Weißt du wann es Liebe ist? - Danielle A. Patricks - E-Book

Weißt du wann es Liebe ist? E-Book

Danielle A. Patricks

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Beschreibung

***BAND 3 DER EINFÜHLSAMEN HOFFNUNG-FÜR-DIE-LIEBE-REIHE***

Nach einem fatalen Unfall, bei dem sie ihre Eltern verloren hatte, sitzt die fünfundzwanzigjährige Toni im Rollstuhl. Einzig ihr Pferdehof bereitet ihr noch Freude. Trotz ihrer Beeinträchtigung reitet Toni regelmäßig aus und genießt das Gefühl von Freiheit, wenn ihr der Wind durch das Haar streicht.
Großvaters Entscheidung, den gesamten Familienbesitz zu verkaufen, verletzt Toni zutiefst, da er ihr seine Nachfolge nicht zutraut. Sie beschließt trotz allem, um den Hof zu kämpfen und ihren Großvater umzustimmen.

Jan Ollson tritt als Kaufinteressent auf und wird vom Großvater eingeladen, ein paar Tage bei ihnen zu verbringen, um die Liegenschaft zu besichtigen und den Kaufvertrag abzuwickeln. Allerdings verbirgt Jan ein Geheimnis, denn in Wahrheit soll er den Pferdehof für einen Freund erwerben. Es wäre alles so einfach, wenn da nicht Toni wäre, in die er sich verliebt hat. Als Therapeut bietet er ihr Massagen an, weil sie Schmerzen hat. So bleibt es nicht aus, dass sie sich näherkommen.
Toni kämpft mit ihren Gefühlen, die völlig auf den Kopf gestellt werden, weil sie sich zu Jan hingezogen fühlt. Und das, obwohl er der Mensch ist, der ihr das Wichtigste nehmen könnte – ihr Zuhause.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Danke
Die Hoffnung-für-die-Liebe-Reihe
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Danielle A. Patricks

 

Weißt du wann es Liebe ist?

 

Über das Buch:

 

Nach einem fatalen Unfall, bei dem sie ihre Eltern verloren hatte, sitzt die fünfundzwanzigjährige Toni im Rollstuhl. Einzig ihr Pferdehof bereitet ihr noch Freude. Trotz ihrer Beeinträchtigung reitet Toni regelmäßig aus und genießt das Gefühl von Freiheit, wenn ihr der Wind durch das Haar streicht.

Großvaters Entscheidung, den gesamten Familienbesitz zu verkaufen, verletzt Toni zutiefst, da er ihr seine Nachfolge nicht zutraut. Sie beschließt trotz allem, um den Hof zu kämpfen und ihren Großvater umzustimmen.

 

Jan Ollson tritt als Kaufinteressent auf und wird vom Großvater eingeladen, ein paar Tage bei ihnen zu verbringen, um die Liegenschaft zu besichtigen und den Kaufvertrag abzuwickeln. Allerdings verbirgt Jan ein Geheimnis, denn in Wahrheit soll er den Pferdehof für einen Freund erwerben. Es wäre alles so einfach, wenn da nicht Toni wäre, in die er sich verliebt hat. Als Therapeut bietet er ihr Massagen an, weil sie Schmerzen hat. So bleibt es nicht aus, dass sie sich näherkommen.

Toni kämpft mit ihren Gefühlen, die völlig auf den Kopf gestellt werden, weil sie sich zu Jan hingezogen fühlt. Und das, obwohl er der Mensch ist, der ihr das Wichtigste nehmen könnte – ihr Zuhause.

Kann es für sie beide eine gemeinsame Zukunft geben?

 

Weißt du wann es Liebe ist? ist ein Wohlfühlroman für alle, die noch zu träumen wagen. Gefühlvoll, ergreifend und unendlich romantisch.

 

Die Autorin:

 

 

 

 

Danielle A. Patricks ist das Pseudonym einer aus Österreich stammenden Autorin. Ihre Liebesgeschichten sind Geschichten fürs Herz – eben Herzgeschichten. Beim Schreiben taucht sie in eine Parallelwelt ein. Die Finger wandern über die Tastatur, Worte fliegen wie von Zauberhand auf den Bildschirm, Charaktere, Menschen mit Fehlern und Vorzügen betreten die fiktive Leinwand …

 

Sie selbst bezeichnet sich als absoluten Familienmenschen und liebt die Ruhe. Mit ihrem Mann und diversen Haustieren lebt sie in der Weststeiermark.

Danielle A. Patricks

 

Weißt du wann es Liebe ist?

 

Hoffnung für die Liebe 3

 

Liebesroman

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die

Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

Juni © 2024 Empire-Verlag OG

Lofer 416, 5090 Lofer

 

Lektorat: Carolin Wenner

https://www.die-zeilenschleiferei.de/

Korrektorat: Jasmin Schulte

https://zeilenstark.de/korrektorat/

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur

mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

Cover: Chris Gilcher

http://buchcoverdesign.de/

Illustrationen: Adobe Stock ID 202148465, Adobe Stock ID 133974478, Adobe Stock ID 189957528, Adobe Stock ID 624410092, Adobe Stock ID 482105251 und freepik.com.

Der Wert eines Menschen bemisst sich nicht nach seiner körperlichen Verfassung,

und auch nicht nach seinem Besitz,

sondern nach seinem Charakter

und seinen Taten.

Prolog

 

Die Sonne kroch langsam hinter der kleinen Anhöhe empor und verwandelte den Himmel in ein rotviolettes Meer. Noch lange war der Feuerball nicht vollständig zu sehen und doch verdrängte er die Nacht.

Die beiden Stallburschen Janosch und Igor arbeiteten bereits auf Hochtouren, um die Boxen zu reinigen und frisches Stroh auszubringen.

Maximilian Storch, Pferdewirt im dritten Lehrjahr, die Kappe tief in die Stirn gezogen, kam um die Ecke der langgezogenen Scheune. Er war spät dran und hastete zum Stalleingang. Jetzt, im schwachen Lichtstrahl der Deckenlampe, bemerkte er sie ebenfalls. Mit langen Schritten steuerte er auf sie zu.

Während sie darauf wartete, dass Max sich zu ihr gesellte, streichelte sie Amigos Nüstern.

»Guten Morgen, Toni. Schon so früh hier draußen?«

»Dir auch einen guten Morgen, Max. Du kennst mich ja. Mit dem Schlafen habe ich es nicht so. Kannst du mir bitte Amigo satteln? Wir beide benötigen dringend Auslauf, du verstehst, was ich meine …«

Sie verlagerte ihr Gewicht. Die halbe Nacht hatte sie wegen der Schmerzen und ihres immer wiederkehrenden Albtraums wachgelegen. Was war das für ein Leben? Wann hörten diese Träume auf? Wann würden die körperlichen, aber auch die seelischen Schmerzen versiegen?

»Bist du sicher, dass du allein raus willst? Dein Großvater …«

»Darüber hat er nicht zu bestimmen.«

Ihr Großvater sah es nicht gerne, wenn sie allein ausritt. Er hielt sie für zu gebrechlich. Aber auf dem Rücken von Amigo fühlte sie sich frei und gesund. In diesen Momenten konnte sie ungestört über die alten, die guten Zeiten sinnieren – das wollte sie sich nicht verbieten lassen, auch nicht von ihrem Großvater.

Sie rollte zur Seite, damit Max ihr Pferd aus der Box holen konnte und wartete, bis er Amigo gestriegelt und gesattelt hatte. Auf ihr Zeichen legte sich Amigo ab und sie stieg auf seinen Rücken. Max’ helfende Hand wischte sie beiseite. Beim Aufsteigen brauchte sie keine Hilfe. Amigo und sie waren ein eingespieltes Team. Als sie sicher saß, gab sie Amigo ein Kommando und der Hengst stand auf.

»Wo reitest du lang? Richtung Ferienhof?«

Sie nickte.

»Sei vorsichtig!«

»Immer.«

Sie grüßte zum Abschied und lenkte Amigo aus dem Stall und über den Hof. Früher war sie oft mit ihrer Mutter ausgeritten. Damals, als die Welt noch in Ordnung und sie glücklich gewesen war. Doch seit zwei Jahren musste sie allein ins Gelände. Seit zwei Jahren waren die Ausritte mit Amigo ihr Rückzugsort von all der Trauer und dem Trübsal, die ihr Zuhause mit einem düsteren Schleier bedeckten. Ach, wenn ihre Eltern noch bei ihr wären! Was würde sie dafür geben. Wie so oft in letzter Zeit wanderten ihre Gedanken zu ihrer Familie und dem grausamen Schicksal, das sie heimgesucht hatte. So viele Fragen gab es. Die Antworten blieben im Dunkeln verborgen, wie die Geheimnisse, die die Geschichte ihres Lebens umgaben.

 

Kapitel 1

 

Arthur Morbach liebte diese frühe Morgenstunde. Die frische Luft sog er tief in seine Lungen. Sie befüllte seinen Körper mit Sauerstoff, belebte ihn. Die Müdigkeit machte neuem Tatendrang und kraftvoller Energie Platz. Auf dem Weg zu den Stallungen ließ er den Blick über sein Anwesen schweifen. Zu seiner Rechten lagen die riesigen Weideflächen und die Reitplätze. Davor ragte das mattgelbe, zweistöckige Herrenhaus mit seinen Gesimsen, den Anbauten und dem Satteldach mit den zahlreichen Gauben in die Landschaft. Zur Linken erstreckten sich die Wirtschaftsgebäude mit den länglichen Backsteinbauten, in denen zwei unterschiedlich große Reithallen und die Boxen für die hundert Pferde, die sich zurzeit auf dem Hof befanden, untergebracht waren. Inmitten eines riesigen Rondells ragte die dreihundert Jahre alte Linde als Wahrzeichen gen Himmel, die dem Hof den Namen verlieh – »Lindenhof«. Drumherum breitete sich eine gepflasterte Fläche aus, die das Herrenhaus und die Stallungen miteinander verband.

Arthur Morbach atmete tief ein. Er nahm den speziellen Duft von Pferden, Heu und Natur wahr, der allgegenwärtig in der Luft lag. Kurz schloss er die Augen. In ihm breitete sich Stolz über sein Lebenswerk aus, das er mit harter und konsequenter Arbeit erzielt hatte. Doch nur eine Sekunde später legten sich Melancholie und Traurigkeit auf sein Gemüt. Der Entschluss, den er vor einiger Zeit schweren Herzens getroffen hatte, nagte an seinem Gewissen.

Das entscheidende Telefonat mit dem Immobilienmakler Simon Berger lag ihm tonnenschwer im Magen, wie Blei. Er hatte, so schien es, den passenden Interessenten gefunden. Allzu gerne hätte er das Gestüt weitergeführt, so wie bisher. Nur sein fortgeschrittenes Alter von achtundsiebzig Jahren ließ dies nicht mehr zu. Seine Knochen schmerzten, wenn er morgens aus den Federn kroch. Die Arthritis verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Die roten Zahlen, die sein Unternehmen seit zwei Jahren schrieb, bereiteten ihm ebenso Sorgen wie so vieles andere mehr. Er schnaufte. Den Kopf hängen zu lassen, war noch nie sein Ding gewesen. Dazu kam die Angst, wie Toni auf sein Vorhaben reagieren würde. Bis heute hatte er es nicht übers Herz gebracht, sie über seine Entscheidung zu informieren. Wie auch? Er wusste, dass sie explodieren würde! Dennoch würde sie sich mit seinem Plan abfinden müssen, ob sie wollte oder nicht. Ob sie sein Handeln verstand oder nicht.

Er streckte sich, vergrub seine kalten Hände tief in den Taschen seiner dunkelgrauen Steppjacke und marschierte weiter zu den Stallungen. Die Boxentür zu Eskarios Box stand offen, im Eingang war eine Schubkarre, halb voll mit dreckigem Stroh beladen, geparkt. Dem fröhlichen Pfeifen nach zu urteilen, war es Max, der die Box mistete.

»Guten Morgen Max«, begrüßte er den Burschen laut.

Eine schwarze Kappe erschien in der Boxentür.

»Guten Morgen, Herr Morbach. Heute scheint’s, wird ein prächtiger Tag. Die Tiere sind auch gut gelaunt.« Max schob seine Kappe zurück und sofort fiel ihm sein blonder Schopf in die Stirn.

»Hast du Toni gesehen?« Der barsche Ton, ohne auf das Geplauder zu achten, ließ Max zusammenzucken.

»Ist ausgeritten. Als ich heute Morgen meinen Dienst angetreten habe, war mein erster Job, Amigo zu satteln. Die beiden waren guter Dinge. Amigo konnte es kaum erwarten, mit Toni davon zu galoppieren.« Ein schiefes Grinsen verzog seine Lippen.

Arthur missfiel es, wenn Toni allein ausritt. Die Angst, sie könnte vom Pferd stürzen, fraß ihn beinahe auf.

»Toni soll sofort zu mir kommen, aber dalli!«

Morbach wandte sich ab und stapfte in den angrenzenden Stall, wo sich die Jungtiere befanden. Die Fohlen entstammten der eigenen Zucht. Es waren Prachttiere, mit viel Adel, Anmut und Ausstrahlung, und allem Anschein nach charaktervoll, intelligent, ausdauernd und leistungsstark. Ob er damit Recht behalten sollte, würde sich allerdings erst in den nächsten Jahren zeigen. Zumindest hatte er ein Gespür dafür.

Eines der Fohlen bemerkte ihn und kam an das Gitter des Laufstalls heran. Neugierig steckte es seinen Kopf durch die Absperrung und schnüffelte an seiner hingehaltenen Hand. Mit der Schnippe und der sonst abzeichenfreien Stirn sah es seinem Vater, dem Hengst Shadow, zum Verwechseln ähnlich. Auch die raumgreifenden und schwungvollen Bewegungen, die es beim Herumtollen über die Weide zeigte, zeugten von seiner edlen Abstammung. Ja, die Warmblüter waren sein ganz besonderer Stolz. Er hatte die familiäre Zucht auf ein neues Niveau gehoben. Seine Pferde waren fest im Spitzensport verankert, siegten regelmäßig auf internationalem Parkett und waren nachgefragt wie nie.

 

Morbach strich ein letztes Mal über die Stirn des Fohlens und ging weiter. Dieses unschuldige Wesen wusste nichts von all seinen Problemen.

»Glückliches Tier«, flüsterte er.

Durch den angrenzenden Laufstall tobten zwei Haflingerfohlen und kollidierten beinahe mit den Mutterstuten, die mit tiefhängenden Köpfen dösten. Als er herantrat, hob eine davon, Trude, den Kopf, musterte ihn kurz und entspannte sich wieder. Sie war die Lieblingsstute seiner Schwiegertochter gewesen. Morbach schluckte. Sie hatte als zweites Standbein des Unternehmens den Reittherapie-Betrieb groß aufgezogen, gewinnbringend gestartet und gemanagt. Wäre der Unfall nicht gewesen, dann wäre alles anders gekommen. Dann hätte er keine finanziellen Schwierigkeiten. Dann wären sie und sein Sohn noch hier und sein ganzes Lebenswerk stände nicht vor dem Ruin.

Er machte sich auf den Weg zurück ins Haus. Zeit für das Frühstück. Als er ins Freie trat, hastete sein Gutsverwalter auf ihn zu.

»Einen prachtvollen guten Morgen, Herr Morbach. Schon wieder so früh auf den Beinen? Ist alles in Ordnung?«

»Guten Morgen, Sepp. Na ja, alles beim Alten. Wo kommst du her?«

»Von der oberen Weide. Da ist ein Loch im Zaun, das muss heute noch repariert werden, bevor wir die Muttertiere mit den Fohlen hinauftreiben. Ach ja, und die Futterbestellung liegt auf Ihrem Schreibtisch zur Unterschrift. Das muss heute noch gefaxt werden. Bitte unbedingt dran denken.«

Arthur Morbach bestätigte mit einem Nicken und machte sich auf den Weg ins Haus.

 

Punkt zehn Uhr zeigte die alte, mit Intarsien verzierte Kirschholz-Pendeluhr an. Keine Minute zu früh. Arthur Morbach segnete soeben die letzte Bestellung mit seiner Unterschrift ab, als es klopfte und sich die schwere Holztür zum Salon öffnete.

»Herr Morbach, Ihr Termin ist da«, meldete Marie.

»Gut, schicken Sie ihn gleich rein und geben Sie Sepp Bescheid, dass die Bestellungen zum Faxen fertig sind. Ach ja, und Toni …«

»… ist schon zurück und kommt bald«, ergänzte Marie, ohne den Gutsherren aussprechen zu lassen. Sie trat einen Schritt beiseite, um den jungen Mann, der die ganze Zeit hinter ihr gestanden hatte, eintreten zu lassen.

»Bitteschön. Herr Morbach erwartet Sie.« Mit raschen Schritten entfernte sie sich.

Er ging um den Schreibtisch herum, um dem Mann entgegenzugehen und ihm zur Begrüßung die Hand zu reichen. Sein brünettes Haar glänzte im Licht der Büroleuchten und seine braunen Augen strahlten Freundlichkeit aus. Er war sportlich gekleidet in Jeans, T-Shirt und Jacke und machte auf ihn einen sympathischen ersten Eindruck.

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Herr Morbach. Ich bin Jan Olsson.«

»Schön, dass Sie den weiten Weg auf sich genommen haben, um sich das Gestüt anzusehen. Wie war die Fahrt?«

»Recht angenehm. Zum Glück war jetzt am Wochenende weniger Verkehr als befürchtet. Neun Stunden, allerdings mit Pausen, fährt man dann doch.«

»Oh, dann mussten Sie ja schon mitten in der Nacht losfahren?«

»Nein, ich bin bereits gestern angereist und habe mir in einer Frühstückspension ein Zimmer gebucht«, erklärte Jan Olsson.

»Okay, Sie sind also fit und bereit, sich mein Angebot anzuhören? Bevor wir beginnen, müssen wir noch auf Toni warten. In der Zwischenzeit erzählen Sie mir einmal Ihre Beweggründe. Was veranlasst jemanden aus Osnabrück dazu, ein Gestüt in Österreich kaufen zu wollen? Das ist nicht der nächste Weg.«

Der Mann setzte soeben zu einer Antwort an, als sich die schwere Holztür öffnete und Toni mit ihrem Rollstuhl hereinrollte.

»Na endlich, Kind, da bist du ja. Das wurde auch Zeit«, beschwerte sich Arthur bei seiner Enkelin. Er hoffte, seinem Tonfall war nicht zu entnehmen, wie ernst er die Rüge meinte.

»Großvater, ich musste heute mit dem Personal noch einiges für die Feriencamps besprechen und wir müssen noch eine Menge dafür vorbereiten.«

»Oh, das habe ich ganz vergessen. Okay, nun möchte ich dir erst einmal unseren Gast vorstellen, Herrn Jan Olsson aus Osnabrück. Herr Olsson, das ist meine Enkelin Antonia, von allen nur Toni genannt.«

Jan machte zwei Schritte auf sie zu, um ihr die Hand zu reichen. Sollte er erstaunt gewesen sein, dass sich hinter dem burschikosen Namen ein Mädchen verbarg, das noch dazu an den Rollstuhl gefesselt war, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Toni fixierte erst den Fremden und dann ihren Großvater.

»Darf ich fragen, worum es hier geht?«

»Nun, ich habe einen Entschluss gefasst. Ich werde das Gut verkaufen. Es ist für uns alle besser so.« So schwer es ihm auch fiel, sein Tonfall fiel sehr bestimmend aus.

»Du willst was?!«, schrie Toni ihn an. Sie ignorierte, dass sie nicht unter sich waren. Ihr Blick verriet ihre Fassungslosigkeit.

»Toni, jetzt reg dich nicht so auf«, versuchte er sie zu beruhigen. »Herr Olsson wird uns erzählen, warum er dieses Gestüt erwerben möchte, was seine Pläne dafür sind und uns sicherlich ein lukratives Angebot vorlegen.«

»Ohne mich! Du brauchst nicht in der Wir-Form zu sprechen. Du weißt ganz genau, dass ich niemals – verstehst du – niemals – verkaufen würde. Papa und Mama würden sich im Grab umdrehen, wenn sie das hier hören könnten!« Völlig außer sich schlug sie mit den Fäusten auf die Lehnen des Rollstuhls. Ihre Hände zitterten merklich. Zorn funkelte aus ihren sonst so sanften braunen Augen und wohl auch Unverständnis für seinen Entschluss.

»Toni, sei nicht so eigensinnig. So geht es nicht weiter. Du brauchst eine finanzielle Absicherung. Ich bin nicht mehr der Jüngste. Außerdem möchte ich die Gewissheit haben, dass du den Rest deines Lebens finanziell abgesichert bist, ohne die Last dieses Betriebes tragen zu müssen, sollte ich erkranken oder sterben. Noch dazu weißt du nicht, wie sich dein Gesundheitszustand entwickelt. Was ist, wenn du nochmals operiert werden musst?«

Seine schlimmste Befürchtung war eingetroffen. Seine Enkelin akzeptierte seinen Entschluss nicht, zu sehr hing sie an ihrem Zuhause. Er verstand sie ja, aber trotzdem musste er für ihre Absicherung sorgen. Und dann kam noch der Standesdünkel dazu, seine festgefahrene Meinung, dass nur ein männlicher Nachkomme den Hof übernehmen durfte. Sollten sie ihn doch alle für verrückt halten.

»Ach, lass mal, die Ärzte haben eine Operation bereits ausgeschlossen.«

»Außerdem, wie willst du mit deiner Behinderung …?«

»Find dich damit ab, dass ich in diesem Ding festsitze! Ich habe es mir nicht ausgesucht, das kannst du mir glauben. Und warum sollte ich das Gestüt nicht weiterführen können? Wozu habe ich denn sonst die Ausbildung zur Pferdewirtin und zur Pferdewirtschaftsmeisterin mit Auszeichnung abgeschlossen? Nur weil ich nicht mehr laufen kann, willst du das hier alles aufgeben? Als mir Marie vor ein paar Tagen so was angedeutet hat, wollte ich ihr nicht glauben. Sie hatte Recht. Du willst unser Zuhause, mein Zuhause, verscherbeln.«

»Herr Olsson, entschuldigen Sie bitte unsere kleine Meinungsverschiedenheit, was die Zukunft des Gestütes betrifft. Toni, bitte hör dir einfach an, was Herr Olsson zu sagen hat und dann zeigen wir ihm das Anwesen. Heute brauchen wir keine endgültige Entscheidung treffen«, versuchte er seine Enkelin zu beruhigen. Jetzt, in diesem Augenblick, hätte er sich gerne selbst eine Ohrfeige verpasst für seine Feigheit, mit ihr nicht schon früher darüber gesprochen zu haben. Schließlich wusste er, wie sehr Toni an den Pferden und dem Gestüt hing. Er wandte sich an den Gast.

»Nun noch einmal zu meiner Frage von vorhin: Was veranlasst jemanden aus Deutschland, aus einer Großstadt, im beschaulichen Österreich, beziehungsweise Oberösterreich, ein Anwesen wie unseres erwerben zu wollen?«

Jan räusperte sich.

»Nun ja, ich reite sehr gerne, seit meiner Kindheit. In der Großstadt habe ich mich nie wirklich zu Hause gefühlt, weil ich ursprünglich aus Garmisch stamme. Meine Großeltern führten dort eine kleine Landwirtschaft, und ich träume seither, ebenfalls einen eigenen Betrieb zu führen. Mein Vater, gebürtiger Schwede, nahm in Osnabrück einen Job an, weshalb wir dorthin übergesiedelt sind und sich meine Träume in Luft auflösten. Ich habe Ihnen ja schon erzählt, dass ich ausgebildeter Physiotherapeut bin. Außerdem absolvierte ich eine Zusatzausbildung für die Hippotherapie. Mir macht es Spaß, mit Menschen und Pferden zu arbeiten. Sie bieten auf Ihrem Gestüt auch Therapiereiten und Hippotherapie an, wenn ich richtig informiert bin.«

»Das hatten Sie mir schon erzählt, allerdings. Ja, wir bieten Hippotherapie an, aber der Hauptzweig liegt bei unserem Gestüt in der Zucht.«

»Es beantwortet die Frage von Großvater nicht – warum möchten Sie ein Gestüt in Österreich kaufen? Es gibt sicherlich auch Anwesen in Deutschland. Wahrscheinlich sogar größere«, mischte sich Toni ein. Sie blickte den jungen Mann skeptisch an.

»Ich möchte nicht irgendein Gestüt kaufen, sondern dieses, weil ihm ein guter Ruf vorauseilt und hier Zucht, Dressur und Therapie in einem Haus vereint sind. Einen Betrieb mit diesen zwei unterschiedlichen Standbeinen gibt es in Deutschland nicht. Zumindest wurde ich nicht fündig.« Er hielt ihrem skeptischen Blick stand. »Mich hat es ohnehin gewundert, als ich von den Verkaufswünschen des Herrn Morbach erfahren habe. Herr Morbach, wie es scheint, haben Sie die ganze Sache mit der Verkaufsabsicht sehr geschickt, vor allem aber geheim, eingefädelt. In den Fachzeitschriften stand nichts dergleichen und dieses Gestüt ist kein Unbekanntes. Mein Freund, ein Reitstallbesitzer, bei dem ich die Hippotherapie derzeit anbiete, hat mich darauf aufmerksam gemacht. Woher er die Information hatte, weiß ich nicht.«

»Von meiner Seite aus stünde dieses Anwesen auch nicht zum Verkauf.« Tonis lautstarker Protest richtete sich direkt an ihren Großvater, während sie ihren finsteren Blick nicht von Herrn Olsson abwandte.

»Toni, bitte, wir können über vieles reden und sicherlich noch einiges aushandeln. Herrn Olsson zeigen wir die Stallungen.« Seine nächsten Worte richtete er an ihren Besuch. »Außerdem habe ich mir gedacht, dass Sie, solange Sie hierbleiben, bei uns wohnen. Marie wird das Gästezimmer vorbereiten. Was sagen Sie dazu?«

»Danke, das Angebot nehme ich selbstverständlich sehr gerne an. Ich hatte sowieso beabsichtigt, hier vierzehn Tage Urlaub zu machen. Schön, wenn ich diesen auf dem Gut verbringen darf.«

»Das wäre dann schon mal geklärt. So, und nun machen wir einen Spaziergang.«

»Ohne mich«, polterte Toni und drehte sich mit ihrem Gefährt Richtung Tür. Ohne eine Antwort abzuwarten, rollte sie davon.

»Es tut mir leid. Ich muss mich für das Verhalten meiner Enkelin entschuldigen. Daran bin ich nicht ganz unschuldig. Ich habe sie vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne dies vorher mit ihr zu besprechen.«

»Das dachte ich mir bereits. Warum wollen Sie verkaufen, wenn es eine Erbin gibt? Ihre Enkelin scheint am Betrieb zu hängen.«

»Toni liebt ihr Zuhause, das Gestüt und vor allem die Pferde. Und ich liebe meine Enkelin. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber sie ist eine Frau! Eine Frau, die noch dazu an den Rollstuhl gefesselt ist. Es war zeitlebens Tradition auf diesem Gut, nur an einen männlichen Nachkommen zu vererben. Leider hat das Schicksal meinem Sohn und seiner Frau keinen Jungen geschenkt.

Natürlich habe ich mir Gedanken darüber gemacht, ob Toni, wäre sie gesund und hätte sie einen Partner, den Hof hätte übernehmen können. Dazu hätte ich das bestehende Erbschaftsgesetz der Familie ändern müssen. Aber so …« Morbach schwieg betreten. Und das Schweigen hing unangenehm in der Luft.

 

Kapitel 2

 

Jan hatte nicht gewusst, wie er reagieren sollte, als ihm Morbach die Begründung für seine Entscheidung mitgeteilt hatte. Sie lebten schließlich nicht mehr im Mittelalter. Solche verstaubten Ansichten durfte es gar nicht mehr geben. Hier wurde er eines Besseren belehrt.

Die Frau tat ihm leid. Er verstand sie nur zu gut. Jemandem, der vom Schicksal so geschlagen wurde, auch noch das Nest wegzunehmen, in dem er sich geborgen fühlte, war ein harter Schlag ins Gesicht.

 

In der Frühstückspension checkte Jan aus, trug sein Gepäck zum Auto und verabschiedete sich höflich von der Wirtin. Die freundliche Mittfünfzigerin schüttelte ihm überschwänglich die Hand und wünschte ihm eine gute Reise. Sie ließ ihn wissen, dass sie sich über ein Wiedersehen freuen würde.

Endlich im Wageninneren wählte er die Nummer seines Freundes über die Freisprechanlage. Thomas Wegener hob nach dem zweiten Klingelton ab.

»Hi, altes Haus«, tönte seine Stimme aus den Lautsprechern. »Bist du gut angekommen und warst du schon beim Gestüt?«

»Ja, beides. Bin gut gelandet und beim Gestüt war ich auch schon. Jetzt fahre ich gerade wieder dorthin. Der alte Morbach hat mich eingeladen, bei ihnen zu wohnen.«

»Oh, sehr großzügig. Wie lange hast du vor zu bleiben?«

»Zwei Wochen, wie wir es vereinbart haben. Schon vergessen?«

»Nein, nein. Passt super. Aber sag, hast du seine Enkelin kennengelernt? Die Kleine soll seit einem Unfall vor zwei Jahren im Rollstuhl sitzen?«

»Allerdings, ja.«

»Und?«

»Und was?«

»Na, wie ist sie? Ich meine, wie sieht sie aus? Ist sie immer noch so hübsch? Obwohl, da sie behindert ist, ist das auch nicht mehr so wichtig.«

»Was schwafelst du denn da? Ja! Stell dir vor, sie sieht bezaubernd aus, obwohl sie an den Rollstuhl gefesselt ist.« Jan ärgerte die taktlose Bemerkung seines Freundes. »Eine Beeinträchtigung mindert den Wert eines Menschen nicht. Solche Anschauungen kenne ich nicht von dir. Und wieso interessiert dich die Enkelin von Morbach überhaupt?«

»Nur so. Du wirst dich doch nicht in die Kleine vergucken? Das ist nicht Teil des Planes, hörst du?« Thomas’ Stimme nahm eine unbekannte Schärfe an. »Hast du dem Alten schon mein Angebot unterbreitet? Was hat er dazu gesagt? Fällt schließlich höher aus als seine Forderung.«

»Nur mit der Ruhe. Über den Preis haben wir noch nicht gesprochen, das wäre jetzt wirklich zu aufdringlich gewesen. Ich werde mein Bestes geben, versprechen kann ich allerdings nichts. Toni, also Antonia, ist gegen einen Verkauf. Mit seinen Verkaufsabsichten hat der alte Morbach sie heute völlig überrumpelt. Sie wird nichts unversucht lassen, den alten Herrn noch umzustimmen.« Die lautstarke Auseinandersetzung der beiden erwähnte Jan nicht. Eine leise Ahnung hielt ihn zurück. Die ersten Zweifel, ob ihr Plan ein guter war, krochen aus seinem Unterbewusstsein an die vordere Front der Gehirnzellen.

»Nie und nimmer. Der Alte übergibt den Betrieb niemals an eine Frau. Nie im Leben. Ich war oft genug mit ihm zusammen, um seine Einstellung zu kennen.« Thomas’ Lachen erfüllte den Innenraum des Autos. »Weißt du überhaupt, warum die Enkelin auf den Namen Antonia getauft wurde?«

»Nein, sicher wirst du es mir gleich auf die Nase binden.« Thomas’ arrogante Überheblichkeit, die Jan in letzter Zeit immer häufiger an seinem Freund auffiel, nervte ihn. Jan verbiss sich einen Kommentar.

»Der alte Morbach und sein Sohn – Gott hab ihn selig – wünschten sich einen Jungen, einen Anton. Als es jedoch ein Mädchen wurde, wurde daraus eben Antonia. Daher auch der Rufname Toni.«

»Na toll, woher willst du das wissen?«

»Hat mir der Alte im Suff einmal selbst anvertraut.«

»Das arme Mädchen.«

»Sei keine Memme. Du hast selbst gesagt, dass sie sich gut entwickelt hat.« Aus seinem Mund klang es abwertend.

»Soweit ich mich erinnere, hast du vor fünf Jahren selbst geschwärmt, wie hübsch die Enkelin vom alten Morbach ist. Außerdem, ich versteh noch immer nicht, warum du nicht selbst hierher gefahren bist. Schließlich bist du der Geschäftsmann unter uns. Derart nachtragend kenne ich dich auch nicht, nur weil er dir einmal eine Stute vor der Nase weggeschnappt hat. Schließlich hast du in der Zwischenzeit mindestens fünf genauso edle Stuten erworben. Deine Zucht läuft bestens.«

»Das hatten wir schon und ich sage es dir noch mal: Das verstehst du nicht. Es ist einfach eine Ehrensache! Man nimmt niemandem vorm letzten Hammerschlag sein Eigentum weg.«

»Jetzt ist es aber genug. Dein Eigentum! Das war es noch nicht. Du hättest ihn sicherlich noch überbieten können.« Ärger kroch in Jan hoch. Wieder einmal. Bei diesem Thema hätte er stundenlang mit seinem Sandkastenfreund streiten können. Thomas war schon immer ein schlechter Verlierer gewesen. Bevor es tatsächlich in einen Streit ausarten konnte, beendete er unter einem Vorwand das Gespräch.

Er lenkte seinen Wagen auf den Hof des Gestüts, als er gerade noch mitbekam, wie eine Reiterin mit ihrem Pferd im Schritt davonritt.

Wenn er seinen Augen trauen konnte, war das Toni. Nein! Das konnte nicht sein, oder? Jemand, der gelähmt ist, kann nicht reiten. Auf dem Pferderücken sitzen und sich, gestützt durch einen Spezialsattel, tragen lassen, war das höchste der Gefühle. Aber doch nicht derart reiten! Er beschloss, dem auf den Grund zu gehen. Vorher wollte er noch das Gepäck auf sein Zimmer tragen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es bald Zeit für das Mittagessen sein müsste.

 

Im Haus herrschte gespenstische Stille. Er stieg die breite Treppe in den ersten Stock hoch. Die Holzstufen knarrten beim Auftreten so, als würden sie zu ihm sprechen. So ein Quatsch, schalt er sich im Stillen.

Er schritt den langen Gang entlang und öffnete die letzte Tür auf der rechten Seite, die ihm Marie zuvor gezeigt hatte. Er legte den Koffer auf das breite Bett. Das Fenster stand offen. Durch einen leichten Lufthauch bauschte sich die Gardine auf. Die Einrichtung bestand aus einem Schrank, einem Beistelltisch, dem dazugehörigen Sessel und einem Doppelbett mit zwei Nachtkästchen. Die Möbel waren aus schwerem Eichenholz, dunkel gebeizt und mit aufwendigen Intarsien gefertigt worden.

Jan stellte sich ans Fenster, um die Aussicht zu genießen. Sein Blick fiel auf die Weide, wo eine Pferdeherde friedlich graste. Zwei Fohlen sprangen wild herum, spielten miteinander. Die Muttertiere störte dies nicht. Er ließ seinen Blick über die Landschaft gleiten. Hier gefiel es ihm. Kein Straßenlärm. Kein Haus weit und breit, in das man beim Fenster des Nachbarn hätte hineinblicken können, wie er es von seiner Wohnung in der Stadt gewohnt war. Sogar die Sonne und den weiten Himmel vermochte man zu sehen, ohne dass riesige Hochbauten den Blick darauf versperrten.

Er sog die frische Luft in seine Lungen. Es roch nach Pferden und Heu, ganz nach seinem Geschmack. Schon als Kind hatte er das Leben auf dem Bauernhof seiner Großeltern geliebt. Seine Mutter war zwar die Älteste von drei Kindern, aber der Hof wurde letztlich doch an ihren jüngeren Bruder vererbt. So viel hatte er schon mitbekommen, dass sein Vater nie Bauer hatte werden wollen. Auch seine Mutter zog es in die Stadt. Sie wollte nicht auf dem Land versauern, wie sie es oft zu verstehen gegeben hatte. Dass sie dadurch ihrem Sohn, ihm, diese Möglichkeit vertan hatten, war ihnen wahrscheinlich nie bewusst geworden. Thomas war da fein raus. Bereits sein Großvater und später sein Vater führten ein Gestüt. Dieses übernahm er, nachdem sein Vater am Herzen erkrankte. Damals war er gerade mal zwanzig Jahre alt gewesen. Wie er seinen Freund darum beneidete. Jan zog seine Reithose und ein passendes T-Shirt aus dem Koffer. Frisch umgezogen machte er sich auf den Weg nach unten. Marie eilte die Stiege hoch.

»Ah, Herr Olsson, Mittagessen ist bereit. Herr Morbach erwartet Sie im Speisesaal. Kommen Sie bitte mit, ich zeige Ihnen, wo es langgeht. In diesem Gebäude kann man sich schon mal verirren, wenn man neu ist.«

»Ja, danke schön. Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«

Marie, die vorausging, drehte sich zu ihm um. »Gerne, was möchten Sie denn wissen?«

»Ich habe vorhin eine Frau wegreiten sehen, die hatte verblüffende Ähnlichkeit mit Antonia, ähm, ich meine Toni. Das kann sie nicht gewesen sein, oder?«

»Natürlich war das Toni. Die ist einzigartig, das können Sie mir glauben«, gluckste Marie. »So, hier lang, bitte.« Sie zeigte durch eine doppelte Glastür, die sie für ihn öffnete. Jan trat ein und erblickte Herrn Morbach an der Bar.

»Darf es für Sie auch ein Aperitif sein? Ein Brandy?« Morbach hielt ihm ein Glas mit einer goldbraunen Flüssigkeit entgegen.

»Bitte, sehr gerne«, bestätigte Jan freimütig, obwohl er ansonsten nichts mit Alkohol am Hut hatte. Aber er wollte nicht unhöflich erscheinen. Jan spürte eine Mischung aus Unbehagen und Neugierde, als er das Glas mit dem Brandy annahm. Der warme Duft stieg ihm in die Nase und er fühlte sich plötzlich etwas entspannter. Als Sepp und Stefan sich zu ihnen gesellten, nahm er eine gewisse Anspannung in der Luft wahr, die er nicht ganz deuten konnte. Als Toni schließlich eintraf und einen bösen Blick von ihrem Großvater erntete, spürte Jan Mitleid und Verwirrung zugleich.

Während des Gesprächs zwischen Morbach und Sepp fühlte Jan sich ein wenig wie ein Außenseiter, der nicht ganz in die Situation passte. Er beobachtete die Interaktionen der anderen und versuchte, die Stimmung zu erfassen.

Agathe und Marie servierten die Speisen.

»Sepp, konntest du die kaputte Stelle im Zaun reparieren?«

»Natürlich. Die Pferde sind bereits auf der Koppel.«

»Leider haben Herr Olsson und ich heute Vormittag nur einen kleinen Teil der Besichtigung unseres Anwesens geschafft. Daher wäre es gut, wenn du ihm den restlichen Teil zeigen würdest, eventuell macht ihr einen Ausritt, dann sieht er auch die Ländereien.« Während Morbach seinen Kopf senkte und sich seinem Essen widmete, ohne eine Antwort abzuwarten, spürte Jan Sepps Abneigung gegen diesen Auftrag, den er erhalten hatte.

Insgesamt fühlte sich Jan in diesem Moment etwas überfordert und unsicher, wie er sich verhalten sollte. Die verschiedenen Gefühle, die in ihm aufkamen, machten ihn nervös, aber auch neugierig auf das, was noch kommen würde. Jan vermutete, dass es selbstverständlich war, dass Morbachs Bitte einem Befehl gleichkam. Denn Sepp nickte und löffelte weiter seine Suppe.

»Wie weit seid ihr beim Ferienhaus mit den Vorbereitungen? Ab morgen kommen schon die ersten Kinder.«

»Alles fertig, Großvater. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich war vorhin noch mal kurz drüben. Sieht alles bestens aus. Die Kleinen werden tolle Ferien haben«, versicherte Toni.

»Wie geht es unseren trächtigen Stuten? Ist noch alles in Ordnung?« Morbach richtete die Frage an seinen Gestütsmeister Stefan.

»Derzeit ist noch alles okay, keine Komplikationen. Wird nicht mehr allzu lange dauern bis zum Abfohlen. Juliane und auch Roxanne sind in der Endphase. Das Euter füllt sich bereits, also sind es nur noch vier Wochen bis zum Abfohlen.«

»Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise meine Hilfe anbieten?« Jan blickte in die Runde, er hätte sich wirklich gerne nützlich gemacht. Alle Augen richteten sich auf ihn.

»Nein, nicht nötig«, meinte Toni schroff. Ohne ihm weiter Beachtung zu schenken, aß sie weiter. Von den Männern kam keine Reaktion. Einzig Morbach versuchte, die Gespräche am Laufen zu halten, was ihm nur mühsam gelang. Vor allem Toni hielt den Kopf gesenkt und blieb einsilbig.

Natürlich spürte Jan die eisige Kälte, die ihm von Toni und den Mitarbeitern des Gestüts entgegenschlug. Dass Morbach anscheinend sie alle über sein Vorhaben vorab nicht informiert hatte und sie dies erst heute erfahren hatten, machte die Sache nicht einfacher. Sie würdigten ihn keines Blickes. Nur das Klappern des Besteckes auf dem Porzellan war zu hören.

»Ich hoffe, Sie lassen sich von dem ungebührlichen Verhalten meiner Enkelin und unserer Mitarbeiter nicht einschüchtern«, sagte Morbach auf einmal in die Stille des Raumes. »Und ihr«, er blickte mit strengem Blick in die Runde, »benehmt euch gefälligst wie Erwachsene und nicht wie trotzige Kinder. Ich dulde keinen Widerspruch. Meine Entscheidung ist gefallen, ich habe sie mir bei Gott nicht einfach gemacht.«

 

Kapitel 3

 

Toni kramte in ihrem Kleiderschrank nach der dunkelblauen Leggins und dem dazu passenden Sportshirt. Sie hatte nicht schnell genug aus dem Speisesaal fliehen können. Bereits die letzten Tage war ihr Großvater merkwürdig nervös gewesen. Ihr gegenüber hatte er sich äußerst seltsam benommen. Zuerst redete sie sich ein, dass es eventuell an seinem Gesundheitszustand lag, der sich in den letzten Monaten merklich verschlechtert hatte. Obwohl er nie jammerte und sich die Schmerzen verbiss, ließ sie sich davon nicht blenden. Dann suchte sie die Schuld für sein eigenartiges Verhalten bei sich. Sie hatte sich keinen Reim darauf machen können. Bis heute, als dieser ominöse Deutsche hier aufgetaucht war. Verkaufen! So ein Schwachsinn!

Und was das Traurige daran war, ihrem Großvater schien dies durchaus ernst zu sein. Himmel! Dieser alte Sturschädel mit seinen verrotteten Ansichten aus dem Mittelalter! Warum traute er ihr nicht zu, das Gut genauso perfekt wie ein Mann führen zu können? Selbst ihren Vorschlag, sie als interimsmäßige Leiterin einzusetzen, damit sie ihn vom Gegenteil überzeugen könnte, hatte er im Keim erstickt und abgeschmettert, mit einer Vehemenz, als gäbe es tausend Angreifer abzuwehren. Tränen der Enttäuschung und des Zornes füllten ihre Augen. Schnell wischte sie sie mit dem Handrücken weg.

Am meisten kränkte sie sein Argument, dass sie mit ihrer Behinderung erst recht nicht für diese Aufgabe geeignet sei. Aber selbst in diesem Moment war sie nicht auf die Idee gekommen, dass er tatsächlich den Besitz verkaufen würde.

»Was für eine Riesenscheiße!«, brüllte Toni. Das dicke Holz ihres Kleiderschranks dämpfte ihre Stimme und ließ die deftigen Worte ungehört verhallen. Weit nach vorne gebeugt, mit dem Oberkörper bereits zur Gänze im Kleiderschrank verschwunden, wühlte sie darin herum und ließ ihren Frust heraus.

»Dieser verdammte Unfall ist schuld daran. Wenn ich den erwische, wegen dem ich an dieses blöde Ding gefesselt bin! Vielleicht sogar für immer! Warum? Warum ich? Wem habe ich je etwas angetan? Wenn ich nicht im Rollstuhl säße, dann käme Großvater bestimmt nicht auf die Idee, das Gestüt zu verkaufen. Es muss doch einen Weg geben, um Großvater zur Vernunft zu bringen. Er kann nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, alles aufzugeben! Nur weil mein Geschlecht nicht dem Erbgesetz dieser Familie entspricht und ich noch dazu ein Krüppel bin? Großvater hat mich immer ›Mein kleines Mädchen‹ genannt. Bin ich das jetzt nicht mehr? Sein Mädchen? Verdammt! Das kann doch alles nicht wahr sein!« Sie schluchzte auf und kramte noch tiefer im Kleiderschrank.

»Ach Toni, was suchst du denn?« Maries sanfte Stimme drang gedämpft von Holz und dem Stoff der Kleidung zu ihr durch.

»Huch, gut, dass du da bist. Wo ist denn mein Trainingszeugs, die blaue Leggins und das T-Shirt dazu?« Sie versuchte ihre Stimme möglichst neutral klingen zu lassen. Schnell wischte sie die verräterischen Tränen weg, bevor sie sich aufrichtete und vom Schrank wegrollte.

»Warte, ich hole sie dir sofort. Die Teile sind noch in der Wäschekammer, frisch gewaschen und gebügelt.« Allerdings bewegte sich Marie nicht von der Stelle und ließ sie nicht aus den Augen.

Toni fing Maries Blick auf. Natürlich entging ihrer aufmerksamen Freundin nicht, dass sie geweint hatte.

»Was ist los? Warum weinst du? Hast du Schmerzen?« Marie kniete sich zu ihr.

Toni schwieg und senkte den Kopf. Ein Gefühl der Leere und Verzweiflung überkam sie, als sie versuchte, ihre aufgewühlten Emotionen zu unterdrücken. Sie spürte, wie die Tränen erneut in ihre Augen stiegen, unfähig, Worte zu finden, die erklärten, was in ihr vorging. Die Last, die sie auf ihren Schultern trug, war unerträglich schwer.

»Komm schon, ist es wegen deinem Großvater und diesem Deutschen, den er hergeholt hat? Glaubst du, er verkauft wirklich? Mach dir mal keine Sorgen. Die ganze Belegschaft steht hinter dir. Mein Ehrenwort! Gemeinsam werden wir dem Alten seine verstaubten Ansichten schon austreiben«, plapperte Marie ungeniert drauflos. »Kopf hoch! Ich hole deine Kleidung, damit du kräftig trainieren kannst«, sagte sie, stand auf und huschte aus dem Zimmer.

---ENDE DER LESEPROBE---


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