Ruhe sanft oder wie ich im Keller endete - Wolfgang Pein - E-Book

Ruhe sanft oder wie ich im Keller endete E-Book

Wolfgang Pein

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Beschreibung

Sie lesen jetzt richtig: Vorstellen und erzählen wird ihnen diese Geschichte eine Akte, denn die hat alles selbst erlebt. Staunen sie, "was" die alles mitgemacht hat, was sie dabei fühlte und dachte - besonders über uns Menschen. "Behörden-Dschungel leicht gemacht". Diesem Motto wird hier vollkommen Gerechtigkeit verschafft. Auch der völlig Materie-fremde Leser wird diesen Verfahrensablauf - hier bei der Justiz - garantiert verstehen, denn er wird humorvoll durch diese für viele fremde Welt geführt, nicht ohne den nötigen Ernst zu vernachlässigen. Ihre Meinung über "nur" Papier werden sie garantiert überdenken.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

„so“ haben sie einen Verfahrensablauf bei einer Behörde – hier bei der Justiz - wohl noch nie gehört.

Ich bin mir sicher, sie haben wenigstens diesen verstanden, wenn sie mein Buch gelesen haben.

Einstmals so leicht und schlank

- ein einzelnes Blatt Papier -

wuchs es

- anfangs frustriert -

zu einer dicken Akte heran.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Geburt

ein erster Schock

der zweite Schock

und noch ein Schock

bei der Polizei

„meine“ erste Vernehmung

Untersuchungshaft

bei der Staatsanwaltschaft

beim Amtsgericht

Flucht

Fahndung

Abteilung 752 Js

Fristablauf

zurück beim Amtsgericht

Erfolg der Fahndung

im Gerichtssaal

beim Landgericht

Ablauf der Bewährungszeit

im Keller

Epilog

Prolog

Guten Morgen, guten Tag – oder ist es schon Abend? Verzeihen sie mir bitte, aber ich habe so lange im Dunkel gelebt, dass mir die Zeiten manchmal einfach abhandenkommen.

Ich bin von Grund auf eigentlich ziemlich gutmütig. Aber ich muss sie dennoch warnen, denn eines kann ich gar nicht gut haben. Sagen sie bitte „auf keinen Fall“: „Die ist aber dick!“ Dafür kann ich nämlich überhaupt nichts! Denn das war nicht immer so!

Ich sollte mich aber erst einmal vorstellen, damit sie wissen, mit wem sie es hier zu tun haben. Also: Ich bin eine Akte und heiße 752 Js 890/11.

Da staunen sie – was? Solche Vor- und Hausnamen haben sie wohl noch nie gehört. Ich weiß selbst nicht so genau, wie mein Ruf- oder Familienname mit der obigen Bezeichnung lautet. Später hörte ich mal, wie mich jemand 752 Julius-Siegfried nannte. Ganz sicher bin ich mir da nicht, weil ich im Laufe meines Lebens in verschiedenen Büros eben auch verschieden angesprochen wurde.

Bei Menschen scheint das ja einfacher zu sein.

Zumindest habe ich das bei denen immer gewusst, wenn die sich Fritz oder Edith genannt haben. Ja, dann habe ich genau gewusst – dies sind Vornamen.

Erst viel später habe ich dann erfahren, dass auch ihre Familiennamen an den Türen standen, wo sie angeblich ihrer Arbeit nach gingen oder gehen sollten. Solche komischen Bezeichnungen wie ich sie habe, hatten die Menschen aber nicht. Na ja, vielleicht bin ich ja ein Geheimagent oder eine Geheimagentin – so wie 007, aber so genau weiß ich auch das nicht.

Verzeihen sie bitte – schon wieder, aber ich möchte doch noch einmal erst auf den Punkt kommen, wo über mein Gewicht zu sprechen ist.

Wie ich schon ausführte, es war nicht immer so, dass mich ein sogenannter Aktengurt zusammen halten muss, damit ich nicht aus der Form gerate und mich in meine Einzelteile zerlege. Ich kann nichts dafür, dass man mich so gut fütterte, dass ich noch nicht mal mehr als eine einzelne Akte durchs Leben gehen konnte.

Im Laufe der Zeit bekam ich nämlich zwar keine Junge, aber ich nahm zu – an Umfang. Die Menschen, für die ich arbeitete, sagten, dass sie ab Blatt 251 immer neue Aktenbände anlegen - dies sei so vorgesehen, sagten sie – Dienstvorschrift in einer sogenannten „Aktenordnung“.

Diese komische „Ordnung“ hat also im Grunde mein ganzes Leben geregelt, vom Beginn, wo mich erstmals jemand in einem Büro als noch einzelnes Blatt in die Hand nahm, bis in den Keller. Dabei, so hörte ich später einmal, soll diese Ordnung oft gar nicht auf dem neuesten Stand sein und müsste eigentlich viel öfter mal auf „aktuell“ getrimmt werden. Ich selbst als Akte habe jedenfalls meinen eigenen persönlich hohen Standard, möglichst immer aktuell zu sein.

So kam es im Laufe der Zeit, dass ich zunahm und zunahm, schließlich aus vier Aktenbänden bestand und noch bestehe und durch riesige Aktengurte zusammen gehalten werden muss. Wenn sie gut aufgepasst haben, können sie sich ja leicht ausrechnen, aus wie viel Blatt Papier ich jetzt so ungefähr bestehe.

Gut - wo sie dies jetzt wissen, werden sie auch wohl hoffentlich nicht in Versuchung kommen, mir „einen fiesen Spruch rein zu reichen“. Ich hatte sie ja schon anfangs ausdrücklich gewarnt. Auch Akten haben Gefühle, glauben sie es oder glauben sie es nicht - es ist so!

Und jetzt erzähle ich ihnen hier meine Geschichte.

Sie werden mit den Ohren schlackern, denn sehr vieles wird für sie einfach nur unglaublich „neu“ sein.

----------

Geburt

Kommen wir aber zum Anfang - zu der Zeit, als ich noch gar keine Akte war. Also, ich befand mich schon damals im Dunkel. Ich lag da aber nicht in einem Keller, und schon gar nicht befand ich mich in irgendeinem Bauch. Gut - ich frage mich in diesem Augenblick zwar, woher kann ich das wissen, aber eigentlich tut dies auch nichts zur Sache. Entscheidend ist nur, dass ich damals gar nichts um mich herum gesehen habe – es also fast so dunkel war, wie jetzt hier im Aktenkeller, wo ich schon seit Monaten herum-staube. Ach ja, mir fällt da doch noch etwas wieder ein.

Ich konnte damals deshalb nichts um mich herum erkennen, da ich sozusagen „eingetütet“ war – was so viel heißt, dass um mich und 499 weitere Kameraden oder Kameradinnen eine Papierhülle war, die alles von uns fern hielt. Die Hülle war absolut dicht, wir waren alle blind, aber dann geschah es. Die Hülle wurde entfernt – meine Brüder oder Schwestern und ich erblickten das Licht der Welt. Und jetzt konnten wir auch einen kurzen Blick auf die Hülle werfen, die uns gefangen gehalten hatte – oder hatte sie uns nur beschützt?

Auf der Hülle stand „500 Blatt Kopier-Papier“. Endlich wussten wir, wer oder was wir sind. Ich kann Ihnen sagen, und da spreche ich im Namen des ganzen Paketes, dass wir heilfroh waren, dass dort „Kopier-Papier“ stand, schließlich hätte dort auch „Klo-Papier“ stehen können – nicht auszudenken! Das wäre dann wohl ein beschissenes Leben für uns alle geworden.

Ganz stolz muss ich ihnen noch sagen: „Ich war das erste Blatt. Ich lag ganz oben.“ Das war eine Vormacht-Stellung, habe ich mir von den anderen Blättern sagen lassen. Denn die hatten echt Druck, vor allen aber die Blätter, die ziemlich unten lagen. Mann, war ich froh, das erste Blatt von oben zu sein. Bin ich etwa zu eitel, macht nichts. Die späteren Jahre haben mich gelehrt, dass nicht alles Gold ist, was zuerst oben liegt.

Sorry, sorry, aber ich verzettele mich schon wieder. Ich wollte ja nur einfach – endlich - einmal sagen, dass ich als Einzelblatt Papier angefangen habe. Da werden Sie mir doch wohl auf Anhieb glauben, dass ich damals sehr schlank war – und leicht war ich - war das schön! Ich hatte die DIN-A4 Norm.

Aber das ist nun wirklich schon sehr lange her. Das war ja im Jahre 2011 – jetzt haben wir 2017.

Auch wenn ich erfahren habe, dass Menschen im Alter ebenfalls meist zunehmen, das ist kein Trost für mich – nicht wirklich. Da ich aber gelernt habe, dass es wohl den meisten Kopier-Papieren so ergeht, dass Blatt für Blatt hinzu kommt und man gemeinsam immer dicker und schwerer wird, dann muss man dies wohl so hinnehmen – und wie hätte ich das auch vermeiden sollen. Füße zum Weglaufen habe ich ja nicht. Es soll schlimmere Schicksale geben – habe ich gehört.

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ein erster Schock

Ich kam also als schlankes und sehr leichtes Blatt Kopier-Papier auf die Welt, geschlüpft aus der Hülle. Kaum war ich heraus, griffen Hände nach mir und wollten mich schon wieder in ein dunkles Verlies sperren. Ich war machtlos, aber zum Glück war ich nicht lange dort. Ich bekam mit, dass ich in einem Drucker gelandet war – sagte der Mensch, der mich gepackt hatte. Etwas geschah mit mir. Ich wurde durch einen dunklen Gang gezogen. Unheimliche Geräusche waren um mich herum. Und ich wurde betatscht. Später erfuhr ich, dass dies alles ein Druckvorgang war. Meine blütenweiße Weste war aber jetzt dahin, für immer. Ich war bedruckt worden. Man konnte jetzt auf mir Texte und Zahlen lesen. Froh war ich nur, dass nicht auch noch meine eigenen Gedanken dort zu lesen waren, denn ich war ziemlich sauer über diese Behandlung und die Worte, die ich dafür fand, sage ich jetzt hier nicht.

Schließlich war dieser ganze „Druckvorgang“ mehr als nur unheimlich. Ich wurde auf den Kopf gestellt, wurde gedreht und Kopf über aus dem Drucker geschoben. Eine Walze hatte mich erfasst, die für diese ganzen Drehungen verantwortlich war.