel. Im Badezimmer lagen verschimmelte Handtücher und vergammelte Putzlappen am dreckigen Boden. Welche Farbe die Fliesen mal hatten, konnte Gisela nur mehr erahnen. Die Fugen waren schwarz vom Schimmel. Da musste alles raus, besonders die Kacheln! Das würde Jakob eine Stange Geld kosten, überlegte sie. Aber es war nicht ihr Problem. Sie riss das Fenster auf, um den Gestank zu vertreiben, zog sich die Gummihandschuhe über und fing an, all den Mist in einen Müllsack zu stopfen. Seifenreste, irgendwelche Tuben mit Salben, alte Zahnbürsten und diverse Rasierklingen verschwanden im Sack. Gisela holte einen Besen und begann, den groben Schmutz aufzukehren. Auch dieser wanderte in den Müllsack. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass bald die Möbelpacker hier aufkreuzen würden. Sie hatte ein Unternehmen gefunden, das sich auf das Ausräumen alter Häuser spezialisiert hatte. Soeben hörte sie lautes Motorengeräusch und darauf folgte ein Hupen. Sie lief die knarzende Treppe hinab und ins Freie. Ein bulliger Zwei-Meter-Lackel von Mann kam auf sie zu.

„Ist das der Scheidenhof?“

„Ja, richtig.“ Bevor Gisela weiterreden konnte, drehte sich der Riese um und stampfte zurück zu seinem Lastwagen. Aus dem zweiten Auto, einem Kleinbus, stiegen mehrere Männer aus. Gisela zählte fünf. Sie wartete, bis sie zu ihr kamen, und begrüßte sie zaghaft. Etwas Muffensausen überfiel sie bei so viel Testosteron.

Ob ich denen gewachsen bin? Gisela zauberte ein freundliches Lächeln auf ihr Gesicht.

„Bitte alle mir nach“, forderte sie die Männer auf und eilte voraus. Raum für Raum zeigte sie ihnen, was alles raus musste. Die Partie teilte sich auf. In jedem Zimmer waren nun zwei Arbeiter, die sämtliche Möbelstücke auf den Lastwagen luden. Dazu gehörten Ignatz’ Bett und der Kasten, der Badezimmerschrank, weitere wurmstichige Schränke und Regale, kurz alles, was nicht mehr verkauft werden konnte. Gisela verzog sich in die Stube. Sie stellte Teewasser und Kaffee auf. Als die Männer pausierten, servierte sie eine Kanne mit Tee und eine mit Kaffee, dazu Zucker und Milch.

„Möchte jemand Zitrone zum Tee oder einen Schuss Rum?“

„Danke, Zitronensaft bitte, Alkohol bei der Arbeit ist nicht gestattet. Da ist unsere Firmenleitung ausgesprochen streng.“ Der Riese war wohl so etwas wie der Partieführer und alle schienen vor ihm Respekt zu haben.

Es war bereits später Nachmittag, als die letzten Stücke aus der Stube getragen wurden. Nur der Tischherd, die urige Kredenz und der Tisch sowie die alten Sessel blieben stehen.

Die Dämmerung begann gerade das Land, in seine Dunkelheit einzuhüllen, als die Männer sich verabschiedeten. Bald darauf hörte Gisela die Motorengeräusche der Wägen und wie diese immer leiser wurden, bis sie von gänzlicher Stille umgeben wurde. Für heute würde auch sie Feierabend machen.

Leichte Sentimentalität überkam sie. Sie blickte sich in dem großen Raum um. Hier zu leben, würde ihr gefallen. Sie richtete die Stube in Gedanken neu ein. Sah alles bildhaft vor sich. Und das Schönste daran? Jakob hielt sie im Arm und fröhliches Kinderlachen drang an ihre Ohren. Ein wunderbarer Traum. Aber eben nur ein Traum. Gisela beschloss, noch ins Dorf zu fahren und Hanna im Wollstadl zu besuchen. Vielleicht hatte sie nach Dienstschluss Lust, mit ihr ins Café Fröhlich zu gehen. Konnte ja gut sein, dass auch sie eine kleine Ablenkung benötigte, weil Lukas und Jakob für die nächsten Tage in Graz waren. Sie brauchte jetzt etwas Süßes, das ihre Stimmung wieder hob. Zudem hatte sie heute nur ein Wurstbrot gegessen.

Hanna bediente gerade eine Kundschaft, als Gisela in den Wollstadl kam. Bis Hanna fertig war, sah sie sich im Geschäft um. Bald entdeckte sie neue Capes und Westen. Sie nahm ein senffarbenes Cape vom Ständer. Es fühlte sich wunderbar weich und flauschig an. Schnell beschloss sie, es anzuprobieren. Gisela schlüpfte in das Teil und besah sich im Spiegel, der im hinteren Bereich des Ladens stand.

„Wow, die Farbe steht dir ja super“, sagte Hanna auf einmal hinter ihr. Sie hatte sie gar nicht bemerkt.

„Finde ich auch“, bestätigte Gisela und lächelte ihre Freundin über ihr Spiegelbild an. „Ich nehme es. Packst du es mir ein? Und hast du Lust, mit mir rüber ins Café zu gehen? Irgendwie bin ich müde und mir ist einfach nach Abwechslung zumute.“ Da brauchte sie nicht lange fragen.

„Ist eine super Idee.“ Hanna sperrte ihren Laden für heute zu.

Im Café waren fast alle Plätze besetzt. Raphael und Julie nahmen Bestellungen auf, servierten, räumten schmutziges Geschirr ab und kassierten.

„Hi“, begrüßte sie Julie, als sie an ihren Tisch kam. „Schön, euch zu sehen. Was darf ich euch bringen?“

„Eine Melange und einen Muffin“, bestellte Hanna.

„Für mich dasselbe, bitte“, schloss sich Gisela an. „Heute ist hier aber eine Menge los.“

„Ja, allerdings. Es sind noch viele Skiurlauber hier im Ort.“ Julie lächelte Gisela zu und eilte dann davon.

„Und wie läuft es bei dir im Laden?“ Gisela schob die Ärmel des Strickpullovers etwas zurück.

„Ganz gut. Hätte nicht gedacht, dass die Leute auch nach Weihnachten noch shoppen. Ich bin wirklich zufrieden. Wir haben zuhause alle Hände voll zu tun, um beim Produzieren nachzukommen. Lukas hat vorige Woche, am ersten Februar, auch den Onlineshop im Internet freigeschaltet. Wie befürchtet, werde ich nicht alles schaffen. Aber erstaunlicherweise ist mir meine Schwester jetzt eine große Hilfe. Bianca unterstützt mich beim Onlineverkauf. Das wäre vor ein paar Monaten noch undenkbar gewesen.“

„Und wie geht es ihr mit der Schwangerschaft?“

Julie trat mit dem Bestellten an den Tisch, weshalb Hanna kurz wartete, bevor sie weitersprach.

„Danke, Julie“, sagte sie und Julie eilte bereits zu den nächsten Gästen.

„Mittlerweile geht es Bianca sehr gut. Sie kann wieder alles essen, ohne zu erbrechen. Auch ihr Gemütszustand hat sich gebessert. Nun freut sie sich auf ihren Nachwuchs.“

„Und der Vater des Kindes? Hat sich die Situation zwischen ihnen gebessert?“

„Nein, leider nicht. Der Herr Professor streitet alles ab und natürlich will er sich von seiner Frau nicht scheiden lassen. Aber Bianca hat auch mit ihm abgeschlossen. Sie hat sich bereits erkundigt, ob sie in Wien ihr Studium weiterführen könnte. Soweit ich es mitbekommen habe, wäre dies teilweise auch online möglich. Du kennst Bianca. Sie ist schon wieder am Planen. Meine kleine Schwester ist eine Kämpfernatur. Nach dem psychischen Einbruch zu Beginn ihrer Schwangerschaft, wo sie sogar an Abtreibung dachte, ist sie jetzt wieder völlig die Alte. Und das ist gut so.“

„Sag ihr liebe Grüße von mir und ich drücke ihr fest die Daumen, dass sie es schafft. Und wenn sie einmal einen Babysitter benötigt, stehe ich gerne zur Verfügung.“ Gisela liebte Kinder, aber vor allem Babys. Sie hatte immer schon davon geträumt, eine große Familie mit mindestens drei Kindern zu haben. Leider fehlte ihr bislang der passende Partner dazu. Das war auch ein Grund, weshalb sie Biancas Mut bewunderte.

Als die beiden das Café verließen, wirbelten große Schneeflocken durch die Luft.

„Langsam reicht es mir mit der weißen Pracht und der Kälte“, stöhnte Gisela. „Irgendwie sehne ich mich nach Sonne und Wärme. Der Sommer könnte endlich Einzug halten.“

„Oh, da wirst du dich noch ein wenig gedulden müssen“, sagte Hanna lachend und hakte sich bei Gisela ein. „Mir kann es nur recht sein, wenn der Winter lange andauert. Da läuft mein Geschäft dann vielleicht weiter so gut.“

Jetzt lachte auch Gisela. „Okay, wenn es für dein Geschäft gut ist, finde ich mich halt auch weiterhin mit diesem Wetter ab.“ Sie schlenderten über den Hauptplatz von Funkelstein. Bis zur vorigen Woche hatte er noch im Licht der Weihnachtsbeleuchtung gestrahlt. Zu Lichtmess, am zweiten Februar, war sie abgedreht worden. Schade eigentlich, dachte Gisela.

„Vermisst du Lukas?“, fragte sie in die Stille.

„Ja, ganz entsetzlich“, gestand Hanna. „Zum Glück sind wir nur selten getrennt. Wir telefonieren aber täglich miteinander. Und wenn alles gutgeht, kommen die beiden am Wochenende wieder zurück.“ Sie beugte sich vor.

„Und was ist mit dir und Jakob? Habt ihr euch mittlerweile angenähert.?“

„Nein. Ich glaube, er hat eine andere Frau. Zumindest will er von mir nichts wissen. Das ist so klar wie die mit Meister Proper geputzten, glänzenden Flächen. Weißt du, ich werde aus ihm nicht schlau. Manchmal sieht er mich mit einem sehnsüchtigen Blick an, als würde er mich gleich in seine Arme ziehen. Und dann, patsch, dreht er sich weg und dieser kurze Augenblick ist verflogen.“

„Du hast dich in ihn verliebt.“ Hannas Aussage glich eher einer Feststellung denn einer Frage.

„Leugnen hilft wohl nicht? Warum gerate ich immer an Männer, die entweder Arschlöcher sind oder meine Liebe nicht erwidern?“ Antwort erwartete Gisela keine. Mittlerweile waren sie bei ihren Autos am Parkplatz angelangt. Sie umarmten und verabschiedeten sich. Gisela stieg in ihren Swift, schnallte sich an und startete den Motor. Ihre Wohnung befand sich in der großen Siedlung am Westhang, keine fünf Minuten mit dem Wagen. Es war eine Dachgeschosswohnung, eine Garçonnière, klein, aber gemütlich. Sie genoss es, von ihrem winzigen Balkon über den Ort Funkelstein zu blicken. Sogar den See konnte sie von dort aus sehen. Die Miete war in Ordnung und für ihre Verhältnisse leistbar. Ihr kleiner, ganz privater Rückzugsort. Ihre Eltern hatten sich vor zehn Jahren scheiden lassen. Das Haus war verkauft worden und jeder hatte einen Anteil erhalten, sogar sie. Mit diesem Geld hatte sie die Kaution zahlen und für schlechte Zeiten auch noch etwas sparen können. Seither blieb der Kontakt zu ihrer Familie sehr spärlich. Ihre Mutter lebte nun mit ihrem neuen Mann auf Sardinien, der dort ein Restaurant betrieb. Ihren Vater hatte es beruflich nach Vorarlberg verschlagen. Manchmal rief er an, um sich zu erkundigen, ob bei ihr alles in Ordnung war. Bei ihrer Mutter musste Gisela froh sein, wenn diese ans Telefon ging, wenn sie sie anrief. In all diesen Jahren hatte Gisela sie nur einmal besucht. In das neue Leben ihrer Mama passte sie nicht hinein, das hatte sie sogleich gespürt. Leider war ihre Lieblingsoma Berta, die auch in Funkelstein in einem kleinen Häuschen gelebt hatte, vor zwei Jahren verstorben, der Großvater lebte schon lange nicht mehr. Mit ihr hatte sie sich prächtig verstanden und sie hatte ihr die Eltern ersetzt. Gemeinsam hatten sie Spaziergänge unternommen, Karten gespielt, hin und wieder sogar Schach, sie hatten zusammen gekocht und noch viel mehr gelacht. Gisela vermisste sie. Manchmal ging sie zum Grab, wenn sie sehr traurig war. Das Haus hatte ihr Onkel geerbt, der es verkauft hatte. Mit den Eltern ihres Vaters hingegen hatte sie keinen Kontakt. Diese lebten seit einer Ewigkeit auf Santa Cruz de Tenerife. Irgendwann, Gisela war gerade vier Jahre alt gewesen, waren sie von einem dortigen Urlaub nicht mehr zurückgekommen. Soweit sie sich zurückerinnern konnte, hatte sie sie nie vermisst.

Gisela wunderte sich, wie sie so mit ihren Gedanken abschweifen konnte. Sie betätigte den Blinker und bog in die Einfahrt zur Siedlung ab. Zu ihrer Wohnung gehörte auch ein eigener Parkplatz. Dort stellte sie ihren Wagen ab und beeilte sich, in ihr Reich zu kommen. Ihr war kalt. Schnell lief sie die Treppen in den vierten Stock nach oben. Lift gab es in diesem Haus keinen. Wohlige Wärme hüllte sie ein, als sie die Tür öffnete und in den Vorraum trat. Nun ja, Vorraum konnte man zu dieser Nische eigentlich nicht sagen. Zumindest befand sich hier die Garderobe. Sie hängte den Mantel auf und streifte die Stiefel von den Beinen. Ein Durchgang verband übergangslos den offenen Wohnbereich mit der Küche, dem Ess- und Wohnzimmer. Von dort aus führte eine Tür ins Bad mit WC und hinter der zweiten Tür befand sich die Schlafkammer. Dort reichte der Platz gerade mal für ein Bett und einen zweitürigen Kleiderschrank aus. Was solls. Es war ihr Zuhause. Hier fühlte sie sich geborgen.

So ein Familienleben, wie es Hanna hatte, die gemeinsam mit ihren Eltern, ihrer Großmutter, ihrer Schwester und jetzt auch noch mit Lukas in einem Haus wohnte, konnte sie sich gar nicht vorstellen. Das hatte es bei ihnen nie gegeben und so war sie es nie gewohnt gewesen. Früh schon musste sie lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Ihre Eltern waren damals immer mehr mit ihren Streitigkeiten und ihren Befindlichkeiten beschäftigt gewesen, als sich um die Bedürfnisse ihrer Tochter zu kümmern. Ab und zu war es Gisela vorgekommen, als wäre sie nur Ballast für sie. Bei den Hammerls hingegen war sie jederzeit willkommen gewesen. Daher war sie schon als Schulkind oft bei Hanna und ihren Eltern zu Besuch gewesen. Diese Großfamilie hatte ihr imponiert. Sie überlegte, was Jakob diesbezüglich wohl plante. Schließlich war dieses riesige Haus prädestiniert dafür. Sollte es irgendwann in neuem Glanz erstrahlen, wäre dies ein wunderschöner Ort für eine Familie. Mitten im Grünen, mit unwahrscheinlich viel Platz, auch für Tiere. Was gab es denn Schöneres für Kinder?

Gisela legte sich aufs Sofa und schloss die Augen. Sie grübelte über ihre mögliche Zukunft nach. Einer Zukunft mit Jakob. Wenn sie nur wüsste, was sie tun könnte, damit er sie endlich einmal küsste. Nur ein Kuss! Vielleicht würde es bei ihm dann klick machen und er einsehen, dass er zu ihr gehörte, dass sie beide zusammengehörten.

„Träumen darf man ja“, seufzte sie laut. Was war denn mit ihr nicht in Ordnung, dass sie einfach keinen Mann fand, der sich in sie verliebte? Im Oktober würde sie dreißig werden. Dreißig Jahre! Herrgott! Und noch immer Single! Gisela wischte sich eine verstohlene Träne aus dem Augenwinkel, dann schaltete sie den Fernseher ein, damit sie abgelenkt wurde und auf andere Gedanken kam. Sie zappte sich durch die Sender. Entweder gab es Dokumentationen und Krimis oder Science-Fiction-Filme, die irgendwann im zweiundzwanzigsten Jahrhundert spielten. Das alles interessierte sie nicht. Da! Endlich! Pretty Woman! Sie hatte diesen Film sicherlich schon gefühlte hundert Mal angesehen. Genau das Richtige in ihrer jetzigen Stimmung.

Kapitel 4

Jakob

„Wir bieten Ihnen eine umfangreiche Analyse des Status Quo in Ihrem Unternehmen. Des Weiteren erstellen wir Konzepte und Strategien zur gewünschten Zielerreichung. Selbstverständlich müssen wir die verschiedenen Maßnahmen einer grundlegenden Beurteilung unterziehen.“ Jakob blickte in die Runde der Damen und Herren der Firma Onison. Sie gehörten allesamt der höheren Etage, der Führungsebene des Unternehmens an. Er versuchte, mit allen Anwesenden, Blickkontakt zu bekommen. Nur das zählte. Jeder und jede musste sich angesprochen fühlen.

„Identifikation und Implementation von Wachstum und Umsatzsteigerungspotenzialen natürlich miteingeschlossen. Mit meinen Ausführungen bin ich am Ende angelangt. Sie können nun Fragen stellen, die mein Partner und ich Ihnen gerne beantworten werden.“ Jakob blickte auf die Uhr. „Nehmen wir uns dafür vorerst eine Stunde Zeit. Um dreizehn Uhr ist im Restaurant „Zum Schwan“ ein Tisch für uns alle reserviert. Sollte es noch weitere Unklarheiten geben, können wir diese gerne beim gemeinsamen Mittagessen klären.“ Er setzte sich wieder und warf einen Blick zu Lukas, der nun das Wort ergriff.

„Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist eröffnet. Wo gibt es für Sie noch Klärungsbedarf?“

Ein Mann um die Fünfzig mit grauen Schläfen räusperte sich.

„Nun, mir wäre schon wichtig, zu erfahren, wo Sie vorhaben, den Rotstift anzusetzen? Dass die Firma in gewissen Bereichen Einsparungen vornehmen muss, wissen wir hier alle. Mich würde nun interessieren, ob dies vorrangig bei den Mitarbeitern passiert, das heißt, ob es massenweise Kündigungen geben wird?“ Während er die Frage stellte, drehte er nervös an seinem Kugelschreiber.

„Herr Lange, ich verstehe Ihre Sorgen. Seien Sie beruhigt, es liegt nicht in unserem Bestreben, dass eine Firma möglichst viele Mitarbeiter entlässt, damit auf der anderen Seite die Zahlen schwarz geschrieben werden. Das kann ich versprechen. Vielmehr durchforsten wir die Firmenstruktur von ganz oben bis ganz nach unten. Wir schauen uns an, welche Bereiche übermäßig viel an Kosten verursachen, im Vergleich zu den Erträgen. Wenn uns darüber die Ergebnisse vorliegen, werden Sie alle natürlich davon in Kenntnis gesetzt. Ab diesem Zeitpunkt wird es für Sie, aber auch für uns spannend. Denn hier beginnt die eigentliche Arbeit. Gemeinsam mit Ihnen, der Führungsebene, mit Ihren Mitarbeitern und selbstverständlich der Geschäftsführung werden wir Konzepte erstellen. Wo geändert werden sollte, wird versucht werden, Umschichtungen beziehungsweise Neuaufteilungen vorzunehmen. Es ist der ausdrückliche Wunsch der Firmenleitung, dass bei einer notwendigen Umstrukturierung des Unternehmens auch die Angestellten ein Mitspracherecht haben und Entscheidungen mittragen sollen. Der Rotstift für Streichungen oder Entlassungen ist die allerletzte Konsequenz. Mein Partner und ich vertreten die Ansicht, dass gerade die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die wertvollste Basis darstellen, damit ein Unternehmen florieren, sich weiterentwickeln und somit Gewinne schreiben kann.“ Lukas nickte dem Herrn aufmunternd zu. Nun wagten sich auch die anderen, Fragen zu stellen. Und Jakob und Lukas waren bemüht, diese so gut als möglich zu beantworten.

Um fünfzehn Uhr verließen Jakob und Lukas das Restaurant. Sie waren nach den langen Gesprächen ausgepowert. Beim Essen wurde zwar Small Talk geführt, aber selbst da hatten sie konzentriert bleiben müssen.

Schließlich hatte die Delegation des Unternehmens um eine Woche Bedenkzeit gebeten.

„Was meinst du? Bekommen wir den Auftrag?“, fragte Lukas.

„Ich denke schon. Mein Gefühl sagt mir, dass wir beide das meisterhaft hingekriegt haben.“ Jakob klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Wie sieht es aus. Fahren wir heute noch nach Funkelstein zurück? Du wirst sicher bereits vor Sehnsucht nach Hanna vergehen, wie ich dich kenne. Und ich bin neugierig, was beim Haus in der Zwischenzeit geschehen ist.

---ENDE DER LESEPROBE---