Sagen & Legenden vom Laacher See - Mario Junkes - E-Book

Sagen & Legenden vom Laacher See E-Book

Mario Junkes

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Beschreibung

Sagen & Legenden vom Laacher See – Mythen, Geschichte und Geheimnisse der Eifel

Geheimnisvolle Geschichten aus der Vulkanregion – von versunkenen Schlössern, mutigen Rittern und teuflischen Begegnungen.

Der Laacher See, einst durch einen gewaltigen Vulkanausbruch geformt, ist nicht nur eine atemberaubende Naturkulisse, sondern auch eine Quelle faszinierender Mythen und Legenden. Die Region rund um den See – von der Pellenz über das Zissener Land bis in die Voreifel – steckt voller geheimnisvoller Geschichten, die über Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegeben wurden.

Dieses Buch nimmt Sie mit auf eine Reise durch die spannendsten Sagen der Eifel:
• Das versunkene Schloss und die Lilie von Maria Laach
• Ein Fischerjunge hört unheimliche Stimmen aus der Tiefe
• Teuflische Ritter und unbarmherzige Burgherren – die dunkle Seite der Eifel
• Die Erbauung der Abtei Maria Laach – Wahrheit oder Legende?
• Die Andernacher Bäckerjungen: Wie ein Laib Brot den Feind besiegte
• Der vergebliche Ausbruch des Teufels – Orte des Schreckens und der Sühne
• Genoveva von Brabant – Liebe, Verrat und eine Geschichte voller Tragik

Warum Sie dieses Buch lesen sollten:
✔ Authentische historische Sagen, gesammelt aus alten Schriften und mündlichen Überlieferungen
✔ Einblicke in die Volkskunde der Eifel – entdecken Sie, was Menschen über Jahrhunderte bewegt hat
✔ Perfekt für Geschichtsinteressierte, Heimatliebhaber:innen und Eifel-Fans
✔ Spannende Erzählweise – ein Mix aus Geschichte, Mythos und Abenteuer

Ein Muss für alle, die sich für historische Sagen, Burgen, geheimnisvolle Orte und die Geschichte der Eifel interessieren!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 229

Veröffentlichungsjahr: 2025

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SAGEN UND LEGENDEN VOM LAACHER SEE

MARIO JUNKES

TEIL1

SAGEN UND LEGENDEN DES KLOSTERS MARIA LAACH

Abbatia Mariae Lacensis. Abbatia Mariae ad Lacum. Abbatia Lacensis. Die Abtei Maria Laach besitzt zahlreiche Namen und noch viel mehr Geschichte. Heinrich II. von Laach, seines Zeichens Pfalzgraf bei Rhein, stiftete gemeinsam mit seiner Frau Adelheid von Weimar-Orlamünde im Jahre 1093 am Südwestufer des Laacher Sees einen heiligen Zufluchtsort:

»Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Ich, Heinrich, von Gottes Gnaden Pfalzgraf bei Rhein und Herr von Laach, zur sicheren Befriedung der Demütigen im Geiste tun wir allen Christus und Getreuen, Künftigen, wie Gegenwärtigen, kund:

Da ich kinderlos bin, habe ich unter Zustimmung und Mitwirkung meiner Gemahlin Adelheid zum Heil meiner Seele und zur Erlangung des ewigen Lebens auf meinem väterlichen Erbe, nämlich in Laach, zu Ehren der heiligen Gottesmutter Maria und des heiligen Nikolaus ein Kloster gegründet als Wohnsitz für solche, die die Mönchsregel befolgen.

In Gegenwart und unter der Zeugenschaft des Herrn Heilbert, des verehrungswürdigen Erzbischofs von Trier, habe ich diesem aus eigenen Gütern eine Mitgift bereitet.«

Doch schon zwei Jahre nach seiner großzügigen und selbstlosen Stiftung starb Heinrich am 23. Oktober 1095 auf Burg Laach. Nach einigen Unterbrechungen schritten die Bauarbeiten nach einer erneuerten Stiftung seines Stiefsohnes Siegfried von Ballenstedt im Jahre 1112 wieder zügig voran und schon 1127 wurde Giselbert von Affligem nach Laach berufen. Dort wurde er im Jahre 1138 als Gilbert von Laach erster Abt der nun unabhängigen Abtei – die erst im Jahre 1863 ihren heutigen Namen erhielt.

EIN HELLES LICHT IN TIEFER NACHT

DIE GRÜNDUNG DER ABTEI LAACH

Pfalzgraf Heinrich II., der sich auch Herr von Laach nannte, lebte mit seiner Gemahlin Adelheid gewöhnlich auf dem Schloss zu Laach, das sich auf einem Felsvorsprung an der Südseite des Laacher Sees befand. Hier am Ufer des ihnen so wertvollen Wassers stifteten beide im Jahre 1093 das Kloster, das seinen Namen von dem See entnahm und im Laufe der Jahrhunderte eines der schönsten und größten des Rheinlands wurde. Über die Wahl des Ortes berichtet eine alte Sage:

Heinrich II. und Adelheid hatten lange den Wunsch gehegt, zu Ehren Gottes ein Kloster zu stiften. Ebenso lange waren sie unschlüssig über den Ort, an welchem es errichtet werden sollte. Eines Tages wurde ihnen derselbe durch höhere, himmlische Zeichen angedeutet.

Von der Burg herab blickten sie einst bei Nacht auf das sonst so stille, vom Wald umkränzte Ufer und sahen den See selbst von Lichtern und Flammen erhellt – besonders aber die eine Seite, wo sich das Ufer eine größere Strecke flacher denn sonst hinzieht.

Derart hingewiesen, beschloss das fromme Ehepaar, auf die so genau bezeichnete Stelle die Kirche und daneben ein Kloster zu setzen und die gesamte Stiftung der Mutter Christi und dem heiligen Nikolaus zu weihen – und so geschah es.

EIN WELTLICHES KONTRA – I

DIE LILIE VON LAACH

Vor vielen Jahrhunderten versammelten sich die Mönche von Maria Laach in der Kirche zum Chorgebet. Es war um Mitternacht, die Zeit für die Matutin, auch Vigil genannt. Man hatte diese Tradition von den frühen Christen übernommen, welche sich in der Nacht bereit machten für die Rückkehr des Herrn Jesus Christus.

Der jüngste Mönch des Klosters, der erst kürzlich seine Weihe erhalten hatte, betrat als erster das Betgestühl. Mit einem Mal hielt er in seinen Bewegungen inne und wurde plötzlich bleich – denn auf seinem Platz lag eine welke Lilie.

Dieses Zeichen galt den Brüdern als Botschaft aus dem Jenseits, dass man innerhalb von drei Tagen sterben müsse. Es hieß, dass diese Botschaft seit Anbeginn der Zeit jedem der Mönche zuteilwerde, wenn sein Ende nahe.

Dem jungen Benediktiner wurde plötzlich schwindlig:

»Nur drei Tage noch?«, hauchte er, für niemanden vernehmbar.

Anstatt sich der göttlichen Weisheit zu fügen, schien alles in ihm sich dieser zu widersetzen.

»Nein, noch nicht! Zuerst soll er die Alten holen, die eh zu nichts mehr nütze sind.«

Trotzig schob er die Lilie schnell auf den nächsten Platz. Dann kniete er sich nieder, zog die Kapuze fest über den Kopf und schloss die Augen zum Gebet.

Wenig später hörte der junge Mönch schlurfende Schritte neben sich, welche langsam das dort befindliche Betgestühl erreichten. Es war sein Nachbar, ein gebrechlicher Greis von fast neunzig Jahren. Seine vom grauen Star halb blinden Augen erhaschten etwas Weißes vor sich. Sofort ahnte der Mann, was es war. Er sank auf die Knie und sprach demütig fromm:

»Deo gratias! Ich danke dir, Herr im Himmel, dass du mich endlich zu dir rufst.«

Als die Nachricht sich verbreitete, umringten die anderen Mönche ihn und beteten mit ihm. Nur der jüngste blieb stumm. Die Scham hatte ihn überwältigt und seinen Mund verschlossen – die entsetzliche Scham, dass er in seiner Schwachheit geglaubt hatte, Gottes Ratschluss ändern zu können.

Er nahm sich vor, dem Abt seinen Frevel zu bekennen. Doch diesen Entschluss auch in die Tat umzusetzen, fiel ihm nicht leicht. In jeder wachen Stunde drückte ihn das Gewissen, aber sein Stolz ließ es nicht zu, seinen Fehler zu bekennen. Erst am Abend vor dem dritten Tage beichtete er, was er getan hatte. Der Abt war entsetzt über die schreckliche Tat:

»Wie soll ich dich lossprechen können von solchem Frevel, den du nicht nur an unserem Mitbruder, sondern auch an Gott dem Herrn selbst getan hast?«

Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen. Einer der Mönche stürzte herein.

»Unser alter Mitbruder ist eben gestorben!«

Der junge Mönch und auch der ehrwürdige Abt selbst wurden mit einem Mal kreidebleich. War die Nachricht vielleicht doch ein Zeichen des Himmels? Hatte Gott der Herr die Lilie durch die Hand des jungen Bruders gesandt? Der Abt sprach den Sündigen los, empfahl ihn der Gnade Gottes und segnete ihn.

Die ganze Nacht über wachte der junge Bruder bei dem Verstorbenen. Inständig betend überdachte er die Situation. Sollte Gott ihn nicht auch selbst in dieser Nacht abberufen, so wollte er künftig nur noch den Armen und Kranken dienen. Es kam der erste Tag. Nichts. Dann der zweite Tag. Auch der dritte Tag ging zu Ende – aber der junge Mönch lebte noch.

Er lebte sogar noch, als der Abt und die meisten seiner Mitbrüder bereits lange gestorben waren. Dann schließlich lag eines Nachts die weiße Lilie auf seinem Platz. Laut und freudig rief er, sodass es alle ringsum hören konnten:

»Bruder, nun habe auch ich sie! Ich komme!«

Niemand konnte begreifen, was seine Worte bedeuten sollten, denn niemand wusste, was sich einst vor vielen Jahren hier zugetragen hatte. Auf seinem Sterbelager bekannte der alte Mönch schließlich auch den anderen, was er einst in jungen Jahren getan hatte, was ihn zeitlebens nicht hatte ruhen lassen – und was ihm erst im Tod endlich vergeben war.

EIN WELTLICHES KONTRA – II

DIE LILIE VON LAACH

Fast alle Sagen und Legenden um das Kloster Maria Laach liegen in vielen verschiedenen Formen vor. Eine zweite der weißen Lilie soll gleich folgen.

Vor vielen Jahrhunderten versammelten sich die Mönche von Maria Laach nach

einem arbeitsreichen Tag in der Abteikirche zum Chorgebet. Der jüngste, zuletzt Eingetretene gelangte als erster zu seinem Platz im Chorraum. Da bemerkte er mit Schrecken auf seiner Kniebank eine welke, weiße Lilie. Sie galt als Zeichen aus dem Jenseits – auf wessen Platz sie lag, würde drei Tage später aus dem irdischen Leben abberufen.

»Nein, das ist zu früh, ich bin doch noch so jung! Warum soll ich denn schon jetzt sterben?«, fragte er sich in seiner Angst vor dem Tod.

Er schob die Lilie rasch und unbemerkt auf den Platz seines Nachbarn, eines greisen, neunzigjährigen Mitbruders. Als der fast blinde Mönch die Blume auf seinem Platz ertastete, rief er laut, dass es im Gewölbe der Basilika nachhallte:

»Ich danke dir, Herr, dass du mich gerufen hast. Gern komme ich zu dir!«

Der Abt und die anderen Mönche kamen hinzu und alle beteten gemeinsam um einen guten und leichten Tod. Nur der Jüngste blieb stumm, denn sein schlechtes Gewissen quälte ihn. Nach drei Tagen suchte er den Abt auf, um im Gespräch Erleichterung zu finden. Der Abt hörte den jungen Bruder an und rief dann entsetzt:

»Ich weiß nicht, wie ich dich von dieser schweren Schuld lossprechen soll!«

Da wurde heftig an die Tür geklopft. Ein Mönch trat herein und berichtete traurig:

»Der Herr hat soeben unseren Mitbruder zu sich geholt!«

Das deutete der Abt als ein Zeichen des Himmels und es fiel ihm nun leichter, dem jungen Mönch die Absolution zu erteilen.

Der aber betete die ganze Nacht hindurch am Totenlager des Mitbruders und dachte in diesen stillen Stunden über sein Leben nach. Wenn er in den nächsten drei Tagen nicht selbst sterben würde, wollte er fortan seine ganze Kraft den Armen und Kranken widmen. Aber Gott verzichtete darauf, den Mönch schon jetzt zu sich zu holen. So konnte er sein Leben lang Buße tun und sich auf das ewige Leben vorbereiten.

Der Abt und die meisten seiner Mitbrüder hatten längst die letzte Reise angetreten. Da lag eines Abends wieder eine weiße Lilie auf der Kniebank des inzwischen ergrauten Mönchs. Nun rief er laut und voller Freude aus:

»Jetzt liegt sie bei mir, Brüder! Ich bin an der Reihe! Herr im Himmel, ich komme!«

Aber niemand wusste, was er mit diesen Worten meinte, weil seine Tat ein Geheimnis zwischen ihm und dem einstigen Abt geblieben war. Doch als er nach drei Tagen auf dem Sterbebett lag und auf den Tod wartete, gab er selbst das so lange gehütete Geheimnis preis.

WENN DER KNECHT ZUM TEUFEL GEHT

DER FAULE KNECHT

Paul Zaunert (A 20.10.1879 in Bielefeld – Ω 24.02.1959 in Kassel-Wilhelmshöhe) liefert uns eine der vielen Versionen folgender Sage.

Zur Zeit der Weinernte beauftragte der Gutsverwalter von Laach zwei Knechte, den Weinberg eines Klostergutes zu bewachen. Eines Nachts wollte einer von ihnen sich das Wachehalten erleichtern, rief im Scherz den Teufel um Hilfe an und sagte:

»Komm' Teufel, bewache den Weinberg, und ich will dir Lohn geben.«

Kaum hatte er dies gesprochen, erschien der Teufel tatsächlich und sagte:

»Da bin ich. Was gibst du mir, wenn ich die Wache übernehme?«

Der Knecht sagte:

»Einen Korb voll Trauben sollst du haben, aber nur unter der Bedingung, dass du Wache hältst vom Beginn der Nacht bis zum Tagesanbruch und dass du, falls einer eindringt, ihm den Hals brichst.«

Dabei nahm er weder sich selbst noch irgendjemand anders aus. Der Teufel versprach, alles zu tun wie verlangt.

Als der Knecht abends, unbesorgt wegen des Weinbergs, nach Hause kam, sagte der Gutsverwalter zu ihm:

»Warum bist du nicht auf dem Weinberg?«

Er antwortete:

»Ich habe meinen Gefährten dort gelassen.«

Der Knecht meinte allerdings den Teufel. Der Gutsverwalter aber dachte, er spreche von einem anderen Knecht und sagte deshalb zornig:

»Geh' schnell hin! Der eine genügt als Wache nicht.«

Der Knecht tat missmutig wie geheißen, denn nun war sein Handel umsonst gewesen. Als er später – während seiner Wache – eine Warte, die sich außerhalb des Weinbergs befand, mit seinem Gefährten hinaufstieg, hörten sie um Mitternacht ein Geräusch, als ginge jemand zwischen den Reben hin und her. Der andere, der von dem Vertrag nichts wusste, sagte:

»Es ist jemand auf dem Weinberg.«

Jener antwortete:

»Bleib sitzen, ich will hinuntergehen und nachsehen.«

Er stieg hinab, umging den Weinberg von außen und da er keine Spur eines Menschen an der Hecke fand, bemerkte er, dass der Teufel Wort gehalten hatte und seinen Dienst als Wächter versah.

Am Morgen erzählte er alles seinem Gefährten. Weil er dem Teufel einen Korb voll Trauben zum Lohn geben wollte, schüttete er diesen neben eine Rebe. Dann ging er seines Weges. Als er bald darauf mit seinem Gefährten zurückkam, fand er an der bezeichneten Stelle nichts mehr – nicht mal ein einziges Träubchen.

Zaunert schloss mit der Bemerkung, dass das, was hier in der Klostersage Teufel genannt wurde, in Wahrheit wohl ein Kobold gewesen sei.

WERNER – BEINHART

DER NEUE BRUDER

Vor vielen Jahren war es wieder einmal Herbst in der Eifel geworden. An einem der vielen nebligen Novemberabende pochte ein Fremder an die Klosterpforte von Maria Laach und bat um eine Unterkunft – was man ihm selbstverständlich gewährte.

In der Klosterküche wurde ihm eine warme Suppe kredenzt, über die er sich eifrig hermachte, nachdem er das Kreuzzeichen geschlagen und seine Lippen ein paar lautlose Worte geformt hatten. Auch ein Nachtlager war für den Besucher schnell gefunden, und zwar im Heu über dem Pferdestall.

Am nächsten Morgen begehrte der Fremde, kurz mit dem Abt zu sprechen. Einerseits, um sich für Speise und Unterkunft zu bedanken – aber andererseits auch, um seine traurige Lebensgeschichte zu schildern und um Aufnahme in die Klostergemeinschaft zu bitten. Er wolle sein Leben ordnen und es seinem Schöpfer und Herrgott weihen, versicherte er dem Abt.

Dieses Anliegen, sanft, aber bestimmt vorgetragen, konnte der Abt ihm nicht abschlagen. Weil der altgediente Mann sein Kloster aber schon lange Jahre mit sicherer Hand leitete und über die Flatterhaftigkeit der Menschen nur zu gut Bescheid wusste, machte er mit dem Fremden eine Probezeit von drei Monaten aus:

Sollte der Besucher – der sich Steinmetz Werner nannte – nach Ablauf dieser Frist immer noch den Wunsch hegen, in das Kloster eintreten zu wollen, würde ihn der Abt mit offenen Armen in den Kreis der Novizen aufnehmen. In diesen drei Monaten könne er sich im Kloster nützlich machen, den Alltag in der Abtei kennenlernen und seine Lebensplanung ausreichend lange überdenken.

Bereitwillig ging Werner auf den Vorschlag des Abtes ein und schlug ihm vor, zunächst einmal die Klostergebäude in Augenschein zu nehmen und nach schadhaftem Mauerwerk zu suchen. Diese Schäden wolle er dann gemäß seiner Ausbildung als Steinmetz und Maurer reparieren und ausbessern. Dies hörte der Vorsteher des Klosters gerne, waren doch im Laufe der letzten Jahre viele Mauern baufällig und zahlreiche Gewölbe brüchig geworden.

Schon nach wenigen Tagen war der neue Bewohner bei allen Brüdern im Kloster bekannt. Nicht nur, dass er sich in der Abtei als tüchtiger Handwerker hervortat, er verpasste außerdem keinen der Gottesdienste und konnte nicht genug über das Kloster und seine Geschichte in Erfahrung bringen. Mit Schlüsselbund und Klosterplänen in der Hand war Werner häufig schon vor Sonnenaufgang an den entlegensten Orten anzutreffen, sei es im Keller oder auf dem Speicher.

Sogar der ansonsten strenge Prior des Klosters war von dem Fleiß und der Frömmigkeit des zukünftigen Novizen so beeindruckt, dass er ihm als Belohnung schon kurz vor Weihnachten einen eigenen Raum zuwies, in der Werner in Ruhe an seinen Plänen und Zeichnungen arbeiten konnte. Als Werner sich – vermeintlich auf Geheiß des Abtes – kurz nach Neujahr beim Klosterschmied einige Schlüssel vom Klostertor und einigen Gebäuden anfertigen ließ, erregte dies keinerlei Verdacht.

Es fiel nur dem Bibliothekar des Klosters auf, dass sich der Steinmetz in den letzten Tagen bei ihm beharrlich nach den Aufbewahrungsorten aller Kelche, Monstranzen, Reliquien und anderer wertvoller Gerätschaften erkundigt hatte. Werner hatte seine Anfragen begründet, der Bruder Vorsteher habe ihm aufgetragen, für diese Kostbarkeiten in nächster Zeit eine sichere Schatzkammer zu bauen.

Die Nacht vor dem hier im Kloster sehr wichtigen Dreikönigsfest war zwar stürmisch, aber für die Jahreszeit vergleichsweise mild. Voller Ungeduld saß Werner in seiner dunklen Zelle. Er wartete, wie auf glühenden Kohlen sitzend, bis alle Lichter und Lampen im Kloster gelöscht waren und endlich Ruhe herrschte. Lange hatte er diese Nacht herbeigesehnt.

Auf leisen Sohlen verließ er seine Zelle, schlich durch den langen Gang, schloss

vorsichtig die Zwischentür auf, tastete sich behutsam die Treppe hinunter, erreichte unbemerkt die kleine Seitentür des Klosters und stand im Freien. Am liebsten hätte er vor Freude gejauchzt, weil sein über viele Wochen vorsichtig entwickelter Plan zu

gelingen schien.

Doch noch musste er vorsichtig sein und die Ruhe bewahren. Dank der bereitgelegten Zweitschlüssel bereitete auch das letzte Hindernis – das alte, eiserne Gartentor – nicht die geringsten Schwierigkeiten. Schon war Werner auf in Richtung Seeufer.

Hier fand er den großen Fischerkahn an gewohnter Stelle im Schilf, konnte es sich nun aber nicht länger verkneifen, lauthals über die Einfalt der Klosterbrüder zu lachen. Alle, selbst der Abt, waren seinen Schauspielkünsten auf den Leim gegangen. Vor einigen Jahren hatte er sich einer Räuberbande angeschlossen und war schnell zu deren Anführer aufgestiegen. In der Tat hatte Werner, dessen richtiger Name allen im Kloster unbekannt war, tatsächlich einmal das Maurer- und Steinmetzhandwerk erlernt und konnte bei der Ausführung seines Planes davon profitieren. Schon saß Werner im Kahn und ruderte mit kräftigen Schlägen über den See, um seine Mitstreiter abzuholen, die wie vereinbart auf der gegenüberliegenden Seite auf ihn warteten.

Mit vereinten Kräften wollten sie dann das Kloster erstürmen und es all seiner Schätze berauben. Nur noch ein paar Steinwürfe vom Ufer entfernt hielt Werner dann im Rudern inne und ließ dreimal den Ruf einer Eule in Richtung Land erschallen. Er musste nicht lange warten, bis das vereinbarte Signal von seinen dort wartenden Spießgesellen gegeben wurde. Schon sah er, wie sie geschickt die Tarnung nutzten und sich zwischen Sträuchern und Bäumen heranmachten. In gespannter Erwartung auf die große Beute sahen die Wartenden ihren Hauptmann näherkommen. Nur noch vier, fünf Ruderschläge und Werners Kahn hätte das Ufer erreicht.

Aber mit einem Mal rührte sich das Boot nicht mehr von der Stelle, obwohl sich Werner mit aller Kraft in die Riemen legte. Jetzt begann der Kahn sogar zu schaukeln und, zum großen Entsetzen der Räuber, sich auf dem Wasser zu drehen – immer schneller und wilder. Werner hatte längst die Kontrolle über das Boot verloren, als eine gewaltige Wasserfontäne mit fürchterlichem Getöse den schweren Kahn samt Ruderer in den dunklen Nachthimmel emporschleuderte.