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Seit einem Jahrzehnt arbeitet Ivy Rose Sullivan als Kellnerin in New York, doch ihr Traum vom glücklichen Leben in der Megacity hat sich nicht erfüllt, und sie sehnt sich nach ihrer Heimat Snowlake City in Montana. Wäre der Flug nur nicht so teuer!
Der bekannte Millionär und Junggeselle Miles Mcilroy feiert den Beginn der New Yorker Weihnachtszeit in einem angesagten Restaurant und lernt dort Ivy kennen. Die Frau umgibt eine besondere Ausstrahlung, die ihn in ihren Bann zieht. Weil er eine Wette verliert, erhält er von seinen Freunden Flugtickets nach Montana in die Einöde. Er ist stinksauer.
Nach Ivys Dienstschluss laufen sich die beiden erneut über den Weg, und Miles schenkt ihr spontan seine Tickets, die er loswerden möchte.
Ivy kann ihr Glück kaum fassen und bricht sofort auf. Endlich kann sie wieder ihre Großeltern umarmen. Doch als Miles unerwartet vor ihr steht, muss Ivy sich ihren Gefühlen stellen, die sie ihm gegenüber hegt, trotz ihrer Herkunft.
Zwei Welten prallen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Schaffen es Ivy und Miles, ihre Unterschiede zu überwinden und zu ihren Gefühlen zu stehen? Und was hat der Weihnachtsmann mit seinen tiefblauen Augen und seinem himmlischen Lächeln damit zu tun?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Danielle A. Patricks
Über das Buch:
Seit einem Jahrzehnt arbeitet Ivy Rose Sullivan als Kellnerin in New York, doch ihr Traum vom glücklichen Leben in der Megacity hat sich nicht erfüllt, und sie sehnt sich nach ihrer Heimat Snowlake City in Montana. Wäre der Flug nur nicht so teuer!
Der bekannte Millionär und Junggeselle Miles Mcilroy feiert den Beginn der New Yorker Weihnachtszeit in einem angesagten Restaurant und lernt dort Ivy kennen. Die Frau umgibt eine besondere Ausstrahlung, die ihn in ihren Bann zieht.
Weil er eine Wette verliert, erhält er von seinen Freunden Flugtickets nach Montana in die Einöde. Er ist stinksauer.
Nach Ivys Dienstschluss laufen sich die beiden erneut über den Weg, und Miles schenkt ihr spontan seine Tickets, die er loswerden möchte.
Ivy kann ihr Glück kaum fassen und bricht sofort auf. Endlich kann sie wieder ihre Großeltern umarmen. Doch als Miles unerwartet vor ihr steht, muss Ivy sich ihren Gefühlen stellen, die sie ihm gegenüber hegt, trotz ihrer Herkunft.
Zwei Welten prallen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Schaffen es Ivy und Miles, ihre Unterschiede zu überwinden und zu ihren Gefühlen zu stehen? Und was hat der Weihnachtsmann mit seinen tiefblauen Augen und seinem himmlischen Lächeln damit zu tun?
Die Autorin:
Danielle A. Patricks ist das Pseudonym einer aus Österreich stammenden Autorin. Ihre Liebesgeschichten sind Geschichten fürs Herz – eben Herzgeschichten. Beim Schreiben taucht sie in eine Parallelwelt ein. Die Finger wandern über die Tastatur, Worte fliegen wie von Zauberhand auf den Bildschirm, Charaktere, Menschen mit Fehlern und Vorzügen betreten die fiktive Leinwand …
Sie selbst bezeichnet sich als absoluten Familienmenschen und liebt die Ruhe. Mit ihrem Mann und diversen Haustieren lebt sie in der Weststeiermark.
Danielle A. Patricks
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
August © 2025 Empire-Verlag
Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer
Ansprechpartner: Thomas Seidl
Carolin Wenner
https://www.die-zeilenschleiferei.de/
Korrektorat: Heidemarie Rabe
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Cover: Chris Gilcher
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Illustrationen: Adobe Stock ID 438771716, Adobe Stock ID 281923508, Adobe Stock ID 130423688
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Ivy
»Ivy, der lästige Kerl an Tisch fünf verlangt nach dir. Tut mir leid, er hat mir nicht verraten, was er will.« Ihre Kollegin Samantha zuckte bedauernd die Schulter. Ivy verzog genervt die Nase. Sie steuerte auf Tisch fünf zu, an dem sechs Männer, dem Aussehen nach gut verdienende Geschäftsleute, saßen und sich aufspielten. Seit sie eingetreten waren, zeigten sie, dass sie sich als etwas Besseres sahen. Keine Ahnung, was sie hierher ins ›The Colorful Inn‹ verschlagen hatte.
»Hi, Kleine, bring uns noch eine Flasche Dalmore-Whisky«, bestellte der blonde Herr, den sie auf Mitte vierzig schätzte. »Und deine Telefonnummer, Kleines«, schwatzte er noch hinterdrein.
Wie sie dieses betrunkene Pack hasste!
Ohne Kommentar verzog sich Ivy, sie hatte schon lange gelernt, dass es nichts brachte, wenn sie sich aufregte. Also holte sie die bestellte Flasche, schenkte eine Kostprobe in ein frisches Glas und reichte es dem Gast. Er kostete und nickte ihr zu.
»Ist okay, du kannst einschenken.«
Sie füllte die Gläser, die auf dem Tisch standen.
»Und, wie sieht’s aus?«, er schob ihr einen Zettel und einen Kugelschreiber zu. »Schreib mir deine Telefonnummer auf, du wirst es nicht bereuen.«
Am liebsten hätte sie ihm das schleimige Grinsen aus der Fratze geschlagen.
»Keine gute Idee, dem Personal ist so etwas strengstens untersagt«, wehrte sie ab und ging zur Theke. Ohne die Männer weiter zu beachten, bediente sie die anderen Gäste.
»Was wollte der?« Ihr Chef Rodrigues nickte mit dem Kinn in die Richtung.
»Anbaggern«, erwiderte Ivy. »Aber er gefällt mir nicht.«
»Mamma Mia«, meckerte ihr Chef. »Warum machst du ihnen nicht schöne Augen? Dann klingelt es in der Kasse, auch in deiner. Du könntest dein Trinkgeld erheblich steigern.«
»Pah, ich bin nicht käuflich! Das weißt du!« Ivy knallte das Tablett mit den leeren Gläsern, die sie vorhin eingesammelt hatte, auf den Tresen, dass sie klirrten. Sie funkelte Rodrigues vernichtend an.
»Wenn dir etwas nicht passt, verschwinde ich!« Die Worte purzelten wie glühende Kohlen aus ihrem Mund, bevor sie sie hätte zurückhalten können. Das passierte ihr immer, wenn sie sich aufregte. Da ging ihr Temperament mit ihr durch. Wütend starrte sie Rodrigues an. Ihr Herz schlug wild.
In der Zwischenzeit diskutierten die Gäste an Tisch fünf lautstark. Oder stritten sie sich? Ivy war es egal. Weil ihr Chef nichts mehr entgegnete, bediente sie einen anderen Tisch. Es waren drei Leute gekommen, allem Anschein nach Touristen. Sie nahm gerade deren Bestellungen auf, als der blonde Schnösel von Tisch fünf neben ihr auftauchte.
»Ich will deine Telefonnummer, Indianerschlampe«, forderte er mit einer bedrohlichen Intensität in der Stimme. Er packte sie fest am Oberarm. Sein Griff brannte auf ihrer Haut. Sein Gesicht war von einem schleimigen Grinsen verzerrt, das Ekel in Ivys Magen aufwühlte. Die Aggression in seinen Augen ließ sie erstarren. Ihr Puls beschleunigte sich mit jeder Sekunde.
»Lassen Sie sofort meinen Arm los«, fauchte sie ihn an.
Er packte fester zu. In einem Moment impulsiver Entschlossenheit fuhr Ivys andere Hand hoch und landete mit einem lauten Klatsch auf seiner Wange. Der Klang hallte durch das Lokal, gefolgt von einem Moment der Stille, in dem alle Augen auf sie gerichtet waren. Rodrigues kam auf sie zu und sein aufgebrachter Blick durchbohrte sie.
»Lass mich sofort los. Such dir deinesgleichen!« Ihre Stimme durchdrang den Raum mit einer Lautstärke, die die Luft vibrieren ließ. Der Mann starrte sie fassungslos an und griff an seine gerötete Wange, die sicherlich schmerzte. Seine Augen funkelten vor Zorn.
»Das hast du nicht ungestraft getan!«, schrie er erzürnt. Die Situation war geladen. Ein winziger Funke reichte aus und sie würde mit einem gewaltigen Knall explodieren.
Rodrigues versuchte die Situation zu entschärfen. Doch Ivy hatte die Schnauze voll. Sie stürmte aus dem Schankraum. Sie brauchte Luft.
Für heute würde sie die Arbeit niederlegen. Ob ihr Chef und ihre Kollegen ohne sie zurechtkamen, war ihr egal. Ihre Nerven lagen blank. Sie holte ihre Jacke und die Tasche aus ihrem Spind und verließ das ›Colorful Inn‹ durch den Hinterausgang. Draußen hüllte die feuchtkalte Luft sie sofort ein. Es war einer dieser tristen Wintertage, an denen die Kälte sich hartnäckig in die Knochen schlich und der feine Nieselregen wie ein Schleier aus Grau die Straßen bedeckte. Ivy schlang ihre Jacke enger um sich. Ihr Weg führte sie durch die hell beleuchtete und stark befahrene Houston Street Richtung Lower East Side, vorbei an Geschäften, Restaurants, Cafés, wo ihre Wohnung lag. Sie hätte die Subway nehmen können, das wäre schneller gegangen, hatte aber den Nachteil, dass sie die stickige Luft, die Enge und die Nähe der anderen Menschen hätte aushalten müssen. Nein, Subway fuhr sie nur im Notfall. Außerdem half die Kälte, den Ärger im Zaum zu halten. In Gedanken versunken wäre sie fast in eine Frau gelaufen, die aus einem Geschäft auf den Gehsteig trat. Dass sie später hierher zurückmusste, um die Hunde der Carters auszuführen, blendete sie ebenso aus. Der Gedanke an das bevorstehende Gespräch mit Rodrigues ließ sie innerlich erzittern. War es das Ende ihrer Anstellung in seinem Restaurant oder würde er sie doch behalten? Bei dem mickrigen Hungerlohn, den er ihr zahlte, war es ihr im Grunde genommen egal. Aber dann würde sie sich etwas anderes suchen müssen. Ob sie allerdings einen vergleichbar annehmbaren Job fand, stand auf einem anderen Blatt. So einfach war es nicht, in dieser Gegend passende Arbeit zu finden, noch dazu ohne abgeschlossene Ausbildung. Sie brauchte das Geld. Abermals hatte ihr Temperament überreagiert und sie in eine verzwickte Lage gebracht.
Die Sorge um ihre Zukunft wurde zudem von einem anderen Druck überschattet. Der Vermieter, dieser hinterhältige Kerl, hatte ihr bereits vor drei Tagen mit einem Schreiben gedroht, sie aus der Wohnung zu werfen, wenn sie nicht bis Ende der Woche die Miete beglich. In Ivy stieg der Zorn auf. Warum drängte er sie so? Sie hatte doch immer pünktlich bezahlt.
Die 1,2 Meilen zu ihrer Wohnung schienen endlos, obwohl sie für die Strecke nur dreißig Minuten benötigte. Jeder Schritt war von der Last der Unsicherheit und der drohenden Zwangsräumung begleitet. Zudem machte sich ihr Magen bemerkbar und knurrte vor Hunger, und der Gedanke daran, hungrig schlafen zu müssen, schnürte ihr die Kehle zu.
Normalerweise hätte sie nach Ladenschluss im Lokal von den Speisen gegessen, die übrig blieben. Doch heute fiel auch das aus, und ihr Kühlschrank war so leer wie ihr Geldbeutel. Ein Gedanke schlich sich in ihren Kopf - vielleicht hatte ein guter Geist heimlich ihren Kühlschrank gefüllt? Ein Seufzer entwich Ivy über ihre Träumereien, während sie die letzten Meter zu ihrer Wohnung zurücklegte, bereit für die ungewisse Nacht, die vor ihr lag.
Vor zehn Jahren, nach dem Tod ihrer Eltern, war sie von zu Hause geflohen. Der Verlust hatte das rationale Denken ausgeschlossen. Mit der Hoffnung auf ein besseres Leben im Gepäck war sie hierher in die Metropole New York gezogen. Einen tollen Job und ein angenehmes Leben, zumindest in der Mittelklasse, strebte sie an. Mittlerweile war sie zweiunddreißig und ihr Konzept nicht aufgegangen. Mit drei Gelegenheitsjobs, die sie rund um die Uhr auf Trab hielten und immer wieder wechselten, kämpfte sie sich durch. Die Miete für ihr winziges Einzimmer-Apartment verschlang mehr als zwei Drittel ihres kargen Einkommens, als ob es von einem hungrigen Ungeheuer verschlungen wurde. Und dieses Ungeheuer hatte einen Namen: John Wilson. Ivy seufzte und verdrängte die Gedanken an die unerbittlichen monatlichen Zahlungen. Der einzige Trost, den die Wohnung bot, war der private Sanitärraum. Der lag nicht wie sonst üblich auf dem Flur und musste nicht mit anderen Bewohnern geteilt werden. Bei ihrer Wohnungssuche damals war ihr vieles untergekommen, aber in der Bronx waren die Zustände am schlimmsten gewesen.
Ivy erreichte den Häuserblock, in dem sich ihre mickrige Behausung befand. Die Lower East Side war ein Einwandererviertel und hatte noch humanere Mietpreise als andere Gegenden. Das war wohl auch ein Grund, weshalb sie bei ihrer Ankunft in New York City hier gelandet war. Sie stieg die knarrende, abgetretene Holztreppe empor, die sich in den dritten Stock wand. Der Geruch von feuchter Modrigkeit hing in der Luft, durchsetzt von einem Hauch von abgestandenem Essen und dem intensiven Duft von Hundepisse. Ivy kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Schlüsselbund. Endlich! Nachdem sie sich durch all die anderen Dinge in ihrer Tasche gekämpft hatte, hielt sie den Schlüssel in der Hand. Es schien fast so, als hätte er sich absichtlich ganz unten versteckt, um sie zu ärgern.
»Na, heute schon früh daheim?« Die Stimme ihres Vermieters ließ sie hochfahren. Wo war der denn auf einmal hergekommen?
»Ja, ausnahmsweise. Bin aber gleich wieder weg. Hätten Sie etwas gebraucht?« Neugierig stierte sie ihn an.
»Allerdings! Das Geld für die Miete!«
»Aber die Miete ist doch erst in drei Tagen fällig.«
»Du irrst dich! Der Zeitplan, wann die Miete zu zahlen ist, wurde umgestellt. Sie ist ab sofort immer am Monatsersten fällig! Das heißt, du bist in diesem Monat im Verzug und in vier Tagen haben wir Monatsanfang und da ist die Miete für Dezember fällig.«
Ivy starrte den Mann entgeistert an. In seiner abgetragenen Kleidung hingen die Essensreste der letzten Woche. Die fettigen Haare klebten an seinem Kopf und der Vollbart hätte schon längst Wasser und eine Rasur benötigt. Eine Dunstwolke aus Alkohol umhüllte seine erbärmliche Erscheinung.
»Das ist jetzt nicht Ihr Ernst! Seit ich hier wohne, habe ich jedes Mal pünktlich am Monatsende meine Miete bezahlt«, bestand Ivy auf ihrem Recht. »Sie können doch nicht von jetzt auf gleich die Regeln ändern? Sie wissen genau, dass ich jeden Tag schufte, damit ich das Geld für die Miete zusammenkratze!« Sie war außer sich. Waren heute alle gegen sie?
»Es tut mir leid«, faselte er und grinste sie schief an, »du brauchst nur das Geld für diesen Monat und in ein paar Tagen das für den nächsten Monat zahlen, dann ist alles okay. Ich komme morgen noch einmal und hoffe, du kannst deine Schulden begleichen.« Er schwankte an ihr vorbei die Treppe hinunter, ohne sich umzudrehen, umhüllt von einem schweren, süßlichen Duft von Alkohol. Es war ein Gemisch aus vergossenem Bier, herben Spirituosen und abgestandenem Wein, das sich wie ein unsichtbarer Schleier um sie legte.
Der Schock benetzte ihr Gesicht mit kaltem Schweiß. Mit zittriger Hand sperrte sie die Tür zur Wohnung auf und mit einem lauten Knall schlug sie sie zu. Scheiße! Was war denn heute los? Der Mistkerl konnte sie doch nicht einfach auf die Straße setzen! Oder doch? Ihr fiel ein, dass sie nie einen Mietvertrag unterschrieben hatte. Ein gravierender Fehler, wie sie nun feststellte.
So viel Ärger gerade einmal einen Tag vor Thanksgiving. Früher einmal hatte sie sich auf diesen besonderen Tag, mit dem die Vorweihnachtszeit eingeläutet wurde, gefreut. Bereits seit Jahren war der Reiz dieses besonderen Tages aus ihrem Leben verschwunden. Für sich allein würde sie keinen Truthahn brutzeln. Außerdem hätte sie sich eh keinen leisten können, noch dazu musste sie sowieso arbeiten wie all die Jahre zuvor. Sie schenkte sich ein Glas Wasser ein und trank es in einem Zug leer. Ihr blieb nur kurz Zeit, um sich auszuruhen. In einer Stunde stand ihr Termin bei den Carters an, um ihre vier niedlichen Yorkshire-Terrier Batman, Tiger, Sunny und Sunshine auszuführen. Die kleinen Fellknäuel mit ihren seidigen Haaren und treuherzigen Augen waren wie lebhafte Wirbelwinde, die ständig nach Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten verlangten. Ivy stellte sich das fröhliche Gebell und das freudige Wedeln ihrer Ruten vor. Sie freute sich auf die Hunde, sie waren ein kleiner Lichtblick an diesem bescheidenen Tag. Um zum eleganten Stadthaus der Carters zu gelangen, musste sie dieselbe Strecke wie zuvor zurücklaufen, sogar noch ein Stück länger. Ihr Handy klingelte. Rodrigues! Was wollte er denn jetzt?
»Ja«, meldete sie sich.
»Also die Nummer, die du da heute abgezogen hast, das war unter aller Würde«, donnerte er los. »Verschwindest einfach mitten im größten Wirbel.«
Ivy hielt sich das Handy etwas vom Ohr entfernt. Er holte kurz Luft und Ivy nutzte die Gelegenheit.
»Was willst du, Chef? Ich bin kein Freiwild und lasse mich auch nicht rassistisch beleidigen! Wenn du mich deswegen hinauswirfst, ist das deine Sache. Passt! Dann komme ich morgen halt nicht mehr!« Sie wollte das Gespräch beenden.
»Bist du jetzt von allen guten Geistern verlassen? Morgen ist Thanksgiving! Da brauche ich jede Hand. Ich wollte nur sichergehen, dass du pünktlich zum Dienst erscheinst«, bellte er in den Hörer.
»Okay«, sagte Ivy gerade noch, dann war die Leitung unterbrochen. Himmel! Nach dieser Aktion heute hätte er sie rausschmeißen können. Gut, dass er es nicht getan hatte. Sie brauchte jeden Penny. Sie fluchte vor sich hin, während sie die Treppe hinunterlief. Draußen war der Nieselregen in Regen übergegangen. Sie schlug die Kapuze ihrer Jacke über den Kopf. Sauwetter! Jetzt entschied sich Ivy doch, die Subway zu nehmen, um zu den Carters in East Village zu gelangen. Die Lust am Fußmarsch war ihr vergangen. Die Gegend war lebhaft und bunt, mit kleinen Cafés und Boutiquen, die entlang der Straßen verstreut standen. Als sie bei Mrs. Carter ankam, wartete die ältere Dame schon auf sie. Sie öffnete die Tür, bevor Ivy klingeln konnte, und reichte ihr die Leinen, an denen die vier Yorkshire-Terrier angegurtet waren.
»Endlich! Meine Lieblinge warten schon sehnsüchtig auf ihren Ausgang. Heute sind Sie aber später als üblich.« Bei Mrs. Carters nasaler Stimmlage musste Ivy immer achtgeben, nicht zu lachen. Der enorme Körperumfang der Dame und die hohe zarte Stimme passten einfach nicht zusammen.
»Ich habe mich beeilt, ging leider nicht früher«, entschuldigte sich Ivy halbherzig, bevor sie die Leinen übernahm. Die Hunde wedelten freudig mit ihren Schwänzchen und hüpften an ihren Beinen hoch. Ihre Besitzerin hatte jedem von ihnen ein wetterfestes Hundemäntelchen angezogen. Ivy querte die Straße und lief mit ihren Begleitern in den nahegelegenen Park zur Hundespielwiese. Dort ließ sie die Leinen länger ausfahren, damit die Vierbeiner ihre Geschäfte erledigen, herumschnüffeln und herumtoben konnten. Die bunten Graffiti-Wände des Parks bildeten einen interessanten Kontrast zur geschäftigen Stadt. Sie spazierte den Weg entlang, immer bedacht darauf, dass kein größerer Hund ihren Kleinen etwas antat. Als der Regen stärker wurde und ein kalter Wind aufzog, lief sie zurück zur Besitzerin, um die Vierbeiner abzuliefern. Diese hielt wie immer die vereinbarte Gage bereit. Dieses Mal gab es sogar zusätzliches Trinkgeld. Ivy freute es, konnte sie doch jeden Cent gut gebrauchen.
»Morgen in der Früh um sieben Uhr dreißig sind Sie bitte wieder hier«, bat Mrs. Carter. Ivy nickte ihr zur Bestätigung zu.
In dieser Nacht schlief sie sehr unruhig. Dementsprechend gerädert stand sie am nächsten Morgen auf. Draußen schüttete es einem Wolkenbruch ähnlich. Ivy graute es. Sie brühte sich einen heißen Tee auf, den sie in kleinen Schlucken trank. Ihr Magen knurrte. Auf dem Weg zu den Carters musste sie sich eine Kleinigkeit zum Essen besorgen, wenn sie nicht umkippen wollte.
Zum Glück ließ der Regen nach. Sie verließ das Haus und sputete sich, damit sie ihrem Vermieter nicht über den Weg lief. Meist schlief er um diese Uhrzeit noch seinen Rausch aus. Als Ivy die Subway-Station erreichte, atmete sie durch. Bei den Carters öffnete die Haushälterin die Tür und übergab Ivy die angeleinten Hunde. Die Vierbeiner waren aufgeregt und wedelten wie gewohnt freudig mit ihren Schwänzen, als sie die Leinen übernahm. Endlich hörte der Regen auf. Das war gut, so konnte sie sich mehr Zeit für den Spaziergang mit den Hunden nehmen. Der Asphalt war noch nass und glänzte wie funkelnde Diamanten. Es war Thanksgiving, und die Geschäfte hatten ihre Türen geschlossen, was der Gegend für den Moment eine ungewohnte Ruhe verlieh. Die Stille wurde nur von dem Knarren und Rauschen der Zedernbäume des naheliegenden Tompkins Square Parks und dem entfernten Kinderlachen durchbrochen. Die friedliche Atmosphäre legte sich wie ein zarter Schleier über die Stadt. Doch die Ruhe würde nicht lange anhalten, denn schon bald würden sich die Menschenmassen hier versammeln, um die Parade zu sehen.
Ivy schlenderte gemütlich die Shopping-Avenue entlang und betrachtete die bunten Schaufenster, die an diesem Feiertag besonders festlich geschmückt waren. Lebhaftes Treiben empfing sie im Hundepark. Große und kleine Hunde, alle angeleint, zogen ihre Frauchen und Herrchen hinter sich her, während sie um die Wette schnüffelten und ihre Duftmarken an jedem Baum hinterließen. Die Szenerie war voller Leben. Der Park sprühte vor Leben. Auch Miss Carters Yorkshire-Terrier mischten ordentlich mit. Sie spielten und tollten mit den anderen herum, als wären sie die Könige des Parks. Ihre Freude steckte selbst Ivy an und verleitete sie zu einem verstohlenen Lächeln. Sie liebte alle Tiere, egal welcher Art. Ihr Vater, der Ranger im Glacier National Park gewesen war, genau wie ihr Großvater, hatte sie oft mitgenommen. Die Erinnerung daran weckte in ihr eine tiefe Verbundenheit zur Natur. Sie war sowohl mit Haustieren als auch mit Wildtieren gleichermaßen aufgewachsen und hatte gelernt, sie zu respektieren und zu schätzen. Die majestätischen Hirsche, die durch die Wälder des Nationalparks streiften, die neugierigen Eichhörnchen, die in den Bäumen herumtollten und die scheuen Füchse, die sich im Unterholz versteckten - sie alle hatten einen Platz in ihrem Herzen. Das war auch der Grund gewesen, dass sie damals mit der Ranger-Ausbildung begonnen hatte. Sie wollte in die Fußstapfen ihres Vaters und Großvaters treten. Durch ihre überstürzte Flucht hatte sie diese jedoch nicht abgeschlossen. Immer mehr wurde ihr bewusst, wie sehr ihr ihre Heimat fehlte.
Wehmütig dachte sie an ihre Großeltern, die ihr die Liebe zur Natur und zu den Tieren vermittelt hatten. Die Erinnerung an die gemeinsamen Ausflüge in die Wildnis, die Lagerfeuerabende unter dem funkelnden Sternenhimmel und die Geschichten, die ihr Großvater am Lagerfeuer erzählte, ließen ihr Herz vor Sehnsucht schmerzen. Wie sie wohl heute Thanksgiving feierten? Sicherlich besser als sie selbst. Zehn Jahre war sie nicht mehr bei ihnen gewesen. Leider hatte das Geld für einen Flug nach Hause nie gereicht. Außerdem, was sollte sie dort in der Wildnis? Seit ihre Eltern vor zehn Jahren mit einem zweimotorigen Flugzeug in den Rocky Mountains abgestürzt und dabei ums Leben gekommen waren, hatte sie nichts mehr in diesem Land gehalten. Sie wollte ein neues Leben anfangen und vergessen. Die Trauer klammerte sich noch immer fest um ihr Herz. Heute sehnte sie sich danach, ihre Großeltern in die Arme nehmen zu können und durch den kleinen Ort zu flanieren. Am Rande des niedlichen Ortes Snowlake City, umgeben von hohen Bäumen, lag das Camp ›Hopeful Place‹. Ihre Großeltern hatten es im Laufe der Jahre gemeinsam aufgebaut. Es bestand aus fünf Blockhütten mit mehreren Betten und dem Haupthaus. Im Sommer wurden oft zusätzlich Zelte aufgebaut. Ob es in der Zwischenzeit erweitert wurde, wusste Ivy nicht. Wie es jetzt wohl aussah? Zu Hause hatte immer eine friedliche, entspannte Atmosphäre inmitten der Natur geherrscht. Das fehlte ihr in der Großstadt, wenn sie ehrlich zu sich war. Granny und sie telefonierten nur sehr selten miteinander. Meist zu Weihnachten und zu den jeweiligen Geburtstagen. Das lag wohl auch daran, dass ihre Großeltern es ihr nie verziehen hatten, dass sie weggezogen war. Ihr wurde schwer ums Herz. All ihre Wünsche und Hoffnungen, in New York City ein gutes erfolgreiches Leben aufzubauen, wichen in den Jahren der harten Realität. Sie konnte kaum das Geld für die Miete auftreiben, geschweige denn sich einen Flug nach Hause leisten.
Miles
Miles verließ den geschäftigen Flughafen in Florida und trat hinaus in das gleißende Sonnenlicht. Ein sanfter Wind strich durch sein Haar, während er auf den weißen Sandwegen des Flughafengeländes entlangschlenderte.
Ein schwarzes Taxi wartete bereits auf ihn mit glänzendem Lack und schicken Ledersitzen, die ihn einluden, Platz zu nehmen. Der Fahrer begrüßte ihn herzlich und mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen und verstaute er sein Gepäck. Die Fahrt führte vorbei an üppigen Palmenhainen und glitzernden Wasserstraßen, an deren Ufern elegante Jachten vertäut waren. Die Straßen waren umgeben von pastellfarbenen Art-déco-Gebäuden, die in der Sonne schimmerten, und die von lebhaften Straßenkünstlern bevölkert waren, die ihre Werke präsentierten.
In diesem Moment ging ein Anruf seines Freundes Ethan ein. Er nahm das Gespräch unverzüglich an.
»Hey altes Haus, was gibt’s denn?«
»Wo steckst du? Wir warten schon alle auf dich.« Die Ungeduld in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Ich komme gerade vom Flughafen und wenn wir in keinen Stau geraten, sollte ich in fünfzehn Minuten bei euch sein.«
»Wir warten in der Bar beim Golfclub auf dich. Wir werden uns auf deine Kosten einen hervorragenden Whisky gönnen. Schließlich hatten wir vereinbart, dass wir uns hier um zehn Uhr treffen, jetzt ist es zehn Uhr dreißig«, meckerte Ethan.
»Das werde ich mir gerade noch leisten können.« Miles lachte vergnügt. Wie er seine Freunde kannte, würden sie wohl den ältesten Jahrgang auswählen. Sie beendeten das Telefonat und Miles checkte die Aktienkurse. Die Börse pulsierte mit Bewegung und Veränderung, die Kurse schwankten wild und unberechenbar. Doch inmitten dieses Chaos blieb eine Konstante bestehen, die Ölpreise stiegen unaufhaltsam in die Höhe. Ein Fakt, der Miles mit Genugtuung erfüllte. Als Erbe einer wohlhabenden Familie, die mehrere lukrative Ölfelder besaß, konnte er sich glücklich schätzen.
Miles führte ein sorgenfreies Leben. Als Teilhaber des Familienunternehmens bestand seine einzige Verpflichtung darin, an diversen Besprechungen teilzunehmen. Ansonsten konnte er seinen Hobbys wie Golfen oder Reisen frönen oder in das pulsierende Nachtleben der Stadt eintauchen. Er genoss es, seine Abende in exquisiten Bars und angesehenen Clubs zu verbringen, umgeben von Luxus und Glamour. Alles wäre perfekt, wenn seine Eltern ihn nicht unaufhörlich dazu drängen würden, endlich zu heiraten und die Familientradition fortzusetzen. Seine Schwester, die zehn Jahre jünger war als er, erwartete ein Kind, und seine Mutter machte ihm ständig Vorwürfe, warum er noch keine Partnerin gefunden hatte.
Während seine Schwester sich in Luxus suhlte und ihren Launen freien Lauf ließ, zog es Miles vor, in Washington DC zu bleiben fernab vom Druck und den Erwartungen seiner Familie in East Hampton.
Schließlich erreichten sie den Miami Beach Golf Club, wo Miles von einem Hauch von Salz in der Luft und dem Klang von schlagenden Golfbällen begrüßt wurde. Der Golfplatz erstreckte sich vor ihm mit makellosen Fairways und üppigen Grüns, die von Königspalmen, Dattelpalmen, Kokospalmen und Blühpflanzen wie Hibiskus, Bougainvillea, Orchideen und Frangipani umgeben waren. Er atmete tief durch und eilte zur Bar. Seine Freunde Ethan, Liam und Matthew amüsierten sich köstlich. Lachend stießen sie mit ihren Whiskygläsern an. Miles trat hinzu.
»Da bist du ja endlich«, empfing Ethan ihn.
Liam reichte ihm ein Glas Whisky. »Hier, den haben wir für dich reserviert.«
Miles nickte ihm zu und trank von der braunflüssigen Köstlichkeit.
»Ah, das hat gutgetan. Auf dem Weg zum Flughafen sind wir in einen Stau geraten, weshalb wir erst später abfliegen konnten.«
»Ist ja kein Problem«, beruhigte Liam. Seine Freunde standen auf.
»Ab auf den Platz, ich kann es kaum erwarten, endlich zu golfen.« Typisch Matthew.
»Ab wann habt ihr die Tee-Time reserviert?« Es war unhöflich, sich bei der gebuchten Abschlagszeit zu verspäten.
»Wir haben vorhin umgebucht, weil du nicht rechtzeitig aufgetaucht bist«, erklärte Liam. »In fünfzehn Minuten können wir abschlagen.«
Miles und seine drei Freunde, alle ungefähr in seinem Alter, alle aus reichen Familien stammend und obendrein Single und mit jeder Menge freier Zeit gesegnet, machten sich auf den Weg, um sich endlich am Course messen zu können.
»Damit das Ganze interessanter wird, könnten wir um einen Wetteinsatz spielen«, schlug Ethan vor. »Aber nicht um Geld, das wäre langweilig. Sondern um etwas, das weh tut.« Er setzte ein freches Grinsen auf.
»Was wäre das?«, wollte Matthew wissen. »Hast du schon eine Vorstellung?«
»Eventuell, dass der Verlierer einen Tag auf der Straße als Bettler unterwegs ist oder als Musikant?«
»Nee, also, da verlasse ich sofort den Platz«, meckerte Miles.
»Ich hab’s«, rief Ethan. »Der Verlierer muss vier Wochen irgendwo in der Wildnis oder Einöde in einem kleinen Kaff verbringen. Wo, das sucht der Gewinner aus. Die beiden anderen, die den zweiten und dritten Rang belegen, haben bei der Auswahl Mitspracherecht. Mir würde so eine Auszeit schon gefallen«, meinte Ethan und grinste verschmitzt in die Runde. »Wäre mal eine Abwechslung von dem Alltag.«
Miles verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.
»Ich weiß nicht, ob das so eine glorreiche Idee ist. Bedenkt, dass ich mit Handicap dreizehn der Beste von uns bin. Ethan, du hast fünfzehn, Liam, du liegst bei sechzehn und Matthew, du hast glaube ich siebzehn. Also an eurer Stelle würde ich mir das noch einmal überlegen.«
Trotz seines Einwands waren die anderen von der Idee hellauf begeistert.
Matthew durfte mit dem Abschlag beginnen, gefolgt von Liam und Ethan. Alle drei spielten sich beim Tee-Shot eine gute Ausgangsposition heraus. Miles legte den Ball auf das Tee. Er versuchte sich zu entspannen und zu konzentrieren. Es gelang nicht. Deshalb atmete Miles noch einmal tief durch und brachte sich in Position. Dann schlug er den Ball ab. Leider traf er ihn nicht richtig. Der Ball wich nach rechts ab, verließ das Fairway und landete im Rough.
Das belustigte Lachen seiner Freunde ärgerte ihn.
»So wirst du uns nicht besiegen.« Ethan stand lässig und breitbeinig vor ihm.
»Wart’s ab!«, meckerte Miles. Sein Kommentar amüsierte seine Freunde noch mehr.
Die Stunden vergingen, aber jedes verdammte Loch war für Miles eine Qual. Er fand nicht ins Spiel. Sein Abschlag war eine Katastrophe, die Konzentration ließ zu wünschen übrig und er fand sich immer wieder in einer misslichen Lage für den Rest des Tages. Verdammt noch mal, was war nur los mit ihm? Genervt fluchte er laut. Mittlerweile lag er an letzter Stelle. Seine Form ließ zu wünschen übrig. Seine Freunde sparten nicht mit dämlichen Sprüchen, während sie langsam davonzogen. Miles wurde nervös. Er war es gewohnt zu gewinnen, speziell beim Golf. Daher dachte er nicht im Traum daran, diese Partie zu verlieren. Der Wetteinsatz war ihm anfangs egal gewesen, aber jetzt hatte er nur noch ein Loch zu spielen, und nur ein Hole-in-One konnte ihn noch retten. Er ging in Position, fokussierte seinen Blick, spannte die Muskeln an und schlug ins Out. Verdammt noch mal! Alle Chancen waren dahin. Unter dem triumphierenden Gelächter seiner Freunde zog Miles den Kopf ein. Er hatte verloren! Er hatte dieses verdammte Golfspiel verloren. Seine Freunde gratulierten sich. Liam klopfte ihm auf die Schulter.
»Nimm’s nicht zu schwer. Ist ja nur ein Spiel.«
»Jungs, das war’s«, verkündete Ethan freudig. Er lieferte das beste Ergebnis und gewann diese Runde. »Darauf müssen wir anstoßen und natürlich werde ich mir einen schönen Urlaubsort für unseren lieben Miles ausdenken«, prustete er los. Die anderen fielen in sein Lachen mit ein.
Miles verzog verärgert das Gesicht und warf den Golfschläger auf den Boden.
»So eine verkackte Partie, mir reicht es für heute. Macht doch, was ihr wollt! Ich hau ab«, schimpfte er und wollte davoneilen.
»Nicht so schnell!«, bremste Ethan ihn. »Ich habe im Golfrestaurant für uns einen Tisch für ein gemeinsames Abendessen reserviert, damit wir den Tag würdig ausklingen lassen.«
»Ohne mich«, wehrte Miles sofort ab. »Der Spaß am Small Talk ist mir heute gründlich vergangen. Die Niederlage muss ich erst verdauen.«
»Spielverderber! Nimm‘s locker, sonst geht es immer uns so. Bist du dieses Jahr auch wieder beim Christmas Lighting Event beim Rockefeller Center am vierten Dezember dabei? Bei der Dinnergala im ›Rainbow Room‹ erfährst du, wo deine Reise hingeht. Drücken gilt nicht. Wette ist Wette!« Ethan blinzelte ihm zu. »Die Plätze habe ich reserviert. Wir bekommen unseren Lieblingstisch, von dem wir alles gut überblicken können.«
Seine Freunde nickten zur Bestätigung und er ebenso.
»Übermorgen ist Thanksgiving, was macht ihr da?« Liam sah neugierig in die Runde.
»Ich muss zur trauten Familie nach East Hampton.« Miles schauderte bei dem Gedanken. Er wusste nicht, was ihn mehr nervte, dass er beim Golfen verloren hatte oder das Familientreffen. »Aber bei der Erleuchtung des Weihnachtsbaumes in New York sehen wir uns, ist doch Ehrensache. Von euch erwarte ich, dass ihr mir einen attraktiven Urlaubsort auswählt. Das Positive daran ist, dass ich dem ganzen Weihnachtsrummel entfliehen kann und von dem Klimbim nichts mitbekomme. Vor allem meine liebe Schwester ist am Durchdrehen, weil sie schwanger ist. Die ist keine fünf Minuten auszuhalten. Wie ich das zu Thanksgiving überstehen werde, weiß ich eh noch nicht.«
»Na ja, als Belohnung ist dieser Urlaub nicht gedacht, vergiss nicht, du bist heute als Verlierer vom Platz gegangen«, meinte Ethan. »Und was deine Familie betrifft, sie ist doch gar nicht so übel. Sei doch froh, dass du noch Familie hast. Wird schon nicht so schlimm werden. Schau, ich habe nur noch meinen alten Vater. Alle Geschäfte und Termine muss mittlerweile ich übernehmen. Ich hätte immer gern Geschwister gehabt.«
»Das sagst du, weil du sie nicht hast. Aber glaube mir, Familie ist nervig! Daher will ich mich auch nicht binden. Ständig das Gefasel über belangloses Zeugs von der Partnerin wie Schuhe, Taschen, Kleider und was sonst noch. Und ständig die Erwartungen, die an mich gestellt werden. Igitt! Da hab ich lieber ab und zu meinen Spaß mit einer, eine heiße Nacht und nicht mehr. Niemals im Leben werde ich mich binden, geschweige denn heiraten.« Miles meinte es so, wie er es sagte. Zu seinem Glück deckten sich die Anschauungen seiner Freunde mit seinen, was Beziehungen anlangte.
»Allerdings, Miles, da stimme ich dir zu. Ab und an ein Vergnügen und dann allein sein. Bei unserem Aussehen und unserem Kontostand ist das überhaupt kein Problem. Die Damen stehen förmlich Schlange«, stimmte Matthew zu. »Sie amüsieren sich gerne mit uns.« Er grinste breit.
»Genau. Ich mach mich mal auf den Weg, Jungs.« Miles beeilte sich, das Gelände hinter sich zu lassen. Vom Taxi ließ er sich ins Hotel bringen. Der Rückflug war für den kommenden Morgen geplant.
Am Thanksgiving-Day setzte er sich zeitig in der Früh hinter das Lenkrad, um zu seiner Familie zu fahren. Er drückte das Gaspedal seines Aston Martin und ließ die Straßen von Washington DC hinter sich. Die herbstliche Landschaft der Ostküste zog an ihm vorbei, während er mit hoher Geschwindigkeit auf die endlosen Straßen von Virginia und Maryland zusteuerte. Der Klang des kraftvollen Motors durchschnitt die Ruhe. Er liebte die Leistung seines Autos. Wälder und die weite Aussicht auf den Atlantik begleiteten ihn auf seinem Weg nach East Hampton. Die Fahrt war eine perfekte Mischung aus Freiheit, Abenteuer und Vorfreude auf Marys unvergleichlichen Truthahn. An Thanksgiving, einem der größten Feiertage in den USA, war er froh, den Paraden und Menschenmassen, die durch die Straßen zogen, zu entfliehen. Auf seine Familie freute er sich weniger.
Es waren mindestens vier Wochen seit seinem letzten Familienbesuch vergangen. Er war kein Familienmensch. Familie nervte. Vor allem seine Schwester. Olivia stellte seine Geduld auf eine Zerreißprobe, wie es eben jüngere Schwestern taten. Schon von klein auf, sie war zehn Jahre jünger als er, drehte sich alles um die kleine Prinzessin. Er fühlte sich oft zurückgesetzt, unbeachtet. Während von ihm von klein auf Leistung verlangt und Druck gemacht wurde, durfte sie Kind sein. Ihre Bestimmung von Kindesbeinen an war es, einmal reich zu heiraten. Mehr wurde nicht verlangt. Seine Bestimmung, das Firmenimperium zu übernehmen, wurde ihm in die Wiege gelegt. Dazu hatte er auf der renommiertesten Universität der Vereinigten Staaten, auf der Harvard University, seinen Master abgeschlossen. Mittlerweile war er zwar Firmenteilhaber, wohnte den Vorstandsbesprechungen einmal im Monat bei, war Leiter des Human Resources und gemeinsam mit seinem Vater gab es hin und wieder Firmentreffen mit potenziellen Kunden, die gar nicht selten auf Golfplätzen stattfanden, weil es sich dort leichter verhandeln ließ. Im Großen und Ganzen war sein Leben schon in Ordnung, weil er trotzdem über genügend freie Zeit verfügen konnte. Er drehte die Musik lauter, dass es im Wageninneren hallte. Und er liebte das Singleleben! Niemand redete ihm drein, niemand machte ihm Vorwürfe und er traf sich mit seinen Freunden, wann er und wo er wollte. Kein Gezeter, wenn er die Nacht durchmachte. Er seufzte. Seinen Vater beneidete er diesbezüglich am allerwenigsten. Seine Mutter hatte zu Hause die Hosen an, auch wenn man ihr das nicht zutraute und sein Dad das nie zugeben würde. Sie organisierte Familienfeste, an denen alle teilnehmen mussten, ob sie wollten oder nicht, plante sämtliche Urlaube für Vater und sich selbst und kommandierte die Hausangestellten. Seine Mutter zog gerne die Fäden im Hintergrund und spielte zu offensichtlich die Kupplerin, jetzt ausschließlich für ihn, seit sie seine Schwester gut verheiratet hatte. Doch Miles blieb in seinem Entschluss standhaft. Er widerstand dem Druck seiner Familie und war fest entschlossen, sein Leben in vollen Zügen zu genießen und sich nicht von den Erwartungen anderer beeinflussen zu lassen. Er wollte Junggeselle bleiben und die Freiheit und Unabhängigkeit auskosten, die ihm sein privilegiertes Leben ermöglichte. Das war auch der Grund gewesen, warum Miles East Hampton und der großzügigen Familienvilla, direkt am Meer gelegen, den Rücken gekehrt hatte.
Bevor er zu den Eltern fuhr, legte er noch einen Zwischenstopp in seinem Penthouse-Apartment in der Upper East Side ein. Ein weiterer Vorzug seines Luxuslebens. Er leistete sich zwei sehr großzügige Wohnungen, eine in Washington DC und eine hier in New York City. Den Wohnsitz in Washington DC hatte er sich zugelegt, um noch weiter von der Familie entfernt zu sein. Außerdem gefiel es ihm persönlich dort besser. Zu seinem Vermögen zählten auch ein Privatjet und eine Yacht.
Die Dachterrasse des Penthouse-Apartments in der Upper East Side bot einen atemberaubenden Ausblick auf die Skyline von Manhattan, das Empire State Building, das Chrysler Building und das One World Trade Center. Ebenso konnte er auf der einen Seite der Terrasse auf den Central Park blicken. Zudem verfügte das Apartment über luxuriöse Annehmlichkeiten wie Infinity-Pool, privaten Aufzug und eine erstklassige Ausstattung. Hierher konnte er sich zurückziehen, wenn er sich in der Nähe seiner Familie aufhielt. Er stellte seinen Wagen in der Parkgarage des Penthouses ab und fuhr mit dem Lift in sein Apartment. Er streifte sich die Schuhe von den Füßen und holte sich aus dem Kühlschrank ein kühles Brooklyn Lager. Im Salon machte er es sich auf der Couch gemütlich. Bevor er zu seinen Eltern fuhr, genoss er noch das Alleinsein.
Haushälterin Susan öffnete ihm die massive Tür der Luxusvilla. Das Haus lag direkt am Strand, war atemberaubend mit spektakulärem Meerblick und exquisiter Ausstattung und verfügte über einen privaten Strandzugang, einen Pool, elegante Innenräume mit erstklassiger Einrichtung und modernster Haus-Automatisierung. Und doch hatte sich Miles hier nie zu Hause gefühlt.
»Sir, schön, dass Sie zu Hause sind«, empfing sie ihn und nahm ihm die Jacke und den Schal ab.
»Die Herrschaften sind im Salon«, erklärte sie noch, als er vorausging.
Wo sollten sie auch sonst sein. Hier änderte sich nie etwas. Alles hatte minutiös seinen vorherbestimmten Ablauf. Auch das nervte ihn.
»Miles, Junge«, begrüßte ihn seine Mutter Kathleen, die auf ihn zu trippelte, sobald er die Doppeltür aus geschliffenem Bleiglas öffnete.
»Mom«, er nahm sie in den Arm und drückte ihr auf beide Wangen ein Küsschen. »Du siehst umwerfend und bezaubernd wie immer aus.«
»Danke, ich hab mir erst gestern von Enrico, du weißt, meinem Lieblingsfriseur, die Haare neu stylen lassen. Wie gefällt es dir?«
Miles betrachtete seine sechzigjährige Mutter genau, ohne sie loszulassen. Die langen Haare glänzten hellblond und fielen in großen leichtfließenden Wellen den Rücken hinab. Auch ihr Gesicht wirkte jugendlicher. Miles lächelte sie verschmitzt an. »Die Haare sind ein Traum, Mom. Aber das ist nicht dein einziges Geheimnis, warum du so jugendlich aussiehst. Stimmt’s?«
»Ach, dir entgeht wirklich nichts.« Eine leichte Röte überzog ihr blasses zartes Gesicht. »Dr. Henrik hat meine Fältchen weggezaubert.« Jetzt lächelte sie.
»Schön«, sagte Miles und dachte: schade. Warum schaffte es seine Mutter nicht, zu ihrem Alter zu stehen? Schon in jüngeren Jahren hatte sie damit angefangen, sich Botox spritzen zu lassen in die Wangen, Lippen und wo sie meinte, es zu brauchen. Ihr Lächeln erreichte nicht mehr ihre Augen. Zu perfekt saß die Haut. Die graue Stoffhose und die eng anliegende pinke Bluse betonten ihren schlanken Körper, der kein Gramm zu viel auf die Waage brachte. Eher das Gegenteil war der Fall.
Danach begrüßte er seinen Vater William, der ihm ein Glas Brandy reichte.
»Wie war die Fahrt?« Eine Floskel, die den Achtundsechzigjährigen nicht wirklich zu interessieren schien. Er trug eine schwarze Hose, dazu ein graues Hemd, Krawatte und ein ebensolches Sakko. Obwohl es sich um eine familiäre Feier handelte, war er wie für ein Meeting mit den Aktionären gekleidet. Sein Vater machte bei der Garderobe keinen Unterschied.
Miles kam sich underdressed vor mit seiner dunklen Jeans und dem blauen Hemd. Zum Glück hatte er statt des Blousons ein Sakko gewählt.
»Angenehm, kein Verkehr.« Miles nahm das Glas an und prostete seinem Vater zu.
Erst dann wandte er sich an seine Schwester Olivia und ihren Ehemann George Montgomery. Es irritierte ihn jedes Mal, dass sein Schwager ebenso wie der berühmte Schauspieler hieß. Zu gerne hätte er gewusst, was die Montgomerys sich dabei gedacht hatten, als sie ihrem Sohn den Namen gaben. Ob sie mit dem Schauspieler eventuell sogar verwandt waren, hatte Miles noch nicht in Erfahrung gebracht.
»Hallo Schwesterherz. Wie geht es dir und deinem Nachwuchs?« Er zog sie in die Arme. Ihr Parfum mit dem dezenten Duft von Jasmin stieg ihm in die Nase.
»Hach. Nicht gut. Du hast gar keine Vorstellung davon, was eine Frau ertragen muss, sobald sie ein Kind in sich trägt.« Sie wischte sich eine imaginäre Schweißperle von der Stirn und setzte eine zerknirschte Miene auf. »Ich schlafe seit Tagen nicht mehr. Dauernd spüre ich die Tritte gegen die Bauchdecke. Und mir ist noch immer ständig übel. Der Arzt meinte, dass das schon langsam aufhören sollte.« Wieder der zerknirschte Gesichtsausdruck. »Auch meine schöne Figur leidet mittlerweile unter der Schwangerschaft.«
»Das wird schon noch, Olivia. Du schaffst das«, tröstete er sie. »Und du siehst noch immer bezaubernd aus, kleine Schwester.« Er drehte sich seinem Schwager zu und klopfte ihm auf die Schulter.
»Du bist nicht zu beneiden. In deiner Haut möchte ich jetzt nicht stecken.« Kaum waren die Worte aus seinem Mund gesprudelt, wusste Miles, dass sie ein Fehler waren.
Wie die sprichwörtliche Hyäne fiel seine Mutter über ihn her. »Miles, wie kannst du so etwas sagen! So gefühllos! Schäm dich und entschuldige dich bei deiner Schwester.« Ihr verärgerter Blick bohrte sich in seinen.
Olivia schluchzte ob seiner Worte laut auf und tupfte sich die imaginären Tränen von den Augen.
Miles stöhnte innerlich genervt auf. Sein Vater, der hinter seiner Mutter stand, prostete ihm von der Bar aus zu.
»Keine Sorge«, beschwichtigte George. »Olivia ist sehr tapfer und ich freue mich, wenn sie mich an der Schwangerschaft teilhaben lässt.« Er blinzelte seiner um zwölf Jahre jüngeren Frau zu und schenkte ihr zur Bestätigung ein Lächeln. George mimte tatsächlich den fürsorglichen Ehemann. Miles wunderte es, weil die Ehe von Olivia und George von seinen Eltern arrangiert worden war. Dass die beiden das liebende glückliche Paar waren, kaufte er ihnen nicht ab.