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Der preußische Städtekrieg ging im Jahr 1462 mit ungehinderter Härte weiter. Nachdem Überfall von polnischen Heerscharen, vermischt mit Tataren, auf Neustettin, welche die Stadt niedergebrannt und ausgeraubt, die Frauen und Kinder vergewaltigt und die Männer einfach erschlagen hatten, war zunächst die Beziehung beider Staaten in eisigen Tüchern. Das änderte sich, als die schuldigen polnischen Einheiten bis auf den letzten Mann von pommerschen Freiwilligen aufgerieben und die gefangenen Offiziere vor ein ordentliches Gericht gestellt wurden. Nach Vollstreckung der Höchststrafe kehrte in die polnische und pommersche politische Landschaft wieder etwas Ruhe ein. Das Herzogtum Pommern versuchte mit seinem Repräsentant Herzog Erich II. von Pommern sich aus weiteren Konflikten heraus zu halten. 1462 stand das polnische Heer bei Zarnowitz erneut einer großen Einheit des Deutschen Ritterordens gegenüber. Eine gewaltige Schlacht endete mit einer empfindlichen Niederlage des Ordensheeres. Für Erich II. von Pommern war es eine gute Gelegenheit wieder die Seiten zu wechseln und erneuerte das schon einmal ausgehandelte Abkommen mit König Kasimir IV. von Polen. In verschiedenen Städten von Pommern brachen wieder die ersten Erkrankungen an Cholera und Tuberkulose aus. Selbst vor der Stadt Greifenberg machten diese Krankheiten keinen Halt.
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Veröffentlichungsjahr: 2014
Caspar de Fries
Buchautor und Schriftsteller
Zitat : Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben.
Texte und Bildmaterialien: Caspar de Fries
Alle Rechte vorbehalten
Tag der Veröffentlichung:
Der preußische Städtekrieg ging im Jahr 1462 mit ungehinderter Härte weiter. Nachdem Überfall von polnischen Heerscharen, vermischt mit Tataren, auf Neustettin, welche die Stadt niedergebrannt und ausgeraubt, die Frauen und Kinder vergewaltigt und die Männer einfach erschlagen hatten, war zunächst die Beziehung beider Staaten in eisigen Tüchern. Das änderte sich, als die schuldigen polnischen Einheiten bis auf den letzten Mann von pommerschen Freiwilligen aufgerieben und die gefangenen Offiziere vor ein ordentliches Gericht gestellt wurden. Nach Vollstreckung der Höchststrafe kehrte in die polnische und pommersche politische Landschaft wieder etwas Ruhe ein. Das Herzogtum Pommern versuchte mit seinem Repräsentant Herzog Erich II. von Pommern sich aus weiteren Konflikten heraus zu halten.
1462 stand das polnische Heer bei Zarnowitz erneut einer großen Einheit des Deutschen Ritterordens gegenüber. Eine gewaltige Schlacht endete mit einer empfindlichen Niederlage des Ordensheeres. Für Erich II. von Pommern war es eine gute Gelegenheit wieder die Seiten zu wechseln und erneuerte das schon einmal ausgehandelte Abkommen mit König Kasimir IV. von Polen.
In verschiedenen Städten von Pommern brachen wieder die ersten Erkrankungen an Cholera und Tuberkulose aus. Selbst vor der Stadt Greifenberg machten diese Krankheiten keinen Halt.
Im Frühjahr des Jahres 1462 kehrten Kasper von Greifenberg mit der begleitenden Delegation des Herzogs Erich II. von Pommern aus Marienberg zurück, wo ein neuer Staatsvertrag mit dem polnischen König Kasimir IV. vereinbart wurde. Bei guter Fernsicht, Sonnenschein, schneidend kalten Temperaturen und einer steifen Brise kämpften sich die drei Schiffe mit der Reisegesellschaft um Nicolaus von Lebbin und Daniel Lukovic, als Schiffsführer, sowie zwei Begleitschiffe mit den entsprechenden Sicherheitsleuten durch die sehr starken Wellen der Ostsee. Der Mastkorbgast vermeldete nur wenig Schiffsverkehr, alles schien diesbezüglich ruhig zu sein. „Musste erst eine verlorene Schlacht gegen den Orden unseren Herzog umstimmen, um diesen Vertag mit Polen ein zu gehen? Wenn die Polen nicht diesen Feldzug unternommen hätten, ständen wir immer noch politisch in der Schwebe.“ „Der polnische König war eigenartig zugänglich, und hat Allem sofort zugestimmt. Gerade er ist ein ganz gewiefter, notorischer Lügner, wir müssen auch in Zukunft sehr aufpassen, damit ein Städteüberfall, wie er in Neustettin stattfand, sich nicht noch einmal wiederholt.“ Nicolaus und Kasper zündeten sich ihre Pfeifen an und lehnten sich im Kartenhaus des Schiffes auf den Bänken zurück. Daniel, der Schiffsführer, übergab das Ruder einem Matrosen und setzte sich dazu. Der Koch brachte drei große Becher mit heißem Tee, denn es war empfindlich kalt, und ein dauernder Aufenthalt im Freien war doch recht ungemütlich. „Wie geht es Konrad? Ich hörte vor unserer Abreise, dass er einen ziemlichen Husten hatte und geschwächt im Bett lag.“ „Ich weiß es nicht“, meinte Kasper, „ ich hoffe, es geht ihm besser. In letzter Zeit vermehrten sich die Fälle von blutigem Durchfall und fiebriger Schwindsucht in unserer Umgebung. Aber er ist auch nicht mehr der Jüngste.“ „Wie lange seid ihr befreundet?“ „Ich war gerade 15 Jahre alt, als mich Nicolaus zu Konrad in die Fuhrmannslehre steckte, und das sind jetzt 23 Jahre her. Damals sagte man immer, Konrad wäre schon alt. Aber wie alt er wirklich ist, wusste er auch nicht genau. Ich glaube, dass er einiges über 70 Jahre alt ist.“ Nicolaus nickte, „ ja das kann stimmen. Konrad war damals bereits der älteste beste und erfahrenste Fuhrmann.“ „Und wie kam es dazu, dass ihr zusammen die Pferdefarm gegründet habt?“ „Unsere erste gemeinsame Tour brachte uns zusammen, eine Vater – Sohn – Beziehung. Ich konnte hier das Haus bauen, er brauchte noch einen Platz für den Winter. So blieb er bei mir. Er erhielt angrenzend an mein Land sein Stück Weide, so konnten wir zusammen mit einer Pferdezucht beginnen.“ Sie erreichten den herzoglichen Anleger von Rügenwalde. Der Herzog mit den Ministern und dem Kanzler stiegen aus. Daniel ließ die herzogliche Kutsche und die vier Zugpferde ausladen, damit der Herzog mit seinen Leuten in der Kutsche zum Schloss gebracht werden konnte. Zehn Sicherheitsleute begleiteten die Kutsche.
Sie segelten weiter bis Greifenberg, wo Kasper von seiner Frau Barbara und Hela, der Frau von Konrad, erwartet wurde. Beide trugen schwarze Kleidung, ein Zeichen, dass etwas nicht stimmte. Hela schluchzte unter Tränen, dass Konrad von der Fuhr vor 2 Tagen verstarb. Das Fieber hätte es geschafft. Kasper nahm die beiden Frauen fest in den Arm. Dann sagte er noch kurz Nicolaus und Daniel Bescheid, bevor sie im Zweispänner zur Farm fuhren.
Sie hatten für Konrad vom Schreiner einen stabilen Sarg bauen lassen. Kasper nahm den Deckel noch einmal ab und blieb lange am offenen Sarg seines väterlichen Freundes stehen, um sich stumm von ihm zu verabschieden. Kasper liefen an beiden Wangen die Tränen herunter. Es war schon lange her, dass er so getrauert hatte. Ihm gingen die vielen gemeinsamen Jahre durch den Kopf. So einfach in seiner Denkweise Konrad auch war, er hörte zu, und konnte auf seine Art meistens die richtigen Worte finden. Er war überall wegen seiner Ehrlichkeit, seines Pflichtbewusstseins und seinem Drang Anderen zu helfen, gerne gesehen. Seine Meinung war gefragt, man hatte Respekt vor ihm. Kasper war klar, dass für ihn persönlich ein ganz neuer Lebensabschnitt begann. Klar, er hatte seine Frau Barbara, die beiden Kinder und seine drei Geschwister, aber diesem Mann verdankte er sehr viel. Ohne ihn wäre sein Leben ganz anders verlaufen. Die wirklichen Schritte ins Leben brachte er ihm bei.
Konrad wurde auf seinem Lieblingsplatz unter einer großen Buche, mit Blick zum See auf dem Farmgelände beerdigt. Der Andrang seiner vielen Freunde und Bekannte war groß. Hela schüttelte viele Hände und nahm entsprechende Beileidsworte entgegen. Dabei hustete sie sehr viel, was ihr Sohn Jan sogleich mit großer Sorge bemerkte, der aber auch vor Fieber glühte. Kasper und Barbara brachten beide ins Haus, um sie sich ausruhen zu lassen. Ein Doktor schaute nach ihnen und meinte: „ sie haben beide die gleiche Krankheit wie der selige Konrad. Ich gebe ihnen beide etwas für das Fieber. Viel trinken.“ Barbara blieb bei beiden und versorgte sie. Das Fieber bei Jan stieg weiter, nachts phantasierte er, am nächsten Tag verstarb er ganz plötzlich. Hela wurde auch immer schwächer. Auch sie bekam sehr starkes Fieber. Sie holten für sie noch einmal den Doktor. Er schüttelte nur den Kopf. „In der Stadt sind auch schon einige Menschen an der gleichen Krankheit gestorben.“ Nach weiteren zwei Tagen verstarb auch Hela. Kasper ließ sie und ihren Sohn neben Konrad begraben. Was war das nur für eine rätselhafte Krankheit?
Kasper und Barbara saßen auf ihrem Lieblingsplatz am Tisch vor dem Kamin und hörten dem Knistern der Holzscheite zu, und ließen dabei ihre Gedanken kreisen. Keiner von beiden wollte etwas sagen. Kasper stopfte sich seine Pfeife und zündete sie gedankenvoll an. Barbara nippte an ihrem Weinglas und schaute lange auf das Lodern des Kaminfeuers. Nach einer langen Zeit des Schweigens standen beide auf und gingen gemeinsam ins Schlafzimmer, legten sich ins Bett, um möglichst eng zusammen zu kuscheln, und die Nähe des Anderen zu spüren.
Das Testament von Konrad bestimmte in der Rangfolge Kasper von Greifenberg als Erbfolgeberechtigter für die Anteile an Konrads Anteil der Pferdefarm. Weitere Familienangehörige über Hela und deren Sohn gab es nicht. Der Syndikus in Rügenwalde verlas Konrads Testament, sodass Kasper bei alleiniger Erbschaft sofort sein Testament änderte, um seiner Frau nebst Kindern zunächst alle irdischen Güter im Falle seines Todes zu vererben. Seine beiden Schwestern und sein Bruder erhielten neben verschiedener Anteile an dem Handelsunternehmen Ost noch Aussteueranteile, die im Falle einer Heirat mit 25 Jahren oder dem Erreichen des 35. Lebensjahres fällig wurden.
Im Büro des Handelskontors der Handelsgesellschaft Ost in Greifenberg saßen alle führenden Leute zusammen, um über die neue Handelsreise zu entscheiden. Nicolaus von Lebbin und Daniel Lukovic schauten auf die große handgezeichneten Wandkarte, die an der Stirnwand des Büros befestigt war. Verschiedene Ziele mit den dort zu erstehenden Gütern standen zur Auswahl. Einig war man sich auf die nordischen Länder, deren Erzeugnisse mit Fisch, Rentierfleisch, Fellen, Muscheln und handwerklichen Produkten die allgemeine Zustimmung fanden. Daniel Lukovic, der Schiffsführer ihrer Flotte, meinte: „Ich glaube nicht, dass wir viele Flüsse in Skandinavien flussaufwärts befahren können. Wenn man auf der Karte sieht, wo die Flüsse entspringen, und mit welchem möglichen Gefälle und der entsprechenden Strömung sie talwärts rauschen, schaffen wir es nicht, dagegen zu segeln. Unsere Ziele werden sich wohl auf die Küstenregionen und ihren langen Fjorden begrenzen, wo auch die meisten Dörfer mit den Handelsplätzen zu finden sind.“ Nicolaus nickte dazu und meinte: „ Die Küstenregionen bieten auch sehr gute Möglichkeiten, wir müssen sie nur ergreifen.“ Kasper räusperte sich und meinte: „Vor ein paar Tagen traf ich am Hafen in Greifenberg einen holländischen Händler, der mir von der neuen Schiffsversorgung im Pökeln von Fischen erzählte. Die Hanse scheint auf diesem Gebiet schon sehr aktiv geworden zu sein. In den Gewässern der Lofoten, eine Inselkette im Norden von Norwegen in der Nordsee werden jedes Jahr zwischen Januar und Mitte April die Fischschwärme vom Dorsch und Kabeljau erwartet. Sie suchen dort ihre Laichgründe. Hunderte von kleinen Fischerbooten der einheimischen Bevölkerung der Lofoten und Fischer aus Norwegen gehen dort auf Fischfang. Der Fisch wird zu Stockfisch oder Klippfisch verarbeitet. Beide Fischarten werden ohne Kopf und Innereien zum Trocknen aufgehängt. Beim Klippfisch behandelt man die Fische noch zusätzlich mit Salz, damit sie mehr entwässern, und dann trocknen. Mit dieser Methode „haltbare Nahrung“ werden inzwischen viele Schiffe ausgerüstet, die lange unterwegs sind. Inzwischen wendet man diese Lufttrocknung sogar bei Fleisch in Verbindung mit Salz an, das erspart die Pökelei in Fässern. Noch etwas, die vielen Krankheitsfälle entstanden durch Mangelerscheinungen in der Nahrung. Der Holländer erzählte von einem Gemüsekohl, der inzwischen in den Ländern des Mittelmeeres angebaut wird. Hier bei uns kommt er auf Felsenklippen als Wildform vor, dort wo die Schafe ihn nicht fressen können. Dieser Gemüsekohl soll auf den Felsen von Helgoland vorkommen. Man kann die Schoten als Gemüse kochen, oder kleingeschnitten als Sauerkraut mit Salz einpökeln. Er soll vorbeugen gegen viele Krankheiten.“ Ambrosius von Lingen, Sicherheitsvormann auf allen Trecks, meldete sich zu Wort: „Dann haben wir doch schon unsere Reiserichtung. Wir segeln zu den Lofoten, sorgen dafür, dass wir die Lagerräume mit getrocknetem Fisch füllen, und fahren auf der Rücktour noch nach Helgoland. Dort versuchen wir ein paar dieser Pflanzen zu bekommen, um mit den Samen hier in Pommern auf einigen Feldern so nach und nach den Kohl anbauen zu können.“ Alle schauten Ambrosius an, nickten zu der einfachen Schilderung und beschlossen den Beginn ihrer Reise bereits auf den Oktober zu legen, um rechtzeitig zu Beginn der Fischereizeit im Januar 1463 vor Ort zu sein.
Daniel ließ zwölf Büsen aus dem Wasser heben, um den Schiffsrumpf und alle wichtigen technischen Anlagen nach Schäden untersuchen zu lassen.
Kasper schaute bei Johann dem Schreiner in der Werkstatt vorbei, um sich eine neue Armbrust an zu schauen, mit deren Hilfe man ein Seil zu einem havarierten Schiff schießen konnte, um Seeleute über das Seil zu bergen, oder einen großen Fisch schießen, der mit dem Seil gehindert wird, weg zu schwimmen. Es sollte ein vielseitiges Hilfsmittel sein, um auf hoher See gegen verschiedene Probleme gewappnet zu sein. „Kasper, Johann und ich haben einen Pfeil erfunden, dessen Spitze drei Widerhaken hat, anstatt zwei. Somit kann man diesen Pfeil auch bei Felsklippen verwenden, um hinauf oder hinunter zu klettern. Wenn du auf einen Hai oder einen kleinen Wal schießt, dreht der Pfeil sich während des Pfluges und bohrt sich tief in den Körper hinein. Du kannst den Pfeil mit oder ohne Seil verwenden. Mit Seil: du ziehst das Seil durch diese Öse und legst es in diese Rille. Mit den beiden Haken wird die Rille verschlossen, und das Seil hängt fest. Durch das zusätzliche Gewicht mit dem Seil kann der Pfeil 150 Meter fliegen. Ohne Seil fliegt der Pfeil mit einer Sprenggranate 400 Meter weit. Ohne Sprenggranate durchschlägt er dicke Bohlen und Bepanzerungen, er bohrt sich durch seine zusätzliche Drehung tief in etwas hinein.“ „Wenn wir einen Pfeil mit Seil auf einen Hai oder ähnlichem abschießen, brauchen wir an Bord eine Möglichkeit, wo wir blitzschnell das Seil herum schlingen und befestigen, vielleicht für einen Kreuzknoten. Es muss eine möglichst sehr stabile Vorrichtung sein.“ „Ich werde darüber nachdenken.“ „Wir brauchen zwölf dieser Armbrüste, für jedes Schiff eins.“
In den ersten Tagen des Oktobers 1462 hieß es „Schiffe – Treck – Marsch.“ Nicolaus stand am Bug des ersten Schiffes, schaute auf den Schiffsverband der Handelsgesellschaft Ost und zeigte mit seinem rechten Arm in Richtung Nordwest. Viele Schaulustige hatten sich schon in den frühen Morgenstunden auf den Weg gemacht, um dieses Ereignis mit zu erleben. Barbara mit den zwei Kindern stand am Anleger und winkte, bis die Schiffe um die erste Flusskehre der Rega verschwanden. Es versprach ein sonniger Tag zu werden, eine leichte Seebrise aus Südost mit der Strömung des kleinen Flusses sorgte für ein gutes Vorankommen. Sie erreichten die Stadtmauern von Treptow, deren Stadtwachen schon aus alter Gewohnheit winkten und ihnen eine gute Reise zu riefen. Die Mündung der Rega mit dem kleinen Fischernest Deep näherte sich, wo kein Mensch von ihnen Notiz nahm. „ Kurs 55° westliche Breite und 14° nördliche Länge.“ „Kurs liegt an.“ Daniel ließ sogleich die Mastkörbe besetzen, denn verschiedene Kaperfahrer ließen nicht locker und überfielen viele Handelsfahrer. Immer wieder kam es zu Seegefechten zwischen Kaperfahrern aus Danzig mit Schiffen der Hanse, oder Kaperfahrern aus England, die mit der Hanse im ständigen Konflikt standen. Genau so versuchten die Schiffe des Deutschen Ordens die Schiffe der Polen oder der verbündeten Städte auf zu bringen. Man musste ständig auf der Hut sein. Kasper saß wie immer im Kartenhäuschen, um den Kurs zu berechnen, Notizen in sein Logbuch zu machen, alles das, was auf See passierte.
Der Koch brachte heißen Tee, den Daniel, Nicolaus, Ambrosius und Kasper dankbar annahmen. Der Wind frischte auf, und ließ die Segel in voller Größe zur Geltung kommen. Die Schiffe tauchten in die Wellenberge und ließ große Gischtspritzer über den Bugspriet auf das Vorderdeck klatschen, wo das Wasser dann seitwärts wieder ablief. Auf Höhe der Insel Rügen rief der Mann im Ausguck: „ 4 Segel auf Nordost. Lastenfahrer mit der Hanseflagge.“ „Weiter beobachten.“ „Die haben bestimmt viel Pökelfisch an Bord.“ „Wir werden hier bestimmt noch mehr Schiffsverkehr haben.“ „3 Segel aus Nordwest, Dreimaster, sie halten direkt auf die Prähmen zu.“ „Jetzt wird es für die Prähmen gefährlich.“„ Daniel, Kursänderung, halte auf die Dreimaster zu, nebeneinander, dann fächern und einen weiten Halbkreis fahren. Mal sehen, wie sie reagieren.“
Die zwölf Büsen segelten fächerförmig auseinander und fuhren weiträumig einen Halbkreis. Die Lastenprähmen blieben hinter ihnen, sodass die Dreimaster gezwungen waren, sich zuerst mit den kleinen wendigen Schiffen zu befassen. Der vordere Großsegler änderte seine Richtung und fuhr unter Vollzeug Parallelkurs zu den Prähmen. Vier Büsen änderten sofort ihren Kurs und segelten auf Kollisionskurs mit dem Großsegler, der sich aber von den kleinen Schiffen nicht beeindrucken ließ. Der Abstand verringerte sich immer weiter, bis der Dreimaster seine ersten Kanonenkugeln zu den Büsen herüber schoss, die er aber weit verfehlte. Sie fächerten auseinander, so dass es aussah, als wenn die äußeren Schiffe flohen, und holten dann wiederum weit aus, um im spitzen Winkel auf den Großsegler zu segeln. Wieder donnerten einige Kanonen, die aber keines der Schiffe trafen. Die Kugeln tanzten kurz auf dem Wasser und versanken. Die nächsten Kanonen schossen ihre Ladung ab, die diesmal gefährlich an den Masten der mittleren Büse vorbei sausten. Nach dieser Serie der Kanonen fuhren die vier Büsen eine blitzschnelle Halse, lagen kurz mit ihren Breitseiten zum Großsegler und schossen ihre Kanonen mit den Sprenggranaten ab, die mit ihrer Spitze in der Außenhaut des Seglers stecken blieben. Sofort nach den Abschüssen erfolgte die nächste Halse auf Steuerbord, und die anderen Kanonen schickten ihre Granaten zum Dreimaster hinüber. Die ersten Explosionen rissen große Löcher in die Außenhaut des Schiffes und hoben die schweren Kanonen wie Spielzeuge aus den Laufschlitten. Sie zerschmetterten und zerquetschten die Bedienungsmannschaften. Die nächsten Detonationen mit gewaltigen Druckwellen forderten den mittleren Mast, der auf die Decks krachte. Neue Explosionen sorgten für ein gewaltiges Chaos, Schiffsplanken und tausende Holzsplitter sausten durch die Luft, zerrissen und zerfetzten die Mannschaften, wirbelten sie mit durch die Luft und sorgten für Tod und Verderben. Das Schiff legte sich bereits auf die Seite und zog alles mit auf den Meeresgrund. Ein paar einsame Schreie und Hilferufe ertrinkender Seeleute, vermischt mit einem Gurgeln und Rauschen ließ die Angelegenheit als sehr gespenstisch ertönen.
Parallel dazu versuchten die zwei übrig gebliebenen Großsegler mit massivem Kanonenbeschuss Herr über die sehr wendigen Schiffe zu werden. Die meisten Kanonenschüsse gingen daneben oder lagen zu kurz. Es nützte ihnen nichts, sie fanden kein geeignetes Mittel, diese kleinen Büsen los zu werden. Wieder versuchten die Dreimaster es mit fortwährendem Bombardement, mehr um die eigene Wut oder Unsicherheit ab zu schütteln. Die dicken Kugeln klatschten ins Wasser, tanzten einige Meter auf der Wasseroberfläche, und gingen dann unter. Jetzt begann die Taktik der sechs Schiffe. Drei fuhren eine Halse über backbord, die anderen drei Schiffe über steuerbord. Wieder das gleiche Manöver, im Querbereich schossen sie ihre Kanonen mit den Sprenggranaten ab, deren Spitzen sich in den Bordwänden beider Schiffe festnagelten. Direkt hinterher die nächste Halse, genau umgekehrt, um die Kanonen der anderen Schiffsseite zu aktivieren. Die ersten Granaten explodierten, und richteten große Schäden an den Schiffswänden an. Riesige Löcher zeigten einen Teil des Schiffinnenlebens, dabei zerrissen und zerfleischten viele der Deckmannschaften. Die nächsten Explosionen rissen einen Teil der Aufbauten und der Oberdecks ab. Immer wieder wurden die schweren Kanonen hoch gewirbelt und in die verletzten Seeleute geschleudert. Schiffsplanken und Ausrüstungsgegenstände sausten einher, dazwischen ertönten die nächsten Explosionen und zerrissen viele der Mannschaften, die versuchten, in Deckung zu gehen. Eine einzige Kanone des vorderen Schiffes gab noch einen Schuss ab, bis ein gewaltiger Feuerpilz senkrecht nach oben schoss, und durch seine enorme Sprengkraft das vordere Schiff auseinander riss, und es in viele Einzelteile auf dem Wasser verteilte. Anscheinend explodierte die Pulverkammer des Schiffes. Innerhalb von wenigen Minuten war von diesem einst so stolzen Schiff nichts mehr als Treibgut zu sehen. Der zweite Großsegler versuchte zu entfliehen, schaffte es aber nicht mehr, in das große Chaos an Bord noch eine gewisse Ordnung zu bekommen. Ein einziger Schuss aus der dicken Kanone von Daniels Büse mit der großen Granate sorgte für das endgültige Aus des Schiffes. Es brach auseinander und versank.
Auf den Frachtprähmen winkte man ihnen noch zu, bis beide Seiten sich so weit entfernten, dass ein genaues Erkennen nicht mehr möglich war. Und wieder einmal konnten die Schiffe aus Pommern den Schiffern der Hanse helfen, eine sehr verkehrte Welt.
„Kurs 55,2° westliche Breite und 13° nördliche Länge, Ziel dänische Insel Mön.“ „Kurs liegt an.“ Die Insel Mön liegt zwischen den Inseln Falster und Seeland, und ist berühmt für ihren 128 Meter hohen Kreidefelsen auf der Ostspitze der Insel. Mön ist ein Sichtpunkt für alle Schiffe, welche den Sund zwischen der dänischen Insel Seeland und der schwedischen Halbinsel Gotland passieren wollen. Am Sund befindet sich auch die dänische Hauptstadt Kopenhagen mit seinen großen Hafenanlagen und dem Schloss des dänischen Königs. Am nordwestlichen Zipfel von Mon erreicht man die kleine Insel Nyord mit dem gleichnamigen Fischerort, wo der Schiffsverband eine Rast einlegte, um auch den mitgebrachten Zug– und Reitpferden ein wenig Auslauf und Weidefläche zu gönnen. Der kleine Fischerhafen hatte nur wenige Anleger, deshalb legten die 12 Schiffe hintereinander an einem Anleger an. Nicolaus kümmerte sich um die Liegeerlaubnis und um die Weiderechte für die Pferde, die auf einer nahen Wiese grasen konnten. In diesem kleinen Fischerort verirrten sich selten Fremde, entsprechend wurden sie alle mit der nötigen Vorsicht und gewissem Misstrauen betrachtet. Neben ein paar Fischernetzen, die über einem Holzgestell zum Trocknen und säubern hingen, stand ein großes Holzgestell, auf dem große Fischkörper zum Trocknen hingen. Kasper und Nicolaus schauten sich die Bauart dieser Gestelle genau an. „Wenn wir selber tätig werden wollen, brauchen wir solche Gestelle. Ich denke, die bekommen wir in jedem Ausrüstergeschäft für Schiffe. Sieh dir diese Fische an, sie entfernen die Köpfe und alle Innereien. Wir haben doch auch Netze, die sollten wir einsetzen.“ „Du meinst, wir fangen selber, und hängen die Fische auf? Bist du dir im Klaren, wie viel Arbeit das macht?“ „Ich meine, wir holen uns zwei dieser Gestelle, fangen so viel, dass unsere eigene Nahrung gesichert ist. Außerdem fallen wir dann nicht so sehr auf. Oder glaubst du, dass die Hanse diese Fanggebiete, bei so vielen Fischern, alleine lässt? Oder englische Kaperfahrer, die dort reichlich Beute machen können?“ „Du hast recht, an die habe ich in dem Seegebiet noch gar nicht gedacht.“ „Es werden viele Lastenprähmen der Hanse kommen, um diese Fische zu transportieren. Wenn wir es schaffen, so früh im Lofotengebiet zu sein, um mit einigen Fischern schon Kaufsverhandlungen zu führen, haben wir mehr als gewonnen. Außerdem können wir zur Tarnung unsere Netze auswerfen und dabei „unsere Fischer“ bewachen, damit ihnen nichts passiert.“ „Da sind doch auch die norwegischen Händler, die es bestimmt auch nicht gerne sehen, wenn wir uns da sehen lassen. Alles in Allem ist der Ärger bereits vorprogrammiert.“
Das Wetter änderte sich schlagartig. Ein Gewitter mit viel Regen und Sturm machte den kleinen Schiffen sehr zu schaffen. Gewaltige Sturzseen spülten über die Schiffe, die mit wenig Segel, den Sturm im Nacken, versuchten den Wind ab zu reiten. Er trieb sie wie Spielbälle vor sich her. Daniel hoffte, dass keines der Schiffe verloren ging. Jetzt kam es wirklich darauf an, wie gut die einzelnen Schiffsführer und ihre Mannschaften waren. Die Schiffe tauchten tief in die Wellentäler ein. Kaum hatten sie sich von der Welle befreit stürzten enorme Wassermassen auf die Decks und drückten sie unter Wasser. Aber jedes Mal schafften die Schiffes, sich wieder auf zu richten. Nur wie lang ging das gut? Die Mannschaften hatten kaum Zeit, darüber nach zu denken, denn hier ging es um das nackte Überleben. Die Schiffe schafften diese Aufgabe mit vielen Blessuren, gerissenen Seilen, zerfetzte Segel, aber alles Schäden, die in eigener Arbeit beseitigt werden konnte. Dieses Unwetter brach sein Unheil ab und verschwand, so schnell wie es kam. Zwei Büsen segelten nach ein paar Stunden heran, sie hatte der Sturm in eine ganz andere Richtung geschickt. Ein Seemann wurde über Bord gespült, ihm war nicht mehr zu helfen. So traurig die Bilanz auch war, die Mannschaften freuten sich über einen gelungenen Kampf gegen die Urgewalten der Natur.
Der ursprüngliche Name der Stadt Bergen hieß „Bjorgvin“, was so viel bedeutet wie „die Wiese zwischen den Bergen“. Die Lage der Stadt ist auch durch seinen natürlichen Schutz der vorgelagerten Inseln und des Byfjords an der Westküste Norwegens malerisch schön.
Die zwölf Schiffe segelten in den Fjord hinein, schauten auf die steilen Felsen, die rechts und links die Wasserstraßen säumten, umrundeten verschiedene kleine Inseln und blickten auf ein phantastisches Stadtpanorama mit Blick auf die Festung Bergenhus. Es regnete, einige tiefe Regenwolken versammelten sich vor den bewaldeten Bergen hinter den kleinen Holzhäusern um den Hafenbereich. Regenwetter schien hier normal zu sein, denn trotz der rieselnden Nässe sah man ein geschäftiges Treiben auf dem Marktplatz und den zahlreichen Schiffsanlegern. Viele Lastenprähmen entledigten sich ihrer mitgebrachten Ware, verschiedene Kräne zogen die verschnürten Lasten aus den Schiffsbäuchen. Etwas seitwärts erblickten die Handelsfahrer die ihnen begegneten sechs Großsegler, die hintereinander an den Anlegern vertäut waren. Daniel fand am genau gegenüberliegenden Ende des Hafens noch freie Schiffsanleger für ihre Zwecke gut geeignet. Nicolaus ging sofort zum Hafenmeister, um die Liegegenehmigungen für die Schiffe, und die Weiderechte für die Pferde zu besorgen.
Außer der eingeteilten Schiffswache erhielten alle Mannschaften Stadtgang, was mit einer freudigen Erwartung quittiert wurde. Allen Leuten schärften sie ein, die Ohren auf zu halten, damit sie alle auf plötzliche Ereignisse reagieren konnten. Die Großsegler der Hanse ließ Nicolaus von den Kundschaftern beobachten, um auch schnell über deren Kontakte hier in der Stadt Bescheid zu wissen. Die vier Freunde, Nicolaus, Ambrosius, Daniel und Kasper schlenderten zusammen durch die Stadt und schauten auch in die Auslagen der verschiedenen Geschäfte, um sich über deren Angebote zu informieren. Kasper steuerte auf ein Schiffsausrüstergeschäft zu und ging geradewegs auf die spezielle norwegische Schiffskleidung zu, die aus Seehundsfell angefertigt war. Jacke, Hose, Hut mit verlängerter Nackenkrempe, sowie Seestiefel mit einem hohen Schaft, der über dem Knie mit Lederschlaufen zugebunden wurde. Darunter trug der norwegische Seemann Unterwäsche und eine Weste aus Schafswolle. Dem Händler mit seiner Frau schauten Kasper zu, wie er die Kleidung genau musterte. Die Händlersfrau, ungefähr 40 Jahre alt, blond mit strahlenden blauen Augen, guter Figur sprach Kasper mit einer sehr sonoren Stimme an. Kasper gab an, sie nicht zu verstehen, und zeigte auf die Kleidung. Die Frau lächelte und meinte: „Mein Herr, ich kann Eure Sprache sprechen. Ich habe lange in Hamburg gelebt, wo mein Vater bei der Hanse beschäftigt war. Ihr interessiert Euch für diese Kleidung.“ „Ja“, meinte Kasper und fühlte noch einmal dieses spezielle Fell, weich und glatt, wenn man es in eine Richtung streicht. Fährt man mit dem Finger in die andere Richtung, so wirkt es stumpf und störrisch. „Ich habe noch nie so ein Fell gefühlt.“ „Dieses Fell ist absolut wasserundurchlässig und schützt bei sowohl bei Wärme wie auch bei Kälte. Unsere Fischer tragen solche Kleidung, wenn sie viel auf hoher See unterwegs sind. Sie sind sehr praktisch, man kann sich ihrer schnell entledigen, wenn man sich in die Koje legt. Es sind nur wenige Handgriffe nötig.“ „Gibt es die Kleidung auch in verschiedenen Größen?“ „Ach, große und kleine Menschen, na klar, wir haben fünf Größen zur Verfügung.“ „Was kostet so eine Kombination?“ „In Eurer Größe 100 Silberlinge.“ „Wir sind mit 12 Schiffen unterwegs, wir brauchen für 160 Männer solche Kleidung, wäre das möglich?“ Die Händlerin schaute Kasper sehr durchdringend an, um die Dimension dieses Auftrages zu begreifen. Sie fing sich sehr schnell und lächelte Kasper sehr entwaffnend an, der sich jedoch auf diese Spielchen recht gut einstellen konnte. Seine drei Freunde staunten wieder einmal über das stoische, eher gleichgültige Gesicht von Kasper, der sich auch nicht von diesem betörenden Lächeln beeindrucken ließ. Mancher Mann wäre vor Ehrfurcht eingeknickt und hätte zu allen Vorschlägen ja gesagt. „ Ihr sagtet 100 Silberlinge, für die komplette Montur?“ „Ja so ein Anzug her zu stellen, erfordert viel Arbeit.“ „Gut ich gebe Euch 70 Silberlinge für eine komplette Montur mit Stiefeln, Hut, die Wäsche und Weste darunter. Bei 160 Männern sind das 11200 Silberlinge, also 11 Goldstücke und zweihundert Silberlinge.“ „Aber mein Herr, wollt Ihr uns ruinieren? Mit 90 Silberlingen sind mein Mann und ich einverstanden.“ „Einverstanden bin ich mit 12 Goldstücken, das ist aber mein letztes Wort dazu.“ Die Händlerin und ihr Mann drucksten herum, denn so ein Geschäft machten sie nicht jeden Tag, aber verschleudern wollten sie ihre Ware auch nicht. Kasper drehte sich um und wollte mit seinen Freunden das Geschäft verlassen, als die Händlerin rief: „ Mein Mann und ich sind mit 12 Goldstücken einverstanden.“ Kasper drehte sich um, schaute das Händlerehepaar an und reichte die rechte Hand zum einschlagen des Knotens. „ Wir schicken nach und nach unsere Leute vorbei, damit sie, passend zu ihrer Größe, sich die Montur abholen können. Einverstanden?“ „Wir sind damit einverstanden. Kasper zahlte die 12 Goldstücke, danach probierten sie als erste die neue Fischerkluft an, und waren begeistert von der Leichtigkeit der Sachen.
In einer Wirtschaft am Rande des Marktplatzes fanden sie noch einen guten übersichtlichen Platz an einem Tisch, um von hier aus die Leute zu beobachten, ohne dass es sofort auffiel. „Sag mal Kasper, wie kamst du auf diese Kleidung?“ „Diese Kleidung soll ein Geschenk an alle, von mir und Barbara sein. In der Stadt Skagen waren wir doch auf diesem großen Markt. An einem Marktstand verkaufte ein norwegischer Händler diese Kleidung. Bereits damals kam mir die Idee, eine wetterfeste und wasserundurchlässige Kleidung für die Schiffstouren an zu schaffen. Hier vor dem Geschäft erinnerte ich mich wieder daran.“ „Dann vielen Dank auf dieses edle Geschenk, denn solch teure Ausrüstung kann sich kaum ein norwegischer Fischer leisten, es sei denn, sie stellen es selbst her.“ „Hier sind einige Fischer zu sehen, sie tragen vielleicht nur die Jacke, oder solche Stiefel.“ „Ihr werdet es merken, wenn wir noch weiter in den Norden kommen. Dort weht ein scharfer Wind, kalter Winter, nasses Wetter, wir haben dann alle die richtige Kleidung.“ Einer der Kundschafter stand am Fenster und schaute zu ihnen hin. Nicolaus stand auf und sprach draußen mit ihm eine lange Zeit. Der Kundschafter verschwand und Nicolaus setzte sich wieder an den Tisch. „Ich habe Neuigkeiten. Die 6 Großsegler sind tatsächlich der Schutz für die Lastenprähmen, die nach der großen Fischfangaktion den verarbeitenden Fisch nach Lübeck bringen sollen. Mehrere Großhändler hier aus Bergen teilen sich den Kuchen der Fischaufkäufe und haben ihre speziellen Verträge mit dem hiesigen Handelskontor der Hanse. Die norwegischen Fischer können auch nur bei diesen Händlern ihren Fisch verkaufen, andere gibt es nicht, oder nicht mehr. Wer nicht so mitspielte, wie die Hanse es nach ihren Spielregeln wollte, wurde beseitigt oder ruiniert. Unter den einheimischen Fischern herrscht ein gewisser Unmut, aber sie sind zu schwach, um sich gegen diese Macht durch zu setzen. Die Hanse diktiert den Preis, die Fischer müssen alle mit dem Kopf nicken.“
„Es ist verdammt, überall ist es dasselbe Spiel. Hast du die Macht, wird der Schwächere unterdrückt.“ „Unser Kundschafter hat bei dieser versteckten Schnüffelei ein paar Norweger kennen gelernt, die gerne mal mit uns und einigen Fischern ein Treff vereinbaren würden, um eventuelle andere Maßnahmen zu ergreifen.“ „Wir werden also wieder einmal der Hanse auf den Zehen herum treten. Das wird ihnen gar nicht gefallen.“ Kasper schaute ganz versonnen vor sich hin und meinte: „Die Hanse hat die Verträge mit den hiesigen Händlern gemacht. Die wiederum brauchen keine Verträge zu machen, weil die Fischer verkaufen müssen. Wir müssen versuchen, mit den maßgeblichen Fischern früh genug ein Abkommen mit einem fairen Preis vereinbaren. Also muss dieser Treff in den nächsten Tagen, am besten auf See, stattfinden. Nur, was machen wir, wenn sehr viele dieser Fischer uns den Fisch verkaufen wollen, unsere Ladekapazitäten aber erschöpft sind? Gibt es hier in Bergen, oder anderen kleinen Hafenstädten, Lastenprähmen, die zurzeit nicht gebraucht werden? Eine mittlere Prähme hat so viel Laderaum wie zweieinhalb Büsen unserer Größen. Bei zwei Lastenprähmen hätten wir demnach fünf Büsen mehr.“ Daniel grinste. „Du meinst, wir sollten ihnen unter der Nase so viel dieser Fische abnehmen?“ „Klar, wir wollen hier Handel treiben, dass es ein Risiko wird, wussten wir. Wir müssen sie nur wieder überlisten. Wir besorgen uns noch Hanseflaggen aus Lübeck. Wenn wir mit den Prähmen unterwegs sind, tun wir so, als kämen wir von Lübeck. Vielleicht bekommen wir sogar Geleit von den Großseglern. Irgendwann fahren wir nur in eine andere Richtung.“ Nicolaus, Ambrosius und Daniel schauten Kasper einen Moment lang an, und fingen an zu lachen, dass ihnen die Tränen die Wangen hinunterliefen. „Wenn das gelingt, würde sich die Hanse mit ihren eigenen Waffen geschlagen haben. Ha, ha, ha.“ Kasper schaute alle grinsend an und lachte mit.
Spät am Abend kam ein Norweger an den Schiffsanleger und wollte zu Nicolaus von Lebbin. Der Mann sprach deutsch und erzählte von ihren Problemen mit der Hanse und den inzwischen reichen Händlern, die hier die Preise diktierten. Er stellte sich als Knut Rasmunson vor. Kasper hörte die ganze Zeit schweigend zu und fragte: „ Ward Ihr mal Fischhändler gewesen?“ „Ja, ich hatte nebenbei eine kleine Fabrik, wo der Fisch verarbeitet wurde. Inzwischen gehe ich wieder auf See fischen, um die eigene Familie zu ernähren.“ „Herr Rasmunson, habt Ihre noch guten Kontakte zu den Fischern, auch von den Lofoten?“ „Meine ganze Verwandtschaft wohnt dort. Wir sind nur zu schwach, um gegen die mächtige Hanse an zu gehen.“ „Kennt Ihr Leute, die Lastenprähmen zur Verfügung haben?“ „Es gibt eine Menge Schiffseigner, die sich nicht trauen, raus zu fahren, weil die Hanse die gesamte Versorgung übernommen hat.“ „Mit anderen Worten, die Hanse hat den gesamten Transport aller Güter unter eigenem Dach, und drängt die Einheimischen aus dem Geschäft?“ „Ja, auch mit viel Gewalt. Jedes Mal erscheinen Vortrupps und schlagen die Männer zusammen, vergewaltigen die Frauen und Kinder. Manchen haben sie sogar die Häuser angesteckt.“ „Wie viel Fisch wird da jedes Jahr gefangen, ich spreche von dieser Dorsch_ und Kabeljauaktion. Wie viele Prähmen brauchen wir, unter Einschluss unserer Schiffe, um alles zu transportieren?“ „Bei einem mittleren Fang brauchen wir 20 Lastenschiffe, die den gesamten Fang wegschaffen.“ „Kennt Ihr so viele Eigner, die bereit wären, die Hanse etwas zu ärgern?“ „Da könnt Ihr sicher sein, die warten nur darauf, dass etwas passiert.“ „ Noch etwas, die Prähmen müssen hochseetüchtig sein, keine wurmstichigen Eimer.“ Der Mann verabschiedete sich, und wollte in den nächsten Tagen wieder vorbei kommen. „Kasper, willst du der Hanse den gesamten Fang abnehmen?“ „Ja, nur so können wir es so aussehen lassen, als wenn wir alles offiziell, im Auftrag der Hanse, vornehmen. Die Lastenprähmen müssen bereits vor Ort sein, bevor die eigentliche Fangsaison beginnt. Alle erhalten eine Hanseflagge. Wir werden die Schiffe in einem Fjord verstecken, da, wo ein normaler Hansefahrer nicht hinkommt. Die Hanseprähmen, die jetzt bald nach Bergen kommen, geleiten wir etwas um, die schicken wir weit in den Sognefjord, der ist über 200 Kilometer lang, da sind sie beschäftigt.“ „Aber wie willst du die Großsegler hinhalten?“ „Wir, als Hansebeauftragten, schicken sie zur Absicherung der Kaperfahrer auf die Englandroute. Vielleicht schaffen wir es, uns so auch von diesem Problem zu lösen.“ „Du meinst wir sind Beauftragte der Hanse? Wie wollen wir da vorgehen?“ „ Ich habe mir da mal etwas überlegt“, meinte Kasper und zündete sich seine Pfeife an. Seine Freunde taten es ihm nach, denn jetzt hörten sie den schönsten Teil des Planes, da waren sie sich sicher. Soweit kannten sie Kasper, dass er nur dann mit etwas rausrückte, wenn er nicht schon das Ergebnis wusste. „ Ich werde mich im Hansekontor als hanseatischer Lokator für Norwegen ausgeben, der die gesamte Fangsaison von der Logistik bis zur Sicherheit koordiniert. Ich werde ihnen von zu vielen Ausfällen und Überfällen auf Schiffe erzählen, und sie davon überzeugen, dass nur wir die Macht haben, den gesamten Fang sicher nach Lübeck zu bringen.“ „Du meinst, das klappt“, fragte Nicolaus und schaute Kasper grinsend ins Gesicht. „Na, dann komme ich aber mit. Stellst dich mit deinem richtigen Namen vor? „ Na klar, warum sollte man seinen guten Namen verleugnen.“
In ihrer neuen Norwegerkluft suchten Kasper und Nicolaus das Hansekontor von Bergen auf. „Mein Name ist Kasper von Greifenberg, Ich bin Hauptlokator der Hanse hier in Bergen. Ich möchte den Hauptverantwortlichen des Kontors sprechen.“ Ein Mann mittleren Alters, stellte sich als Hinrich Castorp vor, Kontorleiter und Handelskoordinator in Bergen. „Meine Herren, was kann ich für Euch tun?“ „ Herr Castorp, wir möchten mit Euch zusammen den diesjährigen Fischfang so koordinieren, dass wir möglichst wenig bis gar keine Verluste haben. In letzter Zeit häuften sich die Überfälle auf die Lastenschiffe der Hanse von Seiten der Kaperfahrer aus England und den Kaperfahrern des Deutschen Ordens, mit denen wir aber hauptsächlich auf der Ostsee in Konflikt gerieten. Unsere Aufgabe ist für die Sicherheit und für die garantierte Abwicklung des gesamten Fanges zu sorgen. In dieser Saison werden wir auch etwas anders verfahren, als sonst. Bis jetzt kamen die Prähmen erst nach Bergen, wurden ausgeladen, hier mühselig verarbeitet, dann wieder aufgeladen und nach Lübeck gebracht. Wir gehen wie folgt vor: Ihr bezahlt die Händler vor Ort, während wir die Fische auf den Prähmen verarbeiten und während der langen Zeit auf See trocknen. Sie segeln ohne große Aufenthalte sofort bis Lübeck. Die Großsegler halten uns den Weg von England hierher frei. So sparen wir viel Zeit und schaffen es, die Kaperfahrer an der Nase herum zu führen.“ Herr Castorp schaute Kasper leicht zweifelnd an, nickte dann aber und meinte: „ Endlich mal eine Überlegung, der ich zustimme. Mir wurde laufend vorgehalten, zu viele Verluste zu haben. Aber die norwegische Küste ist sehr groß, die können wir mit den paar Schiffen nicht bewachen. Ihr sagt, ich habe mich nur um die Belange der Händler zu kümmern, ihr schafft den gesamten Fang auf Eure Art weg. Damit bin ich einverstanden.“ „Ach, ja, da ist noch etwas. Die Großsegler beordert Ihr bitte in das englische Seegebiet, weit gefächert, damit sie viel Seeraum bewachen. Das wäre dann alles. Herr Castorp, vielen Dank für die nette Zusammenarbeit, wir wollen uns empfehlen, denn von alleine erledigt sich nicht die viele Arbeit. Falls wir noch Fragen haben, dürfen wir uns sicherlich an Euch wenden. Guten Tag.“
Nicolaus konnte sich das Lachen bald nicht mehr zurückhalten. Weit ab, auf dem Weg zu den Schiffen, lachte er, dass sogar Kasper von dieser Lacherei angesteckt wurden. Auf den Schiffen erzählte Nicolaus unter Lachen, was sich ereignete, und der ganze Abend zeigte sich von der genüsslichen Art, der großen Hanse ein Schnippchen zu stellen.
Drei Tage später in den Abendstunden, kam Knut Rasmunson, und brachte noch zwei Norweger mit, die sich als Eigner von Lastenprähmen vorstellten. „Wir können 24 Lastenfahrer stellen, alles Norweger, deren Schiffe im Hafen herumdümpeln.“ „Herr Rasmunson, wir möchten Euch, stellvertretend zu den anderen Schiffern unseren Plan vorstellen. Ihr segelt alle in den nächsten Tagen bis zu den Lofoten und bleibt mit Euren Schiffen im Trollfjord. Ihr dürft von keinem der Hanseschiffe entdeckt werden, sonst fliegt der Plan auf. Wir werden die ankommenden Hanseschiffe in eine falsche Richtung schicken. Wie lange braucht ihr bis zu den Lofoten?“ „Etwa 14 Tage.“ „Gut, das passt, denn in ungefähr vier Wochen beginnt die Fangsaison. Ihr könnt schon mal mit einigen Fischern Kontakt aufnehmen, und ihnen erklären, was wir vorhaben. Habt Ihr Mittel genug, um Eure Schiffe mit dem nötigsten für die Fahrt aus zu rüsten?“ „Tja, damit sieht es nicht so gut aus.“ „Reichen 15 Goldstücke für das nötigste?“ „Ich glaube, damit werden wir auskommen.“ „Dann sehen wir uns spätestens in drei Wochen im Trollfjord.“
Die vier Freunde saßen an diesem Abend noch lange im Schiff zusammen und besprachen die weiteren Schritte. Ambrosius war der erste, der das Schweigen brach. Er stopfte sich seine Pfeife und meinte: „Daniel und ich sind im Warendepot der Hanse hier am Hafen gewesen. Als man uns als Hanseangehörige ansah, konnten wir dort ungehindert herumschnüffeln. Wir haben eine große Kiste mit Fahnen der Lübecker Hanse gefunden, die wir dann heimlich mitgehen ließen. Aber da sind viele Dinge, die wir für unsere Mission gut gebrauchen können. Angefangen vom feinsten Seilmaterial über Werkzeuge, gepökelte Nahrung und verschiedene Kisten mit Getränken. Alles vom Feinsten. Segel in allen Größen, viele Fässer mit Schießpulver. Wir dachten uns, dadurch, dass wir jetzt auch da Zugang haben, sollten wir die Gelegenheit beim Schopfe packen. Was meint ihr dazu?“ „Ich denke auch, dass wir eine bessere Verwendung dafür haben, als die Hanse. Wir lassen vieles morgen in die Wagen laden und in den Schiffen unterbringen, “ meinte Nicolaus, und alle nickten dazu.
Mit den kleinen zusammenbaufähigen Wagen der Schiffe fuhren sie mehrere Male von den Schiffen zum Depot der Hanse und beladen zurück und füllten die Frachträume der Schiffe mit vielen wertvollen Gebrauchsgütern, Getränken und mehreren Fässern Schießpulver.
Kasper sprach mit dem Depotleiter: „ Mein Herr, viele dieser Güter können wir auf unserer Segeltour gebrauchen. Wir sorgen dafür, dass das Lager wieder gefüllt wird. Aber wir warten auf die Hanselastenfahrer. Richtet den Schiffern bitte aus, dass unser Gesamttreffen am Ende des
Sognefjords ist. Alle Lastenprähmen sollen dahin kommen.“ Der Depotleiter meinte:„ Treff am Ende des Sognefjords. Ich werde es ausrichten. Gute Fahrt.“
Das Depot leerte sich zunehmend und führte letztlich nur noch defekte oder gammelige Teile, die sicherlich schon viele Jahre in der Ecke herumlagen. Sie holten die Tiere von der Weide und stachen in See. Kasper saß wieder an seinem Kartentisch und rechnete den neuen Kurs aus. „4°nördlicher Länge und 61°westlicher Breite.“ „Neuer Kurs liegt an.“
„Sag mal Kasper, was geschieht nun mit den Lastenfahrern der Hanse?“ „Ich habe dem Depotleiter erklärt, dass es sehr wichtig ist, denen mit zu teilen, dass unser Treff am Ende des Sognefjords ist. Ich hoffe, dass er es auch richtig weitergibt.“
Ihr Ziel war die Insel Austvagoy, die größte östlichste Insel der Lofotenkette. Sie wollten das idyllische Fischerdorf Kabelvag am Vestfjord anfahren, welches im Südosten der Insel liegt. Nicht weit von da trennt der Raftsund, eine gefährliche Wasserstrasse, die Insel Austvagoy mit den Nachbarinseln der Vesterralen, eine weitere Inselgruppe, etwa 300 Kilometer nördlich des Polarkreises. Ein Seitenarm des Raftsund ist der Trollfjord, in dem der Treff aller Frachtenprähmen sein sollte.
Ein steifer Nordwestwind sorgte für eine gute Fahrt mit einem kräftigen Wellengang, der die Schiffe ordentlich durchschüttelte. Der Wind zerrte und surrte in der Takelage, die Segel blähten bis zum äußersten auf, der Gischt spritzte mehrere Meter hoch über das Schiff und floss seitwärts wieder ab. Der Mastkorbgast meldete nur wenig Schiffsverkehr, keine weiteren Vorkommnisse. Das Wetter zeigte komische Kapriolen, ein paar Minuten regnete es, dann schien kurz die Sonne, bis sich wieder eine dicke Regenwolke vor die Sonne schob und sich entlud. Nicolaus und Ambrosius setzten sich zu Kasper an den Kartentisch und rauchten mit ihm zusammen eine Pfeife, lehnten sich dabei entspannend zurück und hingen ihren Gedanken etwas nach. Der Koch brachte allen einen Becher heißen Tee, den sie dankbar annahmen. „Neuer Kurs 12° östliche Länge und 64,9° nördliche Breite.“ „Neuer Kurs Liegt an.“ „So diesen Kurs werden wir, bei leichten Korrekturen bis zu den Lofoten bei behalten“, meinte Kasper und trank ein paar Schlucke heißen Tee. „Was ich fragen wollte, wie kommt ihr mit der neuen Kleidung klar? Ist es so, wie die Händlerin es uns erklärt hat?“ „Also ich bin damit sehr zufrieden, keine nassen Füße, warm, leicht zu tragen, meinte Daniel und grinste um die Ecke, „selbst der Mann im Mastkorb meint immer wieder, sich schon lange nicht mehr da oben so wohl gefühlt zu haben.“ „Dann hat sich der gesamte Kauf gelohnt.“ „Die Hanse hat sich auch überall mit unlauteren Mitteln Vorteile verschafft. Wie hier in Norwegen drängen sie einfach die einfachen Leute, sogar mit Gewalt, an die Seite, um den Hals nicht voll genug zu bekommen,“ sagte Ambrosius und zündete sich seine Pfeife an, „dabei muss ihnen doch klar werden, dass diese Privilegien nur von kurzer Dauer sein können.“ „Ich hoffe nur, Kasper, dein Plan geht auf. Wenn die Hanse zu früh merkt, dass wir sie geleimt haben, werden sie alle Hebel in Bewegung setzen, uns zu jagen. Wir müssen sehr auf der Hut sein.“ „Ich denke, auch wenn wir ohne diese Austrickserei zu den Lofoten gesegelt wären, hätten wir spätestens da mit den Kriegsschiffen der Hanse Ärger gehabt. Im Moment glauben sie alle, dass alles normal verläuft, und jeder von ihnen strengt sich an, dem Anderen nicht ins Gehege zu kommen.“ Ambrosius überlegte die weiteren Vorgänge. „Wenn wir die verarbeiteten Fische in den Schiffen haben, wo fahren wir dann mit dem riesigen Fang hin?“ „Gute Frage, die mich schon lange beschäftigt hat. Aber ich habe da mal eine Idee, “ meinte Kasper und stopfte sich seine Pfeife, zündete sie an und zog den Rauch tief ein. „ Wir lassen die Fische zunächst einmal in den Laderäumen der Lastenprähmen, denn da sind sie gut aufgehoben, falls wir mal schnell verschwinden müssen. Wir gründen zusammen mit den Norwegern eine Fischereigesellschaft, davon profitieren wir und sie. Die Hanse vereinbarte das vermeintliche Monopol per Vertrag nur über die Fischhändler von Bergen, nicht aber mit den Fischern und den Schiffseignern. Wir beteiligen uns soweit, dass wir den Trockenfisch als zusätzliche Ware anbieten können, indem wir Schiffsausrüster und verschiedene Märkte im Ostseeraum bedienen. Es wäre nicht verkehrt, in verschiedenen Standorten Lager zu errichten, um der Hanse die Angriffsmöglichkeiten zu nehmen. Was meint ihr dazu?“ „Die Idee ist gut, es müssen nur noch die Norweger zustimmen.“ „Ich stimme dem auch zu, dann brauchen wir nicht mit den vielen Lastenprähmen im Verband nach Pommern zu segeln, sondern es könnten auch Kunden in Dänemark oder Holland bedient werden.“ „Wir werden uns am Anfang auf die Sicherung der Fischer beschränken, und einen Teil der wichtigsten Wasserwege hier vor den Lofoten bewachen. So ganz ohne auswärtigen Besuch wird es wohl nicht gehen. Alle Welt meint, hier arbeitet die Hanse, sie sollen auch erst alle bei diesem Glauben bleiben.“
Daniel stand am Ruder seines Schiffes und grinste über das ganze Gesicht. Nicolaus gesellte sich zu ihm und fragte: „Du grinst über irgend eine schöne Geschichte, Kasper?“ „Ja, über den muss ich mich immer wieder wundern. Diese Idee trug er schon die ganze Zeit mit sich herum. Darauf zu kommen, die Hanse an ihrer verwundbarsten Stelle zu treffen, nämlich keinen Gewinn einstreichen, sondern das Nachsehen zu haben, genial. Jetzt fehlt noch, dass er der Hanse einen Teil des Fisches verkauft. Das fehlt noch.“ „Da warte ich auch noch drauf. Damals, verkaufte er ihnen ihre eigenen Kriegskoggen. Das vergessen sie ihm nie.“ Kasper kümmerte sich um seine Logbucheintragungen und den Kurs ihrer Fahrt, und fühlte sich rund herum wohl. Alles verlief bis jetzt so, wie er sich es erdachte. Sie durften nur keinen Fehler machen und übermütig werden. Immer auf der Hut sein, alle Gefahren rechtzeitig erkennen.
Ein äußerst günstiges Wetter präsentierte sich dem Schiffsverband der pommerschen Handelsgesellschaft Ost. Starker böiger Südwestwind, der die Schiffe unter Höchstgeschwindigkeit ihrem Zielort näher brachte. Lange Wellen mit schaumigen Kronen ließ die Schiffe in ruhiger Gleichmäßigkeit durch diese Berg und Talfahrt stampfen. Dabei sprühten die Gischtwolken über das Bugspriet und ließen die Seeleute jedes Mal im Meerwasser unfreiwillig baden. Die spezielle Schiffskleidung zeigte jetzt die Wasserundurchlässigkeit und ließ die Seeleute nicht bei jedem Wasserschauer fürchterlich fluchen. Der Ausguck rief: „ Wir haben Besuch von Walen, hier auf Backbord ist ein ganz großer, gleich bläst er.“ Alle schauten dem Naturereignis zu. Eine riesige Wasserfontäne stieg steil an, ein rauschendes, blasendes Geräusch war zu hören und ein Prachtexemplar von Pottwalbulle mit einer Länge von ungefähr 15 Metern stieg aus dem Wasser und peitschte mit seiner riesigen Schwanzflosse durch das Meer. Jetzt zeigten sich noch weitere dieser Riesentiere, die sich von den, vergleichsweisen, kleinen Schiffen nicht beeindrucken ließen. Sie suchten Fanggründe nach geeignetem Futter ab, tauchten wieder ab, um nach einer langen Zeit sich mit einem spektakulären Wasserausblasen wieder an der Wasseroberfläche sehen zu lassen. Sie begleiteten die zwölf Schiffe eine gewisse Zeit, bis sie ihren Kurs in westlicher Richtung änderten, wahrscheinlich steuerten sie automatisch den vielen Schiffsschwärmen hinterher, wer weiß. Diese Begegnung mit den größten Tieren der weiten Meere war noch lange Gesprächsthema Nummer eins. So ein Erlebnis aus der Nähe zu sehen, war nicht jedem Seemann vorbehalten. Mit welcher geballten Kraft sie mit der enormen Schwanzflosse das Wasser durchpflügten, sich wie ein Spielball abstießen und mit geballter Energie mehrere Meter durch die Luft flogen, um mit einem Aufprall auf der Wasseroberfläche für zusätzliche Wasserbewegung sorgten. Sie verschwanden so plötzlich, wie sie auftauchten.
Ein wunderschöner Sonnenuntergang versprach einen ereignisreichen Tag ab zu schließen. Der Himmel färbte sich von gelborange bis glutrot, der Feuerball der untergehenden Sonne senkte sich wie eine dünne Scheibe langsam im Horizont in die sich farblich wieder spiegelnden Fluten der Nordsee. Die Gischtkronen der Wellen tauchten für den Moment in eine rotorange leuchtende Markierung, die sich jedes Mal schnell verflüchtigte. Daniel gab den anderen Schiffen über seine Flaggensignale Bescheid, näher heranzurücken, um sich für die Nacht zusammen zu seilen, sodass nur jedes zweite Schiff unter Segeln fuhr, und das nächste mitschleppte. Diese Art in der Nacht zu reisen ging nur bei mäßigem Wetter gut, und nicht bei aufkommendem Sturm. Aber wie es aussah, sollte es eine klare Nacht werden. Jedes Schiff steckte ans Heck seine Positionslampe, sodass die Nachtwachen schnell die Gegenwart aller Schiffe zählen konnte. Im Kartenhäuschen saßen die vier zusammen, rauchten ihre Pfeife und genehmigten sich einen vorzüglichen Genever aus Holland. Die Hanseleute erhielten in den Getränkekisten anscheinend immer eine Auswahl der besten internationalen Getränke aus der weiten Hanseumgebung. Der Koch brachte noch jedem eine heiße Suppe mit Brot und geräuchertem Fisch, sodass sie mit zufriedenen Mienen den Tag beschlossen.
Der Tag graute, der Horizont schälte sich als ganzer Blickfang, der Mastkorbgast besetzte gerade seinen Beobachtungsposten als er schon rief: „ 2 Segel aus West, hintereinander folgend.“ „Weiter beobachten.“ Jetzt hörten alle Geschützfeuer, erst von einer Kanone, dann deutlich von einer Zweiten, das hörte sich wie ein Gefecht an. „Das hintere Schiff, ein Dreimaster, verfolgt den vorderen Dreimaster, und schießt mit der Bugkanone, die Heckkanone des Dreimasters antwortet.“ Nun verfolgten sie alle den Kampf der Giganten. Der vordere Dreimaster fuhr eine elegante Halse, legte sich etwas auf die Seite und schoss mit seinen Backbordkanonen eine Breitseite, in die Takelage des verfolgenden Schiffes. Erhebliche Schäden im mittleren Mastbereich der Segel und Rahen führten zu einem Chaos in der Schiffsführung, denn den Schwung und die Geschwindigkeit, mit der das Schiff heranrauschte, wurde regelrecht gestoppt. Doch die Seeleute hieben mit Äxten die verkanteten Rahen los und befreiten sich aus der Misere. Jetzt feuerten sie ihre Steuerbordbatterien ab und beschädigten den Großsegler, den sie verfolgten, bevor der seine zweite Breitseite abfeuern konnte. Die vielen Kugeln fanden ihr Ziel in den Aufbauten und Deckgeschützen, die mit Wucht aus ihren Schlitten gehoben wurden. Viele der Geschützmannschaften starben durch zerfetzen und Einquetschen. Einige Geschütze konnten noch antworten und feuerten ihre Kugeln in den Verfolger. Die beiden Schiffe trieben immer weiter auf einander zu. Vereinzelnde Geschütze donnerten ihre dicken Kugeln aus kürzester Distance in den Bauch des gegnerischen Schiffes, sodass die Mitteldecks zersplitterten, durch einander flogen, in ein unglaubliches Blutbad verwandelt wurden. Die Verletzten schrien und kreischten, es schallte über das Wasser, es hörte sich schaurig an. Die Unbeteiligten auf den Verbandsschiffen erlebten ein Massaker der allerersten Güte, und mussten die Enterung der letzten Überlebenden des vorderen Dreimasters mit erleben. Die Schiffe verhakten sich ineinander, die Männer sprangen auf das gegnerische Schiff und verwickelten sich in einen Nahkampf. Kasper und Nicolaus standen nebeneinander und erlebten als unfreiwilliger Zuschauer diesen Kampf bis zum letzten Mann. Jetzt erkannten sie auch die Nationalitäten beider Schiffe. Der Verfolger war ein Engländer, der vordere Großsegler ein Schiff der Hanse. Der Engländer lag schon sehr schief im Wasser, und hielt sich nur noch durch die vielen verhakten Seile mit dem Hanseschiff. „Meine Güte, schaut Euch das an, wenn es jetzt keiner merkt, dann zieht der Engländer das Hanseschiff mit in die See“, rief einer der eigenen Seeleute. Immer noch kämpften sie verbissen, Mann gegen Mann. Der Mastausguck rief: „ Zwei Segel aus West, das sind zwei Engländer, die wollen ihrem Schiff zu Hilfe kommen.“ „Daniel, jetzt müssen wir uns stellen, Kampflinie gefächert.“ Die zwölf Büsen fächerten auseinander und segelten auf die beiden Dreimaster zu, die erst nicht wussten, was das Manöver dieser kleinen Schiffe bedeutete. Die jeweils drei äußeren Büsen sonderten sich in einem weiten Kreis etwas ab, um nach einiger Zeit schräg das hintere Schiff von zwei Seiten zu attackieren. Die andern sechs Schiffe nahmen von Backbord und von Steuerbord den Vorderen Dreimaster in die Zange und steuerten ihn im engen Radius von vorne schräg kommend an. Er konnte dadurch nur seine Bugkanone nutzen, ansonsten war er wehrlos. Das erkannte der Schiffsführer des Engländers auch und versuchte eine enge Halse, die aber dahin führte, dass ein Batteriedeck unter Wasser tauchte, das gegenüberliegende Deck Richtung Himmel schaute. Es dauerte lange, bis das Schiff sich wieder anhob, konnte es aber nicht verhindern, das bereits die Deckkanonen der Büsen ihre Granaten mit den Spitzen abfeuerte, die sich tief in die Bordwand des Seglers hineinbohrten. Gewaltige Explosionen zerrissen das Schiff und legten es sofort ganz auf die Seite, sodass einströmendes Wasser die Decks überflutete. Sofort wendeten sie sich dem zweiten Segler zu, der es genau so wenig schaffte, die kleinen Schiffe ab zu schütteln. Er wurde eingekreist und versuchte mit seinen Bordkanonen sich Respekt zu verschaffen. Mehr als 1000 Meter schafften die Kanonenkugeln nicht, sie flogen wirkungslos ins Meer. „Daniel ich rufe hinüber, sie sollen sich ergeben,“ „ An den Schiffsführer des Dreimasters, ergebt Euch,“ rief Kasper durch die Flüstertüte, „Ihr habt genau fünf Minuten Zeit eine weiße Fahne zu schwenken, sonst schießen wir Euch in die Nordsee.“
Auf dem Großsegler regten sich einige Leute, auf einmal schwenkte jemand eine große weiße Fahne. „Wir kommen mit drei Schiffen, Ihr steigt aus, schön langsam, zuerst der Schiffsführer und die Offiziere“, rief Kasper hinüber. Die erste Büse segelte los und machte am Dreimaster fest. Die Offiziere kletterten eine Strickleiter hinunter und stiegen in die Büse, wo sie sofort von mehreren Sicherheitsleuten um Ambrosius festgenommen, gefesselt und in die Pferdeboxen gesperrt wurden. Die nächste Büse startete und nahm einen Großteil der Mannschaften in Empfang. Mit dem dritten Schiff fuhren Kasper und Nicolaus mit, um den Dreimaster zu betreten, nachdem die gesamte Mannschaft das Schiff verlassen hatte. Es war schon recht seltsam, ein so leeres Schiff zu betreten, wo gerade vorher noch viel Leben herrschte. „Sag mal Nicolaus, wäre das ein Schiff für uns?“ „Lassen wir das Ganze Daniel entscheiden, er hat dafür ein ganz anderes Gefühl.“ Sie durchsuchten das Schiff, vor allen Dingen die Schiffsführerkajüte, mit den persönlichen Befehlen, dem Logbuch und vielen Unterlagen mehr. Im ganzen Schiff herrschte peinliche Sauberkeit, alles aufgeräumt, nicht gebrauchtes Tauwerk ordentlich aufgerollt. Alles in Allem ein Schiff mit Vorzeigecharakter. Aber eine Stelle auf dem Vordeck war die Strafbank für Bestrafungen an Matrosen. Es schien, als wenn hier kurz vorher gerade eine Auspeitschung stattfand, denn die restlichen Spuren zeigten noch einige Blutspritzer. Kasper las in dem Logbuch mit seinem geringen englischen Verständnis, dass mindestens einmal die Woche Bestrafungen verschiedener Art stattfanden. Darunter gab es zwei Mal Kielholen, eine Strafmaßnahme, wobei der Delinquent am Seil unter dem Schiff hergezogen wird, über den Muschelbesatz und anderem Unterwasserbewuchs, der sich im Laufe der Zeit dort sammelt. Nur Wenige überlebten diese Strapaze. Auspeitschungen mit der neunschwänzigen Katze, Stockschläge auf die Fußsohlen und ähnliches mehr. Kasper fand es ein unwürdiges Schiff. Den Schiffsführer und seine anderen Offiziere wollte er sich mal genauer vornehmen. Daniel enterte an Bord und schaute sich das Schiff bis ins Kleinste an. Die Verarbeitung der Bordwände, den Schiffsboden, die Masten mit der Takelage, die Aufbauten, die Breite und die Länge des Schiffes interessierten ihn besonders. „Das Schiff dürfte gerade mal 2-3 Jahre alt sein, denn diese Verarbeitung der Bordwand ist anders, sieht aus, wie die neue holländische Bauart, die Kraweele, mit nebeneinander liegenden Planken. Das wäre sicherlich für uns ein Schiff, was wir gut gebrauchen können. Sämtliche modernen Anlagen, wie Kompass und Astrolabium sind vorhanden. Sogar die neusten Seekarten habe ich entdeckt. Kasper, ein Schiff, welches für unsere Zwecke geeignet wäre. Das Schiff ist breit, und hat keinen so tiefen Kiel, also könnte man sogar in den einen oder anderen Fluss segeln. Allerdings würde ich noch ein paar Umbauten der Segelanlage vornehmen, sodass man mit mehreren Vorsegeln arbeiten könnte. Das Schiff besitzt sogar verschiedene Kajüten, wobei ich auch da noch Umbauten vornehmen würde.“