0,99 €
Gina verzehrt sich nach einer Stimme am Telefon. Ist der Mann das, was er zu sein verspricht? Als das ersehnte Date platzt, gerät sie an einen Unbekannten. Er bringt sie in eine heikle Situation ...
Eine sinnliche Geschichte, erotisch und ohne Tabus.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2016
Wütend stampfte Gina auf. Der ganze Zorn, der sich über Stunden angestaut hatte, lag in diesem Tritt. Sie fluchte über sich selbst. Nur noch fünf Minuten, hatte sie sich versprochen. Aber als die fünf Minuten vorbei waren, hatte sie ihre Meinung geändert und noch einmal fünf Minuten angehängt. So war es weitergegangen. Minute um Minute hatte sie die Zeit herausgezögert und gewartet, nutzlose Zeit, bis sich die Minuten zu zwei sinnlosen Stunden summierten. Er war nicht da und er würde auch nicht kommen. Basta, punkt, Feierabend.
Jetzt war alles im Eimer. Eine Farce. Die wohldurchdachte Sorgfalt, mit der sie sich auf das Treffen vorbereitet hatte, schien umsonst gewesen zu sein, und dabei hatte sie sich Mühe gegeben, ganz Besonders auszusehen. Schön, wollte sie sein, und sexy. Sie erinnerte sich, wie sie Stunden zuvor ihre Kleidung auf diese Attribute geprüft hatte. Achtsam gestapelte Pullover lagen auf den Regalen in ihrem Schrank, Blusen und Hosen hingen ordentlich nebeneinander und in den Schubladen duftete die Unterwäsche nach ihrem Parfüm.
Ein Handtuch um den Körper geschlungen, hatte sie kritisch vor ihren Sachen gestanden und sich Zeit genommen. Zeit für ihn.
Er hätte absagen können. Das wenigstens hätte er tun müssen. In der Kälte auszuharren, hätte er ihr ersparen können. Es war vertane Zeit. Morgen würde sie vermutlich krank sein. Sie pustete sich warme Luft in die Hände. Der Wind blies schaurig. Eisig wehten ihr die Böen ins Gesicht. Der trübe Nachmittag wurde abgelöst von einem düsteren Abend. Trotz der warmen Stiefel und der Winterjacke war es entsetzlich kalt. Sie fror. Noch ein letztes Mal kontrollierte sie ihre Uhr, dann gab sie auf. Die Zeiger standen auf kurz vor Fünf und signalisierten ihr den Unsinn ihres Tuns. Sie würde den Heimweg antreten und alles vergessen, was mit ihm zu tun hatte.
Eine Träne löste sich, rann ihre Wange entlang und kroch ihr Kinn hinab. Sie verschwamm im Rollkragen. Der weiche Pulli schmiegte sich tröstlich an ihren Hals. Das Kleidungsstück war mit Bedacht gewählt. Die Farbe des Pullis. Sie hatte den Ausschlag gegeben. Sie war genau das Richtige für den Anlass. Rot, hatte sie gedacht, war wie Feuer. Züngelnd konnte es brennen. Aber diese Farbe war keine lodernde Flamme, sondern dunkelrote Glut. Eine Farbe, die an ein Kaminfeuer denken ließ. Deshalb hatte sie sich für den Pulli entschieden. Sie wollte auffallen, jemand sein in der Menge und daraus hervorstechen. Sie wollte eine Frau mit Charakter sein und durch die Wahl ihrer Kleidung, wollte sie zu ihm sprechen. Er sollte wissen, wen er vor sich hatte.
In ihrer Wohnung hatte sie sich jedem einzelnen Kleidungsstück mit Hingabe gewidmet. Sie war noch feucht vom Duschen gewesen, als sie in ihrem Schlafzimmer stand und in ihren Schubladen nach passenden Dessous suchte. Dann hatte sie abschätzend die braunen Wildlederstiefel an das Rot eines Pullis gehalten. Ja, das ging. Die Farben passten zusammen.
Sie hatte das Handtuch auf das Bett geworfen und war in ihre Unterwäsche geschlüpft, bevor sie sich auf die Bettkante hockte, um ihre Finger- und Zehennägel zu betrachten. Sie glänzten frisch lackiert. Rot wie ihre Dessous. Der gleiche Ton. Sie war zufrieden gewesen.
Jetzt war sie wütend.
Wie lange war es her, dass sie mit ihm gesprochen hatte? Eine Woche? Vielleicht zehn Tage? Oder waren es schon zwei Wochen? Sie versuchte sich das Datum in Erinnerung zu rufen, aber ihr fiel nur ein, dass sie am gleichen Tag Martha, die über ihr wohnte, auf dem Flur getroffen hatte. Der verwaschene Jogginganzug, den sie trug, war ihr drei Nummern zu groß gewesen. Sie hatte es trotzdem geschafft, darin wie eine Elfe auszusehen, die versehentlich in überdimensionale Gewänder gehüllt worden war. Martha hatte ihr verschwörerisch zugeblinzelt. Sie hing am Arm ihrer neusten Eroberung. „Das ist mein Bodyguard“, hatte sie gewispert. „Der passt auf mich auf.“ Die gleiche Leier, der gleiche Spruch. Wieder ein Kerl, den sie Bodyguard nannte und der in die Martha-Falle tappte. Jedes Mal wenn ein Bodyguard anfing, sich in Marthas Beschützerrolle einzufinden, da tauschte sie ihn schon gegen einen neuen aus. Die Kerle wechselten schneller, als sie zu denken vermochten, aber dennoch fielen sie massenhaft auf ihr niedliches Elfendasein herein. Martha hatte sich wie immer benommen. Sie war unmöglich.
Marthas Gebaren war ihr beim Anziehen durch den Sinn gegangen, als sie die Seidenstrümpfe über die Zehen stülpte und die Beine hinauf rollte. Die Gummierung am Ende unter dem Spitzenbesatz haftete auf den Oberschenkeln. Die Strümpfe hielten ohne Strapse.
An jenem Tag war Martha mit ihrer Errungenschaft die Treppe hochgeflogen. Ein Elfenflug. Anders konnte man ihren Gang nicht bezeichnen. Sie schien keine Füße zu haben, obwohl sie Turnschuhe trug. Die Enden ihrer Beine und mit ihnen ihre Füße verschwanden in der deutlich zu langen Jogginghose. „Ade, mein Herz“, summte sie die Treppe hinauf. Der Bodyguard hatte ein einfältiges Grinsen im Gesicht und watschelte der Elfe hinterher. Zum hundertsten Male hatte sie sich gefragt, wie Martha sich mit ihren Spielgefährten arrangierte und was sie mit ihnen anstellte. Eigentlich war sie nicht neugierig, aber über Marthas wechselnde Beschützer und deren Fähigkeiten, wollte sie dann doch mehr erfahren. Martha und ihre Bodyguards. Sie würde Martha fragen.
An das alles dachte sie beim Anziehen in ihrem Schlafzimmer, vor ihrem unglückseligen Date.
Der Lederrock, für den sie sich entschieden hatte, glitt über ihre Beine. Er berührte die freien Stellen an ihren Oberschenkeln und an ihrem Po. Sie schloss die Knöpfe, streifte den glutroten Pullover über und zog die Stiefel an.
Die Kleidung saß perfekt. Sie drehte sich im Kreis, blieb mit dem Rücken zum Spiegel stehen und wandte den Kopf nach hinten. Ja, auch das Bild war perfekt. Ihr gefiel, was sie sah. Sie drehte sich zurück, um ihrem Spiegelbild ein weiches Lächeln zu schenken. Dann schob sie den Pulli hoch über ihre Brüste und blickte begutachtend auf die beiden Halbkugeln. Sie waren genau richtig verpackt. Sie trat näher an den Spiegel heran und streckte sich. Eine Bewegung, die sie Martha nachahmte. Auch sie hatte sich in die Länge gestreckt, als sie am nächsten Morgen bei ihr erschienen war.
Im Bademantel kreuzte sie vor ihrer Tür auf und klopfte, statt zu klingeln, sanft auf das Holz. Ihr Stimmchen seufzte „Hallöchen, bist du da? Ich bin es. Deine liebe Freundin von oben, unter dem Dach. Mach doch bitte auf und lass mich ein!“
Sie sagte ein wie der Nikolaus, nicht rein oder herein. Es war ihr sofort aufgefallen. Sie sagte auch von oben, nicht etwa aus dem vierten Stock. Das wäre für Martha undenkbar gewesen. Es war sogar erstaunlich, dass sie unter dem Dach und nicht unter dem Himmel gesagt hatte, was ihrer Art zu reden eher entsprochen hätte. Auch hätte sie das leise Gemurmel und das sachte Hämmern ihrer Knöchelchen kaum wahrgenommen, wäre sie nicht gerade auf dem Weg in die Küche gewesen. Martha wiederholte die Sätze, nur so verstand sie nach und nach, was ihre Freundin flüsterte, als sie skeptisch ihr Ohr an die Tür legte, um auf die Laute von draußen zu horchen. Gleichwohl blinzelte sie durch den Spion. Sicher war sicher. Im Treppenhaus erblickte sie Marthas spitzes Näschen direkt vor dem Guckloch. Es reckte sich ihr entgegen. Martha stand auf Zehenspitzen.
Vor dem Spiegel hatte sie sich genau wie Martha auf Zehenspitzen gestellt und den Schwung einer Ballerina geübt. Mit angewinkelten Ellenbogen hatte sie den Pulli hoch gehalten und das Rot ihres Büstenhalters studiert. Er setzte sich von ihrer durchscheinenden Haut ab. Die Spitzen des Gewebes bildeten zwei Linien, die ihre Brüste entlang liefen und sich in der Mitte trafen. Dort verband ein funkelnder Verschluss die beiden Seiten. Über den blassen Rundungen ihrer Brüste flammte das Blumenmuster. Die Farbe des Büstenhalters war die lodernde Flamme. Sie würde die Glut zum Brennen bringen.
Die Bilder tauchten auf, während sie die Straße hinunter zur Bushaltestelle lief. Sie kämpfte sich durch die stürmischen Böen, Blätter fegten ihr entgegen und aus dem verhangenen Himmel fielen die ersten Tropfen. Sie zog die Jacke fester um ihren Körper und stülpte die Kapuze über. Der Regen wurde stärker und peitschte ihr ins Gesicht. Sie fröstelte.
Ihre Perfektion in Sachen Kleidung war albern. Trotzdem hatte sie es nicht lassen können, alles noch einmal zu kontrollieren und zu prüfen, ob das Ergebnis ihrer Vorstellung wirklich entsprach. Deshalb hatte sie den Pulli unter den Trägern ihres Büstenhalters fest geklemmt und den Rock hoch geschoben.