Sagen und Legenden aus dem Hunsrück - Mario Junkes - E-Book

Sagen und Legenden aus dem Hunsrück E-Book

Mario Junkes

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Beschreibung

Die sagenhaften Weiten des Hunsrücks Schinderhannes auf Raubzug. Trithemius beim Schabernack. Goldschätze, Rüben-Ritter, Geister, Jäger, Fluchgewitter. Der einäugige Hauptmann, eine Ladung Tobak für den Teufel, der Binger Bleistift und die heilige Hildegard - eine reichhaltige Tradition berichtet von unzähligen Geschichten. Die besten dieser Sagen und Legenden hat Mario Junkes für Sie gesammelt und in das Gewand seiner besonderen Sprache gekleidet. So können auch Sie daran teilhaben und reisen im Handumdrehen von Stromberg nach Morbach, von Thalfang nach Trarbach, von Osburg nach Simmertal und von Waldesch nach Kirn. Ganz gleich, ob man die Gegend Fremde oder Heimat nennt - die Geschenke der Rose Hunsrück sind jederzeit eine Pracht.

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Seitenzahl: 210

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SAGEN & LEGENDEN AUS DEM HUNSRÜCK

SAGEN UND LEGENDEN

MARIO JUNKES

VORWORT

Der Hunsrück – mein Nachbar

Umarmt von Nahe, Saar, Mosel und Rhein liegt die Ruhe der Natur.

Liebe lesende Menschen,

Ich freue mich sehr, Sie wieder an Bord begrüßen zu dürfen. Wir begeben uns auf eine weitere Reise im Land der Sagen und Legenden. Dieses Mal geht es zu einem Nachbarn der Eifel. Wir sind heute zu Gast bei einem rund vierhundert Millionen Jahre alten Nachfahren des ehemaligen Superkontinents Pangaea. Nach einer stürmischen Liebschaft von Gondwana und Laurussia entstand das Rheinische Schiefergebirge. Hunsrück-Quarzit und Hunsrück-Schiefer sind Gesteine mit Migrationshintergrund, geboren in südlichen Breitengraden. Der untere Teil dieser Einwanderer wird heute vom Erbeskopf gekrönt und kannte durch die Zeiten hindurch viele Namen: Hunesrucha. Hunesruck. Hunsrück – eine Rose duftet gleich welchen Namens süß.

Doch jede Rose, auch der Hunsrück, besitzt ihre Dornen. Man kann die Abwesenheit von Autobahnen und Schwerindustrie als Mangel wahrnehmen, wenn man den Standort Deutschland zukunftsfähig machen möchte. Will man derart vieles wirtschaftlichem Wachstum unterordnen, sei eine Autofahrt von Köln nach Düsseldorf empfohlen, am besten im Berufsverkehr. Eine Wanderung nach Leverkusen tut es auch, mitten im Sommer, wenn die Schornsteine im lauen Westwind flüchtige Wachstumskurven in den Himmel zeichnen. Wer sich dann eine »gesunde« Dosis Feinstaub und Schwermetalle abgeholt hat, lasse sein Gefährt zur Abwechslung im Hunsrück rollen. Von Stromberg nach Morbach, oder von Thalfang nach Trarbach. Von Osburg nach Simmertal, oder von Waldesch nach Kirn. Ganz gleich, ob man die Gegend als Vorgarten oder Hinterwald, sie Fremde oder Heimat nennt – die Geschenke der Rose Hunsrück sind jederzeit ein Genuss.

Ihr ergebener Autor hat einen Teil dieser Geschenke für Sie zusammengetragen. Er freut sich, diese an Sie überreichen zu dürfen und tut dies in seiner eigenen Art mit einer Prise Humor, denn falls wir die Wahl haben, mit Begebenheiten destruktiv oder konstruktiv umzugehen, falls wir uns entscheiden können, über Ereignisse zu lachen oder zu weinen, uns entscheiden können, Erfahrungen konstruktiv in unser Leben einzubauen, oder die destruktive Natur dieser Ereignisse unkonstruktiv unsere Existenz verpesten zu lassen, weshalb sollten wir uns für das Unproduktive entscheiden? Lachen ist keine Medizin. Medizin ist Medizin. Lachen ist ein Tor zur Erleuchtung – und Wasser ist nass.

Vor ungefähr einem Jahrhundert erstellte Doktor Karl Lohmeyer sein Werk »Die Sagen der Saar«, dessen Gesamtausgabe auch dem Hunsrück mehrere Kapitel widmet. Ohne seine ausgezeichnete Recherche, ohne sein unermüdliches Sammeln mündlicher Überlieferungen hätte das vorliegende Buch eine weitaus schwerere Geburt durchstehen müssen. Es gebührt ihm großer Dank.

Mitten in unserer Gegenwart befindet sich Doktor Mark Scheibes Monumentalwerk zu einem gewissen Herrn Johannes Bückler. Die Webseite »Forschungsportal Schinderhannes« ist ein wahrer Quell an Informationen. Doktor Scheibe hat fast dreißig Jahre Recherche in dieses Gebiet investiert und nähert sich dem Wirken Bücklers in erster Linie von wissenschaftlicher Seite. Er vernachlässigt oder ignoriert jedoch nicht die zahlreichen Mythen und Märchen, Sagen und Geschichten, Legenden und Erzählungen aus allen Richtungen und Gegenden, welche sich neben dem Pfad der Wissenschaft finden. Ihm gebührt ebenfalls großer Dank.

Sagen und Legenden verleihen der Kultur eines Landstriches ihre Stimme. Sie sind ein Teil dessen, was die Geschichte zwischen den Zeilen offenbart. Was unsere Vorfahren vorgestern erlebten, was sie gestern noch fehlbar gemacht haben mag, ist in Sagen und Legenden verborgen. Wir dürfen es entdecken und wir dürfen es fühlen. Wir dürfen heute daraus lernen und, falls wir solches im Sinn haben, dürfen wir es ab jetzt besser machen.

Danke, dass Sie sind, wie Sie sind.

Bleiben Sie gesund.

Simmern und Trier, im Februar 2021

Ihr Mario Junkes

TEIL1

DER SCHINDERHANNES

1

JOHANNES BÜCKLER – BERÜHMTHEIT UND LEGENDE ZU LEBZEITEN

Allein vom Schinderhannes existieren hunderte Sagen und Legenden. Der Autor ist erstaunt über die Reichhaltigkeit der Speisekarte im Restaurant »Chez Maître Jean Buckler« und er sieht seine Aufgabe als Kellner, nicht als Gesundheitsamt oder Guide Michelin. Jeder Gast erhält, was er bestellt – Ihr Wunsch ist des Kellners Befehl. Fühlen Sie sich wie zu Hause. Die Großen dürfen gerne auf die Kleinen achtgeben, denn manchmal besteht die leckere Kartoffelwurst nur aus einem Glas randvoll mit Hochprozentigem.

Was man sich über Johannes Bückler und sein Leben bis heute erzählt, würde mehrere Bücher diesen Umfangs füllen. Beeindruckend ist nicht nur die Anzahl der Ereignisse, sondern auch die geografische Reichweite. Johannes Durchdenwald machte seinem Alias alle Ehre und hätte auch als Hannes Übersland, oder Jakob Überall durchgehen können. Dieses Buch folgt seinen Spuren, auch wenn diese gelegentlich außerhalb des geografischen Hunsrücks führen, da Bückler zweifellos schon zu Lebzeiten eine große Anziehungskraft auf Menschen ausübte – was sich außerdem in einer erschreckend hohen Anzahl antisemitischer, fremden- und frauenfeindlicher Sagen und Legenden niedergeschlagen hat. Von diesen sollen nur wenige wiedergegeben werden, um die Würde der Opfer zu schützen.

Bezeichnend ist das Vorkommen sogenannter Wandersagen: Der Inhalt ist sehr ähnlich, nur Ort und Datum ändern sich. Auffällig ist auch das Verhältnis tatsächlicher Ereignisse, von denen vergleichsweise wenig bekannt ist, zur Myriade Sagen und Legenden, die sich wie Soonwälder Seemannsgarn um Schinderhannes schlingen, in Anglerlatein Räuberpistolen auf alles richten, was sich nicht wehrt und Erbeskopfmuscheln auf die Menschen regnen. Diese Geschichten berichten in überwältigender Mehrheit von wirklichen Begebenheiten, zu denen man in stets guter Absicht nach Belieben manchmal weniger, manchmal aber auch etwas mehr Schinderhannes reichte – wie Selbstgebrannten zur Krombierewurscht. Prost Mahlzeit.

WIE SCHINDERHANNES ZU SEINEM NAMEN KAM

Getauft auf Johannes, arbeitet als Abdecker, behandelt Lebende wie Kadaver:

Schinderhannes ist geboren

Der Begriff »Schinderhannes« ist dem Autor seit seiner Jugend in der Eifel als Schimpfwort bekannt. Ein grober Ehemann und Vater, ein rücksichtsloser Nachbar – wem auch immer der Begriff Schinderhannes angeheftet wird, hat sich diese zweifelhafte Ehre über lange Zeit erarbeitet und verdient. Sei als Unteroffizier und Schleifer in einer Sicherungsstaffel, oder als grobschlächtiger Mensch, der lieber mehrmals im Jahr die Neugeborenen seiner Hauskatze gegen die Wand schleudert und dann in den Mülleimer wirft, als eine Handvoll Groschen für die Sterilisation zu investieren, oder sei es als jemand, dem Menschenwürde so viel bedeutet wie Dreck unter den Fingernägeln. In allen an den Hunsrück grenzenden Gegenden gilt Schinderhannes als Bezeichnung für ein rohes, männliches Wesen ohne jegliche positive Eigenschaften. Es ist jemand, der die Hand zur Hilfe anbietet, nur um einem dann sprichwörtlich oder tatsächlich mit der Faust ins Gesicht zu schlagen – und dabei das Knie zwischen die Beine zu donnern.

Der Name »Schinderhannes« ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Hunsrück entstanden, und zwar möglicherweise bereits während Bücklers Jugendzeit. Schon als Kind, laut einigen Quellen beginnend im Jahr 1792, machte er die Gegend unsicher und habe »auf Kirchweihen sein Wesen getrieben«, wie ein Zeuge vor Gericht aussagte. Bücklers kriminelle Karriere ist ab dem Sommer des Jahres 1795 eindeutig nachweisbar. Andere Quellen berichten davon, dass Schinderhannes bereits in seiner Kindheit so genannt wurde. Er soll stolz darauf gewesen sein, denn bereits Vater und Großvater seien so gerufen worden. Den Beweis bleiben sie schuldig.

Was bleibt, ist die Geschichte von Johannes Bückler, der von einem Mainzer Gericht angeklagt, verurteilt und am 21. November 1803 hingerichtet wurde. Was außerdem bleibt, sind die Sagen und Legenden von Schinderhannes, welche, wie wir gerade gesehen haben, bereits zu Zeiten seiner Kindheit entstanden sind.

2

SALMIAK – HANNES MIT SEINEN GESELLEN

›Sie rannten um die Wette mit dem Sonnwaldwind, hundert Mann

Und einer ging voran, dem folgten alle blind, Schinderhans

Die Rufe ihrer Kehlen zerschnitten die Zeit

Sie waren Angst und Schreck für Menschen weit und breit

Und weder Blitz noch Donner, weder Schmach noch Wonne

Nur Knast, Kugel, Klinge hielt sie auf.‹

BEZUGSFERTIG, LIEBHABEROBJEKT, RUHIGE LAGE, OFFENER WOHNSTIL, FRANZÖSISCHER BALKON, GROSSER GARTEN MIT BIOTOP, PROVISIONSFREI

Schinderhannes suchte oft in Höhlen Unterschlupf. Manchmal waren dies alte Bergwerksstollen, die man im Mittelalter zur Gewinnung von Erz benutzt hatte – und die von Schinderhannes zur Gewinnung von Tarnung und Versteck umfunktioniert wurden. In anderen Fällen waren es Felsvorsprünge, die vor Wind und Wetter Schutz boten. Im Hunsrück und Umgebung gibt es viele derartige ehemalige Residenzen des Räubers, die man noch heute Schinderhanneshöhlen nennt.

SCHINDERHANNES-BANK: ZAHLREICHE NIEDERLASSUNGEN, KUNDENFREUNDLICHE ÖFFNUNGSZEITEN, GERINGE GEBÜHREN

In alter Piraten- und Räubertradition vergruben Schinderhannes und seine Bande oft die Beute aus ihren Überfällen. Man konnte das Gestohlene schlecht in eine Sparkasse bringen. Der waldige Hunsrück bot zahlreiche »Einzahlungsmöglichkeiten«. Manchmal wurden vorhandene Löcher und Vertiefungen genutzt, bei anderen Gelegenheiten mussten die Räuber selbst graben. Im Volksmund hießen diese Orte »Schinderhanneslöcher«.

ACH WIE GUT, DASS JEDER WEISS, DASS ICH SCHINDERHANNES HEISS

Schinderhannes setzte bei Bingen über den Rhein nach Rüdesheim. Der Fährmann hatte jedoch Bedenken, denn die Schinderhannesbande sollte hier in der Gegend sein. Doch Hannes versprach ihm eine gute Flasche Wein, der Schiffer war es zufrieden und er ruderte Schinderhannes über den Rhein. Nachdem der sich in einer Rüdesheimer Weinwirtschaft erkenntlich gezeigt hatte, teilte er dem Fährmann eine Parole mit:

»Laub rausch’!«

Das solle der Schiffer sagen und seine Gesellen würden ihn ziehen lassen, denn er sei in der Tat Schinderhannes höchstpersönlich. Prompt stieß der Schiffer in der Nacht auf Bücklers Verbündete. Er rief ihnen zu wie geheißen:

»Laub rausch’!«

»Das hat dir der Teufel gesagt«, kam es zurück.

»Euer Hauptmann war’s.«

Die Räuber ließen den Fährmann unbehelligt seines Weges ziehen.

›MAN WIRD SICH DOCH WOHL NOCH IN RUHE WÄRMEN DÜRFEN!‹

In Bärweiler schlug der Räuberhauptmann einem Spießgesellen den Schädel ein. Dessen drei Kumpane ließ er in Ketten legen. Die vier hatten den Fehler begangen, ein Bauernhaus zu überfallen, in dem sich Schinderhannes gerade am Herd aufwärmte.

SCHNAPS, DAS WAR IHR ERSTES WORT

Ein Teil von Bücklers Bande überfiel den Viehhof in Bermoll, denn dort gab es eine Schnapsbrennerei. Schinderhannes war bei dem Überfall angeblich nicht dabei. Einer der Räuber demolierte die Wand, kroch hindurch und hielt einen kleinen Jungen fest, der sich noch im Haus befand, während die Bewohner geflüchtet waren. Unterdessen hatten die anderen Räuber den Schnapskessel leer getrunken. Die geflüchteten Hausbewohner hatten sich jedoch wieder versammelt und schafften es mit vereinten Kräften, die betrunkenen Räuber zu vertreiben.

SCHINDERHANNES ALS STREITSCHLICHTER UND DOMPTEUR

In der Neujahrsnacht 1801 überquerte Schinderhannes mit drei Gefährten von der Hasenmühle aus den zugefrorenen Weiher bei Schloßborn. Doch Schinderhannes brach durch das Eis! Schnell machte man sich in die Wirtschaft des Bäckers Kilb zum Wärmen. Wenig später wäre es dort beinahe zu einem handfesten Streit – es ging um eine hübsche junge Dame – mit ein paar jungen Einheimischen gekommen, wenn nicht ein resoluter Bückler den Übermütigen zu Boden geworfen und dem Tumult ein Ende bereitet hätte.

In der Folgezeit spielte Schinderhannes mit zwei kleinen Hunden. Er ließ die Hündchen Münzen apportieren. Als die Räuber zu Ende getagt hatten und das Kleingeld für die Zeche fehlte, beauftragte Bückler einen seiner Leute, Silbergeld zu holen. Danach verließen Schinderhannes und Genossen das Etablissement. Sogar der Schloßborner Schulze hatte den gefürchteten Räuber gesehen – der sich mit »Bruder Hannes« anreden ließ.

EIN GEIST VERZAUBERT SCHINDERHANNES

Eines Abends statteten Schinderhannes und seine Bande der Landsteiner Mühle einen Besuch ab. Um Mitternacht klopfte man ans Tor. Der treue Hofhund wollte die Eindringlinge zurücktreiben – und wurde totgeschlagen. Schinderhannes verlangte von Müller Busch, er solle alle Wertsachen herbeiholen und auf dem Tisch in der Stube ausbreiten. Der Müllermeister ließ sich weder Angst noch Schreck anmerken, holte alles herbei und breitete es vor den gierigen Gesellen aus. Busch hieß seine Frau Eva sogar das Buttergeld holen. Als Hannes den funkelnden Reichtum sah, lief ihm der sprichwörtliche Geifer aus dem Maul. Doch dann geschah es! Schinderhannes zögerte. Die Beute blitzte und blinkte auf dem Tisch – doch Schinderhannes konnte nicht zugreifen. Müllermeister Busch, der nun um seine Familie fürchtete, rief, man solle doch nehmen, es gehöre alles ihnen. Doch weder Schinderhannes noch seine Kumpane waren imstande, die Klauen zum Greifen zu schließen. Es war, als hielte eine unsichtbare Hand die Räuber zurück. Schinderhannes verlor die Fassung. Er starrte auf die Beute auf dem Tisch. Der Räuber wollte den Müller anschreien – doch die Stimme versagte ihm! Ganz langsam wendete er sich um, ebenso langsam gab er das Zeichen zum Aufbruch und die Bande verschwand in der Nacht. Schinderhannes wurde nie wieder in der Nähe gesehen.

DOKTOR BÜCKLER UND DIE HUSTENBEHANDLUNG

Schinderhannes wurde bei einem Pferdediebstahl in Limbach bei Kirn von einem Nachbarn beobachtet. Als Hannes und der junge Boutla gerade die Hufe mit Stoff umwickelten, hustete der Nachbar mehrmals kräftig. Er soll sich gedacht haben, entweder höre ihn die Nachbarschaft oder der Schinderhannes wüsste, was los sei, und würde sich später einmal erkenntlich zeigen. Der Nachbar hatte sich nicht geirrt, denn einige Tage später begegnete er dem Schinderhannes. Der verpasste ihm zwei heftige Ohrfeigen:

»Wegen dem Husten.«

SCHINDERHANNES DEZIMIERT SEINE ARMEE

Einmal soll Schinderhannes vor Zorn einen Komplizen, der ohne Einverständnis des Hauptmanns einen armen Bauern bestohlen hatte, erschossen haben. Die Tat soll zwischen Schmidthachenbach und Sienhachenbach begangen worden sein, wo man den Toten einfach liegengelassen habe. Schinderhannes’ Grabrede soll kurz gewesen sein: Man tue sich nur an ganz bestimmten Leuten gütlich – und nicht an armen Bauern.

3

KNOCHENMEHL – HANNES GEGEN DIE OBRIGKEIT

»Herr Gendarm, mit Verlaub, sie sind ein …!«

EINS, ZWEI, POLIZEI – DREI, VIER, STEHST DU HIER

Im Lumdatal nahe Lollar verzauberte Schinderhannes höchstpersönlich Polizisten – mehr als nur einmal. Die Gendarmen waren nach langer Verfolgung endlich dabei, ihn zu stellen. Vier, sechs, acht, sogar ein ganzes Dutzend könnten es gewesen sein. Sie seien auf Schinderhannes zugekommen, doch er habe sie einfach festgebannt. Die Armen konnten sich weder rühren, noch mit ihren Waffen auf ihn schießen.

»STILLGESTANDEN!«

So mögen später Soldaten gerufen haben, als sie ebenfalls auf den Räuber trafen. Bückler soll nur seinen rechten Arm gehoben und eine Formel gemurmelt haben. Die Häscher erstarrten sofort und standen wie Salzsäulen mit Blick auf Gomorrha. Hannes gab Kniegas, traf jedoch kurze Zeit später einen Handwerksburschen, der denselben Weg ging. Schinderhannes sagte, er möge nur weitergehen, doch nach einiger Zeit würde er einige Figuren erblicken. Er solle jedem eine saftige Schelle verpassen und sie vom Schinderhannes grüßen. Der Wanderbursche tat wie geheißen. Nach den kräftigen Ohrfeigen waren Gendarmen und Soldaten von ihrem Bann erlöst.

SCHINDERHANNES UND DIE GEBRÜDER BLATTSCHUSS

Ein Müller hatte den Schinderhannes mehrfach in seiner Mühle wohnen lassen und dafür Geld erhalten. Obwohl er auch als Hehler der Bande aktiv war, reichte ihm der Gewinn nicht und er verhandelte mit der Obrigkeit um ein hohes Lösegeld, dass er den Räuber ausliefere. Eines Nachts war Schinderhannes wieder mit seiner Bande zu Gast und prompt wurde die Mühle von schwer bewaffneten Uniformierten umstellt. Man rief, die Räuber sollten sich ergeben. Die Soldaten warteten. Nach einer Weile befahlen die Offiziere, zu feuern. Doch kein Gewehr ging los! Schinderhannes hatte wieder eine Formel gesprochen und die Gewehre gebannt. Die Räuber flüchteten durch eine Lücke in den Reihen und wurden nicht mehr gesehen.

BRIGADIER JEAN BUCKLER – FUHRMANN FÜR FRANKREICH

Gegen Ende des Jahres 1795 wurde Johannes Bückler vom Kirner Bürgermeister wegen Diebstahls von sechs Kalbfellen und einer Kuhhaut zu einer öffentlichen Prügelstrafe verurteilt. Der Sechzehnjährige begann danach eine Lehre bei seinem Vetter, nahm sich jedoch nach sechs Wochen unbegrenzten Urlaub und ging nach Idar zurück. Dort verdingte er sich im Frühling oder Sommer 1796 als Fuhrmann bei den Franzosen. Bei Marketender Bückler fielen jedoch zu viele Waren vom Wagen. Die Franzosen jagten ihn und verlangten in Idar seine Herausgabe. Würde man ihn nicht sofort abliefern, ginge der ganze Ort in Flammen auf. Die Franzosen nahmen Hannes fest, gerieten jedoch gleich in einen Schusswechsel mit den Österreichern und dem jungen Bückler gelang die Flucht.

UNTEROFFIZIER BÜCKLER – SÖLDNER FÜR ÖSTERREICH

Aus Königstein im Taunus wird berichtet, dass Schinderhannes sich 1796 als Soldat in die Dienste Österreichs begeben hatte. Das Werbegeld der Militärs war bei vielen sehr begehrt. Er soll es sogar bis zum Unteroffizier geschafft und – begleitet von einigen seiner Spießgesellen – noch im selben Jahr gegen die französische Besatzung der Burg Königsstein gekämpft haben. Nach ihrer Niederlage in der Schlacht von Amberg am 24. August 1796 mussten die Franzosen die Burg räumen. Die Beteiligung des Schinderhannes steht auf keiner Kuhhaut.

SCHINDERHANNES GIBT DER OBRIGKEIT EINEN KORB

Der Besitzer der Schmelzmühle war ein Freund von Schinderhannes und verschaffte ihm oft ein sicheres Nachtquartier. Als aber eines Abends doch die Obrigkeit anrückte, holte der Hofbesitzer einen großen Futterkorb. Schinderhannes setzte sich hinein, man legte ein paar Armvoll Heu über ihn und trug den Räuber ungehindert an den Wachen vorbei in den Wald. Hannes lachte und stellte den Müller unter besonderen Schutz.

Eine andere Variante dieser Sage berichtet, der Hofbesitzer hätte seine liebe Not mit Schinderhannes gehabt. So habe der Räuber ihn einmal auf freiem Feld angesprochen und seinen Mantel verlangt. Bückler versprach, ihn wieder zurückzubringen – und tat es auch. Ein anderes Mal jedoch stahl Schinderhannes ihm einen Ochsen. Den brachte er nicht wieder. In der Folgezeit nächtigte Schinderhannes mehrfach in der Scheune. Keiner vom Hof habe sich getraut, Hilfe zu holen. Als dann aber wieder die Gendarmen anrückten, zwang Schinderhannes den Hofbesitzer, ihn in einem großen Korb zu verstecken und in den Wald zu tragen.

›HIER SIND NUR KARTOFFELN.‹

In Oberjosbach wurde Schinderhannes von einer Wirtin in der Küchenlade versteckt. Die Wirtin setzte sich auf die Küchenlade und schälte unbekümmert ihre Kartoffeln. Die Gendarmerie traf ein, fand nichts und musste unverrichteter Dinge abziehen.

PUSTEFIX

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