Sammelband der göttlichen Dilogie (Cataleyas Erbe) - Lilly C. Zwetsch - E-Book

Sammelband der göttlichen Dilogie (Cataleyas Erbe) E-Book

Lilly C. Zwetsch

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Beschreibung

**Beschütze, was du liebst** Diese E-Box voll verbotener Gefühle und göttlicher Gefahren enthält die Romantasy-Dilogie »Cataleyas Erbe«: Göttliche Insignien(Band 1) Cataleya entstammt einer von den Göttern geweihten Blutlinie. Sie ist dazu bestimmt, die Kaiserfamilie mit dem Leben zu beschützen, doch nach einem grausamen Putsch gelingt es nur dem jungen Prinzen Tarik zu fliehen. Schuld an dieser Tragödie gibt Cataleya allein sich selbst und ihrer verbotenen Liebe zu Tarik, die sie unachtsam werden ließ. Um ihren Fehler wiedergutzumachen, muss sie die göttlichen Herrscherinsignien finden, um den rechtmäßigen Erben wieder auf den Thron zu heben. Göttliche Herzen (Band 2) Im Kampf um den Thron entgeht Cataleya nur knapp dem Tod und es taucht bereits eine neue Bedrohung auf. Der grausame Gott Gan reißt die Herrschaft über das gesamte Reich an sich und droht, die Menschheit zu vernichten. Einzig das Bündnis mit den anderen Göttern und die Magie, die in deren Herzen innewohnt, könnten ihn jetzt noch aufhalten. Als sich jedoch offenbart, dass die göttliche Macht ein Opfer fordern wird, begreift Cataleya, wie wenig Zeit ihr noch mit Tarik bleibt …  Fühl dich ein in diese emotionale, spannungsgeladene Romantasy und folge dem Ruf der Götter!   //Diese Reihe ist abgeschlossen.//

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Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2022 Text © Lilly C. Zwetsch 2021, 2022 Lektorat: Janika Krichtel Coverbild: shutterstock.com / © Peyker / © 1989studio / © wacomka / © Polina Ambient / © Ole moda Covergestaltung: formlabor ISBN 978-3-646-60840-3www.impressbooks.de

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Lilly C. Zwetsch

Göttliche Insignien (Cataleyas Erbe 1)

**Der Kampf um den Thron und eine verlorene Liebe**Cataleya entstammt einer von den Göttern geweihten Blutlinie. Sie ist dazu bestimmt, die Kaiserfamilie mit dem Leben zu beschützen, doch nach einem grausamen Putsch gelingt es nur dem jungen Prinzen Tarik zu fliehen. Schuld an dieser Tragödie gibt Cataleya allein sich selbst und ihrer verbotenen Liebe zu Tarik, die sie unachtsam werden ließ. Um ihren Fehler wiedergutzumachen, schmiedet sie einen Komplott, um die göttlichen Herrscherinsignien zu finden und den rechtmäßigen Erben wieder auf den Thron zu heben. Doch in dem Moment, in dem sie Tarik vor sich stehen sieht, gerät ihr Entschluss, diese Liebe nie wieder zuzulassen, gefährlich ins Wanken …

Wohin soll es gehen?

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Vita

Danksagung

© Antonia Fechner

Lilly C. Zwetsch schrieb schon mit 13 ihre ersten Geschichten. 2018 entschied sie sich dazu, aus ihrem Hobby einen Beruf zu machen und widmet sich seitdem voll und ganz dem Schreiben, trinkt dabei Unmengen an Kaffee und schwitzt in einer Dachgeschosswohnung in Köln. Nebenbei bloggt sie auf Instagram und YouTube als „Lillyteratur“ über Fantasy-Romane. Sie liest, lebt und schreibt ganz nach dem Motto: Warum ein Leben leben, wenn du tausend leben kannst?

Prolog

Als die Götter die Welt schufen, gaben sie ihr den Namen Dhuara.

Die Göttin Las schenkte Dhuara das Licht und die Wärme des Tages.

Der Gott Sin die Dunkelheit und die tröstende Umarmung der Nacht.

Und als die Götter die Menschen schufen, schenkte die Göttin Kit ihnen die Schönheit und die Liebe, mit denen zwangsläufig auch der Krieg einhergeht.

Nat, dem die Menschen in ihrer Jugend und Einfalt leidtaten, gewährte ihnen Zuflucht und Schutz hinter seinem mächtigen Schild.

Berge und Täler, Meere und Wüsten, Städte und Dörfer, Menschen, Tiere und allerlei wundersame Geschöpfe. Das alles war die Schöpfung der Götter.

Drei Tage und drei Nächte arbeiteten sie und am Morgen des vierten Tages blickten sie auf Dhuara herab und waren noch nicht zufrieden.

Sie wollten ein Reich schaffen, größer und wohlhabender als alle zusammen. Und so nahmen sie Erde und türmten sie zu Gebirgen auf. Eines im Norden, das nannten sie Dämmergebirge, denn es lag im tiefen Zwielicht der hereinbrechenden Nacht. Und eines im Süden, das nannten sie die Brennenden Berge, nach den Wolken, die zu jeder Zeit seine Hänge bedeckten.

Sie nahmen Steine, tauchten sie in das Licht der Sonne und warfen sie in einen Graben, den sie mit Wasser füllten, sodass es rot war wie der Lebenssaft in den Adern der Menschen, und sie nannten es Blutmeer.

Sie nahmen die Samen des Ewigen Baumes und warfen sie auf den fruchtbaren Boden zwischen dem Dämmergebirge und dem Blutmeer. Ein Wald spross da, silbern und kupferfarben und voller Magie. Und sie nannten ihn den Bronse-Wald.

Sin selbst reckte die Hand gen Himmel und nahm dem Mond einen Tropfen seines Lichts. Damit füllte er das Flussbett am westlichen Rand des Waldes und schuf so den Mondscheinfluss.

Östlich des Waldes glätteten sie die Erde und entzogen ihr das Wasser, bis trockenes Gras unter dem unbarmherzigen Schein der Sonne wogte und zahlreiche Hufe das Erdreich aufwirbelten. Dies war die Ebene von Orawyn.

Und jenseits derer, tief in den östlichen Ausläufern der Brennenden Berge, hoben die Götter einen Graben aus und warfen hinein, was selbst ihre Augen nicht zu sehen wünschten. Und sie nannten diesen dunkelsten Punkt der Welt Götterklamm.

Nur eines fehlte noch – eine Hauptstadt, schöner als alle anderen Städte der Welt. Lisur sollte sie heißen. Und wie ein bunter Fächer, wohlgestaltet und voll blühendem Leben, breitete sie sich im Norden der Ebene von Orawyn aus.

So schufen sie das Reich Borania und beschlossen, dass es einen Kaiser haben sollte, der alle Menschen, die darin lebten, vereinen und weise herrschen sollte.

Um dies zu gewährleisten, schufen sie in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die drei Herrscherinsignien: Alhenya – den Ring des Gleichgewichts; Fuolbhura – den Kelch der Weisheit; Dahrmika – das Schwert der Gerechtigkeit.

Der eine, der Alhenya an seinen Finger stecken, aus Foulbhura trinken und Dahrmika schwingen konnte, sollte der erste Kaiser sein.

In Scharen kamen die Pilger und erbaten die Gunst der Götter – kein einziger war würdig die Krone zu tragen. Bis eines Tages ein Mann vortrat, der war bescheiden, gütig und gerecht. Und er nahm den Ring und steckte ihn sich an den Finger. Und er nahm den Kelch und trank daraus. Und er nahm das Schwert, doch er schwang es nicht, sondern kniete vor den Göttern nieder, die goldene Klinge darbietend, und schwor einen Eid, der ihn und seine Erben zu Gottesdienern machte.

Und so ward der erste Kaiser gekrönt und er herrschte weise und gerecht, bis der Tag kam, an dem er sich in Puns Arme begeben und die Welt verlassen musste. Da reichte er die Krone an seinen Sohn weiter und befahl ihm, die Prüfung der Insignien abzulegen.

Die Blutlinie jenes ersten Kaisers regierte fortan, doch stellte sich jeder neue Herrscher dem Tribunal und ein jeder wurde als würdig erachtet.

Die Götter sahen das und waren zufrieden. Und sie versprachen, die Kaiserlinie zu schützen vor allem Unbill, das da kommen möge. Und so nahmen sie einen Mann aus dem Volke, der sich durch seinen Mut, seine Tapferkeit und seine Treue hervorgetan, und schenkten ihm Stärke, Schnelligkeit und Magie. Und sie nannten ihn die Schwarze Hand. Von da an diente die Hand dem Kaiser und so tat es ein jeder Nachkomme fort.

Dreitausend Jahre Frieden kehrten ein, bis eines Tages die Hand ihr Herz verlor und das ganze Reich ins Unglück stürzte.

Kapitel 1

Leya

»Drei Wochen, Cataleya. Du hast drei Wochen Zeit, mir die Herrscherinsignien zu bringen. Danach bist du frei. Lehnst du den Auftrag ab, werde ich dich töten.«

Die Stimme des Kaisers spukte in meinem Kopf herum wie ein nerviger Ohrwurm. Vielleicht deshalb, weil sie mich daran erinnern wollte, wie schwach ich war. Wie sehr mich die Angst vor dem Tod in ihren Klauen hielt. So sehr nämlich, dass ich bereit war zu verraten, was zu schützen ich geschworen hatte.

Ich nahm noch einen weiteren Schluck. Das dunkle Bier schmeckte nach Erde und Malz. Die Schaumkrone war fest wie Eischnee und lag ölig auf meiner Zunge. Rita hatte schon immer viel Wert auf Qualität gelegt, sodass dies hier einfach mein erstes Bier hatte sein müssen – nach mehr als fünf Jahren. Ich unterdrückte ein Seufzen. Wasser und gestreckter Haferschleim – das waren in den vergangenen Jahren meine Mahlzeiten gewesen. Embarro hielt seine Sklaven nur gerade so am Leben, dass sie arbeiten konnten, sich aber niemals gegen ihn würden erheben können. Und davor? Brot, Ziegenkäse und noch mehr Wasser. Das Mahl der Götter. Wers glaubt.

Ich nippte ein zweites Mal. Dabei wanderte mein Blick durch den Gastraum. Das Pfennigfuchser hieß nicht deshalb so, weil seine Besitzerin besonders geizig war. Im Gegenteil, hier gab es das beste Bier der Stadt zum halben Preis. Und doppelt so viele Gäste wie überall sonst. Vom Reisenden bis zum Adeligen, hier traf einfach alles aufeinander.

Im Nachhinein verfluchte ich mich für meine Entscheidung, das Treffen hier abzuhalten, unter all diesen neugierigen Blicken. Aber mein Magen hatte geknurrt und Ritas Eintopf war beinahe noch besser als das Bier. Daher war ich vom Palast aus direkt hierhergekommen. Der Kaiser hatte Wort gehalten und mir alles gegeben, wonach ich verlangt hatte. So hatte ich meinen abgetragenen Rock aus kratziger Wolle gegen eine enge Hose, weiche Stiefel, ein Hemd und einen Mantel eintauschen können, dessen Kapuze nun mein Gesicht in ein undurchdringliches Halbdunkel tauchte.

Dennoch hatten mich einige von Ritas Gästen erkannt, kaum dass ich einen Fuß über die Schwelle des Pfennigfuchser gesetzt hatte. Dieselben Augen waren nun demonstrativ von mir abgewandt. Ich hatte einiges wiedergutzumachen. Dass ich die Stadt vor fünf Jahren Hals über Kopf verlassen und im Palast ein Chaos ohnegleichen hinterlassen hatte, war jedermann gut im Gedächtnis geblieben.

»Hätte nicht gedacht, dass du noch lebst.« Beim Klang der tiefen Stimme hinter mir schlich sich unvermeidlich ein Lächeln auf meine Lippen. Der Sprecher trat um den Tisch herum und ließ sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen. Sein dunkler Mantel war feucht vom abendlichen Regen und tropfte auf die Dielen. Unter dem Stoff blitzten Dolche auf und ein Hemd, das schon bessere Tage gesehen hatte. Ich blickte seinem Träger ins Gesicht.

Er hatte es nicht für notwendig erachtet, die Kapuze aufzusetzen. Es hätte vermutlich auch nicht viel gebracht. Mit seinen zwei Metern Körpergröße, den breiten Schultern und dem Schwert auf dem Rücken fiel er einfach überall auf. Ich erkannte ihn sofort, aber es versetzte mir dennoch einen Stich, wie sehr er sich in den letzten Jahren verändert hatte. Seine Gesichtszüge waren noch kantiger, er hatte neue Narben an den Händen und eine am Hals. Seinem immer lächelnden Mund war ein harter Zug beigemischt.

»Miko«, grüßte ich. Meine Kehle war plötzlich so eng, dass ich seinen Namen kaum herausbekam. Ich dankte den Göttern, dass er meine tränenfeuchten Augen nicht sehen konnte.

Wenn ich sein sanftes Lächeln richtig deutete, wusste er trotzdem, was in mir vorging. Das machte es aber irgendwie nur noch schlimmer. Ich hatte nicht gleich bei der ersten Begegnung losflennen wollen.

»Hallo, Leya«, sagte er. Wie hatte ich seine Stimme vermisst. Das schelmische Funkeln in seinen Augen, das Lächeln, mit dem er nun der eifrigen Kellnerin dankte, die einen großen Bierkrug vor ihm abstellte. »Du bist also tatsächlich zurück.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Dennoch nickte ich.

»Es ist Zeit.«

Miko verstand sofort. »Bist du dir ganz sicher, dass du das tun willst?«

Ich biss die Zähne zusammen. »Der Verräter hat sein Spiel lange genug gespielt. Jetzt muss er bezahlen für das, was er getan hat.«

Die blauen Augen meines ältesten Freundes blickten nachdenklich. »Glaubst du, er ist bereit?«

»Er muss.«

Miko nickte. »Du weißt, wie es steht. Ich bin auf deiner Seite, was du auch tust.«

Nach all den Jahren des Getrenntseins sprach er diese Worte so selbstverständlich, als hätte sich für ihn nichts geändert. Als wären wir noch derselbe Junge und dasselbe Mädchen von damals. Eine schöne Traumvorstellung.

Da waren sie wieder, die Tränen. Ich blinzelte sie fort. »Und der Rest?«

Mein Gegenüber senkte den Blick in seinen Bierkrug. Er dachte nach, ehe er sprach. Das hatte er früher nie getan. Aber ich hatte wohl nicht erwarten dürfen, als einzige verändert zu sein. Nicht nach allem, was geschehen war. »Damian hat sich derzeit bei einer reichen Witwe eingenistet. Die Langeweile tut ihm nicht gut. Myra arbeitet in einer Apotheke. Sie verkauft an der Hintertür Aufputschmittel und Rauschgift. Die beiden werden sich uns anschließen.«

Damit hatte ich gerechnet. »Und Jaron?«

Miko verzog das Gesicht und fuhr sich mit den vernarbten Händen durch die dichten schwarzen Haare. Ich konnte mir gut vorstellen, wie viel Anklang er in der Damenwelt fand. Früher war er ein trainierter, gut aussehender junger Mann gewesen. Jetzt saß mir ein selbstbewusster, in sich ruhender Charakterkopf gegenüber, dessen Anwesenheit allein die Atmosphäre veränderte.

»Ich weiß nicht mehr, was ich von ihm halten soll. Er hat sich in die Garde des Kaisers eingeschlichen.«

Ich hob eine Braue. »Das ist doch gut.« Einen Informanten im Palast zu haben, würde vieles erleichtern.

»Schon. Aber er hat sich verändert. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob er wirklich auf unserer Seite ist, oder …« Er ließ den Satz unvollendet.

»Oder ob er ein doppeltes Spiel spielt«, ergänzte ich.

Jaron war schon immer der Undurchschaubarste von uns gewesen. Darauf basierte sein Erfolg als Infiltrator und Spion. Aber es machte die Freundschaft zu ihm schwierig.

»Sollten wir ihn heraushalten? Wenn er uns verrät, ist es vorbei.«

Miko zog die Brauen ein winziges Stück zusammen. »Wir holen ihn ins Boot«, entschied er dann. »Aber wir behalten ihn im Auge.«

Ich nickte. »Myra soll sich darum kümmern.« Nun kamen wir zu der einen Frage, vor der ich mich die ganzen letzten Jahre gefürchtet hatte. »Kannst du Kontakt zu ihm aufnehmen?«

Mikos Blick wurde weich. »Das solltest du lieber selbst tun, Leya.«

Kopfschüttelnd schob ich den Stuhl zurück und stand auf. »Du hast zwei Tage. Dann treffen wir uns wieder hier.«

»Gut. Was wirst du in der Zeit tun?«

Ich grinste. »Ich werde alle Informationen der kaiserlichen Spione zum Verbleib der Insignien sichten. Er will, dass ich sie für ihn finde.«

Miko runzelte die Stirn. »Er weiß nicht, wo sie sind?«

»Er hat nicht die geringste Ahnung.« Mein Grinsen wurde breiter. Miko erwiderte es. Sein vertrautes, unbekanntes, kantiges Gesicht strahlte. Am liebsten hätte ich mich gleich hier und jetzt in seine Arme geworfen und über unsere Wiedervereinigung geweint. Aber dann hätte ich ihn wahrscheinlich nie wieder losgelassen. Also verschloss ich den Drang in meinem Herzen und legte nur kess den Kopf schräg.

»Du bist einfach unglaublich.«

»Ich weiß«, sagte ich, beugte mich hinab und küsste ihn auf die Wange. Der dunkle Bartschatten kratzte über meine Lippen. »Wir sehen uns in zwei Tagen.«

Er packte mein Handgelenk, ehe ich mich abwenden konnte. Trotz Kapuze sah er mir geradewegs in die Augen. »Schön dich wiederzuhaben.«

Ich drückte seine Finger, doch als ich das Pfennigfuchser verließ, fragte ich mich, ob es stimmte. Hatte er mich tatsächlich wieder? Oder glaubte Miko das nur? Zu sagen, die vergangenen fünf Jahre hätten keine Spuren an mir hinterlassen, wäre eine Lüge gewesen. Allein der allgegenwärtige sanfte Schmerz in meinem Rücken erinnerte mich an alles, was ich verloren und durchgestanden hatte. Das Einzige, was mich daran hinderte, den Verstand zu verlieren, war der Gedanke an Rache. Er trieb mich an, ließ mich kämpfen und überleben. Was sein würde, sobald das alles vorüber war … Daran wollte ich lieber nicht denken. Mein Fokus lag auf dem Hier und Jetzt. Kaiser Akkars Spione sollten fünf Jahre gebraucht haben, um mich zu finden? Das kaufte ich ihm nicht ab. Aber der Kaiser brauchte mich und ich brauchte ihn. Vorübergehend.

Als ich durch die dunklen Gassen lief, wurde es mir deutlich bewusst. Es konnte nur einen einzigen Grund geben, aus dem der Kaiser die Insignien wollte: Um seine Herrschaft vor den Göttern und dem Volk zu legitimieren.

Auch wenn ich wusste, dass er ein Verräter, Mörder und Usurpator war, den die Götter niemals für würdig erachten könnten, fürchtete ich mich davor, Akkar die Insignien zu überreichen. Ich musste einen anderen Weg finden. Zum Glück hatte ich noch ein Ass im Ärmel.

Kapitel 2

Leya

Mein kleines Zimmer im Palast lag in der Nähe der Baracken in einem Flur mit separatem Eingang. Der Kaiser wollte nicht, dass mich zufällig jemand im Schloss erkannte. Deshalb hatte er mir die Karten und Berichte seiner Spione auch aufs Zimmer bringen lassen, statt mir ein Büro zur Verfügung zu stellen. Ich beschwerte mich nicht. Auf anklagende Blicke wollte ich zumindest in meiner Freizeit verzichten.

Außer einem schmalen Bett, einer Truhe und einem Schreibtisch gab es in diesem Zimmer nichts. Nach den Jahren in Embarros Sklavenunterkünften, die ich mir mit zwanzig anderen Mädchen hatte teilen müssen, erschien mir der Raum wie ein Paradies. Es war unglaublich ruhig hier. Niemand schnarchte, niemand hustete, niemandes Magen knurrte und niemand weinte. Ich war zum ersten Mal nach so langer Zeit allein. Und ich liebte es.

Die Karten und Bücher lagen auf dem kleinen Tisch. Die Waschschüssel und die Kanne mit kaltem Wasser hatte man auf den Boden gestellt, um Platz zu schaffen. Ich nahm meinen Mantel ab und warf ihn auf die Truhe. Darin würde ich noch mehr Kleider und neue Waffen finden. Akkar konnte von meinem Versprechen an die Götter schließlich nichts ahnen.

Nacheinander breitete ich die Karten auf der Tischplatte aus. Ich würde die Informationen der kaiserlichen Spione nicht brauchen, aber es war gut zu erfahren, auf welchem Wissensstand sie sich befanden.

»Bringe mir alle drei Herrscherinsignien und du bist frei.« Das hatte Akkar gesagt. Dabei war sein spitzer Bart auf und ab gehüpft und zwischen seinen Lippen waren weiße, ebenmäßige Zähne aufgeblitzt. Akkar war ein junger Mann, gerade einmal Mitte Dreißig. Er entstammte einer Kaufmannsfamilie ohne Adelstitel und hatte den Weg des Soldaten eingeschlagen. Ich erinnerte mich noch gut, wie begeistert der ehemalige Kaiser von dem aufstrebenden Stern am Militärhimmel gesprochen hatte. Dass ebendieser Stern nur wenige Jahre nach seiner Ernennung zum General einen Putsch inszenieren und den Kaiser sowie dessen gesamte Familie umbringen würde, hatte damals niemand geahnt. Und ich verfluchte mich bis heute, dass ich nicht besser aufgepasst hatte.

Meine Aufgabe bei Hofe war denkbar einfach gewesen: Schütze die Herrscherfamilie mit deinem Leben. Aber mein Herz war auf Abwege geraten und ich war unvorsichtig geworden. Akkar war meinem Netz entschlüpft und nun saß er auf dem Thron von Borania, auf dem Kopf die Kaiserkrone und in der Hand die Besitzurkunde mit meinem Namen darauf.

Embarro war alles andere als begeistert gewesen, als vor drei Tagen plötzlich der Kaiser auf seiner Türschwelle gestanden und nach mir verlangt hatte. Noch weniger gefallen hatte ihm, dass der Kaiser mich ihm kurzerhand abkaufte und mit mir abreiste. Wie sehr mein ehemaliger Besitzer getobt und an wem er seine Wut über den Verlust seines Lieblingsspielzeugs ausgelassen hatte, wollte ich nicht wissen. Ich konnte jetzt nichts gegen sein schändliches Treiben tun. Kurz schloss ich die Augen, um die Bilder von Embarro aus meinen Gedanken zu verbannen, ehe ich mich wieder über die Karten beugte.

Wir hatten gute Chancen. Der Kaiser hatte mir drei Wochen gegeben. Eine unmögliche Aufgabe, wie man meinen sollte. Doch das war es nicht. Nicht, wenn man wusste, was ich wusste. Die Spione des Usurpators waren bis nach Rosar vorgedrungen, hatten aber kein einziges der Artefakte bergen können. In den Berichten war von kalten Spuren, Sackgassen und Ablenkungsmanövern die Rede. Akkars Männer konnten nicht halb so gut sein, wie er behauptete.

Früher einmal hatte es in meiner Verantwortung gelegen, das Spionagenetzwerk des Kaiserreiches zu führen und zu überwachen. Ich hatte das Handwerk von meiner Mutter gelernt, die es wiederum von ihrem Vater kannte und so fort. Meine Familie diente dem Kaiserreich schon seit Anbeginn der Zeit und es hatte nie, niemals einen Fall wie meinen gegeben.

Ich hatte nicht nur mich selbst und den Kaiser enttäuscht, sondern auch Schande über meine Familie gebracht. Mein Versagen würde mir stets als Makel anhaften. Ich konnte nur versuchen es wiedergutzumachen. Was damals geschehen war, würde ich kein zweites Mal zulassen, weder den Putsch noch den Grund für meine Unachtsamkeit.

Viele hatten meine Fähigkeiten und Qualifikation für das Amt angezweifelt, nachdem meine Mutter gestorben war. Aber der Kaiser hatte darauf bestanden, mich in seinen Dienst zu nehmen. Damals war ich gerade sechzehn geworden. Ein Jahr lang hatte ich durchgehalten. Ein Jahr, in dem ich meine Mutter betrauert und Trost in Tariks Armen gesucht hatte.

Damals war Miko derjenige gewesen, den ich zu den kompliziertesten Missionen ausgesandt hatte, in dem Vertrauen darauf, dass er alles meistern würde. Allein mit meiner Trauer war ich im Palast zurückgeblieben, unfähig mich Damian oder Myra anzuvertrauen. Aber Tarik war da gewesen. Und aus unseren anfänglichen Gesprächen wurden ganze Nächte gefüllt mit Worten. Aus Freundschaft und der leichten Distanz zwischen Prinz und Hand war ehrliche Zuneigung geworden. Und schließlich … mehr.

Und als dann, ein Jahr später, Akkars Putsch gelang und die Kaiserfamilie bis auf ihr jüngstes Mitglied den Tod fand, da hatte ich den Kaiser für seine leichtsinnige Entscheidung, mir zu vertrauen, verteufelt. Doch während meiner Zeit im Dienst der Götter hatte ich begriffen, dass mich mein Alter nicht entschuldigen konnte. Schuld waren allein meine Entscheidungen. Und ich hatte geschworen, derlei Gefahren nicht noch einmal in mein Leben zu holen. Das war aber nicht der einzige Grund, warum ich mich vor dem Treffen in zwei Tagen fürchtete.

Das Leben als Sklavin hatte mich in mehr als einer Weise verändert. Ich fühlte mich nicht nur körperlich schwach; mein Stolz hatte schon immer auf meiner körperlichen Überlegenheit basiert und war nun quasi nicht mehr vorhanden. Von Kindesbeinen an trainiert zu werden hatte mich überheblich gemacht, dieses Können nicht mehr anwenden zu dürfen Zurückhaltung gelehrt. Doch das war keine Eigenschaft, die wir nun brauchten. Meine Freunde verließen sich auf mich, wie sie es immer getan hatten. Ihnen zu zeigen, wie schwach ich geworden war, wäre mein Untergang. Miko würde es erkennen. Es war nur eine Frage der Zeit. Aber die anderen durften davon nichts wissen. Es war eine Rolle, in die ich schlüpfen musste. In der ich mich selbst verkörperte. Zumindest das Ich, das vor dem Putsch, vor der Flucht, vor dem Leben im Kloster und vor der Sklaverei existiert hatte.

Dass diese Leya längst tot war, musste niemand erfahren.

Kapitel 3

Leya

Rita stellte uns ihr Hinterzimmer zur Verfügung. Wir waren nicht die ersten und ganz sicher nicht die letzten Gäste, die mehr Privatsphäre wollten, als der überfüllte Schankraum zuließ.

Ich saß schon am Tisch, als Miko eintrat. Diesmal verzichtete ich auf Mantel und Kapuze. Mit einem Krug Bier in der Hand saß ich auf dem Stuhl, die Füße auf den Tisch gelegt, und kippelte vor und zurück. Bei meinem Anblick erstarrte Miko kurz, seine schönen Augen wurden dunkel. Ich wusste, was er sah.

Eine neue Narbe zog sich von meinem Haaransatz bis hinunter zum linken Auge und spaltete die Braue und die obere Hälfte des Lids. Embarro hatte seinen Vasallen auspeitschen lassen, dafür dass er sein Eigentum beschädigt hatte. Danach hatte er mich ausgepeitscht, da ihm mein Gesicht nicht mehr gefiel. Und dann hatte er mich zurück an die Arbeit geschickt. Die Wunde war erst später versorgt worden, trotzdem war die Narbe recht schmal. Ich hatte schlimmere.

Miko trat beiseite und ließ drei weitere Personen ein, ehe er die Tür schloss. Myra war die Erste. Die hochgewachsene Schönheit mit dem rabenschwarzen Haar, ihren hohen Wangenknochen und vollen Lippen war sogar noch umwerfender als bei unserem letzten Treffen. Sie musste nun Ende zwanzig sein, auch wenn sie aus der genauen Zahl immer ein Geheimnis machte. Sie trug Lederhosen, eine passende Korsage über einem weinroten Hemd, Armschienen, obwohl sie gar keine Waffen führte, und Stiefel, die bis über ihre Knie reichten. Die stechenden hellgrünen Augen fixierten mich, nahmen alles in sich auf: meine zur Schau gestellte Gelassenheit, meine Kleider, den nachlässigen Pferdeschwanz, das Bier und die Narbe in meinem Gesicht. Sie entdeckte sogar die Ausläufer meines entstellten Rückens an Schultern und Hals, die von meinem farblosen Hemd nicht verborgen wurden. Sie sagte nichts, kam herüber und setzte sich.

Als zweites kam Damian. Er trug die blonden Locken kombiniert mit einem hochgeschlossenen Wams und einem Hemd mit Rüschenärmeln. Dazu Samthosen und die feinsten Stiefel, die ich je gesehen hatte. An seiner Seite baumelte ein Degen und zwischen seinen Zähnen klemmte ein Zahnstocher. Er nahm ihn mit einer wahnsinnig lässigen Geste heraus, kam zu mir herüber und küsste mich auf die Wange.

»Nett dich zu sehen.«

»Charmeur.« Ich tätschelte seinen Arm, Damians Mundwinkel hoben sich. Er war noch immer der pikfeine, arrogante Adelssohn, als den ich ihn kennengelernt hatte, damals im Palast. Weder Miko noch ich hatten besondere Aufmerksamkeit an ihn verschwendet, bis er während einer der zahlreichen Festivitäten an uns herangetreten war und behauptet hatte, Informationen über einen gewissen korrupten Bankier zu haben. Wir waren dem nachgegangen und hatten den Übeltäter alsbald auf frischer Tat ertappt. Danach war Damian regelmäßig mit Informationen aus der Welt des ersten Standes bei uns aufgeschlagen, bis er sich zu einer festen Institution in unserer Gruppe entwickelt hatte. Jetzt nahm er mir das Bier aus der Hand und trank einen langen Zug. »Gibt dir deine Gönnerin etwa nichts zu trinken?«, spottete ich.

Damian zuckte die Schultern. »Du kennst mich. Mein Lebensmotto lautet: Nimm, was du kriegen kannst.«

»Egal wie alt, verheiratet oder hässlich sie ist«, fügte Miko an und brachte mich damit zum Lachen. Damian hingegen machte ein finsteres Gesicht, ehe er sich neben Myra fallen ließ.

»Weiß du was, Cata, ich habs mir überlegt und fände es doch schöner, wenn du wieder gehst. Dein Muskelprotz hier war viel netter, als er noch in der Unterzahl war.«

Ich sah Miko mit hochgezogenen Brauen an. »Ist das wahr?«

Er blinzelte entschuldigend. »Ein wahrer Krieger weiß, wann ein Kampf gekämpft werden muss und wann nicht.«

»Red dir das nur weiter ein.« Damian schnaubte und steckte den Zahnstocher zurück in seinen Mund.

Nun kam also das Unvermeidliche. Ich hob den Blick und begegnete Tariks dunklen Augen. Sie sahen in dem schummerigen Licht fast schwarz aus, aber ich wusste, dass die Iriden von einer ungewöhnlichen dunkeltürkisen Färbung waren, mit schwarzen und silbernen Einsprengseln darin. Am äußersten Rand waren sie noch dunkler.

Mein Herzschlag beschleunigte sich ungebeten. Sein Blick hatte mich immer an das Meer erinnert, oder an den Abendhimmel kurz nach dem Sonnenuntergang. Er hatte sich kaum verändert. Nur gewachsen war er, und zwar ein gutes Stück.

Als wir vor dem Putsch geflohen waren, war er sechzehn gewesen, dürr, schlaksig, mit großen Füßen und weichem Flaum am Kinn. Jetzt war er beinahe so groß wie Miko, breitschultrig und mit deutlich erkennbaren Muskeln an den Armen. Er hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt und entblößte damit schwarze Tätowierungen auf seiner hellen Haut: Fünf identische Ringe umkreisten seinen linken Unterarm. Einer für jedes Jahr, das der Usurpator auf dem Thron saß. Auf Tariks Thron.

Meine Fingerspitzen kribbelten erwartungsvoll, wollten über die Zeichen streichen, seine Haut noch einmal auf meiner spüren. Ich schluckte. Tariks Blick verfolgte jede meiner Regungen. Ich spürte ihn wie eine Berührung auf mir ruhen. Mein Körper fühlte sich mit einem Mal unförmig, unbeholfen und tapsig an. Wohin mit meinen Händen? Was tun mit meinem Mund? Lächeln? Was tun mit meinen Augen? Seinen Blick halten? Die siebzehnjährige Leya – rotwangig und aufgeregt in seiner Gegenwart - hatte die Kontrolle übernommen und ich musste sie mit Gewalt zurückdrängen, um eine emotionslose Miene zu wahren. Als gäbe es den Aufruhr in meinem Innern nicht, nickte ich, wandte den Blick ab und richtete meine Worte an die Übrigen.

»Wir haben einiges zu besprechen«, sagte ich.

»Miko hat uns schon ins Bild gesetzt. Du sollst die Herrscherinsignien für Akkar finden und sie ihm bringen«, stellte Damian fest.

Ich nickte.

»Wirst du es tun?«, fragte Myra mit ihrer samtigen Stimme, die eine Spur zu dunkel war für die einer Frau. Ihr gefühlloser Blick bannte mich.

»Er wird mich töten, wenn ich es nicht tue.«

»Das ist keine Antwort«, meinte sie und hob eine geschwungene Braue.

Stimmt. Die frühere Leya hatte keine Angst vor dem Tod gehabt. Das Gefühl war ihr beinahe völlig fremd gewesen. Erst als Akkars Verbündete in den Palast gestürmt waren, den Kaiser, seine Frau und ihre drei Kinder getötet hatten, war die Angst zum Vorschein gekommen und seitdem hatte sie sich nicht mehr vom Fleck gerührt. Die Schreie jener Nacht gellten noch immer in meinen Ohren nach. Ich spürte Tariks verschwitzte Finger noch zwischen meinen, hörte seinen rasenden Atem, seinen Protest, als ich ihn durch die Geheimgänge aus dem Palast hinausgeführt hatte. Wir hatten in seinem Zimmer einen Brand gelegt, in der Hoffnung, Akkar so davon abzuhalten, nach Tarik, dem jüngsten Sohn des Kaisers, zu suchen. Es hatte funktioniert. Trotzdem hatte ich ihn mit Mikos Hilfe auf dem Land unterbringen müssen, fern der Heimat, außerhalb von Akkars unmittelbarer Reichweite. Tarik hasste mich dafür, aber er würde mich nie so sehr hassen können wie ich mich selbst.

»Er hat mir drei Wochen Zeit gegeben«, sagte ich. »Jetzt sind es noch knapp zweieinhalb. Wir müssen uns beeilen.«

»Um was zu tun?«, erkundigte sich Damian.

Ich sah verständnislos in die Runde. »Dies ist der Moment, auf den wir so lange gewartet haben«, erklärte ich das Offensichtliche. »Wir müssen handeln. Ungeschehen machen, was Akkar angerichtet hat.«

»Nichts von dem, was in jener Nacht oder seither passiert ist, kann ungeschehen gemacht werden, Leya.« Tariks Stimme war viel tiefer als früher. Selbst mit der Kälte darin fühlte sie sich auf meiner Haut an wie eine Liebkosung. Als die Bedeutung seiner Worte zu mir durchdrang, schluckte ich. Er hatte recht. Nichts würde wieder so werden wie früher. Gar nichts.

»Was wollt ihr mir damit sagen?«, fragte ich dennoch. Ich nahm die Füße vom Tisch und setzte mich aufrecht hin. »Dass ihr Akkar als euren Kaiser akzeptiert? Dass ihr das Unrecht akzeptiert, das er begangen hat? Die Zeit zum Zuschlagen ist jetzt.«

Stille kehrte ein. Meine Freunde tauschten Blicke, die ich nicht verstand. Blicke, die von jahrelanger Freundschaft, gemeinsam erlebten Gefahren und Tief- sowie Höhepunkten sprachen. Von Momenten, in denen ich nicht bei ihnen gewesen war, weil ich auf Akkars Schwarzer Liste gestanden und mich aus dem Staub hatte machen müssen, um mich zu verkriechen wie der Feigling, der ich heute war.

Miko sprach schließlich aus, was sie alle dachten: »Wir riskieren viel, Leya.« Er machte eine Bewegung, die alle Anwesenden miteinschloss. »Wir haben uns ein Leben aufgebaut. Und dieses Leben riskieren wir für etwas, von dem wir nicht sicher sagen können, dass es funktioniert. Tariks Familie hatte den Tod nicht verdient und Akkar hat weitere furchtbare Dinge getan. Aber er ist ein guter Herrscher. Wenn wir das tun, werden viele Menschen ihr Leben lassen. Für eine Eventualität, derer wir nicht sicher sein können. Was, wenn du dich irrst? Wenn dies nicht der richtige Zeitpunkt ist?«

Ich öffnete den Mund, aber er ließ mich gar nicht erst anfangen.

»Ich weiß, du glaubst, dass Akkar jetzt, nach so langer Zeit, nach den Herrscherinsignien sucht, sei ein Zeichen dafür, dass seine Legitimation angezweifelt wird. Und ja, auf den Straßen werden Stimmen laut, die ihn infrage stellen. Das heißt aber nicht, dass sie mit uns kämpfen werden. Die Menschen sind schnell mit ihren Worten und ihren Schuldzuweisungen. Aber nicht mit ihren Taten. Was, wenn wir am Ende allein dastehen? Dann hätten wir unsere einzige Chance vertan und Akkar würde ewig herrschen, während wir in unseren namenlosen Gräbern verrotten.«

»Was ist aus Ich stehe an deiner Seite, egal was du tust geworden?«, erkundigte ich mich. Zorn und Angst hielten sich in meinem Innern die Waage. Ich war in der Annahme hergekommen, sogleich planen zu können, doch wie es schien, mussten meine Freunde erst noch von der Richtigkeit dieses Unterfangens überzeugt werden. »Wie könnt ihr nur ernstlich glauben, Akkar auf dem Kaiserthron wäre annehmbar?«

Myra schnaubte. »Wir haben all diese Jahre hier gelebt, Mädchen. Direkt unter seiner Nase.« Sie beugte sich vor, das schöne Gesicht eine kalte Maske. »Und wo warst du?«

Ihre Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Dachten sie etwa, ich hätte mich versteckt und irgendwo weit weg ein schönes Leben geführt? Dass ich sie vergessen hätte und jetzt aus einer Laune heraus zurückgekehrt wäre, um ihre Leben in einem aussichtlosen Kampf zu riskieren? Ich hatte anderes gehofft, wie ich jetzt begriff, aber meine Freunde sahen in mir genau das, was auch ich sah: einen Feigling, eine Verräterin, eine Schande.

»Wo warst du, Leya?« Tariks Stimme riss mich aus meinem Schockzustand. Er hatte seinen Platz neben der Tür verlassen und stützte jetzt beide Handflächen vor mir auf den Tisch. Wie eine Schlange vor der Maus ragte er über mir auf. Angst flackerte auf, aber ich schob sie beiseite. Ich war nicht ich, ich war die Leya von vor fünf Jahren und dieses Mädchen kannte keine Furcht. Ich sah auf, begegnete dem hasserfüllten Blick aus seinen Augen.

»Ich war … fort«, sagte ich leise. »Ich konnte nicht hier sein, bei euch. Meine Anwesenheit hätte Akkar auf euch aufmerksam gemacht und eure Leben in Gefahr gebracht. Ich ging so weit weg, wie ich konnte.«

»Wohin?«, fragte Tarik unerbittlich.

»In ein Kloster. Ich schloss mich den Priesterinnen an. Zwei Jahre habe ich bei ihnen verbracht, bis …« Ich schluckte. »Bis Embarro und seine Männer uns überfallen haben. Wer nicht starb, wurde versklavt. Ich kam in Embarros Haushalt, wo Akkar mich fand.«

Stille war eingekehrt. Tarik stieß sich vom Tisch ab und wandte mir den Rücken zu. Mit einem Fluch fuhr er sich durch die schwarz gefärbten Haare. Seine Schultern bebten.

Mikos Hand legte sich auf meine und der kühle Druck seiner Finger hielt mich im Hier und Jetzt, während die schrecklichen Erinnerungen an den Angriff auf das Kloster und Embarros brutale Strafen auf mich einprasselten.

»Ihr habt recht«, sagte ich schließlich. »Ich habe nicht hier vor Akkars Nase gesessen und versucht irgendwie weiterzuleben. Aber ich kann und werde ihn nicht gewinnen lassen.«

»Er hat doch schon längst gewonnen«, fuhr Tarik mich an, ohne sich umzudrehen. »Du willst für etwas kämpfen, das nicht wiedergutzumachen ist. Die Vergangenheit wird nie wieder Gegenwart werden. Was auch immer du mit deinen Plänen erreichst, wird die Welt nicht wieder so machen wie früher, Leya. Meine Familie wird dann immer noch tot sein. Deine Mutter wird dann immer noch tot sein. Du kämpfst für nichts und wieder nichts. Die Welt dreht sich weiter. Hör auf dich dagegen zu wehren. Hol Akkar die Insignien und dann lass gut sein.« Er stapfte zur Tür, die Hände zu Fäusten geballt und den Kopf zwischen die Schultern gezogen wie ein angriffslustiger Stier. Damian stand ebenfalls auf, seine Miene drückte Mitleid aus, aber auch Zustimmung. Myra blickte mich kalt an.

Sie würden mir nicht helfen. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, stand ich nun hier und war so allein wie nie zuvor. Die Vorstellung dieses Augenblicks hatte mich alles ertragen lassen, was Embarro getan hatte. Das Wissen, dass ich durchhalten musste, für diesen Moment, in dem wir gegen Akkar paktierten. Und jetzt war all das umsonst gewesen. Ich spürte eine leichte Berührung. Sie war warm, tröstlich. Wie eine unsichtbare Hand legte sie sich auf meinen Nacken. Ich sprang ebenfalls auf.

»Und was ist, wenn ich euch sage, dass die Götter ihn nicht auf dem Thron wollen?«, rief ich.

Tarik erstarrte an der Tür. Damian wandte sich mir zu und Miko, der als einziger noch saß und mir trotzdem bis zur Schulter reichte, blickte verwirrt zu mir hoch.

»Wie meinst du das?«, wollte Tarik wissen.

»Als ich im Kloster war, haben sie zu mir gesprochen.« Zweifelnde Blicke, ein Schnauben von Myra. Aber ich ließ mich nicht beirren. »Glaubt mir oder nicht, aber die Götter werden Akkar nicht auf dem Thron akzeptieren. Wenn ich ihm die Insignien bringe und er sie während der Zeremonie berührt, werden sie ihn töten. Und dann wird ein Krieg ausbrechen, der das Kaiserreich zerstören und tausende Leben fordern wird.«

»Es wird einen Kampf um den Thron geben«, schlussfolgerte Miko. Sein Blick huschte zur Tür. »Das Volk glaubt Tarik tot.«

Ich nickte. »Die Auswirkungen wären verheerend.« Ich sah jedem einzelnen von ihnen in die Augen. »Was ich vorschlage, mag wahnwitzig sein, ja. Und vielleicht zieht es schreckliche Folgen nach sich. Aber wir können einen Krieg trotzdem verhindern. Wir müssen etwas tun, versteht ihr? Akkar ist nicht würdig. Er ist nicht der rechtmäßige Kaiser dieses Reiches.« Ich deutete auf Tarik. »Das bist du. Wir müssen handeln, ehe etwas Schlimmeres passiert als ein paar Zweifler, die sich auf der Straße das Maul über ihn zerreißen.«

Damian kaute nachdenklich auf seinem Zahnstocher. »Und das willst du alles von den Göttern selbst erfahren haben?«, fragte er zweifelnd. »Nichts für Ungut, Cata, aber das erscheint mir doch sehr weit hergeholt.«

»Ich weiß, wie sich das für euch anhören muss«, versicherte ich ihm. »Würde mir jemand so was auf der Straße erzählen, wäre ich genauso ungläubig. Aber ich appelliere an unsere Freundschaft, wenn ich euch bitte, mir zu vertrauen.«

Myra blickte mich mit versteinerter Miene an. Zu meiner Überraschung sagte sie dann: »Selbst wenn das mit den Göttern fragwürdig erscheint und eher nach Einbildung klingt, dürfen wir das Risiko eines Erbfolgekrieges nicht eingehen. Zu viele Menschenleben stehen auf dem Spiel.«

Ich sah zu den anderen hinüber. Damian musterte Myra und zuckte dann zustimmend die Schultern. Mikos Aufmerksamkeit lag auf Tarik. Der fuhr sich erneut durch das dichte, seidig glänzende Haar, das eigentlich kupferfarben war.

»Was, wenn die Götter mich ebenfalls als unwürdig erachten?«, fragte er dann. In seinen Augen lag ein gequälter Ausdruck und seine Mundwinkel wiesen nach unten. »Immerhin habe ich den Thron an einen Usurpator verloren.«

Davor also fürchtete er sich. Glücklicherweise wusste ich, dass er sich irrte. »Nicht du hast den Thron verloren, Tarik, sondern ich. Ich habe in meiner Aufgabe, die kaiserliche Familie und ihr Reich zu beschützen, versagt. Dich trifft keine Schuld. Die Götter wissen das. Sie werden dich akzeptieren. Das verspreche ich.«

Tariks Augen wurden groß. Er war sich nur allzu bewusst, dass ich niemals leichtfertig ein Versprechen gab. Und erst recht keines, das ich nicht erfüllen konnte. »Also schön«, sagte er, zog sich einen Stuhl heraus und setzte sich mir gegenüber.

Damian und Myra folgten seinem Beispiel. Neben mir atmete Miko kaum wahrnehmbar auf. »Was tun wir?«

Ich lächelte, auch wenn es mir noch immer schwerfiel, Tarik ins Gesicht zu sehen. Er sah seinem Vater wirklich sehr ähnlich. »Wir besorgen die Insignien. Dann suchen wir uns Verbündete gegen Akkar.«

Miko räusperte sich. »Du willst einen Putsch?«

Ich nickte.

»Klingt fair«, meinte er grinsend. »Aber wozu brauchen wir dann die Insignien?«

»Sobald Akkar überwältigt ist, muss Tarik vor das Volk treten und die Zeremonie durchführen. Das wird seine Rechtmäßigkeit beweisen. Ob wir Akkar vorher selbst Gefangensetzen, ihn umbringen oder ihn während der Zeremonie sterben lassen, können wir uns noch überlegen.«

Damian schob den Zahnstocher mit der Zunge zur Seite und sagte: »Schön, aber wie sollen wir die Dinger finden? Wenn Akkars Spione sie nicht entdeckt haben …«

Ich wechselte einen Blick mit Myra. »Das wird kein Problem sein.«

Damian sah mich mit hochgezogenen Brauen an, Tarik lehnte sich interessiert vor und Miko lachte.

»Du warst das, oder? Du hast die Insignien gestohlen und versteckt«, fragte Letzterer.

Ich zuckte die Schultern, konnte das Grinsen aber nicht verbergen. »Ich habe sie geholt, nachdem Tarik in Sicherheit war. Myra hat mir geholfen, sie zu verstecken.«

»Verräterin«, murrte Damian in Myras Richtung. Sie schenkte ihm nicht einmal einen Blick.

»In Ordnung. Also …« Tarik bedeutete mir fortzufahren.

»Ja«, griff ich den Faden wieder auf, »wir gehen in Zweierteams. Myra und Damian holen Dahrmika, das Schwert der Gerechten. Miko und ich holen den Ring und den Kelch.«

»Und ich?«, fragte Tarik.

»Du suchst Leute, die uns unterstützen.«

Er wirkte unzufrieden.

»Was ist mit Jaron? Ich finde, wir sollten ihn dazuholen«, meinte Damian.

Miko meldete sich zu Wort: »Er hat heute Nacht Dienst. Aber ich soll euch ausrichten, dass er dabei ist.«

Ich nickte, auch wenn mir wieder Mikos Bedenken gegen das letzte Mitglied unserer Runde einfielen. Mein Freund hatte da einen beinahe untrüglichen sechsten Sinn. »Er kann Tarik helfen. Wenn er Kontakte im Palast hat, weiß er, wer sich auf unsere Seite stellen könnte.«

Miko stimmte zu. »Ich lasse ihm eine Nachricht zukommen.«

»Na schön«, meinte Tarik, die Brauen noch immer unwillig zusammengezogen. »Ihr macht euch gleich morgen früh auf den Weg. Wir haben keine Zeit zu verlieren.« Er hatte immer die Pläne für unsere Missionen ausgearbeitet, schon als wir noch Kinder gewesen waren und die Missionen darin bestanden hatten, den Erwachsenen Streiche zu spielen.

Die anderen wollten sich erheben, doch ich hielt sie noch einmal zurück.

»Da gibt es noch ein kleines Problem.« Ich räusperte mich. »Im Zuge meines Eintritts ins Kloster musste ich einen Eid ablegen.«

Miko runzelte die Stirn. »Und der besagt was?«

»Bitte sag jetzt nicht ewige Keuschheit«, stöhnte Damian, »das würde mindestens einen hier im Raum sehr enttäuschen.«

Mit einem vernichtenden Blick in seine Richtung erklärte ich: »Ich darf weder Mensch noch Tier Leid zufügen.«

»Im Klartext bitte«, forderte Damian.

Ich blickte in die Runde. »Ich kann nicht mit euch kämpfen.«

Die Stille war zum Schneiden dick. Meine Freunde sahen mich ungläubig an.

»Scheiße«, meinte Damian dann.

Miko stimmte ihm zu. »Bist du wirklich noch an diesen Eid gebunden? Immerhin bist du keine Priesterin mehr.«

»Ich habe ihn vor den Göttern abgelegt. Also ja.«

»Ehrlich gesagt war mir unser Erfolg sicherer erschienen, als ich noch dachte, dass du mit uns kämpfen würdest.« Damian rieb sich die Stirn.

»Tut mir leid. Es ging nicht anders.« Das stimmte. Die Hohepriesterin des Klosters hatte mir Absolution und Unterschlupf versprochen, wenn ich die Beichte und den Eid ablegte. Ich hatte es getan und mir gesagt, später darüber nachzudenken würde schon reichen. Jetzt war später und ich hatte keine Lösung für das Problem gefunden, kein Schlupfloch, gar nichts.

»Das heißt also, unsere beste Kämpferin fällt aus«, seufzte Miko.

Ich schüttelte den Kopf. »Nach der Zeit bei Embarro … Ich denke nicht, dass ich euch überhaupt eine große Hilfe wäre. Das letzte Mal, dass ich ein Schwert in Händen hielt, ist fünf Jahre her. Und ich habe beinahe alles an Muskeln und Kraft eingebüßt. Ich müsste trainieren wie eine Wahnsinnige, um eine Klinge auch nur länger als zwei Minuten halten zu können. Das wäre ein unmögliches Unterfangen.«

Ich spürte Tariks dunklen, zornigen Blick auf mir. Ihn konstant an mein Versagen zu erinnern war sicher keine gute Taktik. Insgeheim wartete ich auf den Moment, in dem er sich auf mich stürzen würde, um Rache zu nehmen.

»Okay. Wir schaffen das schon irgendwie«, sagte Miko und klopfte mir dabei auf den Rücken. Ich zwang mich, nicht zusammenzuzucken. »Ist ja nicht so, als könnten wir anderen nicht kämpfen.«

Ich lächelte ihn dankbar an. Es war unangenehm, meine Schwäche so hinauszuposaunen, aber wenn sie mir vertrauen und mit mir zusammenarbeiten sollten, mussten sie es wissen. Sie hätten es ohnehin bald herausgefunden.

»Schön«, sagte Damian und grinste schief. »Dann lasst uns einen Kaiser stürzen.«

Kapitel 4

Leya

»Betrachte es einfach als eine Art Sicherheitsmaßnahme.«

Misstrauisch beäugte ich das mit Tinte gemalte Siegel auf meinem linken Unterarm. Der Hexenmeister des Kaisers war berühmt für seine Magie und die Zeichnung sah auch wirklich schön aus. Es war ein Kreis aus Buchstaben, mit einem Muster darin, dessen Linien ebenfalls aus winzigen Schriftzeichen, Punkten und Strichen bestanden, die einander überlappten und umschlossen, bis es aussah wie eine exotische Blüte. Der Hexenmeister betrachtete sein Werk, nickte und nahm dann meine Finger in seine, um die Magie in mich hineinfließen zu lassen. Er hatte die typisch lapislazulifarbene Haut der Hexen. Woran auch immer es lag, vielleicht an ihrer Nähe zur Magie, aber Hexen kamen mit dieser außergewöhnlichen Hautfarbe auf die Welt. Bei manchen Kindern entwickelte sie sich erst später, wenn sie den Weg zur Magie fanden. Aber immer zeigte sie die Kraft, die eine Hexe oder ein Hexer in sich barg. Dass die Haut des Hexenmeisters so sattblau wie Lapislazuli war, zeugte von seiner immensen magischen Begabung. Seine Berührung fühlte sich nicht unangenehm an. Kühl und fest. Er wusste genau, was er tat.

Tariks Vater hatte derlei Zaubern nie etwas abgewinnen können. Dennoch waren Hexen und Magier bei Hofe willkommen gewesen. Vermutlich um die sensationslüsternen Höflinge zufriedenzustellen, die sich regelmäßig ihr Schicksal voraussagen und verschiedene Zauber für Hautstraffungen, Glück und Wohlstand andrehen ließen. Akkar hingegen schien sich sehr auf diesen stillen Mann zu verlassen.

Der Hexenmeister trug das silberne Haar lang und zu Zöpfen gedreht. Er hatte alles auf dem Hinterkopf hochgesteckt, nur zwei Strähnen rahmten seine ebenmäßigen Züge mit den überraschend hellen Augen ein. Zahllose Ringe schmückten seine Hände, Arme und Ohren. Das Silber stand in verführerischem Kontrast zu seiner blauen Haut. Schmucknarben bedeckten Hände und Hals. Der Mann war ein Exzentriker durch und durch und ich bewunderte ihn dafür.

»Damit ich auch zu Euch zurückkehre, ja?«, erwiderte ich auf des Kaisers süffisante Bemerkung. Er fläzte wie ein Junge auf seinem Thron, ein Bein über die Armlehne gelegt. Dabei nestelte er an den mit großen Steinen besetzten Ringen an seinen Fingern. Er war ein Nichts im Vergleich zu dem erhabenen, vom Alter ergrauten, mit tausenden Lachfalten übersäten Mann, der eigentlich auf diesem Stuhl hätte sitzen sollen.

Der Kaiser war wie ein Großvater für mich gewesen, hatte mich auf seinen Knien reiten lassen und mir lustige Lieder gesungen. Tariks Geburt war einem Wunder gleichgekommen, hatten seine Eltern doch schon drei nahezu erwachsene Kinder gehabt und waren im Alter schon recht fortgeschritten gewesen. Das hatte die Freude über Tarik jedoch nicht geschmälert. Ich erinnerte mich noch, wie traurig ich manchmal für meinen Freund gewesen war, dass er nie mit seinem Vater hatte im Garten spielen können, so wie seine Brüder. Aber Nikolas und Heron hatten diese Rollen übernommen und Tarik hatte mir eines Nachts zugeraunt, dass es ihn nicht störte.

»So in der Art.« Die Hände des Hexenmeisters begannen zu glühen, dann verspürte ich einen heftigen Stoß, als wäre ein Blitz geradewegs in meine Hand gefahren. Ich wollte zurückzucken, aber es war bereits zu spät. Das Siegel brannte entsetzlich. Glühende Funken erblühten unter meiner Haut, dann war es auch schon wieder vorbei.

Der Hexenmeister ließ mich los und ich nahm das Brandmal in Augenschein. Es war schwarz verkohlt und dampfte noch ein wenig. Aber der Schmerz war nicht allzu schlimm. Magisches Feuer. Ich fühlte mich beinahe so wie an meinem ersten Tag in Embarros Haus, als dieser mich mit seinem Zeichen versehen und für jedermann sichtbar zu seinem Eigentum erklärt hatte. Nur der Gedanke, dass meine Freunde auf mich warteten, hatte meine Tränen damals zurückgehalten. Und so war es auch jetzt. Ich schob die Erinnerung beiseite und rief mir die Dringlichkeit unserer Mission ins Gedächtnis. Miko wartete irgendwo in der Stadt auf mich, damit wir endlich aufbrechen konnten. Myra und Damian waren vermutlich bereits unterwegs.

»Was meint Ihr damit?«

»Dieses Siegel soll dich daran erinnern, was für dich auf dem Spiel steht.« Wie er es sagte, klang es beinahe, als kümmere ihn mein Erfolg in dieser Aufgabe nicht. Als wäre er unantastbar und die Insignien nur reine langweilige Formalität. Aber ich wusste, dass dem nicht so war. Ich kannte Akkar, seit ich zehn Jahre alt war, hatte sogar eine lange Zeit für ihn geschwärmt.

Damals war er gerade zwanzig gewesen und hatte einfach hinreißend ausgesehen. Ein wenig jünger als jetzt, aber sonst hatte er sich wenig verändert. Schwarzes, zu einer gekonnt verwuschelten Frisur zurechtgemachtes Haar, einen gepflegten perfekten Bart, der am Kinn spitz zulief und von einem Schnauzer gekrönt wurde. Glattrasierte Wangen, geschwungene Brauen und Wimpern, für die jede Frau töten würde. Im linken Ohr trug er einen langen Ohrring. Ein spöttisches Lächeln verzog zu jeder Zeit seinen Mund und verlieh ihm das Aussehen eines unbekümmerten Mannes, der nichts ernst nahm und dessen Gedanken voll ruchloser Bilder waren. Erst später hatte ich erkannt, dass all das bloß eine Maskerade war. Selbst wie er jetzt auf dem Thron hing. Er wollte den Eindruck von Lässigkeit, Unbekümmertheit vermitteln, während es hinter seiner Stirn arbeitete. Er war ein Manipulator der Extraklasse. Deshalb glaubte ich ihm auch nicht, was das Siegel anbelangte. Vor meiner Abreise würde ich es unbedingt überprüfen müssen.

»Wie großzügig«, sagte ich mit einem süßen Lächeln. Die alte Leya hielt das Ruder fest in der Hand, während das gequälte Häuflein Elend, zu dem ich verkommen war, sich im tiefsten Innern meiner Selbst verkrochen hatte. Diese Maskerade war nicht schwer aufrechtzuerhalten. Ich verbarg meinen Hass gegen den Kaiser nicht einmal. Er wusste genau, wer ich war und was ich fühlte. Aber er wusste auch, dass ich keine andere Wahl hatte, als ihm zu gehorchen. Vermeintlich.

»Du magst es nicht glauben, Cataleya, aber ich bin ein generöser Mann.« Na klar. »Besonders den Menschen gegenüber, die mir treu ergeben sind.«

Ich schnaubte, verkniff mir aber jede Antwort und rollte den Ärmel meines Hemdes wieder hinab, um die Unterarmschiene darüber zu befestigen. Ich würde zwar nicht kämpfen, aber auch wenn ich meinen Freunden gegenüber offen gewesen war, so brauchte der Kaiser doch nichts von dieser Schwäche zu erfahren. Also hatte ich mir das Schwert umgehängt, das in meiner Truhe gelegen hatte, obwohl es nicht meine eigene Klinge war, die ich schmerzlich vermisste. Zusammen mit zwei Dolchen an meiner Hüfte, einem am Oberschenkel und einem im Stiefel. Ein Köcher mit Pfeilen und ein Bogen hingen über meiner Schulter. Das Gewicht der Waffen war zugleich vertraut und erdrückend. Das Wissen, sie nicht ziehen zu dürfen, bedrängte permanent meine Gedanken. Genau wie das Wissen, dass ich dem Kaiser mit einem einzigen Zucken meines Handgelenks ein Messer in die Kehle jagen und diese Sache ein für alle Mal erledigen könnte. Aber ich durfte nicht.

»Kann ich dann jetzt gehen? Ich habe eine Aufgabe zu erledigen«, sagte ich schnell, bevor meine Gedanken noch weiter in gefährliches Terrain abdrifteten.

»Geh. Aber vergiss nicht, Cataleya: Du gehörst mir. Bei der winzigsten Verfehlung werde ich dich töten.«

»Ihr selbst oder einer Eurer ergebenen Handlanger?«, fragte ich, meine Stimme ein provokantes Schnurren.

Er stand auf, kam die drei Stufen des Thronpodests hinab und blieb viel zu nah vor mir stehen. Ich konnte seinem Duft nach Rosmarin und Seife nicht entgehen. Entgegen allen Instinkten gestand mein Hirn sich ein, dass er fantastisch roch. Und aus der Nähe wirkten seine dunkelbraunen Augen schwarz. Nur wenn das Sonnenlicht direkt hineinfiel, konnte man den schokoladigen Schimmer darin erahnen.

Er blickte auf mich herab, hob eine Hand und schob eine widerspenstige Strähne meines dunkelblonden Haars zurück an ihren Platz hinter meinem Ohr. Als seine Finger meine Haut berührten, schauderte ich. Alles in mir schrie danach, das Messer aus meinem Oberschenkelholster zu ziehen und zwischen der dritten und vierten Rippe hindurch geradewegs in sein Herz zu bohren. Doch eine warme Berührung in meinem Nacken mahnte mich zur Ruhe. Also reckte ich lediglich das Kinn und hielt seinem Blick stand, mein Mund genauso spöttisch verzogen wie der seine.

»Für jemanden wie dich mache ich mir nicht die Hände schmutzig, Leya.« Er sprach meinen Kosenamen aus, als würde er ihn auf der Zunge schmecken. Miko hatte diese Kurzform eingeführt. Nur Damian nannte mich Cata, weil er wusste, dass ich es hasste.

»Schmutziger als jetzt könnten sie ohnehin nicht mehr werden«, sagte ich.

Er lächelte und strich mit seinem Zeigefinger über meinen Wangenknochen. »Du hast ja keine Ahnung.« Dann war er fort und seine Berührung mit ihm. Ich unterdrückte das Schaudern.

»Verschwinde«, sagte er, mit dem Rücken zu mir und wedelte mit der beringten Hand.

Die alte Leya wollte unbedingt das letzte Wort haben, aber mein verweichlichtes Selbst jagte sie aus dem Raum. Schnellen Schrittes durchmaß ich den leeren Thronsaal und setzte die Kapuze meines Mantels auf, als ich in den Flur trat. Aber es war ohnehin niemand unterwegs zu dieser Zeit des Tages. Es war noch viel zu früh für die Höflinge, sich auch nur aus ihren seidenen Laken zu quälen.

Meine Schritte pochten im Gleichklang meines Herzens auf dem glatten Marmor. Dann war ich draußen und sog die frische Luft tief in meine Lungen. Als würde eine Last von mir abfallen, fühlte ich mich plötzlich leichter. Wie von selbst schlugen meine Füße den Weg in Richtung Stallung ein. Akkar hatte mir eines seiner eigenen Pferde zur Verfügung gestellt.

Wie ich vermutet hatte, wartete Miko bereits unruhig. Mit wippenden Knien saß er auf der obersten Stufe des Pfennigfuchser und knibbelte an seiner Nagelhaut herum.

»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du das lassen sollst?«, meinte ich und verzog angewidert das Gesicht.

Er sprang sogleich auf, Erleichterung in den Zügen. »Da bist du ja endlich.«

»Keine Frau will einen Mann mit angeknabberten, ausgefransten Fingernägeln. Das ist ekelhaft.«

»Halt die Klappe. Du bist nicht besser. Denkst du, ich hätte nicht bemerkt, wie du dir auf der Wange herumbeißt?« Er warf mir einen Beutel mit Proviant zu. »Von Rita«, meinte er nur.

Ich band den Beutel an den Sattel. »Na und? Das sieht man wenigstens nicht. Und außerdem riechen deine Hände immer nach Spucke.«

»Man spürt es aber beim Küssen«, belehrte er mich. »Und das mit der Spucke stimmt gar nicht.« Er schnupperte an seinen Fingerspitzen. »Nö, nur Waffenöl und Leder. Mein liebstes Parfüm.«

Ich verdrehte die Augen. »Steig auf, Laberbacke. Wir müssen noch einen kleinen Zwischenstopp einlegen, bevor wir die Stadt verlassen.«

Miko warf mir einen fragenden Blick zu. Ich winkte ab. »Erklär ich dir später. Lass uns erst mal von hier verschwinden.«

Er saß auf und wir bahnten uns einen Weg durch die sich langsam füllenden Straßen der Stadt. Ich hatte Lisur, die Hauptstadt, immer geliebt. Hier war es nie ruhig, oder leer, oder langweilig. Irgendwo war immer Markttag, oder irgendein Straßenfest oder eine Hochzeit. Die Menschen hier waren laut, aggressiv und viel zu oft betrunken, aber ich hatte mich zwischen ihnen immer wohl gefühlt. Hier hatte ich kein Blatt vor den Mund nehmen müssen. Niemand hätte sich mit mir angelegt und wenn doch, genügte für gewöhnlich eine scharfe Klinge an der Kehle, um den Streit zu beenden. Ich konnte gar nicht zählen, wie oft Miko und ich uns aus dem Palast geschlichen hatten, um trinken oder Karten spielen zu gehen. Miko hatte ein grauenhaftes Pokerface gehabt und so lange verloren, bis ich eingegriffen und sein Geld gerettet hatte. Und ich hatte ihn zum Tanzen gezwungen. Nicht die dämlichen Paartänze im Palast, sondern einfach zum Rhythmus der Musik schwingen, sich gehenlassen, nicht an Morgen denken. Es waren die schönsten Erinnerungen überhaupt. Zumindest was die Zeit vor Tarik anging. Der Prinz hatte uns natürlich nie begleitet. Es wäre viel zu gefährlich gewesen und Miko hatte den jüngeren Jungen nicht gemocht. Ich glaube, erst der Putsch und die Ereignisse danach hatten die beiden einander nähergebracht.

In den Außenbezirken waren die Häuser etwas kleiner und teils baufällig, aber keineswegs heruntergekommen. Die Straßen waren halbwegs sauber und in den letzten fünf Jahren hatte sich hier kaum etwas verändert, sodass ich den Weg mühelos fand. Vor Yaras Haus hielt ich an und stieg vom Pferd.

Miko hob eine Braue, gesellte sich aber zu mir, ohne weiter Fragen zu stellen. Auf mein Klopfen hin öffnete eine rundliche Frau mit krausem, grauem Lockenkopf und hellblauer Haut die Tür. Sie trug ein buntgestricktes Tuch um die Schultern und farbenfrohe Ohrringe strichen über ihren Hals. Seit wir uns zuletzt gesehen hatten, war sie stark gealtert.

Ich sah ihren Schrecken, ehe sie sich die Hand aufs Herz presste und leise fragte: »Leya? Bist du es wirklich? Natürlich bist du es. Der Muskelberg hinter dir beweist es. Kommt rein, kommt rein. Lasst mich nur schnell einen Tee kochen, dann können wir …« Während sie sich umdrehte und im Innern der Hütte verschwand, wurde ihre Stimme immer leiser, bis man sie kaum noch verstehen konnte. Ich grinste, trat über die Türschwelle und tauchte ein in die mollige Wärme des Hauses und den Duft zahlloser Kräuter und Blumen. Darunter hatte sich der Geruch nach altem Mensch gemischt, eine Nuance, die es früher nicht gegeben hatte. Mit Sorge beobachtete ich, wie Yara in der Kochnische herumfuhrwerkte und sich dabei die Hüfte hielt.

Miko schien es auch bemerkt zu haben, denn er ging hinüber und nahm ihr den Kessel ab. »Setz dich. Ich mach das schon.«

Die alte Frau lächelte und tätschelte seinen Arm. »Du bist ein guter Junge, Miko. Und hübsch noch dazu. Wenn du nur nicht immer an deinen Fingernägeln knabbern würdest.« Sie seufzte. Ich bedachte Miko mit einem triumphierenden Blick und er verdrehte die Augen.

Yara setzte sich zu mir an den Tisch. Dutzende Kerben zeugten von seinem Alter. Wie oft hatte ich hier gesessen und Yara von Tarik erzählt. Mein Herz war bei ihr immer gut aufgehoben gewesen. Genau wie meine Tränen.

»So, mein Mädchen, dann erzähl mal.« Sie ließ sich schwer auf den Stuhl fallen. Ich nahm mir vor, einen Tischler herzuschicken, der das Möbelstück aufbesserte. Es knarzte bedrohlich.

Ich schüttelte den Kopf. »Das müssen wir auf später verschieben, Omamma«, sagte ich. Da ich die Eltern meiner Mutter nie kennengelernt hatte, war Yara das nächste, was an eine Großmutter herankam. »Wir haben es eilig. Aber ich brauche deinen Rat.«

Als sie nickte, schnallte ich die Armschiene ab und schlug den Ärmel zurück. Yara beugte sich vor. Ihre weichen, muschelblauen Hände zogen meinen Arm näher heran. Sie kniff die Augen zusammen, als fiele es ihr schwer, das Zeichen auf meiner Haut zu erkennen. Dann sog sie scharf die Luft ein.

»Woher hast du das?«

Beim peitschenden Klang ihrer Stimme fuhr Miko herum. Zwei Schritte trennten ihn vom Tisch. Der Wasserkessel hing vergessen über dem Feuer.

»Der Hexenmeister des Kaisers hat es mir aufgetragen. Was ist es?«

Yara murmelte etwas vor sich hin und fuhr sanft mit den Fingerspitzen über die Verbrennung. Es tat nicht weh, kribbelte nur etwas. »Es ist ein Siegel«, erklärte sie dann. »Hexen benutzen sie, um ihre Diener zu zeichnen oder einen Zauber dauerhaft in einem Menschen zu verankern.«

»Und was tut es genau? Akkar hat davon gesprochen, dass es mich schützen soll.«

Yara stieß ein hartes Lachen aus. »Akkar ist ein Lügner. Das Siegel verrät ihm zu jeder Zeit, wo du dich befindest. Es ist eine Art Markierung.«

Ich wechselte einen schnellen Blick mit Miko. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die Brauen so weit zusammengezogen, dass sie sich über seiner Nasenwurzel beinahe berührten. Er war wütend.

»Kannst du es entfernen?«

Yara brummte und strich noch einmal über das Zeichen. »Nein. Der Hexenmeister ist sehr stark. Ich könnte es überschreiben, aber seine Macht würde meine bald niedergerungen haben.«

Ich betrachtete die Symbole, Striche und Punkte. Yaras Enthüllung hatte die Magie nicht ihrer Schönheit beraubt, aber ich fühlte mich plötzlich beklommen. Akkar hatte mich genauso markiert wie Embarro. Nur noch viel schlimmer. Er würde wissen, wo ich mich aufhielt, wohin ich ging. Solange er lebte. Ich konnte nicht einmal eine falsche Spur auslegen. Allein meine Anwesenheit brachte Yara und meine Freunde in Gefahr.

»Kann man es vielleicht umschreiben?«, schlug Miko vor. »Einen Buchstaben verändern, eine Linie hinzufügen, so was?«

Yara schüttelte den Kopf. »Du könntest die Struktur des Mals oberflächlich zerstören, das ja. Aber das würde nichts an seiner magischen Beschaffenheit ändern. Der Zauber bliebe bestehen.« Sie erhob sich und ging hinüber zu einem Regalbrett, auf dem sich dutzende Gegenstände stapelten. Sie wühlte darin herum.

Miko setzte sich mir gegenüber. »Was machen wir jetzt?«

Ich zuckte die Schultern. »Am sichersten wäre es wohl, hier zu bleiben. In der Stadt. Aber dann würde sich Akkar fragen, warum ich nicht auf die Suche gehe.« Ich schüttelte den Kopf. »Uns bleibt keine andere Wahl.«

»Er könnte uns seine Spione hinterherschicken«, wandte Miko ein.

»Das wird er ganz sicher. Aber erst, wenn wir den dritten Gegenstand gefunden haben. Er weiß nicht, dass Myra und Damian sich darum kümmern. Für ihn wird es so aussehen, als hätten wir erst zwei Insignien gefunden. Das verschafft uns vielleicht einen Vorsprung. So wird er zwar wissen, dass ich es war, die die Insignien versteckt hat, aber darauf können wir jetzt keine Rücksicht nehmen. Wenn wir Fallstricke und Ablenkungsmanöver einbauen, kostet uns das nur Aufwand und Zeit.«

Miko nickte. »Wir bleiben bei unserem Plan, bis wir die anderen informieren können. Ich gebe Yara eine Nachricht für Tarik mit. Er soll sich etwas überlegen, bis wir zurück sind.«

»Hier, mein Mädchen, nimm das mit.« Yara kam zu uns zurück und drückte mir eine seltsam geformte Münze in die Hand. Sie sah angelaufen aus und hatte Löcher und Kerben.

»Was ist das?«

»Ein Obsidio. Er besteht aus reinem Eisen und kann den Zauber blockieren.« Sie schnappte sich meine Hand, als ich die Münze schon auf das Siegel pressen wollte. »Aber nicht für lang«, fuhr sie fort. »Du kannst ihn nur einmal verwenden.«

Ich betrachtete die Münze. Sie würde mich nicht vor Akkar abschirmen. Zumindest nicht die ganze Zeit über. Aber vielleicht konnte ich sie zu einem passenden Zeitpunkt benutzen, um ihm zu entwischen. Ich steckte sie in den Münzbeutel an meiner Hüfte. »Danke, Yara, du hast mir sehr geholfen.«

Die alte Frau blickte mich mit wässerigen Augen an, als ich mich erhob. »Kein Tee heute?«

Ich schüttelte den Kopf und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ein andermal.«

»Versprich es, Mädchen. Ich sehe, dass etwas mit dir nicht stimmt.«